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Zum Urheberrecht in Kartografie und Geoinformation Peter Lutz, München Der Beitrag fasst die Rechtsprechung zum Urheberrechtsschutz von Karten- werken zusammen. Anschließend wird die Diskussion über den Schutz von topografischen Landkarten als Datenbank dargestellt; dabei kommt der Ver- fasser zu dem Ergebnis, dass topografische Karten keine Datenbanken sind. Weiterhin wird der Schutz der den topografischen Karten zugrunde liegen- den Datenbanken untersucht und das Verbot der Entnahme und Weiterver- wendung aus einer topografischen Karte als Drittquelle grundsätzlich bejaht. Schließlich werden die Schutzmöglichkeiten von Geoinformationen erörtert. n Schlüsselwörter: Urheberrechtsschutz, Geoinformation, Kartenwerk, topographi- sche Karte, Datenbank P. Lutz: Zum Urheberrecht in Kartografie und Geoinformation URHEBERRECHT 854 – Karten-Grundsubstanz; GRUR 1988, 33 – Topografische Landeskarten). Die Gestaltungsfreiheit des Kartografen ist deshalb begrenzt, weil die topogra- fischen Gegebenheiten, wie Vegetati- onsbeschaffenheit, Bebauung, Flüsse, Straßen und sonstige Verkehrswege durch die Natur ebenso wie Orts-, Straßen-, Flurnamen und andere Bezeichnungen vorgegeben sind. Soweit eine Karte nur solche Gegebenheiten wiedergibt und nicht über die Zusammenfassung geogra- fischer Tatsachen hinausgeht, ist sie nicht schutzfähig, da es an einer individuellen Geistestätigkeit fehlt, solche Vermessungs- daten und die sonstigen in die Karte ein- gearbeiteten Informationen zu gestalten. Solche Karten sind daher urheberrechtlich frei (BGH, GRUR 1965, 45 – Stadtplan; BGH, GRUR 1988, 916 – Stadtplanwerk; Loewenheim, a.a.O. § 2 Rdnr. 211 und § 24 Rdnr. 3). Die eigenpersönliche Prä- gung muss sich aus einer weitergehenden Gestaltung der topografischen Wirklich- keit ergeben. Die Darstellungsmittel müs- sen dabei von dem allgemein Üblichen, wie der Verwendung von Höhenlinien, der Verwendung von blauer Farbe für Was- serflächen oder grüner für Waldflächen, abweichen, da solche üblichen Darstel- lungsmittel alleine keinen Urheberschutz begründen, denn sie unterscheiden sich nicht von dem rein Handwerklichen oder den allgemein üblichen Darstellungsmit- teln (Loewenheim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211;). Raum für die eigenpersönliche Prägung einer Karte ergibt sich regelmäßig bei der Generalisierung, der Auswahl und Hervorhebung der einzelnen Elemente sowie der Wahl der Darstellungsmittel wie Signaturen, Farben, Schraffierungen, Schriftwahl und Schriftplatzierung, da es gilt, möglichst umfassende Information mit guter Übersichtlichkeit und Lesbarkeit der Karte zu erreichen (BGH, GRUR 1998, Stadtplanwerk; BGH, GRUR 1988, Topografische Landeskarten; Loewen- heim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211). Allein das Weglassen und die Vergröberung einzel- ner Informationen reicht zur Begründung des Schutzes nicht aus (BGH, GRUR 1965, 45 – Stadtplan; Loewenheim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211). Eine Gesamtschau und Kombi- nation freier Darstellungsmittel kann aber die Schutzfähigkeit einer Karte begründen wenn sie eine persönlich geistige Schöp- fung darstellen (BGH, GRUR 2005, 854 – Karten-Grundsubstanz; BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk). Es kommt darauf an, dass sich aus der Form der Darstel- lung eine individuelle, vom alltäglichen Schaffen abhebende Geistestätigkeit erkennen lässt. Auch dann, wenn eine kartografische Gestaltung in ihrer Gesamt- konzeption (z.B. bei der Gestaltung des Kartenbildes) keine schöpferischen Züge aufweist, etwa, weil es nach einem vorbekannten Muster, einem bestimmten Zeichenschlüssel oder an Musterblät- ter folgend erarbeitet wurde, kann sie urheberrechtlich schutzfähig sein. Der Kartograf hat trotz dieser Bindung einen ausreichenden Spielraum für individuelle Gestaltung, etwa bei der Generalisierung und Verdrängung von Gegebenheiten. Die Anforderungen an die eigenper- sönliche Prägung sind bei kartografischen Gestaltungen allerdings gering; es wird kein enger Maßstab bei der Beurteilung der eigenpersönlichen Prägung oder der Gestaltungshöhe angewandt (BGH, GRUR 2005, 854 – Karten-Grundsubstanz; BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk; BGH, GRUR 1987, 360 – Werbepläne; BGH, GRUR 1988, 33 – Topografische Landeskarten). Die geringen Anforde- rungen an die eigenpersönliche Prägung oder Individualität einer Karte führen jedoch zu einem engen Schutzumfang der jeweiligen Karte (BGH, GRUR 2005, 1 Zum Urheberrechtsschutz von Kartenwerken und Geoinfor- mationen 1.1 Urheberrechtsschutz der Karten (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (§ 2 Abs.1 Nr. 7 UrhG). Grundsätzlich sind daher Karten dem Urheberschutz zugänglich. Die Vermessungsdaten und sonstigen eingearbeiteten Informationen sind jedoch urheberrechtlich frei (BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk). Gleiches gilt für andere Geoinformationen selbst, da es sich auch insofern um wissenschaftliche Ergebnisse handelt, die für jedermann frei zugänglich sein müssen (Loewenheim in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), Urhe- berR, 4. Aufl., § 24 Rdnr. 3–5; Müglich, CR 1995, 257, 260). Erst die Darstel- lung selbst der Vermessungsdaten und Geoinformationen kann geschützt sein. Voraussetzung des Schutzes ist jedoch, dass es sich um eine persönlich geistige Schöpfung handelt (§ 2 Abs. 2 UrhG). 1.1.1 Anforderungen an die Indivi- dualität oder eigenpersönliche Prägung bei Karten Der BGH hat für Karten ausgeführt, dass sie Urheberschutz genießen können, 219 KN 4/2014

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URHEBERRECHTP. Lutz: Zum Urheberrecht in Kartografie und Geoinformation

Zum Urheberrecht in Kartografie und GeoinformationPeter Lutz, München

Der Beitrag fasst die Rechtsprechung zum Urheberrechtsschutz von Karten-werken zusammen. Anschließend wird die Diskussion über den Schutz von topografischen Landkarten als Datenbank dargestellt; dabei kommt der Ver-fasser zu dem Ergebnis, dass topografische Karten keine Datenbanken sind. Weiterhin wird der Schutz der den topografischen Karten zugrunde liegen-den Datenbanken untersucht und das Verbot der Entnahme und Weiterver-wendung aus einer topografischen Karte als Drittquelle grundsätzlich bejaht. Schließlich werden die Schutzmöglichkeiten von Geoinformationen erörtert.n Schlüsselwörter: Urheberrechtsschutz, Geoinformation, Kartenwerk, topographi-sche Karte, Datenbank

p. Lutz: Zum urheberrecht in Kartografie und Geoinformation urheBerreCht

854 – Karten-Grundsubstanz; GRUR 1988, 33 – Topografische Landeskarten).

Die Gestaltungsfreiheit des Kartografen ist deshalb begrenzt, weil die topogra-fischen Gegebenheiten, wie Vegetati-onsbeschaffenheit, Bebauung, Flüsse, Straßen und sonstige Verkehrswege durch die Natur ebenso wie Orts-, Straßen-, Flurnamen und andere Bezeichnungen vorgegeben sind. Soweit eine Karte nur solche Gegebenheiten wiedergibt und nicht über die Zusammenfassung geogra-fischer Tatsachen hinausgeht, ist sie nicht schutzfähig, da es an einer individuellen Geistestätigkeit fehlt, solche Vermessungs-daten und die sonstigen in die Karte ein-gearbeiteten Informationen zu gestalten. Solche Karten sind daher urheberrechtlich frei (BGH, GRUR 1965, 45 – Stadtplan; BGH, GRUR 1988, 916 – Stadtplanwerk; Loewenheim, a.a.O. § 2 Rdnr. 211 und § 24 Rdnr. 3). Die eigenpersönliche Prä-gung muss sich aus einer weitergehenden Gestaltung der topografischen Wirklich-keit ergeben. Die Darstellungsmittel müs-sen dabei von dem allgemein Üblichen, wie der Verwendung von Höhenlinien, der Verwendung von blauer Farbe für Was-serflächen oder grüner für Waldflächen, abweichen, da solche üblichen Darstel-lungsmittel alleine keinen Urheberschutz begründen, denn sie unterscheiden sich nicht von dem rein Handwerklichen oder den allgemein üblichen Darstellungsmit-teln (Loewenheim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211;). Raum für die eigenpersönliche Prägung einer Karte ergibt sich regelmäßig bei der Generalisierung, der Auswahl und Hervorhebung der einzelnen Elemente sowie der Wahl der Darstellungsmittel wie Signaturen, Farben, Schraffierungen, Schriftwahl und Schriftplatzierung, da es gilt, möglichst umfassende Information mit guter Übersichtlichkeit und Lesbarkeit der Karte zu erreichen (BGH, GRUR 1998, – Stadtplanwerk; BGH, GRUR 1988, – Topografische Landeskarten; Loewen-heim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211). Allein das Weglassen und die Vergröberung einzel-ner Informationen reicht zur Begründung des Schutzes nicht aus (BGH, GRUR 1965, 45 – Stadtplan; Loewenheim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211). Eine Gesamtschau und Kombi-nation freier Darstellungsmittel kann aber die Schutzfähigkeit einer Karte begründen

wenn sie eine persönlich geistige Schöp-fung darstellen (BGH, GRUR 2005, 854 – Karten-Grundsubstanz; BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk). Es kommt darauf an, dass sich aus der Form der Darstel-lung eine individuelle, vom alltäglichen Schaffen abhebende Geistestätigkeit erkennen lässt. Auch dann, wenn eine kartografische Gestaltung in ihrer Gesamt-konzeption (z.B. bei der Gestaltung des Kartenbildes) keine schöpferischen Züge aufweist, etwa, weil es nach einem vorbekannten Muster, einem bestimmten Zeichenschlüssel oder an Musterblät-ter folgend erarbeitet wurde, kann sie urheberrechtlich schutzfähig sein. Der Kartograf hat trotz dieser Bindung einen ausreichenden Spielraum für individuelle Gestaltung, etwa bei der Generalisierung und Verdrängung von Gegebenheiten.

Die Anforderungen an die eigenper-sönliche Prägung sind bei kartografischen Gestaltungen allerdings gering; es wird kein enger Maßstab bei der Beurteilung der eigenpersönlichen Prägung oder der Gestaltungshöhe angewandt (BGH, GRUR 2005, 854 – Karten-Grundsubstanz; BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk; BGH, GRUR 1987, 360 – Werbepläne; BGH, GRUR 1988, 33 – Topografische Landeskarten). Die geringen Anforde-rungen an die eigenpersönliche Prägung oder Individualität einer Karte führen jedoch zu einem engen Schutzumfang der jeweiligen Karte (BGH, GRUR 2005,

1 Zum urheberrechtsschutz von Kartenwerken und Geoinfor-mationen

1.1 urheberrechtsschutz der Karten (§ 2 Abs. 1 nr. 7 urhG)

Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (§ 2 Abs.1 Nr. 7 UrhG). Grundsätzlich sind daher Karten dem Urheberschutz zugänglich.

Die Vermessungsdaten und sonstigen eingearbeiteten Informationen sind jedoch urheberrechtlich frei (BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk). Gleiches gilt für andere Geoinformationen selbst, da es sich auch insofern um wissenschaftliche Ergebnisse handelt, die für jedermann frei zugänglich sein müssen (Loewenheim in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), Urhe-berR, 4. Aufl., § 24 Rdnr. 3–5; Müglich, CR 1995, 257, 260). Erst die Darstel-lung selbst der Vermessungsdaten und Geoinformationen kann geschützt sein. Voraussetzung des Schutzes ist jedoch, dass es sich um eine persönlich geistige Schöpfung handelt (§ 2 Abs. 2 UrhG).

1.1.1 Anforderungen an die Indivi-dualität oder eigenpersönliche Prägung bei Karten

Der BGH hat für Karten ausgeführt, dass sie Urheberschutz genießen können,

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Form übernommen wurden (Loewenheim, a.a.O., § 23 Rdnr. 16). Zuerst werden dazu die objektiven Merkmale, die die schöp-ferische Eigentümlichkeit des Originals prägen, ermittelt. Diese werden den hand-werklich geprägten vorbekannten Gestal-tungen oder dem Schaffen eines Durch-schnittsgestalters gegenübergestellt, die keinen Schutz begründen können. Daraus ermittelt sich der Grad der Eigentümlich-keit, der wiederum für den Schutzumfang maßgeblich ist (BGH, GRUR 1998, 918 – Stadtplanwerk; BGH, GRUR 1985, 1041 – Inkasso-Programm; BGH, GRUR 1987, 704 – Warenzeichenlexika). Dabei findet keine zergliedernde Betrachtung der einzelnen Merkmale statt, sondern es wird auf den Gesamteindruck der beiden Karten abge-stellt (Loewenheim, a.a.O., § 24 Rdnr. 14). Anschließend werden die Merkmale der vorbestehenden Karte mit den Merkmalen der später geschaffenen Karte verglichen (Loewenheim, a.a.O., § 24 Rdnr. 13). Sind die Merkmale, die der Karte die eigenper-sönliche Prägung verleihen, in der später geschaffenen Karte erkennbar, so ist von einer Bearbeitung und eben keiner freien Benutzung auszugehen (Loewenheim, a.a.O., § 24 Rdnr. 15f).

Keine Bearbeitung liegt vor, wenn eine selbstständige neue Karte entsteht, bei der angesichts der Individualität die Wesens-züge der vorbestehenden Karte verblassen (Loewenheim, a.a.O., § 24 Rdnr. 10). Dies ist der Fall, wenn die vorbestehende Karte nicht als Vorbild oder Werkunterlage diente, sondern nur als Anregung für die spätere Schöpfung. Es müssen die individuellen Züge der vorbestehenden Karte gegenüber der Eigenart der neue Karte verblassen, also die Merkmale, die die eigenpersönlichen Prägungen der vorbestehenden Karte ausmachen, nicht in relevantem Umfang benutzt worden sein. Dabei gilt, dass, je ausgeprägter die Individualität der vorbestehenden Karte ist, desto weniger sie gegenüber derjeni-gen der neuen Karte verblassen wird, und umgekehrt wird sie umso eher verblassen, je stärker die Individualität des neuen Werks ist.

Für eine freie Benutzung genügt es nicht, dass die neue Karte weitere selb-ständige Merkmale, die die eigenpersön-liche Prägung begründen, aufweist. Auch

fehlt es, wie unten aufzuzeigen sein wird.

Unabhängig davon müsste die Karte eine eigenpersönliche Prägung aufweisen, dies drückt sich vor allem in der Aus-wahl und Anordnung der Elemente aus (Loewenheim, a.a.O., § 2 Rdnr. 211). Die Auswahl der Elemente ist aber weitge-hend durch den Zweck der jeweiligen Karte oder des jeweiligen Darstellungsbe-dürfnisses vorgegeben, so dass sich, wenn überhaupt, nur ein geringer Gestaltungs-spielraum für den Verfasser der Karte ergibt. Die Anordnung der Elemente folgt der geographischen Lage, wenn man von den bewusst durch die Generalisierung und Verdrängung in Kauf genommenen Abweichungen des Kartenbestandes von der topografischen Gegebenheit absieht. Damit fehlt es jedoch wohl meist an dem für eine eigenpersönliche Prägung erfor-derlichen Gestaltungsspielraum.

Dies bedeutet, dass auch dann, wenn man eine Karte als Datenbank betrachten würde, Karten keinen Schutz unter dem Gesichtspunkt eines Datenbankwerkes für sich in Anspruch nehmen könnten.

1.2 die freie Benutzung

1.2.1 Die freie Benutzung einer Karte

Dient eine Karte als Vorlage für die Schaf-fung einer anderen Karte, dann ist diese Verwertung nicht von der Erlaubnis des Rechtsinhabers der zuerst erstellten Karte abhängig, wenn die neue Karte keine Bearbeitung (§ 3 UrhG) der Vorbestehen-den ist, sondern die vorbestehende Karte lediglich als Anregung gedient hat. Man spricht von einer freien Benutzung der vorbestehenden Karte (§ 24 UrhG).

Dem Urheber steht die Verwertung seines Werkes in der Originalfassung und in umgestalteter Form alleine zu. Das Verwertungsrecht umfasst auch das Recht, die Verwertung in umgestalteter Form zu untersagen (Loewenheim, a. a. O., § 23 Rdnr. 1). Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werks veröffentlicht oder verwertet werden (§ 23 S. 1 UrhG).

Bei der Prüfung, ob eine unfreie Bear-beitung i. S. des § 23 UrhG vorliegt, ist festzustellen, ob und gegebenenfalls wel-che Teile des Originalwerks in veränderter

und gegebenenfalls auch einen größeren Schutzumfang (BGH, GRUR 1998, 916 – Stadtplanwerk).

1.1.2 Urheberrechtlicher Schutz der Kartengrundsubstanz

Auch die im digitalen Datenbestand verkörperte Vorstufe eines Stadtplans als Kartengrundsubstanz (Vektordaten, lineare Elemente und Flächenpolygone) können eine urheberrechtlich schutzfä-hige Darstellung wissenschaftlicher oder technischer Art i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG darstellen (BGH, GRUR 2005, 854 – Kartengrundsubstanz; BGH, GRUR 1998 – Stadtplanwerk, m. w. Nachw.)

Für die urheberrechtliche Schutzfähig-keit der so genannten Grundsubstanz ist es unerheblich, dass diese als solche für Verbraucher noch nicht benutzbar ist. Auch Vorstufen für ein noch weiter auszu-arbeitendes Werk können bereits schutz-fähige Werke sein (BGH, GRUR 1985, 1041 – Inkasso-Programm; Loewenheim, a.a.O., § 2 UrhG Rdnr. 22 m. w. Nachw.).

Der BGH hat sich mit den konkreten Schutzvoraussetzungen der Karten-grundsubstanz nicht auseinandergesetzt, sondern deren Schutzfähigkeit als Entwurf der danach herzustellenden Karten dem Grunde nach bejaht. Bei allen Werkarten, die im Urheberrecht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 UrhG) genannt sind, ist die wesentliche Voraussetzung die der persönlich geistigen Schöpfung. Diese Voraussetzung muss auch für die Entwürfe und die Vorstufen einzelner Werke erfüllt werden (BGH GRUR 1985, 1041, 1046 – Inkassopro-gramm; Loewenheim, a. a. O., § 2 Rn. 22), also auch für die schutzfähigen Vor-stufen von Karten. An die eigenpersön-liche Prägung der Kartengrundsubstanz sind daher die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an die daraus abgeleiteten Karten.

1.1.3 Schutz der Karten als Datenbank-werk (§ 4 Abs. 2 UrhG)

Voraussetzung für den Schutz als Daten-bankwerk ist das Vorliegen einer Daten-bank. Der Begriff der Datenbank ist für die urheberrechtlich und die leistungsschutz-rechtlich geschützte Datenbank gleich (Dreier/Schulze, UrheberR, 4. Aufl. , 2013, § 4 Rdnr. 16 ff, und § 87a Rdnr. 3). Daran

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ist durch eine deutliche Bezugnahme auf die ältere Karte nicht deren freie Benutzung ausgeschlossen.

Für die Beurteilung, ob eine freie Benutzung vorliegt, legt die Rechtsprechung einen strengen Maßstab an. Der Kartograf kann sich Anregungen für die eigene Darstellung holen, diese an Hand vorbestehender Karten überprüfen, aber er soll sich nicht die eigene darstellerische Leistung ersparen. Entschei-dend ist für die Beurteilung der gestalterische Spielraum des Kartografen. Ist dieser eng, so können schon geringfügige Abweichungen ausreichen, um eine freie Benutzung zu begründen (Loewenheim, a.a.O., § 24 Rdnrn. 10–16).

Werden eine Vielzahl urheberrechtlich geschützter Elemente aus einer vorbestehenden Karte übernommen, etwa die generalisierende Darstellung, die Vereinfachungen, die Vergrö-ßerungen, die Verdrängungen oder die Zusammenfassungen, die Farbgebung, die Signaturen, also etwa die Einordnung der Straßen oder der gestaltete Verlauf der Eisenbahnlinien, die Auswahl des Gewässer- und Wegenetzes und Flur-, Brunnen-, Quell- und Waldnamen oder andere Geoinformationen, kann nicht von einer freien Benutzung ausgegangen werden (OLG München, GRUR 2014, 75; OLG Stuttgart, GRUR 2008,1084, 1086; BGH, GRUR 2005, 854, 856 – Kartengrundsubstanz; BGH, GRUR 1998, 916, 917 – Stadtplanwerk; BGH, GRUR 1988, 33, 35 – Topografische Landkarte). In diesem Fall ist also die Einholung einer Zustimmung vom Schöpfer der benutzten Karte zur Nutzung der vorbestehenden Karte erforderlich.

1.2.2 Die freie Benutzung der Kartengrundsubstanz

Wenn man den Schutz der Kartengrundsubstanz im Einzelfall annehmen will und kann, dann gelten für die Übernahme die gleichen Grundsätze, wie für die Übernahme einer Karte selbst. Auch dabei ist die freie Benutzung (§ 24 UrhG) von der abhängigen Bearbeitung (§§ 3, 23 UrhG) zu unterscheiden. Auch hier gilt, dass dann, wenn die eigenpersönlichen Züge der Kartengrundsubstanz in der Abwandlung in einer anderen Kartengrundsubstanz oder in einer nach ihr geschaffenen Karte zu erkennen sind, von einer unfreien Benutzung auszu-gehen ist. Allerdings dürfte die Individualität der Vektordaten, linearen Elemente und Flächenpolygone nur selten an Hand der danach erstellten Karten zu erkennen sein.

2 der Leistungsschutz von Karten als datenbanken

2.1 Schutzvoraussetzungen des Leistungsschutzes für datenbanken

Eine Datenbank i. S. von Art. 1 Datenbankrichtlinie (RL96/9EG) und § 87a Abs. 1 S.1 UrhG ist eine Sammlung, die Werke, Daten oder andere Elemente umfasst, die sich voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres Inhalts dadurch beeinträchtigt wird, und die eine Methode oder ein System beliebiger Art enthält, mit der bzw. dem sich jedes der Ele-mente der Sammlung wieder auffinden lässt. Der Schutz setzt eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition für deren

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urheBerreCht p. Lutz: Zum urheberrecht in Kartografie und Geoinformation

die Höhenangabe oder die Art der Vege-tation an einem bestimmten Bodenpunkt oder - wenn es sich um den Teil einer Verkehrsfläche handelt - deren Oberflä-chengestaltung ablesen; der Betrachter kann der Karte darüber hinaus Angaben zu flächigen Gebilden über eine Vielzahl von Einzelpunkten, etwa zu der Ausdeh-nung einer bestimmten Vegetationszone, der Erstreckung einer Verkehrsfläche oder eines Gewässers, entnehmen.“

Diese Daten hätten auch jede für sich oder in unterschiedlichen Einzelkombina-tionen einen isolierten Informationswert gehabt. Die Angaben seien nicht nur auf optischem Weg einzeln zugänglich, sondern hätten auch einzeln einen für den Nutzer verwertbaren Informationsgehalt. Dieser Informationsgehalt würde vom Nutzer auch bei bestimmungsgemäßer Nutzung der Karte selektiv abgerufen.

Bei der gewählten kartografischen Darstellung handele es sich um eine zweidimensionale, schematisierte grafi-sche Veranschaulichung einer dreidimensi-onalen Wirklichkeit. Die dabei verwendete Systematik sei hinsichtlich der Anordnung der Objekte nach geografischer Lage nicht weniger trivial als die bei Listen übliche alphabetische, numerische oder chro-nologische Anordnung; hinsichtlich der Klassifizierung der Kartenelemente sei die Systematik des gewählten Darstellungssys-tems weit komplexer als die der meisten analogen und vieler digitaler Datensamm-lungen.

Dazu führt das LG München I (GRUR 2006, 225, 226 f.) weiter aus: „Diese Unabhängigkeit der in die Karte aufge-nommenen Einzelelemente zeigt sich nicht nur durch die Art der Entstehung der Karte, die in ihrer für den Betrach-ter gewohnten Form erst aus einer Zusammenstellung der separat nach Elementgruppen abgelegten, digital im so genannten „ATKIS”-Landschaftsmodell gespeicherten Einzelobjekte entsteht. Sie zeigt sich vielmehr vor allem bei der Art der konkreten Nutzung. Je nach Aufgabe, die der Nutzer mit Hilfe der topografi-schen Karte lösen will, sind für ihn nur bestimmte dargestellte Informationen von Bedeutung, andere dagegen völlig unerheblich. So kann für den Fahrer eines Lastwagens auf einer Nebenstraße allein

Wiedergabe sämtlicher Angaben in tabel-larischer Form ebenso möglich ist. Die Daten sind auch in der Art der Darstellung systematisch angeordnet, da die Darstel-lung der in der Legende im Einzelnen niedergelegten typisierten Kategorisierung folgt.

Einigkeit besteht auch darüber, dass analoge Datensammlungen, insbesondere in gedruckter Form, auch den Daten-bankschutz in Anspruch nehmen können (EuGH, GRUR 2005, 254 - Fixtures-Fuß-ballspielpläne II).

Streitig ist hingegen, ob es sich bei den in den Karten wiedergegebenen Begeben-heiten um „unabhängige Elemente“ i. S. der Vorschrift handelt.

Die Rechtsprechung (EuGH, GRUR 2005, 254 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH, GRUR 2005, 940, 941 – Markt-studien m. w. N.) hat klargestellt, dass die einzelnen Elemente sich voneinander trennen lassen müssen, ohne dass der Wert ihres Inhalts dadurch beeinträchtigt werde. Die Aufnahme einzelner Elemente in eine Datenbank darf an dem selbstän-digen Wert der sachlichen Informationen des jeweiligen Elementes nichts ändern, es darf auch keine inhaltliche Beziehung der einzelnen Elemente oder deren Verschmel-zung durch die Aufnahme in die Daten-bank entstehen (Leistner, Der Rechtsschutz von Datenbanken im deutschen und europäischen Recht, 2000, S. 48 ff; Vogel a.a.O., § 87a Rdnr. 5; Dreier/Schulze, a.a.O. § 87a Rdnr. 6).

Ferner muss eine Datenbank, wie oben dargestellt, eine Methode oder ein System beliebiger Art enthalten, mit der bzw. dem sich jedes der Elemente der Sammlung wieder auffinden lässt.

2.2 die Auffassung, die den daten-bankcharakter bejaht

Das LG München I (GRUR 2006, 225) meint, dass alle Darstellungen in der Karte unabhängige Elemente seien: „Alle in die Karte aufgenommenen Einzelinformatio-nen sind ohne weiteres einzeln zugäng-lich, indem der Betrachter den Focus auf einen bestimmten Punkt der dargestellten Erdoberfläche lenkt und die Angaben zur Oberflächenbeschaffenheit an diesem Punkt aus der Karte abliest. Er kann in Bezug auf diese Einzelinformationen, etwa

Beschaffung, Überprüfung oder Darstel-lung voraus.

Gerade bezüglich topografischer Land-karten hat sich seit Inkrafttreten dieses Schutzes im Jahre 1998 eine Diskussion entzündet, die zu unterschiedlichen Urteilen führte. So sind das LG München I (GRUR 2006, 225 –Topografische Kar-tenblätter; ZUM-RD 2013, 277), das LG Leipzig (ZUM-RD 2013, 273) und das LG Stuttgart (NJOZ 2009, 335) sowie Leistner (GRUR 2014, 75) und Thum (in: Wandtke/Bullinger, UrheberR, 3. Aufl., § 87a Rdnr. 101) der Auffassung, dass topografische Karten als Datenbank in diesem Sinne einzustufen sind, während das OLG München (GRUR 2014, 75) und das OLG Dresden (ZUM 2014, 145) sowie Hertin (GRUR 2004, 646), Vogel (in: Schricker/Loewenheim, UrheberR, 4. Aufl., § 87a Rdnr. 17) und Cychowski (in: Fromm/Nor-demann, UrheberR, 10. Aufl., § 87a Rdnr. 10) die Voraussetzungen des Leistungs-schutzes für nicht gegeben erachten.

Dass die Voraussetzung „einer nach Art oder Umfang wesentlichen Investition für die Beschaffung, Überprüfung oder Dar-stellung“ topgraphischer Begebenheiten in topografischen Landkarten vorliegt, ist grundsätzlich allgemeine Meinung.

Ähnliches gilt für die „systematische oder methodische Anordnung“, die in der Verortung in der Karte nach den Koordinaten gesehen wird. Jede Karte ist eine Sammlung von Einzelinformationen über Beschaffenheit der Erdoberfläche im jeweiligen Kartengebiet. Dargestellt sind etwa Lage und Ausdehnung von Siedlungsflächen, von Verkehrsflächen, von Gewässern, Vegetationszonen, Gemeinde-, Flur-, Berg- und Gewässer-namen und eine Fülle von Hinweisen zu Einzelobjekten wie Kirchendenkmälern, Bergwerken etc. Die systematische Anordnung ergibt sich sowohl aus der Art der Anordnung als auch aus der Art der Darstellung der Einzelobjekte. Alle Objekte werden in den topografischen Landkar-ten nach dem deutschen geografischen Einheitsnetz angeordnet, so dass sich die Punkte der dreidimensionalen Erdober-fläche durch Projektion und Entzerrung auf einem zweidimensionalen Gitternetz wiederfinden lassen. Diese Darstellung ist nicht zwingend, da eine eindimensionale

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Die Einzelinformation sei kaum werthal-tig. Die Information, dass sich an einem bestimmten Koordinatenpunkt und somit an einem bestimmten Punkt der Erdober-fläche z. B. eine Straße befinde, sei, isoliert betrachtet, wenig aufschlussreich. Zur effektiven Verwertung dieser Information bedarf es weiterer Informationen, insbe-sondere über den Straßenverlauf, damit der Kartennutzer weiß, wo die Straße hinführt. Entsprechend verhält es sich etwa mit anderen Angaben. Wenn sich an einem Punkt ein Gewässer befindet, wird der Kartennutzer wissen wollen, welches Ausmaß das Gewässer hat und ob und gegebenenfalls wie es erreichbar ist. Erst aus diesen oder gegebenenfalls auch aus anderen weiteren Angaben aus der Karte werde die Information, dass sich an dem Punkt ein Gewässer befindet, für den Kartennutzer werthaltig.

Die in einer Karte enthaltenen Einzel-informationen ergeben erst aus einem inhaltlichen Gewebe heraus Sinn (vgl. Czy-chowski, in: Fromm/Nordemann, a.a.O. § 87 a Rdnr. 9).

Dass eine topografische Karte mangels Unabhängigkeit der Elemente keine Datenbank i. S. des § 87 a Abs. 1 UrhG ist, entspräche der Tatsache, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht der Einzelinformation auf der Karte entspre-chen müssen. So sei es für die Lesbarkeit der Karte notwendig, eine Generalisie-rung vorzunehmen, die die tatsächliche Begebenheit nicht wiedergebe. Da die Einzelinformationen ihren Wert durch ihre Bezogenheit aufeinander erhalten und vom Betrachter zusammenhängend wahrgenommen werden, sei die exakte Richtigkeit für den Nutzer auch nicht von entscheidender Bedeutung.

Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass nur die Definition eines einzelnen Elements weiter gefasst werden müsste. Die Definition des einzelnen Ele-ments einer Datenbank sei nicht beliebig variabel je nach Datenbank, denn jedes einzelne Element der Datenbank müsse sich systematisch oder methodisch wieder auffinden lassen. Systematisch auffinden lässt sich aber nur über das Koordinaten-system der Karte jeweils eine bestimmte Angabe zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche. Alle anderen Informa-

Je nach Art der Nutzung genüge eine Einzelinformation zu einem bestimmten Punkt oder eine Kombination der Infor-mationen zu verschiedenen benachbarten oder weiter entfernt liegenden Punkten. Die Möglichkeit, die Einzelinformationen auch in Kombination zu nutzen, schließt jedoch deren einzelne Zugänglichkeit nicht aus, sondern ist nur deren Folge.

Das LG Stuttgart (NJOZ 2009, 335) führt zur Unabhängigkeit der Elemente ergänzend zum LG München I aus: „Zuzu-geben ist, dass sich der jeweilige Informa-tionsgehalt des einzelnen Elements über die topografische Belegenheit, also das „Wo”, erschließt. Dies hindert indessen die Unabhängigkeit nicht, sondern betrifft die Frage, was jeweils als maßgebliches Einzelelement der Datenbank, also als Informationseinheit, anzusehen ist.“

Leistner (GRUR 2014, 528, 530) weist darauf hin, dass die Unabhängigkeit für die Mehrzahl der nicht topografisch gebundenen Sachinformationen, wie der Name und die ungefähre Einwohnerzahl einer Stadt, die Klassifizierung einer Straße, eines Flusses oder eine Bahnlinie gelte. Diese Einzelinformationen verlieren jeweils nicht an ihrem Wert, wenn sie der Karte entnommen würden. Gleiches gelte für topografische Informationen, wie den Verlauf eines Flusses oder einer Straße, die Höhenlinien in einer Region oder die Begrenzung einer Vegetationsfläche. Auch sie lassen sich selektiv der Karte entneh-men, ohne dass sie ihren Informationswert verlieren würden. Dass sie in ihrer Zusam-menschau mit anderen Informationen in der Karte einen zusätzlichen, darüber hinaus gehenden Informationswert haben, ändere an der Unabhängigkeit nichts.

2.3 die Auffassung, die eine daten-bank verneint

Demgegenüber meint das OLG München (GRUR 2014, 75) dass eine topografische Karte keine Datenbank sei. Die Einzelin-formationen in einer topografischen Karte seien keine „unabhängigen Elemente“, da sie sich nicht voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihrer Information beeinträchtigt werde (EuGH, GRUR 2005, 254 Rdnr. 29 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH, GRUR 2005, 940, 941 – Marktstu-dien; BaH, GRUR 2005, 857 – Hit Bilanz).

von Bedeutung sein, ob der Wegausbau auch im weiteren Verlauf der Straße eine Nutzung mit dem Lastwagen zulässt. Für einen Hubschrauberpiloten, der sich mittels GPS im Nebel orientiert, kann allein die Frage von Bedeutung sein, ob an der für die Landung vorgesehenen Stelle die Vegetation aus Wald oder aus Wiese besteht. Für einen Autofahrer kann allein die Länge einer bestimmten Straße wichtig sein, während für den Betreiber einer Treibjagd im benachbarten Wald die Kenntnis von deren genauer Lage von Bedeutung ist.“

Diesen Überlegungen der 21. Zivilkam-mer des LG München I hat sich die 7. Zivil-kammer angeschlossen (ZUM-RD 2013, 277) und zusammengefasst: „Insgesamt widerspricht es zwar dem Sprachgefühl, wenn eine Landkarte als „Datenbank“ bezeichnet wird. Dies ändert aber nichts daran, dass eine Landkarte geradezu ein mustergültiges Beispiel für eine Daten-bank ist. Es gibt wenig Vergleichbares, bei dem auf einem engen Raum eine so große Vielzahl von Informationen untergebracht ist, die für den Nutzer auf eine einfache Art und Weise zugänglich sind, wie bei Landkarten, bei denen die Art der Darstel-lung und der Nutzung über einen langen Zeitraum immer weiter verbessert wurde. Selbst ein ungeübter Nutzer (Kartenleser) ist in der Regel in der Lage, einer Karte eine Vielzahl von ihn gerade interessieren-den Einzelinformationen zu entnehmen.“ Weiterhin wiederholt die Kammer die Begründung. Die Elemente seien einzeln zugänglich, weil „der Betrachter den Fokus auf einen bestimmten Punkt der dargestellten Erdoberfläche lenkt und die Angaben zur Oberflächenbeschaffenheit an diesem Punkt aus der Karte abliest.“ Die einzelnen Elemente könnten getrennt werden, ohne dass der Wert ihres Inhalts dadurch beeinträchtigt werde, so könnten beispielsweise die Ortsdaten aller eingetra-genen Kirchen herausgelesen und in eine Liste eingetragen werden, ohne dass sich der Wert dieser Information verringere.

Für die Nutzung der enthaltenen Infor-mationen komme es nicht auf die Darstel-lung sämtlicher Elemente in ihrer Gesamt-heit an, sondern auf die Information, die relativ zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche abgelesen werden könne.

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urheBerreCht p. Lutz: Zum urheberrecht in Kartografie und Geoinformation

an der der Erstellung der Karte zugrun-deliegenden Datenbank verletzt (mit dieser Frage hat – soweit ersichtlich – sich bislang nur Leistner, GRUR 2014, 528, 533 ff. auseinandergesetzt).

§ 87b UrhG überlässt es dem Daten-bankhersteller alleine „einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu ver-breiten und öffentlich wiederzugeben.“ Geschützt werden soll die Investition in die Erstellung der Datenbank (EuGH, GRUR 2005, 244 – BHB-Pferdewetten). Um dieses Schutzziel zu erreichen, ist der Datenbankhersteller nicht nur gegen die unmittelbare Entnahme geschützt, sondern auch gegen die Übernahme der Daten aus Drittquellen, die selbst keinem Datenbankschutz unterliegen müssen, wenn nach Art und Umfang ein wesentlicher Teil der Datenbank, also der Investition, betroffen ist ( EuGH, GRUR 2005, 244 – BHB-Pferdewetten; EuGH, GRUR 2008, 1077 – Directmedia/Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; EuGH, GRUR 2014,166 – Innoweb). Die Wesentlichkeit der Übernahmen beurteilt sich sowohl nach der Qualität („Art“) als auch nach der Quantität („Umfang“).

Das Qualitätskriterium fragt danach, ob die Entnahme und Weiterverwendung eine Gefährdung der Investition darstellt, während das Quantitätskriterium das Verhältnis des entnommenen Teils zur gesamten Datenbank meint (EuGH, GRUR 2005, 244 – BHB-Pferdewetten). Dem-gegenüber verletzt die Abfrage einzelner Datensätze aus der Datenbank das Recht nicht (EuGH, GRUR 2014, 166 – Innoweb; EuGH, GRUR 2008, 1077 – Directmedia/Albert-Ludwigs-Universität Freiburg).

Damit stellt aber die vollständige oder fast vollständige Übernahme von Daten zu mehreren Objektkategorien aus einer topografischen Karte gleichzeitig eine Verletzung der zu Grunde liegenden DLM-Datenbank dar. Dabei ist es unerheblich, ob die Übernahme auf elektronischem Weg oder durch händische Zeichnung erfolgt, weil dadurch die Amortisation der Investition behindert wird (EuGH GRUR 2012, 1245 – Football Dataco/Sportradar). Wird die topografische Karte nur zu einzelnen Begebenheiten, z.B. zur Aktualisierung, befragt, so stellt das keine

ein Laub- oder Nadelwald ist und welche Ausdehnung er hat. Damit gibt erst das Geflecht und die aufeinander Bezogenheit mehrerer kleiner Punkte eine verwertbare Information. Auch wenn man den Begriff des „einzelnen Elements“ nicht auf den Punkt in der Karte bezieht, sondern auf die in der Karte dargestellten Objekte, wie den Fluss mit seinem Verlauf, seiner Lage und seiner Größe, die Siedlung mit ihrer flächenmäßigen Ausdehnung oder die Straße mit ihrer Kategorisierung und ihrem Verlauf, würden die Elemente kaum eine werthaltige Information darstellen. Dem Nutzer ist nämlich nicht mit der Information über die Lage des Flusses alleine gedient, er will vielmehr auch wissen, durch welche Region oder Stadt er fließt, wie man ihn erreichen kann, ob es Brücken gibt, wo er entspringt und wo er in einen anderen Fluss oder das Meer oder einen See mündet usw.

Die Präsentation der Elemente in der Karte und ihre Nutzung setzt immer eine Gesamtschau mehrerer Einzelelemente und Punkte des Gitternetzes voraus.

3 Schutz der topografischen Karten zu Grunde liegenden daten

Analoge topografische Karten werden aus einheitlich strukturierten Datenbanken, die die wesentlichen Erscheinungsformen und Sachverhalte sowie das Gelände an der Erdoberfläche umfassen, generiert. Dies erfolgt in Digitalen Landschaftsmodellen (DLM), in denen die Daten objektbasiert und frei von kartografischer Generalisie-rung gespeichert werden und in Digitalen Topografischen Karten (DTK), welche die generalisierten und mit kartografischen Signaturen versehenen Daten enthalten.

Es kann an dieser Stelle unterstellt wer-den, dass diese Datenbank dem Schutz des Leistungsschutzrechtes der Datenbank unterfällt (Leistner, GRUR 2014, 528, 530).

Es ist daher zu untersuchen, ob und gegebenenfalls unter welchen Vorausset-zungen die Entnahme und Weiterverwen-dung von Daten aus einer vorhandenen analogen topografischen Karte für eine andere Karte nicht das dem Datenbank-hersteller zustehende Entnahme- und Weiterverwendungsrecht (§ 87b UrhG)

tionen könnten der Karte nicht durch einen systematischen Zugriff entnommen werden, sondern nur dadurch, dass der Nutzer die Karte betrachte und nach den gewünschten Informationen absuche. Die Ortsdaten aller eingetragenen Kirchen, die das LG als Beispiel dafür anführe, dass die einzelnen Informationen einer Karte unabhängige Elemente darstellten, könn-ten einer analogen topografischen Karte nicht systematisch entnommen werden, sondern nur dadurch, dass der Nutzer die Karte quadratzentimeterweise nach dem entsprechenden Kirchensymbol absuche, was etwa dem Durchschauen eines nicht alphabetisch geordneten Telefonverzeich-nisses nach bestimmten Namen gleich-komme. Eine nicht geordnete Sammlung von Telefonnummern stelle mangels systematischen Zugriffs jedoch ebenfalls keine Datenbank dar.

2.4 Karten sind keine datenbank

Die Auffassung, die eine topografische Karte als eine nach § 87a UrhG geschützte analoge Datenbank betrachtet, defi-niert den Begriff des Elements nach der jeweiligen Präsentation in einer Karte. Die Auffassung stellt nicht auf den einzelnen Punkt in der Karte ab, sondern auf die in der Karte wiedergegebenen Objekte. Die einzelne Verwertbarkeit kann aber nicht durch die beliebige Definition des Begriffs „Element“ herbeigeführt werden. Einzeln zugänglich ist aber nur die Information zu einem bestimmten Punkt des Gitternetzes der Karte, der wiederum einen beliebig kleinen Punkt in der Wirklichkeit darstellt. Zwar können sich für diesen kleinen Punkt Sachinformationen ergeben, die auch losgelöst vom Kartenwerk ihren informa-torischen Wert behalten, wie die Höhe über dem Meeresspiegel oder der Name einer Siedlung und deren Ein-wohnerzahl, aber Informationen, wie Wasser, Straße, Wald, Bebauung u. ä., haben für den Nutzer einer Karte für sich genommen keinen Wert. Erst wenn der natürlich gegebene Kontext auf der Karte hergestellt ist, weiß der Nutzer, ob das Wasser ein See oder ein Fluss oder das Meer ist und welche Ausdehnung bzw. Verlauf das Wasser hat, ob die Straße ein Feldweg oder eine Autobahn ist, und wie sie verlaufen, oder der Wald

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p. Lutz: Zum urheberrecht in Kartografie und Geoinformation urheBerreCht

besondere Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist oder vertragliche oder gesetzliche Rechte Dritter dem nicht entgegenstehen.“ Damit können Geoin-formationen grundsätzlich dem Urheber- oder Leistungsschutz unterliegen.

Geoinformationen selbst sind aber regelmäßig das Ergebnis einer wissen-schaftlichen Forschung und damit ebenso wie Vermessungsdaten nicht urheber-rechtlich geschützt, wie bereits oben ausgeführt wurde. Allerdings können die Datenbanken, in denen diese Infor-mationen vorgehalten und zugänglich gemacht werden, einem Leistungsschutz als Datenbank (§ 87a UrhG) unterliegen. Dabei kommt es darauf an, dass die jeweilige Datenbank den Schutzvorausset-zungen des Datenbankrechts genügt. Eine allgemein gültige Aussage darüber kann indes nicht gemacht werden, es bedarf daher einer Prüfung jeder Datenbank im Einzelfall.

Über den Verfasser

Prof. Dr. Peter Lutz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, ist Verfasser einer Reihe von Beiträgen zum Urheberrecht, insbesondere von „Grundriss des Urheberrechts“, 2. Aufl., sowie Partner der Sozietät SNP Schlawien Partnerschaft in München. E-Mail: [email protected]

Manuskript eingereicht am 15.6.2014

4 der Schutz der Geoinformationen

Geoinformationen werden als „Informa-tionen über geographische Phänomene, die direkt oder indirekt mit einer auf die Erde bezogenen Position verbunden sind“ definiert (DIN ISO 19101). Geodaten sind die für die Computerverarbeitung aufbe-reiteten Geoinformationen. Geographi-sche Phänomene haben thematische und zeitliche Merkmale und auch geometri-sche (d. h. eine eindeutige Verortung) und topologische (d.h. räumliche Beziehungen zu anderen Objekten). Die Verortung oder Georeferenzierung der Daten kann, entweder indirekt (z. B. Gemeindebe-zeichnung) oder direkt, über Koordinaten erfolgen.

§ 4 Abs.1 Nr. 4 GeoZG nennt mehr als 30 verschiedene Themen von der Lagebeschreibung einzelner Objekte über Angaben zur Vegetation, zu Bodenschät-zen, zur Struktur der Bevölkerung usw., zu denen Geoinformationen vorliegen können.

Nach Art. 2 der INSPIRE-Richtlinie (2007/2/EG) und § 11 Abs. 2 GeoZG sind „Geodaten und Metadaten über Geoda-tendienste für die kommerzielle und nicht kommerzielle Nutzung geldleistungsfrei zur Verfügung zu stellen, soweit durch

Entnahme eines wesentlichen Teils der DLM-Datenbank dar.

Eine Verletzung des Datenbankherstel-lerrechts kann aber dann ausgeschlossen sein, wenn die Darstellung in der topogra-fischen Landkarte selbst das Ergebnis einer Generalisierung, Verallgemeinerung oder Verdrängung ist. In diesem Fall kann näm-lich die analoge Darstellung in der Karte vom Datenbestand abweichen. Aber nur dann, wenn eine deutliche Abweichung vom Datenbestand vorläge, wäre das Schutzinteresse des Datenbankherstellers nicht betroffen (BGH, GRUR-RR 2010, 232 – Gedichttitelliste III; Leistner, GRUR 2014, 528, 535).

Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Übernahme aus einer Datenbank wird in erster Linie darauf abzustellen sein, ob das Amortisationsinteresse des Daten-bankherstellers durch die konkrete unver-änderte oder auch veränderte Entnahme beeinträchtigt wird oder nicht, denn der Nutzer soll sich nicht die eigenen Inves-titionen durch die Entnahme ersparen. Dabei verbietet es sich ein ausdehnendes Schutzinteresse des Datenbankherstellers anzuwenden, denn der Datenbankschutz soll zum einen nicht den Urheberschutz ausdehnen (Erwägungsgrund 45 der Datenbankrichtlinie 96/9/EG), darf also auch nicht mittelbar zum Schutz von urheberrechtlich nicht geschützten wissenschaftlichen Ergebnissen oder freien Tatsachen führen und zum anderen nicht den Wettbewerb ausschließen (Erwä-gungsgrund 47 der Datenbankrichtlinie 96/9EG; dazu auch Leistner, GRUR 2014, 528, 536).

Der Nachweis der Entnahme und Weiterverwendung kann durch einen Vergleich zunächst des geschützten Datenbestandes mit der betreffenden topografischen Karte zur Feststellung der Identität der topografischen Karte und des Datenbestandes und dem anschließenden Vergleich der topografischen Karte mit der später erschienenen Karte erfolgen. Dadurch können die übernommenen Daten analysiert werden. Anschließend ist zu beurteilen, ob die übernommenen Daten nach ihrer Art und ihrem Umfang einen wesentlichen Teil der Datenbank betreffen.

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KN Kartographische nachrichten Journal of Cartography and Geographic Information

KN Kartographische Nachrichten is the only cartographic journal of the German language area. The journal is among the oldest cartographic periodicals world wide: It was established in 1951 as the journal of the German Society of Carto-graphy (DGfK). In 1976, it has become the joint periodical publication of DGfK, the Cartographic Commission of the Austrian Geographical Society (ÖKK), and the Swiss Cartographic Society (SGK). Since 2009, the journal is indexed in Scopus. KN Kartographische Nachrichten wants to be a medium of internal and external information exchange on the national level and a represen-tative of the German speaking countries in the international cartographic community.

www.kartographische-nachrichten.de

Kartographische NachrichtenCartography and Geographic Information Science

Organ der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e.V., der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie und der Österreichischen Kartographischen Kommission in der Österreichischen Geographischen Gesellschaft

2012

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Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e.V. – 62. Jahrgang – Oktober

www.dgfk.net Indexed in Scopus

62. J

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2 •

Hef

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60. Deutscher KartographentagINTERGEO 2012, Hannovern Lentikulartechnik und

thematische Kartographien Datenmodell Radwegenetzen Darstellung thematischer

Unsicherheitenn Grundsätze moderner

Kartengestaltung n Digitale Luftfahrtkarten

1-US-KN-5-2012.indd 1 19.09.12 09:33