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Stark ausgeprägte, skelettal bedingte Anomalien im Kiefer-Gesichts-Bereich führen neben einer funktionellen Be- einträchtigung des stomatognathen Sys- tems auch zu einer ästhetischen Stigma- tisierung des Patienten mit konsekuti- ven Störungen des Wohlbefindens [9]. Durch diverse Umstellungsosteotomien im Rahmen einer orthognath-chirurgi- schen Behandlung kann eine Harmoni- sierung sowohl in funktioneller als auch ästhetischer Hinsicht erreicht werden [1]. Die orthognathe Chirurgie hat sich in den letzten 3 Jahrzehnten zu einem bedeutenden Bestandteil der Mund-Kie- fer-Gesichts-Chirurgie entwickelt. Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt durch die Einführung moderner Osteosynthe- severfahren wie Miniplatten und Mini- schrauben mit einer deutlich verkürzten intermaxillaren Fixation ermöglicht. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die kon- sequente perioperative antibiotische Kurzzeitprophylaxe,die die Dysgnathie- chirurgie trotz einer Kontamination mit fakultativ pathogenen Keimen zu einem Verfahren mit niedrigen lokalen Infek- tionsraten und stabilen Ergebnissen werden ließ [1]. Da dysgnathiechirurgische Eingrif- fe elektiv, gut planbar und von großen Erwartungen des Patienten begleitet sind, sollten eine niedrige Komplika- tionsrate und die Zufriedenheit des Pa- tienten ein erklärtes Behandlungsziel darstellen. Gerade bei der sagittalen Unterkie- ferspaltung, die neben der Oberkiefer- osteotomie in der LeFort-I-Ebene den häufigsten ausgeführten Eingriff dar- stellt, kann es bei fast 40% der Patienten zu nervalen Funktionsstörungen kom- men [14]. Daher war es Ziel der vorliegenden Studie, den Einfluss eventueller tempo- rärer oder auch permanenter nervaler Funktionsstörungen nach Umstellungs- osteotomien im Kieferbereich auf die Patientenzufriedenheit zu analysieren. Untersuchungen hinsichtlich der Stabi- lität der durchgeführten Umstellungs- osteotomien sind Gegenstand einer ge- sonderten Untersuchung. Material und Methode Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden die Krankenakten von 224 Patienten, die in dem Zeitraum vom Mund Kiefer GesichtsChir 1 · 2002 15 Mund Kiefer GesichtsChir 2002 · 6 : 15–18 DOI 10.1007/s10006-001-0357-0 Originalien P. Maurer 1 · C. Otto 1 · J. J. Bock 2 · A. W. Eckert 1 · J. Schubert 1 1 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2 Poliklinik für Kieferorthopädie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Patientenzufriedenheit mit dem Endergebnis eines orthognath-chirurgischen Eingriffs und Einfluss von ästhetischen und funktionellen Kriterien Online publiziert: 12 Dezember 2001 © Springer-Verlag 2001 Dr. Peter Maurer Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Große Steinstraße 19, 06097 Halle, Saale, E-mail:[email protected], Phone: 0345-5573726, Fax: 0345-5573726 Zusammenfassung Hintergrund: Ziel der Untersuchung war es, den Einfluss eventueller temporärer oder permanenter Sensibilitätsstörungen auf den Grad der Zufriedenheit des Patienten nach einer Dysgnathieoperation zu analysieren. Patienten und Methoden: 78 Frauen (64,5%) und 43 Männer (35,5%) mit einem Durchschnittsalter von 24,3 Jahren (19–40 Jahren) zum Zeitpunkt der Operation wur- den im Mittel nach 47 Monaten (9–141 Mo- naten) nachuntersucht. In 67 Fällen war eine sagittale Unterkieferspaltung, in 11 Fällen ei- ne LeFort-I-Osteotomie und in 26 Fällen eine bimaxillare Umstellungsosteotomie, in 4 Fäl- len eine isolierte Genioplastik und in 13 Fäl- len eine Segmentosteotomie im Ober- bzw. Unterkiefer erfolgt. Im peripheren Ausbrei- tungsgebiet der Nerven V 2 und V 3 erfolgte eine Untersuchung der Sensibilität mit der 2-Punkt-Diskrimination, deren Ergebnis per c 2 -Test mit der Patientenzufriedenheit in Beziehung gesetzt wurde. Ergebnisse und Diskussion: Folgende Qua- litäten der Sensibilität wurden registriert: anästhetisch (2,7%), hypästhetisch (16,6%), parästhetisch (8,3%) und normästhetisch (72,4%). Die Zufriedenheit der Patienten wurde in 51,3% der Fälle mit sehr zufrieden, in 44,8% der Fälle mit zufrieden angegeben, und in 3,9% der Fälle hatten sich die Erwar- tungen nicht erfüllt. 75% fanden ihr äußeres Erscheinungsbild deutlich verbessert, reich- lich die Hälfte auch die Kaufunktion. Deshalb würden sich auch 3/4 aller Patienten wieder operieren lassen. Die Patientenzufriedenheit befindet sich aber bei zweidimensionaler Analyse nur in einem schwach signifikant positiven Zusammenhang mit der erhalte- nen bzw. wiederhergestellten Sensibilität im Trigeminusbereich. Schlüsselwörter Dysgnathiechirurgie · Nervale Funktions- störung · Patientenzufriedenheit

Patientenzufriedenheit mit dem Endergebnis eines orthognath-chirurgischen Eingriffs und Einfluss von ästhetischen und funktionellen Kriterien

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Page 1: Patientenzufriedenheit mit dem Endergebnis eines orthognath-chirurgischen Eingriffs und Einfluss von ästhetischen und funktionellen Kriterien

Stark ausgeprägte, skelettal bedingteAnomalien im Kiefer-Gesichts-Bereichführen neben einer funktionellen Be-einträchtigung des stomatognathen Sys-tems auch zu einer ästhetischen Stigma-tisierung des Patienten mit konsekuti-ven Störungen des Wohlbefindens [9].Durch diverse Umstellungsosteotomienim Rahmen einer orthognath-chirurgi-schen Behandlung kann eine Harmoni-sierung sowohl in funktioneller als auchästhetischer Hinsicht erreicht werden[1]. Die orthognathe Chirurgie hat sichin den letzten 3 Jahrzehnten zu einembedeutenden Bestandteil der Mund-Kie-fer-Gesichts-Chirurgie entwickelt. DieseEntwicklung wurde nicht zuletzt durchdie Einführung moderner Osteosynthe-severfahren wie Miniplatten und Mini-schrauben mit einer deutlich verkürztenintermaxillaren Fixation ermöglicht.Einweiterer wichtiger Aspekt war die kon-sequente perioperative antibiotischeKurzzeitprophylaxe, die die Dysgnathie-chirurgie trotz einer Kontamination mitfakultativ pathogenen Keimen zu einemVerfahren mit niedrigen lokalen Infek-tionsraten und stabilen Ergebnissenwerden ließ [1].

Da dysgnathiechirurgische Eingrif-fe elektiv, gut planbar und von großenErwartungen des Patienten begleitetsind, sollten eine niedrige Komplika-tionsrate und die Zufriedenheit des Pa-tienten ein erklärtes Behandlungszieldarstellen.

Gerade bei der sagittalen Unterkie-ferspaltung, die neben der Oberkiefer-osteotomie in der LeFort-I-Ebene denhäufigsten ausgeführten Eingriff dar-stellt, kann es bei fast 40% der Patientenzu nervalen Funktionsstörungen kom-men [14].

Daher war es Ziel der vorliegendenStudie, den Einfluss eventueller tempo-rärer oder auch permanenter nervalerFunktionsstörungen nach Umstellungs-osteotomien im Kieferbereich auf diePatientenzufriedenheit zu analysieren.Untersuchungen hinsichtlich der Stabi-lität der durchgeführten Umstellungs-osteotomien sind Gegenstand einer ge-sonderten Untersuchung.

Material und Methode

Im Rahmen einer retrospektiven Studiewurden die Krankenakten von 224 Patienten, die in dem Zeitraum vom

Mund Kiefer GesichtsChir 1 · 2002 15

Mund Kiefer GesichtsChir 2002 · 6 : 15–18DOI 10.1007/s10006-001-0357-0 Originalien

P. Maurer1 · C. Otto1 · J. J. Bock2 · A.W. Eckert1 · J. Schubert1

1Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie,Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg2Poliklinik für Kieferorthopädie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Patientenzufriedenheit mit dem Endergebnis eines orthognath-chirurgischen Eingriffsund Einfluss von ästhetischen und funktionellen Kriterien

Online publiziert: 12 Dezember 2001© Springer-Verlag 2001

Dr. Peter MaurerKlinik und Poliklinik für Mund-,Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie,Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,Große Steinstraße 19, 06097 Halle, Saale,E-mail: [email protected],Phone: 0345-5573726, Fax: 0345-5573726

Zusammenfassung

Hintergrund: Ziel der Untersuchung war es,den Einfluss eventueller temporärer oderpermanenter Sensibilitätsstörungen auf denGrad der Zufriedenheit des Patienten nacheiner Dysgnathieoperation zu analysieren.Patienten und Methoden: 78 Frauen(64,5%) und 43 Männer (35,5%) mit einemDurchschnittsalter von 24,3 Jahren (19–40Jahren) zum Zeitpunkt der Operation wur-den im Mittel nach 47 Monaten (9–141 Mo-naten) nachuntersucht. In 67 Fällen war einesagittale Unterkieferspaltung, in 11 Fällen ei-ne LeFort-I-Osteotomie und in 26 Fällen einebimaxillare Umstellungsosteotomie, in 4 Fäl-len eine isolierte Genioplastik und in 13 Fäl-len eine Segmentosteotomie im Ober- bzw.Unterkiefer erfolgt. Im peripheren Ausbrei-tungsgebiet der Nerven V2 und V3 erfolgteeine Untersuchung der Sensibilität mit der2-Punkt-Diskrimination, deren Ergebnis perc2-Test mit der Patientenzufriedenheit inBeziehung gesetzt wurde.Ergebnisse und Diskussion: Folgende Qua-litäten der Sensibilität wurden registriert:anästhetisch (2,7%), hypästhetisch (16,6%),parästhetisch (8,3%) und normästhetisch(72,4%). Die Zufriedenheit der Patientenwurde in 51,3% der Fälle mit sehr zufrieden,in 44,8% der Fälle mit zufrieden angegeben,und in 3,9% der Fälle hatten sich die Erwar-tungen nicht erfüllt. 75% fanden ihr äußeresErscheinungsbild deutlich verbessert, reich-lich die Hälfte auch die Kaufunktion. Deshalbwürden sich auch 3/4 aller Patienten wiederoperieren lassen. Die Patientenzufriedenheitbefindet sich aber bei zweidimensionalerAnalyse nur in einem schwach signifikantpositiven Zusammenhang mit der erhalte-

nen bzw. wiederhergestellten Sensibilität imTrigeminusbereich.

Schlüsselwörter

Dysgnathiechirurgie · Nervale Funktions-störung · Patientenzufriedenheit

Page 2: Patientenzufriedenheit mit dem Endergebnis eines orthognath-chirurgischen Eingriffs und Einfluss von ästhetischen und funktionellen Kriterien

1.1.1990–31.12.1999 dysgnathiechirur-gisch in unserer Einrichtung behandeltworden waren, gesichtet. 121 Patienten(78 Frauen, 43 Männer) mit einemDurchschnittsalter von 24,3 Jahren (19–40 Jahren) zum Operationszeitpunktkonnten im Mittel nach 47 Monaten(9–141 Monaten) klinisch nachunter-sucht werden. Die klinische Untersu-chung schloss eine extra- und intraora-le Befundung, die Abformung des Ober-und Unterkiefers und die Prüfung derSensibilität durch Spitz-stumpf-Diskri-mination und Berührung mit einemWatteträger und einer zahnärztlichenSonde ein. Als ein Hinweis auf eine ner-vale Funktionsstörung wurde eine Dif-ferenz der 2-Punkt-Diskriminierungvon >2 mm angesehen. Getestet wurdendie peripheren extraoralen Versor-gungsareale des N. frontalis und des N.alveolaris inferior, als Kontrolle dientedas Versorgungsgebiet des N. frontalis.

Vor der eigentlichen Untersuchungerhielten die Patienten einen Fragebo-gen, der die allgemeine Patientenzufrie-denheit mit dem Operationsergebnis,die Kaufunktion, die Veränderung deräußeren, postoperativen Erscheinungund die Reaktion des sozialen Umfeldsauf die veränderte Erscheinung analy-sierte. Zudem wurde erfragt, ob sich diePatienten einem erneuten dysgnathie-chirurgischen Eingriff unterziehen wür-den.

Folgende Eingriffe wurden durch-geführt:

∑ in 67 Fällen eine sagittale Unterkiefer-spaltung,

∑ in 11 Fällen eine LeFort-I-Osteotomie,∑ in 26 Fällen eine bimaxillare Umstel-

lungsosteotomie,∑ in 4 Fällen eine isolierte Genioplastik

und∑ in 13 Fällen eine Segmentosteotomie

im Ober- bzw. Unterkiefer.

Die Osteotomien wurden mittels Mini-platten bzw. Minischrauben syntheti-siert, und eine intermaxillare Fixationbestand durchschnittlich für 3,5 Tage.

Die statistische Auswertung erfolg-te mit SPSS (Version 10.0). Die Ergeb-nisse der Hautsensibilitätsprüfung undder Patientenbefragung hinsichtlich derKaufunktion und der Patientenzufrie-denheit wurden statistisch mit Hilfe desc2-Tests verglichen (p=0,05).

Ergebnisse

Hinsichtlich der nervalen Funktion des3. Trigeminusasts zeigten sich bei

∑ 72,4% der Fälle normästhetische,∑ bei 16,6% hypästhetische,∑ bei 8,3% parästhetische und∑ bei 2,7% anästhetische Verhältnisse

Auf die Frage, ob die nervalen Funk-tionsausfälle als störend empfundenwurden, antworteten lediglich 3 von den27 betroffenen Patienten mit ja. Sogar 2der 3 Patienten mit vollständigem Funk-tionsverlust verneinten eine Beeinträch-tigung durch diese Störung. Bei allen imOberkiefer operierten Patienten fandensich zum Operationszeitpunkt regel-rechte Funktionen im Bereich der Haut-äste des 2. Trigeminusasts.

Kaufunktionell gaben 57,1% einedeutliche Verbesserung an, während42,1% keine Veränderung nach der Ope-ration feststellen konnten. Hierbei fälltauf, dass von den unterkieferosteoto-mierten Patienten 65,8% eine Verbesse-rung bei der mastikatorischen Fähigkeitangaben.

76,2% bemerkten eine deutlicheVeränderung ihrer äußeren Erschei-nung, und 78,6% aller behandelten Pa-tienten waren mit dem postoperativenErscheinungsbild zufrieden. Die Ge-wöhnung an ihre veränderte Erschei-nung bereitete 92,1% keine Probleme,während die übrigen Patienten keineAntwort gaben.

Die Frage, ob sie mit dem End-ergebnis der Operation sehr bzw. zufrie-den wären, bejahten 91,3% der nach-untersuchten Patienten. Bei lediglich7,1% der Befragten konnten die an dieOperation geknüpften Erwartungennicht erfüllt werden. 1,6% machten zudieser Frage keine Angaben.

Auf die Frage, ob sich die Patientenerneut einem dysgnathiechirurgischenEingriff unterziehen würden, antworte-ten in dieser Studie, bei der eine rigideFixation mit einer nur 3,5-tägigen inter-maxillaren Fixation angelegt wordenwar, 79% mit ja.

Bei der statistischen Analyse desZusammenhangs zwischen Zufrieden-heit und funktionellen Aspekten mittelsc2-Test fand sich lediglich ein schwacherpositiver Zusammenhang zwischen derpostoperativen Kau- und Nervenfunk-tion auf die Patientenzufriedenheit

16 Mund Kiefer GesichtsChir 1 · 2002

Originalien

P. Maurer · C. Otto · J. J. Bock · A.W. Eckert ·J. Schubert

Patient satisfaction with the finalresults of orthognathic surgeryand the influence of aestheticand functional criteria

Abstract

Background: The aim of the study was to an-alyze the influence of possible temporary orpermanent disorders of sensation on the de-gree of the patient’s satisfaction followingan orthognathic operation.Patients and methods: After an average of47 months (range: 9–141), a follow-up ex-amination was performed in 78 women(64.5%) and 43 men (35.5%) with an aver-age age of 24.3 years (range: 19–40) at thetime of operation. In 67 cases there had beena sagittal division of the mandible, in 11 cas-es a Le Fort I osteotomy, in 26 cases a bimax-illary osteotomy, in 4 cases an isolated genio-plasty, and in 13 cases a segmental osteoto-my in the upper or the lower jaw. In the pe-ripheral area supplied by the nerves V2 andV3,sensation was examined by the two-point discrimination test and the result relat-ed to the patients’ satisfaction using the chi-square test.Results and discussion: The following quali-ties of sensation were recorded: anesthetic(2.7%), hypesthetic (16.6%), paresthetic(8.3%), and normesthetic (72.4%).The pa-tients’ satisfaction was rated as very satisfiedin 51.3%, as satisfactory in 44.8%, and in3.9% the patients’ expectations had notbeen fulfilled; 75% regarded their outwardappearance as markedly improved and agood 50% of the patients noted improvedmastication.Therefore, three-fourths of allthe patients would even be willing to be op-erated on again.Two-dimensional analysis,however, demonstrated only a weakly signif-icant positive relationship between patientsatisfaction and the preserved, or restored,sensation in the trigeminal region.

Keywords

Orthognathic surgery · Neurosensory impair-ment · Patient satisfaction

Mund Kiefer GesichtsChir 2002 · 6 : 15–18DOI 10.1007/s10006-001-0357-0

Page 3: Patientenzufriedenheit mit dem Endergebnis eines orthognath-chirurgischen Eingriffs und Einfluss von ästhetischen und funktionellen Kriterien

(p=0,1222). Hinsichtlich der erreichtenästhetischen Verbesserung ließ sich einstatistisch signifikanter Zusammenhangnachweisen (p=0,000).

Diskussion

Die vorliegende Untersuchung bestätigtdie Ergebnisse früherer Studien, die vonmehreren Faktoren ausgingen, die diePatientenzufriedenheit nachhaltig be-einflussen [9, 15]. So spielen neben denästhetischen und funktionellen Verän-derungen auch Symptome im Kieferge-lenkbereich, Reaktionen aus dem sozia-len Umfeld und eine veränderte Selbst-wahrnehmung eine wesentliche Rolle [3,5].

Die Patientenzufriedenheit in dervorliegenden Arbeit betrug 91,3%. ImVergleich dazu fanden Westermark et al.[14] in ihrem Kollektiv (n=215) eine Pa-tientenzufriedenheit von 85%. Sie unter-suchten ausschließlich Patienten nach,die eine Vorverlagerung des Unterkie-fers durch bilaterale sagittale Unterkie-ferspaltung erhalten hatten. In demuntersuchten Kollektiv wurde bei 77%eine normale bzw. fast normale nervaleFunktion im Ausbreitungsgebiet des N.mentalis gefunden. Auch in der vonHoppenreijs et al. [9] durchgeführtenUntersuchung konnte trotz gestörterHautsensibilität im Ausbreitungsgebietdes N. mentalis bei 23% der Patienten ei-ne Zufriedenheitsrate von 85% erreichtwerden.

Kritisch bleibt bei der Nervenfunk-tionsprüfung anzumerken, dass es sichbei den meisten angewandten Untersu-chungsmethoden um subjektive, vomPatienten abhängige Verfahren handeltund die gefundenen Ergebnisse von Stu-die zu Studie im internationalen Schrift-tum stark variieren können, wobei ersteAnsätze zur Objektivierung der Nerven-funktion beschrieben wurden. Eine all-gemein anerkannte und reproduzierba-re Methode zur Charakterisierung ner-valer Funktionsausfälle ist noch Gegen-stand der Forschung [13, 14].

Die Kaufunktion scheint im Ver-gleich zu den ästhetischen Veränderun-gen nur eine untergeordnete Rolle zuspielen und wird von den Patienten we-niger häufig als verbessert empfunden.Eine Übersichtsarbeit von Cheng et al.[2] von 1998 machte deutlich, dass sichdie allgemein empfundene Zufrieden-heit auch bei Kollektiven, die eine gerin-

ge kaufunktionelle Verbesserung anga-ben, zwischen 78 und 100% bewegte.Auch in der vorliegenden Arbeit lag dieangegebene Verbesserung der Kaufunk-tion bei nur 65,8%, jedoch war die allge-meine Patientenzufriedenheit deutlichhöher angesiedelt.

Einen weiteren wichtigen Aspektbei der Evaluierung der Patientenzufrie-denheit stellt der zeitliche Abstand zurOperation dar, da die Einschätzung dernegativen Begleitumstände wie z. B. dieintermaxillare Fixation und postopera-tive Schmerzen innerhalb eines Jahrsstark verblassen können [4, 10].

Auch das ästhetische Empfindenunterliegt postoperativ einem zeitlichenWandel. So konnten Garvill et al. [7] ineinem Kollektiv von 27 Patienten post-operativ über einen Zeitraum von 18Monaten eine stetige Zunahme der Zu-friedenheit mit dem ästhetischen Er-gebnis nach Umstellungsosteotomie be-obachten.

Auf die Frage, ob sich die Patientenerneut einem dysgnathiechirurgischenEingriff unterziehen würden, antworte-ten in der vorliegenden Studie, bei dereine rigide Fixation mit einer nur 3,5-tä-gigen intermaxillaren Fixation angelegtworden war, 79% mit ja. Die gleiche Fra-ge bejahten aber nur 66,2% der früheroperierten Patienten mit einer bis zu 6-wöchigen intermaxillaren Fixation beiDrahtosteosynthese [7]. In einer eben-falls fragebogengestützten Untersuchungfanden Cheng et al. [2] bei 92% dernachuntersuchten Patienten die Bereit-schaft, sich jederzeit wieder der Opera-tion zu unterziehen.

Trotz vorhandener nervaler Funk-tionseinbußen empfanden in der vorlie-genden Untersuchung lediglich 3 der 27betroffenen Patienten diese als störend,jedoch wurde in der vorliegenden Stu-die ein relativ junges Kollektiv (19–40Jahre) befragt. Westermark et al. [14]konnten dagegen zeigen, dass ältere Pa-tienten deutlich mehr unter Sensibili-tätsstörungen leiden als jüngere Patien-ten mit vergleichbaren Beeinträchtigun-gen.

Einen Einfluss auf die Zufriedenheithaben auch eine umfangreiche Infor-mation und eine gut funktionierendeKommunikation zwischen Patient undBehandler [5].

Basierend auf den Ergebnissen dervorliegenden Untersuchung kann zu-sammengefasst werden, dass die er-

reichten ästhetischen Verbesserungenweit im Vordergrund der patientenseiti-gen Bewertung des Ergebnisses vonDysgnathieoperationen stehen. Sie wie-gen die Nervenausfälle mehr als auf,unddie Verbesserung der Kaufunktionscheint in diesem Zusammenhang post-operativ praktisch keine Rolle mehr zuspielen. Unsere Ergebnisse bestätigenmehrere Studien, die eine Verbesserungder fazialen Ästhetik als einen Hauptbe-weggrund ansahen, sich einem dysgna-thiechirurgischen Eingriff zu unterzie-hen [4, 9, 11].

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