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Persönliche PDF-Datei für www.thieme.de Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien. Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Verlag und Copyright: © 2014 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags R. Siegert, R. Magritz Fehlbildungen und plastische Chirurgie im Kindesalter Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: S203–S217 DOI 10.1055/s-0033-1363658 1615-0007

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Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt.Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien.

Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag

Verlag und Copyright:© 2014 byGeorg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 1470469 StuttgartISSN

Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

R. Siegert, R. Magritz

Fehlbildungen und plastische Chirurgie im Kindesalter

Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: S203–S217DOI 10.1055/s-0033-1363658

1615-0007

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Siegert R, Magritz R. Fehlbildungen und plastische Chirurgie. Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: S203–S217

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Bibliografi eDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1363658Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: S203–S217 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 1615-0007

Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h. c. Ralf Siegert und Dr. med. Ralph Magritz Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Kopf- und Hals-Chirurgie Prosper-Hospital Mühlenstraße 27 45659 Recklinghausen [email protected]

Schlüsselwörter ● ▶ Fehlbildung ● ▶ plastische Chirurgie ● ▶ Fisteln ● ▶ Zysten

Key words ● ▶ malformation ● ▶ plastic surgery ● ▶ fi stula ● ▶ cysts

Fehlbildungen und plastische Chirurgie im Kindesalter Malformation and Plastic Surgery in Childhood

Autoren R. Siegert , R. Magritz

Institut Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie Prosper-Hospital, Recklinghausen

Zusammenfassung ▼ Die Fehlbildungen des Kopf-Halsbereiches umfas-sen eine scheinbar unendliche Vielfalt von Krank-heitsbildern. Sie sind durch ebenso vielfältige funktionelle und ästhetische Beeinträchtigungen gekennzeichnet und erfordern in vielen Fällen interdisziplinäre, vielstufi ge Rehabilitationskon-zepte. Die Rehabilitation der betroff enen Kinder muss daher sowohl die ästhetische und damit psychosozial wichtigen als auch die funktionellen Aspekte der Atmung bei den Spaltnasen, des Es-sens, Sprechens und des mimischen Gesichtsaus-druck bei den Fazialisparesen und des Hörens bei den schweren Ohrfehlbildungen berücksichtigen und konzeptionell aufeinander abstimmen. Daher sollte der plastische Kopf-Hals-Chirurg auch für die funktionelle Rehabilitation im Rahmen ent-sprechender Kooperationen sorgen oder die dafür notwendigen Schritte selber durchführen. In diesem Beitrag wird eine kurze Übersicht der häufi gsten Kopf-Halsfehlbildungen und deren plastisch-chirurgische Korrekturmöglichkeit ge-geben werden.

1 Einleitung ▼ Die Fehlbildungen des Kopf-Halsbereiches um-fassen eine scheinbar unendliche Vielfalt von Krankheitsbildern, die nicht nur ganze Kongresse füllen könnten, sondern mit denen sich schwer-punktmäßig viele unterschiedliche Fachgesell-schaften befassen. Sie sind durch ebenso vielfälti-ge funktionelle und ästhetische Beeinträchtigun-gen gekennzeichnet und erfordern in vielen Fäl-len interdisziplinäre, vielstufi ge Rehabilitations-konzepte. Die Rehabilitation der betroff enen Kinder muss daher sowohl die ästhetische und damit psychosozial wichtigen als auch die funk-tionellen Aspekte der Atmung bei den Spaltna-sen, des Essens, Sprechens und des mimischen Gesichtsausdruck bei den Fazialisparesen und

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 2031 Einleitung 2032 Halsfi steln und -zysten 2042.1 Übersicht 2042.2 Diagnostik 2042.3 Chirurgie 2043 Nase 2053.1 Übersicht 2053.2 Diagnostik 2053.3 Chirurgie 2054 Ohr 2064.1 Übersicht 2064.1.1 Embryologie 2064.1.2 Anatomie des äußeren Ohres 2064.1.3 Ästhetische Einheiten der Ohrmuschel 2064.1.4 Anthropometrie der Ohrmuschel 2065 Klassifi kation und Chirurgie der

Ohrmuscheldysplasien 2075.1 Geschichte 2075.2 Dysplasien I. Grades 2075.2.1 Abstehende Ohrmuschel 2075.2.2 Makrotie 2095.2.3 Kryptotie (Taschenohr) 2095.2.4 Geringgradige Tassenohrdeformität 2095.2.5 Gering- bis mittelgradige Tassenohrdeformität 2095.2.6 Kolobom (quere Ohrmuschelspalte) 2105.2.7 Aurikularanhänge 2105.2.8 Präaurikuläre Fisteln und Zysten 2115.3 Dysplasien II. Grades 2115.4 Dysplasien III. Grades 2125.4.1 Erster Operationsschritt 2125.4.2 Zweiter Operationsschritt 2125.4.3 Dritter Operationsschritt 2135.5 Ausblick und Alternativen zur autologen

Ohrmuschelkonstruktion 2135.6 Hörrehabilitation bei der Atresia auris congenita 2146 Gesichtsmuskulatur 2156.1 Übersicht 2156.2 Diagnostik 2156.3 Chirurgie 215 Literatur 216

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des Hörens bei den schweren Ohrfehlbildungen berücksichtigen und konzeptionell aufeinander abstimmen. Daher sollte der plastische Kopf-Hals-Chirurg auch für die funktionelle Rehabili-tation im Rahmen entsprechender Kooperationen sorgen oder die dafür notwendigen Schritte selber durchführen. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht einiger der häufi gsten Kopf-Halsfehlbildungen und deren plastisch-chirurgische Kor-rekturmöglichkeit gegeben werden.

2 Halsfi steln und -zysten ▼ 2.1 Übersicht Halsfi steln und -zysten entstehen durch im Mesoderm verbliebene ektodermale Gewebeinseln. Unterschieden wird zwischen den la-teralen Fisteln und Zysten, die Überbleibsel der Kiemenfurchen bzw. des Sinus cervicalis sind, und den medianen, die aus nicht rückgebildeten Teilen des Ductus thyreoglossus entstehen. Besteht eine Öff nung nach außen, entwickeln sich Fisteln. Sind sie dagegen vollständig abgeschottet entwickeln sie sich zu Zysten. Ein häufi g anzutreff endes Missverständnis besteht darin, dass bei Zysten der „Fistelgang“ oder vice versa gesucht wird. Trotz ihres identischen embryologischen Ursprungs handelt es sich klinisch um unter-schiedliche Entitäten, die voneinander abweichender chirurgischer Techniken bedürfen. Während histologisch bestätigte Halszysten – bis auf die Mög-lichkeit der Größenzunahme und des Risikos sich zu infi zieren – prognostisch grundsätzlich relativ unbedenklich sind, müssen dagegen klinisch diagnostizierte zystische Veränderungen am Hals bei Erwachsenen bis zum Beweis des Gegenteils als malig-nitätsverdächtig eingestuft werden [ 1 ] . Zervikale Metastasen oder Lymphome am Hals können nicht selten zystische Kompo-nenten aufweisen, die sich klinisch und sonografi sch nicht von den embryologischen Halszysten unterscheiden lassen. Daher ist die „Zyste“ am Hals grundsätzlich abklärungsbedürftig.

2.2 Diagnostik Neben der klinischen ist eine sonografi sche Untersuchung des Halses erforderlich. Die Anfärbung der Fistelgänge ist umstrit-ten, da je nach Anatomie und angewandtem Druck entweder

nur ein Teil des Ganges erreicht und damit eine falsche Sicher-heit vorgetäuscht wird oder aber die Farbe bzw. das Kontrast-mittel durch die feinen Endverzweigungen hindurch in das in-terstielle Gewebe eindringt. Diese Anfärbungen täuschen daher leicht eine falsche Sicherheit vor.

2.3 Chirurgie Laterale Halszysten sind über eine Inzision in den RSTL in toto möglichst ohne Eröff nung zu exstirpieren. Bei medianen Hals-zysten ( ● ▶ Abb. 1 ), die dem Zungenbein anliegen, sollte der me-diane Knochenanteil mit reseziert werden um sicher keine Epi-thelreste im Gewebe zu belassen. Fisteln sind ebenfalls in toto zu exstirpieren. Für die Resektion des medianen Teils des Zungenbeins gilt dasselbe wie für die medianen Zysten. Die lateralen Fisteln können weit nach kranial und medial bis in die Tonsillennische reichen ( ● ▶ Abb. 2 ). In die-

Abb. 1 Mediane Halszyste. a Glatte, verschiebli-che mediane Halszyste b Freigelegte Zyste c In toto exstirpierte Zyste (zusätzlich wurde der mediane Aneil des Zungenbeins reseziert) d Aufge-schnittene Zyste.

Abb. 2 Laterale Halsfi stel. a Unscheinbare Fistelöff nung im seitlichen Halsbereich b Mobilisierte Fistel über 2 Inzisionen quere Inzisionen in den RSTL c Nach intraoral durchgezogene Fistel, zusätzlich erfolgte eine TE.

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sen Fällen sind häufi g eine weitere, submandibuläre Inzision, der Fisteldurchzug nach intraoral und die gleichzeitige Tonsill-ektomie erforderlich. Wir empfehlen grundsätzlich die Fisteln unter optischer Vergrö-ßerung (Lupenbrille oder Mikroskop) ohne die oben diskutierte Anfärbung zu exstirpieren.

3 Nase ▼ 3.1 Übersicht Eine der häufi gsten Fehlbildungen des Kopf-Halsbereiches sind mit ca. 1:500 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten mit der sog. Spalt-nase. Sie ist gekennzeichnet durch Lateralisation des Nasenfl ü-gels, Naseneingangstenose, Nasensteg- und Nasenspitzenasym-metrie sowie Septumdeviation und führt sowohl zu ästheti-schen Auff älligkeiten als auch zur Nasenatmunsbehinderung. Bei Neugeborenen stehen die Störungen hinsichtlich der Nah-rungsaufnahme ganz im Vordergrund. Diese werden durch ein mehrzeitiges Operationskonzept mit Verschluss der Lippe und des Gaumens in den ersten beiden Lebensjahren behoben. Die Osteoplastik des Oberkiefers zum Auff üllen des Defektes mit Spongiosa kann primär im ersten Lebensjahr oder im Wechsel-gebiss kurz vor Durchbruch der Eckzähne erfolgen. Die Spaltna-se wird i.d.R. erst im Jugendalter korrigiert.

Im Gegensatz zu den „Spaltnasen“ als begleitende Veränderung bei LKG-Spalten spricht man von „Nasenspalten“, wenn primär eine Spaltbildung im Bereich der Nase vorliegt ( ● ▶ Abb. 3 ). Mi-kroformen der Nasenspalten können Breitnasen v. a. im knö-chernen Bereich sein, die mit einem Hypertelorismus vergesell-schaftet sein können. Die umfassendste Beschreibung und Klas-sifi kation der Gesichtsspalten geht auf Tessier [ 2 ] zurück, der sie in insgesamt 15 Lokalisationen unterteilt und weiter nach Kno-chen- und Weichteilspalten diff erenziert hat. Seltenere Fehlbildungen der Nase sind mit 1:30 000 die Nasen-fi steln. Während sie im Bereich des Nasenrückens häufi g nur als kleine Hautveränderung auff allen, können sie durchaus bis nach intrakraniell reichen. Ähnlich wie bei den Halsfi steln und -zys-ten können diese Fehlbildungen auch als Nasenzysten auftreten, wenn sie keine Verbindung zu Haut- oder Schleimhaut haben.

3.2 Diagnostik Die Diagnostik der Nasenfehlbildungen erfolgt in erster Linie durch die klinische Untersuchung. Bildgebungen, insbesondere MRT, sind indiziert bei den Nasenspalten und -fi steln. Funk-tionsuntersuchungen, d. h. in erster Linie die Rhinomanometrie, stellen eine conditio sine qua non vor funktionellen Septorhino-plastiken dar.

3.3 Chirurgie Die Korrektur der Spaltnase gilt als schwierig, da sie quasi sämt-liche Strukturen der Nase umfasst und daher eine komplexe Korrektur erfordert. Gubisch [ 3 ] hat eine umfassende Technik vorgestellt, deren Eckpunkte die extrakorporale Septumkorrek-tur, sichere Abstützung der Columella und Nasenspitze, symme-trische Repositionierung der Nasenfl ügelknorpel und Bildung von kleinen 3-eckförmigen Lappen im Naseneingang zur span-nungsfreien Auskleidung des umgeformten Nasendoms sind. Diese Korrekturen sind wie andere Septorhinoplastiken auch wegen des anhaltenden Wachstums der Nase möglichst erst nach dem 15. Lebensjahr durchzuführen ( ● ▶ Abb. 4 ). Nasenspalten werden grundsätzlich wie Breitnasen korrigiert. Besonderheiten können durch weit nach kaudal reichende An-teile der Rhinobasis mit fl ießenden Übergängen in kraniale Ze-len (Meningo-, Meningoenzephalo-, Meningoenzephalozystoze-len) auftreten, die vorher unbedingt mit einer CT dargestellt werden müssen.

Abb. 3 Nasenspalte Typ Tessier Nr. 1.

Abb. 4 Alio loco voroperierte LKG-Spalte mit „typischer Spaltnase“ a , b prä c , d post Septorhi-noplastik.

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Analog zu den Nasenspalten können auch die Nasenfi steln bis an die oder sogar durch die Rhinobasis hindurch verlaufen. Trotz optimaler präoperativer Bildgebung muss sich jeder Operateur auf unerwartete, intraoperative Verläufe einstellen, da die fei-nen, meist kollabierten Fistelgänge nicht immer sicher darge-stellt werden können. Bei Verdacht auf Fistelverläufe bis nach intrakraniell sollte ein kombinierter extranasaler Zugang mit ei-ner bikoronaren Schnittführung erwogen werden.

4 Ohr ▼ 4.1 Übersicht Die Fehlbildungen des Ohres weisen eine schier unendliche Va-riabilität morphologischer Veränderungen auf. Daher erfordert die Korrektur oder Re- bzw. genauer Konstruktion einer Ohrmu-schel eine enorme methodische Bandbreite unterschiedlicher Operationstechniken. Insbesondere in der Fehlbildungschirurgie sind wir häufi g so-wohl mit funktionellen Störungen als auch ästhetischen Beein-trächtigungen konfrontiert. Die Rehabilitation der betroff enen Kinder muss beide Aspekte berücksichtigen und konzeptionell aufeinander abstimmen. Dies gilt für die LKG-Spalten (s. o.), die Fazialisparesen (s.u.) und insbesondere für die schweren Ohr-muschelfehlbildungen mit ihren äußerlich sichtbaren Entstel-lungen und der Schallleitungsschwerhörigkeit. Bei ihnen muss der plastische Kopf-Hals-Chirurg auch für die Hörrehabilitation sorgen oder die dafür notwendigen Schritte selber durchführen.

4.1.1 Embryologie Die Ohrmuschel beginnt ihre Entwicklung zwischen dem 21. und 22. Tag post konzeptionem (p.k.) mit einer in der Ohrregion liegenden ektodermalen Verdickung, in die sich am 28. Tag ein Grübchen einsenkt [ 4 ] . Mit dem 38. Tag p. k. entwickeln sich, angeordnet um die 1. Kie-menfurche, jeweils 3 mesenchymale Höcker des 1. (Mandibular-bogen) und 2. Kiemenbogens (Hyoidbogen). Die zunächst krani-alen, später ventralen 3 Höcker des Mandibularbogens, bilden die vorderen Anteile der Ohrmuschel (Tragus und Crus helicis). Die kaudalen und später dorsalen 3 Höcker des Hyoidbogens bil-den ihrerseits die hinteren Ohrmuschelanteile. Die Koncha und der äußere Gehörgang entwickeln sich aus der 1. Kiemenfurche.

Neben einer zunehmenden Ausformung und Vergrößerung, wandert die Ohrmuschel von einer initial antero-kaudalen in eine dorso-kraniale Position. Im Verlauf der weiteren Embryonal- und Fetalentwicklung nimmt der Anteil des an der Ohrmuschelbildung beteiligten Me-senchyms des Mandibularbogens deutlich ab. Man geht davon aus, dass etwa 85 % der reifen Ohrmuschelstruktur allein durch den Hyoidbogen gebildet wird [ 4 ] . Störungen dieses komplexen Entwicklungs- und Diff erenzie-rungvorganges auf unterschiedlichen zeitlichen und strukturel-len Ebenen führen zu der nahezu unendlichen Vielfalt an Form-varianten und Dysplasien unterschiedlicher Schweregrade.

4.1.2 Anatomie des äußeren Ohres Das äußere Ohr bezeichnet die Ohrmuschel und den äußeren Ge-hörgang. An der Ohrmuschel kann die das charakteristische Reli-ef zeigende Vorderseite von der Ohrmuschelrückseite, die eben-falls ein – jedoch weniger beachtetes – Relief aufweist, unter-schieden werden. Mit Ausnahme des knorpelfreien Lobulus, wird die statische Grundlage der Ohrmuschel durch einen elastischen Knorpel gebildet, der eine Dicke von 1–3 mm besitzt [ 4 – 6 ] . Die Haut im Bereich der Ohrmuschelvorderseite ist fest und an-nähernd unverschieblich mit dem Perichondrium verbunden. Sie besitzt eine Dicke von 0,8–1,2 mm. Im Gegensatz hierzu be-fi ndet sich auf der Ohrmuschelrückseite eine subkutane Fett-schicht; die die Haut nicht nur dicker (1,2–3 mm), sondern auch verschieblich gegen ihre Unterlage macht [ 6 ] . Die arterielle Blutgefäßversorgung der Ohrmuschel erfolgt durch in Anzahl und Lokalisation sehr variable Äste der A. tem-poralis superfi cialis und der A. auricularis posterior. Die sensible Innervation der Ohrmuschel erfolgt durch Äste des N. auricularis magnus, des N. auriculotemporalis und des N. occipitalis minor. Die Ohrmuschelmuskeln sind entwicklungsgeschichtliche Rudi-mente, die außer einem gewissen „Spaßfaktor“ heutzutage beim Menschen praktisch keinerlei Bedeutung mehr haben. Dennoch lassen sich intraoperativ regelmäßig insbesondere 2 Muskeln, der M. auricularis posterior und der M. auricularis superior, dar-stellen. Zusätzlich besitzt die Ohrmuschel einen eigenen liga-mentären Aufhängeapparat, bestehend aus einem rückseitigen und 2 vorderseitigen Ligamenten [ 4 ] .

4.1.3 Ästhetische Einheiten der Ohrmuschel Ganz ähnlich wie sich im übrigen Gesichtsbereich ästhetische Einheiten defi nieren lassen, fi nden sich auch an der Ohrmuschel ästhetische Untereinheiten . Sie sind defi niert durch die das vor-dere Ohrmuschelrelief bildenden Strukturen bzw. Falten ( ● ▶ Abb. 5 ). Ihre Bedeutung für die Chirurgie liegt vor allem darin, dass Inzisionen im Grenzbereich zwischen benachbarten ästheti-schen Untereinheiten optisch unauff ällig erscheinen. Sie sollten Inzisionen quer zu den vor allem vertikal ausgerichteten ästhe-tischen Untereinheiten in jedem Fall vorgezogen werden.

4.1.4 Anthropometrie der Ohrmuschel Ebenso wie die genaue Kenntnis der Anatomie, ist das Wissen um die normale Position der Ohrmuschel am Kopf sowie die Lage- und Größenverhältnisse ihrer Reliefstrukturen für die Fehlbildungschirurgie von entscheidender Bedeutung. In Ab-hängigkeit von Alter, Geschlecht und Körpergröße, werden diese Daten für die individuelle chirurgische Planung benötigt [ 6 ] . So ist die erwartete Körpergröße vor allem bei der Planung von Ohrkonstruktionen im Kindes- und Jugendalter zu ermitteln. Dieses kann anhand der relativen Körpergröße vergleichend zu

Abb. 5 Schema der ästhetischen Einheiten der Ohrmuschel.

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Gleichaltrigen oder der Körpergröße der Eltern erfolgen. Exakte-re Voraussagen anhand von Röntgenaufnahmen der Handwur-zelknochen sind bei dem ohnehin großen intra- und interindivi-duellen Formenreichtum nicht notwendig und haben keine praktische Relevanz. Von der Körpergröße wie vom Lebensalter gleichermaßen ab-hängig ist die Ohrmuschellänge . Mit dem 6. Lebensjahr erreicht sie im Mittel ca. 85 % und im 15. Lebensjahr 95 % ihrer Endlänge. Im weiteren Leben und vor allem im Alter führen Weichteilver-änderungen (Cutis laxa) besonders im Lobulusbereich zu einer Längenzunahme der Ohrmuschel (lange und schlaff e Ohrläpp-chen), welches jedoch nicht mit einem echten Wachstum ver-wechselt werden darf. Die Ohrmuschelbreite zeigt ebenso eine Abhängigkeit zu Körper-größe und Lebensalter. Sie ist jedoch weit weniger ausgeprägt. Bereits im 6. Lebensjahr sind 95 % der endgültigen Ohrmuschel-breite erreicht. Die horizontale Ohrposition ist ebenfalls von der Körper- und da-mit auch der Kopfgröße abhängig. Sie nimmt annähernd linear mit der Körpergröße zu. Wichtig für die Operationsplanung ist es hierbei, die Symmetrie oder Asymmetrie des Kopfes wie bspw. bei den nicht seltenen kombinierten Ohrmuschel- und Gesichtsfehlbildungen (z. B. hemifaziale Mikrosomie) zu berück-sichtigen. In diesen Fällen ist es immer notwendig, einen Kom-promiss zwischen individueller Asymmetrie und Norm zu fi n-den, um ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu erzielen. Dagegen ist die Ohrmuschelprojektion , also die streng von anteri-or sichtbare Ohrmuschelbreite ( = Distanz von der Otobasis bis zu dem am weitesten nach lateral ausladenden Punkt der Helix) weitgehend alters- und größenunabhängig, weist aber deutliche individuelle Variationen auf. Sie beträgt im Mittel 20 ± 4 mm. Der Normbereich (x ± 2 SD) der Ohrmuschelprojektion beträgt damit 12–28 mm. Diese Werte sind wichtig für die Indikation und Pla-nung der Otopexie.

5 Klassifi kation und Chirurgie der Ohrmuscheldysplasien ▼ 5.1. Geschichte Die Geschichte der Therapie von Ohrmuschelfehlbildungen ist eng verzahnt mit der Rekonstruktion von traumatischen oder

onkologischen Defekten. Als wahscheinlich erster beschrieb Cel-sus die Rekonstruktion partieller Ohrmuscheldefekte [Zeis 1863, zit. 49]. Bekannter hingegen sind die Ausführungen von Susruta (ca. 4. Jh. n. Ch.), der eine Technik für den Ohrläppchenersatz aus Wangenhaut beschrieb. Im mittelalterlichen Europa (15. Jh.) machte die sizilianische Familie Branca von sich Reden. So ver-standen es Branca der Ältere und sein Sohn Antonio, Nasen und Ohren mit Hautlappen aus dem Oberarm zu rekonstruieren. Der bekannte italienische Chirurg Gaspare Tagliacozzi (1545–1599) beschrieb ebenfalls Techniken für den partiellen Ohrmuscheler-satz. Ihm allerdings gebührt der wesentliche Verdienst, seine Methoden erstmalig auch bildhaft illustriert zu haben. Bis weit in das 19. Jh. hinein galten Rekonstruktionen zum voll-ständigen Ohrmuschelersatz als unmöglich – sie waren verpönt. Auch einer der Urväter der deutschen plastischen Chirurgie, der berühmte Berliner Chirurg Dieff enbach , beschrieb allein Techni-ken zur Rekonstruktion partieller Ohrmuscheldefekte. Metho-den zum vollständigen Ohrmuschelaufbau lehnte er entschie-den ab. Erst ab etwa der Mitte des 20. Jh. existieren ausführliche Schrif-ten über die vollständige Ohrmuschelrekonstruktion. Allen vor-an sind hier die richtungsweisenden Arbeiten von Tanzer [ 7 , 8 ] , Converse [ 9 , 10 ] , Brent [ 11 , 12 ] , Nagata [ 13 – 16 ] und Weerda [ 4 ] zu nennen. Entsprechend der zunehmenden Missbildungsschwere und der hieraus gleichsinnig resultierenden Zunahme des rekonstrukti-ven Aufwandes, können die Ohrmuscheldysplasien nach Emp-fehlungen von Weerda [ 4 ] in 3 Schweregrade eingeteilt werden.

5.2 Dysplasien I. Grades Sie stehen synonym für geringgradige Fehlbildungen. Alle Struk-turen einer normalen Ohrmuschel sind vorhanden. Für die chi-rurgische Korrektur ist hinreichend Gewebe vorhanden, es muss „lediglich“ umgeformt werden. Zusätzlicher Knorpel oder Haut werden nicht benötigt.

5.2.1 Abstehende Ohrmuschel Sie ist gekennzeichnet durch eine Abfl achung bis hin zum voll-ständigen Fehlen der Anthelix inklusive der Crura. Es fi nden sich meist eine Pseudo-Koncha-Hyperplasie und ein vergrößerter Helix-Mastoid-Abstand von mehr als 20 mm.

a b c

d e f

Abb. 6 Abstehende Ohrmuscheln. a – c : prä d – f post Otopexie.

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Trotz der verhältnismäßig milden chirurgisch-technischen Pro-blematik, sind seit der Erstbeschreibung einer Ohranlegeplastik durch Ely, 1881 zit. aus [ 4 ] bis heute etwa 100 weitere Möglich-keiten zur Korrektur der abstehenden Ohrmuschel beschrieben worden. Für welche der Korrekturmöglichkeiten man sich im Einzelfall entscheidet, ist abhängig von der individuell vorliegen-den Pathologie, von der eigenen „chirurgischen Schule“ und nicht zuletzt von Erfahrungen und Vorlieben des behandelnden Chi-rurgen. Unsere Empfehlungen für die Verwendung verschiedener Techniken in Abhängigkeit von der vorliegenden Pathologie sind in der Tabelle zusammengefasst dargestellt ( ● ▶ Tab. 1 ). Ausschließlich bei sehr dünnem und weichem Knorpel verwen-den wir die Mustarde-Technik [ 17 ] . Ausgehend von einer posteri-oren Hautinzision, etwa 1 cm unterhalb und parallel zur Helix, wird hierbei zunächst die gesamte knorpelige Ohrmuschelrück-seite unter Schonung des Perichondriums dargestellt. Mit dün-nen Kanülen wird dann die aufzufaltende Anthelix in der Sca-pha, am Übergang der Anthelix zur Concha und in der Fossa tri-angularis markiert. Mit mehreren Matratzennähten – wir ver-wenden hierfür Ethibond 4–0 – wird die Ohrmuschel anschlie-ßend im Bereich der zuvor erfolgten Kanülenmarkierungen aufgefaltet. Wenn notwendig, können zusätzlich eine Kavumro-tation und eine Lobuluspexie durchgeführt werden (s. unten). Bei dickerem und rigiderem Knorpel verwenden wir die Conver-se-Technik [ 18 , 19 ] ( ● ▶ Abb. 6 ). Zugangsweg, Präparation der knorpeligen Ohrmuschelrückseite und Markierung der aufzufal-tenden Anthelix mit dünnen Kanülen im Bereich der Scapha-, Concha- und Fossalinie sind hierbei äquivalent der oben skiz-zierten Technik nach Mustarde. Zusätzlich wird die obere, hori-zontal bogenförmig verlaufende, Scaphalinie markiert. Der dor-sale Ohrknorpel wird anschließend im Bereich der erfolgten Markierungen scharf, aber unter strikter Schonung des ventra-len Perichondriums, durchtrennt. Die Inzisionen liegen jeweils an der Basis der neu zu defi nierenden Anthelix. Das Ausformen einer harmonisch verlaufenden Anthelix erfolgt wiederum mit mehreren Matratzennähten. Additiv ist auch hier, wenn not-wendig, eine Kavumrotation und eine Lobuluspexie durchzu-führen (s. unten). In Fällen sehr rigiden und festen Knorpels , aber auch bei Revisio-nen , wenden wir eine modifi zierte Chongchet - oder Crikelair-Technik [ 20 , 21 ] an. Anders als bei den oben beschriebenen Tech-niken wird hier der Ohrknorpel im Bereich Scapha durchtrennt und anschließend die Ohrmuschelvorderseite unter Lösen der ventralen Ohrmuschelhaut inklusive des vorderen Perichondri-ums bis in die Koncha hinein präpariert. Durch anteriore verti-kale Ritzschnitte (nicht tiefer als 2/3 der Knorpeldicke) in Ver-laufsrichtung der markierten Anthelix, wird eine harmonische Anthelixform gebildet. Sollte der Auff altungseff ekt nicht ausrei-chend sein, können unterstützend einige Matratzennähte ad-äquat der Mustarde-Technik eingebracht werden. Der chondro-kutane Lappen wird zurückverlagert und der Knorpel im Bereich

der durchtrennten Scapha mit einigen langsam resorbierbaren Nähten readaptiert. Kavumrotation und Lobuluspexie schließen sich bei Bedarf an. Diese Technik verfolgt das gleiche Prinzip wie die Stenström-Technik [ 22 ] mit dem Unterschied, dass bei letzterer die Haut über der Anthelix nur untertunnelt und die Knorpelvorderfl äche mit kleinen speziellen Ritzinstrumenten (z. B. nach Drommer, Fa. Robomed, Kolbingen) geschwächt wird. Eine Kavumrotation [ 23 , 24 ] ist immer dann angezeigt, wenn der Helix-Mastoid-Abstand auch nach Durchführung einer der vor-gestellten Anthelixkorrekturen mehr als 20 mm beträgt. Ihre ope-rationstechnische Grundlage besteht aus der Resektion von re-troaurikulärem Fett-, Muskel- und Bindegewebe und der Fixie-rung des Kavum auf dem Periost des Planum mastoideum mit-tels Naht. In der Regel legen wir 1–3 Nähte gelegt. Wir verwen-den dafür langsam resorbierbares Nahtmaterial (Bsp. Polysorb 4–0). Eine echte Kavumhyperplasie (meist Pseudohyperplasie) ist durch eine sichel- oder halbmondförmige Knorpelexzision aus dem Kavum [ 25 ] über den üblichen retroaurikulären Zugang zu korrigieren. Die Lobuluspexie steht am Ende nahezu aller Ohrmuschelanlege-plastiken. Nur in wenigen Fällen kann auf sie verzichtet werden. Neben sparsamen, meist umgekehrt Y-förmigen Hautexzisionen im posterioren Lobulus-Koncha-Bereich und Knorpelritzungen im Bereich der Kauda helicis möchten wir in erster Linie eine überaus einfache und dennoch hocheff ektive Technik zur Pexie des Lobulus empfehlen [ 26 , 27 ] . Hierbei wird der Lobulus subku-tan, ausgehend von der retroaurikulären Inzision, partiell auf-präpariert. Die vorher defi nierte höchste Stelle des Lobulus wird subkutan mittels Naht gefasst und im anterioren Bereich das Ca-vum conchae verankert. Mit der so gelegten Matratzennaht kann der Lobulus sehr fein dosiert und harmonisch angelegt werden. Wir verwenden hierfür einen langsam resorbierbaren Faden (PDS ® ) der Stärke 5-0.

Abb. 7 Makrotie. a Anzeichnung der nach Gersuny modifi zierten Verkleinerungstechnik b Intraoperative Situation mit entnommener Haut-Knorpelsichel c Situation prä und d post OP.

Tab. 1 Synopsis der chirurgischen Techniken zur Ohranlegung.

Fehlbildung Merkmal Technik

Anthelix-hypoplasie Knorpel:sehr weich Naht (Mustarde) mittel Naht und posteriores Ritzen

(Converse) fest Naht und beid-seitiges

Ritzen (Crikelair modif.) Cavum-hyperplasie hohe Anthelix Cavumrotation Abstehender Lobulus prominente Helix Ritzen

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Bei allen Ohranlegeplastiken erfolgt der retroaurikuläre Wund-verschluss in der Regel in einfach fortlaufend und überwendli-cher Technik. Als Nahtmaterial verwenden wir, auch im Sinne der häufi g noch kleinen und teilweise wenig kooperativen Kin-der, schnell resorbierbares Nahtmaterial (Vicryl rapid ® ) der Stär-ke 5-0. Ein Verband (Ototect ® , Fa. Spiggle&Theiss) verbleibt für ca. 1 Woche. Zur Nacht empfehlen wir das Tragen eines Stirn-bandes für weitere 6 Wochen.

5.2.2 Makrotie Die Makrotie zählt ebenfalls zu den Dysplasien I. °. Sie ist als eine im Verhältnis zur Körpergröße auff allend zu große Ohrmuschel defi niert. Nicht selten fi ndet sich eine Kombination aus abste-hender Ohrmuschel und Makrotie. Ziel der Korrektur ist es, die Ohrmuschel harmonisch und ohne auff ällige Narbenbildung oder zusätzliche Deformierung zu verkleinern. Dieser Zielsetzung entsprechend ermöglicht alleinig eine modi-fi zierte Gersuny-Technik eine harmonische, narbensparende und ästhetisch ansprechende Korrektur ( ● ▶ Abb. 7 ). Die häufi g in Lehrbüchern angegebenen Keilexzisionstechniken eignen sich indes nicht für die ästhetische Korrektur der Makro-tie.

5.2.3 Kryptotie (Taschenohr) Die Kryptotie ist eine in Europa seltene Ohrmuschelfehlbildung I. °. Defi nitionsgemäß ist hierbei der obere Teil der Ohrmuschel adhärent und der Knorpel in einer Tasche unter der Haut fi xiert. Zusätzlich sind nicht selten die Scapha und die Crura anthelicis minderentwickelt. Der kraniale Sulcus fehlt. Das Ziel der Krypto-tiekorrektur besteht darin, die Ohrmuschel aus der kranialen Ta-sche zu lösen, die resultierenden retroaurikulären häutigen De-fekte zu rekonstruieren und den kranialen Sulcus herzustellen. Eine der von uns favorisierten Korrekturoperationen lehnt sich sehr eng an den 2. Operationsschritt bei der vollständigen Re-konstruktion der Mikrotie III. ° an. Hierbei wird etwa 1 cm ober-halb des in der subkutanen Tasche palpablen Knorpelrandes der Helix ein an der Helix breit belassener dünner Vollhautlappen oberhalb der Haarbulbi präpariert. Der in der Tasche befi ndliche kraniale Ohrmuschelanteil wird anschließend ausgelöst. Eine Bindegewebslamelle sollte als gefäßführende Schicht auf dem knorpeligen Gerüst verbleiben. Mit dem zuvor präparierten Vollhautlappen wird die Helix rückseitig abgedeckt und die ver-bleibenden retroaurikulären Defekte mit Vollhauttransplanta-ten epithelisiert oder durch einem kranial gestielten Insel- oder Gleitlappens gedeckt werden ( ● ▶ Abb. 8 ).

5.2.4 Geringgradige Tassenohrdeformität Die Geringgradige Tassenohrdeformität ist durch ein wenig aus-geprägtes Überhängen von Helix und Scapha defi niert. Das Crus superius kann abgefl acht sein oder völlig fehlen. Ein Crus inferi-us ist in der Regel vorhanden und die Längsachse der Ohrmu-schel nur wenig verkürzt. Besteht nur ein schmaler, isolierter Helixüberhang, so kann die-ser über einen ventralen Zugang einfach reseziert werden. An-sonsten verwenden wir auch schon bei milden Tassenohrdefor-mitäten eine Modifi kation der von Tanzer [ 28 ] beschriebenen Korrekturoperation, wobei nach einem sog. „Auricular deglo-ving“ die überhängende Helix in Form einer Z-Plastik aufge-trennt und die resultierenden Knorpelläppchen unter Ausbil-dung einer harmonisch verlaufenden Helix und dosierter Erhö-hung der kranio-kaudalen Ohrmuschelachse miteinander ver-näht werden ( ● ▶ Abb. 9 ). Zur Stabilisierung kann bei Bedarf zu-sätzlich ein Konchaknorpel-Transplantat integriert werden.

5.2.5 Gering- bis mittelgradige Tassenohrdeformität Es fi ndet sich ein starkes Überhängen von Helix und Scapha, meist kombiniert mit einem Abstehen der Ohrmuschel. Das Crus inferius der Anthelix ist bei fehlendem Crus superius prominent ausgebildet und die Ohrmuschelhöhe reduziert. Zur Korrektur bietet sich auch hier die bereits oben beschriebene Technik nach [ 28 ] , ● ▶ Abb. 9 , 10 ) an. Zusätzlich sollte die Anthe-

Abb. 8 Kryptotie. a Anzeichnung des subkutan gestielten Insellappens (1) und des an der Helixkante gestielten Lappens (2), dünn oberhalb der Haarfollikel auf Spalthautniveau (2a) und tiefer unterhalb der Haargrenze auf Vollhautniveau präpariert (2b). b Intraoperative Situation mit mobili-sierten Lappen (1) und (2) c Situation prä und d post OP.

Abb. 9 Tassenohrdeformität 1. Grades. Intraoperative Situation nach „Auricular Degloving“ und Anzeichnung derr. Knorpelplastik nach Müse-beck und Tanzer b Intraoperative Situation nach Ausformung der Helix c Situation prä und d post OP.

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lix inklusive des fehlenden oberen Crus durch eine anteriore Schnitt-Ritz-Technik nach Chongchet [ 20 ] oder Crikelair [ 21 ] ausgeformt (s. o.) und die Ohrmuschel insgesamt mithilfe einer Mustarde-Technik [ 17 ] angelegt werden. Alternativ kann die eingekippte Helixkante mit der Technik von Musgrave [ 29 ] mehrfach radiär inzidiert, aufgeklappt und mit einem Knor-peltransplantat aus dem Cavum conchae stabilisiert werden ( ● ▶ Abb. 10 ).

5.2.6 Kolobom (quere Ohrmuschelspalte) Spaltbildungen im Bereich der Ohrmuschel sind sehr selten. Sie fi nden sich im Übergangsbereich von kaudaler Helix zum Lobu-lus ( ● ▶ Abb. 11 ). Eine empfehlenswerte Korrekturmöglichkeit bietet die Kolobomoperation mittels Z-Plastik nach Weerda [ 4 ] .

5.2.7 Aurikularanhänge Es handelt sich hierbei um mandibuläre Überschussbildungen an der Grenze zwischen I. und II. Kiemenbogen. Sie können sin-gulär, aber auch multipel und vielgestaltig auftreten, manchmal sogar als scheinbar gedoppelte Ohrmuschel ( ● ▶ Abb. 12 ).

Bei normal ausgebildeter Ohrmuschel werden die Anhänge un-ter den üblichen plastisch-chirurgischen Gesichtspunkten exzi-diert. Liegt eine Kombination aus schwerer Ohrmuschelfehlbil-dung und Aurikularanhang vor kann die Haut ggf. für die Ohr-muschelrekonstruktion genutzt werden: In diesen Fällen emp-

Abb. 12 Große Ohrmuschelanhängsel.

Abb. 11 Ohrmuschelkolobome.

Abb. 10 Tassenohrdeformität 1. Grades Intra-operative Situation nach „Auricular Degloving“ b Intraoperative Situation nach Ausformung der Helix in der Technik nach Musgrave c Situation prä und d post OP.

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fi ehlt es sich die Exzision der Aurikularanhänge erst im Rahmen der Ohrmuschelrekonstruktion durchzuführen.

5.2.8 Präaurikuläre Fisteln und Zysten Präaurikuläre Fisteln und Zysten sind mit Plattenepithel, selte-ner respiratorischem Epithel, ausgekleidete epitheliale Retentio-nen, meist lokalisiert im Bereich des Crus helicis bzw. oberhalb des Tragus. Sie können beidseitig und auch multipel auftreten. Die Fistelgänge enden in der Regel blind und haben meist keine unmittelbare anatomische Beziehung zum N. facialis. Klinische Relevanz erlangen Zysten wie Fisteln häufi g erst durch rezidivie-rende entzündliche Alterationen, sodass sie dann umgehend entfernt werden sollten. Eine Sonderform bilden die sog. oberen Hals-Ohr-Fisteln . Sie wer-den auch als Gehörgangsdoppelungen angesprochen und enden meist blind am Übergang vom knorpeligen zum knöchernen Ge-hörgang. Man unterscheidet 2 Typen, wobei der Typ I als Gehör-gangsduplikatur bezeichnet wird und allein ektodermalen Ur-sprungs ist. Der Typ II kann hingegen ektodermale (Haut) wie auch mesenchymale Elemente (Knorpel) enthalten. Beiden ge-meinsam ist, dass sie ihre Fistelöff nung(en) unterhalb des Tra-gus, vor dem M. sternocleidomastoideus besitzen und häufi g eine enge anatomische Beziehung zum N. facialis (Über- und Un-terkreuzen des Nerven) haben [ 4 ] . Ihre Exzision sollte daher, wenn immer möglich, unter Durchführung eines intraoperati-ven, elektrophysiologischen Fazialismonitoring erfolgen.

5.3 Dysplasien II. Grades Sie sind defi niert als mittelgradige Ohrmuschelmalformationen mit partiell vorhandener normaler Ohrmuschelstruktur. Typi-sche Beispiele sind die schwere Tassenohrdeformität und das Mi-niohr ( ● ▶ Abb. 13 ). Schwere Tassenohrdeformitäten sind, neben dem typischen Überhängen der Helix und dem überwiegenden Fehlen der An-thelixstrukturen, nicht selten vergesellschaftet mit einer mehr oder minder ausgeprägten ventro-kaudalen Dystopie der fehlge-bildeten Ohrmuschel und einer ipsilateralen fazialen Mikroso-mie. Gelegentlich fi ndet sich eine Atresia auris congenita. Miniohren besitzen eine insgesamt zu kleine Längs- und Quer-achse. Eine Dystopie fi ndet sich praktisch nie. Auch sie sind nicht selten vergesellschaftet mit einer Atresia auris congenita. Die Rekonstruktion derartiger Fehlbildungen allein mit ortsstän-digem Material (Haut und Knorpel) ist nicht möglich. Es werden hierfür zusätzlich Haut und Knorpel (Rippenknorpel) benötigt. Trotz teilweise vorhandener, normaler Ohrmuschelstrukturen,

bevorzugen wir auch in diesen Fällen einen mehrzeitigen, voll-ständigen Ohraufbau in der von uns modifi zierten Nagata-Tech-nik (s.u.). Normal erscheinende Strukturelemente der insgesamt fehlgebildeten Ohrmuschel werden hierbei geschont und in den Rekonstruktionsplan integriert.

a b c

Abb. 13 Ohrmuscheldysplasie 2.° a Miniohr b , c Tassenohrdeformität 2.°

Abb. 14 Mikrotie 3. ° vom Lobulustyp mit Atresia auris congenita. a Intraoperative Situation nach Entnahme des Knorpels der Rippen 6.–9. und Rekonstruktion der Rippen 6.–8. b Präoperativ erstellte Schablone und Ohrmuschelgerüst vor Implantation c , d Pat. Mit bilateraler Mikrotie 3. ° vom Lobulustyp und Atresia auris congenita prä und e , f post OP.

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5.4 Dysplasien III. Grades Defi nitionsgemäß fi nden sich bei den schweren Ohrmuschel-dysplasien III. ° keine Strukturen einer normalen Ohrmuschel. Typische Beispiele hierfür sind die Mikrotien vom Lobulus- und Concha-Typ ( ● ▶ Abb. 14 ) und die Anotie . Meist fi ndet sich dabei auch eine Atresia auris congenita . Nicht selten zeigen sich schwergradige Mikrotien vergesell-schaftet mit anderen, teilweise sehr komplexen kranio-fazialen Fehlbildungen und Syndromen (Bsp. Franceschetti-Syndrom). Da-rüber hinaus fanden wir in unserem eigenen Patientengut eine hohe Inzidenz (18 %) begleitender kongenitaler Lähmungen des N. facialis (s.u.). Unser chirurgisches Gesamtkonzept fokussiert daher nicht al-lein auf die Rekonstruktion der Ohrmuschel, sondern umfasst daneben die zeitlich und inhaltlich teilweise eng aufeinander abgestimmten Rekonstruktionen der begleitenden weichteili-gen wie auch knöchernen Fehlbildungen und Anomalien des Gesichtes. Basierend auf unseren eigenen wie auch internatio-nalen Erfahrungen, führen wir heute vollständige Ohrmuschel-rekonstruktionen ab einem Alter von 10–12 Jahren durch. Ne-ben der Tatsache, dass erst ab diesem Alter quantitativ wie auch qualitativ ausreichend Rippelknorpel zur Verfügung steht, sind unsere Patienten in diesem Alter sehr viel selbstbestimmter als jüngere Kinder. Sie hinterfragen sehr kritisch die Chancen und Risiken, die eine Ohrrekonstruktion für sie bietet. Die Arzt-Pa-tienten-Beziehung gewinnt hierdurch deutlich an Qualität und die Patientencompliance steigt in gleichem Maße. Unser chirurgisches Vorgehen bei der vollständigen Ohrmu-schelrekonstruktion ist heute sehr standardisiert. Es beinhaltet 2 operative Schritte und basiert auf der heute international favori-sierten Vorgehensweise von Nagata [ 14 – 16 ] ( ● ▶ Abb. 14 ), die wir in den vergangenen Jahren modifi ziert haben, ggf. gefolgt von einer „kleineren“ Operation zur Epithelisierung des angelegten Gehörganges und für Feinkorrekturen. Am Tag vor der Operation wird eine Ohrschablone angefertigt. Als Vorlage hierfür dient die in der Regel normal konfi gurierte kontralaterale Ohrmuschel. Beim Vorliegen einer beidseitigen Mikrotie orientieren wir uns an antropometrischen Daten (s. o.). Die Lage der neuen Ohrmuschel wird abschließend mit einem wasser- und alkoholunlöslichen Stift markiert.

5.4.1 Erster Operationsschritt Er beinhaltet die Entnahme von Rippenknorpel, in der Regel vom ipsilateralen Hemithorax, das Anfertigen eines Ohrgerüstes aus dem entnommenen Rippenknorpel nach den Vorschlägen von Nagata , die Gerüstimplantation an die präoperativ mittels Schablone festgelegte orthotope Position und ggf. die Vorferti-gung eines Neo-Gehörganges und Neo-Trommelfelles in Abhän-gigkeit vom präoperativ angefertigten Dünnschicht-CT des Fel-senbeines [ CT-Score nach Siegert 30 ]. Wir arbeiten generell mit 2 Teams, wobei ein Team den Rippenknorpel entnimmt und das zweite Team die Empfängerregion für das Ohrgerüst präpariert, selbiges fertigt und implantiert. Wir benötigen in der Regel die knorpeligen Anteile der 6.–9. Rip-pe, wobei die Rippen 7 und 8 als Monoblock entnommen wer-den. Das lungenseitige Perichondrium der Rippen 6–8 wird hier-bei geschont. Allein die knorpeligen Anteile der 9. Rippe werden vollständig, mit dem gesamten Perichondrium, entnommen. Bei unseren männlichen Patienten wählen wir als Zugang für die Rippenknorpelentnahme eine Inzision über der 7. Rippe. Einen submammären, zunächst T-förmigen Zugang bevorzugen wir hingegen bei unseren weiblichen Patienten. Die fi nale Narbe

liegt hierbei in der submammären Falte und ist damit weitaus vorteilhafter [ 31 ] . Im Anschluss an die Knorpelentnahme werden die Rippen re-konstruiert. Hierzu befüllen wir schlauchförmige Netze aus re-sorbierbarem Material (Vicryl ® ) mit Restknorpelstückchen, die bei der Gestaltung des Ohrgerüstes verbleiben. Diese werden dann in anatomisch exakter Position auf dem intakt belassenen inneren Perichondrium fi xiert [ 32 ] . Wir wenden diese Technik bereits seit mehr als 7 Jahren an. Es bilden sich stabile Rippenre-generate, die palpatorisch von originären Rippen nicht zu unter-scheiden sind. Thoraxasymmetrien oder gar Thoraxdeformitä-ten haben wir seitdem in unserem eigenen Patientengut nicht mehr gesehen. Ein zweites Team präpariert zeitgleich die Empfängerregion für das rippenknorpelige Ohrgerüst. Der Zugang für die Präparation dieser subkutanen Tasche variiert hierbei in Abhängigkeit von der vorliegenden Dysplasieform. In der Regel wählen wir eine W-förmige Inzision im Bereich des kaudalen Rudimentes. Der fehlgebildete originäre Ohrknorpel wird ausgelöst und aufbe-wahrt. Wir verwenden ihn, wenn möglich für die Präformierung eines Neo-Trommelfelles . Bei der Präparation der Hauttasche ist es wichtig, einen subkutanen Stiel im Bereich des späteren Ka-vum zu belassen. Dieses ist ein wesentliches Detail, welches es ermöglicht, die Hautlappen auf dünnem subcutanem Niveau zu präparieren und dennoch keine Lappennekrosen zu riskieren. Die Hauttasche sollte die markierte Ohrmuschelposition allsei-tig um etwa 1 cm überragen. Für die Gestaltung des Ohrgerüstes verwenden wir die 7. und 8. Rippe als Block. Hieraus gestalten wir die Basisplatte, den Tragus und die Anthelix inklusive der Crura. Alle Teile werden im An-schluss mit Drahtnähten zu einem vollständigen Gerüst zusam-mengefügt. Das fertige Gerüst wird in die zuvor vorbereitete subkutane Ta-sche eingesetzt und die Inzisionen mit schnell resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 5-0 und 6-0 (Vicryl rapid ® ) verschlos-sen. Allein 2 Redondrainagen, die wir für 3–5 Tage belassen, fi -xieren das Gerüst in seiner vorher festgelegten Position. Nur ausnahmsweise verwenden wir redressierende Matratzennäh-te. Aus Resten der 7. und 8. Rippe wird bei günstigen CT-morpholo-gischen Voraussetzungen zusätzlich ein Neo-Gehörgang vorge-fertigt. Zusammen mit der knorpeligen 6. Rippe und dem vorge-fertigten Neo-Trommelfell wird er subkutan im Bereich der Tho-raxwunde zurückverlagert.

5.4.2 Zweiter Operationsschritt Etwa ein halbes Jahr nach der ersten Operation führen wir den 2. Operationsschritt durch. Er umfasst das Abstellen der Ohrmu-schel vom Kopf und die Rekonstruktion des retroaurikulären Sulcus. In geeigneten Fällen (s. u.) führen wird gleichzeitig eine Gehörgangs- und eine Mittelohrrekonstruktion durch. Ausge-hend von einer ca. 1 cm von der rekonstruierten Helix entfern-ten Inzision, wird ein am Ohrgerüst belassener dünner Voll-hautlappen superfi ziell der Haarbulbi präpariert und das Ohrge-rüst anschließend aus seinem subkutanen Bett ausgelöst. Hier-bei ist es essentiell, eine bindegewebige, gefäßführende Schicht auf dem Gerüst zu belassen. Mit einem dorsal gestielten Faszien- oder SMAS-Lappen wird der retroaurikuläre Stützknorpel aus Anteilen der 6. Rippe abdeckt. Parallel entnimmt ein 2. Team un-ter Exzision der vorbestehenden Narbe nach Rippenknorpelent-nahme ein spindelförmiges Vollhauttransplantat vom Thorax-bereich. Wurden ein Gehörgang und ein Trommelfell vorgeformt,

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so werden diese zusammen mit der deponierten 6. Rippe aus der Brusthauttasche ausgelöst. Wie oben erwähnt, gestalten wir aus Anteilen der 6. Rippe einen spindelförmigen, retroaurikulären Stützkeil, der mit mehreren Drahtnähten an der Basisplatte fi xiert wird. Der Stützknorpel wird mit dem zuvor präparierten retroaurikulären SMAS-Lap-pen abgedeckt. Um den retroaurikulären Wunddefekt zu verkleinern und einen möglichst unauff älligen retroauriculären Sulcus zu konstruieren präparieren wir einen dorsal gestielten Transpositions-Rota-tions-Lappen, dessen vertikale Inzision hinter dem Nackenhaar-ansatz liegt. Dieser Lappen wird weitfl ächig, oberhalb des SMAS, mobilisiert, nach ventro-kranial in den retroaurikulären Defekt-bereich transportiert und mit einigen kräftigen Subkutannähten (Vicryl ® 2-0) fi xiert. Der verbleibende retroaurikuläre Defektbe-reich wird mit dem zuvor entnommenen Vollhauttransplantat epithelisiert. Die Wunde wird anschließend für mindestens 1 Woche mit einem dachziegelförmigen Pfl asterverband abge-deckt und ruhiggestellt.

5.4.3 Dritter Operationsschritt Der 3. Operationsschritt dient der Feinausformungen des Ohr-muschelreliefs. Verbliebene Hautüberschüsse werden reseziert und das Kavum wird ausgeformt und vertieft. Manchmal ist es notwendig, störenden Haarwuchs, insbesondere im kranialen Helixbereich, zu entfernen. Wir verwenden hierfür in der Regel eine Elektroepilation. Es sind jedoch auch alternative Methoden der Haarentfernung, bspw. mit Lasern oder hochenergetischen Blitzlampen (IPL), einsetzbar. In manchen Fällen müssen Haar-entfernungen wiederholt durchgeführt werden, um einen an-haltenden Erfolg zu erzielen. Wurde eine Mittelohr- und Gehörgangskonstruktion durchge-führt so wird zusätzlich der Neo-Gehörgang eröff net und ebenso wie das Neo-Trommelfell mit einem Vollhauttransplantat, wie-derum vom Brustbereich, epithelisiert.

5.5 Ausblick und Alternativen zur autologen Ohrmuschelkonstruktion Das Tissue Engineering ist trotz vielfältiger Laborversuche noch weit vom klinisch-praktischen Einsatz entfernt. Alloplastische Ohrmuschelgerüste haben eine lange Tradition. Viele Materialien sind versucht worden und im Laufe der Jahre aufgrund schlechter Langzeitergebnisse wieder verlassen wor-den. Seit einigen Jahren wird Medpor als Alternative zum Rip-penknorpel angegeben. Es handelt sich dabei um ein um poröses Polyethylen (Medpor ® ), in das Gewebe einwächst [ 33 ] . Die Grö-ße der Poren determiniert dabei das Einwachsverhalten des Ge-webes und seine Oberfl ächenrauhigkeit. Dabei sind große Poren, in die Gewebe gut einwachsen kann, naturgemäß mit hoher Rauhigkeit verbunden und vice versa. Die Beobachtungszeiten einzelner Chirurgen liegen inzwischen bei über 10 Jahren [ 34 ] . Klinische Vergleichsstudien gibt es bisher aber nicht; sie dürften nach wissenschaftlichen Kriterien auch nur schwer realisierbar sein. Die Extrusionsraten der Medporgerüste sind bei erfahre-nen Anwendern zwar gering, sind aber unter Langzeitbetrach-tungen der meist noch jungen Patienten nicht zu vernachlässi-gen. Wichtig für die problemlose Einheilung und Resistenz ge-genüber Mikrotraumen ist eine gute Abdeckung des Alloplasten mit der oberfl ächlichen Temporalisfaszie. Sollte es aber auf-grund von Verletzungen oder lokalen Infekten zum Freiliegen des Implantates kommen ist das Risiko der persistierenden In-fektion und letztlich Extrusion des Implantates im Gegensatz zum autogenem Knorpel hoch. Obwohl eine abschließende Beurteilung aufgrund der gegen-wärtigen Datenlage nach unserer Einschätzung noch nicht mög-lich ist, bieten wir diese Option zwar in speziellen Fällen wie Z.n. oder Ablehnung der Rippenknorpelentnahme an, meinen je-doch, dass Alloplasten bis auf Weiteres nicht den „Goldstandard“ der autogenen Rekonstruktion ersetzen können.

Abb. 15 Pat. mit konventionellem Knochenleitungshörgerät am Stirn-band.

Abb. 16 Teilimplantierbares Knochenleitungshör-system Sophono a Implantierter, titanverschweiß-ter Doppelmagnet b Pat. nach der Implanta tion der Magnete ohne off enes Implantat c dito, mit magnetisch fi xiertem Hörsystem.

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5.6 Hörrehabilitation bei der Atresia auris congenita Die schwere Ohrmuschelfehlbildung ist wegen ihrer identischen embryologischen Wurzeln typischerweise mit einer Atresia au-ris congenita mit Schallleitungsblock (50–60 dB) vergesellschaf-tet, während die Innenohrfunktion meist normal ist. Bei beid-seitiger Atresie ist die Versorgung dringlich in den ersten Le-bensmonaten indiziert. Bei einseitiger Fehlbildung haben die Kinder Einschränkungen der bilateralen Hörfunktion, d. h. beim Richtungshören und beim Hören im Störlärm. Eine adäquate Versorgung sollte ab dem ersten Lebensjahr erfolgen. Bei Kindern bis etwa zum zweiten Lebensjahr ist zunächst die Versorgung mit konventionellen Hörgeräten indiziert, die an Stirnbändern getragen werden ( ● ▶ Abb. 15 ). Etwa ab dem zweiten Lebensjahr stehen teilimplantierbare Hör-systeme zur Verfügung. Während die Systeme mit off enen Im-plantaten (BAHA, Ponto) wegen der zuvor noch sehr dünnen Schädelkalotte meist erst im Vorschulalter implantiert werden, haben wir ein geschlossenes System entwickelt (Sophono 1 ), dass seit 2006 klinisch eingesetzt wird und inzwischen bei über 2 500 Patienten weltweit implantiert worden ist [ 35 ] . Mit der neuen minimal invasiven Implantationstechnik [ 36 ] kann das System praktisch bei jeder Knochendicke eingesetzt werden. Wir haben es bisher bei Kindern ab dem zweiten Lebensjahr eingesetzt [ 37 ] . Das Prinzip besteht darin, dass ein titanverschweißter Dop-pelmagnet in oder auf den Knochen implantiert wird, der ein spezielles, extern auf der Kopfhaut getragenes Knochenleitungs-hörgerät fi xiert ( ● ▶ Abb. 16 ). Mit dieser transkutanen Ankopp-lung können alle biologischen und psychologischen Probleme der off enen Implantate der perkutanen Systeme umgangen werden. Wenn wir den oben beschriebenen kompletten Ohrmuschelauf-bau etwa ab dem 10.Lebensjahr durchführen schätzen wir die Chancen für einen Mittelohraufbau anhand eines Felsenbein-CT ab. Wir haben zusammen mit Radiologen dafür ein Punktesys-tem entwickelt, mit dem wir die für einen Mittelohraufbau rele-vanten Strukturen semi-quantitativ bewerten [ 30 ] . Bei guten anatomischen Voraussetzungen kombinieren wir dann den Mit-telohraufbau mit dem 3-stufi gen Ohrmuschelaufbau [ 38 ] . Zur Vermeidung von narbigen Re-Stenosierungen des Gehörganges führen wir den Mittelohraufbau ebenfalls in 3 Stufen durch. Da-bei werden im ersten Schritt das Neo-Trommelfell und der Neo-

Gehörgang als Knorpelkonstrukte vorgeformt und in einer sub-kutanen Tasche gelagert. Im zweiten Schritt erfolgt die eigentli-che Tympanoplastik mit Gehörgangsanlage und im dritten Schritt wird der Gehörgang eröff net und epithelisiert.

Abb. 18 Mikrochirurgischer Transfer eines M. gracilis-Segments und Neurotisation mit dem R. massetericus des N.V. a Bauch des M. gracilis am inneren re. Oberschenkel b Teilen des Muskels in funktionelle Seg-mente c freies Muskelsegmenttransplantat mit vaskulärem und nervalen Stiel d R. massetericus re., angeschlungen mit einem Vessel loop (unten: Ohr, oben: Nase, re. Unterkiefer, oben: Schläfe) e Transport der Muskel-lappenplastik in das Gesicht f Situation nach Abschluss der mikrovaskulä-ren ( * ) und mikronervalen (Pfeil) Anastomosen.

Abb. 17 Vollimplantierbares aktives Hörsystem Carina. a Modifi zierter Transducer mit Prothese b Intraoperative Situation kurz vor c und nach dem Aufsetzen auf das Stapesköpfchen d System mit Transducer (1), Elektronik (2) und Mikrophon (3).

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Etwa ab dem 15. Lebensjahr können aktive Hörsysteme implan-tiert werden, wobei einzelne Autoren auch über frühzeitigere Implantationen berichten [ 39 ] . Wir hatten 2006 erstmals aktive Systeme so modifi ziert, dass sie bei Atresien zur Anwendung ka-men. Zunächst standen nur die teilimplantierbaren Systeme zur Verfügung, später setzen wir dann auch erstmals die vollimplan-tierbaren Systeme (Carina) ein ( ● ▶ Abb. 17 / [ 40 ] ). Ihr außerge-wöhnlicher Vorteil ist eben die volle Implantierbarkeit und da-mit die Nutzung in jeder Lebenssituation. Ihre Nachteile beste-hen in der Notwendigkeit der regelmäßigen Akkuaufl adung, des Akkuwechsels nach einigen Jahren und der fehlenden Richtungs-charakteristik des retroaurikulär implantierten Mikrophons. Au-ßerdem gab es zumindest in der Vergangenheit viele technische Probleme, die vorzeitige Implantatwechsel erforderten.

6 Gesichtsmuskulatur ▼ 6.1 Übersicht Die kongenitale Fazialisparese ist eine schwere Behinderung mit erheblichen ästhetischen, funktionellen und entwicklungspsy-chologischen Auswirkungen. Sie kann bereits beim Neugebore-nen zu Beeinträchtigungen des Sehens durch verminderten Au-genschluss und Störungen des Tränenfl usses sowie des Essens und Trinkens durch eingeschränkten Mundschluss führen. Spä-ter hat es Auswirkungen auf die Sprache und die Mimik und da-mit auf die non-verbale Kommunikation. Die Inzidenz der kongenitalen Fazialisparese wird auf etwa 2 % geschätzt. Deren überwiegende Ursache wird mit über 80 % als geburtstraumatisch angesehen.

6.2 Diagnostik Die Diagnostik ist zunächst einmal eine klinische. Es wird diff e-renziert zwischen partieller oder kompletter Fazialisparese, uni- oder bilateraler, entwicklungsbedingter oder geburtstraumati-scher, isolierter Fazialisparese oder Parese als Teil eines Syn-droms ggf. mit weiteren Hirnnervenausfällen. Sind keine Begleitsymptome zu eruieren und handelt es sich um eine „schwere“ Geburt wird eine geburtstraumatische Genese angenommen. Es wird postuliert, dass der N. facialis insbeson-dere in seinem vertikalen Verlauf im Knochen durch Druck auf den Kopf des Neugeborenen im kleinen Becken der Mutter wäh-rend des Geburtsvorganges komprimiert wird und es dadurch zu einer Neurapraxie kommen kann. In diesen Fällen kann zu-nächst abgewartet werden. Erfolgt keine Spontanremission in

den ersten Lebensmonaten wie es bei 90 % dieser kongenitalen Fazialisparesen, so sind – allerdings erst später – weitere Unter-suchungen wie EMG, ENOG, MRT und CT indiziert. Syndromale Fazialisparesen treten meist unilateral im Rahmen von Kiemenbogenfehlbildungen meist im Rahmen von hemifa-cialen Mikrosomien zusammen mit Ohrmschel-, Mittelohr- und Unterkieferfehlbildungen auf. Bilaterale kongenitale Fazialispa-resen fi nden sich am häufi gsten bei der Möbius-Sequenz, deren Inzidenz mit 0,0002–0,002 % angegeben wird [ 41 ] . In seiner Erstbeschreibung ging Möbius [ 42 ] nur von der Kombination der Paresen der VI. und VII. Hirnnerven aus. Heute spricht man nicht mehr von einem Syndrom, sondern von einer Sequenz und zählt Kombinationen von Funktionsstörungen der genannten Nerven mit solchen der Nn. trigeminus, glossopharyngeus, vagus, akzes-sorius und hypoglossus dazu. Eine genetische Ursache wird nur bei ca. 2 % der Patienten angenommen und einzelne Genlokalisa-tionen für diese Sequenz sind inzwischen gefunden worden. So-wohl toxische als auch vaskuläre Ursachen werden für die nicht genetischen Möbiusformen angenommen. Weitere seltene Syndrome mit Fazialisparese sind CHARGE, Di-George, Poland, Albers-Schoenberg Syndrom, die Trisomie 18 und 13 u. a. Infektionen wie Poliomyelitis, Mononukleose, Vari-cellen, Otitis media oder Meningitis können ebenfalls zu früh-kindlichen Fazialisparesen führen, können aber genauso auch im späteren Leben auftreten.

6.3 Chirurgie Da bei den kongenitalen Fazialisparesen nicht nur die Funktion des Nervens eingeschränkt ist, sondern sich auch das Zielorgan, die mimische Muskulatur, nicht entwickeln konnte, wird für eine optimale Rekonstruktion sowohl Muskulatur als auch eine funktionsfähige nervale Stimulation benötigt. Harii [ 43 ] be-schrieb 1985 eine 2-zeitige Technik, die auch heute noch als Standardverfahren bei einseitigen kongenitalen oder auch lange bestehenden Fazialisparese mit atrophierter Muskulatur gilt ( ● ▶ Abb. 18 ): Im ersten Schritt wird ein Nerv, vorzugsweise der N. suralis ent-nommen, und an einen Wangenast des N. facialis der gesunden Seite anastomosiert. Dabei ist es wichtig mindestens 2 Äste zu identifi zieren, deren Zielgebiete sich überschneiden, sodass ei-ner geopfert werden kann ohne Funktionsstörungen zu induzie-ren. Der transplantierte Nerv wird dann durch den Oberlippen-weißbereich bis auf die kontralaterale Seite nach prätrageal ge-führt und mit einer nicht resorbierbaren Naht markiert.

Abb. 19 Pat. mit Möbius-Syndrom. a präop. in Ruhe b präop. maximale Mimik c 6 Monate nach beidseitiger M. gracilis-Transplantation, in Ruhe d symme-trisches Lächeln.

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Die Reinnervation des transplantierten Nervens bis zur Gegen-seite kann durchaus bis zu 9 Monaten dauern. Klinisch wird dies durch das „Tinel-Zeichen“ [ 44 ] geprüft, bei dem über dem trans-plantierten Nerven leicht auf die Haut geklopft wird. Gibt der Patient daraufhin Parästhesien im Endbereich des transplantier-ten Nervens, also auf der betroff enen Seite an, ist das „Tinel-Zei-chen“ positiv und weist darauf hin, dass die Axone durch das Transplantat hindurch gewachsen sind und der zweite Schritt erfolgen kann. Dabei wird ein mikrovaskulär und nerval gestielter Muskel ent-nommen. Harii empfahl die Verwendung des M. gracilis, den auch wir bevorzugen. Andere Autoren wie Harrisson [ 45 ] ver-wenden den M. pectoralis minor, dessen Gefäß- und Nervenstiel aber deutlich kürzer ist und der nach unseren eigenen Erfahrun-gen daher weniger gut geeignet ist. Nachdem das Ende des transplantierten Nervens aufgesucht worden ist, wird der Mus-kel teilweise gespalten und in der Ober- und Unterlippe der ge-lähmten Gesichtshälfte fi xiert ( ● ▶ Abb. 18 ). Zusätzlich können schmale Anteile des Muskels im Wangen- und Unterlidbereich vernäht werden. Der Ursprung des Muskels wird am Jochbein-körper oder -bogen oder an der präaurikulären Faszie unter leichter Spannung fi xiert. Anschließend erfolgt die mikrovasku-läre Reanastomosierung des Muskels vorzugsweise an die A. und V. facialis und die nervale Reanastomosierung zwischen dem transplantierten N. suralis und dem R. anterior des N. obtura-torius, dem motorischen Ast zum M. gracilis. Durch diese Tech-nik ist eine relativ natürliche mimische Funktion zu erzielen ( ● ▶ Abb. 19 ). Bei bilateralen Fazialisparesen steht kein kontralateraler Ast zur Verfügung, sodass nur der Anschluss an einen anderen Hirnner-ven in Frage kommt. Hierfür hat sich uns den Empfehlungen von Zuker und Manktelow folgend der N. massetericus des N. trige-minus bewährt [ 46 , 47 ] . Da in diesen Fällen keine Cross-Nerven-Technik erforderlich bzw. überhaupt möglich ist, werden diese Eingriff e zwar für jede Seite getrennt, aber jeweils einzeitig durchgeführt. Obwohl bei diesen Patienten die Stimulation des für die mimi-sche Rehabilitation transplantierten Muskels nicht durch den für die Steuerung der Mimik ausgelegten N. facialis, sondern durch einen Kaumuskelnerven erfolgt, erlaubt die enorme Plastizität des Gehirns bei Kindern und Jugendlichen eine erstaunlich prä-zise Funktion der Mimik durch den Ast des V. Hirnnervens.

Abstract

Malformation and Plastic Surgery in Childhood ▼ Malformations of the head and neck show a huge variety of clinical symptoms with functional and esthetic consequences. Often times its rehabilitation requires multi-staged and multi-disciplinary procedures and concepts. They must consider eating, speech, mimic expression, hearing and “esthetics” or at least “normality”. A survey of the most common head and neck malformations and their treatment options are presented here.

Interessenkonfl ikt: Der Erstautor ist Erfi nder, Anteilseigner und Medical Director der Sophono Inc., Boulder, USA.

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