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Historischer Rückblick Ende des 19. Jahrhunderts wurde von Duplay der Begriff der Periarthritis humeroscapularisgeprägt, unter dem eine Vielzahl von Schulterpathologien inklusive der stei- fen Schulter zusammengefasst wurden. Von Codman stammte dann 1934 der Begriff der frozen shoulderals Bezeichnung für eine eingeschränkte Beweglichkeit des Gelenks mit noch unspezifischer Definition. Auch wenn zunächst Probleme im subakromialen Gleitraum als Ur- sache der Erkrankung vermutet wurden, zeigte sich bald, dass die zugrunde liegende Pathologie nicht dort, son- dern im Bereich der Kapsel liegt. Gut 10 Jahre später folgte von Neviaser der Ausdruck adhäsive Kapsulitis, der die von der Kapsel ausgehende und entzündlich bedingte Komponente der Erkrankung betont. Trotz der üblichen Verwendung des Begriffs einer adhä- siven Kapsulitis oder auch eines adhäsiven Subakromial- syndroms sind eigentliche Adhäsionen, z.B. zwischen Knorpeloberfläche und Synovia, nicht vorhanden. Die Schultersteife F. Dehlinger, B. Hollinger, T. Ambacher Der Begriff Schultersteife beschreibt nicht nur einen Zustand, sondern auch eine Erkrankung des Schultergelenks mit Ein- schränkung der Beweglichkeit in allen Ebenen. Verantwort- lich dafür ist eine Fibrosierung der Gelenkkapsel. Bei der Schultersteife wird eine primäre von einer sekun- dären Form unterschieden. Bei der primären oder idiopathi- schen Schultersteife kommt es aus unbekannten Ursachen zu einem typischen Verlauf in 3 Phasen mit unterschiedlich stark ausgeprägter Steifigkeit und Schmerzsymptomatik. Eine vollständige Ausheilung ist nach einer Krankheitsdauer von einigen Monaten bis wenigen Jahren möglich. Die se- kundäre Steife entwickelt sich nach Verletzungen, Operatio- nen oder im Rahmen anderer Schulter- oder systemischer Erkrankungen. Die Phasen sind oft nicht abgrenzbar, und es verbleiben öfter Restbeschwerden. Klinisch zeigt sich eine eingeschränkte glenohumerale Be- weglichkeit, zunächst der Außenrotation, später auch der Flexion, Abduktion und Innenrotation bei gestörtem skapu- lothorakalem Rhythmus. Zu Beginn bestehen ausgeprägte bewegungsabhängige und Ruheschmerzen. Röntgendiag- nostik und Ultraschall sind unauffällig, im MRT können sich Hinweise auf die Erkrankung ergeben. Die Therapie erfolgt stadienadaptiert, im Anfangsstadium steht die Schmerztherapie im Vordergrund, Interventionen sind kontraindiziert. In der 1. und 2. Phase kann eine Be- handlung mit oralen Steroiden mit guten Erfolgsaussichten erfolgen. Bei rückläufigen Schmerzen im weiteren Verlauf werden zunehmend Physiotherapie und eigenständige Deh- nübungen eingesetzt. Bei anhaltenden und inakzeptablen Beschwerden in der späten 2. und 3. Phase sowie bei der sekundären Steife ohne Besserung auf konservative Maß- nahmen besteht die Indikation zur arthroskopischen Arthro- lyse, wobei eine Kapsulotomie durchgeführt wird. Für eine offene Arthrolyse besteht dagegen keine Indikation mehr. Mit anschließender intensiver Physiotherapie lassen sich auf diese Weise gute Ergebnisse erzielen. Abkürzungen ACG Akromioklavikulargelenk CPM continuous passive motion CRPS chronic regional pain syndrome GIRD glenohumerales Innenrotationsdefizit HGF hepatocyte growth factor HLA human leucocyte antigen IgA Immunglobulin A IGF2 insulin-like growth factor 2 IGHL inferiores glenohumerales Ligament ISP Infraspinatus MGHL mittleres glenohumerales Ligament NSAID nichtsteroidale Antiphlogistika PDGF platelet-derived growth factor SGHL superiores glenohumerales Ligament SSC Subscapularis SSP Supraspinatus TENS transkutane elektrische Nervenstimulation TGF-β transforming growth factor β Die Schultersteife 115 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 10 Œ 2015 Œ 115 136 Œ DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-100698 Œ VNR 2760512015147122374 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

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Historischer Rückblick

Ende des 19. Jahrhunderts wurde von Duplay der Begriffder „Periarthritis humeroscapularis“ geprägt, unter demeine Vielzahl von Schulterpathologien inklusive der stei-fen Schulter zusammengefasst wurden. Von Codmanstammte dann 1934 der Begriff der „frozen shoulder“ alsBezeichnung für eine eingeschränkte Beweglichkeit desGelenks mit noch unspezifischer Definition. Auch wennzunächst Probleme im subakromialen Gleitraum als Ur-sache der Erkrankung vermutet wurden, zeigte sich bald,dass die zugrunde liegende Pathologie nicht dort, son-dern im Bereich der Kapsel liegt. Gut 10 Jahre späterfolgte von Neviaser der Ausdruck „adhäsive Kapsulitis“,der die von der Kapsel ausgehende und entzündlichbedingte Komponente der Erkrankung betont.

Trotz der üblichen Verwendung des Begriffs einer adhä-siven Kapsulitis oder auch eines adhäsiven Subakromial-syndroms sind eigentliche Adhäsionen, z.B. zwischenKnorpeloberfläche und Synovia, nicht vorhanden.

Die SchultersteifeF. Dehlinger, B. Hollinger, T. Ambacher

Der Begriff Schultersteife beschreibt nicht nur einen Zustand,

sondern auch eine Erkrankung des Schultergelenks mit Ein-

schränkung der Beweglichkeit in allen Ebenen. Verantwort-

lich dafür ist eine Fibrosierung der Gelenkkapsel.

Bei der Schultersteife wird eine primäre von einer sekun-

dären Form unterschieden. Bei der primären oder idiopathi-

schen Schultersteife kommt es aus unbekannten Ursachen

zu einem typischen Verlauf in 3 Phasen mit unterschiedlich

stark ausgeprägter Steifigkeit und Schmerzsymptomatik.

Eine vollständige Ausheilung ist nach einer Krankheitsdauer

von einigen Monaten bis wenigen Jahren möglich. Die se-

kundäre Steife entwickelt sich nach Verletzungen, Operatio-

nen oder im Rahmen anderer Schulter- oder systemischer

Erkrankungen. Die Phasen sind oft nicht abgrenzbar, und es

verbleiben öfter Restbeschwerden.

Klinisch zeigt sich eine eingeschränkte glenohumerale Be-

weglichkeit, zunächst der Außenrotation, später auch der

Flexion, Abduktion und Innenrotation bei gestörtem skapu-

lothorakalem Rhythmus. Zu Beginn bestehen ausgeprägte

bewegungsabhängige und Ruheschmerzen. Röntgendiag-

nostik und Ultraschall sind unauffällig, im MRT können sich

Hinweise auf die Erkrankung ergeben.

Die Therapie erfolgt stadienadaptiert, im Anfangsstadium

steht die Schmerztherapie im Vordergrund, Interventionen

sind kontraindiziert. In der 1. und 2. Phase kann eine Be-

handlung mit oralen Steroiden mit guten Erfolgsaussichten

erfolgen. Bei rückläufigen Schmerzen im weiteren Verlauf

werden zunehmend Physiotherapie und eigenständige Deh-

nübungen eingesetzt. Bei anhaltenden und inakzeptablen

Beschwerden in der späten 2. und 3. Phase sowie bei der

sekundären Steife ohne Besserung auf konservative Maß-

nahmen besteht die Indikation zur arthroskopischen Arthro-

lyse, wobei eine Kapsulotomie durchgeführt wird. Für eine

offene Arthrolyse besteht dagegen keine Indikation mehr.

Mit anschließender intensiver Physiotherapie lassen sich auf

diese Weise gute Ergebnisse erzielen.

Abkürzungen

ACG Akromioklavikulargelenk

CPM continuous passive motion

CRPS chronic regional pain syndrome

GIRD glenohumerales Innenrotationsdefizit

HGF hepatocyte growth factor

HLA human leucocyte antigen

IgA Immunglobulin A

IGF2 insulin-like growth factor 2

IGHL inferiores glenohumerales Ligament

ISP Infraspinatus

MGHL mittleres glenohumerales Ligament

NSAID nichtsteroidale Antiphlogistika

PDGF platelet-derived growth factor

SGHL superiores glenohumerales Ligament

SSC Subscapularis

SSP Supraspinatus

TENS transkutane elektrische Nervenstimulation

TGF-β transforming growth factor β

Die Schultersteife

115Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 10 Œ2015 Œ115–136 ŒDOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-100698 ŒVNR 2760512015147122374

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Des Weiteren bestehen auch keine floriden entzünd-lichen Infiltrate und keine Exsudation.

▸ Es handelt sich bei der Schultersteife vielmehr um eine

chronisch entzündliche Veränderung mit Verdickung und

Kontraktur bzw. zuletzt Fibrosierung des Kapselgewebes

mit konsekutiv vermindertem Gelenkvolumen und ent-

sprechend verringerter Bewegungsfähigkeit der beiden

Gelenkpartner.

Klassifikation

Es ist sinnvoll, eine primäre von einer sekundären Formder Schultersteife zu unterscheiden. Bei der primärenoder idiopathischen Schultersteife kommt es zu einerFibrosierung der Weichteile des Glenohumeralgelenksaus unbekannter Ursache mit häufig typischem Verlauf.Die sekundäre Form hingegen folgt einem spezifischenAuslöser, meistens einem Makrotrauma, aber auch rezi-divierende Mikrotraumata können ursächlich sein. Ope-rationen bzw. postoperative Veränderungen und andereSchultergelenkerkrankungen wie Rotatorenmanschetten-defekte oder die Tendinosis calcarea können ebenfallseine sekundäre Steifigkeit des Gelenks verursachen. Imenglischen Sprachraum wird diese Unterscheidung ver-deutlicht, indem die primäre Form als „frozen shoulder“und die sekundäre als „shoulder stiffness“ bezeichnetwird.

Beide Arten der Schultersteife haben Gemeinsamkeiten,aber auch Unterschiede, die im Folgenden näher erläutertwerden.

Primäre Schultersteife

Ursache und genaue Mechanismen der adhäsiven Kap-sulitis des Schultergelenks sind immer noch weitgehendunbekannt. Es wird heute davon ausgegangen, dass dieErkrankung im Bereich des Rotatorenintervalls und desLig. coracohumerale beginnt und sich dann über die ge-samte ventrale Kapsel bis nach kaudal und dorsal aus-breitet. Pathophysiologisch wurde zunächst vermehrtKollagen im Kapselgewebe und ein erhöhter Proteogly-kangehalt festgestellt, eine akute Entzündung und Betei-ligung des synovialen Gewebes liegt nicht immer bzw.nur zu Beginn der Erkrankung vor. Lymphzellinfiltrateund verminderte IgA‑Serumspiegel deuteten auf Auto-immunprozesse hin, immunologische Tests für die Diag-nose oder Therapie der frozen shoulder existieren jedochnicht.

Eine HLA‑B27-Assoziation wurde teilweise nachgewie-sen, in anderen Studien aber auch bestritten. Histologischzeigen sich eine aktive Fibroblastenproliferation, Kolla-genknoten und eine Myofibroblastentransformation, so-dass die Theorie zur Erkrankung, die heute von denmeisten Autoren gestützt wird, eine Fibrose der Gelenk-kapsel ist.

An den frühen entzündlichen Stadien sind Zytokine wieTGF-β („transforming growth factor“), PDGF („platelet-derived growth factor“) und HGF („hepatocyte growthfactor“) beteiligt. Wie beim Morbus Dupuytren findensich erhöhte β‑Catenin- und IGF2-Spiegel in Gewebe-proben bei der primären Schultersteife.

▸ Es existieren diverse Definitionen der Schultersteife.

Da Unklarheiten bestehen, ob die Beweglichkeit des

Armes gegenüber dem Körper oder isoliert des Humerus

gegenüber der (fixierten) Skapula gemessen und welche

bzw. wie viele Bewegungsebenen zur Diagnose heran-

gezogen werden sollten, gibt es keine allgemeingültigen,

das Ausmaß der Bewegungseinschränkung betreffenden

Kriterien.

n Bei einer Limitierung der Flexion auf 90–110° kannvom Vollbild einer Schultersteife gesprochen werden.

n Für mittelschwere Befunde wurde eine Reduktion derInnenrotation von 10–15°, der Abduktion von 45°sowie der Außenrotation von 60–70° beschrieben.

n Nicht allgemein definiert oder in der Literatur be-schrieben, aber im klinischen Sprachgebrauch dochverwendbar ist der Begriff der Teilschultersteife (oderSchulterteilsteife), der mit einer Einschränkung derFlexion/Elevation auf 120–150° verbunden ist. ImGegensatz zum Begriff der Blockierung sind alleBewegungsebenen betroffen.

Übersicht

„Schultersteife“

n primäre/idiopathische Schultersteife

(adhäsive Kapsulitis, frozen shoulder)n sekundäre Schultersteife (shoulder stiffness)

– posttraumatisch

– postoperativ

– bei primär anderer Schultererkrankung

(Subakromialsyndrom, Rotatorenmanschettendefekt,

Tendinosis calcarea etc.)

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Von Kessel (1982) wurden notwendige und ausreichendediagnostische Kriterien für eine idiopathische Schulter-steife beschrieben (s.Checkliste).

Epidemiologie

Die Inzidenz liegt bei ca. 2% der Bevölkerung, die Er-krankung tritt gehäuft bei Frauen zwischen dem 40. unddem 60. Lebensjahr auf, hier steigt die Inzidenz auf bis zu5%. Das Durchschnittsalter bei Männern und Frauen liegtbei ca. 50 Jahren. Die Häufung bei Frauen um die Meno-pause legt einen hormonellen Zusammenhang nahe,dieser konnte aber bisher nicht eindeutig nachgewiesenwerden.

Ein beidseitiges Auftreten wird – in der Regel metachron– in 20–30% der Fälle beobachtet, hingegen werdenRezidive nach ausgeheilter Kapsulitis nicht beschrieben.

Eine Reihe von internistischen Erkrankungen wird ge-häuft bei weiblichen und männlichen Patienten mitadhäsiver Kapsulitis beobachtet (s. Infobox). Insbeson-dere besteht eine hohe Koinzidenz mit Diabetes mellitusmit bis zu 30% (insulinabhängig > nicht insulinabhängig).

▸ Eine primäre Schultersteife ist die häufigste diabeti-

sche Begleiterkrankung des Bewegungsapparates an der

oberen Extremität und kann die Erstmanifestation des

Diabetes sein. Umgekehrt ist eine gute Einstellung des

Diabetes mellitus ein wichtiger Baustein der Behandlung

einer diabetischen Schultersteife.

Das gehäufte gleichzeitige Auftreten eines MorbusDupuytren mit auch ähnlichen histologischen Verände-rungen einer vermehrten Fibrosierung des Bindegewebesgibt Hinweise auf eine systemische Komponente derKrankheit.

Auch wenn in wenigen Studien psychiatrische Erkran-kungen wie Depressionen und Angststörungen gehäuftzu finden waren, sind bei den Patienten mit primärerSchultersteife meist keine Unterschiede zur Normalbe-völkerung festzustellen. Ob mögliche psychische Verän-derungen Ursache oder Folge der Schmerzen sind, ist oftnicht zu klären.

Stadien

Die primäre Schultersteife verläuft klassischerweise in3 Stadien, die erstmalig von Reeves (1975) beschriebenwurden (Abb. 1).

Checkliste

Diagnostische Kriterien der primären/idiopathischen Schultersteife nach Kessel (1982)

anamnestisch eingeschränkte Schulterbeweg-lichkeit ohne relevantes Trauma oder Operationin der Vorgeschichte

klinisch Steifigkeit in allen Ebenen (ohne Verlustvon Kraft, Stabilität oder glatten Gelenkober-flächen)

unauffällige Röntgenaufnahmen mit normalemGelenkspalt und ohne fokale periartikuläreAbnormitäten (Osteopenie möglich)

Übersicht

Mit Kapsulitis assoziierte Begleiterkrankungen

n Diabetes mellitusn Schilddrüsenfunktionsstörungen

(Über- und Unterfunktion)n Fettstoffwechselstörungenn Apoplexn Morbus Dupuytren

III III

Schmerz

Steife

Abb. 1 n Schematisierter, zeitlich versetzter Verlauf von Schmerz und Bewegungseinschrän-kung bei den 3 Phasen der frozen shoulder.

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n Die 1. Phase ist durch zunehmende Schulterschmer-zen gekennzeichnet, die oft plötzlich innerhalb vonTagen bis Wochen beginnen. Im Gegensatz zur sekun-dären Steife finden sich kein Makrotrauma und keineOperation als Auslöser. Aus einem Kausalitätsbedürf-nis heraus werden manchmal Bagatelltraumata oderbesondere Belastungen von den Patienten angegeben.Das Ausmaß der Bewegungseinschränkung des Ge-lenks nimmt langsam zu. Die Dauer der ersten Phasebeträgt 2–10 Monate.

n In der 2. Phase erreicht die Steifigkeit ihren Höhe-punkt, die Schmerzen lassen langsam nach. Die Be-hinderung durch die fehlende Beweglichkeit steht imVordergrund, Ruheschmerzen sind nicht mehr vor-handen, aber noch bewegungsabhängige Schmerzen.Die 2. Phase dauert 3–12 Monate.

n Die letzte Phase ist durch eine langsame Besserung derBeweglichkeit und weiter rückläufige Schmerzen ge-kennzeichnet, sie kann 5–24 Monate dauern, seltenauch länger.

▸ Im Englischen werden diese Stadien der primären

Schultersteife plastisch mit „freezing“, „frozen“ und

„thawing phase“ beschrieben.

Eine vollständige Wiederherstellung – Restitutio ad inte-grum – ist bei der adhäsiven Kapsulitis häufig möglich.Verbesserte, aber noch vorhandene Bewegungsein-schränkungen und Schmerzen mit unterschiedlicherAusprägung können jedoch auch lange oder dauerhaftverbleiben. In Studien wurde ein Anteil von 20–30%Restbeschwerden festgestellt, dieser Anteil ist bei dersekundären Schultersteife höher.

Sekundäre Schultersteife

Posttraumatisch

Die sekundäre Form der Schultersteife entspricht mehreiner Kombination unterschiedlicher Ursachen. Für dieseForm der Schultersteife liegen deutlich weniger epi-demiologische Daten vor.

Die Bewegungseinschränkung nach einem Trauma odereiner Operation kann Adhäsionen in den extraartikulärenhumeroskapulären Kontaktflächen, Kontrakturen dermuskulotendinösen Einheiten oder eine Fibrosierung derGelenkkapsel anzeigen. Ist bei der primären Schulterstei-fe der subakromiale Gleitraum häufig unauffällig bzw. amKrankheitsbild nicht beteiligt, finden sich bei den sekun-dären Formen hier oft Adhäsionen.

Typische auslösende Verletzungen sindn proximale Humerusfrakturen,n schwere Weichteilverletzungen undn Rotatorenmanschettenrupturen, oft verbunden mit

einer langen Ruhigstellungsdauer.

Nach schultergelenknahen Humerusfrakturen führt diebindegewebige Umwandlung des Hämatoms zu einerBewegungseinschränkung. Hier besteht ein Zusammen-hang zum Alter des Patienten: Das Risiko einer post-traumatischen Schultersteife steigt mit zunehmendemLebensalter deutlich an.

Postoperativ entstehen Vernarbungen im Bereich deroperativen Zugangswege, z.B. an der SSC‑Sehne nachventraler Arthrotomie mit SSC‑Tenotomie. Teils ist je-doch vor allem nach offenen Eingriffen auch der kom-plette subdeltoidale Gleitraum praktisch von Narben-gewebe ausgemauert.

Außerdem kommt es durch eine Ruhigstellung des

Gelenks (schmerzbedingt nach Trauma oder Operation,iatrogen verordnet bei konservativer Frakturtherapieoder postoperativ, aber auch z.B. im Rahmen einer Lang-zeitbeatmung) zu einer Kapselschrumpfung, die sich nurlangsam oder gar nicht mehr zurückbildet. Dies scheintsich beim Schultergelenk mit seinem großen Bewe-gungsumfang und seinen weiten Recessus articularisrelativ schnell und deutlich zu manifestieren.

▸ Der Verlauf der sekundären Schultersteife orientiert

sich nicht an den 3 Phasen der frozen shoulder. Die Dauer

der Erkrankung ist weniger gut vorherzusagen, und es ver-

bleiben häufiger Einschränkungen und Restbeschwerden.

Auch nach Luxationen kann sich im Verlauf eine post-traumatische Schultersteife entwickeln. Stellt sich einjüngerer Patient 4–6 Wochen nach einer Luxation mitden typischen Folgen im MRT (Bankart-Läsion, Hill-Sachs-Delle, keine Rotatorenmanschettenruptur) und mitanhaltenden oder zunehmenden Schmerzen vor, und esfindet sich passiv eine eingeschränkte Beweglichkeit,sollte auf jeden Fall von einer Stabilisierung Abstand ge-nommen werden. Das Rezidivluxationsrisiko ist bei die-sen Patienten als sehr gering einzustufen, die kranken-gymnastische Behandlung zur Wiederherstellung einesnormalen Bewegungsumfangs steht hier klar im Vorder-grund. Bei fehlenden Fortschritten ist bei diesen Patien-ten dann entsprechend eine arthroskopische Arthrolyseund keine Stabilisierung indiziert.

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Manchmal lassen sich aber auch makroskopisch bzw. imMRT nach einem direkten oder indirekten Trauma desSchultergelenks keine Verletzungsfolgen feststellen, undtrotzdem kann es nach zunächst nur geringen SchmerzenTage bis Wochen nach dem Trauma zu zunehmendenSchmerzen und dann auch Bewegungseinschränkungenwie bei der klassischen frozen shoulder kommen. Warumund wie dieser Reiz als Auslöser funktioniert,ist nicht bekannt, die Übergänge zwischen primärer undposttraumatischer Schultersteife sind hier fließend.

Tab. 1 zeigt die Unterschiede zwischen der primären undder sekundären Schultersteife im Überblick.

Postoperativ

Auch nach Schulteroperationen kann es zur Entwicklungeiner Schultersteife kommen. Nach offenen Eingriffen er-klärt sich dies durch Narbenbildung, insbesondere beibegleitender langer Ruhigstellung des Gelenks oderschmerzbedingter übermäßiger Schonung. Ebenso kannsich aber eine Steifigkeit auch nach arthroskopischenOperationen entwickeln, wobei nicht zwingend ein Zu-sammenhang mit der Größe oder Dauer des Eingriffs be-steht. Bei arthroskopischen Rotatorenmanschettennähtenoder Kalkentfernungen muss z.B. mit einer Häufigkeitvon ca. 2–5% mit dieser Komplikation gerechnet werden.Bemerkbar macht sie sich durch anhaltende bzw. zuneh-mende Schmerzen auch 4–6 Wochen postoperativ, vorallem auch Ruhe- und nächtliche Schmerzen, sowie einepassiv eingeschränkte Beweglichkeit mit schmerzhaftemAnschlag. Arthroskopisch zeigt sich bei einer Revisionzunächst eine ausgeprägte Synovitis mit Rötung, späterdann mit Übergang zu einer ligamentären und kapsu-lären Fibrodysplasie, analog zur frozen shoulder.

▸ Cave: Eine übermäßig aggressive Physiotherapie ohne

Respektierung der Schmerzgrenze oder auch zu frühe

Kräftigungsübungen scheinen diese Komplikation zu

fördern.

Therapeutisch kommen physio- und manualtherapeu-tische Behandlungen im schmerzarmen Bereich mitDehnübungen und ohne Belastung oder Widerstands-übungen zum Einsatz. Auch eine intraartikuläre oderorale Kortisontherapie ist möglich, allerdings mit weni-ger guten Erfolgschancen als bei der primären Schulter-steife im frühen Stadium. Das Vorhandensein von Ruhe-schmerzen als Zeichen eines entzündlichen Vorgangskann als Hinweis auf das eventuelle Ansprechen auf eineKortisontherapie interpretiert werden, wohingegen aus-schließlich bewegungsabhängige Beschwerden erfah-rungsgemäß weniger gut ansprechen.

Nach Rotatorenmanschettennähten finden sich als Ursa-che von Bewegungseinschränkungen auch rein narbigeVeränderungen ohne synovitische/kapsulitische Kom-ponente; eine eindeutige Differenzierung ist meist nurintraoperativ möglich (Abb. 2). Bei fehlenden Fortschrit-ten ist bei beiden Formen im Verlauf die Indikation zurRearthroskopie zu stellen, bei ca. 80% der Patienten solltesich damit eine Verbesserung von Beweglichkeit undSchmerzen erreichen lassen.

Tabelle 1

Unterschiede zwischen der primären und der sekundären Schultersteife.

primäre Schultersteife sekundäre Schultersteife

Verlauf typischer phasenhafterVerlauf

Phasen nicht immer abgrenzbar

Selbstheilungstendenz gut gering

Dauer 6 Monate bis 2 Jahre(selten auch länger)

ungewiss

Abb. 2 n Endoskopischer Blick über ein dorsales Standardportal in den subakromialenGleitraum einer rechten Schulter, unten links die Oberfläche der Rotatorenmanschette/Supraspinatussehne nach Mini-open-Naht ohne Reruptur, aber mit ausgeprägten narbigenBridensträngen zur Unterfläche des M. deltoideus (oben im Bild), von lateral (rechts) Beginnder Adhäsiolyse mit dem Shaver.

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Bei anhaltender Bewegungseinschränkung nach arthro-skopischen Stabilisierungen ist die Unterscheidung zwi-schen Schultersteife durch exzessive Narbenbildung oderFibrosierung der ventralen Kapsel und einer operations-technisch bedingten übermäßigen vorderen Kapsel-raffung im Rahmen der Labrumrefixierung ebenfallsschwierig. Beide Formen können in Abhängigkeit vomVerlauf durch eine arthroskopische Arthrolyse bzw.Kapsulotomie behandelt werden.

Des Weiteren werden auch nach Operationen ohneBeteiligung des Schultergelenks wie bei Eingriffen amGehirn, an Thorax und Abdomen und bei Mamma-OPspostoperative Schultersteifen beschrieben, ohne dass diegenauen Zusammenhänge bekannt wären. Teils konntenRisikofaktoren identifiziert werden. Auch nach Schädel-Hirn-Traumata und ‑Blutungen besteht eine erhöhteInzidenz von Schultersteifen.

▸ Inaktivität und Nichtgebrauch spielen eine wichtige

Rolle, sodass bei all diesen Patienten frühe passive

Bewegungen und frühe eigene Übungen zur Prävention

angezeigt sind.

Ferner sind medikamentös induzierte Formen der Schul-tersteife – durch Einnahme von Proteaseinhibitoren wieVirostatika und Metalloproteasen – beschrieben.

Folge anderer Schultererkrankungen

Eine weitere sekundäre Form besteht in der Entwicklungeiner Schultersteife im Rahmen einer primär anderenSchultergelenkerkrankung. So kann ein einfaches Sub-akromialsyndrom mit Bursitis oder ein Rotatorenman-schettendefekt zu einer sekundären Schultersteife füh-ren. Der Leitbefund ist wiederum eine eingeschränktepassive Beweglichkeit, die nicht zu den primären Krank-heitsbildern gehört.

Die Therapie sollte sich dann in erster Linie nach derSchultersteife richten, ähnlich wie bei den anderensekundären Formen und auch der idiopathischen Kapsu-litis; zunächst mit konservativen, ggf. im Verlauf auchmit operativen Mitteln.

Diagnostisches Vorgehen

Anamnese

▸ Zur Unterscheidung der primären und der sekundären

Schultersteife ist die Anamnese das wichtigste Instru-

ment.

Die primäre Form und damit die klassische adhäsiveKapsulitis beginnt oft plötzlich und rasch zunehmend mitSchmerzen im Schulterbereich. In der Initialphase stehendie Schmerzen im Vordergrund, diese werden als heftige,oft messerstichartig einschießende Schmerzen tief imGelenk verspürt, die sich bei Bewegung verstärken, aberauch nachts und in Ruhe ein hohes Ausmaß annehmenund zu Schlafstörungen führen können. Die Bewegungs-einschränkung wird in diesem Stadium weniger wahr-genommen.

Bei meist unvermindert anhaltenden Schmerzen wirddiese jedoch im 2. Stadium immer deutlicher. Zunächstist meist die Rotation betroffen, einfache Außenrotati-onsbewegungen wie der Griff nach einer Türklinke odernach einem Gegenstand auf der Rückbank eines PKWssind mit massiven Schmerzen verbunden und nicht mehrmöglich. Wenn die Innenrotation ebenfalls betroffen ist,kann der Schürzengriff nicht mehr durchgeführt werden,Frauen berichten oftmals von der Unmöglichkeit, denBH‑Verschluss zu erreichen.

Im weiteren Verlauf ist dann auch die Flexion und dieAbduktion eingeschränkt, verbunden mit Schwierigkei-ten bei Tätigkeiten oberhalb der Horizontalen wie Ge-genstände aus einem hohen Schrank zu nehmen odersich die Haare zu kämmen. Im Rahmen der „frozenphase“ lassen die Schmerzen bei Zunahme der Bewe-gungseinschränkung langsam nach. Bei rückläufigenSchmerzen können sich viele Patienten an die Einschrän-kungen anpassen und kommen damit zurecht, je nachAusmaß und zeitlicher Entwicklung wird aber auch indiesem Stadium oft der Arzt konsultiert.

Klinik

▸ Die Schultersteife ist eine klinische Diagnose.

Die Diagnose bzw. zumindest der dringende Verdacht aufeine Schultersteife kann bereits bei der klinischen Unter-suchung gestellt werden. Die Schmerzen werden von denPatienten oft dorsal am Schultergelenk lokalisiert, aberauch laterale, ventrale oder diffuse Schulterschmerzensind möglich. Typisch ist auch eine Ausstrahlung in den

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Oberarm oder bis zum Ellenbogen. Muskuläre Beschwer-den im Bereich des Schulterblatts können ebenfalls vor-handen sein. Es kann eine schmerzbedingte Schonhal-tung mit Schulterhochstand der betroffenen Seitevorliegen.

▸ Das auffälligste inspektorische Merkmal ist der

gestörte skapulothorakale Rhythmus.

Bewegungen im Schultergelenk sind immer Kombinatio-nen der verschiedenen Teilgelenke des Schultergürtels,also von glenohumeralem und akromioklavikulärem Ge-lenk sowie den funktionell einem Gelenk entsprechen-den Gleiträumen zwischen Rotatorenmanschette undakromiohumeralem Bogen bzw. zwischen der Skapulaund dem Thorax. Eine Elevations- oder Abduktions-bewegung findet zu ca. ⅓ im skapulothorakalen Gleit-raum und zu ⅔ zwischen Humerus und Skapula statt,wobei zu Beginn der Bewegung aus der Neutralstellungheraus der glenohumerale Anteil überwiegt.

Bei der Betrachtung des Schultergürtels beim entkleide-ten Patienten von dorsal und der Aufforderung zurgleichzeitigen Abduktion beider Arme kommt es auf dererkrankten Seite bei der Schultersteife aufgrund der ein-geschränkten glenohumeralen Beweglichkeit bereits vonBeginn an zu einer Mitbewegung der Skapula (Abb. 3).Alternativ kann die skapulohumerale Beweglichkeit ge-testet werden, während die Skapula mit einer Hand fi-xiert und dann das Ausmaß der möglichen Abduktion imSeitenvergleich untersucht wird (auf der erkrankten Seiteoft nur 30°).

Auch eine Bewegungseinschränkung im Gleitraum derRotatorenmanschette, z.B. durch postoperative Narben-bildung führt zu diesem gestörten Skapularhythmus,allerdings meist weniger ausgeprägt. Eine Einschränkungder Elevation/Abduktion durch eine fehlende Beweglich-keit im skapulothorakalen Gleitraum bei normal beweg-lichem Glenohumeralgelenk ist hingegen eine Raritätund kann z.B. nach ausgedehnten Skapulakorpusfrak-turen beobachtet werden.

▸ Bei der Palpation findet sich oft ein Druckschmerz

über dem AC‑Gelenk.

Beim Vollbild einer Schultersteife ist dies als Folge dereingeschränkten glenohumeralen Beweglichkeit und derdurch den gestörten Bewegungsablauf vermehrtenDruckbelastung des ACG und nicht als eigene AC‑beding-te Erkrankung zu sehen. Außerdem können – teilsabhängig von der zugrunde liegenden Pathologie –

Druckschmerzen am ventralen Humeruskopf oder amSSP‑Ansatz verspürt werden.

Zur Diagnose einer Schultersteife gehört weiterhin eineEinschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeitdes Schultergelenks, verglichen mit der gesunden Ge-genseite bzw. den alters- und geschlechtsspezifischenDurchschnittswerten. Nach der Neutral-Null-Methodewerden insbesondere Flexion und Abduktion sowieAußen- und Innenrotation beurteilt. Retroversion undAdduktion sind am Schultergelenk von untergeordneterBedeutung.

▸ Die adhäsive Kapsulitis beginnt typischerweise mit

einer Verminderung der Außenrotation, gefolgt von einer

Abnahme der Abduktion bzw. auch Flexion und dann

der Innenrotation. Dies wird auch als Kapselmuster nach

Cyriax bezeichnet.

Nicht ungewöhnlich sind Werte von 0° Außenrotation(oder selbst negativen Werten bei Unmöglichkeit desErreichens der Neutralstellung) bei 50° oder mehr derGegenseite. Der normale Befund einer mit zunehmender

Abb. 3 n 43-jähriger Patient mit Schultersteife links und gestörtem skapulothorakalemRhythmus. a Ausgangsstellung. b Abduktion fast ausschließlich durch Rotation der Skapulabei eingeschränkter glenohumeraler Beweglichkeit.

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Flexion geringeren Außenrotationsfähigkeit kann ver-stärkt beobachtet werden, sodass der Arm bei zuneh-mender Flexion praktisch in eine Innenrotation gezwun-gen wird. Dies scheint vor allem bei stark fibrosiertemMGHL als Ursache der Steifigkeit der Fall zu sein.

Sehr selten kann eine (alte) SSC‑Sehnenruptur mit ver-mehrter Außenrotationsfähigkeit eine beginnende Steifeder Gegenseite vortäuschen und muss differenzialdiag-nostisch ausgeschlossen werden.

Eine reine Begrenzung der aktiven Beweglichkeit mitpassiv freiem Bewegungsumfang wie bei Rotatoren-manschettendefekten sollte durch die klinische Unter-suchung unterschieden werden. Bei der Schultersteifefindet sich ein – je nach Stadium der Erkrankung mehroder weniger schmerzhafter – auf kurzer Strecke federn-der und „fester Anschlag“ bei der Überprüfung der pas-siven Beweglichkeit, der Anschlag ist in einer frühenKrankheitsphase eher weich, später eher hart. Teils kön-nen jedoch ausgeprägte Schmerzen die Aussagekrafteiner Untersuchung einschränken, sodass keine Feststel-lung getroffen werden kann, ob das Gelenk passiv freibeweglich ist. Eine Unterscheidung, ob es sich um eineschmerzbedingte oder „anatomisch bedingte“ Bewe-gungseinschränkung handelt, ist dann nur im Rahmeneiner Narkoseuntersuchung unter Ausschaltung derSchmerzen möglich.

Aufgrund der begleitenden Schmerzen ist die Aus-sagekraft der üblichen Funktionstests bezüglich einesImpingements oder der Rotatorenmanschettentests be-grenzt. Die Impingement-Tests nach Neer und Hawkinswerden bei einer Kapsulitis im Stadium 1 oder 2 immerschmerzhaft und damit positiv sein, ohne dass sie alsZeichen eines Engpasssyndroms interpretiert werdensollten.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnosen sind vor allem die primäre Omar-throse, die zwar ebenfalls mit einer passiven Bewe-gungseinschränkung einhergeht, aber radiologisch ab-gegrenzt werden kann und die nicht zu den sekundärenSteifigkeiten gezählt wird, außerdem Monarthritiden ausdem rheumatischen Formenkreis, die anamnestisch undlaborchemisch unterschieden werden können, und letzt-lich Gelenkinfekte, die über MRT und Keimnachweis(Punktion, operativ) diagnostiziert werden.

Bei postoperativ anhaltenden und übermäßigen Schmer-zen ist eine wichtige Differenzialdiagnose noch das chro-nisch regionale Schmerzsyndrom. Beim CRPS (Morbus

Sudeck) liegen jedoch begleitende dystrophe Störungendes gesamten Armes vor, die nicht nur auf die Schulterbeschränkt sind.

Bildgebung

Per Definition ist bei der primären Schultersteife diebildgebende Diagnostik mit Röntgen unauffällig. Rönt-genaufnahmen in 2 (true a.–p. und axial) bzw. 3 Ebenen(mit Y‑Aufnahme) sind in jedem Fall anzufertigen, daeine der wichtigsten Differenzialdiagnosen die primäreOmarthrose ist, die sich anamnestisch und klinisch sehrähnlich wie eine frozen shoulder präsentieren kann. Eineseltenere Differenzialdiagnose mit ähnlicher Bewegungs-einschränkung nach einem Trauma ist eine verhakte hin-tere Luxation, die sich ebenfalls nativradiologisch oderspätestens in der Schnittbilddiagnostik abgrenzen lässt.Radiologisch können zusätzlich knöchern bedingte Fehl-stellungen oder Dysplasien ausgeschlossen werden,ebenso eine begleitende bzw. ursächliche Kalkschulter.In ausgeprägten chronischen Situationen ist eine Osteo-penie bzw. Inaktivitätsosteoporose erkennbar, dann istauch die Skelettszintigrafie positiv.

Auch die Sonografie dient bei der klassischen Kapsulitisnicht zur Bestätigung der Diagnose, sondern dem Aus-schluss der wichtigen Differenzialdiagnosen wie Rotato-renmanschettendefekten und Omarthrose. Erstere sinddirekt sichtbar, Letztere zeigen sich z.B. durch nachweis-bare Osteophyten und Gelenkerguss.

Die MRT kann zwar einige Hinweise auf die Diagnoseliefern, aber sichere Kriterien existieren nicht. Zur Diag-nostik der Kapsulitis in der Magnetresonanztomografieexistieren mehrere Studien. Teils kann eine vermehrteFlüssigkeitsansammlung und damit Signalanhebung inden ventralen kapsuloligamentären Strukturen und imRotatorenintervall gesehen werden (Abb. 4). Eine Ver-dickung des Lig. coracoacromiale und der Kapsel im Be-reich des Intervalls, peritendinöse Veränderungen derlangen Bizepssehne, eine Obliteration des Fettanteilszwischen Akromion und Lig. coracoacromiale sowieVeränderungen des Recessus capsularis mit reduziertemVolumen können weitere – ebenfalls unspezifische –

MR‑tomografische Zeichen einer adhäsiven Kapsulitissein.

Atrophien der Muskulatur der Rotatorenmanschetteohne begleitende Sehnendefekte können in ausgeprägtenStadien vorhanden sein. Hierbei muss aber auch an dieseltene neuralgische Schulteramyotrophie gedacht wer-den. Insgesamt liegt bei der MRT der Vorteil in ersterLinie in der Feststellung bzw. dem Ausschluss von Diffe-

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renzialdiagnosen. Im Rahmen von statischen Bilderneines Gelenks kann selbstverständlich das Ausmaß einerBewegungseinschränkung als wichtigstes Merkmal derSchultersteife nicht wiedergegeben werden.

Die Computertomografie hat ihren Stellenwert haupt-sächlich in der posttraumatischen Situation, z.B. umknöcherne Fehlstellungen nach Frakturen oder die Lagevon Implantaten nach Osteosynthesen genau wieder-zugeben.

Invasive diagnostische Maßnahmen wie die Arthrografie,die ein reduziertes intraartikuläres Gelenkvolumen undeinen verminderten Recessus axillaris nachweisen kann,werden heute nicht mehr eingesetzt.

Therapeutisches Vorgehen

Die Therapie richtet sich nach der Krankheitsphase beider primären Schultersteife und berücksichtigt dieUrsachen bei der sekundären Form, sie muss wie immerauf die individuellen Verhältnisse des Patienten abge-stimmt werden. Der Schweregrad und die Dauer derSchmerzen und der Bewegungseinschränkungen müssenbeachtet werden, um eine über- oder untertriebene The-rapie zu vermeiden. Das therapeutische Spektrum reichtvon abwartendem Verhalten ohne spezifische Maßnah-men („skillful neglect“) über Schmerzmedikation mitNSAID, Kortisoninjektionen und orale Kortisontherapiefür unterschiedlich lange Zeiträume, Krankengymnastik,

manuelle Therapie und eigenständige Übungen bis hin zuinvasiveren Maßnahmen wie geschlossener Mobilisie-rung oder Kapseldistension und operativer Therapie mitoffenen und arthroskopischen Verfahren.

▸ Trotz zunehmendem Bekanntheitsgrad und verbesser-

tem Verständnis der Erkrankung finden sich überra-

schend oft Patienten mit bereits längerer Krankheits-

geschichte und mehreren Arztkontakten, bei denen die

korrekte Diagnose noch nicht gestellt wurde.

Wichtig ist in jedem Fall eine ausführliche Aufklärung desPatienten über die Art der Erkrankung, die zumindest beider primären Form trotz des teilweise langen Verlaufsgutartige Prognose und über mögliche Therapieoptionen.Eine definierte Diagnose und Informationen über Ur-sachen und Aussichten sind für viele Patienten für dieAkzeptanz und Bewältigung bereits äußerst hilfreich.

Konservative Therapie

Ziel der Behandlung ist entsprechend der Hauptsympto-matik eine rasche Schmerzreduktion sowie eine Verbes-serung der Beweglichkeit mit Wiederherstellung einernormalen Schulterfunktion. Es sollte die Verkürzung derteils langen Krankheitsverläufe angestrebt werden. Füreine Vielzahl von Maßnahmen – wie Wärme und Kälte,Schonung und Aktivität, Analgetika und NSAID, Massage,Chiropraxis, Triggerpunktbehandlung, Iontophorese,extrakorporale Stoßellentherapie, N.-suprascapularis-Blockaden, Ultraschall und TENS sowie Röntgenreiz-

Abb. 4 n Axiale T2-gewichtete MRT‑Aufnahmen eines linken Schultergelenks mit primärer Schultersteife und vermehrter Signalanhebung/Flüssig-keitsansammlung in den ventralen und dorsalen kapsuloligamentären Strukturen sowie im Bereich des Rotatorenintervalls.

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bestrahlung –wurde eine geringe oder moderate positiveBeeinflussung der Schultersteife in einzelnen Studiennachgewiesen, die sich in ihren Wirksamkeiten teilskaum unterscheiden. Wenn man den oft selbstlimitie-renden Charakter der Erkrankung bedenkt, können dieseMaßnahmen als Unterstützung geeignet sein. Nur beischwerem und prolongiertem Verlauf mit inakzeptablenBeschwerden sind aggressivere Therapieoptionen wie dieMobilisierung oder operative Verfahren angezeigt.

Sowohl für die Gabe von Analgetika als auch von NSAIDwurden positive Effekte auf den Verlauf der Erkrankungnachgewiesen. Diese verbesserten sich, wenn die Ein-nahme mit anderen Maßnahmen kombiniert wurde. Inder akuten „freezing phase“, aber auch im zweiten Stadi-um und bei der sekundären Form wird subjektiv jedochsehr oft keinerlei Schmerzlinderung verspürt. Selbst diezusätzliche Gabe von Opioiden ist dann nicht ausrei-chend für eine akzeptable Schmerzreduktion.

n Steroidtherapie

Orale Therapie. Aufgrund der hohen antiinflammatori-schen Potenz von Kortison ist dieses vor allem in denentzündlichen Stadien 1 und 2 der Kapsulitis häufig gutwirksam. Es existieren unterschiedliche Schemata zuroralen Gabe von Kortison, am meisten findet Decortin HVerwendung. Es wird mit einer höheren Dosis begonnen

und schrittweise reduziert. Die Einnahme sollte morgenserfolgen (zirkadianer Rhythmus der körpereigenen Korti-sonproduktion) und mit einem Protonenpumpenhem-mer kombiniert werden. Von Habermeyer (2003) wurdeein Schema über 35 Tage etabliert, später wurde eineEinnahme über 20 Tage als gleich wirksam beschrieben.Bei korrekter Indikationsstellung ist mit einem gutenAnsprechen bei 70–80% der Patienten zu rechnen. Eskann einen bis mehrere Tage dauern, bis die anti-entzündliche und damit auch schmerzreduzierendeWirkung verspürt wird.

Während der Einnahme wird auf physiotherapeutischeBehandlung verzichtet. Es werden lediglich Bewegungenim schmerzarmen Bereich empfohlen. Ist es nach Be-endigung der Kortisoneinnahme zu einer deutlichenSchmerzreduktion und manchmal auch bereits Bewe-gungsverbesserung gekommen, kann dann die Kranken-gymnastik, die zuvor oft schmerzbedingt nicht möglichwar, erneut begonnen werden.

Im späten Stadium 2 sowie im Stadium 3 der frozenshoulder sowie bei der sekundären Schultersteife ist dieKortisontherapie weit weniger erfolgreich, auch beieinem Teil der Patienten mit primärer Schultersteife imfrühen und mittleren Stadium lässt sich keine Verbes-serung erzielen. Außerdem gibt es Patienten, die nachinitial guter Schmerzreduktion über wieder zunehmendeSymptome während der Reduzierung der Dosis klagen.Eine dauerhafte Einnahme der Präparate wird wegen derunerwünschten Arzneimittelwirkungen von Kortisonjedoch nicht empfohlen. Die möglichen Nebenwirkungender kurzfristigen Gabe von Decortin sind mit Magen-beschwerden, Hypertonie, Tachykardien, Hyperglyk-ämien, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Stimmungs-schwankungen und Wassereinlagerungen zwar vielfältig,aber zumeist mild ausgeprägt und reversibel.

Bei bekanntem Diabetes mellitus besteht eine Kontrain-dikation für eine orale Kortikoidmedikation bzw. diese istäußerst kritisch zu bewerten. Nur in Ausnahmefällenkann nach Absprache mit dem behandelnden Diabetolo-gen eine solche Therapie durchgeführt werden, wenn vonPatientenseite ein hoher Leidensdruck und entsprechen-der Wunsch besteht. Alternativ kann in dieser Situationauch eine intraartikuläre Injektion mit einem Steroiderfolgen.

Injektionstherapie. Injektionen haben in einigen Studienähnlich gute Erfolge – vor allem bezüglich Schmerzre-duktion, weniger in Bezug auf verbesserte Beweglichkeit– wie die orale Gabe (oder auch die Physiotherapie)erzielen können. Sie können jedoch nur mit erhöhtem

Prinzipien

Therapiealgorithmus primäre Schultersteife

n Freezing Phase:

– orale Steroidtherapie

– Steroidinjektion

– keine Physiotherapie

– keine operative Therapien Frozen Phase:

– orale Steroidtherapie

– Steroidinjektion

– Physiotherapie/manuelle Therapie (passive Beübung,

Übergang aktiv-assistive Übungen)

– bei fehlenden Fortschritten Arthroskopie und

Arthrolysen Thawing Phase:

– Physiotherapie (intensive passive Beübung,

zunehmend aktive Übungen)

– bei fehlenden Fortschritten Arthroskopie und

Arthrolyse

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logistischem Aufwand durchgeführt werden. In der Regelsind eine Bildwandlerkontrolle und eine Kontrastmittel-gabe zur Überprüfung der korrekten intraartikulärenApplikation erforderlich. Außerdem besteht immer das –wenn auch geringe – Risiko eines iatrogenen Gelenk-infekts. Aufgrund der nachgewiesenen negativen Aus-wirkungen von Kortikosteroiden auf Sehnen- und hyali-nes Knorpelgewebe dürfen Injektionen nicht zu oftwiederholt werden. Subakromiale Injektionen sind beider frozen shoulder mit ihrer nicht primär im Gleitraumlokalisierten Pathologie sinnlos.

n Physiotherapie

▸ Der entscheidende Baustein der konservativen

Therapie in der chronischen Phase ist die Physiotherapie

inklusive Anleitung und Durchführung von eigen-

ständigen Übungen.

Zu beachten ist, dass in einer frühen Krankheitsphase diePhysiotherapie kontraindiziert ist, da das wiederholteBewegen des Schultergelenks an die tolerablen Grenzeneine Reizung der Kapsel verursacht, die eine Verschlech-terung der Symptomatik mit sich bringt. Patienten indieser Situation brechen die Krankengymnastik oft we-gen zunehmender Schmerzen selbstständig ab. In der2. und 3. Phase der primären und bei der sekundärenSchultersteife ist eine schmerzadaptierte Physiotherapiemit sanften bis festen passiven Dehnübungen in allenBewegungsebenen jedoch absolut sinnvoll und mit gutenEffekten belegt.

Die Eigeninitiative des Patienten sollte gefördert werden.Erlernte Übungen müssen regelmäßig zu Hause wieder-holt werden. Eine häufige, am besten mehrfach täglicheDurchführung ist besser als wenige, aber aggressivereDehnungen. Von Matsen bzw. der PhysiotherapeutinJackins (1994) ist ein nach ihr benanntes Heimprogrammmit Dehnübungen etabliert worden. Der wiederholteReiz einer mechanischen Dehnung auf das fibrosierteKapselgewebe soll als entscheidender Auslöser für eineAnpassung des Gewebes an diesen Reiz mit entsprechen-der Relaxierung der Fasern wirken.

Auch die manuelle Therapie mit insbesondere posterio-rem Gleiten und passiver Mobilisierung kann mit positi-ven Auswirkungen angewendet werden.

Invasive und operative Therapie

n Narkosemobilisierung

Die Narkosemobilisierung – oder das Brisement forcé –

ist mit Problemen verbunden und sollte als alleinigeMaßnahme heute nicht mehr zur Anwendung kommen.

Beim Patienten in Narkose oder Plexusanästhesie undRücken- oder Beach-Chair-Lagerung wird bei der Mobili-sierung die Skapula fixiert und über ein Durchbewegendes Oberarms am kurzen Hebel eine freie Beweglichkeitdes Schultergelenks mit hör- und fühlbarer Zerreißungder fibrosierten Gelenkkapsel herbeigeführt. Die Reihen-folge beim Durchbewegen, zunächst Flexion, dann Ab-duktion und zuletzt Außen- und Innenrotation, musseingehalten werden. Auf eine aggressive oder ruckartigeMobilisierung muss verzichtet werden.

Weder ist jedoch eine genaue Abklärung der vorliegen-den intraartikulären und subakromialen pathologischenVeränderungen möglich noch eine gezielte Therapie der-selben. Es kann vielmehr zu einem wahllosen Zerreißenvon Weichteilgewebe mit dem Risiko der Schädigungauch relevanter Strukturen wie z.B. der (evtl. vorgeschä-digten) Rotatorenmanschette oder des Bizepsankerskommen. Bei Mobilisierung in die Rotation besteht au-ßerdem eine hohe Gefahr (vor allem bei begleitenderOsteoporose oder vorangegangener Fraktur) auch fürknöcherne Verletzungen – typischerweise im Sinne einerSpiralfraktur des proximalen Humerus –, die dann diePrognose extrem verschlechtern. Die geschlossene Mobi-lisierung kann jedoch maßvoll in Kombination mit einerarthroskopischen Arthrolyse eingesetzt werden.

n Distensionsarthrografie

Die radiologisch kontrollierte Punktion des Schulter-gelenks mit anschließendem Auffüllen des Gelenks undzuletzt einer durch den Überdruck herbeigeführten Zer-reißung der Kapsel wird ebenfalls kaum noch durch-geführt. Die Intervention ist beim wachen Patienten auchbei Verwendung von Lokalanästhetika überaus schmerz-haft, und eine gezielte Therapie ist wie bei der geschlos-senen Mobilisierung nicht möglich. Das Gewebe reißt ander Stelle des geringsten Widerstands, und die am meis-ten verdickten Kapselanteile werden nicht adressiert.

n Offene Arthrolyse

Die offene Arthrolyse ist heute nicht mehr indiziert, dader Flurschaden den Nutzen überwiegt.

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Beim offenen Eingriff können über einen deltoideopek-toralen Zugang die extraartikulären Anteile der Schultererreicht werden. Der gesamte subakromiale/subdeltoida-le Gleitraum kann scharf unter Sicht oder stumpf-digitalmobilisiert werden. Die intraartikulären Probleme kön-nen jedoch kaum behandelt werden. Auch nach Eröffnendes Rotatorenintervalls ist der Gelenkraum nur sehr ein-geschränkt zugänglich, die dorsale Kapsel kann über-haupt nicht inzidiert oder gelöst werden. Die Verlänge-rung einer kontrakten SSC‑Sehne wird heute (zu Recht)überhaupt nicht mehr durchgeführt, da hohe Risiken wieSSC‑Insuffizienz und erneute Kontraktur drohen. Dieerforderliche postoperative Ruhigstellung nach SSC‑Sehnennaht ist für das Nachbehandlungskonzept kontra-produktiv.

Die Übersicht imGelenk und die Behandlungsmöglichkei-ten sind arthroskopisch definitiv besser, demversiertenOperateur ist auch der subakromiale Gleitraum ggf. unterVerwendung zusätzlicher Portale vollständig zugänglich.Bei der offenen Arthrolyse sindmehr NarbenbildungenundAdhäsionen als bei einemarthroskopischenEingriff zuerwarten, sodass das Risiko einer erneuten Bewegungs-einschränkung bzw. einer insgesamt kaumverbessertenBeweglichkeit besteht. Auch verschlechtern die nach-gewiesenen höheren Schmerzen bei offenen OperationendieMöglichkeiten einer sofortigen postoperativen Bewe-gungstherapie und damit die Resultate.

Bei sekundären Steifigkeiten nach proximalen Humerus-frakturen mit der Notwendigkeit einer Plattenentfernungist die Kombination einer arthroskopischen intraartiku-lären Arthrolyse mit einer arthroskopischen oder offenenEntfernung des Osteosynthesematerials inklusive sub-akromialer Adhäsiolyse möglich.

n Arthroskopische Arthrolyse

▸ Durch die niedrigen Komplikationsraten und die guten

Behandlungsergebnisse hat sich die arthroskopische

Arthrolyse bei der Schultersteife in den letzten Jahrzehn-

ten als wichtige Therapieoption und operativer Standard

etabliert.

Abhängig von der Form der Schultersteife und der zeit-lichen Entwicklung wird je nach Autor zuvor eine erfolg-lose konservative Therapiedauer von 3–6 Monaten ge-fordert. In der frühen Phase der frozen shoulder ist eineOperation kontraindiziert.

Das bei der Arthrolyse durchgeführte kapsuläre Releaseführt zu einer Laxität des Gelenks, eine Instabilität mitLuxationen wird hingegen kaum beobachtet. Eine Ver-

besserung bis hin zu vollständig normalen Verhältnissenmit Schmerzfreiheit und vollem Bewegungsumfang kannnach einer Arthroskopie mit guten Chancen in sehr vielenFällen erreicht werden, mit einer fehlenden Besserungmuss allerdings in bis zu 10% der Patienten gerechnetwerden. Bei Diabetikern verbleiben häufiger Rest-beschwerden.

Indikation. Die Indikation zur arthroskopischen Arthro-lyse wird abhängig vom subjektiven Leidensdruck desPatienten und der Ausprägung von Schmerz und Bewe-gungseinschränkung gestellt. Der Spontanverlauf, dasvorliegende Stadium bei der primären Schultersteife unddie mögliche Ätiologie bei der sekundären Form müssenberücksichtigt werden, ebenso die vorhandene Bild-gebung. Eine konservative Therapie sollte über mindes-tens 6 Monate ohne ausreichenden Erfolg durchgeführtworden sein. Von Charles Neer wurde für die frozenshoulder die Einschätzung gegeben, dass lediglich 10%der Patienten einer operativen Therapie bedürfen und90% unter konservativen Maßnahmen einen zufrieden-stellenden Verlauf zeigen (Neer 1980).

Wenn für Patienten trotz Kenntnis der Prognose und deszu erwartenden Verlaufs aufgrund der Schmerzen und/oder der Einschränkungen bei der Arbeit oder im täg-lichen Leben ein weiteres Abwarten nicht mehr möglichist, kann alternativ eine Arthrolyse mit deutlicher Ver-kürzung der Krankheitsdauer angeboten werden.

Ebenso müssen bei fehlender vollständiger Wiederher-stellung der Schulterfunktion und anhaltenden Rest-beschwerden diese nicht dauerhaft akzeptiert werden.Bei persistierenden Bewegungseinschränkungen von10–20° zur gesunden Gegenseite, die nur eine Bewe-gungsebene betreffen, sollte Zurückhaltung bezüglicheiner operativen Therapie empfohlen werden, da eineVerbesserung hier nur schwer zu versprechen ist. Bei da-rüber hinausgehenden Einschränkungen (ab ca. 30° imVergleich zur Gegenseite) einer oder mehrerer Ebenenkann jedoch eine relative OP‑Indikation bestehen. EineAusnahme bildet die eingeschränkte Innenrotation beisonst normalem Bewegungsumfang, die auch im Rahmeneiner Werferschulter als GIRD (glenohumerales Innen-rotationsdefizit) vorkommt und die nicht als klassischesekundäre Schultersteife verstanden wird.

Bei einer primären Kapsulitis in der freezing phase solltekeine operative Therapie durchgeführt werden, da ineinem hohen Prozentsatz durch die noch hohe Entzün-dungsaktivität mit einer raschen Wiedereinsteifung desGelenks gerechnet werden muss. Im Stadium 2 der frozenshoulder sollte den Patienten vor einer operativen The-

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rapie eine orale Kortisontherapie empfohlen werden,wenn keine Kontraindikationen bestehen.

Bei der sekundären Schultersteife ist die Indikation zuroperativen Therapie aufgrund der längeren Verläufe undder schlechteren Ergebnisse unter konservativer Therapieaggressiver zu stellen. Hier wird von den meisten Auto-ren ein 3-monatiger konservativer Therapieversuch ge-fordert. Insbesondere nach Rotatorenmanschettennähtenkann jedoch die Wiedererlangung der freien Beweglich-keit auch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmenund trotzdem auch ohne Revision erreicht werden. Auchnach operativ versorgten Humeruskopffrakturen ist einbereits wieder normaler passiver Bewegungsumfang desSchultergelenks nach 3 Monaten insbesondere bei älterenPatienten üblicherweise nicht vorhanden.

▸ Eine entscheidende Frage an den Patienten ist diejeni-

ge nach noch vorhandenen Fortschritten unter kranken-

gymnastischer Behandlung sowie mit eigenständigen

(Dehn-)Übungen in den letzten Wochen.

Solange sich subjektiv und objektiv Verbesserungen derBeweglichkeit zeigen, ist eine weitere Normalisierungmöglich, der Leidensdruck üblicherweise geringer undein abwartendes Verhalten gerechtfertigt. Ist hingegenein über mehrere Wochen gleichbleibendes und für denPatienten subjektiv nicht akzeptables Niveau der Bewe-gungseinschränkung ohne Besserung trotz Physiothera-pie erreicht, besteht Handlungsbedarf.

Die postoperative Schultersteife wird auch in der Schul-terendoprothetik als Komplikation beobachtet. Vor allemnach anatomischen Prothesen können passive Bewe-gungseinschränkungen bei regelrechter Implantationund unauffälligem Röntgenbefund in relevantem Ausmaßverbleiben. Die Übergänge zu geringen und als normalempfundenen postoperativen Limitierungen sind hiernicht genau definiert. Bleibt jedoch eine ausgeprägteEinschränkung über 6–12 Monate nach der Implantationtrotz intensiver Übungsbehandlung bestehen, kann auchbei einliegender Prothese eine diagnostische Arthrosko-pie durchgeführt werden. Zum einen können Differen-zialdiagnosen wie sekundäre Rotatorenmanschetten-defekte, Infekte und Lockerungen abgeklärt werden,zum anderen können – wie bei anderen postoperativenSchultersteifen auch – eine Kapsulotomie und eineArthrolyse erfolgen.

Ähnliches gilt für die häufigen Schultersteifen nach pro-ximalen Humerusfrakturen und Plattenosteosynthesen.Bei korrekt einliegenden Implantaten ohne Schrauben-überstand an der Kalotte oder Plattenhochstand mit

sekundärem Impingement kann durchaus auf eine Ent-fernung des Osteosynthesematerials verzichtet werden.Der Verzicht auf eine offene Revision ist atraumatischerund mit Vorteilen für den Patienten wie geringerenSchmerzen und geringerer Rezidivhäufigkeit verbunden.Zusätzlich zur intraartikulären Überprüfung und Kapsu-lotomie muss hier besonderer Wert auf die subakromialeAdhäsiolyse gelegt werden. Oftmals lässt sich eine deut-liche und ausreichende Verbesserung auch bei initialsuboptimaler Frakturstellung erreichen, die alternativnur endoprothetisch versorgt werden könnte.

Durchführung. Wie bei anderen arthroskopischen Schul-teroperationen wird der Eingriff in Plexusanästhesieallein oder in Kombination mit einer Allgemeinnarkosedurchgeführt. Ein Plexuskatheter verbessert nicht nurdie intraoperativen Bedingungen (niedrigerer Blutdruckdurch weniger Schmerzen), sondern ist auch für diepostoperative Schmerztherapie speziell bei der Schul-tersteife wichtig.

Die meisten Operateure führen den Eingriff in Beach-Chair-Position durch. Der Vorteil liegt in den meist ge-wohnten Verhältnissen und bei der intraoperativ über-prüfbaren Beweglichkeit. Es ist jedoch auch eine Seit-lagerung möglich. Hier ist durch die Distraktion derGelenkraum weiter, und wenn erforderlich sind diedorsalen Kapselanteile besser zu erreichen.

▸ Wichtig ist auf jeden Fall vor Beginn der Operation die

Untersuchung und Dokumentation des passiven Bewe-

gungsumfangs des Schultergelenks in Narkose unter

Schmerzausschaltung. Wie oben erwähnt kann teils erst

jetzt eindeutig die Diagnose gestellt bzw. ausgeschlossen

werden.

Bei Patienten, die jünger als 40 Jahre sind, findet sichselten eine frozen shoulder. Manche Patienten aus dieserAltersgruppe sind aufgrund von ausgeprägten Schmerzenkaum zu untersuchen, in Narkose zeigt sich dann jedocheine passiv völlig freie und uneingeschränkte Beweglich-keit.

▸ Bei Operationen aus anderen Indikationen sollte diese

Beweglichkeitsüberprüfung ebenfalls immer durch-

geführt werden.

Zwischen der Untersuchung des Patienten mit Diagnose-und Indikationsstellung und der anschließenden Opera-tion können mehrere Wochen oder sogar Monate liegen.In diesem Zeitraum kann sich eine sekundäre Schulter-steife bei primär noch frei beweglichem Gelenk ent-wickelt haben. Dies ändert dann das operative Vorgehen

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entscheidend. Von den meisten Autoren wird z.B. dasVorhandensein einer Schultersteife als Kontraindikationfür eine Rotatorenmanschettennaht gesehen. Vorrangigist dann zunächst die arthroskopische Arthrolyse mit an-schließend intensiver Krankengymnastik. In vielen Fällenist bei rückläufigen Beschwerden dann im Verlauf keineSehnenrekonstruktion mehr erforderlich; sie kann aberbei anhaltend gutem Bewegungsausmaß und symptoma-tischem Defekt sekundär (üblicherweise Entscheidungca. 3 Monate nach Arthrolyse) erfolgen (Abb. 5).

Bei primärer Naht eines Rotatorendefekts trotz beglei-tender Kapsulitis/Steifigkeit ist zwar mit einer Einheilungder Sehne zu rechnen, eine gute Beweglichkeit jedochnicht zu erwarten. Der Patient wird mit dem Ergebnis

nicht zufrieden sein, und eine Folgeoperation ist unum-gänglich.

Durchführung. Standardisiert werden die anatomischenSchulterkonturen und die Portale angezeichnet.

Üblich sindn ein dorsaler Zugang für die Optik,n ein anterosuperiores Portal für die intraartikulären

Maßnahmen undn ein laterales Portal für die subakromiale Bursektomie/

ggf. Akromioplastik.

Im Vergleich zur normalen Schulterarthroskopie ist dieAnlage des dorsalen Zugangs oft schwieriger. Auf jeden

Abb. 5 n Arthroskopische Bilder eines linken Schultergelenks von dorsal. Bei der Narkoseuntersuchung vor der Operation waren bereits eine passiveingeschränkte Flexion von 100° und eine Außenrotation von 10° mit jeweils festem Anschlag aufgefallen. a Typische und auffällige Synovitis imBereich des Rotatorenintervalls und des Bizepssehnenankers. b Derbes und verdicktes MGHL. c Degenerativer SSP‑Defekt. d TherapeutischeArthrolyse/Kapsulotomie (Inzision bzw. Resektion der fibrosierten ventralen Kapsel von kranial nach kaudal parallel zum Labrum mit dem Punch).

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Fall sollte ein stumpfer Trokar verwendet werden.Durch die Kontraktur ist der Gelenkspalt enger und dasRisiko einer Knorpelschädigung beim Eingehen höher.Von Gartsman (2008) wird empfohlen, mit der Trokar-spitze nach Perforation von Haut, dorsalem M. deltoideusund Rotatorenmanschette knöchernen Kontakt zu suchenund dann eine Rotation des Oberarmes durchzuführen,bei fühlbarer Bewegung (= Trokarspitze auf dem Hume-rus) muss die Spitze mehr nach medial gerichtet werden,bei fehlender Bewegung (= Trokarspitze auf der Skapula)mehr nach lateral. Auch die vorherige Punktion mit Auf-füllen des Gelenks kann die Anlage des dorsalen Zugangsvereinfachen.

Diagnostischer Rundgang.Nach Etablierung des Kamera-portals wird zunächst die Arthroskopiemit diagnos-tischemRundgang durchgeführt. Die typischen Befundebei einer frozen shoulder sind in der Übersicht dargestellt.

Der Knorpelüberzug von Humeruskopf und Glenoid istunauffällig, das Labrum kann gerötet und verdickt sein,die lange Bizepssehne zeigt sich intakt, selten mit Adhä-sionen zum Rotatorenintervall im Bereich des Eintritts inden Sulcus intertubercularis, und die artikularseitigenOberflächen von SSP- und ISP‑Sehne sind bis auf einevermehrte Gefäßinjektion oft unter Aussparung desRotatorenkabels ebenfalls intakt. Im Stadium 3 ist dieSynovitis meist weniger und die Verdickung und Fibro-sierung des MGHL und der ventralen Kapsel oft deut-licher ausgeprägt als in früheren Stadien.

Therapeutische Maßnahmen. Bei arthroskopischer Bestä-tigungder frozen shoulder bzw. der sekundären Schul-tersteife erfolgen dann die therapeutischenMaßnahmen.

Zu Beginn wird über ein anterosuperiores Portal einepartielle Synovektomie mit Entfernung der gerötetenZotten durchgeführt, zur Schmerzreduktion für denPatienten und zur besseren Übersicht für den Operateur.Es folgt die Tenolyse der SSC‑Sehne, indem diese vomfibrosierten Bindegewebe ventral und dorsal der Sehnebis medial des vorderen Glenoids befreit wird, ohne dasSehnengewebe selbst zu schädigen (Abb. 6).

Das MGHL wird durchtrennt, wodurch sich in der Regeleine sofortige Verbesserung der Außenrotation erreichenlässt. Dann wird anterosuperior (bei 1.00–2.00 Uhr rech-te Schulter) die Kapsel parallel zum Labrum ebenfalls in-zidiert, ein ggf. verdicktes SGHL medial durchtrennt undein 5–10mm breiter Streifen der Kapsel nach kaudalreseziert (Abb. 7). Das Labrum selbst sowie kranial derBizepsanker dürfen nicht beschädigt werden.

Abb. 6 n Kapsulitis im Stadium 3, Blick von dorsal, rechtes Schultergelenk. a Kaum Synovitis, aber derbe Verdickung des MGHL und auch der Kapselim Bereich des Rotatorenintervalls. Der Oberrand der SSC‑Sehne ist schlecht abgrenzbar. b Nach Inzision und Resektion des MGHL Tenolyse der nunwieder freien SSC‑Sehne und Release des Intervalls.

Übersicht

Arthroskopische Befunde einer „frozen shoulder“

n Synovitis mit Rötung und Zottenbildung im Rotatoren-

intervalln Verdickung von SGHL, MGHL, IGHL und ventraler Kapseln fehlende Abgrenzbarkeit des kranialen SSC‑Sehnenrandesn Obliteration der Recessus subscapularis und axillarisn Rötung auch des synovialen Überzugs oberhalb und

dorsal des Glenoids sowie im Recessus axillaris

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Diese Maßnahme lässt sich üblicherweise nach kaudal bisca. 6.00 Uhr fortführen. Ventral/kaudal kann nach Entfer-nung der vorderen Kapsel breitflächig die dann freilie-gende Subskapularismuskulatur gesehen werden.

Im Bereich des unteren Glenoids können die Vorausset-zungen für die Arthrolyse verbessert werden, wenn derAssistent den Arm des Patienten gering außenrotiert undabduziert oder eine Tuchrolle unter die Axilla des Patien-ten geklemmt wird, um das Gelenk zu distrahieren.

MGHL und ventrale Kapsel, die normalerweise einemdünnen und zarten Bindegewebe entsprechen, könnenbei der Schultersteife bis auf 1 cm verdickt und beimDurchtrennen von derbem Charakter sein.

▸ Aufgrund der engen Lagebeziehung zum N. axillaris

sollte sich die Inzision/Resektion der kaudalen Kapsel

sehr eng am Glenoid bzw. am kaudalen Labrum orien-

tieren.

Die Arthrolyse kann rein mechanisch über arthroskopi-sche Fass- bzw. Resektionszangen oder Scheren (Abb. 8)oder elektrisch mit Hochfrequenzablation erfolgen(Abb. 9). Bei Verwendung von Strom können Kontrak-tionen des M. deltoideus die räumliche Nähe zumN. axillaris anzeigen. Eine Inzision der posteroinferiorenoder gar posterioren Kapsel ist über den anterioren Zu-gang nicht möglich. Das Release des Rotatorenintervallssollte als letzte der intraartikulären Maßnahmen erfol-gen, da anschließend mit einer raschen Zunahme derSchwellung durch Extravasat der Spülflüssigkeit gerech-net werden muss. Eine Resektion des lateralen SGHL bzw.der medialen Bizepssehnenschlinge muss vermiedenwerden.

Dann (wie auch bereits zuvor zwischendurch) wird dieBeweglichkeit überprüft. Die Kapsulotomie sollte keines-falls übertrieben werden; bei Wiedererlangen eines nor-malen Bewegungsumfangs kann der intraartikuläreAnteil der Operation direkt beendet werden. Ist nachventraler Kapsulotomie wieder eine gute Außenrotationvorhanden, kann eine vorsichtige geschlossene Mobili-sierung des Schultergelenks in die Flexion erfolgen. Hier-durch kommt es typischerweise nach ventraler Kapsulo-tomie bis 6.00 Uhr zu einem weiteren Einriss derposteroinferioren Kapsel von ca. 6.00–8.00 Uhr (Abb. 10),und anschließend ist auch die Flexion passiv wieder ohneWiderstand möglich.

Bei nur gering eingeschränkter Innenrotation wird aufweitere Maßnahmen verzichtet. Bei ausgeprägtem In-nenrotationsdefizit muss für die dorsale Kapsulotomiedann (über einen Wechselstab) die Optik in das anteriorePortal eingeführt werden. Unter Sicht von ventral wirdanalog zur vorderen Kapsel nun die dorsale Kapsel pa-rallel zum Labrum reseziert, bis auch die Innenrotationwieder frei möglich ist.

Schneller als bei anderen arthroskopischen Eingriffen amSchultergelenk kann es im Rahmen einer Arthrolyse zueinem Flüssigkeitsaustritt aus dem Gelenk mit zuneh-mendem Weichteilödem und dann durch die Schwellungschlechteren Operationsbedingungen kommen. Wichtig

a

b

Abb. 7 n Arthro-skopische Arthro-lyse bei einerrechten Schulter(Aufsicht von late-ral). a VentraleKapsulotomie.b Release desIntervalls/Tenolyseder SSC‑Sehne(Arbeitskanülenoptional).

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ist daher eine gewisse Erfahrung, um die Operation zügigdurchführen zu können. Es empfiehlt sich, für Zugängedas Gelenk stumpf zu perforieren und keine Inzisionender Gelenkkapsel zu machen.

Der anteriore Zugang oberhalb der SSC‑Sehne wird unterarthroskopischer Sicht nach Probepunktion mit einer Ka-nüle angelegt (Outside-in-Technik). Wichtig ist hierbeieine weit mediale Lokalisation des Zugangs direkt lateraldes Processus coracoideus und in Verlängerung der Gle-noidebene im Gegensatz zum eher lateralen Zugang zwi-schen SSC‑Ansatz und medialer Schlinge für die ventraleStabilisierung. Nur bei ausreichend medialem Zugangkann eine Kapsulotomie parallel zum Labrum ventral vonkranial beginnend bis zur oder über die 6.00-Uhr-Posi-tion des Glenoids hinaus durchgeführt werden.

Nach Beenden der intraartikulären Arbeitsschritte wirdabschließend über ein laterales Portal noch die endosko-pische subakromiale Bursektomie durchgeführt. Entzün-detes Gewebe wird entfernt, und Verwachsungen werden

Abb. 8 n Arthroskopische Arthrolyse mit mechanischen arthroskopischen Fass- bzw. Resektionszangen. a Inzision bzw. Resektion des MGHLb Resektion der ventralen Gelenkkapsel.

Abb. 9 n Arthroskopische Arthrolyse mittels Hochfrequenzablation. a Resektion des MGHL. b Resektion der ventralen Gelenkkapsel. c Zuletzt breitflächig freiliegendeSSC‑Sehne bzw. ‑Muskulatur.

Abb. 10 n Typisches Bild einer Zerreißung der posterokaudalen Gelenk-kapsel (von ca. 6.00–8.00 Uhr) nach Mobilisierung (Blick von dorsal,rechtes Schultergelenk, Humeruskopf und dorsales Labrum oben imBild).

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gelöst (insbesondere bei der sekundären Steife sind oftAdhäsionen vorhanden). Bei engemGleitraum oderSpornbildung kannwie beim klassischen Subakromialsyn-drom eine Akromioplastik zusätzlich erfolgen. Bei der pri-mären Steife ist der Gleitraum oft unauffällig als Zeichender kapsulären/intraartikulären Pathologie der Erkran-kung. Studien konntenhier eine zwingendeNotwendigkeiteines zusätzlichen subakromialen Eingriffs nicht immerbestätigen. Bei geringemAufwand und fehlenden Kompli-kationen sowie besserer Beurteilbarkeit der Rotatoren-manschette und des gesamten Krankheitsbildes ist dieserTeil jedoch auch bei der frozen shoulder zu empfehlen, beider sekundären Steife selbstverständlich.

Da die klinisch oft vorhandenen Schmerzen am AC‑Gelenk meist reaktiv sind, wird auf eine zusätzlicheAC‑Resektion verzichtet, anhaltende AC‑Beschwerdensind nicht zu erwarten.

Komplikationen. Die Komplikationen, die bei einerarthroskopischen Arthrolyse auftreten können und beim

Aufklärungsgespräch besprochen (und dokumentiert)werden müssen, sind in der Übersicht aufgeführt.

Nachbehandlung

▸ Die postoperative Nachbehandlung ist der wichtigste

Teil der operativen Therapie.

Oft lässt sich arthroskopisch sowohl bei der primären alsauch bei der sekundären Schultersteife wieder eine gutebzw. normale passive Beweglichkeit des Schultergelenkserreichen. Dann ist entscheidend, ob es dem Patientengelingt, diese Verbesserung auch über die Zeit nach derOperation hinaus zu erhalten.

n Bewegungsübungen

Deshalb sind der rasche Beginn und die intensive Aus-führung von Bewegungsübungen direkt im Anschluss andie Operation von größter Wichtigkeit. Bereits am OP‑Tagsollten die Patienten mit eigenständigen Übungen be-ginnen. Der Operateur kann einige Stunden nach derOperation im Gespräch mit dem Patienten von denintraoperativen Befunden und durchgeführten Maßnah-men berichten und ihm die verbesserte Beweglichkeitdes Schultergelenks demonstrieren. Dies hat einen posi-tiven und motivierenden Effekt. Eine Anleitung zurselbstständigen Durchführung von Übungen wird gege-ben, kurze – z.B. stündliche – Intervalle werden empfoh-len. Bevorzugt in die Flexion, aber auch in die Rotationbzw. in allen Ebenen ist eine Mobilisierung sinnvoll.

n Schmerztherapie

Hierzu ist auch eine begleitende ausreichende postope-rative Schmerztherapie wesentlich. Wenn Patienten ausSchmerzgründen nicht intensiv bewegen können, ist derErfolg des Eingriffs gefährdet. Es bietet sich zusätzlichzur oralen postoperativen Analgetikagabe die Schmerz-therapie mit einem Plexuskatheter an, der nach Bedarfbefahren werden kann. Bei hiermit oft vollständigschmerzfreier Schulter und paretischem Arm könnendie Übungen dann passiv unter Zuhilfenahme der Ge-genhand ausgeführt werden (Abb. 11).

Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, dass der Ein-griff unter stationären Bedingungen erfolgt, da ambulanteine ausreichende Analgesie nicht gewährleistet werdenkann. Nach 2–3 Tagen ist der Katheter dann meist nichtmehr notwendig und eine orale Medikation ausreichend.Dann kann die weitere Nachbehandlung ambulanterfolgen.

Übersicht

Komplikationen der arthroskopischen Arthrolyse

n (Nach-)Blutung/Hämarthros/Revisionn postoperative Infektionn Risiko von iatrogenen Knorpel- oder Sehnenschädenn fehlender Erfolg/insuffizientes Release/keine (ausreichen-

de) Verbesserung der Beweglichkeitn N.-axillaris-Schädigung (mit Folgeoperationen bzw. aus-

geprägter Funktionseinschränkung bei Deltaparese)

Abb. 11 n Patien-tin nach erfolgterarthroskopischerArthrolyse linksam ersten post-operativen Tag mitselbstständigerpassiver Übungzum Erhalt derverbessertenFlexion unter Ein-satz der Gegen-hand.

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n Physiotherapie

Weiterhin sind mehrfach täglich eigene Übungen undeine intensive – am besten tägliche – Physiotherapiezweckmäßig. Es kann schmerzabhängig der Übergang zuaktiv-assistiven und auch aktiven Übungen erfolgen. Pas-sive Dehnungen durch den Therapeuten oder z.B. auch ander Wand oder mit einem Seil/Theraband bleiben aberentscheidend, wobei die Schmerzgrenze erreicht werdensollte („no pain, no gain“).

Ein Schulterstuhl mit CPM („continuous passive motion“)kann begleitend eingesetzt werden, die Dehnung imendgradigen Bereich ist hier jedoch oft nicht im gleichenAusmaß möglich.

n Weiterer Verlauf

Das Erreichen einer weitgehend schmerzfreien Schulter-funktion dauert üblicherweise ca. 6 Wochen, dann sindArbeiten im Bereich unterhalb der Horizontalen und z.B.Bürotätigkeiten wieder ausführbar. Bei Berufen mit kör-perlicher Belastung kann die Dauer der Arbeitsunfähig-keit auf 2–3 Monate steigen. Physiotherapie ist teils auchdarüber hinaus noch erforderlich.

▸ Bis sich das Endergebnis einstellt, vergehen in der

Regel ca. 3–6 Monate.

Interessenkonflikt: Die Autoren bestätigen, dass keinInteressenkonflikt vorliegt.

Korrespondenzadresse

Dr. Friedrich Dehlinger

Arcus Sportklinik Pforzheim

Rastatter Straße 17

75179 Pforzheim

Telefon: + 49 7231605-560

Fax: + 497231605-563089

E-Mail: [email protected]

Zum Weiterlesen und Vertiefen

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Quellenangaben

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CME‑Fragen

Welche Aussage zur

Pathophysiologie der

Schultersteife ist nicht richtig? 1 A Ursache der Bewegungseinschränkung ist eine Fibrosierung der Gelenkkapsel.B Das intraartikuläre Volumen – z.B. gemessen mit einer Arthrografie – ist ver-

größert.C Die primäre Schultersteife wird im Englischen als „frozen shoulder“ bezeichnet.D Die primäre Schultersteife kann folgenlos ausheilen.E Die sekundäre Form der Schultersteife kann durch eine Kalkschulter ausgelöst

werden.

Die primäre Schultersteife nimmt

oft einen phasenhaften Verlauf.

Welche Aussage ist richtig? 2 A Die Erkrankung beginnt mit einer schmerzlosen Bewegungseinschränkung.B Die Schmerzen nehmen von Phase 1 bis 3 stetig zu.C In der 1. und 2. Phase sind orale Steroide nutzlos.D Operationsindikationen werden unabhängig von den Phasen getroffen.E Bei der sekundären Schultersteife sind die Phasen oft weniger eindeutig.

Welche Situation aus der

Schultersprechstunde ist

falsch wiedergegeben? 3 A Bei der körperlichen Untersuchung der Schulter einer 52-jährigen Lehrerin fälltIhnen ein gestörter skapulothorakaler Rhythmus auf. Dies ist ein Hinweis aufeine Schultersteife.

B Die Untersuchung eines 63-jährigen Waldarbeiters ergibt bei sonst seitenglei-chen Werten für die Flexion und die Innenrotation eine Außenrotation von 30°links und 70° rechts. Dies kann ein Zeichen einer alten SSC‑Ruptur rechts sein.

C Bei einer 49-jährigen Büroangestellten, die seit 4 Wochen über spontan zuneh-mende Schulterschmerzen rechts klagt und deren Bewegungsumfang aufgrundder Schmerzen kaum untersucht werden kann, ist eine primäre Schultersteifeursächlich möglich.

D Ein 51-jähriger LKW‑Fahrer stellt sich zur Kontrolle 4 Monate nach Rotatoren-manschettennaht vor. Schmerzen bestehen kaum, die passive Beweglichkeit deroperierten Schulter wird mit Flexion 100° (Gegenseite 170°) und Außenrotation10° (Gegenseite 50°) mit jeweils hartem Anschlag gemessen. Eine postoperativeSchultersteife kann ausgeschlossen werden.

E Eine 72-jährige Patientin klagt über Schmerzen und eine zunehmend schlechteBeweglichkeit der rechten Schulter. Sie finden eine aktive Flexion von 90° undeine passive Flexion von 170°. Es liegt hier keine Schultersteife, sondern derVerdacht auf einen Rotatorenmanschettendefekt vor.

Bitte informieren Sie sich vorab online über dieGültigkeitsdauer.

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Welche Aussage zur bildgebenden

Diagnostik bei der Schultersteife

ist richtig? 4 A Eine wichtige Differenzialdiagnose, die radiologisch abgeklärt werden muss, istdie primäre Omarthrose.

B Die Röntgendiagnostik bei der primären Schultersteife zeigt einen verschmäler-ten Gelenkspalt.

C Sonografisch kann die Verdickung des MGHL gut dargestellt werden.D Die MRT kann genau das Ausmaß der Entzündung und damit der Bewegungs-

einschränkung aufzeigen.E Auf bildgebende Diagnostik kann vollständig verzichtet werden.

Wodurch ist die Therapie

der Schultersteife

gekennzeichnet? 5 A Im ersten Stadium der frozen shoulder sollte wegen der ausgeprägten Schmer-zen rasch eine operative Therapie eingeleitet werden.

B In der 2. und 3 Phase kann Physiotherapie zur Besserung der Beweglichkeit ein-gesetzt werden.

C Bei der sekundären Schultersteife müssen die Bewegungseinschränkungenakzeptiert werden.

D Nur ca. 1% der Patienten wird einer operativen Therapie zugeführt.E Orale Kortisontherapie ist bei der sekundären Schultersteife wirksamer als bei

der primären.

Eine der folgenden Aussagen

zur arthroskopischen Arthrolyse

ist unzutreffend. Welche? 6 A Es kann sich eine Synovitis zeigen.B Das MGHL kann narbig verdickt sein.C Das vordere Labrum wird abgelöst.D Der N. axillaris ist gefährdet.E Eine zunehmende Schwellung kann die Operation erschweren.

Welche Aussage zur Therapie

der Schultersteife ist falsch? 7 A Bei schmerzhaftem AC‑Gelenk muss immer auch eine AC‑Resektion durch-geführt werden.

B Eine Durchtrennung des MGHL führt zu einer verbesserten Außenrotation.C Bei begleitendem Diabetes mellitus wird eine orale Kortisontherapie nicht

empfohlen.D Ein Plexuskatheter ist für die postoperative Schmerztherapie hilfreich.E Physiotherapie ist in der 1. Phase der frozen shoulder oft mit einer Ver-

schlechterung der Schmerzen verbunden.

Eine der Aussagen zur

Epidemiologie der Schultersteife

ist falsch. Welche? 8 A Die Inzidenz der frozen shoulder liegt bei ca. 2%.B Ein beidseitiges Auftreten der frozen shoulder wird in 20–30% beobachtet.C Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter.D Ein gehäuftes gleichzeitiges Auftreten eines Morbus Dupuytren ist bekannt.E Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Schultersteife.

Die Schultersteife

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Zu den therapeutischen

Möglichkeiten der Schultersteife

gehört nicht… 9 A … in der ersten Phase der frozen shoulder die Gabe von NSAID.B … der rasche Beginn und die intensive Ausführung von Bewegungsübungen

direkt im Anschluss an eine OP.C … bei fehlender Besserung unter konservativer Therapie die arthroskopische

Arthrolyse.D … eigenständiges Üben durch den Patienten (Dehnübungen) bei der sekundären

Schultersteife.E … die dauerhafte Kortisontherapie.

Eine der folgenden Aussagen

ist falsch. Welche? 10 A Die Krankheitsdauer bei der frozen shoulder kann 2 Jahre betragen.B Lange postoperative oder posttraumatische Ruhigstellung des Schultergelenks

kann die Entwicklung einer Steifigkeit begünstigen.C Narben und Adhäsionen im subakromialen Gleitraum können ähnliche

Symptome wie eine Kapsulitis verursachen.D Beim Kapselmuster nach Cyriax ist zunächst die Innenrotation betroffen.E Die Impingement- und Rotatorenmanschettentests sind bei der frozen shoulder

oft positiv, obwohl kein typisches Impingement-Syndrom und kein Rotatoren-defekt vorliegen.

Schultergürtel und obere Extremität

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 10 Œ2015 Œ115–136136

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