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Partnerschaftsbezogene Zukunftsperspektive und Interaktionsmuster in Konfliktsituationen'~)
Traudl Füchsle, Christine Burger und Gis.ela Trommsdorff
Universität Trier, Blindeninstitutsstiftung Würzburg und TH Aachen
Im Kontext der allgemeinen Fragestellung nach der Handlungsrelevanz der zukunftsgerichteten Zeitperspektive (ZZP) wird in der vorliegenden Untersuchung geprüft, inwieweit eine auf die Partnerschaft gerichtete Bewertung und Strukturierung der persönlichen Zukunft funktional ist für aktuelles Handeln in alltäglichen Partnerschaftskonflikten. Ausgehend vön eigenen Arbeiten zum Konzept der ZZP und von austauschtheoretischen Ansätzen wird angenommen, daß bei ausgeprägter partnerschaftsbezogener ZZP die Bereitschaft, bei Konfliktentscheidungen nachzugeben, vergleichsweise groß ist und ein eher entgegenkommendes Verhalten dem Partner gegenüber gezeigt wird. Die mittels Fragebogen und Verhaltensbeobachtung bei 38 unverheirateten Paaren gewonnenen Daten stützen die Hypothesen teilweise. Die Befunde werden in ihrer Bedeutung für die Handlungsfunktion der ZZP und unter austausch theoretischen Aspekten diskutiert.
Fragestellung
Personen erwerben im Verlauf ihrer Sozialisation bestimmte Vorstellungen über ihre Zukunft, die sie je nach ihren Erfahrungen unterschiedlich bewerten. Subjektive Theorien über d.ie Zukunft beeinflus:;en nach Kelly (1955) wesentlich, wie sich Personen in bestimmten Situationen verhalten und welche Entscheidungen sie auf der Basis ihres Zukunftswissens treffen. Damit wird der zukunfts gerichteten Zeitperspektive (ZZP) " eine handlungsorientierende und-regulierende Funktion zugesprochen, die neuer-
*) Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich 24, Sozialwissenschaftliche Entscheidungsforschung, der Universität Mannheim unter Verwendung der "von der Deutschen Forschungsgemeinschaftzur Verfügung gestellten Mittel und mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg entstanden.
Wir danken Karin Grimm für ihre Tätigkeit als Versuchsleiterin und ihre Hilfe bei der Datenauswertung sowie Marina Lösel, die ebenfalls bei "der Datenauswertung behilflich war.
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dings - vor allem im handlungstheoretischen Kontext - wieder thematisiert wird (vgl. Boesch, 1976; 1980; Heckhausen, 1980). Ausgehend von erwartungs-x-werttheoretischen Ansätzen (vgl. z.B. At kin s 0 n, 1964; Heckhausen, 1977) verstehen wir mit dem Konzept der ZZP die relative Gewichtung der Zukunft im Zeitcrleben (vgl. Burger, Füchsle & Trommsdorff, 1981) sowie die zeitbezogene kognitive Strukturierung und Bewertung zukünftiger Ereignisse, die verschiedene Lebensbereiche des Individuums betreffen (v gl. Trommsdorff, Burger, Füchsle &. Lamm, 1978; Trommsdorff, Burger & Füchsle, 1982).
Ein solcher wesentlicher Bereich im Lebensraum des Individuums ist die Zweierbeziehung, die Kelley (1979) als bedeutendsten Typus interpersoneller Beziehungen bezeichnet. Die o.g. allgemeine Annahme zum Zusammenhang zwischen ZZP und Handeln wird in der vorliegenden Arbeit im Hinblick auf diesen partnerschaftlichen Bereich thematisch spezifiziert: Wie Personen ihre momentane Beziehung zu ihrem Partner für die Zukunft antizipieren, welchen Wert sie ihr beimessen, wie dauerhaft sie diese konzipieren usw. müßte einen entsprechenden Ausdruck im gegenseitigen partnerschaftlichen Verhalten finden.
So kann z.B. vermutet werden, daß eine Person, die ihrer Partnerschaft in der Zukunft keine große Entwicklungsmäglichkeit zumißt, sich dem Partner gegenüber weniger rücksichtsvoll und nachgiebig verhält als jemand, der bereits langfristige Pläne für die weitere Gestaltung der Beziehung hat.
Dieser Zusammenhang läßt sich auch aus austauschtheoretischen Annahmen ableiten. In dem austauschtheoretischen Ansatz von Thibaut & Kelley (1959) (vgI. auch Kelley, 1979 und Kelley & Thibaut, 1978) sowie in der Weiterentwicklung der Equity-Theorie im Hinblick auf intime Sozial beziehungen (vgl. Walster, Walster & Berscheid, 1978) wird betont, daß die Dauer sozialer Interaktionen in engem Zusammenhang mit der Bewertung von Kosten und Nutzen in der betreffenden Beziehung steht. Das Streben nach Ausgeglichenheit in einer Beziehung ist dabei ein wesentliches Postulat dieser Ansätze. Insbesondere die Equity-Theorie geht davon aus, daß Interaktionen nur dann langfristig bestehen können, wenn das Verhältnis von Kosten und Nutzen der Interaktionspartner gegeilseitig ausgewogen ist. Dies wird sowohl situationsübergreifend als auch für verschiedene Arten von Sozialbeziehungen und unterschiedliche Austauschgüter (materielle und immaterielle) posluliert (vgl. Wal s te r et al., 1978).
Bei einer ausgeprägten - auf die Partnerschaft gerichteten - ZZP müßten vergleichsweise viele Austauschsituationen antizipiert werden, die das Handeln und Entscheiden besonders in partnerschaftlichen Konfliktsituationen beeinflussen können. Vermutlich wird die Bereitschaft, sich in einem
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Konfliktfall eher nachgiebig zu verhalten, relativ hoch sein, wenn man erwartet, langfristig mit dem Partner zusammen zu bleiben, da man potentiell mehr Möglichkeiten zukünftigen Ausgleiches hir dils momentane Nachgeben antizipiert. Diese Annahme wird durch ßcfunde der - vergleichsweise wenigen - austauschtheoretischen Arbeiten zu dieser Thematik weitgehend gestützt. So konnten Marlowe, Gergen & Doob (1966) nachweisen, daß bei der Erwartung, den Partner wieder zu treffen, ein weniger "ausbeutendes" Verhalten gezeigt wurde. Ebenso fanden Mi k u I a (1974) und Shapiro (1975) in ihren Untersuchungen, (bß sich die Teilnehmer dem Partner gegenüber entgegenkommender verhielten, d.h. für sich selbst ungünstigere Aufteilungen vornahmen, wenn sie weitere Interaktionen antizipierten. Ähnlich sind auch die Befunde von K i e sie r, K i e sie r & Pallak (1967) zu interpretieren, die nachwiesen, daß die Art der Reaktion auf eine Normverletzung wesentlich davon bestimmt wird, ob davon ausgegangen wird, den Partner in Zukunft wieder zu sehen.
Diese in Laborexperimenten gewonnenen Ergebnisse sind allerdings nicht ohne weiteres auf "natürliche" partnerschaftliehe Beziehungen übertragbar: Die experimentell induzierten Aufteilungssituationen sowie die Tatsache, daß sich die Untersuchungsteilnehmer vorher nicht kannten, lassen Zweifel an der ökologischen Validität der Befunde der o.g. Arbeiten auftreten. Die Teilnehmer hatten zudem während des Untersuchungsablaufs keinen Blickkontakt zueinander, so daß eine tatsächliche soziale Interaktion gar nicht entstehen konnte und damit affektive Beziehungsaspekte in diesen Arbeiten weitgehend vernachlässigt wurden (vgl. hierzu auch Füchsle, Fröhlich & Burger, 1982). Des weiteren ging es bei den induzierten Aufteilungssituationen ausschließlich um den Austausch materieller Güter, so daß die Frage nach der Übertragbarkeit der genannten Befunde auf Beziehungen, in denen immaterielle Güter wie z.B. Liebe, Zuwendung, Status, ausgetauscht werden, mit diesen Arbeiten nicht geklärt wird.
In der vorliegenden Untersuchung sollten dieses Aspekte berücksichtigt werden: Die ökologische Validität des hier untersuchten Zusammenhangs sollte durch Erhebung von Daten aus natürlichen Paarbeziehungen gewährleistet werden. Im Gegensatz zu den bisherigen austauschtheoretischen Arbeiten sollte außerdem der Austausch immaterieller affektiver Güter im Mittelpunkt stehen. Mit diesem Vorgehen - als Untersuchungsfeld den komplexen Bereich intimer Sozialbeziehungen zu wählen - wird allerdings ein Verzicht auf die Kontrollierbarkeit aller situativen Bedingungen in Kauf genommen, was bei der späteren Bewertung der Befunde berücksichtigt werden muß.
Ausg,ehend von austausch theoretischen Annahmen und den theoretischen Uberlegungen zur Handlungswirksamkeit der ZZP wird hier erwar-
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tet, daß die Strukturierung und Ausdehnung der partnerschafts bezogenen Zukunftsperspektive sowie die Bedeutung der Beziehung in der Zukunft partnerschaftliche Entscheidungen in Konfliktsituationen beeinflussen. Dies wird sowohl für spezifische Nachgebeentscheidungen als auch für komplexere affektive Konfliktläsemuster angenommen.
Darüber hinaus wird erwartet, daß neben den o.g. Merkmalen der partnerschaftsbe'Logenen ZZP auch die globale ZZP, hier die relative Gewichtung und Integration der Zukunft im Zeiterleben, das Konfliktlöseverhalten beeinflußt. So kann angenommen werden, daß bei einer vergleichsweise starken allgemeinen Orientierung an der Zukunft und einer ausgeprägtenauf die Partnerschaft gerichteten - ZZP die Bereitschaft, auf das Durchsetzen der eigenen Meinung in Konfliktsituationen zu verzichten, relativ hoch ist und eher Entgegenkommen bei anstehenden Konflikten gezeigt wird.
Im einzelnen wurden die folgenden Hypothesen geprüft: Je stärker die Zukunft im Zeiterleben gewichtet und integriert wird, je differenzierter die Strukturierung der partnerschaftsbezogenen ZZP, je größer die antizipierte Stabilität der Beziehung und je subjektiv bedeutsamer das Bestehen der Partnerschaft in Zukunft, desto (I) größer ist die Bereitschaft, bei spezifischen Konfliktentscheidungen
nachzugeben; (2) eher wird ein durch entgegenkommende Verhaltensweisen geprägter
Interaktionsstil gezeigt. Von den Merkmalen der ZZP wurde damit jeweils ein eigenständiger
Beitrag zur Vorhersage der beiden Komponenten des Konfliktlöseverhaltens erwartet.
Methode
Die oben formulierten Annahmen wurden bei Studentenpaaren anhand vorgegebener Konfliktsituationen überprüft. Die Vorhersagevariablen wurden dabei mittels Fragebogen erfaßt, die Merkmale der Konfliktlösung durch Verhaltensbeobachtung. Zur Entwicklung bzw. Erprobung der Meßverfahren wurde eine Voruntersuchung durchgeführt. Die Datenauswertu'!!:; erfolgte durch Faktoren- und multiple Regressionsanalysen.
Untenuchungsteilnehmer
Untersuchungsteilnehmer waren 38 unverheiratete, nicht zusammenlebende Paare (vorwiegend Studenten), die sich seit mindestens 6 Monaten in einer festen Beziehung befanden. Das Durchschnittsalter lag bei 22 Jahren. Die dl\l'chsd1l1ittlidle Dauer der Beziehung betrug 1 Jahr und 9 Monate.
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Operationalisierung der Vor!Jers'lgev'lri'lblen
Zur Messung der ZZP findet man in der Literatur eine Vielzahl von Verfahren, die je nach theoretischem Hintergrund (psychoanalytisch oder lernthcoretisch) unterschiedlich konzeptu.llisiert sind und meist nur einzelne Aspekte der ZZP erfassen. Auf eine ausführliche Diskussion dieser Instrumente soll hier verzichtet werden (vgl. dazu W i n n u b s t, 1975; D evolder, 1978; füchsle, Trommsdorff & Burger, 1980).
(1) Die relative Gewichtung und lntegmtioll der Zukunft im Zeiterleben wurde mit einem bereits erprobten nonverbalen Verfahren von Co t tI e (1967) gemessen. Die Untersuchungsteilnehmer wurden aufgefordert, die 3 Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als Kreise darzustellen. Die Größe des "Zukunftskreises" im Vergleich zu den beiden anderen Kreisen diente als Indikator der relativen Gewichtung, die Stellung der Kreise zueinander (Tangieren, Überschneiden usw.) als Indikator der Integration der Zukunft im Zeiterleben.
(2) Um die Merkmale der partnerschaJtsbezogenen ZZP zu erfassen, wurde ein Fragebogen in Anlehnung an das empirisch erprobte Instrument von F ü c h sie et al. (1980) entwickelt und in einer Voruntersuchung bei 23 männlichen und 26 weiblichen Studenten (Durchschnittsalter: 23 Jahre) auf seine Gültigkeit geprüft (vgl. hierzu Grimm, 1981). .
Die Strukturierung der ZZP wurde hierbei gemessen als (a) Anzahl der auf die Partnerschaft bezogenen Pläne für die nächsten 10 .Jahre und (b) Häufigkeit, mit der die Partner über vorgegebene partnerschaftliehe Zukunftsereignisse (z.B. gemeinsame Kinder, gemeinsame Reisen, Anschaffungen etc.) sprechen.
Die antizipierte Stabilität der Partnerschaft wurde erfaßt als eingeschätzte Sicherheit über das Fortbestehen der Beziehung zu verschiedenen zukünftigen Zeitpunkten (3 Monate bis 10 Jahre) auf jeweils einer 7-PunkteSkala (1 = sehr unsicher ... 7 = sehr sicher).
Die Bedeutung der Partnerschaft in Zukunft wurde ebenfalls für die Zeitpunkte von 3 Monaten bis 10 Jahren anhand einer 7-Punkte-Skala (1 = äußerst unwichtig ... 7 = äußerst wichtig) erhoben.
Der Inhalt der vorgegebenen partnerschaftsbezogenen Zukunftsereignisse sowie die einzelnen Zeitpunkte, zu denen Beurteilungen zur antizipierten Stabilität und Bedeutung der Beziehung in Zukunft erfragt waren, wurden in der bereits erwähnten Voruntersuchung ermittelt (vgl. G r i m m, 1981 ).
Operationalisierung der Kriterienvariablen
Auch hier gilt, daß in der Literatur - hauptsächlich aus dem Bereich der Familieninteraktionsforschung - mehrere Verfahren zur Verhaltensbeob-
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achtung zur Verfügung stehen, deren Validitiit jedoch meist nur ungenügend gesichert ist und die in der Regel nur für verheiratete und nicht - wie hier erforderlich - für unverheiratete Paare geeignet sind.
Ausgewählt wurde für die vorliegende Arbeit ein Instrument von 0 Iso n (1977), dessen Vorteile vor allem darin bestehen, daß es in einer Fassung für unverheiratete Paare vorliegt und sich in zahlreichen Untersuchungen als valide erwies. Die Fassung für verheiratete Paare wurde außerdem auch im deutschen Kulturraum bereits erfolgreich eingesetzt (vgl. H ah I weg, Helmes, SteHen, Schindler, Revenstorf & Kunert, 1979).
Das "Inventory of Premarital Conflicts" von 0 Iso n (1977) beinhaltet 18 Kurzgeschichten zu alltäglichen Partnerschaftskonflikten, die unterschiedliche Bereiche einer Partnerbeziehung thematisieren (z.B. soziale Kontakte, Hobbys, berufliche Interessen, Eigenschaften, sexuelle Kontakte etc.). Eine solche Geschichte lautet z.B.:
"Linda glaubt, daß Michael manchmal zuviel trinkt, wenn sie mit Freunden feiern. Sie versucht, ihn zu beeinflussen, sich einzuschränken. Michael meint, solange er sein Trinken unter Kontrolle halten kann, sollte Linda kein Aufheben davon machen."
Die jeweiligen Partner hatten zunächst die Aufgabe, für sich zu entscheiden, welcher der beiden - jeweils in den Geschichten beschriebenen -Personen (A oder B) den Konflikt primär verursacht hat, und welche der Personen ihr Verhalten ändern soll. Um einen realen Konflikt zwischen den Partnern zu aktualisieren, sollten sie daran anschließend 8 der Geschichten, bei denen sie in ihren Einzelbeurteilungen nicht übereinstimmten, in einer 15minütigen Interaktionsphase diskutieren. Dabei sollten sie sich einigen, welche der Personen für den Konflikt verantwortlich ist und welche ihr Verh.llten ändern soll. Einer der beiden Partner mußte also jeweils auf das Durchsetzen seiner ursprünglichen Meinung zugunsten der des anderen Partners verzichten. Die vorausgehende Diskussion wurde für die Ermittlung der Interaktionsmuster auf Tonband aufgezeichnet.
Das beschriebene Verfahren wurde in der Voruntersuchung auf seine Gültigkeit für den deutschsprachigen Raum hinsichtlich der Relevanz, des Konfliktpotentials und der Auftretenshäufigkeit der in den Geschichten beschriebenen Konflikte geprüft. Die Befunde machten einige unwesentliche Anderungen der amerikanischen Fassung notwendig, auf die hier nicht näher eingeg;1l1gen wird (vgl. dazu Grimm, 1981).
Die beiden Merkmale des Konfliktlöseverhaltens - spezifische Nachgebeentscheidungen und Interaktionsmuster - wurden mit diesem Instrument folgendermaßen erfaßt:
(I) Dil' ßel'l'itschaji, bei KonJliktentscheidungen nachzugeben, als Anteil der Cl'5chichten, bei denen die Person bei der gemeinsamen Entscheidung ihre cigellc ursprüngliche ßl'lIrteilung zugunstcn der ihres Partners aufgibt;
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dieser Indikator wurde ermittelt für (a) die zugc~chriebem' Verantwortung für den Konflikt und (b) die Altl'rnativen zur Verhaltensiinderung.
(2) Um die Art des Interaktionsstils zu erfassen, wurden die aufgezeichneten Diskussionsdaten nach bestimmten inhaltlich definierten Beob'lChtungskategorien kodiert. Hierzu wurde das "Kategoriensystem für die Beobachtung partnerschaftlicher Interaktionen (KPI)" von Reisner,Kohli, Schindler, Hahlweg & Revenstorf (1980) verwendet.
Das Kategoriensystem umfaßt Verhaltensinhalte wie z.B. "Selbstöffnung" , "Kritik", "Rechtfertigung" (für eine detaillierte Beschreibung der Kategorien s. Reisner et al.,'1980).
Zwei unabhängige Rater kodierten die Diskussionsdaten; die Inter-Rater-Übereinstimmung betrug 79%. Anschließend wurden für jede Person die relativen Anteile der verbalen Äußerungen für jede der 14 Inhaltskategorien bestimmt. Zur Ermittlung der Interaktionsmuster wurden diese Werte faktorisiert (Hauptkomponentenmethode mit anschließender Rotation nach dem Varimax-Kriterium; vgl. Hotelling, 1933; Kaiser, 1958).1) Eine 3-Faktoren-Lösung erklärte 45% der Varianz, die sich zu etwa gleichen Anteilen auf die 3 Faktoren verteilte. Faktor I war vorwiegend durch Variablen markiert, die den Ausdruck negativer Gefühle dem Partner gegenüber betreffen. Er umfaßte z.B. Inhaltskategorien wie "Abwertung des Partners", "Kritik am Partner" und "Rechtfertigung". Faktor I konnte daher als negative Verhaltensweisen umfassende Interaktionsstrategie beschrieben werden.
Faktor 11 dagegen beinhaltete im wesentlichen positive Gefühlsäußerungen. Markiervariable war die Inhaltskategorie "Akzeptanz des Partners". Substantiell luden hier z.B. weiterhin "Zustimmung" und "Problembeschreibung". Faktor 11 wurde daher als durch positive Verhaltensweisen gekennzeichnete Interaktionsstrategie aufgefaßt.
Der 3. Faktor, der durch hohe Ladungen von nur zwei Variablen markiert war, erschien nicht eindeutig interpretierbar (für eine detailliertere Darstellung der Faktorenladungsmuster s. Grimm, 1981).
Die Art des Interaktionsstils wurde aufgrund dieser Befunde durch zwei Konfliktlösemuster erfaßt: (1) geringes Entgegenkommen: negative Verhaltensweisen und Ausdruck negativer Gefühle dem Partner gegenüber und (2)
1) Bei der Auswahl der Faktorenlösung wurden folgende Kriterien zugrunde gelegt (vgl. fürntratt, 1969; Röhr, 1977): Die Faktoren sollten einen Eigenwert 2: 1 haben; jeder Faktor sollte 2: 5'Yo der Gesamtvarianz erklären; jeder Faktor sollte durch mindestens 3 Variablen repräsentiert sein, deren Ladungen mindestens 50% ihrer Kommunalität entsprechen (a2/h 2 2:.50) sub,tantielle Ladungen). Mit Markiervariablen werden die Variablen bezeichnet, die auf dem betreffenden Faktor Ladungen >1.501 aufweisen, während sie bei den jeweils anderen Fakorcn nicht w('sentlich höher als 1.101 laden (vgl. Pa w I i k, 1968).
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starkes Entgegenkommen: positive Verhaltensweisen und Ausdruck positiver Gefühle.
In die Analysen zur Hypothesenprüfung gingen die faktorwerte ein.
Ablattf der Untersuchung
Die Untersuchung wurde in Einzelsitzungen mit jeweils einem Paar von einer studentischen Versuchsleiterin durchgeführt. Den Teilnehmern wurde die Untersuchung als allgemeine Befragung zu Partnerschaftskonflikten vorgestellt.
Um zu vermeiden, daß die Paare bei der Erfassung der Konfliktlösungsstrategien sofort auf ihre eigene Partnerschaft schließen würden und dadurch möglicherweise ihr Verhalten beeinflußt worden wäre, wurden zuerst die Daten der Verhaltensbeobachtung erhoben und erst danach die Fragebogen zur eigenen partnerschaftsbezogenen ZZP vorgegeben. Nach Abschluß der gesamten Untersuchung wurden die Teilnehmer schriftlich über das eigentliche Untersuchungsziel aufgeklärt.
Ergebnisse
Da die lvlerkmale der ZZP untereinander relativ hoch korrelierten (Rp ... p)
> .60), wurden die Vorhersagevariablen zunächst einer Faktorenanalyse2)
unterzogen. Dies erschien notwendig, da bei Vorliegen einer hohen Multikollinearität regressionsanalytische Befunde nicht mehr eindeutig interpretierbar sind (vgl. hierzu Opp & Schmidt, 1976, S. 168ft).
Als Sekundärvariablen der ZZP konnten 3 Faktoren ermittelt werden, die ZUS~lmmen 78 % der Varianz erklärten. Faktor I war durch die Variablen markiert, die die Bedeutung der Partnerschaft in der ferneren Zukunft betreffen, während Faktor II v.a. die antizipierte Stabilit,it der partnerschaJtliehen Beziehung in der ferneren Zukunft beinhaltete. Zusätzlich hatten auf Faktor II auch die beiden Merkmale der Strukturierung der partnerschaftsbezogenen ZZP relativ hohe Ladungen. Faktor III umfaßte die nähere Zukl/nft der Partnerschaft sowohl hinsichtlich der antizipierten Stabilität 'als auch bezüglich der Bedeutung der Beziehung.
Die ivlerkm:dc relative Gewichtung Imd Integration der Zukunft waren aufgrund ihrer Ladungen keinem der faktoren eindeutig zuzuordnen.
In die für die Hypothesenprüfung durchgeführten multiplen RegressioI1sanalysen gingen als Prädikt()rvari~lbleI1 die Faktorwerte ein.
2) ,. Anmcrkul1f; I,
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Die Ergebnisse machen folgendes deutlich: Hypothese (I), nach der angellommen wurde, daf~ bei einer ausgeprägten partnerschafts bezogenen ZZP und starken Orientierung an der Zukunft, die Bereitschaft, bei spezifischen KonflikteIltscheidungen nachzugeben, hoch ist, konnte durch die Daten nicht belegt werden. Dies traf für beide Merkmale der Nachgebebereitschaft zu ( vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1 Multipler Zusammenhang zwischen den Merkmalen
der partnerschaftbezogenen ZZP und den zwei Indikatoren der Nachgebebereitschaft bei spezifischen Konfliktentscheidungen.
Prädiktoren
Bedeutung der Partnerschaft in der ferneren Zukunft
Antizipierte Stabilität der Partnerschaft in der ferneren Zukunft
Antizipierte Stabilität und Bedeutung der Partnerschaft in der näheren Zukunft
Kriterien Nachgebebereitschaft
Merkmal 1 Merkmal 2 b b
-.20
-.01
-.02
RK .. P = .20 R2 = .04
-.11
-.03
.03
RK .. P = .10 R1 = .01
Anmerkung Merkmal 1 = Nachgebebereitschaft hinsichtlich der zugeschriebenen Verantwortung für
den Konflikt. Merkmal 2 = Nachgebebereitschaft hinsichtlich der Alternativen zur Verhaltens änderung.
N = 72. Bei den Prädiktorvariablen liegen Faktorwerte zugrunde; der Zusammenhang zwischen den
l'rädiktoren ist damit definitionsgemäß Null. Die Korrelationskoeffizienten zwischen jeweils einem Prädiktor und dem Kriterium entsprechen somit den Beta-Gewichten (b), R1>l..p = Multiple Korrelation zwischen Prädiktoren und Kriterium. R2 = Anteil der durch die Prädiktoren erklärten Kriteriumsvarianz.
Gestützt werden konnte dagegen die Hypothese (2), naeh der bei einer ausgeprägten ZZP ein durch entgegenkommende Verhaltensweisen gekennzeichneter Interaktionsstil erwartet wurde: Die 3 - durch die Faktorenana-
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lyse ermittelten - Merkmale der ZZP erklärten bei der positive Verhaltensweisen umfassenden Interaktion insgesamt einen signifikanten Varianzanteil von 11 % (p <.05), bei dem negativen Verhaltensmuster einen VarianzanteiI'von 10%, der das erforderliche Signifikanzniveau nur knapp verfehlte (p < .06) (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2 Multipler Zusammenhang zwischen den Merkmalen
der partnerschaftbezogenen ZZP und den komplexen Interaktionsmustern in Konfliktsituationen.
Prädiktoren
Bedeutung der Partnerschaft in der ferneren Zukunft
Antizipierte Stabilität der Partnerschaft in der ferneren Zukunft
Antizipierte Stabilität und Bedeutung der Partnerschaft in der näheren Zukunft
Kriterien neg. Verh. pos. Verh.
b b
-.30+++
-.04 -.02
-.11 .28++
R = .32T2 K .. P RK .. P = .33+ R2 =.11+ R2 = .10Tl
Anmerkung + ++ P < .01; ++ P < .025; • P < .05; T = tendenziell signifikanter Zusammenhang: Tlp < .10;
Tlp < .06.
Sowohl bei Prädiktor- als auch bei Kriterienvariablen liegen Faktorwerte zugrunde. Sonstige Anmerkungen: vgl. Tabelle I.
Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, war die bei dem positiven Interaktionsstil erkl:irte Varianz fast ausschließlich a),lf das Merkmal "antizipierte Stabilität und Bedeutung der Partnerschaft in der nahen Zukunft" zurückzuführen (p < .025). Tendenziell trug auch die Bedeutung der Partnerschaft in der ferneren Zukunft zur Varianzaufkl:irung bei (p < .10). Hinsichtlich des ncg,lti'.'l'll Interaktionsmusters war all eine die Bedeutung der Partnerschaft in der ICnJcrerz Zukunft für die VarianzaufkLirung verantwortlich (p < .01).
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Diskussion
Zusammenfassend zeigt sich, daß ein Vorhersagewert der ZZP für die hier erfaßten spezzfischen KOllJhktcntschcidungcn nicht nachgewiesen werden kann, während sich dieser für komplexere Ver!J,tltensnillster in Konfliktsituationen belegen !;ißt. Personen, denen ein Fortbestehen der Partnerschaft in der näheren Zukunft relativ sicher erscheint, und die dem auch ein hohe subjektive Bedeutung beimessen, drücken dies in einem entsprechend positiven entgegenkommenden Verhalten gegenüber dem Partner aus. Weniger stark ausgepr:igte negative Verhaltensweisen werden gezeigt, wenn das Weiterbestehen der Partnerschaft in der ferneren Zukunft als wichtig erachtet wird.
Bevor diese Befunde im einzelnen diskutiert werden, soll vorab kurz auf die spezifische Struktur der ZZP-Merkmale eingegangen werden. Es ist davon ausgegangen worden, daß die einzelnen Komponenten der ZZP einen jeweils unabhängigen Beitrag zur Verhaltensvorhersage leisten. Diese Unabhängigkeit kann durch die Daten nicht nachgewiesen werden. Es lassen sich vielmehr bestimmte Merkmalsmuster innerhalb der partnerschaftsbezogenen Zukunftsorientierung identifizieren, die hauptsächlich nach dem Kriterium der zeitlichen Strukturierung auf der Zukunftsdimension zu unterscheiden sind (nähere und fernere Zukunft). Dabei sind bezüglich der ferneren Zukunft die Bedeutung der Partnerschaft als eher affektiver und die antizipierte Stabilität und Strukturierung als eher kognitiver Merkmalskomplex der partnerschaftsbezogenen ZZP voneinander abzugrenzen, während diese Differenzierung hinsichtlich der niiheren Zukunft nicht nachgewiesen werden kann. Die globale Gewichtung und Integration der Zukunft im Zeiterleben ist innerhalb dieser Merkmalsmuster nicht mehr von Bedeutung.
Inwieweit diese spezifische Struktur der ZZP-Komponenten nur für den Bereich der Partnerschaft gültig ist, müßte näher geprüft werden. Allerdings deuten Befunde eigener Arbeiten daraufhin, dat~ die Merkmalsstruktur der ZZP von dem jeweiligen thematischen Bereich, auf den sie sich bezieht, abhängt (vgl. Füchsle et al., 1980; Trommsdorff et al., 1982).
Betrachtet man nun die Ergebnisse dieser Untersuchung differenzierter, so ist zuerst die Frage zu stellen, wekhe Gründe verantwortlich sein mögen, daß sich der erwartete Zusammenhang zwischen der partnerschaftbezogenen Zukunftsperspektive und dem Verhalten in Konfliktsituationen für komplexere trJfektive Interuktiunsmuster belegen Li/h, jedoch nicht für spez zji"sche K unfliktentscheidtt ngen.
Gemäß austauschtheoretischen Überlegungen ist angenommen worden, daß Personen sich eher nachgiebig zeigen, wenn sie erwarten, daß ihre Nachgiebigkeit in Zukunft ausgeglichen werden kann. Die Möglichkeit, in
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Zukunft ein Gleichgewicht in der Beziehung wicder herzustellen, müßte bei eincr ausgeprägten partllcrschaftbczogel1cn ZZP in vcrst:irktem Maße antizipiert werden (vgl. die experimentelleIl Arbeiten von 1'.1 H I 0 w e et al., 1966; .vlikula, 1974; Shapiro. 1975). Stellt man die Ergcbnisse unserer Untersuchung diesen LaborbefundeIl gegcnüber, so sind folgende Unterschiede zu berücksichtigen: In den o.g. Arbeiten ging es vorwiegend um den Austausch bzw. die Aufteilung materieller Güter. Die Untersuchungsteilnehmer haben hier vermutlich ihrem Entscheidungsverh,llten schwerpunktmäßig ein Kosten-Nutzen-Kalkül zugrunde gelegt. Diese Art von Kosten-Nutzen-Überlegungen dürften bei den Personcn der vorliegenden Uiltersuchung, in der ja keine materiellen Anreizwerte gegeben waren, sondern in der es eher um den Austausch äJfektiver Güter ging, keine vorrangige Rolle gespielt haben.
Es ist weiterhin zu vermuten, daß die Induzierung der .. Erwartung längerfristiger Interaktionen" in den erwähnten Laborexperimenten nicht gleichgesetzt werden kann mit der hier gegebenen .. natürlichen" Erwartung~ längerfristig mit dem Partner einer bestehenden Paarbeziehung zu interagieren. Hier dürften affektive Beziehungsaspekte, die sich im Gegensatz zu den Laborsituationen bereits in der Vergangenheit entwickelt haben, wesentlich bedeutender sein (vgI. auch Füchsle, Burger & Grimm, 1982).
Aus den obigen Überlegungen ergeben sich mehrere Fragen, die vor allem den postulierten allgemeinen Gültigkeitsbereich equity-theoretischer Annahmen betreffen, und die in weiteren Untersuchungen geklärt werden müßten:
(1) Werden affektive und ideelle Güter, wie z.B. Liebe, Zuwendung, Meinungen und Einstellungen, von den beteiligten Interaktionspartnern überhaupt als Verhandlpngsobjekte im austauschtheoretischen Sinne wahrgenommen?
(2) Ist die subjektive Bedeutung von Kosten und Nutzen hinsichtlich solcher immaterieller Güter der subjektivcn Kosten-Nutzen-Wahrnehmung bei materiellen Gütern vergleichbar? In dcr Ressourcentheorie von F 0 a &. F 0 a (1976) wird in diesem Zusammenhang betont, daß das Geben VOll Liebe und Zuwendung nicht in dem Maße als Kosten in einer Beziehung ,\y.lhrgenommcn wird wie die Vergabe materieller Güter.
l\löglicher\Vcise wurde in der vorliegenden Untersuchung der Verzicht auf d.1S Durchsetzen der eigenen Meinung in der gegebenen Konfliktsituation nicht Zlls Kostenfaktor von den Personen cmpfunden. Die Antizipation L1l1gfristiger Austallschmöglichkeiten hätte daher für dicse spezifischen Kunfliktclltscheidungen nicht wirksam werden können. Dies würde den equit.\--thcoretischcn Annahmcn, in denen bezüglich der subjektiven Bedcutung \'()!J Kosten und NUt/,cn bci matcrielll'n lind immateriellen Gütern
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nicht unterschieden wird, widersprechen. D,unit wird auch ein generelles - allen austauschthl'oretischm Älls;üzen gemeinsames - Prnbkm angeschnitten, das die bisher nur unbefriedigende bzw. fehlende Definition von Kosten und Nutzen betrifft.
(3) Gilt das Äustauschprinzip des relativen Kosten-Nutzcn-Ausgleichs für verschiedene Arten von Sozialbeziehungen, wie dies von der EquityTheorie postuliert wird, oder werden je nach Grad der I ntimit:ü der Beziehung verschiedene Austauschprinzipien angewendet (vgl. hierzu die MehrPrinzipien-Ansätze - u.a. IvI i ku la, 1980)? Unsere Befunde deuten hier darauf hin, daß - entgegen equity-theoretischer Annahmen - Entscheidungsverhalten in intimen Sozi'llbeziehungen nicht vorwiegend unter dem Gesichtspunkt des Kosten-Nutzen-Ausgleichs strukturiert wird. War z.B. das Entscheidungsverhalten der Interaktionspartner unserer Untersuchung durch das Prinzip der Gleichauf teilung gekennzeichnet, so daß die Partner unabhängig von der Anzahl zukünftig antizipierter Austauschmöglichkeiten gleich häufig auf das Durchsetzen ihrer Meinung verzichteten, so könnte dies als eine mögliche Erklärung für die fehlende Bestätigung unserer Annahme (Hypothese 1) gesehen werden.
Diese Überlegungen sind jedoch spekulativ und machen insgesamt deutlich, daß bei künftigen Untersuchungen eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen sind, die hier nicht explizit erfaßt wurden.
Eine langfristige partnerschaftsbezogene Orientierung scheint eher in komplexeren affektiven Interaktionsmustern zum Ausdruck zu kommen, was - im Gegensatz zu unseren Befunden zu spezifischen Konfliktentscheidungen - mit den equity-theoretischen Annahmen kompatibel erscheint.
Eine detaillierte Bet,rachtung der Ergebnisse wirft allerdings auch hier die Frage nach einer notwendigen Differenzierung der equity-theoretischen Konzepte auf. Es zeigt sich, daß vor allem die affektive Bewertung der auf die Partnerschaft bezogenen Zukunft offenbar für das Konfliktverhalten funktional ist. Das insgesamt positivere entgegenkommende Verhalten der Partner mit einer ausgeprägten partnerschaftsbezogenen ZZP scheint somit hauptsächlich durch den Wunsch geleitet zu sein, die momentane Partnerschaft auch in Zukunft zu erhalten. Die Frage, inwieweit diesem Verhalten rein rationale Austauschüberlegungen zugrunde liegen, oder ob hier zusätzlich wesentliche emotionale Aspekte, wie z.B. die Sorge, den Partner zu enttäuschen usw., eine Rolle gespielt haben, kann daher nicht als endgültig geklärt betrachtet werden.
Die allgemeine Annahme zur Handlungsrclevanz der ZZP wird durch die vorliegenden Befunde weitgehend unterstützt. Allerdings muß auch hier insofern eine Eimchränkung getroffen werden, als die verschiedenen ZZPMerkmale hinsichtlich ihrer Vorhersagekr,lft für H:tndeln unterschiedlich
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zu gewichten sind: Dem affektiven Merkmalskomplex ist eine relativ größere Bedeutung beizumessen als den eher kognitiven Komponenten. Dies entspricht auch Befunden weiterer eigener Arbeiten (vgl. ß u r ger et al., 1981; 1982).
Im handlungstheoretischen Kontext stützen diese Ergebnisse neuere kritische Ansätze, in denen zur Erklärung sozialen Handelns nicht nur kognitive Aspekte, sondern auch Emotionen mit einbezogen werden (vgl. z.B. Kuhl, 1981; Lantermann, 1982).
Eine weitere Einschränkung und Spezifizierung unserer Annahmen besteht darin, daß die Merkmalsstruktur der ZZP weniger für spezifische Konfliktentscheidungen, wie Nachgeben, als vielmehr für komplexere Verhaltensmuster, wie durch positive oder negative Gefühle gekennzeichnete Interaktionen, vorhersagekräftig ist.
Inwieweit dies nicht nur für den hier untersuchten partnerschaftlichen Bereich, sondern auch für andere Verhaltensbereiche zutrifft, müßte geprüft werden.
Insgesamt legen die Befunde nahe, in zukünftigen Untersuchungen differenzierter die Feinstruktur der partnerschaftlichen Beziehung und des partnerschaftlichen Konfliktverhaltens zu erfassen, um Aussagen über spezifische Zusammenhänge und Bedingungen hinsichtlich der Handlungsfunk-, tion der partnerschaftsbezogenen ZZP treffen zu können. Im Zusammenhang mit den genannten Fragen, die durch die Befunde aufgeworfen werden. erscheint es zudem notwendig, die Art immaterieller Güter, die in intimen Sozialbeziehungen von Bedeutung sind, sowie die möglichen Austauschprinzipien, die hier zur Anwendung kommen, zu spezifizieren. Dabei mü!;ten theoretische Ansätze herangezogen werden, die affektive Elemente sozialen Handelns stärker berücksichtigen.
Summary
In this study, it was assumed that person's future time perspective (FTP) is an integral part of decision making and action. The question examined here was the extmt to which the anticipation and evaluation of future de\'eIoFmcnts in intimate rclationships have an dfect on every-day-like conflic't resolution behavior. With respect to theoretical ami empirical work Oll rTP <md in consideration of exchange theories it was cxpectcd that compliJt1l'e decisiol1s would occur more' frequclltly ami complex conflict resolutil'11 patterns would be charactcrizcd more by positivc emotions when indi,'iduals have a long-ter11l, wcll-structured ;md positivcly evaluatcd Frp Cl)lh'crnillg their illtill1ate relatiollship, Data Oll FTP ami conflict resolUli,)): b,'h.1\'ior werL' olHail1L'd froll1 3S ullIllarried couplcs, The results
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wh ich partly support our hypotlll'sis are JiSCllsscd with rcspcct to cxdl,tnge thcorics amI thc asslll11ed flll1ctional rclationship of FfP to individual ,tction.
Resume
Le eonecpt d'orientation temporellc vers I'avenir (OTA) a ete etudic quant a sa signifieation pratique, en ee scns quc lcs auteurs mcttent cn rapport divers aspeets de \'OT A avec le comportcl11cllt cntrc amis lbns une situation eonflictuelle. Se fondant sur leurs propres travaux sm I'OT A ainsi que sur la theorie de l'cchange,les auteurs pensaient que, en ce qui concerne la liaison amicale, l'OT A devrait etre en rapport avce un comportement coneiliant, une disponibilite a la eoneession. Cette hypothese est partiellcment confirmee par les donnees reClleillies par qucstionnaires et par observations direetes aupres de 38 couples etudiants non-maries. La discussion reprend et precise les theories de I'eehange Cl: de I'OTA.
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