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Otto Hahn/Lise Meitner ||

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Stolz . Otto Hahn/Lise Meitner

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lOtto Hahn (8.3. 1879-28.7.1968)

2 Lise Meitner (7.11. 1878-27.10.1968)

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Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, T echniker und Mediziner Band 64

Otto Hahn/Lise Meitner Prof. Dr. rer. nat. habil. Werner Stolz

Bergakadernie Freiberg

2., durchgesehene Auflage

Mit 20 Abbildungen

LEIPZIC

BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft ·1989

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Herausgegeben von D. Goetz (Potsdam), I. Jahn (Berlin), H. Remane (Halle),

E. Wachtler (Freiberg), H. WuGing (Leipzig) Verantwortlicher Herausgeber: H. WuGing

Bildnachweis ADN Zentralbild, Berlin (Abb. 1,9, 12, 15, 17, 19,20) Archlv der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin (Abb. 13) Archiv der Humboldt-Universitiit, Berlin (Abb, 3) Bergakademie Freiberg, Hochschulbildstelle (Abb. 6) Deutsche Fotothek, Dresden (Abb. 2, 16) Deutsches Museum, Miinchen (Abb. 14) Irmgard StraBmann, Mainz (Abb. 7, 18)

Stolz, Werner: Otto Hahn / Lise Meitner. - 2. Auf!.-Leipzig: BSB B. G. Teubner Verlagsgcsellschaft, 1989. -97 s.: 20 Abb.-(Biographien hervorragender Naturwisscnschaftler, Techniker und Mediziner, Bd. 64)

ISBN-13 :978-3-322-00685-1 e-ISBN-13 :978-3-322-82223-9 DOl: 10.1007/978-3-322-82223-9

Biogr. hervorrag. Nat.wiss. Tech. Med., Bd. 64

ISSN 0232-2516 @ BSB B. G. Teubner verlagsgesellschaft. Leipzig, 1989 2. Auflage VLN 294-375/84/89 . LSV 1108 Lektor: Hella Muller

Gcsamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei "Gottfried Wilhelm Leibniz". 4450 Griifenhainichcn . 7077 Bcstell-Nr. 666 142 9

00480

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Inhalt

Radioaktivitiit 6

Studienjahre und erste wissenschaftliche Erfolge 10

Der .. gute Jahrgang" 10 Yom organischen Chemiker zum Kernchemiker 11 Als Frau in den Naturwissenschaften 15

Die Arbeitsgemeinschaft Hahn - Meitner 19

Kernforschung in der Holzwerkstatt 19 Erfolgreiche Arbeit am Kaiser-Wilhelm-Institut fur Chemie 25 Flucht aus Hitlerdeutschland 34

Die Entdeckung der Kernspaltung 42

Die .. falschen" Transurane 42 Die Deutung der Kernspaltung 49 1m Exll 55 Kriegsjahre 57 Hiroshima und Nagasaki 61

Nach dem zweiten Weltkrieg 67

Aufbau der Max-Planck-Gesellschaft 67 Gegen den Millbrauch der Kernenergie 73 Ehrungen und Auszeichnungen 78 Die letzten Lebensjahre von Otto Hahn und Lise Meitner 83

Ausblick 86

Chronologie 89

Literatur 93

Personenregister 95

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Radioaktivitat

Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts pragte der ~echa­nische MateriaHsmus das Weltbild der Naturwissenschaft. In der Physik war mit der mathematischen Formulierung der Grund­gesetzc der Mechanik, Thermodynamik und EIcktrodynamik dn gewisser AbschluG erreicht. Der Satz von der Erhaltung der Energie hatte als universelles Gesetz allgemeine Anerkennung gefunden. Die Erkenntnisse dieser "klassischen Physik" befruch­teten nachhaltig alle Gebiete der Technik und fiihrten zu ciner standigen Verbesserung der Produktionsverfahren. Die ~nnere Geschlossenheit der physikalischen Theorie und ihre auGer­ordentlich groGe Lcistungsfiihigkcit fiihrte bei manchen Gelehr­tcn jener Zeit Zu der Oberzeugung, daG alles Wesentliche nun erkannt sei. So verwundert es nicht, daG der bekannte Miinchncr Physiker Philipp von Jolly dem ihn befragenden jungen Max Planck den Rat gab, von einem Studium der Physik Abstand zu nehmen, da sich das nicht mehr recht lohne, wei! alles schon crforscht sci. Auf dem Gebietder Chemie setzten sich in der zweitcn HaIfce des neunzehnten Jahrhunderts ebenfalls neuc, grundlegende An­schauungen durch. Dmitri Iwanowitsch Mendelejew und Lothar Meyer hatten das Periodensystem gefunden, das in der Folgezcit durch die zielgerichtete Vorhersage und anschlieGende Ent­deckung neuer chemischer Elemente cine glanzende Bestatigung seiner Richtigkeit erfuhr. Auch die Chemie der Kohlenstoffver­bindungen, die organische Chemie, trat nach der Oberwindung spekulativer Auffassungen in cin entschcidendes Entwicklungs­stadium. Der Weg fiir den Aufbau der chemischen GroGindustrie war frei. Noch reichten jedoch die Vorstellungen der chemi­schen Atomistik nicht iiber die voh John Dalton im Jahre 1807 auf der Grundlage der griechischen Naturphilosophie Demokrits und cigener empirischer Erfahrungen geschaffene Atomhypo­these hinaus. Danach bestehen alle Stoffe aus klcinsten untei!­barcn Teilchen, den Atomen (atomos=unteilbar). Die Atome

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eines chemischen Elementes stimmen in allen ihren Eigenschaf­ten uberein. Von Element zu Element unterscheiden sie sich je­doch durch ihre Masse. Die Atome verschiedener chemischer Elemente konnen sich nicht ineinander umwandeln. Bei che­mischen Reaktionen erfolgt lediglich eine Zusammenlagerung oder Umgruppierung von Atomen, wobei sich die Molekule der chemischen Verbindungen bilden. In den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende vollzogen sich in den Naturwissenschaften Wandlungen, die Zu den tiefgrei­fends ten gehoren, die jemals in der Geschichte der Wissenschaft stattgefunden haben. Eine Reihe aufsehenerregender Entdeckun­gen erschutterten die Grundpfeiler des bisherigen mechanisti­schen Weltbildes. Die Zeit war reif, die klassische Physik und die chemische Atomistik durch neue fundamentale Erkennt­nisse zu erweitern. Von einem "AbschluG" oder einer moglichen "Vollendung" der Physik konnte keine Rede mehr sein. Die mit der inneren Umgestaltung des physikalischen Weltbildes einsetzende "Krise der Physik" hat Wladimir Iljitsch Lenin spa­ter in seinem Werk "Materialismus und Empiriokritizismus" eingehend analysiert. Die Fortschritte der Physik am Ende des 19. Jahrhunderts waren auf das engste mit der Herausbildung des modernen Atombegriffs der Chemie verknupft. An der rea­len Existenz der Atome konnte kein Zweifel mehr bestehen. Es wurde klar, daB sich die Atome nicht wie tote, unverander­Hche Kugelchen verhalten, welche die Gesetze der klassischen Mechanik befolgen. Fur Physik und Chemie wurden die Er­forschung des Aufbaus der Atome und die Formulierung einer neuen atomistischen Theorie zu Fragen von erstrangiger Be­deutung. Den AnstoB zu jener graBen Revolution in den Naturwissen­schaften gab der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Rontgen. 1m November des Jahres 1895 entdeckte er in Wurzburg die spater nach ihm benannte elektromagnetische Strahlung. Diese unsichtbare Strahlung vermochte nicht nur die verschiedensten Stoffe zu durchdringen, sondern auch Photoplatten zu schwar­zen sowie die Glaswande der Entladungsrohren und manche Kristalle zum Leuchten zu bringen. Die Eigenschaften der neu­artigen Strahlung erregten in wissenschaftlichen Kreisen erheb­liches Interesse. Es drangte sich insbesondere der Gedanke eines

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ursachlichen Zusammenhangs zwischen der Entstehung von Rontgenstrahlung und der Aussendung von Lumineszenzlicht auf. Nach Versuchen mit lumineszierenden Uraniumsalzen glaubte der franzosische Physiker Henri Becquerel bereits 1896 die experimentelle Bestatigung fUr dies en Zusammenhang ge­funden zu haben. Dem Sonnenlicht ausgesetzte Kristalle von Uranylsulfat schwarzten lichtdicht verpackte Photoplatten, selbst wenn diese zusatzlich mit Glas oder anderen Stoffen be­deckt waren. Bald muGte er jedoch erkennen, daB zwischen der gefundenen Strahlung und dem Lumineszenzvermogen der Kristalle keinerIei Beziehungen bestanden. Von allen Uranium­salzen, auch den nichtlumineszierenden, ging eine unsichtbare, aber durchdringende Strahlung aus. Diese war wie die Ront­genstrahlung photographisch wirksam und besaB die Fiihig­keit, Luft elektrisch lei tend zu machen. Unabhangig voneinander stellten die junge Polin Marie Sklo­dowska-Curie und Gerhard C. Schmidt fest, daG auch von Tho­rium und seinen Verbindungen eine soIche Strahlung ausgeht. Bei weiterfuhrenden systematischen Untersuchungen aller che­mischen Elemente bemerkte das Ehepaar Pierre und Marie Curie, daB einige Uraniumerze, namentlich die Uraniumpechblende aus dem bohmischen Jachymov (Joachimsthal), eine millionen­mal starkere Strahlung aussandten, als nach ihrem Uranium­gehalt zu erwarten war. Mit genialer Sicherheit schloG Marie Curie daraus, daB diese Minerale neben Uranium weitere strah­len de Stoffe enthalten mussen. Noch im Jahre 1898 konnte das Forscherehepaar nach unbeirrbarer, muhevoller Arbeit diese Vermutung experimentell beweisen und die beiden neuen strah­lenden Elemente Polonium und Radium isolieren. Die Entdeckung der spontanen Strahlung schwerer Elemente, von Marie Curie als Radioaktivitat bezeichnet, faszinierte die gesamte wissenschaftliche Welt. Kein Ergebnis dec Naturwis­senschaft hat starker zum Wandel des Atombegriffs beigetra­gen als die neuen Erkenntnisse der radioaktiven Umwandlungs­phanomene. Die alten Vorstellungen der Chemiker von dec UnveranderIichkeit und Unteilbarkeit der Atome muBten revi­diert werden. Die Atomc waren auf einmal keine ewig stabilcn Elcmentarbausteine mehr, sondern wanddbare Gebilde. Das war etwas grundsatzlich Neues, Unerwartetes! Allerorts wurdcn

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kuhne Hypothesen diskutiert, abcr auch besorgniserrcgcnde l;ragen aufgeworfcn. Woher stammte die bei den Strahlungs­prozessen andauernd freigesctzte Encrgie? War cine radioaktive Substanz ein Perpetuum mobile? Lag bei den radioaktiven Pro­zessen die Verletzung cines Grundgesetzes der gcsamten Natur­wissenschaft vor, des Satzes von der Erhaltung der Energie? Aus­blickc in ein weites wissenschaftliches Neuland croffnctcn sich. Nach der epochemachenden Entdeckung der Radioaktivitat rangen Physiker und Chemiker jahrzehntelang urn ein tieferes Verstandnis der spontanen Atomvorgange. Unter den vielen erstrangigen Naturforschern, die durch ihre grundlegenden und umwalzenden Erkenntnisse der Menschheit den Weg zur Nutz­barmachung der Atomenergie bahnten, ragen neben Madame Curie und Ernest Rutherford der Chemiker Otto Hahn und die Physikerin Lise Meitner besonders hervor.

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Studienjahre und erste wissenschaftliche Erfolge

Der "gute Jahrgang"

Der Physiker Carl Ramsauer, selbst 1879 geboren, sol1 einmal scherzhaft vom "guten Jahrgang 1879" gesprochen haben. In diesem Jahr erblickten Albert Einstein (14. Marz), Otto Hahn (8. Marz) und Max von Laue (9. Oktober) das Licht der Welt. Max Planck meinte, man miisse aber auch Lise Meitner hinzu­rechncn, obwohl sie etwas regelwidrig schon am 7. November 1878 geboren wurde, sie habe als "vorwitziges Madchen" die Zeit nicht abwarten konnen. Jahrzehnte spater verband diese groGen Naturforscher eine enge und freundschaftliche Zusam­menarbeit. In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts ka­men sie aIle - gemeinsam mit so beriihmten Physikern wie Walter Nernst, Erwin Schrodinger, Gustav Hertz und James Franck - wochentlich im physikalischen KoIloquium der Ber­liner Universitat zusammen. Berlin hatte sich zu einem bedeu­tenden Zentrum der Wissenschaft entwickelt. In die Berliner Zeit von Otto. Hahn und Lise Meitner fallen der wesentlichste Teil des wissenschaftlichen Lebenswerkes dieser bedeutenden Atomforscher. Durch die in dreiGigjahriger Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Radioaktivitat erzielten Forschungsergeb­nisse erlangten sie Weltruhm. Mit der Entdeckung der Kern­spaltung leiteten sie ein neues Zeitalter in der Menschheitsge­schichte ein. Otto Hahn blieb in den J ahren nach der nationalsozialistischen Machtergreifung standhaft und unbeugsam, konnte sich aber ohne ernsthafte Bedrangnis bis 1945 der wissenschaftlichen Arbeit widmen. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte er sich mit dem ganzen Gewicht seiner Autoritat gegen den militarischen MiGbrauch der neu entdeckten Energiequelle, der Kernenergie, ein und wies immer wieder auf die Verantwortung des Wissen­schaftlers fur die moglichen Folgen seiner Forschung hin. Lise Meitner, von Albert Einstein oft "unsere Madame Curie" genannt, muGte in den Jahren der faschistischen Gewaltherr­schaft wie viele der besten Wissenschaftler, Kiinstler und Schrift-

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steller aus rassischen Griinden Deutschland verlassen. Nach dem Keiegsende kehrte sie nicht aus dem Ausland zuriick. Lise Meitner blieb in Stockholm und iibersiedelte im hohen Alter nach Cambridge in England. Bei vielen Gelegenheiten traf sie aber wieder mit den alten Kollegen zusammen. Bis an das Le­bensende blieben Otto Hahn und Lise Meitner in herzlicher Freundschaft verbunden.

Vom organischen Chemiker zum Kernchemiker

Otto Hahn wurde als der jiingste von vier S6hnen in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater beteieb dort eine kleine Glaserei, die sich spater zu einem gr6Beren Unternehmen entwickelte. Durch Strebsamkeit und FleiB erlangten die Eltern bald finan­zielle Sicherheit und Ansehen. Die vier Briider wuchsen unbe­schwert in einer kleinbiirgerlichen Atmosphare heran. Der Um­gang mit den aus "armlicheren" Verhaltnissen stammenden Kindern der Nachbarschaft war ihnen verboten. Wah rend sein altester Bruder Karl auf das angesehene altsprachliche Goethe­Gymnasium geschickt wurde, durfte Otto nur die Klinger-Ober­realschule besuchen. Mit scherzhaften Worten hat Otto Hahn "den Mangel an humanistischer Bildung" noch nach Jahrzehn­ten bedauert. Wlihrend der Oberrealschulzeit regte sich das erste Interesse an der Chemie. Otto Hahn erinnert sich an einen sehr guten Unterricht in Mathematik, Franz6sisch und Englisch.

Sehr viel bescheidener war der Unterricht in den Naturwissenschaften. Dem Phy&iklehrer, offenbar durch sein Stottern sehr gehemmt, gelang es trotz aller Anstrengungen nicht, uns fiir die Physik zu interessieren. Der Unter­richt in Chemie war zum Schlafen langweilig, und doch interessierte ich mich zunehmend gerade fiir dicses Fach. [2, S. 31]

Seine Berufswahl wurde wohl besonders durch eine Schiiler­vorlesung iiber organische Farbstoffe beeinfluBt, die der Ordi­narius fiir Chemie an der spater gegriindeten Frankfurter Universitat, Professor Martin Freund, im Frankfurter Physikali­schen Verein gehalten hatte. Otto Hahn gelang es, den Vater umzustimmen, der seinen jiingsten Sohn gern als zukiinftigen Architekten gesehen hatte.

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Nach dem Abitur bezog Otto Hahn im Sommer 1897 die nahe­gelegene Universitat Marburg, urn Chemie zu studieren. Er be­legte das Hauptkolleg Chemie bei dem Organiker Theodor Zincke und nahm regelmal3ig an den chemischen Laboriibungen teil. Nur selten besuchte er jedoch die Physikvorlesungen bei Professor Franz Emil Melde, einem alten Herrn, der von den Studenten nicht mehr sehr ernst genommen wurde. Mit Be­dauern stellte er spater gelegentlich fest, daB er den Mangel an griindlicher Physikausbildung nie hat richtig aufholen konnen. Das beleuchtet eine kleine Anekdote, die Fritz StraBmann in seiner Schrift "Kernspaltung, Berlin 1938" folgendermaBen wiedergibt:

Aristid v. Grosse, Bnde der 20er Jahre Mitarbeiter am Kaiser-Wilhe1m­Institut, schrieb in einem Brief, daG er einmal im ErdgeschoG des Instituts Lise Meitner im Gesprach mit einem Physiker traf, als Otto Hahn auf dem Wege in sein Zimmer im 1. Stock vorbeikam. Als Hahn sich mit einigen Be­nH.~rkungcll .ttl def Untcrhaltung bClciligcn wollte, sagtc Lbc .lU ihnl: "Iliihnchcn, geh' luch oben - von Physik vcrstchst Du niclus!" [30, S. 237)

In Marburg fiihrte Otto Hahn ein frohliches und unbeschwertes Studentenleben. Dem ziinftigen Biertrinken in der Kneipe war er durchaus zugetan. Das dritte und vierte Semester verbrachte er in Miinchen, urn die quantitative Analyse kennenzulernen. AuBerdem belegte er dort die Vorlesung des beriihmten Che­mikers Adolf von Baeyer. Wlihrend seiner Miinchner Zeit lernte Otto Hahn auch das Bergsteigen und Wandern kennen. Eben­so wie Max Planck und Max von Laue ist er bis ins hohe Alter immer wieder mit Freunden in die Berge gegangen. 1m Laufe der Jahre hat er in den Ferien die meisten bedeutenden Alpen­gipfel bestiegen. Begleitet wurde er dabei oft von seinem alte­ren Bruder Heiner. Auch Max von Laue und der Dresdner Schwachstromtechniker Professor Heinrich Barkhausen gehorten zu seinen Seilgefiihrten. Zuriickgekehrt nach Marburg, begann Otto Hahn im Sommer des J ahres 1900 zielstrebig seine Doktorarbeit mit dem Titel "Uber Bromderivate des Isoeugenols". Bei der Beschaftigung mit diesem Thema der klassischen organischen Chemie aus dem Forschungsbereich seines Lehrers Geheimrat Theodor Zincke lernte er jenen sorgfaltigen und exakten Arbeitsstil, der ihn spater auszeichnete. Bereits am 24. Juli 1901 promovierte er mit dem Priidikat "magna cum laude".

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Nach Absolvierung des ublichen Militardienstes trat Otto Hahn im Oktober 1902 fur zwei Jahre die Stellung eines Vorlesungs­assistenten bei seinem Doktorvater Professor Zincke an. Er verfolgte nicht die Absicht, spater eine Hochschul- oder For­schungstatigkeit aufzunehmen, sondern erhoffte sich eine gute Stelle als Industriechemiker. Diese wurde ihm schlie8lich auch von der chemischen Fabrik Kalle & Co. in Biebrich unter der Bedingung angeboten, da8 er fur ge1egentliche Au.slandsein­satte zuvor seine Fremdsprachenkenntnisse noch etwas erwei­tere. Geheimrat Zincke riet ihm zu einem halbjiihrigen Auf­enthalt in England und schrieb einen Empfehlungsbrief an den beruhmten Entdecker der Ede1gase Sir William Ramsay. Dieser antwortete positiv und stellte einen Arbeitsplatz in seinem Labo­ratorium zur Verfiigung. 1m Herbst 1904 reiste Otto Hahn nach London. Der Aufenthalt im University College sollte seine weitere wissenschaftliche Laufbahn in entscheidender Weise beeinflussen. Ramsay, ein begeisterter Naturforscher, schlug ihm vor, auf dem noch ganz jungen Gebiet der Radioaktivitat zu arbeiten. Otto Hahn be­rich tete spater folgendes:

Mich selbst fragte Ramsay, ob ich iiber Radium arbeiten wolle, und ais ich ihm sagte, daB ich yom Radium gar nichts wisse, meinte er, das schade nichts, dann wiirde ich unbefangener an die Dinge herantreten. Br gab mir eine Schale mit etwa 100 g Bariumchiorid und teilte mir mit, in diesem sei Ra­dium enthalten, etwa 10 mg. Ich salle nach der Methode yon Madame Curie das Radium yom Barium trennen, reines Radium herstellen und durch eine Reihe organischer Verbindungen eine Atomgewichtsbestimmung des Ra­diums durchfiihren. [1, S. 12]

Hahn widmete sich mit gr08em Eifer der Abtrennung des Ra­diums unter Anwendung der Methode der fraktionierten Kri­stallisation. Da das ihm ubergebene Praparat aus einem Mine­ral stammte, das neben Uranium auch Thorium enthie1t, fand er dabei "rein zufiillig" in der leichter loslichen Fraktion einen neuen stark strahlenden Stoff, der sich chemisch wie Thorium verhie1t. Er nannte diese Substanz Radiothorium e~3Th). Ram­say war iiber die Entdeckung eines neuen radioaktiven Stoffes in seinem Institut so erfreut, daB er eine Mitteilung in der Royal Society machte. Er ermunterte Otto Hahn, bei der Radioakti­vitat zu bleiben und auf die in Aussicht genommene Industrie-

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stellung zu verzichten. Gleichzeitig sandte er an den einflul3-reichen Berliner Chemiker Geheimrat Emil Fischer ein Empfeh­lungsschreiben mit der Bitte, Otto Hahn in das Chemische Insti­tut der Universitlit aufzunehmen. Emil Fischer sagte zu. Bevor Otto Hahn jedoch nach Berlin ging, wollte er sich bei dem bekannten Physiker Ernest Rutherford in Montreal (Ka­nada) noch griindlicher mit den Arbeitsmethoden der Radioakti­vitlit vertraut machen. Neben den vorwiegend chemisch arbei­tenden Curies in Paris galt Rutherford damals schon als der beste Kenner der radioaktiven Umwandlungsphlinomene. Er beschliftigte sich in erster Linie mit den physikalischen Metho­den des Strahlungsnachweises. Es war ihm gdungen, die Natur der Alphastrahlung aufzuklliren und gemeinsam mit Frederick Soddy die radioaktiven Umwandlungsreihen zu deuten. Ruther­ford empfing Otto Hahn im Herbst 1905 zu einem etwa zehn­monatigen Aufenthalt in seinem Institut. Die Entdeckung des Radiothoriums war dort mit Skepsis aufgenommen worden. Rutherford~ Freund, der Radiochemiker Bertram B. Boltwood von der Yale Universitlit, hatte vor der Ankunft Hahns geschrie­ben:

The substance of Hahn appears to be a new compound of Thorium X and stupidity. [I, S. 23] [Diese neue Substanz von Hahn scheint eine Verbindung von Thorium X (2URa) und Dummheit zu sein.]

Bald konnte Otto Hahn aber den zweifelnden Rutherford durch einen strahiungsphysikalischen Nachweis von der Richtigkeit seiner Entdeckung iiberzeugen. In Montreal erlernte Otto Hahn unter bescheidenen Bedingun­gen griindlich die typische physikalische und chemische Ar­beitstechnik der Radioaktivitlit. Er schrieb hieriiber:

Verglichen mit spateren Zeiten waren die apparativen Hilfsmittel sehr ein­fach. Unsere p- und "..Strahlen-Elekttoskope stellten wir uns aus einer gro­Beren Konserven- oder sonstigen Blechdose her, auf die eine kleinere Ta­baks- oder Zigarettendose aufgesetzt war. Die Isolation des BIattchentra­gers geschah mit Schwefel, denn Bernstein hatten wit damais noch nicht •.. Anderseits war das ganze Forschungsgebiet noch so neu, daB man auch mit primitiven Mitteln leicht Entdeckerfreuden erleben konnte. [I, S. 30]

Otto Hahn gliickte in Montreal bald der Nachweis zweier wei­terer radioaktiver Atomarten, des Radioactiniums ~~ZTh) und

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des Thoriums C' e~2Po), die in Rutherfords Arbeitsgruppe uber­sehen worden waren. Auch in diesen Fallen konnte er den kri­tischen Strahlenphysiker erst durch Reichweitenmessung der emittierten Alphateilchen, bzw. Aufnahme der Umwandlungs­kurve, nicht aber durch chemische Beweise, uberzeugen. Aner­kennend schrieb Rutherford 1906:

Hahn has a spc:cial smcll for discovering new clements. [2, S. 75] r Hahn hat cincn bcsondcrcn Riccher fur die Entdeckung neucr Elemcnte.]

Otto Hahn wurde durch die uberragende Personlichkeit, den fanatischen Forscherdrang und die menschliche Freundschaft Rutherfords in starkem Mafie beeinflufit. Die Zeit im Ruther­fordschen Institut bezeichnete er oft als die schonste seines Lebens. Sein Interesse fUr die gezielte Suche neuer radioaktiver Atomarten war geweckt. In einem V ortrag sagte er einmal ruckblickend:

Von mcincr organischen Chemic blicb nichts mchr ubrig, die Transmutation vom Organikcr zum Atomforscher war vollkommcn. [3~, S. 238]

Als Frau in den Naturwissenschaften

Lise Meitner wurde als Tochter eines Rechtsanwalts in Wien geboren. Vater und Mutter hatten judische Vorfahren. Schon in den Jugendjahren zeigte sich ihre uberdurchschnittliche Be­gabung und ein reges Interesse an mathematisch-naturwissen­schaftlichen Dingen. Auch ihre spatere Liebe fur die Musik, Kunst und Literatur wurde bereits im Elternhaus geweckt. Nach dem normalen Schulabschlufi bereitete sich Lise Meitner privat auf das Abitur vor, urn die Hochschulreife zu erlangen. Da es urn die Jahrhundertwende in Wien noch keine Madchen­gymnasien gab, legte sie das Abiturientenexamen als Externe an einer Knabenschule abo Sie fafite danach den fur ein Mlldchen in jener Zeit recht ungewohnlichen Entschlufi, an der Univer­sitat ihrer Heimatstadt Physik zu studieren. Einen tiefen Eindruck hinterliefien bei ihr die mit Begeisterung vorgetragenen Vodesungen von Ludwig Boltzmann zur theore­tischen Physik. Unter Franz Seraphin Exner promovierte Lise Meitner am 1. Februar 1906 als zweite Frau auf dem Gebiet der

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Physik an der Wiener Universitat. Ihre Doktorarbeit mit dem Titel .. Warmeleitung in inhomogenen Korpern" behandelte die experimentelle Priifung der Obertragbarkeit einer Formel Max­wells fiir die Elektrizitatsleitung in inhomogenen Medien auf Probleme der Warmeleitung in Quecksilberemulsionen. 1m gleichen J ahr erschien in den Sitzungsberichten der Preu.Bischen Akademie der Wissenschaften eine zweite Arbeit Lise Meitners: .. Ober einige Folgerungen, die sich aus den Fresnelschen Re­flexionsformeln ergeben". 1m Institut fiir theoretische Physik hatte sich zur damaligen Zeit Stefan Meyer als Assistent von Ludwig Boltzmann dem neuen Gebiet der Radioaktivitat zuge­wandt. Lise Meitner schloG sich der Gruppe Meyers an und begann mit Untersuchungen zu den Eigenschaften der Strahlungs­arten radioaktiver Stoffe. Diese Arbeiten sollten ihre wissen­schaftliche Laufbahn entscheidend beeinflussen. Auch am Phy­sikalischen Institut der Wiener Universitat wurde damals unter recht bescheidenen Bedingungen experimentiert. Der osterrei­chische Physiker Karl Przibram, ein Kollege Lise Meitners, schrieb einmal in seinen "Erinnerungen an ein altes physika­lisches Institut" die Satze:

Lise Meitner arbeitete im Zimmer neben meinem. Die Fenster gingen in den Hof des Hauses: ein triibseliger grauer Vorstadthof. in dem Katzen herumschlichen und ab und zu Werkelmanner und StraBensanger - jetzt langst aus dem StraBenbild verschwunden - ihre Kunst zum Besten ga­ben. Die heutige junge Physikergeneration kann sich kaum vorstellen. unter wie primitiven Verhliltnissen damals gearbeitet wurde; sie sind gewohnt in wahren Institutspaliisten zu arbeiten und an komplizierten elektronischen Apparaten herumzubasteln. wenn sie nicht gar irgendwo im Ausland zu einer der modernen Riesenmaschinen zur Teilchenbeschleunigung zuge­lassen werden. Damals aber war die Bliitezeit der Bllirtchenelektroskope. die mittels Zambonisiulen aufgeladen wurden. Instrumente. die heute so ziemlich ausgestorben sind wie Lichtputzschere und Stiefelknecht. [9. S.4]

Stefan Meyer hatte bereits 1900 gemeinsam mit Egon von Schweidler, der spater den statistischen Charakter der radio­aktiven Umwandlungsprozesse erkannte, die magnetische Ab­lenkung der Radiumstrahlen entdeckt. Die ersten Versuche Lise Meitners trugen rasch Friichte und fiihrten zur Veroffent­lichung der beiden Arbeiten: "Ober die Absorption der 1%- und p-Strahlen" (1906) und "Ober die Zerstreuung der I%-Strahlen"

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(1907). Neben der rein experimentellen Arbeit galt ihr Interesse aber immer wieder der theoretischen Physik. Der Selbstmord des von Lise Meitner so hochverehrten Ludwig Boltzmann mag \'.ohl Anlafi fur ihren Entschlufi gewesen sein, im Herbst 1907 nach Berlin zu Max Planck zu gehen, urn tiefer in die theore­tische Physik einzudringen. Die Eltern erteilten verstandnisvoll die Zustimmung und gewahrten ihr eine bescheidene finanzielle L' nrerstutzung. Berlin sollte fur fast 31 Jahre zu ihrer Wahlhei­mat werden. Hier vollbrachte Lise Meitner ihrc:< grofiten wissen­schaftlichen Leistungen. In Berlin wurde ihr aber auch bitteres Leid und Unrecht durch das menschenverachtende national­sozialistische Herrschaftssystem zugefugt. 1907 wurden in Preufien Frauen noch nicht zum akademischen Stlldillm zllgelassen. Erst ein Jahr spater wurde hierfur die offi­zielle Genehmigung erteilt. Max Planck gehorte en~sprechend seiner konservativen Einstellung zwar nicht zu den Gegnern, aber auch nicht Zu den uneingeschrankten Befurwortern des Frauenstudiums. In einem 1897 in Berlin unter dem Titel "Die Akademische Frau" erschienenen Gutachten von 104 deut­schen Hochschullehrern uber die Bcfahigung der Frau zum wis­senschaftlichen Studium und Berufe schrieb er:

Wenn cine Frau, was nicht haufig, aber doch bisweilen vorkommt, fur die Aufgaben der theoretischen Physik bcsondere Begabung besitzt und auJ3er­dem den Trieb in sich fUhlt, ihr Talent zur Entfaltung zu bringen, so halte ich es, in persiinlicher wic <iuch in sachlicher Hinsicht, fur ullfccht, ihr aus prinzipidlcn Riicksichten die Mittel ZUIll Studium von vornhcrein zu vcr­sagen, ich werde ihr gerne, soweit es uberhaupt mit der akademischen Ord­nung vertraglich ist, den probeweisen und stets widerruflichen Zutritt zu meinen Vorlesungen und Dbungen gestatten, und habe in dieser Beziehung auch bis jetzt nur gute Erfahrung gemacht. Andererseits muB ich aber daran festhalten, daB ein solcher Fall immer nur als Ausnahme betrachtet werden kann und daB es insbesondere hochst ver­fchlt ware, durch Grundung besonderer Anstalten die Frauen zum akade­mischen Studium heranzuziehen, wenigstens sofern es sich urn die rein wissenschaftliche Forschung handelt. Amazonen sind auch auf geistigem Ge­biet naturwidrig. Bei einzelnen praktischen Aufgaben, z. B. in der Frauen­hcilkunde, mogcn vielleicht die Verhaltnisse anders liegen, im aUgemcinen aber kann man nicht stark genug betonen, daB die Natur selbst der Frau ihrcn Beruf als Mutter und als Hausfrau vorgeschriebcn hat und dal) Naturge­setze unter keinen Umstanden ohne schwere Schadigungcn, weIche sich im vorliegendcn Fallc bcsondcrs an dem nachwachscndcn Gcschlccht zcigen wiirdcn, ignoricrt werden kannen. [36, S. 32]

2 Stolz, Hahn 17

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Fiir Lise Meitner entstanden im wissenschaftlichen Leben man­che Schwierigkeiten, die ihren mannlichen Kollegen unbekannt waren. Stets ordnete sie aber ihre personlichen Empfindungen den Zielen ihrer unermiidlichen Forschungsarbeit unter. Durch ihr bescheidenes und liebenswiirdiges Wesen und die sich ein­stellenden wissenschaftlichen Erfolge gewann sie im Kreise' der jungen Berliner Physiker nicht nur Ansehen, sondem zahl­reiche Freunde. Max Planck wurde im Seminar bald auf Lise Meitner aufmerk­sam und erkannte ihre gro6e Begabung. Er emannte sie 1912 sogar zu seiner Assistentin' am Institut fiir theoretische Physik. Diese Stellung hatte sie bis 1915 inne und war damit die erste wissenschaftliche Assistentin an einer preuGischen Universitat. Aus dieser Tatigkeit entwickelte sich ein enges freundschaft­liches Ver~altnis zu Max Planck und dessen Familie. Haufig war sie spater mit anderen Assistenten ein gem gesehener Gast in seinem Hause. Die theoretischen Studien bei Max Planck bedeuteten aber keine Abkehr von der experimentellen Physik. Durch Vermittlung von Heinrich Rubens, der das Institut fiir Experimentalphysik an der Berliner Universitat leitete, wurde Lise Meitner im Septem­ber 1907 mit dem fast gleichaltrigen Otto Hahn bekannt. Hahn, der damals schon einen guten Ruf als Radiochemiker besaG, machte ihr den Vorschlag, gemeinsam wissenschaftlich zu arbei­ten. Da Lise Meitner schon in Wien mit radioaktiven Stoffen experimentiert hatte, nahm sie das verlockende Angebot an. Das gliickliche Zusammenwirken des meisterhaften Radioche­mikers und der kritischen Physikerin sollte auf dem Gebiet der Radioaktivitat zu Fortschritten von unabsehbarer Bedeutung fiihren. In seiner Autobiographie schrieb Otto Hahn spater:

Aus dem zuniichst auf zwei Jahre begrenzten Aufenthalt Lise Meitners in Berlin wurden mehr als 30 Jahre gemeinsamen Schaffens und dauernder Freundschaft. [2, S. 86]

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Die Arbeitsgemeinschaft Hahn - Meitner

Kernforschung in der Holzwerkstatt

1m Sommer 1906 kchrte Otto Hahn aus Kanada zuriick und nahm im Oktober vereinbarungsgemaG bei dem beriihmten Organiker Geheimrat Emil Fischer, dem Nobelpreistrager des Jahres 1902, seine Forschungsarbeit auf. 1m Chemischen Insti­tut der Berliner Universitat in der Hessischen StraGe bescha'f­tigte man sich damals mit der Chemie der Kohlenhydrate. Weder Emil Fischer noch seine Mitarbeiter interessierten sich ernst­haft fur das "ausgefallene" Gebiet der Radioaktivitat. Zum ersten Mal war Otto Hahn ganz auf sich allein gestellt. Ais Arbeits­raum hatte ihm Emil Fischer eine unbenutzte Holzwerkstatt im ErdgeschoG des Institutes zugewiesen. Nachdem die Hobel­bank entfernt und ein schwerer Labortisch aufgestellt war, lieG sich Otto Hahn nach den bei Rutherford gesammelten Erfah­rungen drei Elektroskope zum Nachweis von Alpha-, Beta- und Gammastrahlung bauen. AuGerdem verschaffte er sich Proben von den wichtigsten damals bekannten radioaktiven Substan­zen. Ais erste Aufgabe stellte sich Hahn das Ziel, gewisse Un­stimmigkeiten zu klaren, die bei der Halbwertzeitbestimmung des von ihm entdeckten Radiothoriums e§gTh) aufgetreten waren. Bereits in Montreal hatte er in Diskussionen mit dem amerikanischen Chemiker Professor B. Boltwood die Vermu­tung geauGert, daG zwischen dem Thorium e~5Th) und dem Radiothorium e§gTh) noch ein unbekannter Zwischenkorper liegen konnte. Durch systematische Untersuchungen von Tho­riumpraparaten verschiedenen Alters gelang ibm sehr bald der Nachweis dieser Zwischensubstanz. Otto Hahn nannte sie Mesothorium. In genaueren Untersuchungen zeigte sich schlieG­lich, daG das Mesothorium aus zwei im radioaktiven Gleichge­wicht befindlichen Substanzen, dem langerlebigen Mesotho­rium 1 (2~~Ra, Halbwertzeit 5,77 Jahre) und dem kurzlebigen Mesothorium 2 (2~~Ac, Halbwertzeit 6,13 Stunden), hestand. Da das aus dem Mesothorium gebildete Radiothorium mit sei­neD. Folgeprodukten ein ahnliches Strahlungsgemisch wie das

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damaIs schon recht teuere Radium emittierte, wurde die tcch­nische Herstellung aktuell. Langc Zeit hat Otto Hahn bei der Berliner Firma Knofler die Herstellung von Mesothoriumpra­paraten iiberwacht, die hervorragende Dienste bei der medi~i­nischcn Strahlentherapie leisteten. Erfolglos blieben jedoch aile Versuche, das Mesothorium 1 yom Radium zu trennen. Auch die chemische Trennung des Radiothoriums yom Thorium war nie gelungen. Otto Hahn sah· darin einen Beweis fiir die auBerordentlich groGe Ahnlich­keit mancher Elementgruppen, der Gedanke an wirklich gleiche chcmische Eigenschaften kam ihm nicht. In seiner wissenschaft­lichen Selbstbiographie schrieb er dazu:

Heute kOlnmt es uns unverstandlieh vor, daB man mit dieser Kenntnis nicht fruher auf den Begriff der Isotopie kam. Es muBten noeh MoseJcy kommen mit dem Begriff der Ordnungszahl, Rutherford mit dem Kernmodell des Atoms, Fajans sowie Soddy und Fleck mit der radioaktiven Versehiebungs­regel, bis Soddy das erlosende Wort spraeh. Er hatte sieher nicht so viele negative Trennungsversuche gemaeht wie ieh, aber er hatte mehr Mut. [1, S. 46]

1m Fruhjahr 1907 habilitierte sich Otto Hahn an der Univcrsi­tat Berlin unter Emil Fischer fur das Fach Chemic. Die Ein­reichung einer besonderen Habilitationsschrift war nicht cr­forderlich. Eine seiner bisherigen Veroffentlichungen uber Ra­dioaktivitat wurde von der Fakultat dafur anerkannt. In dcr Probevorlesung behandelte cr das Thema "Die moderne Auf­fassung iiber die Konstitution der Materie". 1m Habili tations­kolloquium au Berte Emil Fischer, der noch immer den Geruch ais empfindlichsten Indikator fur den Nachweis chemischcr Stoffe ansah, gewisse Bedenken gegen die vorgclegten For­schungsergebnissc. Es spricht aber ftir seinen Weitblick, c1ag er trotzdem die Arbeiten Otto Hahns wohlwoilend forderte. In seinem Gutachten zur Habili tation schrieb cr:

Alle zuvor erwahnten Untersuchungen legcn Zeugnis dafiir ab, daG Dr. Hahn mit den feincn Methodcn der radioaktivcn Forschung genau ycr­

traut ist und die Fahigkeit besitzt, sie zur Erlangung neuer schoner Rcsultate zu benutzen. [3, S. 2511

Am 28. September 1907 wurde Lise Meitner die Partnerin Hahns bei der Forschungsarbcit. Auf Grund seiner konservativen Ein­stellung lehnte damals Emil Fischer noch die Aufnahmc weib-

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3 Gedenktafel am Chemischen Institut der Humboldt-Universi­tit Berlin in der Hessischen StraBe (enthiillt am 15. November 1966)

licher Mitarbeiter in das Chemische Institut abo Fiir Lise Meit­ner konnte eine Ausnahmeregelung erwirkt werden. Der Zu­gang zur "Holzwerkstatt" war fiir sie jedoch nur durch eine Nebentur erlaubt. AIle iibrigen Institutscaume, insbesondere die Experimentiersale der Studenten, blieben ihr versperrt. Wenn Lise Meitner und Otto Hahn gemeinsam den Assistenten des Chemischen Instituts begegneten, konnte es in dec ersten Zeit durchaus vorkommen, daB sie demonstrativ mit "Guten Tag, Herr Hahn" begruBt wurden. Nach dec gesetzlichen Regelung des Frauenstudiums in PreuBen verbesserten sich auch die Bedingungen fur Lise Meitner. Riickblickend schrieb sie:

Ab 1909 konnte ich nicht nur alle Institutsraume im Fischerschen Institut benutzen, sondern Emil Fischer hat mir in vielfacher Weise bei meinem wis-

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scnschaftlichcn Wcrclcgang gcholfcn unci mir aucfl pcrsiinlich scin Wohl­wollcn unci frcunclliches Interesse bewicscn. [30, S. 238]

In Montreal ha.tte Otto Hahn bereits die groBe Bedeutung der Reichweitebestimmung von Alphastrahlung fur die Identifi­zierung neuer radioaktiver Stoffe kennengelernt. Es war nahe­liegend, derartige Absorptionsversuche auch auf die Betastrah­lung auszudehnen. Er schlug Lise Meitner die gemeinsame Bearbeitung dieses Themas vor, und bereits im April 1908 konn­ten die ersten Ergebnisse in der Physikalischen Zeitschrift ver­offentlicht werden. Obwohl sich spater die Gultigkeit des ange­nommenen Absorptionsgesetzes nicht bestiitigte, fUhrten diese Untersuchungen zur Entdeckung des bisher ubersehenen radio­aktiven Nuklids Ace" (2gITI) in der Actinium-Reihe. Da in der Holzwerkstatt keine Moglichkeiten zur Durchfuh­rung groBerer physikalischer Experimente bestanden, such ten Otto Hahn und Lise Meitner die Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem Kreis der gleichaltrigen Berliner Physikcr. Gemeinsam mit Otto von Baeyer yom Physikalischen Institut der Univer­sitiit entwickelten sie das erste magnetische Betaspektrometer. Die Aufkliirung der komplizierten Natur der Beta-Energie­spektren wurde fur viele Jahre zum Spezialgebiet von Lise Meitner. Parallel dazu wurde die Suche neuer radioaktiver Stoffe fortgesetzt. Mit der Entdeckung des sogenannten radioaktiven RuckstoBes bei der Alphaumwandlung gelang Hahn und Meit­net im Jahre 1909 ein besonders wichtiges Forschungsergeb­nis. Die Aufkliirung dieses grundlegenden Phiinomens der Ra­dioaktivitat ist ein typisches Beispiel fUr die exakte Arbeitsweise Otto Hahns und den scharfen Verstand Lise Meitners. Bei Ver­suchen zur Sammlung der fcstcn, kurzkbigen Folgeprodukte AcA e~;,po), AcB e~1Pb) und Ace e~:\Bi) der gasformigcn Actinium-Emanation (Actinon An= ~~;:Rn) war bereits Stefan Meyer und Egon von Schwcidkr eine langerkbige Restaktivitat aufgefallen, die nur 1/10000 der Anfangsaktivitiit des Niederschla­ges betrug. Durch beharrliche und systematische Untersuchun­gen konnte Otto Hahn zeigen, da6 nicht ein unbekannter radio­aktiver Stoff, sondern das Radioactinium (RdAc =2~bTh) selbst, ein Vorliiufer der Emanation also, die Ursache fur diese auBerst geringe Restaktivitiit mit 18,2 Tagen Halbwertzeit war. Ins­besondere der Vorschlag Lise Meitners, das Phiinomen an ex-

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trem diinnen Schichten Zu iiberpriifen, fiihrte Otto Hahn zu dem SchluG, daB das Actinium X-Atom (AcX=2~~Ra) im Mo­ment seiner Entstehung durch die Alphaemission des Radio­actiniums einen RiickstoG erflihrt, der es aus dem Atomverband herauslast. Es wird im elektrischen Feld der Apparatur beschleu­nigt und gelangt auf eine lJegativ geladene Elektrode. In der Physikalischen Zeitschrift schrieb Hahn:

Der Zerfall eines radioaktiven Atoms geschieht bekanntlich explosions­artig. Die Alphastrahlen erreichen eine Geschwindigkeit bis zu 1/10, die Elektronen nahezu vollige Lichtgeschwindigkeit. Zerplatzt nun ein derar­tiges radioaktives Atom, so wird das iibrigbleibende Restatom durch das Ausschleudern der Elektronen oder mehr noch der Alphastrahlen einen RiickstoG bekommen, ahnlich wie die Kanone, wenn das GeschoB den Lauf nrliilh. [48, S. 245]

In der Folgezeit wurde die RiickstoGmethode zur Abtrennung radioaktiver Nuklide aus den natiirlichen Umwandlungsreihen angewendet und fiihrte zur Auffindung des ThC" eg~TI). Nach Entdeckung des Neutrons und der kiinstlichen Radioaktivitat erlangte der radioaktive RiickstoG in Form des Szilard-Chalmers­Effektes groGe praktische Bedeutung fiir die Gewinnung kiinst­lich radioaktiver RiickstoGatome. Die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen des Kollek­tivs Hahn - Meitner fanden im In- und Ausland wachsende Anerkennung. Otto Hahn wurde zum Mitglied der Atomgewichts­kommission und der Internationalen Radiumstandardkommis­sion berufen. Bei den nun after stattfindenden Zusammenkiinf­ten mit auslandischen Fachkollegen begegnete er auch Marie Curie. Dazu schrieb er in seiner Autobiographie:

Nachdem ich schon bei der Griindung der Komrnission im Jahre 1910 mit Madame Curie bekannt geworden war, konnte ich die Bekanntschaft in Paris crneucrn. Sie Iud mich in ihre Wohnung ein, wo uns ihre beiden jun­gen Tochtcr Klavierstucke ilues polnischen Landsmanns Chopin vorspiel­tcn. [2, S. 98]

1m Mai 1911 lernte Otto Hahn bei einem KongreB in Stettin die Kunststudentin Edith Junghans kennen. Zwei Jahre spater fand die Hochzeit statt. Erst 1922 wurde Hahns einziger Sohn Hanno geboren. J .isc l\kitnL"r blicb unvcrhciratct. Mit dcr Frau ihrcs Kollcgcn war sic zl·itlcbcm eng bdrcundct.

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4 Die drei natiirlichen Umwandlungsreihen mit den zehn von Otto Hahn bzw. Otto Hahn und Lise Meitner entdeckten radioaktiven Nukliden

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Erfolgreiche Arbeit am Kaiser-Wilhe1m-Institut filr Chemie

Die Arbeitsbedingungen in der Holzwerkstatt wurden immer ungunstiger. Der fUr die Untersuchungen erforderliche Aufbau neuer Apparaturen stieG zunehmend auf riiumliche Schwierig­keiten. Zudem machte sich eine radioaktive Verseuchung der Laborriiume storend bemerkbar. Es zeichnete sich bereits eine Beschrankung der Mel3moglichkeit fur schwache radioaktive Proben abo In dieser Situation erwies sich fur die weitere Forschungsarbeit von Otto Hahn und Lise Meitner die auf Drangen deutscher Wirtschafts- und Finanzunternehmen erfolgte Grundung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Forderung der Wissenschaf­ten im Jahre 1911 als besonderer Glucksumstand. Durch eine von GroGindustrieIlen und Bankiers kontrollierte Konzentra­tion der Forschung wurde in erster Linie das Ziel verfolgt. fur die aufstrebende Chemie- und Schwerindustrie den erforder­lichen Vorlauf auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet zu erbringen. In modernen Forschungsstatten soIl ten den Wis­senschaftlern, frei von den Belastungen des Lehr- und Ausbil­dungsbetriebes der Hochschulen und Universitaten, gunstige Arbeitsmoglichkeiten geboten werden. Die gezielte Forderung der Natur- und Technikwissenschaften trug durchaus progres­sive Zuge. Die Einrichtungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft konnten bald wissenschaftliche Erfolge ersten Ranges verbu­chen. Anderseits war der tiefe Widerspruch zwischen den Zielen der humanistisch gesinnten Gelehrten und ihrer Geldgeber nicht zu ubersehen. Die auf gesellschaftlichen Fortschritt und friedliche Entwicklung ausgerichtete Forschungsarbeit der Wis­senschaftler wurde von den Profitinteressen der Kapitalmagna­ten und deren Streben nach Vorbereitung eines neuen Aggres­sionskrieges uberschattet. So war die mit Hilfe des preuGischen Staates vollzogene Grundung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ein wichtiger Schritt zur Unterwerfung der modernen Wissen­schaft unter die Herrschaft des Grol3kapitals. Ais erstes aller Forschungsinstitute wurde 1912 das Kaiser­Wilhelm-Institut fur Chemie in Berlin-Dahlem eingeweiht. In diesem Institut, dessen Direktor er in den Jahren von 1928 bis

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1945 werden soUte, erhielt Otto Hahn einen Dienstvertrag als wissenschaftliches Mitglied. Er wurde zum Leiter einer kleinen Abteilung fiir Radioaktivitat benannt. Endlich verfiigte er iiber eine Reihe schoner Laborraume und erhielt sein erstes Gehalt in Hohe von 5000 Mark im Jahr. Lise Meitner arbeitete zunachst als unbezahlter Gast in Hahns Abtcilung. 1m Jahre 1914 crhie1t sie von der Prager Universitat das Angebot einer festen Anstellung mit der Aussicht auf eine spatcre Professur. Erst daraufhin wurde in Anerkennung ihrer Leistungen auch fUr sie am Kaiser-Wilhe1m-Institut fiir Chemie eine bezahlte Stelle als wissenschaftliches Mitglied geschaffen. In den neuen Raumen wurde von Anfang an mit groBer Sorg­faIt und Disziplin gearbeitet, so daB bis zur Auslagerung der Ab­teilung im Herbst 1944 jegliche radioaktive Verseuchung ver­mieden wei:den konnte. 1m neuen Institut fiihrten beide Forscher zunachst gemeinsam die in der Holzwerkstatt begonnenen Untersuchungen an Meso­thorium, Actinium und deren Umwandlungsprodukte sowie zur magnetischen Betaspektrometrie fort. Durch die Entfesselung dcs ersten Weltkrieges wurde 1914 die Zusammenarbeit fiir drei Jahre unterbrochen. Otto Hahn und Lise Meitner hatten sich noch nie ernsthaft mit Politik auseinandergcsetzt. Ihr ganzes Streben galt der "reinen" Wissenschaft. Die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwor­tung des Wissenschaftlers kam ihnen noch nicht in den Sinn. Wah rend Albert Einstein entschieden gegen den deutschen Mi­litarismus und Chauvinismus Stellung nahm, engagierte sich die Mehrzahl der Wissenschaftler im Krieg. Der demagogische Appell des Kaisers: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche", [2, S. 112] fand Gehor. Lise Meitner mel­dete sich freiwillig zum Militardienst und wurde als Rontgen­schwester in Lazaretten der osterreichisch-ungarischen Trup­pen eingesetzt. Otto Hahn zog, durchaus im Glauben, einer ge­rechten Sache Zu dienen, fiir Kaiser und Vaterland ins Feld. 1m Range eines Leutnants wurde er bald, wie die mit ihm befreun­deten Physiker James Franck, Gustav Hertz und Wilhelm West­phal, einer Spezialtruppe fiir den Giftgaskrieg zugeteilt. Der Leiter des deutschen Giftgasprogramms, Geheimrat Fritz Ha­ber, einer der bedeutendsten Chemiker seiner Zeit, zerstreute

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Hahns Bedenken gegen den Einsatz chemischer Kampfstoffe mit dem Einwand, daB unzahlige Menschenleben zu retten seien, wcnn der Krieg durch die Verwendung von Giftgasen schnell beendet wiirde. Mit dem gleichen Argument versuchten iibri­gens dreiBig Jahre spater USA-Militars den verbrecherischen Abwurf zweier Kernspaltungsbomben auf die japanischen Stadte Hiroshima und Nagasaki Zu rechtfertigen. Otto Hahn war erschiittert, alS er die ersten Opfer des Gaskrie­ges in den gegnerischen Schiitzengraben quallvoll sterben sah. Ais Chemiker muGte er sich jedoch unter Anleitung von Pro­fessor Fritz Haber an der Entwicklung und Erprobung der furchtbaren Gaskampfstoffe Grunkreuz und Blaukreuz betei­ligen. In aller Offenheit schrieb er spater in seiner Selbstbio­graphie:

Der standige Umgang mit diesen starken Giftstoffen hatte uns so weit ab­gestumpft, daB wir beim Einsatz an der Front kcinerlei Skrupe1 hatten. [2, s. 122]

Professor Haber, der "Vater des Gaskrieges", wurde nach Be­endigung des Krieges im Versailler Vertrag zwar als Kriegs­verbrecher gebrandmarkt, aber nie verurteilt. Fur das von ihm vor dem Krieg gemeinsam mit Geheimrat Carl Bosch entwickelte Verfahren der Ammoniakgewinnung durch katalytische Ver­einigung von Wasserstoff und atmospharischem Stickstoff, welches die Herstellung kunstlicher Dungemittel ermoglichte, erhielt er vielmehr 1920 den Nobelpreis fur Chemie. Haber und die ihm zugewiesenen Spezialkrafte trifft gewil3 nicht die allei­nige Schuld am chemischen Krieg. Durch ein verbrecherisches Gesellschaftssystem und jene reaktionaren Krafte, die aus der Herstellung von Giftgasen Profit zogen, wurden die Wider­spruchlichkeiten in der Arbeit eines Chemikers wie Fritz Haber schamlos ausgenutzt. Fur die Wissenschaftler hatte bereits nach dem ersten Weltkrieg Veranlassung bestanden, uber ihre gesell­schaftliche Verantwortung nachzudenken. Noch versuchten je­doch die meisten Forscher, unter ihnen auch Otto Hahn und Lise Meitner, politischen Angelegenheiten auszuweichen. 1m letzten Kriegsjahr konnte Otto Hahn wwrend gelegentlicher Aufenthalte in Berlin die radiochemischen Arbeiten fortsetzen. Auch Lise Meitner war 1917 an das Kaiser-Wilhelm-Institut fur

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Chemie zuriickgekehrt. Gemeinsam wurde die schon vor dem Krieg begonnene Suche nach der Muttersubstanz des Acti­niums erfolgreich beendet. Die neuentdeckte Substanz erwies sich als das bisher nicht bekannte radioaktive Element mit der Ordnungszahl Z = 91 im Periodensystem. Es erhielt auf Vor­schlag Lise Meitners den Namen Protactinium. Mit dieser Ent­deckung wurde fUr langere Zeit die unmittelbare Zusammen­arbeit der heiden Wissenschaftler unterhrochen. Aus der anfanglich kleinen Abteilung fiir Radioaktivitat hatten sich allmlihlich zwei selbstandige Ahteilungen entwickelt, die radiochemische Abteilung Hahn und die radiophysikalische Ab­teilung Meitner. Diese beiden Abteilungen breiteten sich schlie/)­lich auf das ganze Institut aus. Otto Hahns Interesse konzentrierte sich zunachst auf die am Anfang der Uraniumreihe stehenden Nuklide. Insbesondere ver­suchte cr zu klaren, wie sich das neuentdeckte Protactinium in diese Umwandlungsreihe einordnet. In diffizilcn Untersuchungen fand er dabei ein weiteres Protactiniumnuklid, das er Uran Z nannte. Oberraschenderweise entstand dieses Nuklid ebenso wie das kurzlcbige Protactiniumnuklid UX2 durch Betaumwandlung aus dem UX1ei;JTh). UZei;lPa) und UX2e;;)Pam) wiesen unter­schiedliche Halbwertzciten auf, besalkn aber die glciche Ord-

Jlungs- und die gleiche Massenzahl. Damit war 1921 der Beweis erbracht, da/) sich Atomarten gleicher Zusammensetzung durch­aus in ihren radioaktiven Eigenschaften, d. h. in ihrer Lebens­dauer und in ihrem Energieinhalt, unterscheiden k6nnen. In Analogie zur Chemie sprach man von Kernisomerie. Erst zwei Jahrzehnte spater erlangte dieses Phanomen durch die Ent­deckung zahlreicher kunstlich radioaktiver Isomerenpaare gro/)e Bedeutung in der Kernforschung. Otto Hahn hat diese Arbeit oft als seinen bedeutendsten wissen­schaftlichen Beitrag bezeichnet. Die Entdeckungsgeschichte der

. Kernisomerie ist ein sch6nes Beispiel dafur, da{) gro/)e Fort­schritte oft ganz unerwartet gemacht werden, noch lange bevor die Zeit dafiir reif ist. Der Kernphysiker Arnold Flammersfeld, ein Schuler von Lise Meitner, hat an Otto Hahn einmal die Frage gerichtet,

ob er bei seinen vielen beriihmten Entdeckungen eigentlich immer das gc­sucht, was er gefunden, und immer gefunden, was er gesucht habe.

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5 Kcrnisomcrcnpaar ~J1Pam(UX2)P:!;lPa(UZ) (nach [43]) links: Darstdlung Otto Hahns rcchts: 1110dcrnc Darstellung (vcrcinfacht)

Hahns Antwort lautete:

Nein, wenn ich recht iiberlege, habe ich eigentlich meist etwas anderes ge­funden, als ich suchte, und mein Rat an jeden Porscher, der auf etwas Un­vermutetes st6Gt, ist: versuchen Sie es zu reproduzieren. [9, S. 75]

In den folgenden Jahren bis etwa 1934 wandte sich Otto Hahn vor aHem Problemen der angewandten Radiochemie zu. Neben radiochemischen Untersuchungen an Mischkristallen begriindete er, unterstiitzt durch eine wachsende Anzahl von Mitarbeitern, cin Verfahrcn zum Studium von Struktur- und Obcrflachen­anderungen fester Karper mit Hilfe der verschicdcncn Isotope des radioaktive.n Ede1gases Radon (Emanation). Die Hahnsche Emaniermethode fand in der Festkarperforschung insbesondere zur Aufklarung des thermischen Verhaltens fester Stoffe vie1-seitige Anwendung. Schlie81ich fiihrten geochemisch orientierte Untersuchungen zur

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Entdeckung einer neuen Altersbestimmungsmethode. Die Beta­umwandlung des haufig in geologischem Probenmaterial vor­kommenden radioaktiven Nuklids ~~Rb in ~~Sr konnte zur Er­mittlung des Alters vieler Gesteine herangezogen werden. Die Rubidium-Strontium-Methode erwies sich weitgehend frei von FehlerqueUen, die anderen Datierungsverfahren anhaften. Sie erlangte groBe Bedeutung und ermoglicht heute die zuverlas­sigsten und genausten geologischen Altersbestimmungen. Die in den zwanz'iger J ahren durchgefuhrten Arbeiten zeugen nicht nur von der Vielseitigkeit Otto Hahns, sondern spiegeln auch sein Bemuhen wider, die Forschungsergebnisse praktisch zu nutzen. Lise Meitner hatte 1919 .endlich vom Volksbildungsministerium den Professorentitel erhalten. Drei Jahre spater konnte sie sich auch in Berlin als erste Physikerin an einer preuBischen Univer­sitat habilitieren. Die Habilitationsschrift mit dem Titel "Ober die Entstehung der Betastrahl-Spektren radioaktiver Subs tan­zen" wurde von den Professorel'). Max von Laue und Heinrich Rubens begutachtet. In der Antrittsvorlesung sprach sie uber "Die Bedeutung der Radioaktivitat fUr kosmische Prozesse". Otto Hahn berichtete, das Thema sei dem Redakteur einer Ber­liner Tageszeitung offenbar so "unweiblich" erschienen, daB er die folgende Notiz veroffentlichte:

Der Vortr.lg von Dr. L. illcitncc hch.lndcltc Prohlelllc dcc k.(}Jllldi.r(bm Physik. [25, S. 426]

Auch Lise Meitner konnte in der von ihr geleiteten Abteilung allmlihlich eine Reihe junger Mitarbeiter urn sich scharen. Von unermudlichem Arbeitseifer erfUllt, widmete sie sich der physi­kalischen Aufklarung der radioaktiven Umwandlungsprozesse. Noch immer war die Natur der p-Strahlung vollig ungeklart. Die von radioaktiven Substanzen emittierten Elektronen konn­ten sowohl aus dem Atomkern als auch aus der Atomhulle stam­men. 1m ersten Fall wurde von primaren {J-Teilchen. im zweiten Fall von sekundaren p-Teilchen gesprochen. Insbesondere er­wies sich die Interpretation der p-Energiespektren als auBer­ordentlich kompliziert. Schon fruher war Lise Meitner in Ge­meinschaft mit Otto Hahn und Otto von Baeyer der Nachweis einer Reihe diskreter Energielinien mit einem einfachen Magnet-

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spektrometer ge1ungen. Inzwischen hatte jedoch James Chad­wick, der spatere Entdecker des Neutrons, noch ein kontinuier­Iiches p-Energiespektrum gefunden. Es galt die schwierige Frage zu beantworten, ob die primare p-Strahlung prinzipiell ein Energiekontinuum aufweist oder ob dieses erst infolge se­kundarer Wechse1wirkungsprozesse der vom Kern ausgesandten Elektronen in der AtomhiiIle entsteht. Zwischen dem Englander C. D. Ellis, der die erste Auffassung vertrat, und Lise Meitner, die von der Existenz diskreter Energieniveaus im Atomkern und damit vom sekundaren Ursprung des kontinuierlichen P­Energiespektrums iiberzeugt war, entspann sich 1922 ein frucht­barer wissenschaftIicher Dialog. Die Ansicht von Ellis erwies sich als richtig. Lise Meitners Vorste1lung, daB im Atomkern diskrete Energieniveaus existieren, bestatigte sich ebenfalls. Die diskreten Linien im p-Energiespektrum IieBen sich jedoch nicht, wie urspriinglich von ihr angenommen, den primar aus dem Kern emittierten Elektronen zuordnen. Sie konnte spater vie1mehr zeigen, daB sie durch den Effekt der sogenannten in­neren Konversion entstehen. Dabei iibertragen angeregte Atom­kerne ihre gesamte Anregungsenergie strahlungslos auf Hiillen­e1ektronen, die mit einheitlicher Energie anstelle von y-Quanten ausgesandt werden. Die unabhlingig voneinander von C. D. Ellis sowie Lise Meitner und ihrem Mitarbeiter Walter Orthmann durchgefiihrten sehr prazisen Messungen von p-Umwandlungsenergien versetzten schlieBlich den hervorragenden Theoretiker Wolfgang Pauli in die Lage, 1930 seine beriihmte Neutrino-Hypothese zu formulie­reno Durch die Forderung, daB gleichzeitig mit jedem P-TeiIchen vom Kern ein unge1adenes Neutrino ausgesandt wird, das den Fehlbetrag von Energie und Impuls forttragt, fanden die konti­nuierlichen p-Spektren eine plausible Erklarung. Die von Niels Bohr geauBerte Befiirchtung einer Vedetzung des Energie- und Impulserhaltungssatzes bei der p-Umwandlung erwies sich als unbegriindet. Der direkte experimentelle Neutrinonachweis ge­lang allerdings erst sehr viel spater, im Jahre 1953, den beiden Amerikanern F. Reines und C. L. Cowan. Die Geschichte der Aufklarung von p-Spektren bezeugt, daB im wissenschaftlichen Meinungsstreit, trotz mancher Irrtiimer, von Lise Meitner ent­scheidende Impulse zur Losung eines der fundamentalsten Pro-

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bleme der Kernphysik in der ersten Halfte dieses Jahrhunderts ausgingen. Gemeinsam mit H. Hupfeld wandte sie sich dann ciner genaue­ren Untersuchung der Wechselwirkung von y-Strahlung mit Materie zu. Prazissionsmessungen an schweren Elementen fuhr­ten zu der Erkenntnis, dafi fur die Deutung der Schwachung energiereicher y-Strahlung Photo- und Comptoneffekt allein nicht ausreichen. Anscheinend war noch ein weiterer Elementar­prozefi fUr die Absorption von ('-Quanten verantwortlich zu machen. Mit der Entdeckung des Paarbildungseffektes im Jahre 1933 durch P. S. M. Blackett und G. P. S. Occhialini bestatigte sich diese Vermutung vollauf. Lise Meitner fuhrte schliefilich die seit ihrer Erfindung im Jahre 1911 nur wenig verwendete Wilsonsche Nebelkammer mit zahl­reich en Verbesserungen zur Sichtbarmachung von Teilchen­spuren im Kaiser-Wilhelm-Institut fur Chemie ein. Zahlreiche Untersuchungen uber die sogenannten weitreichenden 0(-Teil­chen und den P-Ruckstofi wurden von ihr angeregt. Nach der Entdeckung des Positrons in der kosmischen Strahlung durch

6 Tcilnchmcr am Radiumkongrefi in Freiberg (Mai 1921). Die Aufnahmc cntstand wiihrenJ einer Exkursion der Tagungsteilnchmer in Oberschlema. Von links nach rechts, untcn: Geiger, Hahn, Meitncr, Marckwald, Tuma; oben: Mittenzwey, Henrich, Ludewig, Borchers

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C. D. Andetson gluckten ihr 1933 gemeinsam mit K. Philipp die ersten Spuraufnahmen dieses Teilchens bei radioaktiven Vor­gangen. Die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen Lise Meitners fanden nun auch ihre gebiihrende Anerkennung. Auf Vorschlag von Max Planck, Max von Laue und Albert Einstein verlieh ihr die Pj:eu6ische Akademie der Wissenschaften 1924 die Silberne Leibniz-Medaille. Das Dankschreiben an die Akademie enthlilt die fur ihre Personlichkeit so bezeichnenden W orte:

Ieh bin mir vall bewuBt, wie graB diese Auszeiehnung ist, und ieh empfange sie mit dankbarer Freude als Ausdruek des Vertrauens und dec Aufmunte­rung, die beiue Zll rcchtfcrtigen ich stark bcmuht scin wcruc. [33, S. 13 J

1926 wurden Lise Meitner, OttO Hahn und Max von Laue zu Mitgliedern der Deutschen Akademie der Naturforscher Leo­poldina in Halle gewlihlt. 1m gleichen Jahr ernannte die Berliner Universitat Lise Meit­ner zum tlichtbeamteten auBerordentlichen Professor fur Phy­sik. 1m Gegensatz zu Otto Hahn, der nie eine regelma6ige Lehr­tatigkeit ausgeiibt hat, hielt sie bis zum Entzug der Lehrbefugnis durch die Nazibehorden im Jahre 1933 kleinere Spezialvorle­sungen iiber ausgewiihlte Fragen der Radioaktivitat und Kern­physik. AuBerdem betreute sie gemeinsam mit dem Oberassi­stenten Max von Laues, Leo Szilard, die Seminate zur Kern­physik. Unter dem Direktorat Otto Hahns wurden seit 1931 im Institut nur noch Forschungsvorhaben zur Radioaktivitat und Kern­physik betrieben. Aus dem chemischen Institut war eine welt­bekannte Arbeitsstatte der Atomkernforschung geworden, Nicht zuletzt sind die in . den zwanziger und drei6iger J ahren von Otto Hahn, Lise.Meitner und zahlreichen Doktoranden erzielten wissenschaftlichen Spitzenleistungen beredter Ausdruck einer besonderen Arbeitsatmosphare, die in diesem Institut herrschte. In ihren "Erinnerungen an das Kaiser-Wilhelm-Institut fiir Chemie in Berlin-Dahlem" schilderte Lise Meitner diese mit den Worten:

Die Anzahl der 1932 in unseren beiden Abteilungen wissensehaftlieh Arbei­tenden betrug fiinfundzwanzig, worunter mehrere Auslander aus den ver­sehiedensten Lindeen waren. In dieser Arbeitsgemeinsehaft herrsehte ein

3 Stolz, Hahn 33

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guter Geist und eine frohliche Stimmung, ein Widerschein von Hahns Per­sonlichkeit. Das wirkte sich nicht nue sehr giinstig in der Arbeit aus, sondeen kam auch immer wieder bei den Weihnachts- oder Geburtstagsfeieen, bei Sommerausfliigen und iihnlichen Gelegenheiten zum Ausdruck •••. Es war ein starkes Gefiihl der Zusammengehorigkeit vorhanden, dessen Grund­Jagc gcgcnscitigcs Vertraucn war. [41, S. 98]

Flucht aus Hitlerdeutschland

GroGe experimentelle Entdeckungen bewirkten Anfang dec dreiGiger Jahre jenen gewaltigen Aufschwung der Kernphysik, der auch Lise Meitner und Otto Hahn wieder zu gemeinsamer Arbeit zusammenfiihrte. Die Forschung drang immer tiefer in unbekanntes Neuland vor. Schon 1919 war dem Begriinder der Kernphysik Ernest Ruther­ford eine umwiilzende Entdeckung gegliickt. Beim BeschuG von Stickstoff mit energiereichen ex-Teilchen hatten sich ein­zelne Sauerstoff- und Wasserstoffkerne gebildet. Dieser Kern­prozeG konnte offenbar ducch die Gleichung

l~N+~He - 1~O+1H

(Kurzform: l~N (ex, p)l~O)

beschrieben werden. Die Ausbeute der Reaktion blieb jedoch verschwindend klein. 1m Prinzip war damit der alte Traum der Alchimisten von der kiinstlichen Umwandlung der chemischen Elemente in Erfiillung gegangen. Rutherfords Versuch leitete dne neue Phase der Atomkernforschung ein. In verschiedenen Laboratorien begannen systematische Untersuchungen, urn auch an anderen leichten Elementen kiinstliche Atomumwand­lungen nachzuweisen. Die Konstruktion der ersten Teilchen­beschleuniger durch J. D. Cockroft, E. T. F. Walton, R. J. van de Graaff und E. O. Lawrence ermoglichte es, auch kiinstlich beschleunigte Teilchen zur Auslosung von Kernreaktionen zu verwenden, so daB man nicht mehr ausschlieGlich auf die von natiirlichen radioaktiven Substanzen emittierten ex-Teilchen ge­ringer Intensitat angewiesen war. 1m Jahre 1932 gelang Rutherfords SchUler James Chadwick eine weitere sensationelle Entdeckung. Beim Aufprall von ex-

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Teilchen auf Berylliumkerne entstanden nach der Gleichung

~Be+iH -- l~C+An

ungeladene Teilchen, die etwa die gleiche Masse wie Wasser­stoffkerne hatten. Die schon lange von Rutherford vermute­ten Neutronen waren gefunden. Diese ladungslosen Elemen­tarteilchen erwiesen sich in der Folgezeit als auGerordentlich wichtige Hilfsmittel fiir weitere Kernuntersuchungen. Rasch gelang cs den Theoretikern, sich eine Vorstellung yom inneren Bau des Atomkerns zu machen. Noch im Jahre 1932 begriindeten Werner Heisenberg, Dmitri Iwanenko und Igor Tamm unab­hangig voneinander die Theorie des aus Proton en und Neu­tronen zusammengesctzten Atomkerns. Bedeutsame Fortschritte brachte das Jahr 1934. Irene Curie, die alteste Tochter von Marie und Pierre Curie, und ihr Ehemann Frederic Joliot gelangten bei der system at is chen Untersuchung verschiedener Kernreaktionen zu einem fundamentalen Er­gebnis. Beim BeschieGen von Aluminium, Magnesium und Bor mit oc-Teilchen hatten sich auf kiinstlichem Wege erstmals ra­dioaktive Atomarten gebildet. Die neuen, Substanzen sandten Positronenstrahlung aus. Das war bei den in der Natur vor­kommenden radioaktiven Stoffen nie beobachtet worden. Die Entdeckung der kiinstlichen Radioaktivitat offenbarte die prin­zipielle Moglichkeit, durch geeignete Kernreaktionen von jedem chemischen Element radioaktive Atomarten herzustellen. Fiir den Fortgang der Untersuchung kiinstlicher Kernreaktio­nen erlangte nun eine Erkenntnis des italienischen Physikers Enrico Fermi die groGte Bedeutung. Ais Leiter einer starken Arbeitsgruppe in Rom hatte er gefunden, daG sich langsame Neutronen hervorragend zur Einleitl,mg von Kernreaktionen eigne ten. Infolge der fehlenden Ladung vermochten diese Teil­chen offensichtlich viel leichter als positive GeschoGpartikel in die geladenen Atomkerne einzudringen. Mit den Neutronen aus einer einfachen Radon-Beryllium-Quelle bestrahlten er und seine Mitarbeiter, unter ihnen so bekannte Physiker wie der spatere Entdecker des Antiprotons und Nobelpreistrager Emilio Segrc, systematisch alle verfiigbaren Elemente des Perio­den systems von Wasserstoff bis hin zum Uranium. Dabei ge­lang die Erzeugung von nahezu einhundert kiinstlichen Ra-

3* 35

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dionukliden. Diese wanddten sich vorwiegcnd unter Abgabe von p- -Teilchen jeweils in Nuklide mit ciner urn cine Einheit h6hercn Ordnungszahl urn. Die Bestrahlung des Uraniurns fiihrte so gar zu einer ganzen Reihe von Betastrahlern mit Halb­wertzeiten von 10 Sekunden, 40 Sekunden, 13 Minuten und 90 Minuten. Fermi war davon iiberzeugt, Nuklide von den in der Natur nicht vorkommenden Transuraniumelementen 93, 94 und vielleicht sogar 95 gefunden Zu haben. Diese Interpreta­tion der Ergebnisse stieG verschiedentlich auf Kritik. Ohne durch eigene Versuche zur Klarung des wahren Sachverhaltes beige­tragen zu haben, auGerte die Chemikerin Ida Noddack, die ge­meinsam mit ihrem Mann Walter Noddack das Element Rhe­nium entdeckt hatte, in einer Veroffentlichung die Vermu­tung:

Es ware denkbar, daB bei der BesehieBung sehwerer Keene mit Neutronen dicsc Kcrne in mchrerc gro()cre Bruchstlicke zcrfallcn, die zwar Isotope bc­kanntcr Elemente, aber nicht Nachbarn der bestrahltcn Elel11cntc sind. [l8. 5.173]

Diese Worte verhallten ungehort. Eine solche Kernreaktion paGte nicht in das Denkschema der Physiker. Auch Otto Hahns ehemaliger Mitarbeiter Aristide von Grosse bezweifelte die Richtigkeit von Fermis Auffassung. Er hielt die Bildung von Protactiniumisotopen fiir wahrscheinlicher. In diesem Stadium entschiossen sich die besten Kenner des Protactiniums, Otto Hahn und Lise Meitner, zur Klarung der kontroversen Ansich­ten, Fermis Experimente zu wiederholen. Lise Meitner kom­rnentierte Jahrzehnte danach in ihrem Aufsatz .. Wege und Irr­wege zur Kernenergie" die erneute Aufnahrne gerncinsarner Untersuchungen mit den Worten:

Ieh fand diese Versuehe so faszinierend, daB ich sofort naeh deren Erschei­nen im Nuovo Cimento und in der Nature Otto Hahn iiberredete, unsere seit mehreren Jamen unterbroehene direkte Zusammenarbeit wieder auf­zunehmen, urn uns diesen Problemen zu widmen. So begannen wir 1934 naeh mehr als zw6lf Jahren wieder eine gemeinsame Arbeit, zu der nach cinigcr Zeit als bcsonders wert voller Mitarbcitcr Fritz Stra()mann hinzukam. [40, S. 167]

Mit Unterstiitzung StraGmanns, der 1929 als analytischer Che­miker von der Technischen Hochschule Hannover an das Kai­ser-Wilhelm-Institut fUr Chemie gekommen war, konnte rasch

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der zweifelsfreie Nachweis erbracht werden, daB die Neutro­nenbestrahlung von Uranium nicht zum Protactinium fiihrte. Fermis Hypothese iiber die Bildung von Transuraniumelemen­ten schien sich zu bestlitigen.

7 Fritz SWillmann (urn 1938)

Inzwischen hatte sich in der Politik eine unheilvolle Entwick­lung vollzogen. Nach Jahren der wirtschaftlichen Zerriittung riB in einer von Rechtsextremisten und Antisemiten angeheiz­ten Atmosphlire Adolf Hitler am 30. Januar 1933 die Macht an sich. Die faschistische Diktatur wurde in Deutschland er­richtet. Auf die Provokation des Reichstagsbrandes folgte die brutale Unterdriickung alIer fortschrittlichen Krlifte. Auch die Forscher im "stillen Tempel der Wissenschaft" solI ten ver­spiiren, was Naziherrschaft bedeutete. Schon seit Anfang der zwanziger Jahre waren profilierte Wissenschaftler jiidischer Abstammung gehassigen Angriffen ausgesetzt. Albert Einstein wurde bedroht und die Relativitatstheorie als "jiidisches Mach­werk" verunglimpft. Nach der nationalsozialistischen Macht­ergreifung begann die systematische Zerstorung der Wissen­schaft. Man schre~kte nicht vor dem absurden Versuch zuriick,

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die Geschichte der Naturwissenschaft "arisch-rassisch" zu ver­flilschen. Die beiden Nobelpreistrager Philipp Lenard und Jo­hannes Stark, verbohrte Parteiganger Hiders, spiel ten sich als Wortfiihrer einer sogenannten "Deutschen Physik" auf. Sie fanden sogar Gesinnungsgenossen.

Die moderne Physik, so erklarte Professor Rudolf Tomaschek, Direktor des Physikalischen Instituts dec Technischen Hochschule Dresden, sei fiir das Judentum ein Werkzeug zur Zerstarung der nordischen Wissen­schaft. Die wahre Physik s::i eine SchOpfung deutschen Geistes •.. ja die gesamte europiische Wissenschaft die Frucht arischen oder besser deut­schen Denkens. [8, S. 378]

Es blieb nicht bei Worten. Das am 7. April 1933 verkiindete "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" er­machtigte die braunen Machthaber, riicksichtslos alle politisch unbequemen und "nichtarischen" Beamten zu entlassen oder in den Ruhestand zu versetzen. Innerhalb eines einzigen Monats verloren daraufhin 164 Pro­fessoren ihre Lehramter. Eine Welle von Verfolgungen und von Willkiirakten iiberflutete Deutschland. Bis Anfang 1935 war die Zahl der entlassenen Hochschullehrer auf iiber elfhundert angewachsen. Allein 150 Physiker, unter ihnen Albert Einstein und weitere vier Nobelpreistrager der Physik, wurden in die Emigration getrieben. Otto Hahn befand sich im Friihjahr 1933 in den USA. Die Cor­nell University in Ithaca, New York, hatte ihn zu einem mehr­monatigen Vortragszyklus iiber sein Arbeitsgebiet, die Radio­chemie eingeladen. Die Vorlesungstatigkeit verlief so erfolg­reich, daB Einladungen anderer amerikanischer Universitaten folgten. Durch Pressemeldungen und Berichte seines nach Arne­rika iibergesiedelten Freundes, Professor Rudolf Ladenburg, wurde er iiber die schicksalhaften Geschehnisse in der Heimat unterrichtet. In seinen Erinnerungen schrieb Hahn spater:

Von Ladenburgs erfuhr ich die ersten Nachrichten iiber das neue Regime, und was ich iiber Juden und Kommunisten harte, war sehr beunruhigend ... Besonders groBes Aufsehen in der ganzen Welt erregte die Entlassung Albert Einsteins aus der PreuBischen Akademie. [2, S. 143]

Als sich im Sommer Berichte fiber die diskriminierende Behand­lung jiidischer Mitarbeiter der Kaiser-Wilhelm-Institute hauf­ten, entschl06 sich Otto Hahn, die Vor~ragsreise abzubrechen

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und vorzeitig nach Berlin zuriickzukehren. Besonders am be­nachbarten Institut fiir Physikalische Chemie und Elektroche­mie, das von Geheimrat Fritz Haber geleitet wurde, war es zu Obergriffen der Nazipartei und zahlreichen Entlassungen ge­kommen. Professor Haber, selbst Jude, genoB zwar als Kriegs­teilnehmer voriibergehend noch einen gewissen Schutz, bean­tragte aber nach den beschlimenden Ereignissen seine eigene Entlassung. Auf einer Reise von England in die Schweiz ver­starb er im Januar 1934 als innerlich gebrochener Mann. Max Planck, der amtierende Prlisident der Kaiser-Wilhelm-Ge­sellschaft, bereitete zum einjlihrigen Todestag Habers eine Ge­dlichtnisfeier vor. Allen Angehorigen der Universitliten, Kaiser­Wilhelm-Institute und wissenschaftlichen Gesellschaften wurde jedoch von den nationalsozialistischen Behorden die Teilnahme untersagt. Die Feier fand trotzdem statt. Otto Hahn berichtete J ahrzehnte danach:

In dieser grotesken Situation holte mich Planck am Vormittag des 29. Ja­nuar in meinem Institut abo Wir wuBten nicht, ob wit nicht gewaltsam am Betreten des Harnack-Hauses gehindert wiirden. Aber nichts geschah. Der schone groBe Saal war voll besetzt ••. Auf den hinteren Binken saBen einige Mitglieder meines Instituts: Lise Meitner, Fritz StraBmann, Max Delbriick. Der Vedauf der Feier war wiirdig und eindrucksvoll. Leider konnte Profes­sor Bonhoeffer seinen Vortrag nicht selbst halten. Er hatte seine Stelle als Leipziger Hochschullehrer vedoren. Auf seine Bitte las ich seinen Vortrag vor. Ich selbst war, da ich 1934 aus der Fakultat ausgetreten war, nicht ge­fahrdet .... Diese Erinnerung an Haber zeigt, daB man in den ersten Jah­ren des Hitlerregimes noch einen wenn auch kleinen Widerstand leisten konnte. was spater nicht mehr moglich war. [1, S. 92]

Lise Meitner war nach dem Entzug der Lehrbefugnis als oster­reichische Staatsbiirgerin vorerst nicht unmittelbar von den antisemitischen Gesetzen betroffen. Obwohl zunehmenden An­feindungen ausgesetzt, konnte sie sich noch dem Fortgang ihrer wissenschaftlichen Arbeiten widmen. 1m September 1934 reiste sic mit Otto Hahn in die Sowjetunion, urn am groBen Internatio­nalen Mendelejew-KongreB teilzunehmen. In Moskau und Lenin­grad trugen beide iiber ihre gemeinsamen Forschungsergebnisse vor. Sie trafen mit dem fiihrenden sowjetischen Radiochemiker Professor Witali G. Chlopin, Direktor des Leningrader Radium­instituts, und dem bekannten Geochemiker Professor Wladimir I. Wernadski zusammen. Zwischen den Wissenschaftlern ent-

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wickelte sich ein reger Erfahrungsaustausch. Hahn bemerkte: "Wir kamen uns auch menschlich nilier." [2, S. 147J Urn die Judin Lise Meitner vor den immer bedrohlicheren Aus­schreitungen der Nationalsozialisten Zu schutz en, kam Max von Laue 1936 der Gedanke, sie fur den Nobelpreis vorzuschlagen. Er teilte seine Idee Max Planck mit. Planck, zutiefst von den groBartigen Leistungen der Forscherin auf dem Gebiet der Kern­physik uberzeugt, antwortete:

Der Plan, Fri. Meitner fur einen Nobelpreis vorzuschlagen, ist mir sehr sym­patisch. Jch habe ihn schon im vorigen Jahr ausgefuhrt, insofern ich fur den Chemiepreis 1936 die Teilung zwischen Hahn und Meitner vorschlug. Aber ich bin von vornherein mit jedem Modus des Vorschlages einverstan­den, dell Sie in die,er Richtung mit Herrn Hei,cnh.:rg vcmbrcden. [I~,

S. 901

Zu einer Preisverleihung kam es leider nicht. Die Nazis unter­sagten schlieBlich Deutschen generell die Annahme des Preises. Anfang Marz 1938 marschierten die faschistischen Truppen in Wien ein. Durch die Annexion bsterreichs war Lise Meitner auto­matisch deutsche Staatsburgerin geworden. Sie unterlag damit voll den nationalsozialistischen Rassengesetzen. Urn die drohende Gefahr der Deportation in ein Konzentrationslager abzuwenden, war schnelles Handeln erforderlich. Geheimrat Carl Bosch, als Nachfolger Plancks neuer Prasident der Kaiser-Wilhelm-Gesell­schaft, entschlo6 sich zu einem letzten legalen Schritt. Sein Schrei­ben an den Reichsminister des Inneren mit der Bitte, Lise Meitner die Ausreise in ein neutrales Land zu gestatten, wutde jedoch abgelehnt. In der Begrundung hie6 es:

. ~ . daB politische Bedenken gegen die Ausstellung eines Auslanderpasses fur Frau Dr. Meitner bestehen. Es wird fur unerwiinscht gehalten, daB nam­hafte Juden in das Ausland reisen, urn dort als Vertreter der deutschen Wis­senschaft oder gar mit ihrem Namen und iheer Erfahrung entsprechend iheer inneren Einstellung gegen Deutschland zu wirken. [6, S. 42]

Lise Meitner konnte nun nicht langer in Deutschland bleiben. Der mit ihr befreundete Herausgeber der Zeitschrift "Die Natur­wissenschaften" Paul Rosbaud und Otto Hahn bereiteten die illegale Ausreise vor. Durch Vermitdung des hollandischen Nobel­preistragers Peter Debye, der damals noch das Kaiser-Wilhelm­Institut fur Physik lei tete, konnte Professor Dirk Coster aus Groningen zur Unterstutzung des Unternehmens gewonnen

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werden. lir erwirkte bei den hollandischen Grenzbehorden die Zusicherung, Lise Meitner ohne giiltigen PaG und ohne Visum einreisen zu lassen. Coster kam persi)nlich nach Berlin, urn Lise Meitner auf der Fahrt Zu begleiten. Die gefiirchtete Kontrolle des Zuges durch die SS konnte verhindert werden. Die Flucht nach Holland gelang. Lise Meitner war in Sicherheit. In einem verschliis­selten Telegramm wurde Otto Hahn die gliickliche Ankunft in Groningen mttgeteilt. Er antwortete am 15. Juli 1938:

Liebe Costerfamilie, Zunlichst mochte ich Ihnen meine herzlichsten Gliickwiinsche aussprechen fiir die Ankunft des jiingsten Familienmitgliedes. Ich habe mich iiber die Nachricht natiirlich sehr gefreut, denn die letzte Zeit waren wit doch schon etwas besorgt. Wie 5011 das Tochterchen denn heiBen? Von hier ist nicht vic! Neues /.1I mc!dcn. rill Lahor gcht alles seincn gewohntcn Gang, und morgen gibts Fcricn. Gott sci Dank ... [30, S. 241)

Ober Kopenhagen reiste Lise Meitner nach Stockholm. Durch Vermittlung von Niels Bohr, der vielen Fliichtlingen aus Deutsch­land gro13ziigige Unterstiitzung gewlihrte, fand sie bei dem Physik­Nobelpreistrager des Jahres 1924, Professor Manne Siegbahn, im neuerbauten Nobel-Institut fiir Physik Aufnahme. Schwere Jahre standen ihr bevor. Arbeitsbedingungen, Wohnverhaltnisse und Entlohnung entsprachen nicht im entferntesten den bescheidenen Erwartungen. 1m Institut gab es keine Gerate zur Fortfiihrung der Experimente, und jahrelang mu13te sie sich mit dem Anfangs­gehalt eines Assistenten begniigen. Der Briefwechsel mit Ott() Hahn aus jener fiir die Kernforschung so entscheidenden Zeit spiegelt die Tragik ihres Forscherlebens wider.

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Die Entdeckung der Kernspaltung

Die "falschen" Transurane

Nach vierjahriger intensiver Arbeit glaubten Otto Hahn. Lise Meitner.und Fritz Stral3mann geniigend Beweise fUr das Vorhan­densein von Transuraniumelementen gefunden zu haben. Die neu hinzlIgekomml'l1cn Ergebnisse schiencn die Richtigkeit der Fumi­schen Theorie dllrchalls zu bestiitigen. 1m Sommer 1938 fa/hen sie die Resultate ihrer Untersuchungen in drei isomeren Reihen zusammen:

p- p- p-1. 02U+n-92(U+n)--+ 93Eka-Re--;->- 94Eka-Os--~

10 s 2.2 mm 59 min . p- p-9-Eka-Ir -->- !)6Eka-Pt --+ 97Eka-Au ?

J 66 h 2,5 h

p- p-2. 92U +n-92(U +n) 40-+s 93Eka-Re ---+

16min

p-9!.Eka-Os --+ 9,Eka-Ir?

1 5,7 h U

p-3. 9P +n - 92(U +n) --->- 9JEka-Re?

23min

Entsprechend der chemischen Ahnlichkeit mit niedrigeren Ho­mologen wurden die darin vermeintlich cnthaltenen Trans­lIraniumdemente vorcrst als Eka-Rhenillm, Eka-Osmium, Eka­Iridium, Eka-Platin und Eka-Gold bezeichnet. Zur Anregung der Prozesse der Rcihcn 1 und 2 erwiesen sich schnelle und thermische Neutronen gleichermal3cn gut gecignet. Der ProzeG der Reihe 3 erfordcrte dagegcn verlangsamtc Neutronen einer ganz bestimm­ten Energic. Erst spater sollte sich herausstellen, dal3 einzig und allcin dieser typische ResonanzprozeG tiber die Zwischenstufe 2~~U zu einem "echten" Transuraniumelement fiihrte. Der zweifelsfreic Nachweis des Elementes 93 gliickte im Jahre 1940 den beiden Amerikanern E. McMillan und Ph. H. Abelson. Es erhielt den

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Namen Neptunium. AIle in den Reihen 1 und 2 enthaltenen "falschen" Transuraniumelemente wurden spater als Spaltpro­dukte des Uraniums identifiziert. Die Aufstellung der drei Transuraniumreihen war nicht ohne ernste Bedenken erfolgt. Beunruhigende Fragen hatten sich den

10 20 Jo '0 50 60 70 80 111 2b Jb 'b li 8t 3 ,

No I1g AI n 11 1)

K Co S, Ti V Cr Hn Fe Co NI Cu 1n Go 6t 19 10 11 n 1) ~~ 15 16 17 18 19 30 31 Jl

Rb Sr Y 1r Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn 37 ), 19 ~ " 41 4) " H U ' 7 " If 50

Cs 80 La Hf To W Pot as Ir PI Au Hg TI Pb 55 56 57 71 73 74 75 76 77 74 79 80 " 82

Ro Ac Th Po U [Re [ as [ Ir [PI [Au 8' " gu 91 91 9J 94 9S 95 91

8 Periodensystem der Elemente nach dem Wissensstand der dreifiiger Jahre (Ausschnitt)

Forschcrn dcr Berliner Arbcitsgruppe aufgedriingt. Kam cs wirk­lich zur Bildung von je drci Isomercn des Uraniums und Eka­Rheniums? Fiihrte die Anlagcrung cines NeutroF1s tatsiichlich zu einer so grof3en Instabilitat des Uraniums, daf3 lange Ketten auf­einanderfolgender Betaprozesse entstanden? Vorerst war man gezwungen, sich mit diesen Ergebnissen abzufinden. Eine be­friedigende physikalische Interpretation der seltsamen Kernpro­zesse gab es nicht. Das sollte sich aber bald in unvorhergesehener Weise andern. Den Fortgang der komplizierten Untersuchungen konnte Lise Meitner jedoch nur noch aus der Ferne verfolgen. Durch ihre Emigration waren die beiden Chemiker Otto Hahn und Fritz Straf3mann auf sich allein angewiesen. Straf3mann, ein iiberzeugter Gegner des nationalsozialistischen Regimes, hatte ebenso wie Hahn den Beitritt zur Nazipartei kategorisch abge­lehnt. Fur die zustiindigen Behorden war das Grund genug, ihm sowohl eine Anstellung in der Chemischen Industrie als auch die Habilitation zu verwehren. Dem personlichen Einsatz Otto Hahns

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verdankte er schlieGlich eine bescheidene Assistentenstelle, so d~ er relativ unbehelligt weiter am Institut arbeiten konnte. Der AnstoG zu den entscheidenden Untersuchungen, die ibre Kronung inder Entdeckung der Kernspaltung fanden, ging von der Pariser Arbeitsgruppe aus, die sich ebenfalls dem Studium der Transuraniumelemente zugewandt hatte. Bereits 1937 war eine Veroffentlichung von Irene Joliot-Curie und Paul Savitch erschie­nen, in der die Bildung eines energiereichen Betastrahlers mit 3,5 Stunden Halbwertzeit durch Neutronenbestrahlung des Uraniums mitgeteilt wurde. Sie gaben dem neuen radioaktiven Stoff die symbolische Bezeichnung ,,3,5-Stunden-Korper". Die Annahme, daB es sich dabei um ein nach der Reaktion

23~U +~n - 233Th+~He

entstandenes Thoriumnuklid handeln konnte, war. nach sorg­faltiger chemischer Oberpriifung in Bedin nicht aufrechtzuerhal­ten. Hahnll Einspruch wurde akzeptiert. 1m Vedauf weiterer Untersuchungen gelangten die heiden Pariser Forscher zu dem SchluG, daB der 3,5-Stunden-Korper dem 1 anthan chemisch sebr lihnlich sei. Welches Element verbarg sich hinter dieser seltsamen radioaktiven Substanz, die im Berliner Institut scherzhaft schon "Curio sum" genannt wurde? Mit spiirbarer Zuriickhaltung au­Gerte die franzosische Forschergruppe in einer weiteren Ver­offentlichung schlie61ich die Vermutung, es handle sich entweder um ein neues Nuklid des Actiniums oder ein weiteres Transura­niumelement. Heute weiG man, daB der 3,5-Stunden-Korper aus den beiden Spaltprodukten Barium und Lanthan bestand. Eine fliichtige Bemerkung, die Irene Joliot-Curie 1938 gegeniiber Georg von Hevesy machte, "sie dachte manchmal, sie hatte aIle chemischcn Ell:m~nte in ihrem bestrahltt:n Uran", [40, S. 168] bezeugt, wie knapp sic und ihr Mitarbciter Paul Savitch die Ent­deckung dcr Spaltbarkcit des U raniumkerns in zwei Bruchstuckt: mittkrt:r Masse vcrfehltt:n. Die fragwiirdige Einordnung des 3,5-Stunden-Korpers in die Reihe der Transuraniumelemente muGte natiirlich das brennende Interesse Otto Hahns erregen und ibn veranlassen, eigene Ver­suche zur Identifizierung der seltsamen Substanz durchzufiihren. Als bester Kenner der radioaktiven Elemente widmete er sich jetzt beharrlich und unvoreingenommen dem neuen Problem.

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Gemeinsam mit Fritz Stral3mann, der uber ausgezeichnete analytisch-chemische Kenntnisse und groGes experimentelles Geschick verfiigte, konnte leicht die 3,5-Stunden-Aktivitat nach­gewiesen werden. Eine sofort auf V orschlag StraGmanns vor­genommene Fallungsreaktion mit Bariumchlorid als Trager· substanz ergab, da13 kein Transuraniumelement, sondern offen· sichtlich ein Gemisch von Radium- und Actiniumisotopen vorlag. Das war schwer verstandlich. Die Entstehung von Radium (Ord­nungszahl 88) aus dem bestrahlten Uranium (Ordnungszahl 92) erschien nur denkbar, wenn man die gleichzeitige Ausstrahlung von zwei a-Teilchen oder zwei sukzessive a-Umwandlungen uber die Zwischenstufe Thorium in Betracht zog:

2" {J-23~U + ~n -+ 2~~U ---jo 2~~Ra -+ 2~Ac;

" " (J-23~U + ~n -+ 2~~U ---jo 2~gTh -+ 2URa -+ 2~~Ac.

Solche Kernreaktionen hatte noch niemand beobachtet. Auch die Physiker waren ratlos. 1m Spatherbst 1938 reiste Otto Hahn nach Kopenhagen zu Niels Bohr, urn in des sen 1nstitut die neuen Er­gebnisse vorzutragen:

Bohr war ziemlieh ungliieklieh. Ihm war die Abspaltung von zwei Alpha­Stralilen aus dem Uran unheimlich. Er konnte sie nicht fiir maglieh halten und fragte mieh sehlieBlieh, ob unsere neuen Karper nicht doeh irgend­welche Transurane sein kQnnten. Ieh muBte es vemeinen. Mit dem Barium konmcn wir nm <las Radium abgcschieden haben. Aber das erloscnde W'ort fiel <luch hier nicht.l27, S. 45)

Ais Folge der Neutronenbestrahlung des Uraniums vermeinte die .Berliner Gruppe schlieGlich nicht weniger als 16 neue Atomarten entdeckt Zu haben. Zu den Nukliden der Transuraniumelemente 93 bis 97 waren noch drei p-aktive Radiumisotope getreten, die ihrerseits wahrscheinlich in drei Actiniumisotope ubergingen. Alles in allem, ein unglaubwurdiges Resultatl Jetzt standen die entscheidenden Versuche zur Klarung des wahren Sachverhaltes bevor. Exakte Beweise fur die Erzeugung kunstlicher Radium­isotope muGten erbracht werden. Urn an Hand der auGerst schwa­-chen Strahlung die wenigen Radiumisotope iiberhaupt unter­suchen zu konnen, war ihre Trennung yom inaktiven Trager .Barium unumganglich. Die von Otto Hahn und Fritz Stral3mann seit Jahren meisterhaft beherrschte Methode der fraktionierten

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9 Versuehsanordnung, mit der im Dezcmber 1938 von Otto Hahn und Fritz Stral!mann die Kernspaltung naehgewiesen wurde

Kristallisation versagte jedoch. So oft die beiden Chemiker auch die Fraktionierungen mit peinlicher Genauigkeit wiederholten, es blieb bei einem experimentellen Befund: Die ratselhaften Radium­isotope verhielten sich wie Barium. Natiirliches Radium lid) sich dagegen in Kontrollversuchen ganz miihelos vom Barium ab­trennen. Das war in der Tat ein merkwiirdiges Ergebnis. Jeder­mann wuBte, daB sich bei Kernreaktionen die Ordnungszahl des Ausgangskerns urn allerhochstens zwei Einheiten veranderte. Schon der "Sprung" von 92 (Uranium) auf 88 (Radium) war von den Kernforschern nut' wider streb end in Betracht gezogen wor­den. Barium mit der Ordnungszahl 56 konnte sich aber bestimmt nicht aus dem Uranium gebildet haben. In dieser scheinbar aus­wegslosen Situation teilte Otto Hahn am spaten Abend des 19. De­zember 1938 seiner alten Kollegin Lise Meitner brieflich das. eigenartige Resultat mit:

... Es ist niimlieh etwas bei den .. Radiumisotopen". was so merkwiirdig ist, daB wir es vorerst nur Dir sagen. Die Halbwertszeiten der drei Isotope sind reeht genau siehergestellt; sie lassen sich von allen Elementen auGer Barium trennen; aile Reaktionen stimmen. Nur cine nicht - wenn nicht hoehst scltsame Zufiille vorliegen: Die Fraktionierung funktioniert nicht. Unsere Ra-Isotopc verhaltcn sich wie Ba ••• Es konnte noeh cin hochst merkwiirdigcr Zufall vorliegen. Aber immer mehr kommen wir zu dem 5chrecklichen SchluB: Unsere Ra-Isotope ver­halten sich nicht wie Ra. sondern wie Ba. Wie gesagt. andere Elemente.

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Transurane, U, Th, Ac, Pa, Pb, Bi, Po kommen nicht in Frage. Ich habe mit StraBmann verabredet, daB wir vorerst nur Dir dies sagen wollen. Viel­leicht kannst Du irgendeine phantastische Erklarung vorschlagen. Wir wis­sen dabei selbst, daB es eigentlich nicht in Ba zerplatzen kann. Nun wollen wir noch priifen, ob sich die aus dem ,Ra' entstehenden Ac-Isotope nicht wie Ac, sondeen wie La verhalten. Alles recht heikle Versuchel Aber wir miissen doch klarwerden .•• [2, S.1511

Bereits am 21. 12. 1938 erwiderte Lise Meitner:

••. Euere Radiumresultate sind sehr verbliiffend. Ein ProzeB. der mit lang­samen Neutronen geht und zum Barium fiihren solll ••• Mir scheint vor­laufig die Annahme eines so weitgehenden Zerplatzens sehr schwierig. aber wir haben in der Keenphysik so viele O'berraschungen edebt, daB man auf nichts ohne weiteres sagen kann: Es ist unmoglich .•• [2, S. 152]

Am gleichen Tag wurden in Berlin-Dahlem die "heiklen Versu­che" beendet. Es bestand kein Zweifel mehr, das sogenannte "Radium" war eindeutig radioaktives Barium und das daraus entstehende "Actinium" offensichtlichLanthan. Der entscheidende Wendepunkt war erreicht. Nur durch die Spaltung des schweren Draniumkerns konnte sich Barium gebildet haben. Noch am 22. Dezember iibergaben Hahn und Stra8mann eine Mitteilung an die Redaktion der Zeitschrift "Die Naturwissenschaften". Ein Durchschlag des Manuskriptes ging an Lise Meitner nach Schweden. Trotz aufierst exakter Beweisfiihrung fafite Otto Hahn die Resultate nicht ohne Vorbehalt zusammen:

Als Chemiker miissen wir aus den kurz dargelegten Versuchen das obenge­brachte Schema eigentlich umbenennen und statt Ra, Ac, Th die Symbole Ba, La und Ce einsetzen. Ala der Physik in gewisser Weise nahestehende Keenchemiker konnen wir uns zu diesem. allen bisherigen Erfahrungen der Kcrnphysik widersprcchcndcn Sprung noch nicht entschlieBcn. Es konnte doch noch viclleicht cine Reihe seltsamcr Zufiillc un sere Ergebnisse vorge­tiiuscht haben. [37, S. 194]

Die Arbeit erschien am 6. Januar 1939 unter dem Titel"Ober den Nachweis und das Verhalten der bei der Bestrahlung des Drans mittels Neutronen entstehenden Erdalkalimetalle". Dnermiidlich forschten Hahn und Stra8mann weiter. Die am 28. Januar 1939 eingereichte Veroffentlichung "Nachweis der Entstehung aktiver Bariumisotope aus Dran und Thorium durch Neutronenbestrahlung; Nachweis weiterer aktiver Bruchstiicke bei der D ranspaltung" beseitigte die letzten Bedenken. In wenigen

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN H.h,

Oller dm Hach_iI unci d.u VorhaltLn cI r k' tier 8catrahlunl tI .. UratU m,n~1J Htultontn mtatth cltn Erdallt&limttall.' .

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10 Veroffentlichung der Versuchsergebnisse in dec Zeitschrift .. Die Natur­wissenschaften"

Wochen anstrengender und miihevoller Arbeit ha~te man viele neue Einsichten gewonnen. Die Identifizierung der Spaltprodukte 139Ba, 140Ba sowie der weiteren Bruchstiicke Strontium, Yttrium und Krypton war gelungen. Sch1ieGlich konrtte die Spaltungs­reaktion auch bei Thorium, zwar nicht mit langsamen, sondern nur mit schnellen Neutronen, nachgewiesen werden. Jetzt bestand endgiiltig Klarheit. Das System der Transuranium­reihen muGte weitgehend verworfen werden. Bei dem Versuch,

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neue chemische Elemente jenseits des Uraniums herzustellen, hatten Otto Hahn und Fritz StraGmann die Kernspaltung ent­deckt. In den entscheidenden Wintertagen 1938/39 war das Atom­zeitalter angebrochen. Die Entdeckung der Kernspaltung auf analytisch-chemischem Wege erfolgte zufallig. Fur eine derart ungewohnliche Reaktion besaG die Physik noch kein theoretisches Konzept. Die schon 1934 von Frau Ida Noddack ausgesprochene Vermutung, der Uraniumkern konne auch in mehrere Bruch­stucke zerfallen, blieb daher unbeachtet. Niemand kam auf die Idee, die cnergiereichen Spaltprodukte durch einfache physik a­lische Experimente nachzuweisen. So blieb zwei Chemikern eine der wichtigsten und folgenschwersten Entdeckungen dieses Jahrhunderts vorbehalten. Die unbestechliche Beobachtungsgabe, wachsame Selbstkritik und jahrzehntelange Erfahrung des Sechzigjahrigen und die ausgefeilte Experimentierkunst seines jungeren Kollegen brachten den Erfolg. Lise Meitner, die Weg­gefahrtin und Freundin, schrieb in den spateren Jahren:

Ich miichte betonen, daB dieser Nachweis bei der so geringen Intensitat der zu idcntifizierenden Praparate wirklich ein !vlcistcrstlick radioaktiver Chemic war, da,s in der damaligen Zeit kaum jemand anderen hatte gclingcn konncn als Hahn und Strallmann. [40, S. 168]

Die Deutung der Kernspaltung

Nachdem Lise Meitner von Otto Hahn auf brieflichem Weg die iiberraschenden Resultate erfahren hatte, reiste sie an die Siidkiiste Schwedens, urn in Kungalv, einem kleinen Ort in der Nahe von Goteborg, die Weihnachtsfeiertage Zu verbringen. Hier besuchte sie ihr Neffe, der junge Physiker Otto Robert Frisch. Er war auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgung schon 1933 aus Deutschland emigriert und hatte nach einem kurzen Aufenthalt in England im Kopenhagener Institut von Niels Bohr Aufnahme gefunden. Als ihm seine Tante die Hahn-StraGmannschen Ergeb­nisse mitgeteilt hatte, zweifelte er zunachst an deren Richtigkeit. Lise Meitner zerstreute jedoch seine Bedenken mit der Bemerkung: "Wenn Hahn so etwas behauptete, dann muG bei seinen langen Erfahrungen als Radiochemiker etwas dran sein." [2, S. 153] Nach eingehenden Diskussionen hatten sie die erste qualitative Erkla-

4 Stolz, Hahn 49

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rung des neuartigen Kernprozesses gefunden. Am 1. 1. 1939 schrieb Lise Mehner an Hahn:

Wir haben Eure Arbcit sehr genau gelesen und iiberlegt, vielleieht ist es energetiseh doeh rniiglieh, daB ein so sehwerer Kern zerplatzt. [3, S. 84]

Ein weiterer Brief vom 3. 1. 1939 enthalt die Passage:

Ieh bin jetzt ziernlieh sieher, daB Ihr wirklich eine Zertriirnmerung rum Ba babt, und finde das ein wirklieh wunderschiines Ergebnis, woru ich Dir und StraBrnann sehr herzlich gratuliere. [3, S. 84]

Meitner und Frisch erklarten den SpaltprozeB in sehr plausibler Weise mit Bohrs Tropfchenmodell des Atomkernes. Sie entwarfen folgendes Bild: Schwere Atomkerne werden trotz ihrer groBen positiven Ladung iihnlich wie inkompressible Fliissigkeitstropfen durch die Oberflachenspannung zusammengoo.alten. Wird jedoch durch die Anlagerung eines Neutrons einem .. Kerntropfchen" Energie zugefiihrt, so gerat es in heftige Schwingungen. Der anfangs kugelformige Kern nimmt die Form eines Rotations­eIlipsoides an und schniirt sich schlieBlich unter Bildung einer .. Tallie" mehr und mehr ein. Dadurch gewinnen die eIektrostati­schenAbstoGungskrafte zwischen den beiden Teilen die Oberhand, so daB der Kern in zwei groBe Bruchstiicke zersplatzt, die mit hoher Geschwindigkeit auseinanderfliegen. Dieser Vorgang hatte mit der Emission von Alpha- und Beta­teilchen aus dem Kern nichts gemein. Wegen seiner Ahnlichkeit mit der Zellteilung fiihrte Frisch auf Vorschlag eines Biologen da-

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11 Schematische Darstellung der Kernspaltung nach dem Tropfchen­modell

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fiir die Bezeichnung "fission" (= Spaltung) ein. Hahn und Strafi­mann verwendeten zuerst vorwiegend den Ausdruck" Zerplatzen". Lise Meitner und Otto Robert Frisch gelang es, die Massenbilanz der Spaltreaktion abzuschatzen und mit Hilfe der beriihmten Einsteinschen Beziehung E=mc2 die freigesetzte Energie zu be­rechnen. Das Ei:gebnis war verbliiffend. Mit etwa 200 MeV ( = 3,2 X 10-11 Joule) iibertraf die Reaktionsenergie den Energieumsatz der bisher bekannten Kernreaktionen urn ein Vielfaches. Die ener­getischen Berechnungen fiihrten aufierdem zu dem Hinweis, dafi neben Barium das Edelgas Krypton als zweites Spaltprodukt ent­stehen miifite. Diese Vermutung bestatigte sich. Otto Hahn verzichtete vorerst bewuGt darauf, die Physiker des eigenen Instituts im voUen Umfang iiber die Ergebnisse dec ent­scheidenden Versuche zu informieren. Er wollte auf diese Weise seiner ehemaligen KoUegin die Chance einer aktiven Beteiligung an den Arbeiten einraumen, die sie friiher mafigeblich mitbe­stimmt hatte. In seinem Brief yom 10. 1. 1939 ermunterte er Lise Meitner ausdriicklich, die Oberlegungen zur theoretischen Deutung der Kernspaltung rasch zu verOffentlichen:

Falls Du mit Otto Robert etwas schreibst, dann tut es bald. Denn es wird ja wohl auch von hier aus, Weizsacker, FIiigge, Droste etc. dariiber gegriibelt. [3, S. 91]

Daraufhin vereinbarte Lise Meitner mit Frisch, der nach dem Weibnachtsfest wieder nach Kopenhagen zuriickgekehrt war, telephonisch den Text fiir eine kurze Mitteilung in der englischen Zeitschrift "Nature". Diese Veroffentlichung erschien im Februar 1939 unter dem Titel "Disintegration of Uranium by Neutrons: A New Type of Nuclear Reaction". Nach Abschatzung dec Spaltungsenergie erkannte O. R. FrisGb sofort die M6glichkeit, die energiereichen Spaltprodukte an Hand ihrer stark ionisierenden Wirkung mit einer Ionisationskammer nachzuweisen. Die erste physikalische Bestatigung dec Kernspal­tung gliickte ibm miihelos. Auch dieses Resultat wuede im Februae 1939 in dec "Nature" ver6ffentlicht. Fast zU( gleichen Zeit gelang auch Frederic Joliot in Paris unabhangig von Frisch der physika­lische Nachweis der Kernspaltung. Ee fing nach der Riickstofi­methode die wahrend der Neutronenbestrahlung aus Uranium­oder Thoriumproben herausgeschleuderten radioaktiven Spalt-

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produkte mit Folien auf und verfolgte anschliel3end deren {J-­Umwandlung. Nach dem Empfang der Manuskripte beider VerOffentlichungen schrieb Otto Hahn am 24. 1. 1939:

Liebe Lise. Vorhin kamen Deine Karte und die beiden hochst interessanten Nature-Artikel. Es ist fabelhaft, wie schnell Ihr Euch physikal. Experimente ausdenkt und durchfiihrt, so daB ein Teil unserer miihsamen chemischen Versuche gar nicht notig gewesen ware. [3, S. 94]

Lise Meitner antwortete bereits am folgenden Tag: Liebes Hahnchen I Vielen Dank fiir Deinen lieben Brief. Eure miihsamen Versuche sind keineswegs "unnotig"; ohne Euer schones Resultat - Ba statt Ra - hatten wir nie etwas ZU iiberlegen gehabt. [3, S. 95]

Nach der Riickkehr aus Schweden informierte O. R. Frisch unver­ziiglich Niels Bohr iiber die Hahn-Stral3mannsche Entdeckung und die Vorstellungen, die er mit seiner Tante zur Deutung der Kernspaltung bereits entworfen hatte. Nun begannen sich die Ereignisse zu iiberstiirzen. Bohr war 'im Begriff, zu einem For­schungsaufenthalt in die USA zu reisen. Sein Bericht iiber die Entdeckung der Kernspaltung schlug auf dem Kongrel3 der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft am 26. Januar 1939 in Washington wie eine Bombe ein. Kaum hatte er den Vortrag beendet, als einige der Physiker in ihre Institute eilten, urn selbst mit Hilfe starker Neutronenquellen in wenigen Stunden die Spalt­produkte experimentell nachzuweisen. Die Ergebnisse wurden sofort in den Tageszeitungen veroffentlicht. In vielen Diskussionen setzte sich Bohr nachdriicklich fiir Frischs Prioritat am physikali­schen Nachweis der Spaltprodukte cin, da dieser seine Arbcit ja bercits am 16. 1. 1939 zur VerOffentlichung eingercicht hatte. Ironisch bemerkte Otto Robert Frisch spater;

1m Verlauf dieses Kampfes wurde ich durch die Presse erstmals zu Bohrs Schwiegersohn ernannt, eine Bchauptung. die seither in mehrere Biicher iibcrgcgangcn ist, trotzdcm ich lIamals unvcrhciratet war und Bohr keine Tochtcr hat. [21, S. 125]

Jetzt war es soweit: Die sensationelle Nachricht von der Spalt­barkeit des U raniumkerns unter Freisetzung einer grol3en Energie­menge verbreitete sich wie ein Lauffeuer . Otto Hahn erinnerte sich :

Noch von der Tagung in Amerika bekam ich ein langes Telegramm von Niels Bohr und einer Anzahl von Physikern, in dem sie mir zu der "wunder­baren Arbeit" ihre Gliickwiinsche aU8sprachen. [2, S. 154]

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In den Kcrnforschungslaboratorien der ganzen Welt begann man mit intensiven Studien zur Aufklarung der Spaltungsreaktion. Weiterfi.ihrende Versuche eroffneten neue, uberraschende Ein­blicke. Hans von Halban, Frederic Joliot und Lew Kowarski er­kannten zuerst, dal3 bei jedem Spaltungsereignis neben den beiden Spaltprodukten noch 2 bis 3 Neutronen frei werden. Die weit­reichenden Konsequenzen dieser Entdeckung waren vielen Physi­kern schlagartig klar. Durch die bei der Spaltung eines einzigen Uraniumkerns entstehenden schnellen Spaltungsneutronen wurde eine lawinenartig anwachsende Kettenreaktion mit einer unvor­stellbar grol3en Energieentwicklung in den Bereich der Moglich­keit geruckt. Obwohl die Physiker des Kaiser-Wilhelm-Instituts fi.ir Chemie erst Anfang J anuar 1939 voU uber die Geschehnisse informiert wur­den, trugen sie bald mit eigenen Arbeiten zur Klarung des Spalt­prozesses bei. Unabhangig von Meitner und Frisch wiesen Gott­fried von Droste und Siegfried Plugge auf die grofie Energie­freisetzung bei der Kernspaltung hin. Bereits im Fruhjahr 1939 publizierte S. Plugge in den "Naturwissenschaften" eine ausfuhr­liche Arbeit unter dem richtungweisenden Titel: "Kann der Ener­gieinhalt der Atomkerne technisch nutzbar gemacht werden?" Flugge berechnete darin, dal3 dank der Kettenreaktion die bei der vollstandigen Spaltung von 1 Kubikmeter Uraniumoxid frei­werdende Energie dazu ausreichen wurde, urn 1 Kubikkilometer Wasser (1012kg!) in eine Bohe von 27 km Zu schleudern. Eingehende Dberlegungen der Theoretiker liel3en diese Abschat­zung bald in einem anderen Licht erscheinen. Auf der Grundlage des ersten Deutungsversuches von Meitner und Frisch arbeiteten Niels Bohr, John A. Wheeler und Jakow r. Frenkel eine um­fassende Theorie des Spaltprozesses aus. Dabei gelangten sie zu der uberraschenden Schlul3folgerung, dafi nicht, wie ursprunglich angenommen, der Hauptbestandteil des Natururaniums, das Uranium 238, sondern nur der seltene, leichte Anteil (0,7 %) an Uranium 235 mit langsamcn Neutronen spaltbar war:

2~qU + ~n ... 2~~U ... 19~Ba + ~~Kr + 2An

oder 1~2Xe + ~~Sr + 3ln

oder ltg Cs + ~~Rb + 2An

usw.

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Das bedeutete eine erhebliche Einschrankung der technischen Moglichkeiten. Man war offenbar noch weit von einer praktischen Nutzung der Kernenergie entfernt. Diese Bedenken auGerte Otto Hahn sogar noch im Oktober 1943 in einem Vortrag vor der Schwedischen Akademie der Wissenschaften: "Auch hier ist dafiir gesorgt. dal~ die Biiume nicht in den Himmd wachsm." [11, S. 70] Er ahnte nicht, dag zu diesem Zdtpunkt die "Baume" in den USA ihre Wipfe1 schon gefabrlich emporreckten. Innerhalb eines knappen Jahres seit ihrer Entdeckung waren bereits iiber 1000riginalarbeiten iiber die Uraniumspaltung im internationalen Schrifttum erschienen. Sie wurden Anfang 1940 in der Zeitschrift "Review of modern Physics" von L. A. Turner zu einer erstenBibliographie "Nuclear Fission" zusammengestellt. SchlieGlich gliickte 1940 auch noch der Nachweis der Spontan­spaltung des Uraniums in der Natur. In der Tiefe eines Moskauer Metrotunne1s konnten der heute sehr bekannte Entdecker meh­rerer Transuraniume1emente Professor Georgi N. Flerow und sein Kolkge Konstantin Pctrshak diese iiulkrst sdtenen Zcrfalls­ereignisse registrieren. Am 1. September 1939 hatte der zweite We1tkrieg begonnen. Auf Befehl Hiders iiberfielen die faschistischen Armeen ein Land nach dem anderen und stiirzten die Volker Europas in unsagliches Leid und Elend. Der Kontakt zwischen den Kernforschungs­instituten der Welt wurde jab unterbrochen. Die Behorden der fiihrenden Lander erteilten die Anweisung, alle Arbeiten tiber die Moglichkeiten einer Kettenreaktion des Uraniums geheim zu halten. Ein Mantel des Schweigens und MiGtrauens legte sich iiber die Kernforschung. Die fruchtbare internationale Zusammenarbeit der Wissenschaftler war beendet.

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1m Exil

Die schwedische Offentlichkeit stand Ende der dreiBiger Jahre den scharenweise in das Land stromenden Emigranten nicht son­derlich freuodlich gegenuber. Die Anfangszeit im Exil war daher fur Lise Mehner mit vielen Schwierigkeiten und bitteren Ent­tliuschungen verbunden. All ihrer Habe beraubt, wohnte sie monatelang unter primitiven Verhliltnissen in einem kleinen Ho­telzimmer. Erst im Mai 1939 konnte sie gemeinsam mit ihren ebenfaIls emigrierten Geschwistern in Stockholm eine kleine Wohnung mieten. Endlich stand ihr ein bescheidenes Leerzimmer zur Verfugung. In zlihen Verhandlungen mit den Nazibehorden lieB unterdessen Otto Hahn in Berlin nichts unversucht, die Genehmigung zur Nachsendung ihrer Einrichtungsgegenstande und Bucher Zu erwirken. In ihrer verzweifelten Lage schrieb Lise Meitner am 10. Apri11939 an ihn:

Heute hat mir cin Rechtsanwalt, den ieh vor 14 Tagen mit der Bitte aufge­sucht habe, mir doch ctwas behilflieh zu scin, meine Saehcn cndlich zu be­kommen, telephonisch angeboten, mir ein Bett und Bettzeug zu leihen_ Ich habe es also nach mehr als 30jahriger Arbeit immerhin so weit gebracht, daB mir ein wildfremder Mensch ein Bett leiht. [3, S. 125]

Otto Hahn antwortete ihr:

Es wird zwar keine Beruhigung fiir Dich sein, aber Du kannst mir glauben, daB mich del Skandal mit Deinem Umzug mehr Nerven kostet als alle Trans­Urane und sonstigen nicht immer angenehmen Dinge zusammengenommen. [3, S. 127]

SchlieBlich erlangte er doch die Erlaubnis, Teile des Hab und Guts der "Nicht-Arierin" Lise "Sarah" Meitner nach Schweden zu senden. (In einer diskriminierenden Anordnung hatten die Nazis am 1. 9. 1939 verfugt, daB aile Juden den Namen Sarah bzw. Israel als zweiten Vornamen annehmen muBten.) Aus ihrer Privatbibliothek wurden jedoch neben zahlreichen wiss.enschaft­lichen Publikationen alle Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann, Maxim Gorki und anderen fortschrittlichen Autoren be­schlagnahmt. Die ausgesprochen ungunstigen Arbeitsbedingungen am neu­gegriindeten Nobel-Institut fur Physik waren fur die sechzig­jlihrige Wissenschaftlerin in hOchstem MaBe deprimierend. Ihr Verhliltnis zum Direktor des Instituts, dem Rontgenspektroskopi-

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ker Manne Siegbahn, blieb reserviert. In zahlreichen Briefen an Otto Hahn spiegelt sich ihr schweres Los wider:

.•. 6. 10.1938 ..• Das Siegbahn'sche Institut ist unvorstellbar leer. Ein sehr schaner Bau, in dem ein Cyclotron und viele andere groBe Rontgen- und spektroskopische Apparate vorbereitet werden; aber an experimentelle Arbeit ist kaum zu denken. Es gibt keine Pumpe, keinen Widerstand, keine Capazitat, kein Ampcrcllletcr - also nidus wm Experimcntieren, und in dem ganzen grogen Haus -t jiingerc (oder junge) Physikcr und cine sehr bureaukratischc Arbeits­ordnung 138, S. 888]

: .. 5. 2. 1939 .•. Mir geht es sehr wenig gut. rch habe hier eben einen Arbeitsplatz und kei­nerlei Stellung, die mir irgendein Recht auf ctwas geben wiirde. Versuche Dir einmal vorzustellcn, wie das ware, wenn Du statt Deines schonen eigenen Instituts ein Arbeitszimmer in einem fremden Institut hattest,· ohne jede Hilfe, ohne alle Rechte und mit der Sieg'bahnschen Einstellung, der nur groBe Maschinen Hebt und sehr sieher und se1bstbewuBt ist. Und ieh mit meiner inneren Unsicherheit umd Befangenheit! [3, S. 99]

In miihevoller Kleinarbeit, ohne Laboranten und Assistenten, baute sich Lise. Meitner nach und nach einfache StrahlungsmeG­anordnungen auf, urn in bescheidenem Umfang ihre kernphysi­kalischen Untersuchungen wieder aufnehmen zu konnen. Soweit es die Verhaltnisse nach Ausbruch des Krieges iiberhaupt noch erlaubten, versuchte sie Otto Hahn dabei zu unterstiitzen. Seine ApparatevorschHige waren im schwedischen Institut jedoch nur schwer zu realisieren. Die von ihm erbetenen Verstarkerrohren trafen leider nicht in Stockholm ein. Selbst wegen einiger Bogen Logarithmenpapier sah sich Lise Meitner genotigt, nach Berlin zu schreiben. Gcwil3 hatten sieh ihre Arbeitsbedingungen und Lebensumstande schlagartig verbessert, wenn sie die wahrend des Krieges mehrfach gcmachten Angebote angenommen hatte, sich an den Arbeiten der englischen und amerikanischen Physiker zur Schaffung der Atombombe zu beteiligen. Das Ansinnen, mit ihren Kenntnissen die Entwicklung einer furchtbaren Massenvernichtungswaffe zu begiinstigen, lehnte sic konsequent abo Lise Meitner blieb in Stockholm und widmetc sich im Siegbahn­schen Institut dem Studium von Kernreaktionen mit Neutronen an schweren Elementen. Durch Untersuchung der {J- und y-Strah­lung konnte sie bei vielen kiinstlichen Radionukliden die kompli­zierten Umwandlungsschemata aufklaren.

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Anfang der vierziger Jahre lernte sie Siegbahns jungen Assistenten Dr. Sigvard Eklund kennen. Mit ihm, der von 1961 bis 1981 die verantwortungsvolle Funktion des Generaldirektors der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) ausubte, war sie bis an ihr Lcbensendc in cngcr Frcundsehaft verbunden. Erst in den Naehkriegsjahren verbesserte sich Lise Meitners Lage schrittweise. 1946 wurde sie fUr ein halbes J ahr als Gastprofessor an die Katholische Universitat in Baltimore berufen. Wahrend dieses Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten erhielt sie den Ehrendoktortitel mehrerer am erik ani scher Universitaten und wurde von der Presse zur "Frau des Jahres" gewahlt. 1m Jahre 1947 verliefi sie das Forschungsinstitut fur Physik dec Schwedischen Akademie der Wissenschaften und ubernahm die Leitung eines kleinen Laboratoriums an der Technischen Hoch­schule in Stockholm. Ais Beraterin wechselte sie schliefilich 1953 an ein von S. Eklund geleitetes Institut uber, an dem im Auftrage der Koniglichen Akaderrtie der Ingenieurwissenschaften ein For­schungsreaktor aufgebaut wurde. Lise Meitner blieb 22 Jahre in Schweden. Wie bereits wah rend ihres A ufenthaltes in Berlin hielt sie an der osterreichischen Staats­burgerschaft fest, obwohl ihr einige Male die schwedische Staats­burgerschaft angeboten wurde. Erst als man ihr ausdrucklich gcwahrtc, die osterrcichische Staatsburgcrschaft beizubehalten, nahm sic die schwedische an.

Kriegsjahre

Otto Hahn machte des i::ifteren kein Hehl aus seiner inneren Ab­lehnung des nationalsozialistischen Regimes. Er galt bei den vorgesetzten Dienststellen als politisch unzuverlassig. Seine Ent­deckung wurde daher von Hitlerdeutschland in keiner Weise ge­wurdigt. Die Fuhrung des Dritten Reiches hielt nichts von der modernen Naturwissenschaft. Sie stand vielmehr den Arbeiten der deutschen Kernforscher mit Fremdheit und Verachtung gegen­uber. Bis zu einer Entlassung Otto Hahns kam es allerdings nicht. Mit den Mitarbeitern seines Instituts, unter ihnen F. Straf)mann, W. Seelmann-Eggebert, H. Gi::itte sowie spater auch H. J. Born und K. Starke, konnte er bis Kriegsende verhaltnismafiig unbe-

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helligt die radiochemischenArbeiten zur Identifizierungder Bruch­stucke der Uranium- und Thoriumspaltung fortsetzen. Alle Ergebnisse wurden in wissenschaftlichen Fachzeitschriften ver­offentlicht. Trotz des Krieges gestattete man Otto Hahn mehr­fach, wissenschaftliche Veranstaltungen in Italien, Schweden und Rumanien zu besuchen. Die Romische Akademie der Wisscn­schaftcn verlich ihm 1939 den Cannizarro-Prcis. Obwohl das offentliche Interesse fur Fragen der Atomkernfor­schung in Hitlerdeutschland, verglichen mit anderen Landern, auBerst gering war, fanden im September 1939 im Heereswaffen­amt mehrere Beratungen statt, urn die Moglichkeiten der milita­rischen und technischen Ausnutzung der Kernenergie zu eror­tern. Mit der Begrundung, daB ihn weder die physikalisch-theo­retischen Fragen der Kernspaltung noch die Probleme der technischen Realisierung der Kettenreaktion interessierten, lehnte Otto Hahn demonstrativ jede Beteiligung an der Arbeit des so­genannten "Uranvereins" abo Die Leitung der Gruppe wurde in die Hande von Werner Heisenberg gelegt. Nach dem Weggang von Professor Peter Debye aus Deutschland fungierte der Theo­retiker als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts fUr Physik. Zielstrebig untersuchte Heisenberg die gestellte Aufgabe. Be­rcits nach kurzer Zcit bestand Klarheit: Grundsatzlich waren sowohl energieliefernde Kernreaktoren als auch Kernspaltungs­bomben herstellbar. Lord Rutherford irrte grundlich, als er 1933 die Prognose stellte.

Anyone who looked for a source of power in the transformation of the atoms was talking moonshine. . IJeder, der in der Umwandlung der Atome eine Energiequelle sieht, redet Unsinn.]

Heisenberg war freilich Realist genug, urn abzuschatzen, daB his zur technischen Beherrschung der Kernenergie noch ein weiter Weg bevorstand. Am aussichtsreichsten erschien ihm der Ver­such, einen Kernreaktor zu entwickeln. Die Realisierung der Atombombe hatte die groBtechnische Abtrennung des seltenen Nuklids 235U vom Hauptnuklid 238U erfordert, wei! nur in rei­nem Uranium 235 cine Kettenreaktibn bercits mit schnellen Spaltneutronen zu erwarten war. Dieses Ziel ware jedoch nur rlurch die Konzentration eines gewaltigen Industriepotentials erreichbar gewesen. In einem Reaktor konnte man dagegen mit

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Natururanium arbeiten. Urn darin eine Kettenreaktion in Gang zu setzen, bedurfte es in erster Linie einer Verlangsamung der schnellen Spaltneutronen mit Hilfe einer Bremssubstanz (Mo­derator), so daB keine Resonanzabsorption im 238U stattfinden konnte. Die abgebremsten Neutronen wiirden dann mit groBer Wahrscheinlichkeit erneut Spaltungen des seltenen Nuklids 235U hervorrufen und die Reaktionskette weiterfiihren. In sei­nem Buch "Der Tei! und das Ganze" schrieb Werner Heisen­berg spater:

Gegcn Lnde des Jahres J<)·H waren" hir lIllserell "Uranvcrein" die physikali­schcn Grundlagcn ~lcr tcchnischcn AlIsnlltzung dCf Atol11cncrgic wcitgehcnd gcklart. [13, S. 245]

Mit Natururanium aus Joachimsthaler Erz und schwerem Was­ser (D20) als Moderatorsubstanz, das die faschistische Wehr­macht in Norwegen sicherstellte, erfolgten die ersten Versuche zum Bau eines Reaktors an der Leipziger Universitat. Unter der Leitung von Werner Heisenberg und Walter Bothe (Heidelberg) wurden diese Experimente in Berlin-Dahlem fortgesetzt. In einer £ii, den weiteren Verlauf der Arbeiten entscheidenden Sitzung berichteten am 6. Juni 1942 die deutschen Physiker dem Reichs­minister fiir Waffen und Munition Albert Speer iiber ihre Ergeb­nisse. Heisenberg stellte klar, daB die Entwicklung einer Atom­bombe im faschistischen Deutschland mit seiner durch den Krieg bereits iiberbeanspruchten Industrie mindestens vier oder fiinf Jahre erfordern wiirde. BewuGt verschwieg er dabei, daB ein Kernreaktor auch zur Erzeugung von Plutonium dienen konnte, das ebenso wie Uranium 235 als Atomsprengstoff in Betracht kam. Speer entschied, daB nur die Arbeiten zur Entwicklung eines energieerzeugenden Kernreaktors fortgefiihrt werden soll­ten, aber gewissermaBen auf Sparflamme, ohne besondere Dring­lichkei tsstufe. Werner Heisenberg, wie Hahn ein Gegner des Naziregimes, hatte sein Ziel erreicht. Bis Kriegsende wurden daraufhin zwei groBere Reaktoranlagen in Berlilll-Dahiem und in Haigerloch bei Hechingen gebaut. Dec Haigerloch-"Uraniumbrenner" fiihrte im Friihjahr 1945 zu posi­tiven Resultaten, das verfiigbare Material reichte jedoch nicht aus, eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion in Gang zu bringen.

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Damals ahnte nicmand in Deutschland, da!) Enrico Fermi be­reits jm Dezember 1942 in Chicago den ersten sdbsttiitigen Kern­reaktor in Betrieb gesetzt hatte. Lise Meitner wiirdigte diese groG­artige Leistung in ihrem Aufsatz "Wege und 1rrwege zur Kernenergie" mit den Worten:

Am 2. Dezember 1942, also vor mehr als zwanzig Jahren, gelang es Enrico Fermi, den ersten Reaktor der Welt zum "Kritischwerden", das heiilt zum i\rbeiten zu bringen. Es ist kein Zufall, dail es Fermi war, der dieses damals sehr komplizierte, wenn auch prinzipiell einfache Problem loste. Er war experi­mentell und theoretisch einer der genialsten Physiker unserer Zeit, immer geneigt und fiihig, mit den einfachsten Vorstellungen neue, schwierige Probleme in Angriff zu nehmen und 0 experimentelle Methoden, wenn die verfiigbaren Mittel nicht ausreichtcn, mit erstaunlicher Beobachtungsgabe fur die jeweilige Aufgabe (wieder in einfachstc Weise) zu erweitcrn oder neu aufzufindeno [40, S. 167)

Otto Hahn, immer wieder mit Schwierigkeiten auf Grund sei­ner Nichtzugehorigkeit zur Nazipartei konfrontiert, nahm kaum Notiz von den Arbeiten der Heisenbergschen Gruppe. 1m Fe­bruar und Miirz 1944 wurde seine langjiihrige Arbeitsstiitte, das Kaiser-Wilhelm-1nstitut fUr Chemie, durch Sprengbomben schwer getroffen.

Die Wirkung war verheerend. Ein Flugel des Instifuts wurde vollig zerstort, mein Direktorenzimmer war ein Schutthaufen. Alle meine Sonderdrucke, meine Papiere und die vielen wertvollen Briefe von Rutherford und meinen Kollegen wurden ein Opfer des Feuers. [2, S. 158]

Es wurde beschlossen, das 1nstitut in den siiddeutschen Raum Zu vedagern. 1m Herbst 1944 erfolgte der Umzug in die Riiume einer stillgelegten Fabrik in dem kleinen wiirttembergischen Stadtchen Tailfingen. In bescheidenem Umfang konnte die Un­tersuchung der Spaltprodukte wieder aufgenommen werden. Das Kaiser-Wilhelm-Institut fUoc Physik war in das benachbarte Hechingen umgezogen, so dar, sich fiir Otto Hahn die willkom­mene M6glichkeit bot, wieder regelmiiGig mit seinem alten Freund Max von Laue zum vertrauten Gespriich zusammenzu­kommen. Auch in den beiden idyllisch gelegenen Kleinstiidten stell ten sich bald wieder Schwierigkeiten mit den nationalsozia­listischen Beh6rden ein:

Zu Beginn des Jahres 1945 denunzierte man uns, wir seien gegen das Dritte Reich eingestellt, und es begannen allerlei Verhore, die sich aber bis zum Ende des Kriegcs hinzogen. [2, S. 159]

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In diesen dunklen Tagen war die Ruckkehr des schwerverwun­deten Sohnes Hanno aus dem Lazarett ein Lichtblick fur das Ehepaar Hahn. Ende 1944 setzte sich Otto Hahn energisch fur die von der Gestapo in das beruchtigte Vernichtungslager The­resienstadt eingelieferte judische Frau seines verstorbenen Kol­legen Professor Rausch von Traubenberg ein. Die Physikerin konnte gerettet werden. Urn die gleiche Zeit erhielt er einen er­schutternden Brief des nun schon 86jahrigen Max Planck. Sein Sohn, der Staatssekretar Erwin Planck, war in die Vorberei­tung des Attentatversuches gegen Hitler am 20. Juli 1944 ver­wickelt und yom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wor­den. AIle Gnadengesuche des greisen Vaters blieben erfolglos. 1m April 1945 brachen fUr Tailfingen die letzten Tage des Krie­ges an. Mit seiner ganzen Autoritat uberzeugte Otto Hahn den Burgermeister, die Panzersperren offen zu lassen und entgegen dem Befehl des Fuhrers keinen "Wider stand bis zum Letzten" zu leisten. Sein selbstloser Einspruch bewahrte das Stadtchen vor der sinnlosen Zerstorung. Unmittelbar nach dem Einmarsch der franzosischen Truppen erschien am 25. April 1945 in Tailfingen ein aus Offizieren und Wissenschaftlern bestehendes Sonderkommando der Amerika­ner, urn Otto Hahn festzunehmen. Einige Tage danach traf Frederic Joliot-Curie ein, urn dafur Sorge zu tragen, daB in Hahns Laboratorium wie bisher gearbeitet werden konnte. Bis zum Friih­jahr 1945 hatte die kleine Arbeitsgruppe, trotz schwacher Neu­tronenQUeIlen, 100 Spaltprodukte nachgewiesen und charakteri­siert. In amerikanischen Instituten war im gleichen Zeitraum unter wesentlich gunstigeren Bedingungen die Identifizierung von 170 Spaltnukliden gelungen. Mit der Beendigung des zweiten Weltkrieges, genau vierzig Jahre nach Entdeckung des Radiothoriums, fand Otto Hahns gluckliche und uberaus erfolgreiche experimentelle Forscher­tatigkeit ihren AbschluG.

Hiroshima und Nagasaki

Nach der Festnahme Otto Hahns wandte sich die amerikanische Sondereinheit mit der Deckbezeichnung "Alsos" unter der wis­senschaftlichen Leitung des Physikers Professor Samuel A. Goud-

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smit nach Hechingen, um dart die fuhrendcn Wissenschaftlct des Kaiser-Wilhelm-Instituts fur Physik ebenfalls zu inhaftie­reno Weitere deutsche Atomforscher wurden noch im suddeut­schen Raum gesucht. SchlieGlich stellte man eine aus neun Phy­sikern und einem Chemiker bestehende Gruppe zusammen, der neben Otto Hahn auch Werner Heisenberg, Max von Laue, Carl Friedrich von Weizsacker und Walther Gerlach angehorten. Mit den Verbrechen der Hiderfaschisten hatten diese Gelehr­ten nichts zu tun. Alle waren aber an den Arbeiten des" U ran­vereins" zur Entwicklung eines deutschen Kernreaktors betei­ligt gewesen, auGer Otto Hahn, dem Senior der Gruppe, und Max von Laue. Unter strenger Bewachung wurden die Wissen­schafder uber verschiedene Zwischenstationen in Frankreich und Belgien nach England in das Landhaus Farmhall bei Cam­bridge gebracht. Durch Befragungen versuchten sich die Alli­ierten Klarheit uber den Stand der Atomarbeiten im Dritten Reich Zu verschaffen. Die Behandlung war gut, aber die strenge Isolierung von der Auf3enwelt wurde aufrechterhalten. Die Zukunft der Internierten blieb ungewiG. Von Anfang an ge­noG Otto Hahn unumschrankt das Vertrauen aller. Maf3geb­lich trug er Zu einem harmonischen Klima in der Gruppe beL Werner Heisenberg schilderte spater Hahn in dieser Zeit:

Zu den ,chunsten Eril1nerungcn jeller Zeit gehiirtc hir uns eben .las Zusam­mensein mit Otto Hahn, der nicht nur als Altersprasident das Leben unserer Gruppe bestimmte, sondern der durch seine einfach angeborene Giite und Liebenswiirdigkeit und einen nie versiegenden Humor in allen schwierigen Lagen das notige Gleichgewicht herzustellen verstand. Der jugendliche 66jah­rige lieB es sich nicht nehmen, noch vor dem Friihstiick regeimaBig seinen Friihsport zu absolvieren, der sich gelegentlich bis auf zehn Kilometer Dauer­lauf ausdehnte. Wenn er dann frisch und ohne Zeichen von Ermiidung beim gemeins,lmen Friihstiick er,chien, konnte der '1'.11' nur mit friihlichen Gesich­tern beginnen, l23, S. 48]

Urn der bedruckenden Langeweile zu begegnen, wurde regel­maf3ig Sport getrieben und zweimal wochendich ein wissen­schaftliches Kolloquium durchgefiihrt. An manchen Abenden spielte Heisenberg auf dem Flugel Beethoven-Sonaten, und Hahn bestritt mit zahllosen "Cocktales" [wortliche Dberset­zung: Hahns Marchen] die U nterhaltung. Am Abend des 6. August 1945 wurde den deutschen Atomfor­schern die schockierende Nachricht vom Abwurf einer ameri-

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kanischen Uranium-Spaltungsbombe auf die japanische Hafen­stadt Hiroshima iibermittelt. Die Auswirkungen waren ver­heerend .. Bis zum Jahre 1980 starben iiber 190000 Menschen an den unmittelbaren Folgen der gewaltigen Explosion. 76000 Ge­baude wurden total zerstort. Drd Tage spater, am 9. August wiederholte sich das atom are Inferno. Eine amerikanische Plu­toniumbombe vernichtete die 300 km siidwestlich von Hiro­shima entfernt gelegene Stadt Nagasaki vollkommen. Hier waren bis 1980 mehr als 120000 Opfer zu beklagen. In jenen Augusttagen durchlebte Otto Hahn eine schwere psy­chische Krise. Zutiefst erschiittert, fiihlte er sich mitschuldig am grauenvollen Tod Hunderttausender. Die Entdeckung der Kernspaltung hatte den Bau von Atombomben ermoglicht. In seiner Autobiographie berichtete er:

Ich weigerte mich zunachst, diese Meldung 2U glauben, muBte mich aber schlieBlich doch davon iiberzeugen, daB eine amtliche Nachricht des Prasi­denten der Vereinigten Staaten vorlag. Ich war unsagbar erschrocken und niedergeschlagen; der Gedanke an das groBe Elend unzahliger unschuldiger Frauen und Kinder war fast unertraglich. [2, S. 173]

Seine Kollegen fiirchteten in diesen Tagen ernsthaft urn sein Leben. Erst allmahlich gelang es Max von Laue, in langen Ge­sprachen beruhigend auf Otto Hahn dnzuwirken. Seine Argu­mente waren iiberzeugend. Die Kernspaltung ware friiher oder spater ohnehin entdeckt worden. Die Erkenntnis, "nicht eine Entdeckung ist gut oder bose, sondern das, was Menschen daraus

12 Die von einer amerikanischen Kernspaltungsbombe am 6. August 1945 verwiistete japanische Stadt Hiroshima

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machen", [18, S. 3511 wie Fritz Stra[)mann spater sagte, ver­mochte Hahn ein gewisser Trost zu sein. Durch Hiroshima und Nagasaki reifte in ihm der EntschluB, kiinftig gegen jeden MiB­brauch der Kernspaltungsenergie Zu wirken. Wahrend der Internierung wurde von den Wissenschaftlern oft die Frage aufgeworfen, wie es zur Entwicklung der ameri­kanischen Atombomben kommen konnte. Den in Hitlerdeutsch­land arbeitenden Forschern waren die gewaltigen Anstrengun­gen wr Atombombenherstellung in den USA im Rahmen des sogenannten "Manhatten-Projektes" verborgen geblieben. Den AnstoB hierzu hatte im Sommer 1939 ein Brief Albert Einsteins an den amerikanischen Prasidenten Franklin D. Roosevelt ge­geben. Auf Drangen der beiden aus Deutschland emigrierten ungarischen Physiker Leo Szilard und Eugen Wigner ermun­terte der Wissenschaftler dadn die amedkanische Regierung, durch entscheidende Schritte der Gefahr einer Atombombe in den Handen der Hitlerfaschisten zu begegnen. 1m Jahre 1952 auBerte der iiberzeugte Kriegsgegner und Humanist auf die Frage einer japanischen Zeitschriftenredaktion, was ihn zu die­sem Schritt veranlaBt habe:

Meine Beteiligung hei der Erzeugung der Atombomhe bestand in ciner cinzi­gen Handlung: Ieh unterzeichnetc einen Brief an Priisident Roosevelt, in dem die Notwendigkeit betont wurde, Experimente im Grollen anzustcllen zur Untersuchung der Miiglichkeit der Herstellung ciner Atombombe. Ieh war Illir der furchtbaren Gcfahr wohl hewullt, welche das Gclingen dieses Unter­nehmens Elir die Menschheit hedeutete. Aber die Wahrscheinlichkeit, da!) die Deutschen an demsclben Problem mit Aussichten auf Erfolg arbeiten durften, hat mich zu diesel11 Schritt gezwungen. Es blieb mir nichts anderes ubrig, obwohl ich stets ein Liberzeugter Pazifist gewesen bin. Toten im Kriege ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewohnlicher Mord. [21, S. 95]

Unter der militarischen Gesamtleitung von General Leslie R. Groves begannen 1942 in den USA fieberhaft Arbeiten zum Aufbau gewaltiger Industrieanlagen. Etwa 180000 Personen, vom Nobe1preistrager bis zum einfachen Arbeiter, wurden in den Dienst des Projektes gestellt. Die wissenschaftliche Lei­tung lag in den Handen von Robert Oppenheimer. Nahezu aIle verfiigbaren Fachleute der Alliierten, unter ihnen auch En­rico Fermi, beteiligten sich an der Herstellung der nuklearen Massenvernichtungswaffe. Die Arbeiten fiihrten zum ersehnten Erfolg. Am 16. Juli 1945 detonierte iiber der Luftwaffenbasis

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Alamogordo in der Wiiste von New Mexico die erste Ver­suchsbombe. Die technische V orbereitung der atomaren Ver­nichtung von Hiroshima und Nagasaki, fUr Fermi "schone Phy­sik", hatte zwei Milliarden Dollar verschlungen. Eine groJ3e Zahl der an der Atomwaffenherstellung beteilig­ten Wissenschaftler beschwor in einem von J ame.s Franck angeregten und heute im allgemeinen als "Franck-Report" be­zeichneten Memorandum die amerikanische Regierung ein­dringlich, auf den militarischen Einsatz der Bomben Zu ver­zichten. Die Wirkung konne auch demonstriert werden, ohne Menschenleben zu opfern. Albert Einstein warnte den Prasi­denten auf brieflichem Wege. AIle Bemiihungen waren verge­bens. Harry S. Truman, Nachfolger des plotzlich verstorbenen Prasidenten Roosevelt, war fest entschlossen, die Bomben ohne Vorwarnung auf zwei dichtbesiedelte japanische Stadte abzu­werfen. Niichtern denkende Politiker und Wissenschaftler erkann­ten unschwer die wahren Ziele der amerikanischen Atomwaffen­strategie. Noch vor Beendigung des zweiten Weltkrieges soUte der verbiindeten Sowjetunion durch em abschreckendes Bei­spiel die militarische Macht der USA als wirksames Mittel kiinf­tiger Erpressungsversuche demonstriert werden. Noch wlihrend der Internierung der Wissenschaftler verbreite­ten verschiedene Gazetten unsinnige Geriichte iiber eine angeb­Hche Atombombenentwicklung im Dritten Reich. Auf der da­nischen Ostseeinsel Bornholm waren deutsche Atombomben­fabriken errichtet worden. Andere Meldungen besagten, Lise Meitner habe aus Deutschland fliehen miissen, wei! Otto Hahn ein "wiitender Nazi" gewesen sei. Von ihr ware das Geheimnis der AtombombenhersteUung an die Amerikaner verraten wor­den. Diese undlihnliche Legenden waren [rei erfunden. Von den Alliierten wurde jedoch die Frage aufgeworfen, warum nicht auch in Hitlerdeutschland mit dem Bau von Kernwaffen be­gonnen wurde. Dazu auJ3erte sich Werner Heisenberg klar und unmillverstandlich:

Die einfachste Antwort, die man auf diese Frage geben kann, lautet: well dieses Unternehmen wahrend des Krieges nicht mehr gelingen konnte. Es konnte schon aus technischen Grunden nicht gelingen, denn selbst in Amerika, mit seinen viel grofieren Reserven an Wissenschaftlern, Technikern und Industrie­potential und einer ohne Feindeinwirkung arbeitenden Wirtschaft, ist die

5 Stolz, Hahn 65

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Bombe ja erst nach dem Ende des Krieges mit Deutschland fertig geworden. Es konnte insbesondere wegen der deutschen Kriegslage nicht gelingen. 1942 war die deutsche Wirtschaft schon aufs iiuBerste angespannt; die deutschen Armeen hatten im Winter 1941/42 in RuBiand schwere Niederlagen erlitten, die feindliche Luftiiberlegenheit begann sich bemerkbar zu machen. Man hiitte weder der unmittelbaren Riistungsproduktion die Menschen und Materialien entziehen, Doch die erforderlichen riesigen Fabriken vor Luftangriffen hin­reichend schiitzen konnen. SchlieBlich konnte, und das ist ein sear wichtiger Punkt, das Unternehmen gar nicht begonnen werden, wegen der psychologi­schen Voraussetzungen bei der Flihrung. [21, S. 141]

Otto Hahn bekannte immer wieder, er sei dankbar und gluck­lich, daB es keine deutsche Atomwaffenentwicklung gegeben habe. Noch wahrend des Aufenthaltes in Farmhall erreichte ibn die Nachricht von der Verleihung des Nobelpreises fUr Chemie des Jahres 1944. Diese Absicht des Nobelkomitees war Hahn uber diplomatische Kanrue schon ein Jahr zuvor an­gedeutet worden. Damals hatten die Nazis jedoch gefordert, die Annahme der hohen Auszeichnung strikt abzulehnen, wenn es zu einer Preisverleihung kommen soUte. Nun konnte Otto Hahn zwar mitteilen, daB er den Preis annehme, aber leider "verhindert" sei, personlich an der Feier im Dezember 1945 in Stockholm teilzunehmen. Eine Reise nach Schweden gestatte­ten die Alliierten vorliiufig nicht. Durch die Vergabe des Nobelpreises wurden ausschlieGlich Hahns wissenschaftlicheLeistungen, insbesondere die Entdeckung der Kernspaltung gewurdigt, denn 1944 waren weder friedliche Anwendungen noch der militiirische MiGbrauch der Kernener­gie bekannt. In die Zeit der Internierung fiel noch ein wei teres bedeutsames Ereignis. Max Planck teilte mit, daB Otto Hahn nach einer Um­frage bei den Direktoren der Kaiser-Wilhelm-Institute als neuer Priisident der Kaiser-Wilhelm-GeseUschaft vorgesehen sei. Zo­gernd willigte Hahn ein, dieses schwierige, aber fur den Wieder­aufbau der Wissenschaft wichtige Amt anzunehmen. Am 3. Januar 1946 ging der Zwangsaufenthalt der deutschen Wissenschaftler in England zu Ende. Es wurde entschieden, daB sich Otto Hahn in der wenig zerstorten Universitiitsstadt Gottingen niederlassen soUte.

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Nach dem zweiten Weltkrieg

Aufbau dec Max-Planck-Gesellschaft

Auf Wunsch von Max Planck iibernahm Otto Hahn im Alter von 67 Jahren am 1. April 1946 die Leitung der de facto nicht mehr bestehenden Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Ais Gelehrter von Weltruf mit untadeliger politischer Vergangenheit schien er fUr das Amt des Prasidenten besonders geeignet. GroBe Schwie­rigkeiten tiirmten sich vor ihm auf. Dem Potsdamer Abkom­men gemaB war vom Allilerten Kontrollrat 1945 die Auflosung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft verfiigt worden, denn zahl­reiche Einrichtungen der Gesellschaft hatten dem deutschen Faschismus naturwissenschaftlich-technische und ideologische Unterstiitzung bei der Durchfiihrung der verbrecherischen Rii­stungs- und Rassenpolitik gewiihrt. Die Besatzungsmachte in den westlichen Zonen unternahmen jedoch keine Anstrengun­gen, der Wissenschaft freie und friedliche Entwicklungsmoglich­keiten zu bahnen. So blieben die deutschen Gelehrten ihrem Schicksal weitgehend allein iiberlassen. Verstandlichcrweise regten sich unter diesen Bedingungen nahmhafte Wissenschaft­ler, um die alten Institute und die progressiven wissenschaft­lichen Traditionen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in eine bes­sere Zukunft hiniiberzuretten. Nach harten, oft entmutigenden Verhandlungen gelang es Otto Hahn 1946, zunachst der bri­tischen Administration die Zustimmung zur Neugriindung der Gesellschaft in der von ihr verwalteten Besatzungszone abzu­ringen. Mit voller Berechtigung wurde aber eine Anderung des alten Namens gefordert. Max Planck erklarte sein Einverstand­nis, daB die Gesellschaft kiinftig die neue Bezeichnung "Max­Planck-Gesellschaft zur Forderung der Wissenschaften" tra­gen diirfe. 1m Dezember 1946 konnte Otto Hahn endlich mit seiner Frau in Begleitung eines englischen Offiziers zur Entgegennahme des Nobelpreises nach Schweden reisen. Nach der Ankunft in Stock­holm gab es ein Wiedersehn mit Lise Meitner. Eine kieine Ver­stimmung ebbte rasch abo Hahn schrieb riickblickend:

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1m vornehmen .. Savoy" waren wir vorziiglich untergebracht und aBen mit unseren Freunden nach langer Zeit einmal wieder friedensmiBig zu Abend. Zuvor hatte ich aber noch eine recht ungluckliche Unterhaltung mit Lise Meitner, die meinte, ich hitte sie damals nicht aus Deutschland fortschicken durfen. Dieser MiBklang war wohl auf eine gewisse Enttiiuschung zuriick­zufiihren, daB ich den Preis aUein bekommen hatte. Dariiber habe ich mit Lise Meitner zwar nicht gesprochen, wohl aber gaben es mir einige ihrer Bekann­ten auf eine wenig freundliche Weise zu verstehen. An dieser Entwicklung war ich aber damals wirklich unschuldig gewesen; ich hatte doch nur das Wahl meiner geschitzten KoUegin im Auge gehabt, als ich ihre Emigration vorberei­tete. [2, S. 206]

Es war eine objektive Entscheidung des Nobelkomitees, un­mittelbar nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, ungeachtet der Verbrechen der Hitlerfaschisten, einen deutschen Gelehrten fur seine bahnbrechende Entdeckung durch die Verleihung des Preises zu ehren. Leider wurden Lise Meitner und Fritz Straf)­mann nicht in den Nobelpreis einbezogen. Seinen Nobelvor­trag zum Thema "Von den naturlichen Umwandlungen des Urans zu seiner kunstlichen Zerspaltung" schloG Otto Hahn mit mahnenden Worten, die bis heute an Aktualitat nichts ein­gebii6t haben:

Die Energie kernphysikalischer Reaktionen ist in die Hand der Menschen ge­geben. Soli sie ausgeniitzt werden fur die Farderung Freier wissenschaftlicher Erkenntnis, 80zialen Aufbau und Erleichterung der Lebensbedingungen des Men,chen oder soil sie mil\hraucht werden zlir Zerstiirung <lessen, was die ~lcnschen in Jahrtausel1llen geschaffen luhen? Die Antwort sollte nicht schwcrLlllen und winl wuhl allch von den Wissenschaftlern d"r ganl"n Wdt im Sinnc der ers[cren Moglichk"it gcwi.inscht.ll1, S. 75)

In Stockholm bot sich fur Hahn auch die Gelegenheit, auf groBen Pressekonferenzen nachdruckiich den noch immer kursierenden Geruchten uber seine angebliche Betei1igung an der Atombom­benherstellung oder vom Verrat geheimer Forschungsergebnisse an die Amerikaner entgegenzutreten. In humorvoller Art gab er

seiner Freude daruber Ausdruck, daB die Pforten der internationalen Wissen­schaft schon wieder weit geaffnet seien, da er, laut Pressemeldungen, nicht nur in seinem Gattinger Wirkungskreis, sondern gleichzeitig in der Schweiz ge­wesen, aus Deutschland emigriert, in Tennessee gesehen und nach Moskau entfiihrt worden sei ••• [3, S. 244]

Nach der Ruckkehr aus Schweden setzte sich Otto Hahn mit seiner ganzen Kraft fur die volle Anerkennung der Max-Planck-

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Gesellschaft ein. Die Verhandlungen mit den Besatzungsmach­ten verliefen schlieBlich erfolgreich. Die Max-Planck-Gesell­schaft durfte 1948 auch in der amerikanischen und der franzo­sischen Zone aufgebaut werden. Die Idealvorstellung von einer vollig freien und unabhangigen Forschung sollte slch jedoch in der neuen Wissenschaftsorganisation ebensowenig wie in ibrer Vorgangerin erfiillen. Die umfangreichen Verwaltungsarbeiten und Reprasentations­pflichten forderten Hahns vollen Einsatz. Sein einfacher und anspruchsloser Lebensstil veranderte sich dadurch nicht. Auch als Prasident einer immer groBer werdenden wissenschaftlichen Gesellschaft pflegte er das Mittagessen in einer einfachen Mensa einzunehmen. In der knapp bemessenen Freizeit waren ibm aus~ gedehnte Touren im Mitte1gebirge ein nie versiegender Kraft­quell. Die starke Beanspruchung durch das Prasidentenamt erlaubte es ibm leider nicht mehr, eigene Forschungsarbeiten auf­zunehmen. Regen Anteil nahm er aber an der Weiterentwick­lung seines eigenen Fachgebietes, der Radiochemie. Zahlreiche Aufsiitze, Vortrage und Interviews widmete er dem Ziel, natur­wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Erkenntnisse brei­testen Kreisen nahezubringen. 1m Dezember 1948 richtete Otto Hahn an Albert Einstein die Bitte, der neu entstandenen Max-Planck-Gesellschaft als Aus­wartiges Wissenschaftliches Mitglied beizutreten. Einstein hatte sich aber von "den Deutschen" abgewandt. Auch mit einer deut­schen wissenschaftlichen Gesdlschaft wollte er nichts Zu tun haben. Angesichts der faschistischen Gewaltverbrechen an den Juden vermochtc; er die ungerechtfertigte Ansicht der Verdam­mung des gesamten deutschen Volkes nicht mehr zu iiberwin­den. Obwohl er Otto Hahn als kompromiBlosen Gegner des Naziregimes hoch schlitzte, lehnte er das Angebot mit einem klaren "Nein" abo Sein Antwortbrief ist von dokumentarischem Wert.

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Lieber Herr Hahn:

Ich empfinde es schmerzlich, daG ich gerade Ihnen, d. h. einem der Wenigen, die aufrecht geblieben sind und ihr Bestes taten wahrend dieser basen Jahre, eine Absage senden muG. Aber es geht nicht anders. Die Verbrechen der Deutschen sind wirklich das Abscheulichste, was die Geschiehte der sogenannten zivilisierten Nationen auf­zuweisen hat. Die Haltung der deutschen Intellektuellen - als Klasse betrach­tet - war nicht besser als die des pabels. Nieht einmal Reue und ein ehrlicher Wille zeigt sieh, das Wenige wieder gut zu machen, was nach dem riesenhaften Morden noch gut zu machen ware. Unter diegen Umstanden fuble ieh eine unwiderstehliche Aversion dagegen, an irgend einer Sache beteiligt zu sein, die ein Stuck des deutschen affentlichen Lebens verkarpert, einfach aus Rein­lichkeitsbedurfnis. Sie werden es schon verstehen und w1ssen, daG dies nichts zu tun hat mit den Beziehungen zwischen uns Beiden, die fur mieh stets erfreulich gewesen sind. Ich sende Ihnen meine herzlichen GruGe und Wunsche fUr fruchtbare und frohe Arbeit.

Ihr Albert Einstein.

[16, S. 119]

Nach Griindung der Max-Planck-Gesellschaft bereitete die Fi­nanzierung der Forschung bald ernste Sorgen. Wieder versuchte Hahn in zahen :8eratungen mit verschiedenen Grernien der west­deutschen Offentlichkeit die Hindernisse zu iiberwinden. Eine starke Abhangigkeit von privaten und staatlichen Geldgebern blieb dabei nicht aus. 1m Oktober 1950 konnten die neuen Sta­tuten auf der Hauptversammlung der Gesellschaft verabschiedet werden. Otto Hahn vermochte es jedoch als Prasident der neu­formierten Wissenschaftsgesellschaft nicht, dem zunehmenden Einflu6 der wiedererstarkten alten Krafte Einhalt zu gebieten. Zwar wurde die Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft in erster Linie yom Bonner Staat getragen, aber in den wichtigen beschlu6fassenden Organen, Senat und Verwaltungsrat, wach­ten wie ehedem wieder die Vertreter der groBen Konzerne, Banken und Aktiengesellschaften iiber eine ihren Interessen ent­sprechende Wissenschaftsentwicklung. Auch im privaten Leben Otto Hahns stellten sich mancherlei Schwierigkeiten ein. Seine Frau Edith muGte des Ofteren zur Be­handlung in eine Klinik eingewiesen werden, und auch er selbst

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13 Otto Hahn im Gespriich mit dem Physiker Professor Dr. Max Steen­beck (1958)

erkrankte mehrmals. Dank seiner eisernen Energie und eines nie versiegenden Humors lief) er sich nicht unterkriegen. Am Abend des 24. Oktober 1951 iiberstand er einen Attentat­versuch, der gliicklicherweise ohne schwerwiegende Folgen blieb. Ein geistesgestorter "Erfinder", dessen vermeintliche Lei­stung keine Anerkennung fand, hatte ihn vor der Wohnungstiir hinterriicks mit einem Viehtotungsapparat angeschossen. Hu­morvoll schrieb er seinem Freund Walther Gerlach:

Wenn der mich doch mit einem Revolver oder einem Degen ermordet hatte­aber so mit einer Schweinepistole mich abzuschiefien! [3, S. 244]

Otto Hahn leitete die Max-Planck-Gesellschaft mit unermiid­lichem Arbeitseifer bis zu seinem einundachtzigsten Lebens­jahr. Am 19. Mai 1960 trat er die Prasidentschaft an den Bio­chemiker und Nobelpreistrager Professor Adolf Butenandt abo Ais Ehrenprasident schenkte er aber auch weiterhin der Ent­wicklung der Gesellschaft rege Aufmerksamkeit. Lise Meitner setzte nach dem Krieg in Schweden ihre wissen­schaftlichen Arbeiten fort. Die Aufklarung vieler Kernreaktio­nen mit Neutronen ist ihrem unentwegten Forscherdrang zu

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14 Otto Hahn und Fritz StraBmann am Experimentiertisch aus dem Jahre 1938 im Deutschen Museum, Miinchen (1962)

verdanken. In einer ihrer letzten gro6eren Untersuchungen fand sie auf der Grundlage des Schalenmodells der Atomkerne eine interessante Erklarungsmoglichkeit fUr die unsymmetrische Massenverteilung der Spaltprodukte bei der Kernspaltung. Viele Reisen in den Nachkriegsjahren fiihrten sie in die alte Heimat nach Wien. Als begeisterte und ausdauernde Wander in hielt sie sich gern in den osterreichischen Bergen auf. Das Angebot, die Leitung des Otto-Hahn-Instituts in Mainz. der Nachfolgeeinrichtung des Kaiser-Wilhelm-Instituts fiir Che­mie, zu iibernehmen, lehnte sie abo Die Beweggriinde fiir diese Entscheidung teilte sie Otto Hahn in einem Brief yom 6. Juni 1948 mit:

. .• Jedenfalls glaube ich, daB ich nicht die Stelle in Mainz iibernehmen kann. Ich habe wenig Angst vor den ungiinstigen Lebensverhaltnissen, aber sehr erhebliche Bedenken gegeniiber der geistigen Mentalitat. Allem. wo ich etwa auBerhalb der Physik anderer Meinung sein wiirde als die Mitarbeiter. wiirde sicher mit den Worten begegnet werden: Sie versteht natiirlich die deutschen Verhaltnisse nicht. wei! sie Osterreicherin ist oder wei! sie jiidischer Abstam­mung ist. Ich habe dieseBedenken auch StraBmanngegeniiber betont. und er hat nur mit der Wiederholung seiner Behauptung geantwortet. wie notwendig ich fiir das Institut ware. Er hat also meine Bedenken nicht zu widerlegen gewagt.

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Das bedeutet, daB ich nicht mit dem Vertrauen der jiingeren Mitarbeiter rech­nen konnte, das ich einmal besessen habe und das meiner Meinung nach immer - und heute noch besonders - die wichtigste Grundlage fiir eine gute Zusam­menarbeit ist ••• Es wiirde ein ahnlicher Kampf werden, wie ich ihn in den Jahren 33-38 mit sehr wenig Erfolg gefiihrt habe - und heute ist mir sehr klar, daB ich ein groBes moralisches Unrecht begangen habe, daB ich nicht 33 weggegangen bin; denn letzten Endes habe ich durch mein Bleiben doch den Hitlerismus unterstiitzt. Dieses moralische Bedenken besteht ja heute nicht, aber meine personliche Situation wiirde bei der allgemeinen Mentalitat nicht sehr verschieden von der damaligen sein und ich wiirde nicht wirklich <las Vcrtraucn meincr Mitarhcitcr hahcn und daher nicht w"klich von Nutzcn scin klinllcn ... [311, S. H7,)]

Mit beklemmenden Gefiihlen besuchte Lise Meitner auch ihre einstige Wirkungsstatte. Gemeinsam mit Otto Hahn wohnte sie am 14. Marz 1959 der Einweihung des "Hahn-Meitner-In­stituts fiir Kernforschung" in Westberlin beL

Gegen den Mi8brauch der Kernenergie

In klarer Erkenntnis ihrer moralischen Verantwortung als Wis­senschafder setzten sich Otto Hahn und Lise Meitner nach dem zweiten Weltkrieg engagiert fiir die friedliche Nutzung der Kernenergie dn. Zugleich fiihlten sie sich verpflichtet, alles in ihren Kraften stehende zu unternelimen, urn die durch die Kern­waffenentwicklung fUr die Menschheit heraufbeschworenen Gefahren zu bannen. Eindringlich warn ten sie immer wieder vor dem Wahnsinn eines nuklearen Krieges. Ais 1949 bekannt wurde, da£ auch die Sowjetunion iiber die Atombombe ver­fiige und das Kernwaffenmonopol der USA gebrochen sei, au~erte Otto Hahn spontan: "Das ist cine gute Nachricht. Jetzt \Vird es keinco Krieg gebco!" [43, S. 260] Das besorgniserregende Wettriisten und die Politik des kalten Krieges fiihrten jedoch zu einer weiteren Verscharfung der Spannung zwischen den Militarblocken. Durch die Weiterent­wicklung der "gewohnlichen" Atombombe zur Wasserstoff­und Kobaltbombe wurde die Zerstorungskraft der Kernwaffen in teuflischer Weise gesteigert. Die humanistischen Wissen­schafder durften die Offentlichkeit iiber die ungeheure Bedro­hung der Menschheit nicht langer im unklaren lassen. Otto Hahn fiihlte sich verpflichtet zu handeln. Mit aller Deudichkeit

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mu6ten die friedliche und humanistische Nutzung der Ergeb­nisse der Kernforschung und die Gefahrdung der Menschen durch den Mi6brauch der Wissenschaft dargelegt werden. Mit der kleinen Broschiire "Kobalt 60 - Gefahr oder Segen fiir die Menschheit" wurde der erste gro6ere Schritt zur Aufklarung der breiteren Offentlichkeit vollzogen. Am 13. Februar 1955 sprach Hahn im Nordwestdeutschen Rundfunk zum gleichen Thema. Kurz darauf verlas er den Beitrag in englischer Sprache bei der BBC London. Der Vortrag fand starken Widerhall. Mehrere Zeitungen verOffentlichten den Text. Otto Hahns Be­kenntnis fiir Frieden und atomare Abrustung loste in aller Welt ein lebhaftes Echo aus. Der Prasident des Weltfriedensrates, sein franzosischer Kollege Professor Frederic Joliot-Curie, be­kundete in einem Schreiben vom 2.3.1955 seine uneingeschrankte Zustimmung:

Einmal mehr haben Sie den Mut bewiesen, den aile Wissenschaftler auf der Hohe ihrer Mission zeigen sollten. Es scheint mir, daB wir jetzt in wichtigen Punkten iibereinstimmen. [4, S. 248]

Otto Grotewohl, der Ministerprasident der Deutschen Demokra­tischen Republik, fiihrte auf einer Kundgebung in Berlin aus:

Professor Otto Hahn erfiillte eine echte innere VerpfIichtung als Mensch und Wissenschaftler, als er am 13. Februar in einem Rundfunkvortrag die Mensch-

15 Otto Hahn und Lise Meitner beim Treffen der Nobe1preistrager in Lin­dau (1962)

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he it vor der Anwendung der Atomwaffe warnte und sie gleichzeitig auf die segensreichen Moglichkeiten zur friedlichen Ausnutzung der Atomenergie hinwies. [4, S. 248]

Die Hauptaufgabe bestand nun darin, die Wirkung dieses ersten Offentlichen Appells nicht abklingen zu lassen. Otto Hahn regte daher an, auf der Lindauer Nobelpreistragertagung eine gemein­same Erklarung zu verOffentlichen. Das unter der Bezeichnung "Mainauer Kundgebung" weltweit bekannt gewordene Mani­fest wurde am 16. Juli 1955 der Pre sse iibergeben. 1m Verlauf eines Jahres erklarten sich nicht weniger als 52 Nobelpreistrager, die Hahn um Unterschrift ersucht hatte, mit Inhalt und Ziel des Dokuments einverstanden. Der Aufruf lautet:

Mainauer Kundgebung der Nobelpreistrager vom 15. Juli 1955 Wir, die Unterzeichneten, sind Naturforscher aus verschiedenen Liindern, ver­schiedener Rasse, verschiedenen Glaubens, verschiedener politischer Dber­zeugung. AuBerlich verbindet uns nur der Nobelpreis, den wit haben entgegen­nehmen diirfen. Mit Freuden haben wir unser Leben in den Dienst der Wissenschaft gestellt. Sie ist, so glauben wir, ein Weg zu einem gliicklicheren Leben der Menschen. Wir sehen mit Entsetzen, daB eben diese Wissenschaft der Menschheit Mittel in die Hand gibt, sich selbst zu zerstoren. Voller kriegerischer Einsatz der heute moglichen Waffen kann die Erde so sehr radioaktiv verseuchen, daB ganze Volker vernichtet werden. Dieser Tod kann die Neutralen ebenso treffen wie die Kriegsfiihrenden. Wenn ein Krieg zwischen den GroBmachten entstiinde, wer konnte garantieren, daB er sich nicht zu einem solchen todlichen Kampf entwickelte? So tuft eine Nation, die sich ad einen totalen Krieg einlillt, ihren eigenen Untergang herbei und gefahrdet die ganze Welt. Wir leugnen nicht, daB vielleicht heute der Friede gerade durch die Furcht vor diesen todlichen Waffen aufrechterhalten wird. Trotzdem halten wir es fiir eine Selbsttauschung, wenn Regierungen glauben sollten, sie konnten auf lange Zeit gerade durch die Angst vor diesen Waffen den Krieg vermeiden. Angst und Spannung haben so oft Krieg erzeugt. Ebenso scheint es uns eine Selbsttauschung, zu glauben, kleinere Konflikte konnten weiterhin stets durch die traditionellen Waffen entschieden werden. In auBerster Gefahr wird keine Nation sich den Gebrauch irgendeiner Waffe versagen, die die wissenschaft­liche Technik erzeugen kann. AIle Nationen miissen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhoren, zu existieren.

Kurt Adler, Koln Max Born, Bad Pyrmont

Richard Kuhn, Heidelberg Fritz Lipmann, Boston

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Adolf Butenandt, Tubingen Arthur H. Compton, Saint Louis Gerhard Domagk, Wuppertal H. K. von Euler-Che1pin, Stockholm Otto Hahn, Gottingen Werner Heisenberg, Gottingen Georg v. Hevesy, Stockholm

H. J. Muller, Bloomington Paul Hermann Muller, Basel Leopold Ruzicka, Zurich Frederick Soddy, Brighton W. M. Stanley, Berkeley Hermann Staudinger, Freiburg Hideki Yukawa, Kyoto

[3, S. 217]

Der Appell fand in der gesamten friedliebenden Welt Gehor_ Abertausende Wissenschaftler wurden sich ihrer gesellschaft­lichen Verantwortung immer starker bewuBt. Vnter den fiihren­den deutschen Atomforschern herrschte bald Einigkeit dariiber, daB dem allgemein gehaltenen Manifest fiir den Frieden und gegen den MiGbrauch der Wissenschaft gezielte Aktionen fol­gen sollten. Die politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland gab hierfiir den konkreten AnlaB. Der Kurs der Regierung unter Konrad Adenauer war unverhohlen auf eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr ausgerichtet. Absicht-

16 Nobe1preistrager in Lindau (1964). Von links nach rechts: Max Born, Otto Hahn, Werner Heisenberg, Linus Pauling

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lich wurden zur Beschwichtigung der Offentlichen Meinung die damit verbundenen realen Gefahren bagatellisiert. Werner Heisenberg berichtete: Dann abet hatte Adenauet in einet offentlichen Rede davon gesptOchen, daB Atomwa£fen im Grunde nut eine Verbesserung und Vets tar kung der Attillerie dustellten, daB es sich gegeniiber der konventionellen Bewa£fnung also nur um einen Gradunterschied handelte. Eine solche Darstellung schlen uns das MaB des Ertraglichen weit zu iiberschreiten. Denn sie muBte fast zwangslliufig dl:r dl:uttichl:n Ikviilkl:rung dn vollig fabchl:s Bild von dl:r Wirkung der Atom­waffen vcrmittcln. Wir flihltcn uns also verpflichtct zu handcln ... [13, S.3061

Carl Friedrich von Weizsacker entwarf den Text fur die Erkla­rung, die von den in der Gruppe "Kernphysik" zusammenge­schlossenen Gottinger Wissenschaftlern, unter ihnen Otto Hahn, Fritz StraBmann, Werner Heisenberg, Max von Laue und Max Born, unterschrieben wurde. In dieser we1tberuhmten .. Erkla­rung der 18 Atomwissenschaftler" vom 12. April 1957 wurde nicht nur mit aller Deutlichkeit die verheerende Wirkung von Kernwaffen jeglichen Typs dargestellt, sondeen auBerdem feier­lich versichert, daB keiner der Unterzeichnenden bereit sei, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atom­waffen in irgendeiner Weise zu beteiligen. Zugleich erklarten die Wissenschaftler ihre Bereitschaft, die friedliche Anwendung der Kernenergie mit allen Mitte1n zu fordern. Die mutige und entschlossene Aktion der "Go~tinger Achtzehn" muBte zwangslaufig zu einem heftigen ZusammenstoB mit der Bundesregierung fiihren. In besonders ausfiUliger Weise rea­gierte der Verteidigungsminister Franz Josef StrauB. Seine De­vise lautete: Die Bundeswehr konne "den Russen nicht mit Pfeil und Bogen gegenuberstehen". [2, S. 231] Ais maBgeblicher Verfechter der Wiederaufrustung beharrte er starrsinnig darauf, Kernwaffen auf dem Territorium der Bundes­republik zu lagern. Wabrend einer Besprechung im Bundes­kanzleramt kritisierte der Minister Otto Hahn mit sch-arfen Worten. Aus dem "Triumphgeschrei der Kommunisten" ware "Wohl am besten zu ersehen, was angestellt worden sei. Se1bst vor personlichen Be1eidigungen schreckte StrauB nicht zuruck. Erregt bezeichnete er im Bonner Presseklub Otto Hahn als einen "alten Trotte1, der die Trlinen oicht halten und nachts nicht schlafen kann, wenn er an Hiroshima denkt". [3, S. 253]

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Hahn und seine Kollegen lieGen sich davon nicht beeindrucken. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen der Bundesregie­rung und den Kernforschern wurde eine gemeinsame Presse­erklarung abgegeben. Die Wissenschaftler waren unbeirrbar ihrem Standpunkt treu geblieben. Selbst im hohen Alter wurde Otto Hahn nicht miide, jede Gele­genheit zu nutzen, urn auf die Gefahr der physischen Vernich­tung der Menschheit durch den MiGbrauch der Wissenschaften hinzuweisen. Lebhaft stimmte er daher dem im August 1963 in Moskau unterzeichneten Abkommen liber den Stop der Atom­bombenversuche zu. In einem Interview mit der tschechoslowakischen Nachrichten­agentur CTK, das am 5.8.1963 auch von der Tageszeitung "Neues Deutschland" veroffentlicht wurde, auGerte Hahn:

Ich betrachte jedes Gesprach, das zu einer wirklichen Entspannung fiihren kann, als wiinschenswert. Deshalb begriiBe ich warms tens die Einstellung der Kernwaffenversuche in der Atmosphare, im Kosmos und unter Wasser. Es ist bewiesen, daB die standig wachsende Zahl solcher Tests auch die Radioaktivi­tat der Luft und des Wassers anwachsen lassen. Ebenso bekannt ist die Tat­sache, daB davon ein ungiinstiger EinfluB auf die menschliche Gesundheit ausgeht, der sogar zu ernsten erblichen Schaden fiihren kann. Ich betrachte jeden Schritt zur Verhiitung dessen als etwas Gutes. [4, S. 321]

Otto Hahn, Lise Meitner und viele ihrer humanistisch gesinn­ten Kollegen trugen dazu bei, den Frieden zu sichern. Sie erkannten nicht nur, daG durch den MiGbrauch der Naturwissen­schaften Gefahren fur die Menschheit heraufbeschworen wer­den, sondern wiesen Wege, diese Gefahren zu bannen. Ihr Wir­ken hat die alte Frage nach der moralischen Verantwortung des Wissenschaftlers erneut in ihrer ganzen Tragweite aufgewor­fen.

Ehrungen und Auszeichnungen

Die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen von Otto Hahn und Lise Meitner wurden durch eine sehr groGe Anzahl von Auszeichnungen und Ehrungen im In- und Ausland gewur­digt. Viele wissenschaftliche Akademien wahlten die beiden Gelehrten zu Mitgliedern, und zahlreiche Universitaten verlie-

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hen ihnen das Ehrendoktorat. Aus der Fi.ille der akademischen Ehrungen konnen hier nur einige hervorgehoben werden. Eine Ubersicht iiber die Mitgliedschaft in Wissenschaftlichen Akade­mien, die Ehrenpromotionen an Universitaten und Hochschu­len und die wichtigsten Auszeichnungen wird am Ende dieses Abschnitts gegeben. Gemeinsam wurden Otto Hahn und Lise Meitner mit der gol­denen Max-Planck-Medaille der Deutschen Physikalischen Ge­sellschaft in der Bundesrepublik geehrt. Die British Chemical Society verlieh Otto Hahn die Faraday-Medaille. Das Geburts­land Lise Meitners, die Republik Osterreich, wiirdigte die grofie Physikerin durch Uberreichung der hochsten wissenschaftlichen Auszeichnungen. 1m Jahre 1955 stifteten die Deutsche Chemische und die Deut­sche Physikalische Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutsch­land die mit einem Betrag von 25000,- DM verbundene Otto-

17 Otto Hahn gratuliert Lise Meitner zur Auszeichnung mit dem "Otto­Hahn-Preis fur Chemie und Physik" (1955)

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Hahn-Medaille. Sie wurde erstmals Lise Meitner und dem Che­miker Heinrich Wieland zuerkannt. Otto Hahn iiberreichte die hohe Auszeichnung seiner alten Kollegin personlich. Die Ur­kunde hatte folgenden Wortlaut:

Der Otto-Hahn-Preis feir Chernie lind Physik wird illl Jahre 19:;5, irn Jahre der Stiftung, an erster Stelle verliehen ,\11 Professor Dr. Lise ,'lcitner als· AlIs­zeichnung fur ihr Lchenswerk. Diese Auszeiehnung gilt gleiehermailen der Forseherin lind dern Menschen, zumal bei ihr heides u nliishar verhunden ist. Bei voller Wahrung ihrcr Sclhstiindigkeit hat sic cin ,'.lcnsehenalter hindureh in vorhildlicher geistiger Erganzung mit Otto Hahn gemeinsam die Lehre von der Radioaktivitiit miiehtig vorangetrichen. Sie hat naeh der Liisung dieser Verhindung dureh politisehen Druck als Erste die physikalisehe Deutung der Uranspaltung gegeben und auf den damit LU erziclenden Energiegewinn hin­gcwicscn. Dureh alles dies hat sic sieh einen dauernd en Platz in der Geschichte der Ph ysik und Chemie gcsichert.l26, S. SOl]

Nach der Oberreichung der Medaille meinte Otto Hahn mit einem Augenzwinkern zu Lise Meitner:

Nun, liebe Lise, ich gebe den Namen. aber Du kriegst das Geld. Jetzt kannst Du mich ja mal zu 'nem Bier einladenl [3, S. 245]

Am 8. Marz 1959 vollendete Otto Hahn in erstaunlicher korper­licher und geistiger Frische das 80. Lebensjahr. Neben zahlrei­chen Ehrungen iiberreichte ihm die Max-Planck-Gesellschaft die goldene Harnack-Medaille. Die Akademie der Wissenschaften der DDR verlieh ihrem langjlihrigen Mitglied ebenfalls die hochste Auszeichnung. Aus der Hand von Akademieprasident Werner Hartke erhielt der Jubilar die Helmholtz-Medaille, die zum letztenmal 1919 Wilhelm Conrad Rontgen empfangen hatte. Zwei Jahre vor dem Tode Otto Hahns und Lise Meitners sollte die Entdeckung der Kernspaltung noch eine spate Wiirdigung erfahren. 1m August 1966 erreichte die beiden Wissenschaftler die Nachricht, daB ihnen gemeinsam mit Fritz StraBmann von der USA-Atomenergiekommission eine der hOchsten amerika­nischen wissenschaftlichen Auszeichnungen, der Enrico-Fermi­Preis, zuerkannt worden sei. Leider war Lise Meitner alters­halber nicht mehr in der Lage, zur Entgegennahme der Aus-

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zeichnung in ihre Vaterstadt Wien zu relsen. An Otto Hahn schrieb sie die Zeilen:

Die Zuteilung des Enrico-Fermi-Preises an Dich, StraBmann und mich ist fur mich eine groBe Oberraschung. uber die ich mich fur Euch beide aufrichtig freue. Bei mir sind die Gefiihle etwas gemischter Art. Aber in gewisser Hin­sicht habe iell doeh alleh eint; Art Fr<:udt; darlihcr ... [38, S. 8'.10).

18 Fritz StraBmann (1976)

Trotz hoher und hochster Auszeichnungen und Ehrungen blie­ben Otto Hahn und Lise Meitner die bescheidenen und ein­fachen Menschen, die sie zeitlebens gewesen waren. Mehr als einmal versuchte Otto Hahn, neue Ehrungen und Offentliche Lobpreisungen mit den Worten: "ach, tun Sie mir nicht zuviel Ehre an, ich bin nur ein einfacher Chemiker" abzuschwachen.

6 Stolz. Hahn 81

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'Obersicht

OTTO HAHN

Mitgliedschaft in Wissenschaftlichen Ak4demien

Allahabad (Indien), Bangalore (Indien), Berlin (DDR), Boston (USA), Buka­rest, Gottingen, Halle, Helsinki, Kopenhagen, Lissabon, Madrid, Mainz, Miinchen, Rom (Vatikan), Stockholm, Wien

Ebrendoktorate

Universitit Cambridge (England), Technische Hochschule Dumstadt, Univer-8it~t Frankfurt/Main, Universitiit Gottingen (Dr. rer. nat. h. c. und Dr. med. h. c.), Technische Hochschule Stuttgart

AlIszeicbmmgen

Emil-Fischer-Medaille, Verein Deutscher Chemiker (BRD) Cannizzaro-Preis, Konigliche Romische Akademie der Wissenschaften Kopernikus-Preis, Universitit Konigsberg Cothenius-Medaille, Deutsche Akadernie der Naturforscher Leopoldina zu Halle Nobelpreis fiir Chemie 1944 Max-Planck-Medaille, Deutsche Physikalische Gesellschaft (BRD) Mitglied des Ordens Pour Ie merite - Ftiedensklasse (BRD) Goldene Paracelsus-Medaille, Schweizerische Chemische Gesellschaft Harnack-Medaille in Bronze und Gold, Max-Planck-Gesellschaft (BRD) Goethe-Medaille der Stadt Frankfurt/Main Gt06kreuz des Verdienstordens der BRD Faraday-Medaille, Britische Chemische Gesellschaft Helmholtz-Medaille, Akademie der Wissenschaften der DDR Enrico-Ferrni-Preis, USA-Atomenergiekommission Silberne Senckenberg-Medaille, Senckenbergische Naturforschende Gesell­schaft. Frankfurt/Main

LISE MEITNER

MitgJietiscbaft in Wissenscbaftlicben AWemien

Berlin (DDR), Goteborg, Gottingen, Halle, Kopenhagen, London, Oslo, Stockholm, Wien

Ebr'ndoktorate

Adelphi College, Universitit Rochester, Rutgers Universitit, Smith College, Universitit Stockholm

AliszeicbnllngelJ

Leibniz-Medaille, PreuBische Akadernie der Wissenschaften Berlin Lieben-Preis, Akademie der Wissenschaften Wien Ellen Richards Preis, USA

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Preis fur Wissenschaft und Kunst der Stadt Wien Max-Planck-Medaille, Deutsche Physikalische Gesellschaft (BRD) Otto-Hahn-Preis, Deutsche Physikalische Gesellschaft und Deutsche Chemi­sche Gesellschaft (BRD) Mitglied des Ordens Pour Ie merite - Friedenskiasse (BRD) Schlozer-Medaille, Universitat Giittingen Enrico-Fermi-Preis, USA-Atomenergiekommission

Die letzten Lebensjahre von Otto Hahn und Lise Meitner

Otto Hahn und Lise Mehner verfolgten auch nach Dberschrei­tung des 80. Lebensjahres die Entwicklung ihrer Wissenschaft mit wachem Interesse. Die Fortschritte bei der friedlichen An­wendung der Kernspaltung erfiillten sie mit Freude und Genug­tuung. In den Jahren 1954 und 1957 war der Traum von der Kernenergiegewinnung :tum Wohle des Menschen mit der In­betriebnahme des ersten Kernkraftwerks der Welt in Obninsk bei Moskau und dem Stapellauf des nuklear angetriebenen sowje­tischen Eisbrechers "Lenin" Wirklichkeit geworden. Viele Lan­der begannen mit dem Bau von Kernanlagen. Am 13. Juni 1964 konnte der Entdecker der Kernspaltung dem Stapellauf des ersten Nuklearfrachters der BRD, der "Otto Hahn", in Kiel personlich beiwohnen. Die USA stellten das mit einem Kernreaktor ausgestattete Handelsschiff "Savannah" in Dienst. Ais Ehrenprasident der Max-Planck-Gesellschaft wurden Otto Hahn manche Vergiinstigungen gewahrt. In seiner einfachen und bescheidenen Art machte er nur wenig davon Gebrauch. Meistens verzichtete er auf seinen vornehmen Dienstwagen und legte den Weg von der Wohnung zur alten Arbeitsstatte zu FuG zuriick. 1m Sommer 1960 traf ihn unvermittelt ein schwe­rer Schicksalsschlag. Auf einer Autofahrt durch Frankreich verungliickten sein einziger Sohn Hanno und seine Schwieger­tochter todlich. Hahn legte alle Amter nieder. Mit bewunderns­werter Fassung verbarg er den tiefen Schmerz. Er gab nicht auf. Bei den verschiedensten Anlassen trat er noch immer ans Rednerpult. Bereitwillig folgte er den Einladungen zum regel­maGigen Treffen der Nobelpreistrager in Lindau. 1m Alter von 87 Jahren entschloG er sich Zu einer letzten groGeren Reise, die ihn in die benachbarte CSSR fiihrte. Den AnlaG hierfiir bot

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der 450. Jahrestag der Griindung von Jachymov (Joachims­thaI) und das sechzigjahrige Bestehen des Radiumbades. Als gefeierter Gast der Tschechoslowakischen Akademie der Wissen­schaften wohnte ec dec Enthiillung eines Curie-DenkmaIes beL Mit 89 J ahren erkrankte Otto Hahn ernsthaft. Nach dreimona­tigem Aufenthalt in einer Gottinger Klinik verstarb er am

19 Otto Hahn und der tschechoslowakische Kernphysiker Professor Dr. Frantisek Behounek wiihrend der Feierlichkeiten anlii6lich des 450. Jahres­tages der Stadt Jachymov (Joachimsthal) und des 60jiihrigen Bestehens des Radiumbades

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28. J uli 1968 an Kreislaufschwache und Herzversagen. Seine Frau iiberlebte ihn nur wenige Tage. Lise Meitner trat mit 82 Jahren in den Ruhestand. Nach der Emeritierung iibersiedelte sie 1960 von Schweden zu ihrem Nef­fen Otto Robert Frisch nach Cambridge (England), urn im Alter nicht allein zu sein. In der Laudatio zum 85. Geburts­tag zitierte ihr alter Weggefiihrte Otto Hahn einen Ausspruch Fritz Rabers, wonach sich der Lebensweg eines Forschers in drei Etappen vollziehe: Werden, Sein, Bedeuten. Er schrieb ihr:

Dein WtrtJe1l war die Holzwerkstatt in Berlin. Dein Sti1l war der Aufbau Deiner groBen Kernphysikalischen Abteilung im Kaiser-Wilhelm-Institut Dahlem mit den vielen Schiilern aus dem Inland und Ausland. Dein Btdell/t1l zeigt Dir die heutige Anerkennung der Welt. [28, S. 654)

In ihrem 86. Lebensjahr reiste Lise Meitner noch einmal in die USA. Auch Berlin stattete sie 1964 einen letzten Besuch abo 1m Magnushaus am Kupfergraben, dem Sitz der Physikalischen Ge­sellschaft der DDR, wohnte sie gemeinsam mit zwei alten Kol­legen aus ihrer Berliner Zeit, Gustav Hertz und James Franck, einem physikalischen Kolloquium beL Wenige Monate nach Otto Hahn verstarb Lise Meitner, fast neunzigjiihrig, am 27. Oktober 1968 in Cambridge. Der hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen und zu­tiefst humanistischen Haltung Otto Hahns und Lise Meitners wurde in zahllosen N achrufen und feierlichen Vortragen ge­dacht. Ihre fruchtbringende Zusammenarbeit gipfelte Ende der dreiGiger Jahre in der folgenschwersten Entdeckung dieses Jahrhunderts. Wohl keiner hat es verstanden, das sich so gliick­lich erganzende Wesen der beiden groBen Gelehrten besser zu charakterisieren als Werner Heisenberg In scinen "Gcdcnk­worten fur Otto Hann und Lise Mcitner" schrit:b er 1968:

Hahn hatte seine Erfolge vor allem, so scheint es mir, seinen charakterlichen Qualitaten zu danken. Seine unermiidliche Arbeitskraft, sein eiserner FIeiB ill1 Gr·werben nl:Ul:r Kenntnisse, seine unbestechliche Ehrlichkeit crlaubtcn ihm, noch genaucr und gcwisscnhafter ZlI arbcitcn, nueh sclbstkritischcr liber die meisten-Yersuche zu denken, noch mehr Kontrollen durchzufiihren als die meisten anderen, die in das Neuland der Radioaktivitat eindrangen. Lise Meit­ners Beziehung zur Wissenschaft war etwas anders. Sie fragte nicht nur nach dem "Was", sondern auch nach dem "Warum". Sie wollte verstehen. sie wollte dell N .. 1tLlr~c~ct/CJ1 ni.lCh~rlircn, die in dicSCI11 nClIcn Gcbict .. lIll \X'crkc warc.;l1.

Thrc Stiirke W,H also die Fragcstellung und dann die Deutung des ange,telltcn Versudls. [3tl, S. 884)

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Ausblick

Durch ihre Arbeiten und Entdeckungen haben Otto Hahn und Lise Meitner den Weg :z:ur ErschlieGung der Kernenergie ge­wiesen. Der militirisch~ Millbrauch dieser Energie wiirde in einer Kata­strophe unvorstellbaren AusmaGes :z:um Ende unserer Zivilisa­tion fiihren. Die friedliche Nutzung nuklearer Energiequellen kann anderer­seits den Energiebedarf der Menschheit iiber J ahrtausende be­friedigen. Bei wachsenden Bevolkerungszahlen auf der Erde bedeutet das Leben ohne Hunger und Not. Die Vordite an Kohle, Erdal und Erdgas sind begrenzt. Zudem wurden bei der ubermalSigen Verbn:nnung dieser fossilen Energie­trager, die zu den wertvollsten Chemierohstoffen zahlcn, so grolk Mengen Kohlcndioxid in die Atmosphare entweichen, daH globalc Klimaanderungen zu bdurchten sind. Grundliche Analysen haben ergeben, daH die regenerativen Energiequellen Sonne, Wind, Wasser und Erdwarme beim gegenwartigcn Stand der Technik den Wdtenergiebedarf nicht zu decken vermagen. Ocr Menschheit blcibt ein cinziger Weg: Nur mit Hilfe von Kern­energieanlagen kann die Energieversorgung g'esichert werden. Kernkraftwerke lidern wr Zeit mehr als 15 % der gesamten dektrischen Energie, die auf der Erde produziert wird. In einigen Landern liegt der Anteil der Kernenergie schon bci 50 bis 70 %. In den nachsten Jahrzehnten wird die Erzeugung von Elektro­energie mit Kernspaltungsreaktoren weiter anwachsen. Eine wichtige Rolle soll auch die nuklcare Warmeversorgung spiden. Die grundliche Analyse der Reaktorhavarien von Tschernobyl und Three-Mile-Islands hat ergebcn, da/) das bisher.ige Konzept der Reaktorsicherheit grundsatzlich richtig ist. Bcide Unfalle wurden durch das Fehlverhalten des Betriebspersonals verursacht und hatten vermieden werden kannen. AIle Sicherheitsbcmi.ihun­gen, die auch cine vcrstarkte internationale Zusammenarbcit bei der Qualifizierung des Betriebspersonals von Kernenergieanlagen

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einschlicGen, sinJ auf das Zicl gcrichtct, derartige Havarien in Zukunft unmoglich zu machen . Ocr Reaktorunfall im sowjeti­schen Kernkraftwerk Tschernobyl sollte nicht bagatcllisiert wer­den. Eingehende Studien haben abcr ergeben , daG sclbst fUr die im Umkreis von 3 bis 15 km wohilencie Bevolkerung durch eine regclmaGige Gesundheitskontrolle das Risiko gesundheitlicher Folgen kompcnsiert werden kann. Fur aile auGerhalb der 15-km­Zone wohnenden Mcnschcn licgt die Strahlcnbclastung durch den Tschcrnobyl-Unfall innerhalb dcr Schwankungcn des naturlichen Strahlungspegcls, so daG sich kaum Langzeitwirkungen auf die Gesundheit in den nachstcn 70 Jahren feststcllcn lassen werden. Angesichts diescr Prognose mug man dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), Dr. Hans Blix, zustimmen , der auf der Generalversammlung der Vereinten Nationcn im November 1986 in New York ausfuhrte:

Man kann mit Fug und Recht bchaupten, dall mit dec graviccenden Ausnahmc von Tschernobyl die Gcfahcen der Kcrncncrgieerzeugung fLlr Gesundheit und

20 Otto Hahn an seinem 89. Geburts­rag am 8. Marz 1968

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UrnwcIt hypothetisch geblieben sind, wiihrend der tagtagliche Gebrauch von Kohle und Erdul zur Strornerzeugung die schwerwiegendstcn Auswirkungen auf die UrnwcIt hat ... Die Kernenergie wird uns den (Tbergang von der Energicgcwinnung aus Erdijl zu ciner anderen Energieforrn crleichtern, vielleicht zur Sonnenencrgie oder zur Kcrnfusion. Aber diese neuartigen Energiequcllcn sind nicht sofort vcrfugbar fUr die hohe zusatzliche Energie­erzcugung, die die Menschen benotigen werden, urn den Lebensstandard zu hcben und den Fortschritt voranzutreiben. [52, S. 226]

Die Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn, Lise Mcit­ncr und Fritz Strafimann hat aber nicht nur zur Entwicklung der Kernenergietechnik gefiihrt. Es wird oft iibersehen, da!3 durch den Bau von Kernreaktoren auch die Erzeugung kiinstlieh radio­aktiver Nuklide in grofier Auswahl und nahezu bcliebiger Menge moglich wurde. Es ist cbenso ein Verdienst dieser drci Wissenschaftler, dafi die Verfahren der Angewandten Radioaktivitat in aIle Bereiche der Naturwissenschaften, Technik, Medizin und Landwirtschaft Ein­gang gefunden haben. Mefimethoden und Bestrahlungsverfahren unter Verwendung von Radionukliden zcichnen sich gegeniiber herkommlichen Verfahren durch cine hohe Wirtschaftlichkeit aus. Technische Prozesse konnen mit Hilfe von StrahlungsqueIlen besser iiberwacht, gesteuert und geregclt werden. Einsparungen an Material und Arbeitszcit sind die Folge. Wenn konventioneIle Verfahren versagen, erOffnen Radionuklidc oft die einzige Unter­suchungsmoglichkeit. Durch Bestrahlung ist es moglich, die Eigenschaften mancher Produkte entschcidend zu verbessern. In der Nuklcar- und Strahlenmcdizin hat die Anwendung radio­aktiver Nuklide zu einer wesentlichen Verbesserung der Diagno­stik und Therapie gefiihrt. Die Zahl der Anwendungsmoglichkeiten ist heute kaum noch zu iiberschauen. Man kann mit Recht vermuten, dafi sich auch kiinftig die Angewandte Radioaktivitat fiir die Losung unzahliger Aufgaben in Wissenschaft und Technik als cin wertvoIles Werk­zeug bewahren wird.

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Chronologie

1878 7. November. Lise Meitner in Wien geboren. 1879 8. Miirz. Otto Hahn in Frankfurt am Main geboren. 1895 8. November. Entdeckung der Rontgenstrahlung. 1896 Henri Becquerel entdeckt in Paris die Radioaktivitiit. 1897 Hahn nimmt an der Universitiit Marburg das Studium der Chemie

auf. 1898 Marie Sklodowska-Curie und Pierre Curie entdecken die radioaktiven

Elemente Polonium und Radium. 1901 Lise Meitner beginnt das Physikstudium an der Universitiit Wien.

Vorlesungen bei Ludwig Boltzmann. Otto Hahn promoviert an der Universitiit Marburg mit einer Disser­tation in organischer Chemie "Dber Bromderivate des Isoeugenols".

1902 22. Februar. Fritz StraBmann in Boppard (Rheinland) geboren. Otto Hahn nimmt eine zweijiihrige Tiitigkeit als Vorlesungsassistent bei Theodor Zincke am Chemischen Institut der Universitiit Marburg auf.

1904 Otto Hahn reist nach London und wird Mitarbeiter am Institut von Sir William Ramsay.

1905 Otto Hahn entdeckt in London das Radiothorium (228Th). Reise nach Montreal (Kanada). Arbeit bei Ernest Rutherford. Entdeckung des Radioactiniums e2 7 Th) und des Thoriums C' (212po).

1906 Lise Meitner promoviert an der Universitiit Wien. Titel der Disserta­tion: "Wiirmeleitung in inhomogenen Korpern". Riickkehr Otto Hahns nach Deutschland. Beginn der Arbeiten bei Emil Fischer in der "Holzwerkstatt" des Chemischen Instituts der Ber­liner Universitiit. Lise Meitner arbeitet bei Stefan Meyer in Wien an Problemen der Radio­aktivitiit.

1907 Otto Hahn habilitiert an der Universitiit Berlin. Entdeckung der radio­aktiven Nuklide Mesothorium I e28Ra) und Mesothorium II e28 Ac). Lise Meitner besucht die Vorlesungen von Max Planck in Berlin. Be­gegnung mit Otto Hahn. Beginn der 30jiihrigen Zusammenarbeit und lebenslangen Freundschaft.

1909 Otto Hahn und Lise Meitner entdecken gemeinsam den radioaktiven RiickstoB sowie das Nuklid ThC" e08TI).

1910 Otto Hahn wird an der Universitiit Berlin zum a. o. Professor fUr Che-mie ernannt. Er trifft in Paris mit Marie Curie zusammen.

1911 Vorschlag eines Atommodells durch Ernest Rutherford. 1912 bis 1915 Lise Meitner wirkt als Assistentil). bei Max Planck. 1912 Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Instituts fiir Chemie in Berlin-Dahlem.

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Otto Hahn iibernimmt die Abteilung fiir Radioaktivitit. Lise Meitner arbeitet am gleichen lnstitut als unbezahlter Gast.

1913 Frederick Soddy entdeckt die Erscheinung der Isotopie Otto Hahn heiratet die Kunststudentin Edith Junghans.

1914 Lise Meitner wird wissenschaftliches Mitglied des Kaiser-Wilhelm­Instituts fiir Chemie. 1. August. Ausbruch des 1. Weltkrieges.

1915 Einweisung Otto Hahns in die von Fritz Haber geleitete Spezialtruppe fiir den Gaskampf. Lise Meitner arbeitet als Rontgenschwester in der osterreichischen AImee.

1917 Otto Hahn und Lise Meitner entdecken in Berlin das chemische Element Nr. 91, Protactinium.

1918 Lise Meitner iibernimmt die Leitung der radiophysikalischen Abteilung am Kaiser-Wilhelm-Institut fiir Chemie.

1919 Lise Meitner wird zum Professor ernannt. Rutherford entdcckt die crste kiinstliche Kcrnrcaktion J ~N((X, p) 1 ~O.

1921 Otto Hahn entdeckt am Nuklidpaar UZ e:J\Pa) und UX2e:J\Paffi) das erste Bei'piel ciner Kernisomcrie.

1922 Habilitation Lise Meitners. Themit der Habilitationsschrift: .. Uher die Entstehung der Betastrahl-Spektren radioaktiver Substanzen". Otto Hahn entwicke1t die .. Emaniermethode".

1923 Otto Hahn begriindet die Rubidium-Strontium-Methode zur geologi­schen Altersbestimmung.

1925 Lise Meitner erkennt, daB die y-Strahlung stets nach der Emission von «- und p-Teilchen vom Tochterkern ausgesandt wild.

1926 Ernennung Lise Meitners zum nichtbeamteten auBerordentlichen Pro­fessor an der Universitat Berlin.

1928 Ernennung Otto Hahns zum Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts fiir Chemie.

1932 James Chadwick entdeckt das Neutron und Carl David Anderson das Positron.

1933 Machtergreifung Hitlers. Lise l'vIcitm;r wird aus rassischen Griinden die Lehrocfugnis an der Uni­versitiit Berlin entLogen.

19.34 Irene Curie und frederic ]oliot mtdecken die kiinstliche Radioaktivitiit. 4. Juli. Marie Curie stirht in Paris. Otto Hahn scheidet aus der Berliner Universitiit aus. Er weigert sich, der NSDAP oeiLutretcn. Otto Hahn und Lise Meitner nehmen am Mendelejew-KongreB in Leningrad und Moskau teil. Enrico Fermi und seine Mitarbeiter bestrahlen zahlreiche Elemente mit Neutronen und veroffentlichen die Entdeckung vermeintlicher Transuraniumelemente.

1935 bis 1938 Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz StraBmann wiederholen die Bestrahlungsversuche Fermis.

I 'Btl Juli. Lise "kitner lllull das faschistische Deutschland illegal verlassen lind ellligricrt n,lc" Schweden.

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Dezember. Otto Hahn und Fritz StraGmann entdecken die Kernspal­tung des Uraniums und Thoriums.

1939 Lise Meitner und Otto Robert Frisch geben eine erste theoretische Deu­tung des Spaltungsprozesses und schatzen.die freiwerdende Energie abo Forschergruppen in Frankreich, der Sowjetunion und in den USA ge­lingt unabhangig voneinander der Nachweis der Spaltungsneutronen. Niels Bohr, John A. Wheeler und Jakow 1. Frenkel arbeiten auf der Grundlage des TriipfchenmodeUs die Theoeie der Kernspaltung aus. 1. September. Beginn des 2. Weltkeieges.

1940 Georgi N. Flerow und Konstantin A. Petrshak entdecken in Moskau die spontane Kernspaltung.

1942 2. Dezember. Enrico Fermi und seine Mitarbeiter setzen in Chicago den ersten Kernreaktor in Gang.

I<)-+~ H. ,\tai. Bedingllllgsiosc Kapitubti,," des faschistischcn Dcutscldands. Intl'rniL:fullg Otto t lahns ZUS<lllll1l1.:n lllit l1l'Un dcutschcn Physikcrn in

Engbnd. 16. Juli. Versuchsexplosion einer amerikanischen Kernspaltungs­bombe in der Wuste von New Mexico. (L lind (). August. l\hwurf ,'O!l lwei Kcrnsp.titungsh()]llhcl1 def USA

auf IliroshillLl lind r\agasaki.

IlJ-t6 Unter der Lcitung von Igor Kunschatow wird der <":fste s()wjeti~ch<..:

Kcrnrcakto[ in Hetrich gCllOllll11cn.

Lise Meitner weilt zu Gastvorlesungen an der Catholic University in Washington. Die ameeikanische Presse wahlt sie zur "Frau des Jahres". 10. Dezember. Otto Hahn empfangt in Stockholm den Nobelpreis fur Chemie des Jahres 1944.

1947 Lise Meitner wird Leiteein eines Forschungslabors am Kiiniglichen Institut fur Technologie der Schwedischen Atomenergie-Kommission.

1948 Otto Hahn ubernimmt die Prasidentschaft der Max-Planck-Gesell­schaft.

I ()-l.9 ZCIIH.llIn~ del' L'I":-.tCI1 :-.O\\-jcti ......... lll'1l Kcrn:-.p.lltllllgsholl1hc. Brcchung des

l 'S.\- Kcrll\\affcIlIlHlIlOp"ls. It):l2 \'ersuchsl'xplll~ion del' crstl'11 L1S-<llllcrikanischc!l \Vassl'rst()ffhoI11bc. I <).'i.l Lise ;\kitner liherniml11t in Stockh"lm eilH.: her.ltendc 'Litigkeit am

F()r:--chung~re;.lkt()r der r..:.lJl1iglichcl1 i\kadcll1ic d~r Ingcnieurwisscn­

schaften (Direktor: Sigvard Eklund). Versuchsexplosion der ersten sowjetischen Wasserstoffbombe.

1954 In Obninsk bei Moskau wird das erste Kernkraftwerk der Welt in Be­teieb genommen.

1955 13. November. Otto Hahn halt die vielbeachtete Rundfunkrede "Cobalt 60 - Gefahr oder Segen fur die Menschhcit". L'i. Juli. Otto I Llllll regt die .,'\L1iILluU Kundgehullg" der \:()hclpreis­

trjgcr gegcn den ~1iI)llr'1Llch der J:....:.crnencrgic .111.

12. September. Erstmalige Verleihung des Otto-Hahn-Preises an Lise Meitner und Heinrich Wieland.

1957 12. April. Veriiffentlichung der "Erklarung der 18 Atomwissenschaft­ler" gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr.

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5. Dezel1lber. In Jer Sowjetuninn lauft das erste zivile Nuklearschiff, der Eisbrecher "Lenin", vom Stapel.

1960 19. Mai. Otto Hahn ubergibt die Prasidcntschaft der Max-Planck­Gesellschaft an den Biochemiker Adolf Butenandt. Lise Meitner tritt in den Ruhestand und iibersiedelt nach Cambridge (England).

1962 Hahns erste Autobiographic "Vom Radiothor zur Uranspaltung" er­scheint.

1964 13. Juni. Otto Hahn nimmt am Stapellauf des nuklear angetriebenen Handelsschiffes "NS Otto Hahn" in Kie1 teil.

1966 Vedeihung des Enrico-Fermi-Preises der USA-Atomenergiekommission an Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz StraGmann. Juni. Otto Hahn reist in die CSSR. In Jachymov (Joachimsthal) wohnt er der Enthiillung eines Curie-Denkmales bei.

1968 28. Juli. Otto Hahn stirbt im Alter von 89 Jahren in Giittingen. August. Hahns zwcitc Autobiographic "Mcin Leben" crsch<.:int. 27. Oktober. Lisc Meitner stirbt im Alter von 89 Jahren in Cambridge.

1970 November. Das von sowjetischen und finnisch-amerikanischen Wissen­schaftlern gleichzeitig erzeugte Transuraniumelement Nr. 105 erh1ilt den Namen Hahnium.

1979 21. September. Otto Robert Frisch stirbt im Alter von 74 Jahren in Cambridge.

1980 22. April. Fritz StraGmann stirbt im Alter von 78 Jahren in Mainz.

92

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Lite.tatur (Auswahl)

1. llikher

[I]I/ahn, 0.: Yom Radiothor ZlIr Uranspaltung. Braunschweig 1962. [2] Hahn, 0.: Mein Leben. Munchen 1968. [3] Hahn, D. (Hrsg.): Otto Hahn - Erlebnissc und Erkenntnisse. Dussel-

dorf, Wien 1975. r~] Hahn, D.: Otto Hahn - llegrunder des Atomzeitalters. Munchen 1980. [5] Baumer, F.: Otto Hahn. Berlin 1974. 16] Berninger, E.: Otto Hahn - Einc Bilddokul11entation. Munchen 1969. [7] Berninger, E.: Otto Hahn. Reinbeck bei Hamburg 1974. [8] Clark, R. W.: Albert Einstein. Munchen 1973. [9] Frisch, O. R., Paneth, F. A., Laves, F., Rosbaud, P.: Beitrage ZlIr Physik

und Chemic des 20. Jahrhunderts. Braunschweig 1959. [10] Frisch, O. R.: Woran ich mich erinnere, Physik und Physikcr meiner Zeit

1904-1979. Stuttgart 1981. [11] Gerlach, W.: Otto Hahn - Ein Forscherleben unserer Zeit. Munchen

1969. [12] Groves, L. R.: Jetzt darf ich sprechen. Kaln, Berlin 1965. [13] Heisenberg, W.: Der Teil und das Ganze. Munchen 1969. [14] Hermann, A.: Max Planck. Reinbeck bei Hamburg 1973. [15] Hermann, A.: Werner Heisenberg. Reinbeck bei Hamburg 1976. [16] Hermann, A.: Die Neue Physik - Zum Gedenken an Albert Einstein,

Max von Laue, Otto Hahn, Lise Meitner. Munchen 1979. [17] Herneck, F.: Bahnbrecher des Atomzeitalters. Berlin 1978. [18] Hoffmann, K.: Otto Hahn - Stationcn aus dem Leben eines Atomfor­

schers. Berlin 1978. [19] Krafft, F.: 1m Schatten der Sensation - Leben und Wirken von Fritz

Straf)mann. Weinheil11 1981. [20] Wohlfahrth, H. (Hrsg.): 40 Jahre Kernspaltung - Eine Einfuhrung in

die Originalliteratur. Darmstadt 1979. [21] Seelig, C. (Hrsg.): Hdle Zeit - Dunkle Zeit. ZLirich, Stuttgart, Wien

1956. [22] Shea, W. R. (Hrsg.): Otto Hahn and the Rice of Nuclear Physics. Dord­

recht, Boston, Lancaster 1983.

2. Zeitschriftenartikcl und Aufs,itze

[23] Gentner, W.: Otto Hahn - ein Forscherlcben. Acta Historica Leopoldina Nr. 14(1980) 31.

[24J Gerlach, W.: Otto Hahn 85 Jahre alt. Naturwiss. Rdsch. 17 (1964) 85. [25] Hahn, 0.: Lise ,,-;Jcitncr 70 Jahre. Z. Naturforsch. A 3 (19~8) 425. [26] Hahn, 0.: Lise "-lcitner 80 Jahre. Z. Naturwiss. 45 (1958) 501. [27] Hahn, 0.: Die "falschen" Trans-Urane - zur G~schichte cines wissen­

schaftlichen Irrtums. Naturwiss. Rdsch. 15 (1962) 43. [28] Hahn, 0.: Lise "-Icitner 85 Jahre. Naturwiss. 50 (1963) 653.

93

Page 95: Otto Hahn/Lise Meitner ||

[29] Hahn, 0.: Erinnerung an einige Arbeiten - anders geplant als verlaufen. Naturwiss. Rdsch. 18 (1965) 86.

[30] Herneck, F.: Dber die Stellung von Lise Meitner und Otto Hahn in der Wissenschaftsges~hichte. Z. Chern. 20 (1980) 237.

[31] Herneck, F.: Erinnerungen an Lise Meitner. Die WeItbuhne 7.11. 1978, S. 1421.

[32] Herneck, F.: Otto Hahn - Zu seinem 90. Geburtstag. Physik in der Schule 7 (1969) 105.

[33] Hoffmann, D.: Liebe zu den "unweiblichen" Naturwisscnschaften -Zum 100. Geburtstag von Akademiemitglied Lise Meitner. Spektrum Heft 11 (1978) 10.

[34] Karlik, B.: In memoriam Lise Meitner. Phys. BI. 35 (1979) 49. [35] Keller, c.: Der Weg zur Kernspaltung. Naturwiss. Rdsch. 31 (1978) 489. [36] Kleinert, A.: Yom Tricb zur theoretischen Physik. Eine SteIIungnahme

Plancks zur Frage des Frauenstudiums. Phys. BI. 34 (1978) 31. [37] Koch, H.: 40 Jahre Kernspaltung. Zum 100. Geburtstag von Otto Hahn.

Isotopenpraxis 15 (1979) 193. [38] Krafft, F.: Lise Meitner und ihre Zeit - Zum hundertsten Geburtstag

der bedeutenden Naturwissenschaftlerin. Angew. Chern. 90 (1978) 876. [39] Krafft, F.: Ein fruhes Beispiel interdiszipliniirer Tl!amarbeit (I) und (II)

- Zur Entdeckung der Kernspaltung durch Hahn, Meitner, StraGmann. Phys. BI. 36 (1980) 85 und 113.

[40] Meitner, L.: Wege und Irrwege zur Kernenergie. Naturwiss. Rdsch. 16 (1963) 167.

[41] Meitner, L.: Einige Erinnerungen an das Kaiser-WilhcIm-Institut fur Chemic in Berlin-Dahlem. Naturwiss. 41 (1954) 97.

[42] Meitner, L.: Otto Hahn zum 85. Geburtstag. Naturwiss. 51 (1964) 97. [43] Melcher, H.: Zwischen Chemie und Physik: Otto Hahn. Wiss. Fortschr.

29 (1979) 256. [44] Melcher, H.: " ... Es ist niimlich etwas bei den ,Radium isotopen' ... "

Wiss. Fortschr. 29 (197')12. [45] StraGmann, F.: Zur Erforschung der Radioaktivitat - Lise Meitner zum

75. Geburtstag. Angew. Chern. 66 (1954) 93. [46] StraGmann, F.: Friedliche Chemie der Atomkerne. Mainzer Universitiits­

reden, Heft 14. Mainz 1949. [47] ThieGen, P. A.: Otto Hahn - personliche Begegnungen. Spektrum Heft

3 (1979) 22. [48] Vormum, G.: Zum wissenschaftlichen Werk von Lise Meitner und Otto

Hahn. Z. Chern. 20 (1980) 243. [49] Zimen, K. E.: Otto Hahn, Lise Meitner und die Kernspaltung im Aus­

bIick auf die Zukunft. Phys. BI. 35 (1979) 200. [50] In Memoriam Fritz StraGmann. Privatdruck. Mainz 1980. [51] Erinnerungen an Otto Hahn. Freie Universitiit Berlin. Universitiitsreden,

Heft 4. Berlin 1983. [52] Anonym: Die Kernkraft bedarf der internationalen Solidaritiit und Zu­

sammenarbeit - Ansprache von Dr. Hans Blix, IAEO-Generaldirektor, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Kernenergie 30 (1987) 226.

94

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Personenregister

Abelson, Philipp H. (geb. 1913) 42 Adenauer, Konrad (1876-1967) 76,

77 Alder, Kurt (1902-1958) 75 Alexandrow, Anatoli P. (geb. 1903)

87 Anderson, Carl David (geb. 1905)

33,90

Baeyer, Adolf von (1835-1917) 12 Baeyer, Otto von (1877-1946) 22,

30 Barkhausen, Heinrich (1881-1956)

12 Becquerel, Henri (1852-1908) 8,89 Behounek. Frantisek (1898-1973)

84 Blackett, Patrick M. S. (1897-1974)

32 Bohr, Niels (1885-1962) 31,41,45,

49,53,91 Boltwood, Bertram B. (1870-1927)

14,19 Boltzmann, Ludwig (1844-1906)

15,16, 17, 89 Bonhoeffer, Carl Friedrich (1899 bis

1957) 39 Borchers, Georg Wilhelm (1864 bis

1929) 32 Born, Hans-Joachim (geb. 1909) 57 Born, Max (1882-1970) 75, 76, 77 Bosch, Carl (1874-1940) 40 Bothe, Walter (1891-1957) 59 Butenandt, Adolf (geb. 1903) 71,

76,92

Chadwick, Jwnes (1891-1974) 31, 34,90

Chalmers, Thomas A. 23 Chlopin, Witali G. (1890-1950) 39

Chopin, Frederic (1810-1849) 23 Cockroft, John Douglas (1897-1967)

34 Compton, Arthur Holly (1892-1962)

76 Coster, Dirk (1889-1950) 40,41 Cowan, Clyde L. (geb. 1919) 31 Curie, Irene (1897-1956) 35,44,90 Curie-Sklodowska, Marie (1867 bis

1934) 8, 9, 23, 35, 89, 90 Curie, Pierre (1859-1906) 8, 35, 89

Dalton, John (1766-1844) 6 Debye, Peter (1884-1966) 40, 58 Demokrit, Demokritos von Abdera

(460-370 v. u. Z.) 6 Delbriick, Max (1906-1981) 39 Domagk, Gerhard (1895-1964) 76 Droste, Gottfried von (geb. 1908)

51,53

Einstein, Albert (1879-1955) 10, 26,33,38,64,65.69, 70

Eklund, Sigvard (geb.1911) 57, 91 Ellis, Charles D. (geb. 1895) 31 Euler-Chelpin, Hans Karl von (1873

bis 1964) 76 Exner, Franz Seraphin (1849-1926)

15

Fajans, Kasimir (geb. 1887) 20 Fermi, Enrico (1901-1954) 35, 37,

60, 64, 90, 91 Fischer, Emil (1852-1919) 14, 19,

20,21,89 Flammersfeld, Arnold (geb. 1913)

28 Fleck, Alexander (geb. 1889) 20 Fierov, Georgi N. (geb. 1913) 54,

91

95

Page 97: Otto Hahn/Lise Meitner ||

Fliigge, Siegfried (geb. 1912) 51,53 Franck, James (1882-1964) 10, 26,

65,85 Frenkel, Jakow I. (1894-1952) 53,

91 . Freund, Martin 11 Frisch, Otto Robert (1904-1979)

49, 50, 51, 52, 53, 85, 91, 92

Geiger, Hans (1882-1945) 32 Gerlach, Walther (1889-1979) 62,

71 Gotte, Hans (geb. 1912) 57 Gorki, Maxim (1868-1936) 55 Goudsmit, Samuel A. (geb. 1902) 61 Graaff, Robert J. van de (1901-1967)

34 Groves, Leslie R. (geb. 1896) 64 Grosse, Aristid von (geb. 1905) 12,

36 Grotewohl, Otto (1894-1964) 74

Haber, Fritz (1868-1934) 26, 27, 39,85,90

Hahn, Edith; gcb. Junghans (1887 bis 1968) 23,90

Hahn, Hanno (1922-1960) 23, 61, 83

Hahn, Heiner (1876-1958) 12 Hahn, Karl (1870-1953) 11 Halban, Hans von (1908-1964) 53 Hartke, Werner (geb. 1907) 80 Heisenberg, Werner (1901-1976)

35,40,58,59,62,76,77,85 Henrich, Ferdinand (1871-1945) 32 Hertz, Gustav (1887-1975) 10, 26,

85 . Hevesy, Georg von (1885-1966)

44,76 Hitler, Adolf (1889-1945) 37, 38,

54,61,90 Hupfeld, H. 32

Iwanenko, Dmitri (geb. 1904) 35

Joliot, Frederic (1900-1958) 35,51, 53, 61, 74, 90

Jolly, Philipp von (1809-1884) 6

96

Kowarski, Lew (geb. 1907) 53 Kuhn, Richard (1900-1967) 75 Kurtschitow, Igor W. (1903-1960)

91

Ladenburg, Rudolf (1882-1952) 38 Laue, Max von (1879-1960) 10, 12,

30, 33, 40, 60, 62, 63, 77 Lawrence, Ernest Orlando (1901 bis

1958) 34 Lenard, Philipp (1862-1947) 38 Lenin, Wladimir Iljitsch (1870-1924)

7 Lipmann, Fritz (geb. 1899) 75 Ludewig, Paul (1885-1927) 32

Mann, Heinrich (1871-1950) 55 Mann, Thomas (1875-1955) 55 Marckwald, Willy (1864-?) 32 Maxwell, James Clerk (1831-1879)

16 McMillan, E. M. (geb. 1907) 42 Melde, Franz Erich (1832-1901) 12 Mendelejew, Dmitri Iwanowitsch

(1834-1907) 6 Meyer, Lothar (1830-1895) 6 Meyer, Stefan (1872-1949) 16, 22,

89 Mittenzwey 32 Moseley, Henry G. J. (1887-1915)

20 Miiller, Paul Herrmann (1899-1965)

76 Miiller, Hermann Joseph (1890 bis

1967) 76

Nernst, Walther (1864-1941) 10 Noddack, Ida (geb. 1896) 36, 49 Noddack; Walter (1893-1960) 36

Occhialini, G. P. S. (geb. 1907) 32 Oppenheimer, Robert (1904-1967)

64 Orthmann; Walter 31

Pauli, Wolfgang (1900-1958) 31 Pauling, Linus (geb. 1901) 76

Page 98: Otto Hahn/Lise Meitner ||

Petrshak, Konstantin A. (geb. 1911) 54,91

Philipp, Kurt 33 Planck, Erwin (1893-1945) 61 Planck, Max (1858-1947) 6, 10. 12,

17,18,32,33,39,40,61,66,67,89 Przibram, Karl (1878-1973) 16

Ramsaucr, Carl (1879-1955) 10 Ramsay, William. (1852-1916) 13,

89 Rausch von Traubenberg, Heinrich

(1880--1944) 61 Reines, Frederick (geb. 1918) 31 Rontgen, Wilhelm Conrad (1845 bis

1923) 7,80 Roosevelt, Franklin D. (1882-1945)

64,65 Rosbaud, Paul 40 Rubens, Heinrich (1865-1922) 18,

30 Rutherford, Ernest (1871-1937) 9,

14, IS, 19, 34, 35, 58, 89, 90 RuZicka, Leopold (1887-1976) 76

Savitch, Paul (geb. 1909) 44 Schmidt, Gerhard C. (1865-1949) 8 Schrodinger, Erwin (1887-1961) 10 Schwcidler, Egon von (1873-1948)

16,22 Seelmann-Eggebert, Walter (geb.

1915) 57 Segre, Emilio G. (geb. 1905) 35 Siegbahn, Manne (1886-1978) 41,

56 Soddy, Frederick (1877-1956) 20,

76, 90

7 Stolz, Hahn

Speer, Albert (geb. 1905) 59 Stanley, Wendell Meredith (1904 bis

1971) 76 Stark, Johannes (1874-1957) 38 Starke, Kurt (geb. 1911) 57 Staudinger, Herrmann (1881-1965)

76 Steenbeck, Max (1904-1981) 71 Strafimann, Fritz (1902-1980) 12,

36,39,42,43,45,47,49,51,57,64, 68, 72, 77, 80, 81, 87, 89, 90, 91

StrauB, Franz Josef (geb. 1915) 77 Szilard, Leo (1898-1964) 23,33,64

Tamm, Igor (1895-1971) 35 Tomaschek, Rudolf (geb, 1895) 38 Truman, Harry S. (1884-1972) 65 Tuma, J. 32 Turner, Louis Alexander (geb. 1898)

54

Walton, Ernest T. F. (geb. 1903) 34 Weizsacker, Carl Friedrich von (geb.

1912) 51,62,77 Wernadski, Wladimir I. (1863-1945)

39 Westphal, Wilhelm (1882-1978) 26 Wheeler, John A. (geb. 1911) 53,91 Wieland, Heinrich (1878-1957) 80,

91 Wigner, Eugene Paul (geb. 1902) 64

Yukawa, Hideki (1907-1981) 76

Zincke, Theodor (1844-1928) 12, 13,89

97

Page 99: Otto Hahn/Lise Meitner ||

Fur ein tieferes Eindringen in die hier besprochene wissenschaft­liehe Problematik empfehlen wir das in unserem Verlag yom gleichen Autor erschienene Lehrbueh:

Prof. Dr. habil. W. Stolz, Freiberg

Radioaktivitit

Mathematiseh-Naturwissensehafdiche Bibliothek, Band 61

Tell I. Grundlagen

163 Seiten mit 55 Abbildungen. 14,2 X 20 cm. 1976 Kartoniert 18,- M Bestell-Nr. 665 767 3 Bestellwort: Stolz, Radioaktivitat 1

Inhalt: Symbolverzeichnis . Gesehichte der Radioaktivitit • Atom­kern . Radioaktive Kernumwandlungen • Naturlich radioaktive Nuklide • Kunstliche Kernumwandlungen • Herstellung radio­aktiver Nuklide • Radioaktive Strahlungsquellen

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Bibliothek, Band 67

Tell II. Messung und Anwendung

188 Seiten mit 80 Abbildungen. 14,2 X 20 cm. 1978 Kartoniert 21,- M Bestell-Nr. 665 875 6 Bestellwort: Stolz, Radioaktivitat 2

Inhalt: Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit Atomen und mit Materialschichten • Messung ionisierender Strahlung • An­wendung radioaktiver Nuklide • Strahlensehutz

Das Lehrbuch vermittelt dem Leser eine grundliche Einfiihrung in den gesamten Arbeitsbereich der angewandten Radioaktivitit. Physikalische GesetzmiBigkeiten, Begriffe und Erscheinungs­formen, MeBmethoden und Anwendungen werden exakt behan­delt. Das Buch ist gut geeignet, sich neu in das Gebiet der Anwen­dung der Radioaktivitat einzuarbeiten.

Page 100: Otto Hahn/Lise Meitner ||

In der Reihe "Biographien hervorragender Naturwissenschaftler. Techniker und Mediziner" verweisen wir besonders auf

Band 42

Prof. Dr. Friedrich Herneck, Berlin

Max von Laue

92 Seiten mit 11 Abbildungen Kartoniert 4,90 M Bestell-Nr. 665 9206 Bestellwort: Herneck, v. Laue

Inhalt:

Probleme und Leistungen Der Weg zum Physiker

Schuler in Posen, Berlin und StraGburg . Student in StraGburg, Gottingen, Munchen und Berlin . DoktOl:promotion bei Max Planck

Beginn der Gelehrtenlaufbahn in Berlin und Munchen Zusatzstudium in Gottingen - Assistent in Berlin· Universitlit in Munchen - Relativitlitstheorie . Gunstiger Boden fur die Optik

Die geniale Idee und ihre Auswirkungen Die Entdeckung der Rontgenstrahlinterferenzen . Fuhrende Rolle der Thcorie . Ein wichtiger Beitrag zum Sieg der Atomistik

Forscher und Lehrer an drei Universitaten Professor in Zurich und Frankfurt am Main· Heimkehr an die Universitat Berlin' Erfolgreicher Hochschullehrer . Forschun­gen uber die Supraleitfahigkeit

Yom burgerlichcn Nationalisten zum Feind des Hitlerfaschismus Die Grenzen des burgerlichen Patriotismus . Freund und Ver­teidiger Albert Einsteins . KompromiGloser Gegner des Hitler­faschismus' Ein Hort der Unterdruckten

Schopferische Nachkriegsjahre in Gottingen und Westberlin Abschied yom Lehramt - Britische Geheimhaft • Honorar­professor in Gottingen - Institutsdirektor in Westberlin' Phi­losophische Probleme der Naturwissenschaft

Offentlichkeitsarbeit fur den Frieden Kampf gegen den Kernwaffenkrieg . Ehrungen fur Einstein und Planck - Universitatsjubilaen . Mit allen Humanisten freundschaftlich verbunden

Lebensende und Nachruhm

Page 101: Otto Hahn/Lise Meitner ||

Band 55

Dr. Peter Kruger, Berlin

Wladimir Iwanowitsch Wernadskij

115 Seiten mit 11 Abbildungen Kartoniert 6,80 M BestclI-Nr. 666 033 8 Bestellwort: Krueger, Wernadskij

Inhalt:

Elternhaus, Kindheit und Jugend

Studienzeit in Petersburg

Der junge Wissenschaftler Kustos der Mineraliensammlung . 1m Ausland - Neapel, Miin­chen, Paris· An der Moskauer Universitat (1890-1911). Wach­sende soziale Widerspriiche und die Revolution von 1905 • Der Hochschullehrer und das Jahr 1911

Wernadskij als Akademiemitglied und die politischen Probleme seiner Zeit

Die Petersburger Periode und die Griindung der KEPS • Fe­bruar 1917 - 1m Ministerium fur Volksbildung

Nach der Oktoberrevolution In Kiew und auf der Krim . Wieder in Petro grad - Das Radium­institut

In Paris - Geochemie und Biogeochemie

Riickkehr in die Sowjetunion Die Erforschung der lebenden Materie • Der Siebzigjahrige . Der XVII. Internationale GeologenkongreB 1937

Die GewiBheit des Sieges der Noosphare Der faschistische Oberfall . Die Weltanschauung Wernadskijs . Das letzte Lebensjahr

Chronologie

Page 102: Otto Hahn/Lise Meitner ||

Ttd dieser Rcihe:

Band Autor unci Titcl Preis Bestcll-Nr.

60 J urG/Ehlers: Aristotelcs 6,80 6660573 61 Engcwald: G. Agricola 6,80 666113 8

62 Dunsch: H. Davy 4,80 666111 1 63 Kant: A. Nobel 6,80 6661525 64 Stolz: O. Hahn und L. Mcitner 4,80 6661429

65 Ullmann: E. F. F. Chladni 4,80 666 1437

66 Hoffmann: E. Schrodinger 4,80 6660805

67 Hamel: F. W. Bessel 4,80 6661971

68 Beckert: J. Beckmann 6,80 6661517

69 Schicrhorn: W. Friedrich 4,80 6661410

70 KrauGe: E. Haeckel 8,80 6661488

71 Herneck: H. W. Vogel 6,80 6661939

72 Gobel: F. A. Kekule 4,80 666192 0 73 Kant: Reaumur, Fahrenheit,

Celsius 6,80 6661883 74 Remane: E. Fischer 4,80 6661947

75 Guntau: A. G. Werner 6,80 6661963

76 Strube: G. E. Stahl 4,80 6661955

77 Grabow: S. Stevin 6,80 6662501

78 Beier: W. C. Rontgen 6,80 6662560

79 Purkert/Ilgauds: G. Cantor 6,80 6662528

80 Kuczcra: G. Hertz 4,80 6662587

81 Wal.lermann: O. Lilienthal 4,80 6662683

82 Kastner: Paracelsus 4,80 6662667

83 Kant: R. Oppenheimer 8,80 6662579

84 Szabadvary: A.-L. Lavoisier 4,80 6662632

85 Dunsch: J. J. Berzelius 6,80 6663221

86 BClafi: Graf F. v. Zeppelin 6,80 6662878

87 Schreiber: Euklid 7,50 6663758

88 PreuG: G. Stephcnson 4,80 6664064

89 Hamel: F. W. Herschel 6,80 6664646