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Makromol. Chem. 192, 75-83 (1991) 75 Partiell acetylierte Cellulose - Synthese und Bestimmung der Substituentenverteilung mit Hilfe der 'H NMR-Spektroskopie Carsten Deus, Horst Friebolin * Organisch-chemisches Institut der Universitat Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 270, D-6900 Heidelberg Egon Siefert Institut fur Makromolekulare Chemie der Universitiit Freiburg, Stefan-Meier-Str. 31, D-7800 Freiburg (Eingangsdatum: 25. Mai 1990) SUMMARY Partially acetylated cellulosewas synthesized by homogeneous acidic and basic saponification of cellulose triacetate (fully acetylated cellulose)and by homogeneous acetylationof cellulosedis- solved in molten N-ethyl-pyridinium chloride. The result of 'H NMR spectroscopic investiga- tions was that acetylation and acid saponification lead to products with different esterification of the hydroxy groups at C2, C3 and C6 whilst basic saponification leads to uniform acetylation. Furthermore, the solubility of the cellulose acetates depends on the method of preparation. Einleitung Cellulosetriacetat (voll acetylierte Cellulose) ist ein technisch vielseitig verwendetes Produkt. Es wird zum Beispiel zu Rohfilmen fur die Fotografie und zu Elektroisolierfo- lien verarbeitet. Daneben finden auch Celluloseacetate mit einem kleineren Substitu- tionsgrad (degree of substitution = DS) Anwendung, z. B. als Verpackungsfolien und Textilfasern (DS = 2,2 bis 2,7), als Zigarettenfilter (DS = 2,5) oder als Lacke und plasti- sche Massen (DS = 1,2 bis 1,8). Bei den herkdmmlichen technischen Verfahren wird Cellulose unter Saurekatalyse acetyliert '). Diese Reaktion verlauft zunachst heterogen, da Cellulose nur in wenigen auljergewohnlichen Liisungsmitteln loslich ist. Mit fortschreitender Acetylierung losen sich jedoch die Reaktionsprodukte, und die Reaktion wird homogen. Mit diesem Ver- fahren erhalt man normalerweise keine volle Acetylierung, jedoch ist der Substitutions- grad meistens grol3er als 2,9; man bezeichnet diese Produkte im allgemeinen als ,,Triace- tate". Celluloseacetate mit einem kleineren, jedoch definierten Substitutionsgrad lassen sich nicht durch vorzeitigen Abbruch der Acetylierungsreaktion herstellen, da ein Pro- duktgemisch entsteht, das sich nicht mehr aufarbeiten la&. Um solche Celluloseacetate zu erhalten, wird in der Praxis zunachst Cellullose - wie oben beschrieben - zum Tri- acetat heterogen acetyliert. Das entstandene Produkt wird, ohne es zu isolieren, direkt anschlieljend sauer verseift *). Partiell acetylierte Cellulose kann sich im Substitutionsgrad, in der Kettenlange und in der Verteilung der Substituenten auf die drei Hydroxylgruppen unterscheiden. Bekannt ist, da8 die Viskositat und die Liislichkeit und damit die Verspinnbarkeit von (9 1991, Huthig & Wepf Verlag, Base1 CCC 0025-1 16X/91/$03.00

Partiell acetylierte cellulose — synthese und bestimmung der substituentenverteilung mit hilfe der 1H NMR-spektroskopie

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Makromol. Chem. 192, 75-83 (1991) 75

Partiell acetylierte Cellulose - Synthese und Bestimmung der Substituentenverteilung mit Hilfe der 'H NMR-Spektroskopie

Carsten Deus, Horst Friebolin *

Organisch-chemisches Institut der Universitat Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 270, D-6900 Heidelberg

Egon Siefert

Institut fur Makromolekulare Chemie der Universitiit Freiburg, Stefan-Meier-Str. 31, D-7800 Freiburg

(Eingangsdatum: 25. Mai 1990)

SUMMARY Partially acetylated cellulose was synthesized by homogeneous acidic and basic saponification

of cellulose triacetate (fully acetylated cellulose) and by homogeneous acetylation of cellulose dis- solved in molten N-ethyl-pyridinium chloride. The result of 'H NMR spectroscopic investiga- tions was that acetylation and acid saponification lead to products with different esterification of the hydroxy groups at C2, C3 and C6 whilst basic saponification leads to uniform acetylation. Furthermore, the solubility of the cellulose acetates depends on the method of preparation.

Einleitung

Cellulosetriacetat (voll acetylierte Cellulose) ist ein technisch vielseitig verwendetes Produkt. Es wird zum Beispiel zu Rohfilmen fur die Fotografie und zu Elektroisolierfo- lien verarbeitet. Daneben finden auch Celluloseacetate mit einem kleineren Substitu- tionsgrad (degree of substitution = DS) Anwendung, z. B. als Verpackungsfolien und Textilfasern (DS = 2,2 bis 2,7), als Zigarettenfilter (DS = 2,5) oder als Lacke und plasti- sche Massen (DS = 1,2 bis 1,8).

Bei den herkdmmlichen technischen Verfahren wird Cellulose unter Saurekatalyse acetyliert '). Diese Reaktion verlauft zunachst heterogen, da Cellulose nur in wenigen auljergewohnlichen Liisungsmitteln loslich ist. Mit fortschreitender Acetylierung losen sich jedoch die Reaktionsprodukte, und die Reaktion wird homogen. Mit diesem Ver- fahren erhalt man normalerweise keine volle Acetylierung, jedoch ist der Substitutions- grad meistens grol3er als 2,9; man bezeichnet diese Produkte im allgemeinen als ,,Triace- tate".

Celluloseacetate mit einem kleineren, jedoch definierten Substitutionsgrad lassen sich nicht durch vorzeitigen Abbruch der Acetylierungsreaktion herstellen, d a ein Pro- duktgemisch entsteht, das sich nicht mehr aufarbeiten la&. Um solche Celluloseacetate zu erhalten, wird in der Praxis zunachst Cellullose - wie oben beschrieben - zum Tri- acetat heterogen acetyliert. Das entstandene Produkt wird, ohne es zu isolieren, direkt anschlieljend sauer verseift *).

Partiell acetylierte Cellulose kann sich im Substitutionsgrad, in der Kettenlange und in der Verteilung der Substituenten auf die drei Hydroxylgruppen unterscheiden. Bekannt ist, da8 die Viskositat und die Liislichkeit und damit die Verspinnbarkeit von

(9 1991, Huthig & Wepf Verlag, Base1 CCC 0025-1 16X/91/$03.00

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der Kettenlange und vom Substitutionsgrad abhangen. Hingegen ist unbekannt, wie die Substituentenverteilung diese Eigenschaften beein flufit. Wir haben daher nach funf verschiedenen Verfahren Celluloseacetate beliebigen Substitutionsgrades hergestellt. Mit Hilfe der 'H NMR-Spektroskopie untersuchten wir dann, ob sich die Substituen- tenverteilung in den verschiedenen Cellulosederivaten unterscheidet, und welche Ltisungseigenschaften diese Acetate haben. Den Substitutionsgrad bestimmten wir titrimetrisch nach Eberstadt 3, und uber die Peak-Integrale aus den 'H NMR-Spektren.

Bei der 'H NMR-spektroskopischen Bestimmung der Substituentenverteilung nutz- ten wir die Tatsache aus, daB im Spektrum von Cellulosetriacetat, aufgenommen in CDCI,, sowohl die Ringprotonensignale als auch die Acetylsignale 4, 5, gut getrennt und zugeordnet sind (Abb. 1). Partiell acetylierte Cellulose enthalt dagegen im statisti- schen Mittel ein-, zwei- und dreifach acetylierte Glucoseeinheiten; die Spektren sind daher, auch wenn sie bei hohen MeBfrequenzen aufgenommen wurden, nicht so einfach zu interpretieren wie beim Cellulosetriacetat. So sind allein schon zwolf Acetylsignale mdglich (Abb. 2a) @. Verestert man aber solche partiell acetylierte Cellulose mit Essig- saureanhydrid-d, zum Triacetat, so erhalt man dessen Spektrum mit den drei zugeord- neten Acetylsignalen (Abb. 2 b). Die Intensitaten dieser Signale geben die ursprungliche Verteilung der Acetylgruppen wieder. Die Aufacetylierung ist auBerdem notwendig, da sich nur Celluloseacetate rnit hohem DS in Chloroform losen. Andere Usungsmittel, wie DMSO-d, oder CD,COOD, sind nicht geeignet, da sich in den 'H NMR-Spektren die Acetylsignale aufgrund von Lijsungsmitteleffekten uberlagern, bzw. die Lijsungs- mittel-Restsignale storen und somit eine quantitative Bestimmung der Substituenten- verteilung durch Integration nicht moglich ist.

Acetyl-CH3

6 2 3

H-1. H-6 H-6' H - L H-5

Abb. 1. 'H NMR-Spek- trum von Cellulosetriace- tat. MeBfrequenz 250 MHz, Lsgm. CDCI,, innerer Standard TMS, 200 Impulse. (Ac = Ace- tYl)

5 L 3 2 6 in ppm

Ergebnisse

Um die Substituentenverteilung und die LZislichkeit untersuchen zu kiinnen, stellten wir nach insgesamt funf verschiedenen Verfahren Celluloseacetate mit DS-Werten zwi- schen 0,4 und 3 her, und zwar - 1. durch homogene Acetylierung von Cellulose in einer

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Partiell acetylierte Cellulose

Acetyl-CH,

6 2

77

I ~ I . 1 ~ 1 ~ I I I . I I . , . , . , . , . , ~ ,

2.30 2.20 2.10 2.00 1.90 1.80 2.30 2.20 2.10 2.00 1.90 1.80 6 in pprn 6 in pprn

Abb. 2. 'H NMR-Spektrenausschnitte (Bereich der Acetylsignale) von Celluloseacetaten. MeR- frequenz 250 MHz, Lsgm. CDCl,, innerer Standard TMS, 200 Impulse. (a): Celluloseacetat rnit Substitutionsgrad DS = 2,5; (b): Probe (a) nach dem Aufacetylieren mit Essigsaureanhydrid-d6

Schmelze aus N-Ethylpyridiniumchlorid bei 85 "C und - 2. bei 40 "C, - 3. durch homogene saure und - 4. durch homogene basische Verseifung von Cellulosetriacetat, sowie - 5. in Anlehnung an das technische Herstellungsverfahren durch Aufacetylie- ren rnit direkt anschlieRender saurer Verseifung.

Mit Ausnahme des 5 . Verfahrens verlaufen alle Reaktionen vollstandig homogen. Bei der sauren Verseifung (Verfahren 3 und 5 ) beginnt bei Substitutionsgraden kleiner als 0,7 die Verseifung heterogen zu verlaufen; wir haben daher in diesen Fallen keine Cellu- loseacetate rnit Substitutionsgraden unter 0,7 hergestellt.

Nach jedem Verfahren haben wir mindestens 40 verschiedene Proben gezielt synthe- tisiert. In Tab. 1 sind von diesen aber nur jeweils die Praparate zusammengestellt, die

Tab. 1. Substitutionsgrad DS in Abhangigkeit von der Zeit t fur die Verfahren 1 - 5

Homogene Acetylierung in der Salz- t h i n 10 14 18 22 26 28 35 44 schmelze bei 85 "C (Verfahren 1) DS 1,03 1,45 1,75 1,94 2,20 2,30 2,54 2,65

Homogene Acetylierung in der Salz- t h i n 122 180 490 1350 1 170 schmelze bei 40 "C (2) DS 0,74 0,92 1,60 2,20 2,45

Saure Verseifung von Cellulosetri- t/h 0 7 24 30 47 96 165 212 acetat mit 60Voiger Essigsnure (3) DS 3,00 2,89 2,48 2,42 2.22 1,91 1,33 1.14

Basische Verseifung von Cellulose- t h i n 12 39 62 96 110 140 180 220 triacetat rnit Ethylendiamin (4) DS 2,66 2,50 2,34 2,13 2,00 1,76 1,50 1,22

Acetylierung von Cellulose mit direkt t/h 5 16,5 18,2 27,3 44,3 67.3 95 120 anschlienender saurer Verseifung ( 5 ) DS 2,76 2,48 2,32 2,12 1,74 1,32 1,06 0,83

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mit deuterierter Essigsaure aufacetyliert wurden und deren Substituentenverteilung 'H NMR-spektroskopisch bestimmt wurde.

Fur alle Celluloseacetate ermittelten wir die Bereiche der Liislichkeit und Quellung in verschiedenen Lijsungsmitteln. Die Ergebnisse zeigt Abb. 3. Die Polaritat der Lijsungsmittel nimmt von oben nach unten zu. Durchgezogene Linien bedeuten voll- standige Uslichkeit, gestrichelte Linien Quellung. Die durch saure Verseifung des Tri- acetats und die nach dem technischen Verfahren hergestellten Praparate (Verfahren 3 und 5 ) zeigen keine oder nur unwesentliche Unterschiede in ihrem Loslichkeitsverhal- ten; die Ergebnisse sind jeweils in Linie 1 zusammengefafit. Gleiches gilt auch fur die in der Salzschmelze bei 85 O und 40 "C hergestellten Praparate (Verfahren 1 und 2). Diese Resultate zeigen die Linien 2. Die dritten Linien geben die Losungsbereiche der Acetate wieder, die durch basische Verseifung des Triacetats (Verfahren 4) hergestellt wurden.

Nach dem Aufacetylieren einer reprasentativen Anzahl von Proben mit deuteriertem Essigsaureanhydrid zum Triacetat (s. Tab. 1) bestimmten wir mit Hilfe der 'H NMR- Spektroskopie die Verteilung der Acetylgruppen auf die drei Positionen C2, C3 and C6. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in den Abb. 4 und 5 graphisch darge- stellt.

-- Wallr. Magnesium- ___ perchlorot-Lsg. ___.___. 110 Gew.-%I ---.

AcetodChloroform 11: 1 v / v )

Ethylloctot

Chloroform

I 1 0 1 2 3

DS

Abb. 3. Ltisungsbereiche (durchgezogene Linien) und Quellbereiche (gestrichelte Linien) fur ver- schiedene Celluloseacetate aufgetragen gegen ihren jeweiligen Substitutionsgrad (DS). Linie 1 zeigt jeweils die durch saure Verseifung (Verfahren 3 und 5) , Linie 3 die durch basische Verseifung von Cellullosetriacetat (Verfahren 4) hergestellten Proben. Bei Linie 2 handelt es sich urn die Pra- parate, die durch homogene Acetylierung von Cellulose synthetisiert wurden (Verfahren 1 und 2). Die LCjsungsmittel sind nach sinkender Polaritat von oben nach unten geordnet

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Partiell acetylierte Cellulose 79

Abb. 4. Substituentenver- teilung in partiell acetylierter Cellulose, hergestellt a) durch Acetylierung in homogener Phase bei 85 "C (Verfahren 1) und b) bei 40 "C (Verf. 2) sowie c) durch basische Verseifung von Cellulosetriacetat (Verf. 4). Aufgetragen sind die Substitutionsgrade (DS) der Hydroxylgruppen an C6, C' und C3 gegen den DS des Gesamtmolekuls

DS m a n c6 lo) u

Diskussion

Aus Abb. 3 folgt, daB Pyridin Celluloseacetate rnit einem DS von 0,8 bis 2,8 lost. Pyridin ist daher das beste Lijsungsmittel fur weiterfuhrende homogene Reaktionen. Fur unsere 'H NMR-spektroskopischen Untersuchungen ist die Liislichkeit in Chloro- form (CDCl,) besonders wichtig. In diesem losen sich die Celluloseacetate erst bei einem Substitutionsgrad > 2,5.

Wie aus Abb. 3 weiter zu ersehen ist, losen sich Celluloseacetate rnit niedrigem DS besser in polaren, solche rnit hoherem DS besser in unpolaren Lijsungsmitteln. Die Liisungsbereiche verschieben sich also in der Graphik von links oben nach rechts unten. Dieses Verhalten laBt sich mit der Anzahl freier Hydroxylgruppen erkliiren und verstehen ').

Celluloseacetate, die durch saure Verseifung hergestellt wurden Cjeweils Linie 1 in Abb. 3), waren uber den groBten DS-Bereich loslich. Ursache fur diesen experimentel- len Befund ist wahrscheinlich ein saurekatalysierter Kettenabbau. Ob noch zusatzlich die Substituentenverteilung eine Rolle spielt, konnen wir nicht entscheiden.

Bei den Proben, deren Liisungsverhalten in den Linien 2 und 3 der Abb. 3 wiederge- geben ist, kann ein solcher Kettenabbau aufgrund der Herstellungsverfahren ausge- schlossen werden*). Proben rnit gleichem DS sollten sich folglich in ihrem Liislichkeits- und Quellverhalten nur aufgrund unterschiedlicher Substituentenvertei-

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80 C. Dew, H. Friebolin, E. Siefert

DS

DS 1.0

0.8

0.6

0.1

0.2

1.0 2.0 3.0

Abb. 5 . Substituentenverteilung partiell acetylierter Cellulose, hergestellt a) durch saure Versei- fung von Cellulosetriacetat (Verf. 3) und b) durch Acetylierung von Cellulose zurn Triacetat rnit direkt anschlienender Verseifung (Verf. 5) . Aufgetragen sind die Substitutionsgrade der Hydroxyl- gruppen an C6, C2 und C3 gegen den DS des Gesarntrnolekiils

lung unterscheiden. Der Vergleich der Linien 2 und 3 deutet solche Effekte an. Beson- ders groBe Unterschiede im Liisungsverhalten entsprechender Proben beobachtet man in Wasser, in einer Magnesiumperchloratlosung und in Ethyllactat.

Die Abbildungen 4 a und 4 b lassen erkennen, da13 bei der homogenen Acetylierung in der N-Ethylpyridinium-Schmelze die Hydroxylgruppen an C6 am schnellsten, die an C3 am langsamsten substituiert werden. Dies gilt sowohl fur eine Reaktionstempe- ratur von 85 "C wie auch von 40 "C.

Bei der basischen Verseifung von Cellulosetriacetat entstehen innerhalb der MeBge- nauigkeit Produkte mit gleichmaniger Verteilung der Acetylgruppen auf die drei Posi- tionen (Abb. 4c).

Bei der sauren Verseifung des Triacetates werden bis zu einem DS von 2,2 die Acetyl- gruppen an C6 und C2 ungefahr gleich schnell abgespalten (Abb. Sa), wahrend bei kleinerem DS die Hydrolyse der Acetylgruppe an C2 deutlich schneller erfolgt. Das heifit, die Acetylgruppen an C6 sind wider Erwarten am stabilsten gegenuber der sau- ren Verseifung. Am schnellsten werden jedoch die Acetylgruppen an C3 hydrolysiert. Dieses Verhalten konnte mit Nachbargruppeneffekten der veresterten und freien Hydroxylgruppen erklart werden, was jedoch noch weiterer Untersuchungen bedarf.

Bei der saurekatalysierten Acetylierung von Cellulose mit sofort anschlienender sau- rer Verseifung (5. Verfahren) sind die Substituenten bei allen Acetaten annahernd

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Partiell acetylierte Cellulose 81

gleichmaDig verteilt (Abb. 5 b). Sie unterscheiden sich somit deutlich von denen, die durch saure Verseifung des Triacetats hergestellt wurden. AuDerdem verlauft diese Ver- seifung schneller. Eine Erklarung fur diese experimentellen Befunde konnen wir nicht geben, da die Acetate nur in Bezug auf ihren Substitutionsgrad, nicht aber auf ihre Ket- tenlange und ihre Struktur in Lijsung (,,aktivierte Cellulose") definiert sind.

Alle partiell acetylierten Cellulosepraparate konnen zur Herstellung von Mischestern verwendet werden. Sie lassen sich rnit Phenylisocyanat, p-Toluolsulfonsaurechlorid oder Methansulfonsaurechlorid umsetzen g). Verwendet man hierzu ein Celluloseace- tat mit sehr unterschiedlichem Substitutionsmuster, wie z. B. das bei 40 "C durch homo- gene Acetylierung hergestellte Produkt rnit DS = 2,2, dann sind die OH-Gruppen a n C6 und Cz schon nahezu blockiert (89% bzw. 87%), wahrend die OH-Gruppe a n C3 einer selektiven Substitution noch zu uber 50% zuganglich ist.

Experimenteller Teil

Bei der Herstellung von Celluloseacetaten sollte stets im Gramm-Manstab gearbeitet werden. Die Aufarbeitung kleinerer Ansatze ist im allgemeinen praparativ schwierig, da bei der Falung die Celluloseacetate nicht wie iiblich sedimentieren, sondern sich kolloiddispers im Fallungsmittel verteilen. Selbst durch Zentrifugieren und Filtrieren unter Druck gelingt die Trennung vom Fa- lungsmittel nur unvollstandig. AuBerdem werden insgesamt 600- 700 mg Substanz fur die Bestim- mung des Substitutionsgrades nach Eberstadt und die NMR-spektroskopischen Untersuchungen benbtigt.

In den folgenden Vorschriften sind Reaktionszeiten angegeben, die nur als grobe Anhaltspunkte dienen sollen, wahrend Tab. 1 die exakten Zeiten wiedergibt, zu denen wir die Proben aus den Reaktionsansatzen entnommen haben.

Acetylierung in homogener Phase bei 85 "C (kkrfahren

60 g gereinigtes N-Ethylpyridiniumchlorid, 6 mL Dimethylformamid und 21 mL Pyridin wur- den in einem 500 mL Dreihalskolben, versehen rnit Riihrer und RiickfluBkiihler, bei 85 "C ge- schmolzen. In die Schmelze wurden 2,5 g Cellulose, bei unseren Experimenten gereinigte Baum- woll-Linters (Baumwoll-Abfalle) der Kettenlange 800, zugegeben. Nach etwa 15 rnin lag eine homogene Liisung vor. AnschlieRend wurde ein Gemisch aus 53 mL Essigsaureanhydrid und 25 mL Pyridin innerhalb von 3 rnin zugetropft.

Bei einem solchen Ansatz lienen sich etwa 3 -4 Proben zu verschiedenen Zeiten unter Vakuum abziehen, unter starkem Riihren in einem groBen fiberschun von Wasser falen und abfiltrieren. Die Proben wurden sorgfaltig mit Wasser und Methanol gewaschen und bei 50 "C im Vakuum getrocknet. Nach einer Reaktionszeit von ca. 10 min betrug der Substitutionsgrad (DS) ungefahr 1,0, nach 20 rnin ungefahr 2,O und nach 60 rnin ungefahr 3,O.

Acetylierung in homogener Phase bei 40 "C (Verfahren 2)

30 g N-Ethylpyridiniumchlorid, 7 mL Dimethylformamid und 8 mL Pyridin wurden bei 80 "C zusammengeschmolzen. In der Schmelze wurden unter Riihren 2 g Cellullose gelbst. AnschlieBend wurde die Temperatur auf 40 "C abgesenkt. Zu der Schmelze wurde das Acetylierungsgemisch, bestehend aus 8 mL Essigsaureanhydrid und 15 mL Pyridin, vorsichtig zugetropft. Da bei einem zu schnellen Zutropfen die Reaktion heterogen wird, muB eventuell einige Zeit gewartet werden, bis weiter acetyliert werden kann. Aus diesem Grund sind die Reaktionszeiten bei diesem Verfah- ren nur annahernd reproduzierbar.

3 - 4 Proben wurden, wie im vorigen Abschnitt beschrieben, entnommen und aufgearbeitet. Nach 200 rnin betrug der DS ungefahr 1,0, nach lo00 rnin ungefahr 2,O.

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82 C. Deus, H. Friebolin, E. Siefert

Saure Verseifung von Cellulosetriacetat (Verfahren 3 und 5)

I) Verfahren 3: 8 g Cellulosetriacetat wurden bei 50 "C in 85 mL Eisessig gelost. Zu der Lbsung gaben wir 53 mL 55 %ige Essigsaure und 0,5 mL Schwefelsaure. Die einzelnen Proben (jeweils etwa 20 mL) wurden in einem groBen UberschuR Wasser gemllt und abfiltriert. Sie wurden bis zur Neu- tralitat mit Wasser gewaschen, dann rnit Methanol. Da bei diesem Verfahren die Proben, die nach 96 h oder spater entnommen wurden (dies entspricht einem DS von ungefahr zwei), sich in Wasser nicht Iosen, verwendeten wir dann Methanol als Fallungsmittel und wuschen die Proben auch rnit Methanol. Das Produkt wurde bei 55 "C im Vakuum getrocknet.

2) Vkrfahren 5: Angelehnt an die technischen Verfahren2) wurde Cellulose zunachst zum Tri- acetat aufacetyliert und dann direkt anschlieBend sauer verseift. Als Verseifungsreagens diente 60Voige Essigsaure rnit katalytischen Mengen Schwefelsaure. Diese Verseifung verlauft schneller als die Verseifung von isoliertem Triacetat ').

Alkalische Verseifung von Cellulosetriacetat (Verfahren 4)

18 g Cellulosetriacetat wurden in 600 mL N,N-Dimethylacetamid (20 "C) geldst. Die abfiltrierte LZisung wurde mit 1,8 L Ethylendiamin (20 "C) versetzt. Zur Probenentnahme wurden nach ent- sprechenden Reaktionszeiten (nach 110 h betrug der DS ungefahr 2,0, nach 250 h ungefahr 1,0) jeweils 250 mL Reaktionslosung abgesaugt und in 700 mL 50%iger Essigsaure (0°C) unter star- kem Riihren und Kuhlen ausgefallt und abfiltriert. Mit verdiinnter Essigsaure wurde so lange gewaschen, bis der pH des Filtrats ungefahr bei 6 lag. Der Niederschlag wurde durch mehrfaches Aufschlammen in Wasser und Abzentrifugieren gereinigt, bis der Geruch nach Essigsiiure nicht mehr wahrnehmbar war. Bei Proben mit niedrigem DS verwendeten wir anstelle von Wasser Me- thanol. Zum SchluB wurde mit Methanol gewaschen und im Vakuum getrocknet.

Vollstandige Acetylierung rnit Essigsaurean hydrid-da zum Cellulosetriacetat

150 mg Celluloseacetat wurden in 12 mL absolutem Pyridin gelbst. Zu der LZisung wurden 1,l mL Essigsaureanhydrid-d6 getropft und die Temperatur mehrere Tage lang bei 60 "C gehalten. Nach Fallen in Methanol wurde mehrfach rnit Methanol gewaschen und abzentrifugiert. Danach wurde das Triacetat mit Benzol mehrfach aufgeschlammt und zentrifugiert und zum SchluR gefriergetrocknet.

Bei dieser Aufacetylierung konnen kleine Mengen umgesetzt werden, da das entstandene Cellu- losetriacetat im Gegensatz zu partiell acetylierter Cellulose gute Fdlungseigenschaften hat.

Herstellung von N-Ethylpyridiniumchlorid ' 325 mL eisgekiihltes Pyridin wurden mit 220 mL Ethylchlorid gemischt und sofort in einen tem-

perierbaren, mit Stickstoff gespulten Glasautoklaven mit magnetischer Riihrkupplung uberfiihrt. AnschlieBend wurde unter langsamem Riihren 48 h lang auf etwa 90°C erwarmt. Die klare Reak- tionslosung wurde mittels Stickstoff in ein GefaR rnit SchraubverschluB gedruckt, in dem das Salz auskristallisierte. Der UberschuB an Pyridin verhinderte, daB dies bereits beim Umfiillen geschah. Zur Reinigung wurde das N-Ethylpyridiniumchlorid im Soxhlet-Extraktor rnit absolutem Aceton extrahiert (mindestens 4 h). Ausbeute: 334 g (75%). N-Ethylpyridiniumchlorid ist extrem hygroskopisch. Darauf mu0 bei der Herstellung, der Rei-

nigung und der Lagerung geachtet werden. Einmal feucht geworden, ist das Salz nicht mehr zu trocknen.

DS-Bestimmung nach Eberstadt 3, '*)

Die Celluloseacetate wurden sorgfaltig getrocknet und eingewogen (200- 250 mg; Einwaage E). Zur Bestimmung des Acetylgehaltes wurden mindestens zwei Celluloseproben und zwei Blindpro- ben parallel analysiert. Nach einstiindigem Quellen in 10 mL 75Voigem Ethanol bei 60°C wurde zwei Tage lang rnit 6 mL 0,5 M NaOH-MaRlbsung verseift (V,). Um den Verbrauch an Natron-

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Partiell acetylierte Cellulose 83

lauge zu ermitteln, titrierten wir rnit 0,l M HC1-MaRlosung ( Vcl) und gaben einen UberschuR von 2 mL dazu ( Vc2). Nach einem weiteren Tag titrierten wir rnit 0,l M NaOH-MaBlosung gegen Phe- nolphthalein als Indikator zuruck ( Vb). Der Fehler bei dieser Bestimmungsmethode betragt unge- fahr 1%.

Fur die Blindproben wurden je 4 mL 0,5 M NaOH-MaRlosung rnit 0,l M HC1-MaRlbsung zur Berechnung des Titers t5 bestimmt und ein UberschuB von 2 mL HCl rnit 0,l M NaOH zur Berechnung von t l zuriicktitriert.

Berechnung des Verbrauches an Natronlauge:

Da 1 mL 0,l M NaOH-Manlosung 43,045 mg Acetyl entspricht, berechnet sich der Acetylgehalt

Acetylgehalt in Gew.-% = 4,30 * 100 * VNNaOH/E Substitutionsgrad DS = 3 . (Yo Ac)/44,8

in Gew.-% (% Ac) zu:

Untersuchung der Liislichkeit

Die Ltislichkeit aller Celluloseacetate wurde in Wasser, einer warigen Ltisung von Magnesium- perchlorat (40 Gew.-%), WassedPyridin (3 : 1 und 1 : 1 V/V), Pyridin, PyrididAceton (1 : 1 V/V), Aceton, Aceton/Chloroform (1 : 1 V/V), Ethyllactat und Chloroform untersucht. Dazu wurden jeweils 10 mg partiell acetylierte Cellulose mit etwa 3 mL des betreffenden Ltisungsmittels versetzt, die Mischung einige Zeit geschuttelt und die Ltislichkeit anschlieRend visuell gepriift. Dabei war eindeutig zu erkennen, ob sich die Probe Idste, ob sie quo11 (Vorhandensein von Gelteilchen) oder ob sie unldslich war.

'H NMR-spektroskopische Untersuchungen

Die Messungen wurden in 5 mm Rohrchen rnit einem NMR-Spektrometer des Typs WM 250 (MeRfrequenz 250 MHz fur Protonen) der Firma Bruker (Karlsruhe-Rheinstetten) ausgefuhrt. Das Ltisungsmittel war Chloroform-di, innerer Standard Tetramethylsilan; durchschnittlich wur- den bei Raumtemperatur 150 Spektren akkumuliert rnit 8 K (= 8 .2" = 8192) Datenpunkten, die Konzentration der Ltisungen lag bei ungefahr 0,s Gew.-% . Bei der quantitativen Auswertung kann es zu Abweichungen von maximal 5% kommen.

Wir danken Herrn Dr. J. Freidenreich fur die Durchfuhrung der NMR-Messungen sowie Herrn (% Westphal fur seine Hilfe bei der Auswertung. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der chemischen Zndustrie danken wir fur finanzielle Unterstiitzung.

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