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Das von dem Bakterium Clostridium Bo- tulinum abgesonderte Gift ist das welt- weit tödlichste Toxin. Allein 1 Mikro- gramm reichen aus, um einen erwachse- nen Menschen zu töten. Bekannt durch Lebensmittelvergiftungen bei Menschen und Futtermittelvergiftungen bei Tieren, erlangte das Bakterium in letzter Zeit traurige Bekanntheit durch Fälle, in den Säuglingen mit Honig gesüßten Tee zu trinken bekamen, der mit Clostridium Botulinum verseucht war. Das Bakteri- um kommt im Boden vor, und gelangt von dort über Pflanzen in die Nahrungs- kette von Mensch und Tier. Unter Luft- abschluß und bei Wärmezufuhr bildet das Bakterium sein Gift. Die Kleinkinder erkrankten schwer, einige starben an der Krankheit. Der Verdauungsapparat von Kinder im Alter bis zu einem Jahr ist nicht in der Lage, sich erfolgreich gegen das Bakterium zu wehren, so wie es bei Menschen der Fall ist. Dieses Beispiel zeigt besonders drastisch, wie unter- schätzt die Gefahr durch das Bakterium ist. Selbst in vermeintlich modernen und sicheren Zeiten findet der erstmals vor rund zweihundert Jahren entdeckte Er- reger seine Opfer. Nur drei Institute in Deutschland be- schäftigen sich noch mit der Erforschung von Clostridium Botulinum, jedoch nur ein Institut ist in der Lage Clostridienin- fektionen zu diagnostizieren und Impf- stoffe herzustellen, namentlich das „In- stitut für Pflanzenbau und Tierproduk- tion in den Tropen und Subtropen“ der Göttinger Universität. Denn obwohl Fäl- le von Botulismus meldepflichtig sind, setzen sich nur noch wenige Wissen- schaftler auf nationaler und internationa- ler Ebene mit dieser Thematik auseinan- der. So ist man vielerorts gar nicht in der Lage, Fälle von Botulismus dediziert nachzuweisen. – Impfstoffe gegen die Krankheit werden sogar nur noch in Göttingen hergestellt, die von hier ihre Verbreitung in die ganzen Welt finden. Der Leiter des Instituts, Professor Helge Böhnel, war gleichzeitig Initiator und Leiter einer internationalen Tagung, die sich mit dem Thema Clostridien und Bo- tulismus beschäftigte. Die aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaft geför- derte Veranstaltung im thüringischen Teistungen war die weltweit erste Veran- staltung ihrer Art – gleichwohl präsen- tiert die Teilnehmerliste den derzeitigen Stand – nicht der nur europäischen – in- ternationalen Clostridienforschung. Das Göttinger Institut arbeitet weltweit mit zahlreichen nationalen Gesundheitsorga- nisationen zusammen – nicht überall wird dem Thema Botulismus so wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wie in Deutschland. So verwundert es nicht, daß auch zahlreiche Teilnehmer aus Asien, Arabien und Südamerika gerne der Einladung des Göttinger Wissen- schaftlers folgten. So berichtete Professor Dutra von der Universität Aracatuba in Brasilien von beträchtlichen Verlusten bei der Rinder- haltung im Lande. So kämen jedes Jahr rund zehn Prozent der 460 Millionen im Lande gehaltenen Tiere durch Botulis- mus zu Tode. – Ein Verlust der sicherlich nicht ausschließlich wirtschaftlicher Art ist. Die Tiere, die in großen Herden ge- halten werden, kommen zu tränken an Bodensenken, die sich mit Wasser gefüllt haben. Im Laufe der Zeit verschmutzen die Tiere ihre Tränke mit Erde und Fäka- lien – ein idealer Nährboden für Clostri- dium Botulinum, das unter Luftabschluß und hohen Außentemperaturen prächtig gedeihen kann, und dabei toxisch wird. Die nächsten Tiere, die von dem Wasser trinken, sterben, so sie nicht geimpft worden sind, unweigerlich. Weitaus weniger präsent sind die Fälle von Botulismus in der deutschen Land- wirtschaft. Sind die Verlust hier auch weitaus geringer, sie einfach zu ignorie- ren und sie unter „Verluste“ abzubuchen kann keine Lösung sein, auch keine öko- nomische. Die Bedeutung der Krankheit erkannt zu haben, scheinen dagegen vie- le Pferdezüchter und Pferdeliebhaber, die ihren Tieren mehr Liebe entgegen- bringen als der Mäster dem Schlachtvieh. Einige der geliebten und teuren Tiere waren an Botulismus gestorben, nach- dem sie Silagefutter gefressen hatten. Si- lagefutter ist vergorenes Rauhfutter, wel- ches zwecks Haltbarmachung unter Luft- abschluß zur Gärung gebracht wird. Je- doch können sich unter Luftabschluß Verschmutzte Tränke: Ein idealer Nährboden für Clostridium Botulinum Foto: 27 SPEKTRUM 2 / 98 Botulismus: Eine Gefahr gerade für Säuglinge BOTULISMUS BOTULISMUS Eine tödlic Eine tödlic he Gef he Gef ahr für Mensc ahr für Mensc h und T h und Tier ier SCHWERPUNKTTHEMA FORST, AGRAR + UMWELT

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Das von dem Bakterium Clostridium Bo-tulinum abgesonderte Gift ist das welt-weit tödlichste Toxin. Allein 1 Mikro-gramm reichen aus, um einen erwachse-nen Menschen zu töten. Bekannt durchLebensmittelvergiftungen bei Menschenund Futtermittelvergiftungen bei Tieren,erlangte das Bakterium in letzter Zeittraurige Bekanntheit durch Fälle, in denSäuglingen mit Honig gesüßten Tee zutrinken bekamen, der mit ClostridiumBotulinum verseucht war. Das Bakteri-um kommt im Boden vor, und gelangtvon dort über Pflanzen in die Nahrungs-kette von Mensch und Tier. Unter Luft-abschluß und bei Wärmezufuhr bildetdas Bakterium sein Gift. Die Kleinkindererkrankten schwer, einige starben an derKrankheit. Der Verdauungsapparat vonKinder im Alter bis zu einem Jahr istnicht in der Lage, sich erfolgreich gegendas Bakterium zu wehren, so wie es beiMenschen der Fall ist. Dieses Beispielzeigt besonders drastisch, wie unter-schätzt die Gefahr durch das Bakteriumist. Selbst in vermeintlich modernen undsicheren Zeiten findet der erstmals vorrund zweihundert Jahren entdeckte Er-reger seine Opfer.Nur drei Institute in Deutschland be-schäftigen sich noch mit der Erforschungvon Clostridium Botulinum, jedoch nurein Institut ist in der Lage Clostridienin-fektionen zu diagnostizieren und Impf-stoffe herzustellen, namentlich das „In-stitut für Pflanzenbau und Tierproduk-tion in den Tropen und Subtropen“ derGöttinger Universität. Denn obwohl Fäl-le von Botulismus meldepflichtig sind,setzen sich nur noch wenige Wissen-schaftler auf nationaler und internationa-ler Ebene mit dieser Thematik auseinan-der. So ist man vielerorts gar nicht in derLage, Fälle von Botulismus dediziert

nachzuweisen. – Impfstoffe gegen dieKrankheit werden sogar nur noch inGöttingen hergestellt, die von hier ihreVerbreitung in die ganzen Welt finden.

Der Leiter des Instituts, Professor HelgeBöhnel, war gleichzeitig Initiator undLeiter einer internationalen Tagung, diesich mit dem Thema Clostridien und Bo-tulismus beschäftigte. Die aus Mittelnder Europäischen Gemeinschaft geför-derte Veranstaltung im thüringischenTeistungen war die weltweit erste Veran-staltung ihrer Art – gleichwohl präsen-tiert die Teilnehmerliste den derzeitigenStand – nicht der nur europäischen – in-ternationalen Clostridienforschung. DasGöttinger Institut arbeitet weltweit mitzahlreichen nationalen Gesundheitsorga-

nisationen zusammen – nicht überallwird dem Thema Botulismus so wenigAufmerksamkeit entgegengebracht wiein Deutschland. So verwundert es nicht,daß auch zahlreiche Teilnehmer ausAsien, Arabien und Südamerika gerneder Einladung des Göttinger Wissen-schaftlers folgten.

So berichtete Professor Dutra von derUniversität Aracatuba in Brasilien vonbeträchtlichen Verlusten bei der Rinder-haltung im Lande. So kämen jedes Jahrrund zehn Prozent der 460 Millionen imLande gehaltenen Tiere durch Botulis-mus zu Tode. – Ein Verlust der sicherlichnicht ausschließlich wirtschaftlicher Artist. Die Tiere, die in großen Herden ge-halten werden, kommen zu tränken anBodensenken, die sich mit Wasser gefüllthaben. Im Laufe der Zeit verschmutzendie Tiere ihre Tränke mit Erde und Fäka-lien – ein idealer Nährboden für Clostri-dium Botulinum, das unter Luftabschlußund hohen Außentemperaturen prächtiggedeihen kann, und dabei toxisch wird.Die nächsten Tiere, die von dem Wassertrinken, sterben, so sie nicht geimpftworden sind, unweigerlich.

Weitaus weniger präsent sind die Fällevon Botulismus in der deutschen Land-wirtschaft. Sind die Verlust hier auchweitaus geringer, sie einfach zu ignorie-ren und sie unter „Verluste“ abzubuchenkann keine Lösung sein, auch keine öko-nomische. Die Bedeutung der Krankheiterkannt zu haben, scheinen dagegen vie-le Pferdezüchter und Pferdeliebhaber,die ihren Tieren mehr Liebe entgegen-bringen als der Mäster dem Schlachtvieh.Einige der geliebten und teuren Tierewaren an Botulismus gestorben, nach-dem sie Silagefutter gefressen hatten. Si-lagefutter ist vergorenes Rauhfutter, wel-ches zwecks Haltbarmachung unter Luft-abschluß zur Gärung gebracht wird. Je-doch können sich unter Luftabschluß

Verschmutzte Tränke: Ein idealer Nährboden für Clostridium Botulinum

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Botulismus: Eine Gefahr gerade für Säuglinge

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wiederum Clostridien entwickeln – wasin letzter Zeit einige der Reittiere dasLeben gekostet hat. Noch größer scheintdie Aufmerksamkeit in einem Arabi-schen Emirat zu sein, welches auf inter-nationaler Ebene mit dem Göttinger In-stitut zusammenarbeitet. Professor Böh-nel: „Ein teures Rennpferd kostet inDeutschland ca. 360 000 Mark – einRennkamel in Arabien 10 Millionen Dol-lar.“

Doch auch für den Tier- und Artenschutzhat die Clostridienforschung Bedeutung:In der Wesermarsch starben im vergan-genen Jahr hunderte von Wasservögelnan totem Fisch, der bei großer Hitze ver-dorben war. Allerdings ist es bedenklich,wenn sich das Interesse für ein stets ak-tuelles Thema, eine tödliche Krankheit,nur über vermeintlich übergeordneteThemen herstellen läßt. Das Beispielplötzlicher Kindstod zeigt, wie fatal diessein kann.

Clostridium Botulinum kommt zwarüberall auf der Welt vor, ist aber nichtzwangsläufig in allen Regionen verbrei-tet. In diesem Zusammenhang für beson-ders bedenklich hält Professor Böhnelu. a. das Düngen mit Hühnerkot, der ge-wohnheitsmäßig mit Clostridium Botuli-num versetzt sei. Da viele Hühnerfarmenden anfallenden Kot nicht in ausreichen-der Menge entsorgen könnten, verkaufeman ihn als Dünger: Beim Transport ingeschlossenen LKW könne sich auch hierdie Botulimus-Erreger prächtig vermeh-ren. Düngt man nun ein Feld in einer Re-gion, in der der Erreger üblicherweise

nicht im Boden zu finden ist, importiertman sich auf diese Weise eine gewichti-ges Problem. Man verseucht den Boden,die Bakterien gelangen dort in Gras undPflanzen, und in die Nahrungskette vonTier und Mensch.

„Andere Infektionskrankheiten habendem Botulismus den Rang abgelaufen“,konstatiert Professor Böhnel. Jedoch seieine Krankheit nicht allein deswegenschon verschwunden, das man sie igno-

riert. Allgemeinhin zeige sich ein gefähr-licher Trend, Infektionskrankheiten zuunterschätzen; schon heute liegt dieImpfrate in Deutschland unter der vielerDrittweltländer. Nicht nur AIDS undHepatitis können Menschen töten, auchBotulismus oder Wundstarrkrampf, undauch Kinderlähmung gibt es immer noch.

Das Verleugnen von Tatsachen schafftkeine neuen Tatsachen – und der Tod isteine sehr handfeste Tatsache. gf

28UNIVERSITÄT GÖTTINGEN

Alle vier Jahre findet eine Tagung derInternationalen Bodenkundlichen Ge-sellschaft (ISSS) statt. Dieses Mal war esder 16. Weltkongreß. Er wurde vom 20.bis 26. August in einem großzügigen mo-dernen Kongreß/Kulturpalast im süd-französischen Montpellier von der Fran-zösischen Bodenkundlichen Gesellschaftorganisiert und durchgeführt. Die über2000 aktiven Teilnehmer kamen aus über100 Staaten, die größte Gruppe natürlichaus Frankreich.

Aus Deutschland nahmen ca. 130 Wis-senschaftler teil.

Unter dem Generalthema „Mensch undBoden“ wurden am ersten Tag für alleTeilnehmer Grundsatzreferate eingelade-ner Experten vorgetragen. Dabei ging esum die Wissenschaft vom Boden an sich,

ihre Natur, ihre Ziele, Anwendungenund Nutzen für die menschliche Gesell-schaft sowie die Herausforderungen zuBeginn des 21. Jahrhunderts:Die Böden unterliegen weltweit zuneh-mendem Streß infolge der ständig wach-senden Weltbevölkerung, Verlusten anschützender Pflanzendecke (z. B. Abhol-zung), Klimaveränderungen und Um-weltverschmutzungen. Infolgedessenkommt es zu:– beschleunigter Bodenerosion– Voranschreitung der Wüstenbildung

durch unvorhersagbare Niederschläge,Überbeanspruchung des Landes durchWeidevieh, Fällen von Bäumen alsBrennmaterial

– irreversiblen Verlusten an nutzbaremLand durch die Industriealisierung und

Verstädterung ohne eine geordneteLandnutzungsplanung

– Verlagerung von Pestiziden und ande-ren Schadstoffen aus den landwirt-schaftlichen Flächen in die Gewässer

– Einträgen von Säuren in die Vegeta-tion, die Böden und die aquatischenLebensräume

– Akkumulation von toxischen Chemi-kalien in den Böden aus den industrie-ellen Prozessen sowie den Abfällender Industrie und der Kommunen

– Verunreinigung der Böden mit radio-aktiven Nukliden, deren Aufnahme indie Pflanzen und damit in die Nah-rung.

Zu diesen grundlegenden Problemen re-ferierten ein Bodenkundler aus Brasi-

DEN HERAUSFORDERUNGENDES 21. JAHRHUNDERTS BEGEGNENAnmerkungen zum 16. Bodenkundlichen Weltkongreß

Verbreitungsgebiet des Bakteriums in südamerikanischen Rinderzuchtgebieten

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lien, ein Boden-Physikochemiker aus denUSA, ein Bodenbiologe aus Afrika undein Acker- und Pflanzenbauer ausEuropa. In der anschließenden Debattekamen Experten sowohl aus derWissenschaft als auch aus politischenInstitutionen (Europäische Kommission,UNESCO,Weltbank), aber auch einFarmer (Philippinen) zu Wort. Ihm lagbesonders am Herzen, daß die Wissen-schaftler die Aufgabe sehen müssen,neues Wissen auch den kleinen Farmern,die nur über sehr beschränkte finanzielleMittel verfügen, zu vermitteln. Außer-dem sollten die Farmer stärker in dieForschungsaktivitäten integriert werden,damit die Akzeptanz von neuen Metho-den im Bodenmanagement erhöht wer-den kann.

Die Experten waren sich einig, daß dengroßen Herausforderungen nur durchdas gemeinsame Vorgehen von vielenDisziplinen, also mit einem holistischenAnsatz, begegnet werden kann. Es gehtum eine Ökosystembetrachtung auf loka-ler Ebene (z. B. Einzelbetrieb) für Regio-nen (z. B. Landschaften) und schließlichdie ganze Erde. Dabei ist aber ein Pro-blem besonders schwerwiegend. Die Bö-den mit natürlich hoher Fruchtbarkeitliegen im wesentlichen in den gemäßig-ten Breiten, während in weiten Gebietender Tropen infolge geringer Nährstoff-verfügbarkeit, nichtausreichender Nie-derschläge oder hoher Temperatur dielandwirtschaftliche Produktivität geringist und nur mit hohem Aufwand an Ener-gie und chemischen Produkten gesteigertwerden kann. Andererseits liegen in die-sen Gebieten die tropischen Regenwäl-der mit ihrer großen biologischen Viel-falt. Diese Situation macht klar, daß dieSicherung der biologischen Ressourcenauf dieser Erde nicht innerhalb derGrenzen eines Landes erfolgen kann,wenn gleichzeitig die Produktion vonNahrung unter nachhaltigen Bedingun-gen maximiert werden soll. Hier wirddeutlich, daß die Bodenwissenschaftenund alle anderen angewandten Diszipli-nen auch mit den Sozialwissenschaftenund den Institutionen bzw. Personen, diesozioökonomische Entscheidungen tref-fen, zusammen arbeiten müssen. Das istohne Zweifel eine berechtigte Forde-rung, die aber hohes persönliches Enga-gement verlangt. Für diese Zusammenar-beit wurde ein effektives kontinentalesund globales Netzwerk für den Informa-tionsaustausch gefordert.

An den weiteren fünf Kongreßtagenwurden 45 Symposien und sechs Work-shops abgehalten, d. h., es wurde zur glei-chen Zeit in sechs Räumen getagt. Au-ßerdem wurden in zwei Hallen täglichwechelnd mehrere Hundert Poster vor-gestellt. D. h., ein riesiges Informations-angebot stand zur Auswahl bereit.

Große Aufmerksamkeit galt dem Pro-blem der ausdauernden, nachhaltigenBodennutzung. Dabei ging es um die

Auswirkungen aller menschlichen Akti-vitäten auf die Böden und ihre Eigen-schaften sowohl in der Landwirtschaft alsauch in der Forstwirtschaft und dies inden verschiedensten Klimaregionen derWelt. Behandelt wurden u. a. Problemebei der Bemessung von Düngergaben zuden Feldfrüchten, den Weiden und Bäu-men entsprechend deren Ansprüchen,der Verfügbarkeit der Nährstoffe der Mi-neraldünger und Böden sowie der orga-nischen Quellen für die Pflanzen und dieMikroben (Bioverfügbarkeit). Die Pro-bleme der Anwendung von z. B. Klär-schlamm, Kompost, Flugasche undRückständen der Nahrungsmittelproduk-tion in einer nachhaltigen Landbewirt-schaftung wurden diskutiert. Die Hälfteder Symposia war Fragen gewidmet, diemit der Erhaltung der Ressource Bodenzu tun haben: Bodenbelastung, Boden-verseuchung, Bodensanierung, Land-beurteilung, Bewahrung der Vielfalt desBodenlebens einschließlich nationalerund internationaler Überwachungssyste-me. Da ging es um Kriterien zur Beur-teilung dieser Eigenschaften und die Be-wertung und Durchführbarkeit biolo-gischer, chemischer und physikalischerProzesse bei der Bodensanierung. Beivielen nährstoffverarmten Böden derTropen spricht man von der notwendigenRekapitalisierung der Bodenfruchtbar-keit. Während bei der Zufuhr von „billi-gem“ Stickstoff in den Boden durch ge-zielten Leguminosenanbau gute Resul-tate z. B. im nachfolgenden Maisanbauvorgeführt werden konnten, könnenPhosphor und Kalium nur durch Mine-raldünger ersetzt weden. Wenn aber in-folge wirtschaftlichen Zusammenbruchsganzer Volkswirtschaften wie z. B. in In-donesien, die Bauern kein Geld mehr fürMineraldünger haben, so kann der Ver-armung der Böden nicht begegnet wer-den. Eindrucksvoll waren Bilder vonhängigem Grasland (Indonesien), dessenGraswuchs infolge akuten Phosphorman-gels minimal war und damit der Erosionanheim fiel.

Einige Symposia befaßten sich mit denProblemen der wechelnden Landnutzungz. B. Abholzen der Wälder und Um-wandlung in Grasland und den Störun-gen im globalen Kohlenstoffhaushalt so-wie den Problemen der Wechselwirkungzwischen Böden und sich ändernden Kli-maverhältnissen.

Auf eine ganze Reihe spezifischer bo-denphysikalischer, -chemischer und -bio-logischer Fragen kann hier nicht einge-gangen werden. Es besteht kein Zweifel,daß die bodenkundliche Grundlagen-forschung genauso wichtig ist wie die an-gewandte, denn erst wenn grundlegendeProzesse verstanden werden, kann manin ihre Steuerung eingreifen und sie zurProblemlösung nutzen.

Hinzuweisen ist unbedingt auf die Vor-schläge der Experten, die junge Genera-tion mit dem Boden als integralen Be-

standteil der Biosphäre vertrautzuma-chen. Während verunreinigte Luft undWasser relativ leicht erkennbar sind,trifft dies für den Boden nicht zu. Wirbrauchen deshalb qualifizierte Lehrer inden Schulen, die mit den Schülern einfa-che praktische Übungen durchführenkönnen. Der Boden ist ein Objekt, mitdem die Schüler in die Konzepte der Bio-logie, Chemie, Physik und sogar in dieMathematik eingeführt werden können.Ökologische Arbeiten fördern das Nach-denken über die erhaltenswerte Erde.Ein gutes Beispiel in dieser Richtung istein mobiles Labor des Landes Nord-rhein-Westfalen, das vor dem Kongreß-gebäude besichtigt werden konnte undvon vielen Teilnehmern positiv bewertetwurde. Es war Teil einer umfangreichenAusstellung von Firmen mit Meß-, Ana-lysen- und Informationstechnik sowieeinschlägiger Verlage. Die Bodenkundlersind aufgefordert, Pädagogikstudendenund etablierten Lehrern, z. B. in Som-merkursen, praktikable Methoden derBodenwissenschaften nahezubringen.Das wäre ein guter Beitrag zur wissen-schaftlichen Ausbildung der Lehrer undzur Verbesserung des Images der Boden-kunde als lebensfähige, moderne techni-sche Disziplin.

Sowohl die Teilnehmer am Kongreß alsauch die Kollegen zu Hause werden nochgeraume Zeit brauchen, um all dasdurchzuarbeiten, was sie an gedrucktembzw. auf CD-ROM gespeichertem Mate-rial zur Verfügung haben, um es für sichund unser Land fruchtbar zumachen.

Der nächste Kongreß der nun in Interna-tionale Union der Bodenwissenschaften(IUSS) umgenannten Gesellschaft wirdim Jahr 2002 in Bangkok (Thailand)stattfinden. Wilhelm Römer

Karge Landschaft, erodierte Böden: der „Cir-que de Navacelles“ bei Montpellier, ein hunder-te Meter tief eingeschnittenes Tal der Vis

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