5
56 Es verhält sich genau so wie das lokaldeiktische hier in Ich traf Hans in Poris. Hier f)hlte er sich wohl. Der Florenz-Satz gehört für mich zu den Fällen, die durch Trans- position oder zusätzliche pragmatische Faktoren erklärbar sind (vgl. 4.2.8). Fälle wie (Hans legte den Hörer auf.) Jetzt trafen sie sich also am Bahnhof (THIERoFF 1992: 104) sind als erlebte Rede zu interpretieren, für die nach Socre (2004:207) gilt: "Was die Tempora erlebter Rede von denselben Formen in anderen Kontexten unter- scheidet, ist nicht die Bedeutung, sondern eine spezifische Verwendung, in der die Referenzzeitkomponente R als'Sprech- oder Denkzeit'eines Bewusstseinsträgers inter- pretiert wird ...". Zur Auffassung des Präteritums als nicht-modal bei ENGEL (2004) vgl. die Kritik in 4.2.1. und die dort angeftihrten Gegenbeispieie aus dem Deutschen und Englischen. 4.2.3 Perfekt Ein zentrales Problem der deutschen Tempussemantik betrifft die Abgrenzung von Präteritum und Perfekt. THIERoFF (1992: 165) diskutiert die Vielfalt der Theorien zur Abgrenzungsfrage und verweist darauf, dass in älteren Grammatiken das Perfekt von seiner Entstehung im Althochdeutschen her oft als präsentische Resultativkonstruktion gesehen. wurde. Er verweist auf MosreLsre: e (197 5: I 03), die kritisch feststellt:so "Die aktionsartmäßige resultative Bedeutung der althochdeutschen Wortftigungen: hab€n, eigan, sin + Pafüzipltm Perlekti transitiver und terminativer intransit'iver Ver- ben, aus denen das heutige Perfekt und Plusquamperfekt entstanden waren, wurde ohne Rücksicht auf späteren Wandel in der Bedeutung dieser Verbalformen auf das Perfekt und das Plusquamperfekt des Neuhochdeutschen übertragen. "5 I Ausgehend von der historisch motivierten Fragestellung ergab sich eine neue Diskus- sion: Ist das Perfekt ein Tempus oder ein Aspekt oder beides? Diese Frage wird in neueren Arbeiten oft gestellt und bei EHRIcH / VATER (1989) in den Mittelpunkt der Analyse des Perfekts gerückt.52 Die Verf. nennt u.a. SüTTERLIN (19235) und (1924), der Perfekt und Plusquamperfekt als "Zeitfor' men der Vollendung" bezeichnet. Eine rühmliche Ausnahme bildet PAUL (1959J: 137), der von einer "Verdunkelung des ursprünglichen Sinnes" spricht: "Zugleich ist auch hier die ursprünglich präsentische Resultatsbezeichnung zur Angabe eines Geschehnisses der Vergangenheit gewor- den." MoSKALSKAIA (1975: 103ff) unterscheidet eine absolute Verwendung des Perfekts, "den Ablauf des Geschehnisses vor dem Redemoment", und eine als "Ausdruck der Vorzeitigkeit" (S.107). In der absoluten Verwendung ist es mit dem Präteritum synonym. THIERoFF (1992:159) betrachtet dies als "die umstrittenste Frage in der Tempus- und Aspektlite- ratur der letzten Jabre" nach der Frage "nach dem temporalen Status von Futurl und Ii". 57 Gemäß der Aspekthypothese ist das perfekt primär aspektuell und erst davon abgelei_ tet temporal zu deuten. So sagt Gr-rNz (1970:i 49) * in übereinstimmung mit SüTTER_ LIN (1924) -, dass man das perfekt "keineswegs einfach als eine'vergangenheit'sehen darf, ... das wesentriche ist das Mo_ ment'durchgeftihrt, vollzogen, abgeschlossen,,,. ob etwas in der vergangenheit vollzogen wurde oder ftir die Zukunft erwartet wird, hänge vom Kontext ab. Glinz will damit die Tatsache erklären, dass ein satzwie paul hat das Buch gelesen sich auf ein vergangenes oder zuki.inftiges Ereignis beziehen kann.53 Die Tempushypothese sieht hingegen die Bedeutung des perfekts als ',vergangen- heit", d.h. mit der Bedeutung des präteritums äquivalent (so z.B. ADMoNT 1966). un_ terschiede in der verwendung der beiden Tempoia werden bei synchroner Betrachtung pragmatisch erklärt, in diachroner dialektologisch durch den oberdeutschen präteri- tumschwund, der im oberdeutschen Bereich zur Ersetzung des präteritums dwch das Perfekt Fahrte (vgl. 4.2.2). lli:h der Ambiguitätshypothese (2.8. WLNDERLT:H 1970) hat das perfekt in einigen Fällen eine temporale Bedeutung "vergangenheit" und in anderen eine aspekuelle, die Wunderlich als "Vollzug" oder "Abschluß" charakterisiert. Zur Kritik an dieser Auf- fassung vgl. Hanwec (1973). EHRT.H / varpn (1989: 106ff vertreten die (auf RET.HENBA.H 1947 basierende) Komplexitätshypothese, nach der das perfekt greichzeitig temporale und aspektuelle Eigenschaften hat, wobei das verhältnis zwischen Tempus und Aktionsarten eine Rolle spielt. Als Ausgangspunkt dienen Sätze wie die folgenden, in denen perfbkt und Präteritum kontrastieren: (4-39) Goethe ist gestorben. (4-40) Goethe ist 1832 gestorben. (4-41) Goethe starb. (4-42) Goethe starb 1832. Die überraschende oder komische wirkung, die (4*39) - anders ars (4-4r) - heute ge- äußert (2.B. ais überschrift einer satirischen Zeitschrift) hervomrft, ist iarin begrün_ det, dass das Perfekt nach Counrc (1976) "Gegenwartsrelevanz,,hat.s+ TtilERoFF (1992: 159) bemerkt dazu, dass in jüngster zeit das perfekt immer öfter als Aspekt be- kachtet wird; "doch bleibt --. stets€in Unbehägen'bestehen, da es allzu offensichtlicn ist,'aass aer 'perfektische Aspekt' von ganz anderer Art ist als etwa Periektiv rurd Imperfektiv. t, Oen mei.te' Grammatiken des Deutschen findet sich ein paradox: ',Das perfekt wird so beschrieben, ars |::9:t"-:r^:l.tt um einen Aspekt, doch wird es srets als Tempus bezeichner,,(ebd.). Trl*norr (1992: 160ft) setzt sich kritisch mit der angeh^lichen vollzugsbedeutung von perfek. plus- quamperfekt und Futur II ßei BRTNKMANN 19J1r, Enecx 1972-1 , IIE;;;;' .i'.i.-i'qä, l^o 19848, DuDEN 1984a) auseinander. THTERoFF (1992: 1 80) konigiert EHpJcH / vArER (1 9g9: r07) dahingehend, dass die überschrift auf dem Titelblatt der Zeitschrift Titanic (19g2/3) nicht Goethe ist gestorben hieß, sondem Goethe 51

Perfekt

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Page 1: Perfekt

56

Es verhält sich genau so wie das lokaldeiktische hier in Ich traf Hans in Poris. Hier

f)hlte er sich wohl. Der Florenz-Satz gehört für mich zu den Fällen, die durch Trans-

position oder zusätzliche pragmatische Faktoren erklärbar sind (vgl. 4.2.8).

Fälle wie (Hans legte den Hörer auf.) Jetzt trafen sie sich also am Bahnhof (THIERoFF

1992: 104) sind als erlebte Rede zu interpretieren, für die nach Socre (2004:207)gilt:

"Was die Tempora erlebter Rede von denselben Formen in anderen Kontexten unter-scheidet, ist nicht die Bedeutung, sondern eine spezifische Verwendung, in der dieReferenzzeitkomponente R als'Sprech- oder Denkzeit'eines Bewusstseinsträgers inter-pretiert wird ...".

Zur Auffassung des Präteritums als nicht-modal bei ENGEL (2004) vgl. die Kritik in4.2.1. und die dort angeftihrten Gegenbeispieie aus dem Deutschen und Englischen.

4.2.3 Perfekt

Ein zentrales Problem der deutschen Tempussemantik betrifft die Abgrenzung von

Präteritum und Perfekt. THIERoFF (1992: 165) diskutiert die Vielfalt der Theorien zur

Abgrenzungsfrage und verweist darauf, dass in älteren Grammatiken das Perfekt von

seiner Entstehung im Althochdeutschen her oft als präsentische Resultativkonstruktiongesehen. wurde. Er verweist auf MosreLsre: e (197 5: I 03), die kritisch feststellt:so

"Die aktionsartmäßige resultative Bedeutung der althochdeutschen Wortftigungen:hab€n, eigan, sin + Pafüzipltm Perlekti transitiver und terminativer intransit'iver Ver-ben, aus denen das heutige Perfekt und Plusquamperfekt entstanden waren, wurde ohne

Rücksicht auf späteren Wandel in der Bedeutung dieser Verbalformen auf das Perfektund das Plusquamperfekt des Neuhochdeutschen übertragen. "5

I

Ausgehend von der historisch motivierten Fragestellung ergab sich eine neue Diskus-

sion: Ist das Perfekt ein Tempus oder ein Aspekt oder beides? Diese Frage wird inneueren Arbeiten oft gestellt und bei EHRIcH / VATER (1989) in den Mittelpunkt der

Analyse des Perfekts gerückt.52

Die Verf. nennt u.a. SüTTERLIN (19235) und (1924), der Perfekt und Plusquamperfekt als "Zeitfor'men der Vollendung" bezeichnet. Eine rühmliche Ausnahme bildet PAUL (1959J: 137), der von

einer "Verdunkelung des ursprünglichen Sinnes" spricht: "Zugleich ist auch hier die ursprünglichpräsentische Resultatsbezeichnung zur Angabe eines Geschehnisses der Vergangenheit gewor-

den."

MoSKALSKAIA (1975: 103ff) unterscheidet eine absolute Verwendung des Perfekts, "den Ablaufdes Geschehnisses vor dem Redemoment", und eine als "Ausdruck der Vorzeitigkeit" (S.107). Inder absoluten Verwendung ist es mit dem Präteritum synonym.

THIERoFF (1992:159) betrachtet dies als "die umstrittenste Frage in der Tempus- und Aspektlite-ratur der letzten Jabre" nach der Frage "nach dem temporalen Status von Futurl und Ii".

57

Gemäß der Aspekthypothese ist das perfekt primär aspektuell und erst davon abgelei_tet temporal zu deuten. So sagt Gr-rNz (1970:i 49) * in übereinstimmung mit SüTTER_LIN (1924) -, dass man das perfekt

"keineswegs einfach als eine'vergangenheit'sehen darf, ... das wesentriche ist das Mo_ment'durchgeftihrt, vollzogen, abgeschlossen,,,.

ob etwas in der vergangenheit vollzogen wurde oder ftir die Zukunft erwartet wird,hänge vom Kontext ab. Glinz will damit die Tatsache erklären, dass ein satzwie paulhat das Buch gelesen sich auf ein vergangenes oder zuki.inftiges Ereignis beziehenkann.53

Die Tempushypothese sieht hingegen die Bedeutung des perfekts als ',vergangen-heit", d.h. mit der Bedeutung des präteritums äquivalent (so z.B. ADMoNT 1966). un_terschiede in der verwendung der beiden Tempoia werden bei synchroner Betrachtungpragmatisch erklärt, in diachroner dialektologisch durch den oberdeutschen präteri-tumschwund, der im oberdeutschen Bereich zur Ersetzung des präteritums dwch dasPerfekt Fahrte (vgl. 4.2.2).

lli:h der Ambiguitätshypothese (2.8. WLNDERLT:H 1970) hat das perfekt in einigenFällen eine temporale Bedeutung "vergangenheit" und in anderen eine aspekuelle, dieWunderlich als "Vollzug" oder "Abschluß" charakterisiert. Zur Kritik an dieser Auf-fassung vgl. Hanwec (1973).

EHRT.H / varpn (1989: 106ff vertreten die (auf RET.HENBA.H 1947 basierende)Komplexitätshypothese, nach der das perfekt greichzeitig temporale und aspektuelleEigenschaften hat, wobei das verhältnis zwischen Tempus und Aktionsarten eineRolle spielt. Als Ausgangspunkt dienen Sätze wie die folgenden, in denen perfbkt undPräteritum kontrastieren:

(4-39) Goethe ist gestorben.(4-40) Goethe ist 1832 gestorben.(4-41) Goethe starb.(4-42) Goethe starb 1832.

Die überraschende oder komische wirkung, die (4*39) - anders ars (4-4r) - heute ge-äußert (2.B. ais überschrift einer satirischen Zeitschrift) hervomrft, ist iarin begrün_det, dass das Perfekt nach Counrc (1976) "Gegenwartsrelevanz,,hat.s+

TtilERoFF (1992: 159) bemerkt dazu, dass in jüngster zeit das perfekt immer öfter als Aspekt be-kachtet wird; "doch bleibt --. stets€in Unbehägen'bestehen, da es allzu offensichtlicn ist,'aass aer'perfektische Aspekt' von ganz anderer Art ist als etwa Periektiv rurd Imperfektiv. t, Oen mei.te'Grammatiken des Deutschen findet sich ein paradox: ',Das perfekt wird so beschrieben, ars|::9:t"-:r^:l.tt um einen Aspekt, doch wird es srets als Tempus bezeichner,,(ebd.). Trl*norr(1992: 160ft) setzt sich kritisch mit der angeh^lichen vollzugsbedeutung von perfek. plus-quamperfekt und Futur II ßei BRTNKMANN 19J1r, Enecx 1972-1 , IIE;;;;' .i'.i.-i'qä, l^o19848, DuDEN 1984a) auseinander.

THTERoFF (1992: 1 80) konigiert EHpJcH / vArER (1 9g9: r07) dahingehend, dass die überschriftauf dem Titelblatt der Zeitschrift Titanic (19g2/3) nicht Goethe ist gestorben hieß, sondem Goethe

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In (4-40) ist der kuriose Effekt von (4-39) nicht spürbar, weil das Temporaladverbial

die "Gegenwartsrelevanz" des Perfekts aufhebt, also nicht als "brandneue" Nachricht

verstanden wird, sondern als Mitteilung über echt Vergangenes und dann mit dem

Präteritum austauschbar ist (vgl. 4-42)). Jetzt sieht es aus' a1s hätten die Vertreter der

Ambiguitatshypothese fecht: In (4-39) wäre demnach das Perfekt rein aspektuell, in

(4-40i rein temporal zu interpretieren. Die Ambiguitatshypothese kann jedoch nicht

erklären, warum (443), obwohl nicht durch ein Adverbial modifiziert, nicht als

gegenwartsbezogen interpretiert wird.

(4-43) Goethe hat in Weimar gelebt.

Dieser Satz lässt sich auch nicht als Vollzug erklären. wir gelangten zur Auffassung,

,'daß dem Perfekt im Rahmen der Komplexitätshypothese eine einheitliche grammati-

sche Bedeutung a1s Grundbedeutung zugewiesen werden kann. obwohl die Grundbe-

deutung des pJrfekts stets dieselbe itt, *i.a man das Perfekt von Verben unterschied-

licher Aktionsart unterschiedlich deuten: bei resultativen Verben ... als Präsensperfekt,

bei durativ-nicht-resultativen verben ... als unbestimmte vergangenheit und bei nichr

durativ-nichtresultativen Verben ... als Perfekt der unmittelbaren Vergangenheit."(EHRIcH / VArEn 1 989: 1 09f)

Grundsätzlich wird die Deutung eines temporalisierten Verbs nach EHRICH / VATER

(1g89: 110) als Funktion einer grammatischen Tempusbedeutung und der lexikali-

schen Aktionsartbedeutung gesehen. EHzuCH / Varpn (1989: 119) sehen die Tempus-

bedeutung als aus einer intrinsischen und einer kontextuellen Komponente zusammen-

gesetzt an.

Die intrinsische Bedeutung speziflziert die Beziehung zwischen Ereigniszeit E und

Referenzzeit R, die kontextuelle Bedeutung die Beziehung zwischen R und Sprech-

zeit S (nach REICHENtsACH 1947). Die deiktische Interpretation einer Tempusform

spezifiziert die Beziehung zwischen E und S. So ergibt sich fi.ir die deutschen Tempora

das in Tab. 4 dargestellte System.ss

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verschieden, können aber gleiche zeitreferenz (d.h. deiktische Interpretation) ,'E<S"haben:

r9fIEKI: rraterrtum:E<R iNTRINSISCHE BEOrtrrr,IIC E,RS,K x oNrexrurLrr gEDEüTffiE-- R<St<s UI1K T ISUtslt, lN'I ERPRETATION b<s

Tab. 5 Deiktische Interpretation von perfekt und präteritum

Im Folgenden soll die Grundbedeutung des perfekts - wie beim präsens und präteri-tum - nach dem Schema von KLErN (1994) herausgearbeitet werden, obwohl die um_setzung der mit S, E und R arbeitenden Formeln im System von EHRIcH / VATER(1989) - vgl. Tab. 4 I 5 - nicht einfach ist.so wie die Grundbedeurung (d.h. die wört-liche Bedeutung) dwch verschiedene Aktionsarten des Verbs Ueim perfett modifiziertwerden kann, wird in Enzucn Ay'arrn (r9g9: 124-126) beschrieben (s. obiges Zitat).An (4-44) lassen sich Verwendungs- und Austauschmöglichkeiten ies peifekts guterläutem:

(4-44)a Das Kind ist eingeschlafen.b Das Kind ist eingeschlafen und schläft noch.c Das Kind ist eingeschlafen, aber bald wieder aufgewacht.d Das Kind schlief ein, wachte aber bald wieder auf.e Das Kind ist gestern / heute Nacht / neulich (gleich) eingeschlafen.

Einschlafen ist ein resultatives Verb, d.h. ein verb, dessen semantik eine abgeschlos_sene Situation impliziert, die sich von ihrem Resultat her definiert. Das perfelit resulta-tiver verben etabliert eine Beziehung zwischen einem vorkommnis e und dessenResultat r. Die ReferenzzeitR (TT) ist die zeitliche Lokalisierung des Resultatzustan-des (EnzucH / varsn 1989: r24I).st Im Defaultfall - d.h., wenn nicht spezieller Kon-text oder spezielles weltwissen diesen Bezug verhindern -, dient die Sprechzeit (TU)als Parameter R (bzw. TT oder BZ), wie in 4.2.2 beschrieben.sr Dann ist (aa)a -gleichbedeutendmit (4-44)b - so zu verstehen, dass das Kind zur sprech)eit nochschlaft.

Nun ist jedoch nach EHRTcH /VeruR (19g9) beim perfekt (wie grundsätzlich in allenFällen, wo R mit s zusammenflillt) in der kontextuellen Bedeutung eine verschiebung

kontextuelle RelationS.R R<S

intrinsischeRelation

E,RF,<R

PdsensPerfekt

PräterinrmPlrrsouamnerfekt

Tab. 4 Intrinsische und kontextuelle B edeutung deutscher Tempora

Präsens und Präteritum stimmen in der intrinsischen, Präsens und Perfekt in der kon-

textuellen Bedeutung überein. Perfekt und Präteritum sind in beiden Dimensionen

ist tot, was an der komischen wirkung von (4-39), würde es heute als Schlagzeile benutzt, jedoch

nichts ändert.55 HierwerdenzunächstinAnlehnunganVe.ran(1975;1997)keineFuturtemporafürsDeutschean-

g.no-."n; vgl. dazu die Diskussion in 4.2.5. Das Doppelperfekt ist durch die gleichen tempola-

ien nelationerigekennzeichnet wie das Plusquamperfekt; das Doppelplusquamperfekt beiötigt zu-

sätzliche Parame ter (v g1. 4.2.6).

Probleme ergeben sich vor allem da, wo bei KrErN (1994) bzw. KLE$J / VATER (199g) Inklusionzwischen zwei Parametern argenommen wird (2.B. TS r TT), was bei den punktr-rellen parame-tem im Svstem von RETCHENBACH (1947) nicht möglich ist und auch i" Bnrircn iveä^ iisag)nicht vorkommt (obwohl es hier möglich wäre, da q r *o R hier als Intervalle uurg.äJ-*.r-den).

In PlRIll /vATrR (1989: ll9) werden die "Kleinbuchstaben e, r, s als Variable fia Situationenund Großbuchstaben als variable ff.ir Lokalisierungen von situationen,, eingeflihrt.Reichenbachs S entspricht sz bei FABRrcrus-HANsEN (1986) und ru bei KrrN (1994) (s. oben).

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von R möglich.ss ln (4-44)c findet eine Verschiebung von R (bnv. BZ / TT) in dieVergangenheit statt; hier kann ebenso gut das Präteritum benutzt werden (vgl.(4-44)d). Ebenso ist bei Anwesenheit eines Vergangenheit bezeichnenden Temporal-adverbials anzunehmen, dass R (bzw. BZ I TT) in der Vergangenheit anzusiedeln ist.(4-44)a kann also sowohl so intelpretiert werden, dass der resultierende Zustand desSchlafens zum gegenwärtigen ZeiQunkt andauert, als auch, dass er nicht mehrandauert, wobei der Kontext jeweils den geeigneten Parameter zur Verfiigung stellt.Spricht jemand den Satz mit an den Mund gelegten Finger oder indem er "pst!" macht,ist es wohl klar, dass er den Außerungszeitpunkt als relevanten Parameter nimmt, alsoden Schlaf des Kindes als gegenwärtig noch anhaltenden Resultatszustand des Ein-schlafens annimmt. Eine vorangehende Frage, wie das Kind - dessen unruhigesSchlafverhalten dem Sprecher bekannt ist - sich denn am vorangehenden Abend ver-halten habe, bezieht die Einschlafsituation auf den vorangehenden Abend und 1ässt

dann (angenommen, die Außerung wird um die Mittagszeit des folgenden Tags ge-macht) einen noch anhaltenden Schlafzustand wenig wahrscheinlich erscheinen.

Hierher gehören nattirlich auch Fälle mit explizitem Temporaladverbial wie (444)e.Dass die Interaktion zwischen Tempora und Temporaladverbialen ziemlich kompli-ziertist, zeigt sich daran, dass das Adverb vorhin in einer Außerung, die das Einschla-fen betrifft, also Das Kind ist vorhin eingeschlafen durchaus mehrere Möglichkeiten,also anhaltenden wie auch nicht-anhaltenden Schlafzustand, zulässt, in einer Auße-rung, die den Anruf einer Person betrifft, aber kaum impliziert, dass der Anruf nochandauert:

(4-45) Paul hat vorhin angerufen.

Im Englischen wird bei zeitlicher spezifizierung vergangener Situationen das präteri-

tum benutzt: Last week, I read an interesting book (vs. *Last week, I haye read an int.book).Im Deutschen und Französischen ist das Perfekt nicht im gleichen Maße kom-positionell wie im Englischen.eo Das englische Perfekt ist kein vergangenheitstempus.Ein Satz wie I haye lost my key impliziert notwendig, dass der Schlüssel weg ist, wo-hingegen der deutsche Satz lch habe meinen Schlüssel verloren beide Möglichkeitenzulässt: dass er weg ist oder dass man ihn indessen wiedergefunden hat. Deshalb ist imDeutschen die Fortsetzung ... habe ihn aber wiedergefundez möglich, beim englischenPerfekt nicht; da muss man das Präteritum gebrauchen: I lost my key but found itagain.

wahrscheinlich ist anzunehmen, dass verschiebung der kontextuellen Bedeutung auch möglichist, wenn R mit E (bzw. TT mit TS) zusammenf?illt; vgl. BAUMGARTNER / WuliDERLrcH (1969).Danach wäre eine Verschiebung grundsätzlich möglich, wenn R (TT) mit einem der beidenanderen Parameter zusammenfüllt.

CoMRIE (1976: 107) leitet die Komplexität des Perfekts aus der komplexen Struktur ab: ,'The

present auxiliary conveys the present meaning, while the past participle conveys that of pastaction", bemerktjedoch: "... there is a discrepancy between form (which includes both present andpast) and meaning (which is often just past)".

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ANDERSoN (1982: 228) postuliert anhand englischer Beispiele fünf varianten, vondenen sich aber drei zusammenfassen rassen. bas "Erfahrungs-perfekt,, (,,perfect ofexperience") - nach ANnsnsoN (19g2: 22g) z.B. in Have yoi (ever) been i Japan?-lässt sich im Deutschen nicht vom "Gegenwartsrelevanz"_perfekt (,,current relevanceof anterior")

'nterscheiden (was sicher auch fiirs Englische gilt): wenn etwas Erfah_

renes die Sprechzeit einschließt, ist es gegenwartsrelevant.or Oas neisplet fiir ,'currentrelevance" von ANnrnsoN (ebd.) ist He has studied the whore book. iso he can herp).Das Lesen des Buchs dürfte die gleiche Erfahrung in Bezug auf das gelesene Bucheinschließen wie ein Japan-Aufenthalt in Bezug auf Japan-Erfat.*g. Iüan vergleichedazu den Anfangs-Monolog von Goethes Faist, wo das (vergangJne) Studium den(gegenwärtig noch anhaltenden) Zustand des philosophiscrtÄ, lurisiischen, medi-zinischen und theologischen wissens impriziert (oder implizieren ,ort.).u,(4-46) Habe nun, ach, philosophie,

Juristerei und MedizinUnd leider auch TheologieDurchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Andersons dritte variante, von ihm "new situation" ("hot news,,) genannt, betrifft dieunmittelbare vergangenheit; sein Beispier (ebd.): 1o has just

"rrpäav. Enisprechendedeutsche Beispiele finden sich n (447). Hier ist auf jeden Fali gleichzeitii ,,currentrelevance of anterior" anzunehmen und wohr auch Etablierung eine:r Erfahrurig:o<

@-al Es hat geblitzt (geklopft / geklingelt).

Auch(4-44)a in der Lesart, wo das Kind noch schläft, ist hierherzurechnen. Die viertevariante von ANDERSoN (r9g2 ("resurt state") ist als perfekt-Variante abzulehnen, dasie sich allein bei resultativen verben findet, also von der verbbedeutung, nicht derTempusform beigesteuert wird. Andersons Beispiel He has gone mit der ÄsatzlichenErklärung He is not here - die fürs Deutsche nicht zutrifft, wie die Diskussion von@a\a gezeigthat - zeigt das deutlich, denn bei He has warked oder anderen nicht-resultativen verben (vgr. he has smired / coughee oder den deutschen nrrtrpr..t *g.nEr ist gelaufen (hat gelächett / gehustet) ist kein Resultatzustand festzumaciren.es

6r "Gegenwartsrelevanz" ist zudem kein glücklicher Terminus, da (a) seit langem vergangene si[r_ationen noch in der Gegenwart relevant sein können, (b) unter umständeriall"n iEmp'ora 1a.,"hwenn sie lange Vergangenes oder gar Zukünftiges bezeichnen) dieses Etikett zukommerikonnte.62 Es sind Außerungen mögrich w ie Ich habe phitosophie studiert, aber ailes wieder vergessen.63 Io ist einer der Jupiter-Monde.6a In einigen Fällen ist hier im Deutschen auch das präteritum mögrich (vgl. die Radio-Ansage(4_33)65 T*lrnolr (1994: r04) vermerkt zudem mit Hinweis aufDAHL (19g5: r33-35), dass bei der resur-tativen verwend'ng von perfekt und plusquamperfekt nicht ein Zustand

""i!.J"iJt-*i.a. N*nicht-pe_rfektisches ("non-perfectic") perfeki yri :n um ity r,n na ", e-;";;;;; geschneil istkompatibel mit immer noch,. nicht jedoch perfektisches l"perfectic") peifekt wie iniEr-not (j"tr,geschneit; vgl. +Es hat(jetzt) immeir noch geschneit.

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Die flinfte Variante - von ANDERSON (1982: 228) "continuous" genannt (Beispiel: 1

hale been standing here for three hours) findet sich auch im Deutschen, allerdings

weit seltener und mit enger abgegrenzter zeitrefetenz; es handelt sich um Fä1le wie

(4-48), die bereits im Zusammenhang mit dem Präsens diskutiert wurden (vgl.

(4-25',)):

(4_48)IchhabeseiteinemJahrnichtmehrgeraucht(undjetzttueichesdoch).

Im Deutschen kommen jedoch noch drei varianten hinzu: unbestimmte vergangenheit

wie in (4-49), Abgeschlossenheit in der Zukunft wie in (4-50) und "zeitloses Perfekt"

(vel.4-51)):

(449) Petra hat (stundenlang / tagelang) Klavier gespielt.

(4-50) (Pass auft). Morgen hat Paul a1les vergessen.66

i+-Sfj Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer

das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkert erntitt.(Grundgesetz, Artikel 38

(2))

Die von FesRtctuS-HeNSEN (1986) flirs Präteritum festgestellte "unbestimmte Ver-

gangenheit" (vg|. 4.2.2) kommt auch als Variante des Perfekts vof. Die Interpretation

äes Perfekts als "unbestimmte Vergangenheit" wie in (4-49) oder "unmittelbare Ver-

gangenheit" ("hot news") wie in (4-47) ist stark vom Kontext und von der Semantik

äerlerbphrase abhängig. Eine Außerung wie'Es hat geblitzt (geklopft / geklingelt)

wird nach der griceschen Maxime "be relevant" auf die unmittelbar dem Sprechakt

vorangehende Vergangenheit bezogen, es sei denn, dass der sprachliche Kontext dies

verhindert (vgl. Heute nacht war es stürmisch. Es hat geblitzl).0r pt. YP hat Klavier

gespielt ist zwar aufgrund des durativen Verbs weniger leicht als "unmittelbare Ver-

gangenheit" zu deuten, aber dies ist nicht auszuschließen; man denke an eine Situation,

wo Fetra den Klavierdeckel schließt und jemand gegenüber einem neu Hinzukommen-

den Satz (4-49) (ohne Adverbial) äußert.6s Perfekt-verwendungen wie in (4-50)

können nach EttRICu / Versn (1989: 122) durch Verschiebung der kontextuellen Re-

lation in die Zukunft erklärt werden bei Beibehaltung der intrinsischen Relation E < R'

Es wird dann immer noch ausgedri.ickt, dass das Lese-Ereignis vor dem Referenzinter-

vall liegt, aber dieses istjetzt - durch morgen angezeigt- in der Zukunft angesiedelt'

63

Interessant ist die im Deutschen (wie auch in anderen Sprachen) vorkommende"Zeitlosigkeits"-lu''l6nts.os (a-51) gilt für die Gesamtdauer der Gültigkeit des Grund-gesetzes. Er kann also sowohl auf vergangene Zeitintervalle angewendet werden wieauf gegenwärtige und zuktinftige zeitintewalle. Es ergibt sich folgende varianten-Einteilung des deutschen perfekts:

Tab. 6: Bedeutungsvarianten des deutschen perfehs

Es ist an die in oben zitierte Feststellung von EHRTcH / vernn (19g9: 109f) zu erin_nem, wonach die Grundbedeutung des Perfekts bei Verben unterschiedlich.i Aktionr-art unterschiedlich zu deuten ist: bei resultativen Verben als präsensperfekt, bei du_rativ-nicht-resultativen Verben als unbestimmte vergangenheit und bei nichtdurativ_nichtresultativen verben als perfekt der unmittelbaren vergangenheit. Dazu kommtnoch die Interaktion mit vorkommenden Temporaladverbialen ii" .org"n I in einerll'oche, die eine verschiebung in die Zukunft bewirkt. während R (b;. TT) beimenglischen Perfekt grosso modo simultan mit dem sprechereignis ist, kann R (TT) ihmim Deutschen auch folgen oder vorausgehen. So beschreiben es BerLwEc (r9gga),THTEROFF (1992), ZELLEF. (1 9g4) und KrErN / Varrn (1 ggs). KrnrN / vArER ( I gg8

:

227) setzen fürs deutsche perfekt die Formel "TT NACH TS & TT vARTABEL rN BEZUGAUF TUU an, die sich von der Formel fi.irs Engl. (mit TT ENTHATT TU) unterscheidet.Der Teil "TT vAzuABEL IN BEZUG AUF ru" sollte alle vorkommenden perfekt-Ge-brauchsweisen erklären: Die erste Perfekt-Variante betrifft den Gegenwartseinschluss(TT rNKruDrERr TU).

Die zweite variante bezeichnet (unmittelbare oder unbestimmte) vergangenheit undlässt sich durch die Formel "TT voR TU" charakterisieren, die dritte oie *n ANDER_soN (1982) "continuous" genannte variante, die ich "bis zur Gegenwart reichendevergangenheit" nenne, wobei nochmals zu betonen ist, dass die siÄation gewöhnlichnicht in die Zukunft hineinreicht, also zur zeit, wo der Sprechakt vor sich

"geht, abge_

schlossen ist.7o Hier schließt offenbar die Topikzeit die Außerungs zeit ein. t"r > ru.Die vierte variante betrifft Zukunftsbezug ("TT NACH TU"), die ftinfte ist zeitlichnicht spezifiziert. Nach dieser Analyse bleibt der "aspektuelle" Teil der Gesamtbe_

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Das perfekt stellt dabei die neutralste Bezeiclmungsart einer in der Zukunft vergangenen Situation

dar, während das sogenannte "Futur lI" (engl. "future perfect", vgl. coMRIE 1985: 69) eine modale

Komponente aufweist (vgl. VATER 1975).

Vgl. hierzu auch die Diskussion zu Beispiel (4-44) Das Kind ist eingeschlafen'

ENGEL et al. (1999:638) bestimmen das Perfekt als "wirklich und abgeschiossen zu einer be-

stimmten, andLrweitig festgelegten Zeit". Sie behaupten (ebd.): "Auch wenn das Perfekt Vergangenes bezeichnet, lt"ibtiin *.."ntlicher Unterschied zum Präteriturn: nur das Perfekt (nie aber

äas -Prateritum)

drüctt zugleich aus, dass das beschriebene Geschehen für Sprecher und Hörer von

Belang ist." Dem widersprechen zahlreiche meiner Beispiele (2.8. (4-33): Soeben hörten Sie . )

Grund"sätzlich ist in allen Fällen, wo Perfekt mit Prät. austauschbar ist, anzunehmen, dass beitlc

Tempora den gleichen Zeitbezug (mit oder ohne "Gegenwartsrelevanz") herstellen.

ANDERSoN (1982) hat wohl diese m.W. auch im Englischen existierende variante übersehen.?0 Hier is-t weitere Forschung notwendig. Die Warschauer Studentin Z.tzanna pytliriska machte in

einer Hausarbeit im Sommersemester 2006 auf Fälle aufmerksam, wo beim pe"rfekt mit set nichtnotwendig Abschluss zur Sprechzeit anzunehmen ist.

Paul hat Chenie studiert lundEt d*iiE@.

(unbest. Verg.). /

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deutung des Perfekts, "TT NACH TS", in allen Fällen erhalten.zr So ist der Satz ausdem Grundgesetz anwendbar auf vergangene Fäl1e (2.8. wenn überprüft werden soll,ob bei einer Person zehn Jahre vor der Außerung von (4-5 1) wählbarkeit bestand), aufgegenwärtige und zukünftige FälIe.

Es zeigt sich jedoch, dass Sätze wie (4-52)a (vgl. Krrn / Vartn 1998: 232) in ihrerTemporalreferenz (die mit der des Präteritalsatzes b identisch ist) nach obigem Sche-ma schwer interpretierbar sind:

(4-52)a Gestern um zehn Uhr hat Peter London verlassenb Gestern um zehn Uhr verließ Peter London.

Der Satz kann nicht so interpretiert werden, dass Peters Abreise aus London vor zehnUhr erfolgte ("TS voR TT"), sondern nur so, dass sie um zehn Uhr erfolgte.zz Da auchandere Perfekt-Sätze in dieser Hinsicht problematisch sind - möglicherweise alle, indenen Perfekt durch Präteritum austauschbar ist wie (4-40), (443), @-agc -, mussdas in Krpni / VATER (1998) erarbeitete Schema modifiziert werden. Als adäquateDeutung erscheint mir eine Festlegung der Relation zwischen TT und rs auf rr = TSbei variabler Relation von TT zu TU, was alle Einzelftille am besten zu erfassenscheint, auch (4-52)a. Als alle Perfekt-verwendungen einbeziehende Formel ergibtsich:

r TS & TT VARIABEL zU TU

Tab. 7

THIERoFF (1992: 169) kommt in seiner umfassenden Sichtung der Literatur zumPerfekt zur Auffassung, dass im Deutschen zwei Perfekt-varianten zu unterscheidenseien, die er "perfektisches Perfekt" und "nicht-perfektisches perfekt" nennt. Dasnicht-perfektische Perfekt kann aufgrund seiner Austauschbarkeit mit dem präteritumals Tempus identifiziert werden.z: Den kategorialen status des perfektischen perfekts -Tempus oder Aspekt - analysiert THTERoFF (1992: 172*185) eingehend. Er betont (S.172*177), dass Perfekt-Verwendungen wie (4-441u (Das Kind ist eingeschlafen) niezwingend einen Resultatszustand (Das Kind schläft) implizieren, wie conzun (1976)u.a. annehmen (was die beiden möglichen Fortsetzungen (444)b und c deutlichzeigen), dass darüber hinaus das Perfekt gar keinen ztstandanzeigt, was er mit demimmer-noch-Test beweist. So ist die Außerung Es hat geschneil nicht durch immer

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no.ch ergänzbar, im Gegensatz zu Es liegt Schnee oder Es ist weif (hell).2+ Er schluss_folgert, dass das Perfekt auch in seiner perfektischen Lesart keinen aspekt bezeichnet,sondern ein Tempus. Da das perfektische perfektjedoch genau so *i. du, nicht-per-fektische unter bestimmten Bedingung"o g.g.n das piateritum austauschbar ist,kommt THTERoFF (1992: 186) zu dem frgebnis,

"... dass es keine hinreichenden syntaktischen Bedingungen gibt, nach denen ein perfek_tisches und nichrperfektisches pirfekt unterschiedei *irdä konn"rr, -.u.w., li. zrr_

:lP*t einer Perfektform zu einer der beiden Varianten ist letztlich tontextabtrangig

Beide varianten haben nach rurpnonr (1992:1gg) gemein, dass die Ereigniszeit vorder sprechzeit liegt und dass sie keine Aussage über Abgeschlossenheit Äm sprech-zeitpunkt implizieren.zs Er gibt daflir (ebd.) die Former ',E vor R & R nicht-vor S,,:Das Perfekt ist ein "vorzeitigkeitstempus"; es bezeichne t eine zeit,die vor einer ande_ren zeit liegt, welche er als "Referen zzeit" bezeiclnet, die jedoch weder ReichenbachsR noch Fabricius-Hansens BZ entspricht. Diese "Referenzzeit" gibt es nur bei denPerfekt-Tempora.zo

Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen der perfektcharakterisierung von THmnorr (1992)und meiner hier dargestellten Analyse mit der zusammenfassenden Former ,,TT: TS& TT vezuessLZu TIJ',, doch bestehen auch Unterschiede:

- Während Thieroffs "Referenzzeit" außerhalb der Ereigniszeit liegt (sie ist ein zur Sprech-zert zusätzlicher Parameter ftir die Lokalisierung dei rreignisz-eiiim System der ,,per_fekt-Tempora"), ist die Topikzeit TT bei mir (raiie bei I(rirN 199a) eni rnit der Situa_tionszeit TS (die Thieroffs Ereigniszeit entspricht) verbunden; beim irerdkt *iro rs uo'TT inkludiert.

* DaTHIERoTT (1992) nicht das Perfekt in seit-Sätzenberücksichtigt, kann er alle anderenvorkommenden Färre mit "E vor R" zusammenfassen; bezieht nian jene ein, muss mander Tatsache Recbnung tragen, dass die Referenzzeit (bei mir rr; nicrrt uoteaingt oerSituationszeit folgt, sondem von ihr mit eingeschrossen sein kann; daher TT r TS.- Der Tatsache, dass das deutsche perfekt rokunftig" Situationen bezeichnen [ann, wirabei.mir Rechnung getragen durch die Reration "T1 veruassr zv TU,,, die gleichzeitigauch ftir die "Zeirlosigkeit" (vgl. (a-51)) zutrifft.ll

THIERoFF (1992: 176) verweist auf LrrvrNov / NEDJALKov (19g8: 5), die Resultativkonstruk-tionen im Dt. annehmen, so das Zustandsp assjv Die Tür ist geciinet.In.diesem Zusammenlnng verweist THTER.FF (1992: 1g9) auf die futurische variante (vgr. (4,50).Für THIER.FF (1992) sind das aile Tempora, d.eren Form ein partizip II enthält, also perfekl plus-

lTTp*.kj:lly II. Doppelperfekt, Doppelplusquamperfekt und Futurprat.Atorn-ri i=?onai_üonal il). selne Reterenzze.it entspricht ung. der ,'Evaluationszeit" bei BAUEnLE lteze; unaFABRrctus-HANsEN (1 986), doch wird sie n* 1ii. di. p".f.kt-Tempora relevant.Thieroffs Relation "R nicht-vor S" erfasst m.E. die Zeitlosigkeits-variante nicht voll, da eine im-merwährende situation u""h v91s1ns3n9s einschrießen musi; so ist der Satz aus a.-'c-oäg"r.t,anwendbar auf vergangene Fä[e (2.B. bei nachträglicher tiberprufung des Alters eines fandi-daten).

Jetzt plädiere ich dafiir, die Relation zwischen TT und rS nicht als aspektuell anzusehen (vgl. 6.1).Beim Plusquamperfekt besteht hingegen systematische Doppeldeutigkeit: rn p. harte gestern umzehn Lhr L. verlassen kann das Adverbial um zehn uhr TT markieren (dann ist p. schon vorherabgereist) oder aber TS (dann erfolgte die Abreise um zehn uhr); vgl. dazu FABRjcrus-HANsEN(1986).

13 YgL z.B. (444)c Das Kind ist eingeschlafen, aber bald wieder aufgewacht.

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