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2. Das Marktmodell 2.1 Grundbeobachtungen menschlichen Verhaltens 2.1.1 Konstruktion eines okonomischen Modells Das Marktmodell ist ein wesentliches Instrument der Analyse fUr Vorgange in einer marktwirtschaftlich strukturierten Volkswirtschaft. Es erscheint deshalb ange- zeigt, die Konstruktion des Marktmodells von den Grundztigen her darzustellen, urn die systematischen Zusammenhange deutlich werden zu lassen, die hinter der Oberflache von Marktergebnissen wirken. Es kommt hinzu, daB die oben im Ab- schnitt 1.3 erlauterten Methoden zur Gewinnung wirtschaftswissenschaftlicher Aussagen hierbei beispielhaft aufgezeigt werden konnen. Demnach bedarf es fUr in sich schlUssige wirtschaftstheoretische Analysen keinesfalls eines groBen und kaum nachvoIlziehbaren Rahmens an Annahmen und Hypothesen oder an formalen Axiomen. Es genUgen wenige Beobachtungen aus der konkreten Umwelt des menschlichen Lebens, die in Grundbeobachtungen menschlichen Verhaltens zu- sammengefaBt werden konnen. Diese Beobachtungen orientieren sich am tatsachli- chen Verhalten der Menschen und sollen nicht Moglichkeiten oder denkbare Ver- haltensweisen widerspiegeln. Zum beobachtbaren Verhalten wird man sich immer Ausnahmen oder Abweichungen denken konnen; diese bleiben aber fiktiv, d.h. sie sind denkbar, aber nicht zu beobachten. Die Grundbeobachtungen bilden insoweit die Struktur ab, die fUr die Konstruktion eines okonomischen Modells entschei- dend ist. 2.1.2 Mehrzahl von Giitern Die erste Grundbeobachtung besteht darin, daB Menschen immer eine Mehrzahl von GUtem gleichzeitig anstreben. Sie auBem zu einem gegebenen Zeitpunkt je- weils BedUrfuisse nach mehr als nur einem Gut. Die Gutseigenschaften einer Ware, einer Dienstleistung oder einer immateriellen GroBe legen sie nach ihrer subjekti- ven Einschatzung fest. Der AuBenstehende wird nicht immer die subjektiven Be- wertungen nachvoIlziehen aber gleichwohl erkennen konnen, daB die einzelnen Menschen sich nicht nur auf ein Gut konzentrieren, sondem zu einem jeweiligen Zeitpunkt mehr als einen Wunsch haben und daher gleichzeitig eine Mehrzahl von GUtem anstreben. 2.1.3 Knappheit FUr aIle Menschen sind einige der zu einem gegebenen Zeitpunkt angestrebten GUter knapp. In unserer begrenzten Welt mit der Vielzahl der die vorhandenen Moglichkeiten und Ressourcen Ubersteigenden WUnsche der Menschen stoBen wir immer wieder auf das Phanomen der Knappheit. Dieses wird auch nicht dadurch G. Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre © Physica-Verlag Heidelberg 2002

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2. Das Marktmodell

2.1 Grundbeobachtungen menschlichen Verhaltens

2.1.1 Konstruktion eines okonomischen Modells

Das Marktmodell ist ein wesentliches Instrument der Analyse fUr Vorgange in einer marktwirtschaftlich strukturierten Volkswirtschaft. Es erscheint deshalb ange­zeigt, die Konstruktion des Marktmodells von den Grundztigen her darzustellen, urn die systematischen Zusammenhange deutlich werden zu lassen, die hinter der Oberflache von Marktergebnissen wirken. Es kommt hinzu, daB die oben im Ab­schnitt 1.3 erlauterten Methoden zur Gewinnung wirtschaftswissenschaftlicher Aussagen hierbei beispielhaft aufgezeigt werden konnen. Demnach bedarf es fUr in sich schlUssige wirtschaftstheoretische Analysen keinesfalls eines groBen und kaum nachvoIlziehbaren Rahmens an Annahmen und Hypothesen oder an formalen Axiomen. Es genUgen wenige Beobachtungen aus der konkreten Umwelt des menschlichen Lebens, die in Grundbeobachtungen menschlichen Verhaltens zu­sammengefaBt werden konnen. Diese Beobachtungen orientieren sich am tatsachli­chen Verhalten der Menschen und sollen nicht Moglichkeiten oder denkbare Ver­haltensweisen widerspiegeln. Zum beobachtbaren Verhalten wird man sich immer Ausnahmen oder Abweichungen denken konnen; diese bleiben aber fiktiv, d.h. sie sind denkbar, aber nicht zu beobachten. Die Grundbeobachtungen bilden insoweit die Struktur ab, die fUr die Konstruktion eines okonomischen Modells entschei­dend ist.

2.1.2 Mehrzahl von Giitern

Die erste Grundbeobachtung besteht darin, daB Menschen immer eine Mehrzahl von GUtem gleichzeitig anstreben. Sie auBem zu einem gegebenen Zeitpunkt je­weils BedUrfuisse nach mehr als nur einem Gut. Die Gutseigenschaften einer Ware, einer Dienstleistung oder einer immateriellen GroBe legen sie nach ihrer subjekti­ven Einschatzung fest. Der AuBenstehende wird nicht immer die subjektiven Be­wertungen nachvoIlziehen aber gleichwohl erkennen konnen, daB die einzelnen Menschen sich nicht nur auf ein Gut konzentrieren, sondem zu einem jeweiligen Zeitpunkt mehr als einen Wunsch haben und daher gleichzeitig eine Mehrzahl von GUtem anstreben.

2.1.3 Knappheit

FUr aIle Menschen sind einige der zu einem gegebenen Zeitpunkt angestrebten GUter knapp. In unserer begrenzten Welt mit der Vielzahl der die vorhandenen Moglichkeiten und Ressourcen Ubersteigenden WUnsche der Menschen stoBen wir immer wieder auf das Phanomen der Knappheit. Dieses wird auch nicht dadurch

G. Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre© Physica-Verlag Heidelberg 2002

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generell reduziert, daB fur einige Menschen einige GUter situationsabhangig frei sind. Es verbleiben fur aile beobachtbar viele Gilter mit der Knappheitseigenschaft.

2.1.4 Substitutionsbeobachtung

Die Substitutionsbeobachtung hat zum Inhalt, daB jede Person bereit ist, in Ab­hangigkeit von den Tauschbedingungen, jedes Gut aufzugeben, urn ein anderes zu erhalten. Die Menschen streben viele Gilter gleichzeitig an und sind dabei bemilht, die fur sie in einer jeweiligen Situation gilnstigste Kombination von Gil­tern zu erreichen. Sie warten nicht, bis sie eine Sattigung mit einem Gut erfahren, ehe sie sich einem nachsten zuwenden. Selbst in materiell armsten Gesellschaften werden keinesfalls aile Ressourcen zunachst fur Nahrung, Wohnung und Kleidung verwendet, ehe andere Wilnsche und Bedilrfuisse angestrebt werden, die sich z.B. aus dem kulturellen oder religiosen Leben ergeben.

1m einfachsten Fall besteht die Substitutionsbeobachtung darin, daB die Men­schen beispielsweise ein Gut, das ihnen zu teuer erscheint, d.h. fur das sie zu viel andere GUter oder Geld aufgeben milBten, gegen ein gilnstigeres austauschen. Wenn mithin Bananen zu teuer sind, werden sie gegen Kiwis ausgetauscht. Die Substitutionsbeobachtung beschrankt sich aber keinesfalls auf Waren, sondem erstreckt sich beobachtbar ilber aIle Gilterarten einschlieJ31ich der immateriellen GroBen wie Ehre, Unbescholtenheit oder Leben. Selbst das hohe Gut Leben wird vielfach substituiert, bzw. eingetauscht gegen materielle Vorteile oder - wie in vielen Kriegen - gegen immaterielle GroBen wie Vaterlandsliebe oder Ehre. Men­schen, die sich ein fur sie hohes Ziel setzen, sind gegebenenfalls bereit, ihr Leben in einem Hungerstreik gegen dieses hohe und fur sie wichtige Ziel einzutauschen.

Wenn aber beobachtbar aIle Gilter gegenseitig austauschbar sind - allerdings nur unter Bedingungen, die von Individuen je fur sich festgesetzt werden - , kann keine fUr aIle Menschen verbindliche Hierarchie von Giitern unterstellt wer­den. Die Einteilung von Giltem in GrundgUter und Luxusgilter mag zwar ein je­weils AuBenstehender nach seiner hochst subjektiven Sicht vomehmen. Sie muB sich allerdings nicht mit den Einschatzungen der zu beurteilenden Personen dec­ken. In der nicht-wirtschaftswissenschaftlichen Literatur stOBt man z.B. auf das Konzept einer Bediirfnispyrarnide. Die damit verbundene Einteilung und Be­wertung von Bediirfuissen oder Wilnschen beriicksichtigt das Substitutionsver­halten nicht und ist in aller Regel nur aus der Perspektive eines AuBenstehenden verstandlich, der seine eigenen Bewertungen von Giltem anderen auferlegen will. Ahnliches gilt fur die immer wieder gemachte Behauptung, jemand sei auf ein konkretes Gut oder gar auf festgelegte Mengeneinheiten des Gutes "angewie­sen". Dieses angebliche Angewiesensein auf ein Gut oder spezifische Mengenein­heiten davon ignoriert die Substitutionsbeobachtung. Soweit sich ein Mensch im Rahmen okonomischer Knappheiten frei entscheiden kann, wird er grundsatzlich Substitutionsmoglichkeiten in Erwagung ziehen und sie gegebenenfalls ausnutzen.

Selbstverstandlich wird der gegenseitige Austausch von Giltem nicht losge­lost von den subjektiv eingeschatzten Knappheitsbedingungen und den individu-

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ellen Bewertungen vorgenommen. FUr AuBenstehende gibt es wegen der subjekti­yen Bewertungen in einem SubstitutionsprozeB oder AustauschprozeB dabei aber immer wieder Uberraschungen. Wer in seiner eigenen Bewertungsskala der Guter denkt, wird dann Uberrascht sein, wenn jemand beispielsweise hohe Gliter wie Le­ben oder Gesundheit aufs Spiel setzt, d.h. einzutauschen bereit ist, urn geringfUgige Mengen anderer GUter - wie Geschwindigkeit im StraBenverkehr - zu erhalten. Derartige Austauschprozesse sind aber immer wieder beobachtbar.

Das menschliche Verhalten, das in der Substitutionsbeobachtung erfaBt wird, stOBt auch deshalb auf Verstandnisschwierigkeiten, weil viele un serer gesellschaft­lichen Rahmenbedingungen darauf hinauslaufen, die Substitutionsmoglichkeiten zu beschranken oder die Austauschbedingungen fUr Substitutionswillige derart zu ver­schlechtem, daB sie zu viel von einem oder mehreren anderen Glitem aufgeben mussen, urn das erwlinschte Gut zu erhalten. Bereits in der Erziehung von Kin­dem haben Substitutionsverbote einen besonderen Stellenwert. Unsere gesamte Rechtsordnung ist bestrebt, in Form von Gesetzen, Verboten, Sanktionen den Aus­tausch zwischen Gutem einzuschranken. Dies wirkt dann gleichzeitig wie ein Ver­such, zumindest einigen Glitem eine zwischen einzelnen Personen ahnliche und vergleichbare Bewertung zukommen zu lassen bzw. diese verbindlich durchzuset­zen. Das gesellschaftliche Leben wird durch solehe Rahmenbedingungen erst mog­lich, die Individuen auferlegen, sich an den gesetzlichen Normen, d.h. Substituti­onsverboten, zu orientieren. Anders kann z.B. unser StraBenverkehr nicht funktio­nieren, anders kommen auch keine Staatseinnahmen in Form von Steuem zustande und anders gibt es keine modeme, unbestechliche, am Prinzip der GesetzmaBigkeit ausgerichtete offentliche Verwaltung.

Gleichwohl wissen wir, daB die von vielen akzeptierten und fUr sinnvoll er­achteten Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zumindest von einigen Personen immer wieder miBachtet und iiberschritten werden, weil die Betreffenden selbst in Kenntnis moglicher Sanktionen andere Gliter zumindest in einer kon­kreten Entscheidungssituation vorziehen. Dies belegt lediglich die Grundbeobach­tung des Substitutionsverhaltens. In der vorliegenden EinfUhrung wird es allerdings weniger urn soleh weitreichende Substitutionsbeziehungen gehen, sondem vorran­gig urn die im taglichen wirtschaftlichen Leben beobachtbaren Austauschprozesse der direkt in Geld bewertbaren Gliter.

Die Substitution, der gegenseitige Austausch, von Glitem bedeutet immer, daB eine Person von einem Gut x mehr haben will und gleichzeitig ein anderes Gut y dafUr aufzugeben bereit ist. Dieses SubstitutionsverhaItnis:

Menge an Gut y, das man aufzugeben bereit ist Menge an Gut x, das man erhalten will

spiegelt die Bewertung des Gutes x in Einheiten des Gutes y wider, wie sie bei der tauschbereiten Person vorliegt. Es ist die Substitutions rate oder der Wert des Gutes x in Mengeneinheiten des Gutes y. Bewertungen von Glitem werden im­mer durch solehe Substitutionsraten zum Ausdruck gebracht. Da ein Gut keinen Wert an sich besitzt, muB es seinen Wert durch die individuelle Einschatzung einer

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Person erhalten, die dies aber nur mittels ihrer individuellen Substitutionsbereit­schaft zum Ausdruck bringen kann. In unserer Volkswirtschaft iibemimmt vielfach das Geld als Tauschmittel die Funktion des Gutes y in obiger Substitutionsrate. Bei einem konkreten Gut wie Bananen bedeutet dies, daB die Bereitschaft, 1,50 Euro fUr ein Kilo Bananen zu bezahlen, auch heiBt, daB zu dies em Preis von

1,50 Euro, die man aufzugeben bereit ist 1 Kilo Bananen, das man erhalten will

ein Tausch oder eine Substitution von Geld gegen Bananen stattfindet.

2.1.5 Gesetz des abnehmenden Grenznutzens

Je mehr eine Person von einem Gut zur gleichen Zeit zur VerfUgung hat, urn so geringer sch~itzt oder bewertet sie die letzte Einheit des Gutes. Diese Beobachtung, die auch als l.Gossensches Gesetz bezeichnet wird, beruht darauf, daB bei jedem Gut die erste Einheit zu einem Zeitpunkt am jeweils hOchsten bewertet wird und weitere Einheiten des gleichen Gutes zur gleichen Zeit immer geringere Bewertun­gen erfahren. FUr die erste Einheit ist man daher bereit, relativ vie I aufzugeben, wahrend weitere Einheiten immer weniger wert sind. Dies laBt sich auch dam it ausdrucken, daB der Nutzenzuwachs einer Person durch die erste Einheit des Gutes am hochsten ist und danach von Gutseinheit zu Gutseinheit abnimmt, d.h. der Grenznutzen weiterer Einheiten des Gutes nimmt abo Hinter dieser Beobachtung steht die tagliche Erfahrung, daB es in einem jeweiligen Zeitpunkt zur Sattigung mit einem Gut kommt. Es gibt Siittigungsgrenzen, wonach weitere Einheiten des Gutes keinen positiven zusatzlichen Nutzen mehr stiften, bzw. sogar zu einer nega­tiven Bewertung der letzten Gutseinheiten fiihren konnen.

An einem einfachen Beispiel laBt sich diese Beobachtung, die Sattigungsgren­zen feststellt, nachvollziehen. So ist fUr einen heutigen Haushalt der Besitz eines Kiihlschranks zu einem Zeitpunkt sicherlich ein anzustrebendes Gut, wow der Haushalt auch bereit sein wird, einen iiblichen Preis zu entrichten und insoweit auf andere Giiter zu verzichten. Der zweite Kiihlschrank zum gleichen Zeitpunkt stiftet wahrscheinlich auch noch einen Nutzen, weil er fUr mogliche groBere Anlasse be­nutzt werden kann. Der Haushalt wird aber in aller Regel bestrebt sein, fUr den zweiten Kiihlschrank, die zweite Gutseinheit, ein besonders giinstiges Angebot zu erhalten und nur dann den Kiihlschrank erwerben. Der dritte Kiihlschrank zur glei­chen Zeit stellt vielfach den Haushalt bereits vor ein Platzproblem. Gleichwohl wird er sich den Kiihlschrank gegebenenfalls zulegen, zumeist aber nur, wenn er ihn weitgehend unentgeltlich oder geschenkt erhalt. Mit dem dritten Kiihlschrank sei die Sattigungsgrenze des Haushalts erreicht. Einen vierten Kiihlschrank zum gleichen Zeitpunkt nimmt der Haushalt dann nur auf, wenn er ihm nicht nur als Ge­schenk zur VerfUgung gestellt wird, sondem er zugleich dam it auch eine Stand­gebiihr oder eine Aufbewahrungsgebiihr bekommt. Das heiBt, der vierte Kiihl­schrank darf aus Sicht des Haushalts keinen positiven Preis haben, sondem einen

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negativen Preis mit der Konsequenz, daB dem Haushalt nicht nur der Kuhlschrank Ubertragen wird, sondem noch weitere GUter dazu, urn den ins Negative abgefal­lene Grenznutzen zu kompensieren. Solange der Haushalt noch keinen KUhI­schrankhandel aufnehmen mochte, wird er weitere KUhlschranke zur gleichen Zeit nur gegen immer noch groBerer Zuzahlungen aufnehmen, weil der Grenznutzen immer weiter abnimmt.

2.2 Zusammenfassung der Grundbeobachtungen in einem Modell

2.2.1 Abbildung der Mehrzahl von Giitern und der Substitutionsbereitschaft

Die Grundbeobachtungen menschlichen Verhaltens sollen nun so zusammengefaBt werden, daB ein geschlossenes Modell daraus entsteht, welches fUr weitergehende Untersuchungen geeignet ist. Eine Art der Modellkonstruktion besteht in einer grafischen Abbildung der Beobachtungen. Damit erhalt man einfache und an­schauliche Resultate, die zugleich fUr ergiinzende Modifikationen offen sind. In einem ersten Schritt beschranken wir uns auf die Abbildung und Zusammenfassung der beiden Beobachtungen Mehrzahl von GUtem und Substitutionsbereitschaft.

1m einfachsten Fall laBt sich die Mehrzahl von Gutern so interpretieren, daB nur zwei Guter x und y von einer betrachteten Person angestrebt werden. Die Beschrankung auf zwei GUter erlaubt eine grafische Abbildung in lediglich zwei Dimensionen, wie in Abb. I.

y D

B

A

c

x

Abb. 1: Bewertung altemativer GUterkombinationen

Eine Person strebt GUter an, weil sie sich davon einen Nutzen verspricht, d.h. eine Befriedigung ihrer WUnsche. Da nach den Beobachtungen immer mehrere

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Giiter angestrebt werden, kann auch festgestellt werden, daB es die Person in aller Regel vorziehen wird, von beiden Giltem eher ilber mehr als ilber weniger Einhei­ten zu verfiigen. In einem Achsendiagramm, das aus einer x-Achse (Abszisse) und einer y-Achse (Ordinate) besteht, kann man demnach die Guter x und y abbilden, wobei auf den Achsen sowohl die Guterarten als auch die jeweiligen Mengen der Guter angegeben sind. In Abb. I stellt mithin der Punkt A eine Kombination der Gilter x und y dar, die von einer Person angestrebt wird und die mit den dort vor­liegenden Mengen der Guter einen Nutzen verspricht, das mit dem Nutzenniveau VI bezeichnet werden solI.

Der Punkt D ist gegenilber dem Punkt A durch ein Mehr an beiden Gutem x und y gekennzeichnet. Dies wird daher flir die betrachtete Person ein hoheres Nut­zenniveau als das des Punktes A bedeuten. In Punkt D soll ein Nutzenniveau V 2

erreicht sein. Je mehr schlief31ich die betrachtete Person daruber hinaus gleichzeitig von beiden Gutem hat, urn so vorteilhafter wird ihr dies erscheinen, und urn so hOher wird der Nutzen der Guterkombinationen sein, zumindest soweit die Satti­gungsgrenzen flir die Guter nicht erreicht oder ilberschritten sind.

Bislang haben wir nur die Mehrzahl von Gutem und ihren Zusammenhang mit altemativen Nutzenniveaus betrachtet. Es ist nun erforderlich, auch die Sub­stitutionsbereitschaft miteinzubeziehen. Die in Punkt A verfligbare Guterkom­bination ist keineswegs die einzig mogliche, die der Person zu dem Nutzen U I verhilft. Es gibt daruber hinaus andere Gutermengenkombinationen, die als gleich­wertig erachtet werden und den gleichen Nutzen stiften. Es sei hier angenommen, daB die Punkte B und C entsprechend gleichwertige, den gleichen Nutzen stiftende Gilterkombinationen sind wie die von Punkt A. In B hat die Person zwar weniger yom Gut x zur Verfligung als in A, was fUr sich genommen nutzenmindemd wirkt, kann aber dafUr auf ein Mehr an Gut y zurUckgreifen, was die Nutzenminderung gerade ausgleicht. 1m Punkt C verfiigt die Person ilber mehr Gutseinheiten von x als im Punkt A, was flir sich zu einem Nutzenzuwachs fiihrt, der allerdings durch die dort vorhandene geringere y-Menge kompensiert wird. Die Giiterkombinatio­nen der Punkte A, B und C sind mithin gleichwertig und stiften jeweils den Nutzen U I. Dies kommt dadurch zustande, daB die Guter x und y gegenseitig austauschbar sind, so daB eine Substitution von Einheiten des Gutes x durch Einheiten von y das Nutzenniveau erhalt.

Derartige Abwagungen werden von uns allen fortwahrend getroffen, zumeist allerdings zwischen mehr als zwei Gutem. Bleibt man jedoch beim einfachen Fall von nur zwei Giltem, wird es sicherlich moglich sein, neben den Giiterkombina­tionen A, B und C in der Abb. lauch noch weitere Kombinationen der Guter x und y zu tinden, die gleichwertig sind. Hierzu milssen lediglich die Substitutions­oder Austauschmengen hinreichend klein gemacht werden. Daraus wiirden weitere Punkte mit dem gleichen Nutzen wie in A, B und C entstehen. Wenn man die so gewonnenen Punkte miteinander verbindet, wird sich eine Kurve gleichen Nutzens auf dem Niveau VI ergeben.

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2.2.2 Die Erganzung urn das Sattigungsgesetz fiihrt zu Indifferenzkurven

In Abb. 2 ist die durch fortgesetzte Substitution ableitbare Kurve des Nutzenni­veaus U 1 dargesteIlt, die neben den Punkten A, B, und Calle anderen den gleichen Nutzen stiftenden Guterkombinationen von x und y miteinander verbindet. Diese Kurve wird Indifferenzkurve genannt, weil eine Person zwischen den Gfiter­kombinationen auf der Kurve indifferent ist, da sie aIle das gleiche Nutzenniveau vermitteln. Abb. 2 enthalt neben der Indifferenzkurve mit dem Nutzenniveau U 1

auch die Indifferenzkurve mit dem Nutzenniveau U2, die der Giiterkombination des Punktes D entspricht. Die Uberlegungen konnen schlieBlich auf Giiterkombinatio­nen mit noch hoheren Nutzenniveaus iibertragen werden, was sich in der Indiffe­renzkurve mit dem Nutzenniveau U3 abbilden laBt. 1m x-y-Diagramm entsteht somit eine Schar von Indifferenzkurven, die mit groBerem Abstand yom Ursprung des Diagramms immer hOhere Nutzenniveaus anzeigen. Diese Schar weist Analo­gien zu Hohenlinien in Landkarten oder zu Linien gleichen Luftdrucks in Wetter­karten auf.

y

x

Abb. 2: Indifferenzkurven

Die Verlaufsform der Indifferenzkurven ist aus den bislang verwendeten Grundbeobachtungen noch nicht abzuleiten. Hierzu ist es vielmehr erforderlich, auf das Sattigungsgesetz oder das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens zuruckzugreifen. Danach sinkt der Grenznutzen oder der zusatzliche Nutzen einer weiteren Gutseinheit, je mehr Gutseinheiten man zur gleichen Zeit bereits zur Ver­fiigung hat. Die Bewertung des Gutes x, die im betrachteten Zwei-Gfiter-Fall durch die dafiir aufzugebenden Einheiten des Gutes y erfolgt, verringert sich mit steigen­der Menge an x, die man besitzt. In Abb. 3 wird dies anhand des yom Ursprung her konvexen Verlaufs einer ausgewahlten Indifferenzkurve verdeutlicht.

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1st die Person ausgehend vom Punkt B in Abb. 3 gewillt, eine weitere Einheit von x zu erhalten, so wird sie dafUr - urn auf dem gleichen Nutzenniveau zu blei­ben - (~Y)l aufzugeben bereit sein. 1m Punkt B hat die betrachtete Person relativ wenig Einheiten von x zur Verfiigung. 1m Punkt A besitzt sie mehr an x. Will sie nun - ausgehend von den GUterrnengen in A - wiederum eine weitere Einheit an x dazu erhalten und gleichzeitig auf dem gleichen Nutzenniveau bleiben, wird sie nur noch bereit sein, die geringere Menge (~Y)2 aufzugeben. Das heiBt, daB mit zuneh­mender Menge an x, die Bereitschaft abnirnrnt, fUr eine weitere Einheit des Gutes x auf etwas mehr von dem ebenfalls knappen Gut y zu verzichten. Diese Tendenz verstarkt sich mit zunehrnender x-Menge im Punkt C. Das Gut x ist dort relativ reichlich vorhanden, so daB eine weitere x-Einheit nur noch durch einen geringen Verzicht auf das Gut y, hier (~yh angestrebt wird.

y

A

1 x

(~Y)2

1 x

x

Abb. 3: Konvexer Indifferenzkurvenverlauf

Die abnehrnende Bewertung zusatzlicher x-Einheiten kornrnt somit in dem flacher werdenden Verlauf der Indifferenzkurve zum Ausdruck. Selbstverstandlich gilt die Argumentation auch urngekehrt, wenn eine Bewegung entlang der Indiffe­renzkurve nach links, d.h. zu Giiterkombinationen mit weniger x und mehr y ver­folgt wird. Die betrachtete Person, wird dabei zusatzliche y-Mengen irnrner gerin­ger bewerten. Urn auf dem gleichen Nutzenniveau zu bleiben, werden zusatzliche y-Mengen mit nur geringeren EinbuBen an x-Mengen hingenornrnen werden. Ins­gesamt folgt darnit der yom Ursprung her konvexe Verlauf der Indifferenz­kurve.

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Abb. 2 oben hat bereits eine weitere Eigenheit der Indifferenzkurven mitbe­rUcksichtigt. Die Indifferenzkurven, die unterschiedliche Nutzenniveaus von U I bis U3 reprasentieren, sehneiden sieh nieht. Diese Eigenheit folgt aus dem Gebot der Widerspruehsfreiheit der Analyse, die im iibrigen unterstellt, daB eine Person in ihren Bewertungen und Entscheidungen zu einem gegebenen Zeitpunkt nicht in­konsistent sein oder keine WidersprUche aufweisen darf. Ein Schnittpunkt von Indifferenzkurven wiirde namlich bedeuten, daB ein und dieselbe Kombination von Giitem mit unterschiedlichen Nutzenniveaus verbunden ware. Dies ist jedoch aus Grunden der Logik und der Konsistenz auszuschlieBen. Die Indifferenzkurven miissen allerdings keinesfalls parallel zueinander verlaufen. Ihre Abstande konnen sich durchaus verandem. Auch ihre Verlaufsform, d.h. ihre Neigung muB nicht gleichartig bleiben. Hierbei spielen die subjektiven Sattigungsgrenzen und damit die sich andemde Substitutionsbereitschaft eine wesentliche Rolle.

2.2.3 Indifferenzkurven bei unterschiedlichen Personen

Die Indifferenzkurven bilden Nutzenniveaus abo Dabei werden mit wachsender Entfemung yom Ursprung immer hohere Nutzenniveaus erreicht. Die Indifferenz­kurven besitzen daher eine Analogie zu Hohenlinien in einer Landkarte bzw. zu den Linien gleichen Luftdrucks in einer Wetterkarte. Insoweit entsprechen die Indifferenzkurven der zweidimensionalen Darstellung eines an sich dreidimen­sionalen Nutzengebirges. Hierbei ware die Nutzenhohe in einer dritten Dimension zu denken, die man sich iiber dem x-y-Giiterraum nach oben hin zum Betrachter der Abb.2 vorzustellen hatte.

Die Indifferenzkurven geben die Bewertung der betrachteten Gliter x und y durch eine Person an. Die Bewertung eines Gutes kommt dabei nicht in absoluten GroBen zum Ausdruck, sondem immer nur relativ zum anderen Gut, bzw. zu allen anderen Giitem, die in den Wunschkreis der Person fallen. Die Bewertung von GUtem ist damit immer eine jeweils wechselseitige zwischen den GUtem oder eine Bewertung in Altemativen. Indifferenzkurven verdeutlichen dies, indem sie GUter­mengenkombinationen nebeneinanderstellen und sie grafisch nach gleicher oder unterschiedlicher Wertigkeit einteilen. Indifferenzkurven spiegeln in ihrer Ver­laufsform die Praferenzen fUr die GUter wider. Durch groBere oder geringere Neigungen der Kurvenverlaufe konnen die unterschiedlichen wechselseitigen Be­wertungen der GUter zum Ausdruck gebracht werden. Ein Indifferenzkurvensystem muB daher keinesfalls symmetrisch zur Winkelhalbierenden im x-y-Diagramm verlaufen, sondem kann beliebige Neigungen aufweisen. Dies sei in Abb. 4 anhand der Indifferenzkurvensysteme zweier Personen A und B veranschaulicht, die je­weils unterschiedliche Praferenzen fUr die Giiter x und y besitzen. Ihre Nutzenni­veaus seien durch die GroBen UIA bis U3A fUr die Person A und durch UIB bis U3B

fUr die Person B zum Ausdruck gebracht. Aus AbbA ist zu entnehmen, daB die Person A das Gut y relativ hOher bewer­

tet als das Gut x. Person B bewertet ihrerseits das Gut x vergleichsweise hoher als das Gut y. Dies zeigt sich fUr A darin, daB eine Aufgabe einer y-Einheit nur dann

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das Nutzenniveau aufrecht erhalt, wenn zugleich relativ vie I x-Einheiten hinzukom­men. Bei der Person B genugen hingegen wenige zusatzliche x-Einheiten, urn den Nutzenentgang aus einer Aufgabe von y-Einheiten zu kompensieren.

y

x

Abb. 4: Unterschiedliche Praferenzen der Personen A und B

SchlieBlich sei noch daraufverwiesen, daB die Nutzenniveaus der Personen A und B in Abb. 4 untereinander nicht direkt in ihrem absoluten AusmaB vergleich­bar sind. Die erkennbaren Schnittpunkte der Indifferenzkurven U IA bis U3A mit den Indifferenzkurven U IB bis U3B ergeben sich in der Abbildung nur durch die zweidi­mensionale Darstellung, tatsachlich ware eine Darstellung in vier Dimensionen erforderlich, urn das jeweils unterschiedliche subjektive Nutzenempfinden gleicher Guterkombinationen an x und y durch beide Personen abbilden zu kannen.

2.2.4 Zusammenfiihrung von Knappheit und Priferenzen

Mit Hilfe des durch Indifferenzkurven abgebildeten Praferenzsystems war es mag­lich, drei der vier genannten Grundbeobachtungen mensch lichen Verhaltens, die Mehrzahl von angestrebten Giitem, die Substitutionsbereitschaft und den abneh­menden Grenznutzen grafisch zu veranschaulichen. Es gilt nun, die vierte Be­obachtung, die der Knappheit der Giiter, miteinzubeziehen.

Fur die meisten von uns auBert sich Giiterknappbeit am offenkundigsten in der Begrenztheit der Mittel zum Erlangen der Guter. In einer Tauschwirtschaft mit Geld geschieht dies durch das jeweils begrenzte Einkommen. Nimmt man mithin ein im Beobachtungszeitraum gegebenes Einkommen, e, an, das fUr die beiden Giiter x und y ausgegeben werden kann (und rur diese beiden Giiter auch vollstan-

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dig ausgegeben wird), so laJ3t sich die Einkommensverwendung allgemein durch folgende Beziehung darstellen:

Px und Py sind die Preise der Giiter x und y. Grafisch kann die Einkommensverwen­dungsgleichung durch Abb. 5 dargestellt werden. Die Achsenabschnitte dieser Einkommensverwendungsgleichung oder Budgetrestriktion ergeben sich auf der y-Achse durch den Punkt e/py, denn mit e/py ist die maximale Menge des Gutes y angegeben, die bei ausschlieBlicher Verwendung des Einkommens e fUr das Gut y ausgegeben werden konnte. Hierflir ist die Einkommenssumme e durch den Preis des Gutes y, d.h. durch py zu dividieren. e/px gibt andererseits den Achsenabschnitt auf der x-Achse an. Es ist dies gleichzeitig die maximale x-Menge, die mit dem gegebenen Einkommen e bei dem gegebenen Preis von x, Px, erworben werden kann. Die lineare Verbindung der beiden Achsenabschnitte stellt die Budgetre­striktion dar. Sie beschrankt die Giitermoglichkeiten flir die betreffende Person.

Das Einkommen liegt im Betrachtungszeitraum fUr eine jeweilige Person fest und zugleich sind auch die Preise der Giiter feststehende GroBen, die zusammen die Knappheitssituation vorgeben. Grafisch folgt daraus, daB nur Giiterkombina­tionen innerhalb des Dreiecks moglich sind, das durch den Ursprungspunkt und die beiden skizzierten Achsenabschnitte gebildet wird. Bei vollstandiger Einkommens­verwendung konnen maximal Giiterkombinationen auf der Budgetrestriktion er­reicht werden.

Abb. 5: Budgetrestriktion

Die Budgetrestriktion gibt aus Sicht einer Person die von au8en vorgege­ben en Knappheitsrestriktionen an, die durch das Verhalten der Person nicht beeinfluBbar sind. Insoweit ist die Budgetrestriktion eine Gerade und wird auch Bilanzgerade genannt. Welcher der moglichen, maximal erreichbaren Punkte auf der Budgetrestriktion von der betrachteten Person gewahlt wird, ergibt sich aus der

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Budgetrestriktion selbst nicht. Hierzu bedarf es der Kenntnis der Praferenzen der Person far die Giiter x und y. Es ist folglich erforderlich, die Praferenzen mit zu beriicksichtigen und damit die subjektiven Einschatzungen der beiden Gater un­tereinander zu erfassen. Dies geschieht damit, daB in Abb. 6 die Budgetrestriktion mit den die Praferenzen reprasentierenden Indifferenzkurven in einen Zusammen­hang gebracht wird.

Haushaltsgleichgewicht

Yo

o Xo x

Abb. 6: Das Haushaltsgleichgewicht

Aus Abb. 6 ist ersichtlich, daB die betrachtete Person mit ihrem gegebenen Einkommen und den ebenfalls feststehenden Preisen der GUter eine Gilterkombina­tion anstreben wird, die das hOchstmogliche Nutzenniveau verspricht. Dieses ist grafisch der Tangentialpunkt der Bilanzgerade mit der am weitesten vom Ursprung entfemten Indifferenzkurve, hier der mit dem Nutzenniveau Uz. Diesen Tangential­punkt nennt man HaushaltsgJeichgewicht, weil die Wirtschaftseinheit dort im Rahmen ihrer gegebenen knappen Ressourcen die Kombination der Giiter x und y findet, die ihr den hOchsten Nutzen stiftet. Das Haushaltsgleichgewicht zeigt somit an, wie die Person ihr Einkommen auf die beiden Giiter x und y, bzw. die entsprechenden Mengen von x und y aufteilen wird. In der Abbildung fiihrt dies zu einer Menge des Gutes x von Xo und einer y-Menge von Yo.

Mit der Ableitung des Haushaltsgleichgewichts sind nun gleichzeitig aIle vier Grundbeobachtungen in einer geschlossenen Abbildung zusammengefaBt. Insoweit ist ein Modell entstanden, das sich nicht nur eignet, eine gegebene okonomische Situation abzubilden, sondem insbesondere auch dazu verwendet werden kann, Variationen der zunachst konstant gehaltenen GroBen in ihrer Auswirkung auf das Verhalten der betrachteten Person darzustellen.

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2.3 Die Nachfragefunktion

2.3.1 Ableitung der Nachfrage aus den Grundbeobachtungen

Fur die Ableitung des Haushaltsgleichgewichts waren das Einkommen der betrach­teten Person, die Preise der Giiter x und y und auch die Praferenzen oder die Sub­stitutionsbereitschaft als gegeben unterstellt worden. Damit ergibt sich ein Gleich­gewicht. Es soli nun in einem nachsten Schritt angenommen werden, daB in den Ausgangsbedingungen Veranderungen eintreten, wobei zunachst ausschlieBlich eine A.nderung beim Preis des Gutes x betrachtet wird. Es ist dann zu fragen, wel­che Konsequenzen hieraus fUr das Haushaltsgleichgewicht folgen. Abb. 7 geht dieser Fragestellung nach und veranschaulicht alternative Haushaltsgleichgewichte bei unterschiedlichen Preisen des Gutes x.

Sinkt z.B. der Preis des Gutes x von Pxl uber Px2 auf Px3, so laBt sich in Abb. 7 erkennen, daB die Bilanzgerade ihre Neigung verandert, wobei der Achsenab­schnitt der Bilanzgeraden auf der y-Achse unverandert bleibt, da das Einkommen e und der Preis des Gutes y, Py, als konstant angenommen werden. Die Bilanzge­raden drehen sich urn diesen feststehenden Achsenabschnitt auf der y-Achse nach rechts, wenn der Preis des Gutes x, von Pxl uber Px2 auf Px3 absinkt. Daraus folgt auch, daB mit dem gegebenen Einkommen bei sinkenden Preisen von x immer mehr Gutseinheiten von x erworben werden konnen.

Abb. 7: Alternative Haushaltsgleichgewichte bei unterschiedlichen Preisen des Gutes x

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Flir die sich so ergebende Schar von Bilanzgeraden lassen sich wiederum nach Einbeziehung des Indifferenzkurvensystems der betrachteten Person Haus­haltsgleichgewichte feststellen. Sie liegen jeweils im Beriihrungspunkt einer Bilanzgeraden mit der hochst erreichbaren Indifferenzkurve. Die Punkte A, E und F in der Abb. 7 sind somit die Haushaltsgleichgewichte, die sich bei unterschiedli­chen Preisen des Gutes x einstellen. Aus der Abbildung ist bereits zu entnehmen, daB in den Haushaltsgleichgewichten unterschiedliche Mengen des Gutes x nach­gefragt werden, so daB in A weniger, in E mehr und in F noch mehr Mengenein­heiten des Gutes x enthalten sind.

Diese Information Hillt sich noch deutlicher im Zusamrnenhang mit den zuge­horigen unterschiedlichen Preisen des Gutes x hervorheben. Ordnet man namlich den Preisen Pxl bis Px3 die in den Haushaltsgleichgewichten A bis F vorliegenden Giitermengen an x zu, so erhalt man die Nachfragefunktion im Preis-Mengen-Dia­gramrn der Abb. 8. In Abb. 8 sind auf der Ordinate die unterschiedlichen Preise des Gutes x aufgetragen und auf der Abszisse die jeweiligen x-Mengen der Haus­haltsgleichgewichte A, E und F aus Abb. 7. Die Verbindungslinie, die sich aus dies en Preis-Mengen-Kombinationen in Abb. 8 konstruieren laBt, ist die Nachfra­gefunktion.

Px

Pxl

Px2 Nachfragefunktion

Px3

x

Abb. 8: Nachfragefunktion im Preis-Mengen-Diagramrn

Die Nachfragefunktion ist aber nicht nur eine bloBe Verbindungslinie von Preis- und Mengenkombinationen der Haushaltsgleichgewichte, sie zeigt die bei den alternativen Preisen hOchstmogIichen Mengen des Gutes x an, die die be­treffende Person in den Haushaltsgleichgewichten erreichen will. Anders formuliert zeigt die Nachfragefunktion auch die hOchstmoglichen Preise an, die eine Person fUr unterschiedliche Mengen des Gutes zu zahlen bereit ist. Damit gibt die Nachfragefunktion die Mengenvorstellungen der Person nach dem Gut x in Ab­hangigkeit vom Preis des Gutes x an. Die Nachfragefunktion verdeutlicht in ihrem Verlauf, wie eine Person mit den nachgefragten Mengen x auf Anderungen im

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Preis von x, d.h. Px, reagiert. Es wird ebenfalls erkennbar, daB bei einem hoheren Preis, z.B. beim Preis Pxl, die nachgefragte Menge an x, d.h. XI, geringer ist und da13 bei einem niedrigeren Preis, z.B. beim Preis Px3, die nachgefragte Menge, X3, gro13er ausfallt.

Von der Konstruktion her wird die Nachfragefunktion im Preis-Mengen­Diagramm daher immer negativ geneigt sein. Auch wenn in Abb. 8 die Nach­fragefunktion nicht bis zu den Achsen weiter verlangert ist, so liegt aus dem oben beschriebenen Substitutionsverhalten nahe, daB die Nachfragefunktion einen Ach­senabschnitt mit der Ordinate oder Preisachse hat. Dieser Achsenabschnitt ent­spricht dem hlichstmoglichen Preis fUr das Gut X, er zeigt zugleich an, wo die nachgefragte Menge null wird. AuI3erdem gibt es aus dem Gesetz des abnehmen­den Grenznutzens heraus eine hochstmogliche Menge oder Sattigungsmenge und insoweit einen Achsenabschnitt der Nachfragefunktion mit der Abszisse oder Men­genachse. Dber diese Sattigungsmenge geht die nachgefragte Menge zu einem Zeitpunkt auch beim Preis von null nicht hinaus.

2.3.2 Interpretation der Nachfragefunktion

Die Nachfragefunktion wurde aus wenigen Grundbeobachtungen menschlichen Verhaltens abgeleitet. Die vier Grundbeobachtungen und ihre Zusammenfassung bis hin zur Nachfragefunktion sind zwar leicht nachvollziehbar. Gleichwohl wer­den einige nicht unwesentliche Aspekte aus der beobachtbaren wirtschaftlichen Welt noch unerklart geblieben sein, die fUr das Verstandnis des Nachfrageverhal­tens entscheidend sind.

Die Nachfragefunktion in Abb. 8 wurde bewu13t als "Funktion" bezeichnet. Wie in jeder Funktion wird dabei der Einflu13 einer oder mehrerer Verursachungs­oder Erklarungsgro13en auf eine zu erklarende Variable erfa13t. 1m Fall der Nach­fragefunktion geht es urn folgenden funktionellen Zusammenhang: Was erklart das AusmaB der nachgefragten Menge nach einem Gut X und inwieweit ergeben sich aus diesen Einflfissen Mengemeaktionen? Formal gesprochen wird damit die nach­gefragte Menge eines Gutes X zu einem bestimmten Zeitpunkt als Funktion von Erklarungsgro13en gesehen, d.h.:

X = f(erklarende Gro13en)

oder x hangt ab von erklarenden Gro13en, auf die nun fiber die bisher schon ge­nannten einzugehen ist.

Zu diesen erklarenden Gro13en fUr die Nachfragemenge nach einem Gut x zahlen unter anderem: • die Bediirfnisse, d.h. die Praferenzen einer Person, • der Preis des Gutes x, d.h. Px, • das Einkommen e der das Gut nachfragenden Person, • das Vermogen Yermo der nachfragenden Person,

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• die Preise anderer Giiter, z.B. PY. die neben dem Gut x in den Begehrskreis der Person fallen und unter denenjeweils eine Wahlentscheidung zu treffen ist,

• Erwartungen tiber die wirtschaftliche Lage in der voraussehbaren Zukunft, • im Einzelfall weitere wirtschaftliche EinfluBfaktoren, wie z.B. Zinsen, • nicht-okonomische oder auBer-okonomische Einfltisse, wie z.B. das Wetter. Die Nachfragefunktion lautet dann in allgemeiner Schreibweise:

x = f(px. e, Verm., Py, .... , Wetter),

wobei Art und AusmaB der Bediirfuisse oder Wtinsche nach dem Gut x im funk­tionellen Zusammenhang (t) selbst zum Ausdruck kommen.

Die Nachfragefunktion in Abb. 8 zeigt lediglich den EinfluB auf, den unter­schiedliche Preise von x, Px, auf die nachgefragte Menge von x haben, wahrend aIle anderen ErklarungsgroBen als konstant oder gegeben unterstellt werden. So sind bei der Ableitung der Nachfragefunktion aus dem Praferenzsystem insbesondere die Praferenzen selbst, das Einkommen und die Preise anderer Giiter als konstant angenommen worden.

Die hier als gegeben unterstellten Praferenzen lassen sich ihrerseits in aller Regel nur schwerlich auf wenige vornehmlich wirkende Ursachenkomplexe zuruckflihren. Selbstverstandlich sind Praferenzen zeit- und kulturabhangig, was nichts anderes bedeutet, als daB eine jeweilige kulturelle und zivilisatorische menschliche Umgebung sowie die darin gepragten vorherrschenden Werthaltun­gen, Ansichten und Moden sich auf die Wtinsche der einzelnen auswirken werden. Die Einfltisse werden aber keinesfalls von allen Menschen gleichartig wahrge­nommen und mechanisch zu Bedtirfnissen umgesetzt. Dies verhindert eine Unifor­mitat der Wtinsche und Praferenzen. Das gilt auch fur die von Anbietern von Gti­tern bewuBt betriebene Werbung fur ihre Produkte. Sie kann sich durchaus auf Bediirfnisse auswirken, muB es allerdings nicht und wird in vielen Fallen ihr ange­strebtes Ziel - eine Mebmachfrage nach dem beworbenen Gut - gar nicht erreichen. So wird sich mancher Nichtraucher unter Umstanden tiber gut gemachte Zigaret­tenwerbung freuen, deshalb aber keine Praferenzen flir Zigaretten entwickeln. Es entspricht auch nicht der allgemeinen Erfahrung, daB z.B. eine Hausfrau, die im Abendprogramm drei verschiedene Waschmittelwerbungen angesehen hat, bei nachster Gelegenheit mit den drei verschiedenen Waschmitteln gleichzeitig den Supermarkt verlaBt. Es gibt mithin erkennbar personliche, subjektive Filter der Einfliisse, die nur einige der Einfltisse zu einem Wunsch einer Person werden las­sen.

Daraus folgt eine wesentliche Eigenheit, die in der hier angestellten mi­krookonomischen Analyse zu beachten ist. Die Nachfrage nach Giitern ist kei­nesfalls durch das Gtiterangebot, bzw. das Verhalten der Gtiteranbieter zu erklaren. Es besteht vielmehr eine logische Unabhiingigkeit zwischen der Nachfrage und dem Angebot. Diese Unabhangigkeit ergibt sich nicht nur daraus, daB An­bieter die Nachfrage nach ihren Produkten nicht mechanisch oder gar zwangsweise hervorrufen konnen, sondern auch aus der Erfahrung, daB es Nachfrage nach Gti-

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tern gibt, denen kein Angebot gegentiber steht. So ist der Wunsch vieler Menschen fliegen zu konnen tiberaus alt; ein entsprechendes Angebot an Flugleistungen exi­stiert aber erst seit rund hundert Jahren. Der alte Wunsch nach Ubiquitat, d.h. an verschiedenen Orten oder gar tiberall gleichzeitig sein zu konnen, wurde auch schon lange zuvor geauBert, ehe heutige Telekommunikationstechniken dies durch weltweite online-Schaltungen ennoglichen. Aus diesen prinzipiellen GrUnden ist das Gtiterangebot nicht als ErklarungsgroBe flir die Nachfrage nach einem Gut aufgenommen worden. Dies schlieBt allerdings in konkreten Einzelfallen nicht aus, daB tiber Erwartungen solche Verknupfungen zustande kommen konnen und daB sich insoweit Nachfrager nach Anbietern und Anbieter nach der erwarteten Nachfrage richten.

Die Nachfragefunktion ist angesichts der als konstant unterstellten GroBen eine Beziehung, die lediglich die Reaktionen der nachgefragten Menge x auf Preisveranderungen des Gutes x zum Ausdruck bringt. Anders ausgedrUckt: solange nur Preisveranderungen beim Gut x aufireten, ist die Nachfragefunktion selbst davon nicht betroffen, d.h. sie andert dadurch ihre Lage oder ihr Aussehen nicht. Preisveranderungen beim Gut x fiihren gemaB der durch die Nachfragefunk­tion ausgedrlickten Abhangigkeit zwischen Preis und Menge ausschlieBlich zu Anderungen in der nachgefragten Menge. Vielfach unterscheiden Aussagen tiber Nachfrageverhalten nicht hinreichend deutlich zwischen der Nachfragefunktion selbst und den daraus ableitbaren nachgefragten Mengen. Nur die letzteren sind entlang der Funktion abhangig von den Preisen. Die Nachfragefunktion gilt fUr einen weiten Bereich von Preisen und wird durch Preisveranderungen des Gutes selbst nicht verandert. Die Moglichkeit flir Mi8verstandnisse besteht insbesondere deshalb, weil sowohl die Nachfragefunktion teilweise verkiirzend mit Nachfrage bezeichnet wird und weil auch die nachgefragte Menge gemaB einer gegebenen Nachfragefunktion ebenfalls mit dem BegriffNachfrage belegt wird. 1m Einzelfall ist daher immer zu prlifen, worauf sich die Argumentation konkret bezieht.

2.3.3 Verlagerungen der Nachfragefunktion

Die Nachfragefunktion nach einem Gut x kann gleichwohl ihre Position und Nei­gung andern. Hierfiir ist es aber erforderlich, daB bislang als konstant unterstellte GroBen Anderungen erfahren, d.h. es mussen andere Einflu8gro8en als der Preis des Gutes x sich andern, damit sich die Nachfragefunktion verlagert. Diese anderen Einfltisse werden bisher durch die ceteris paribus-Bedingung als gegeben unterstellt. Eine Variation der ceteris paribus-Bedingung laBt nun aber Modifi­kationen bei den weiteren Einfltissen zu. So ist bei der Herleitung der Nachfrage­funktion in Abb. 8 unter anderem das Einkommen e der betrachteten Person als konstant angenommen worden. Wenn das Einkommen einer Person aber ansteigt, wird sich das bei vielen Glitern auf die Lage der Nachfragefunktion auswirken. In Abb. 9 ist der EinfluB einer EinkommenserhOhung dargestellt. Sie fiihrt zur Ver­schiebung der anfanglichen Nachfragefunktion No auf die neue Nachfragefunktion N}, was einer Nachfrageausweitung entspricht.

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Die EinkommenserhOhung bewirkt in vielen Fallen, daB eine Person, die bei­spielsweise bisher einen Punkt A auf einer Nachfragefunktion No eingenommen hatte, durch das gestiegene Einkommen in die Lage versetzt wird, zum gleichen Preis wie im Punkt A mehr an Menge yom Gut x nachzufragen oder daB sie nun­mehr bereit ist, die gleiche Menge an x wie im Punkt A zu einem h6heren Preis nachzufragen. Die pfeile, die yom Punkt A ausgehen, sollen dies veranschaulichen. Als Ergebnis folgt jeweils eine im Preis-Mengen-Diagramm nach rechts auBen verschobene Nachfragefimktion NJ, d.h. eine Nachfrageausweitung. Die Ver­schiebung der Nachfragefimktion muB keinesfalls parallel erfolgen. Es k6nnte vielmehr sein, daB selbst bei einer Einkommenserh6hung die H6chstpreisvorstel­lung des Nachfragers fUr das Gut x nicht entsprechend erhOht, bzw. daB die bishe­rige Sattigungsmenge hiervon nicht beeinfluBt wird.

Px

x

Abb.9: EinfluB einer EinkommenserhOhung auf die Nachfragefunktion

Hervorzuheben ist daneben, daB die angedeutete Verschiebung nur dann ein­treten wird, wenn es sich beim betrachteten Gut x urn ein sogenanntes superiores Gut handelt. Superiore Guter sind so1che Guter, fUr die mit steigendem Einkom­men weiterhin Wunsche bestehen, we1che sich dann auch realisieren lassen. Die meisten Guter besitzen diese Eigenschaft. So sind beispielsweise Feriemeisen ein superiores Gut, die mit steigendem Einkommen verstarkt nachgefragt werden.

Der Gegensatz hierzu sind inferiore Guter. Bei ihnen fUhrt eine Einkom­menserh6hung zu einer Verschiebung der Nachfragefunktion nach links unten. Derartige inferiore Giiter, die von den einzelnen als geringerwertig angesehen werden, finden mit steigendem Einkommen keine oder nur noch eine geringere Nachfrage, weil die EinkommenserhOhung nun dazu dient, sich den anderen hOher eingeschatzten oder superioren Giitem zuzuwenden. Ein friiheres Beispiel fUr infe­riore Giiter waren Kartoffeln, die mit steigendem Einkommen weniger nachgefragt wurden, an ihre Stelle traten Fleisch und Fleischprodukte.

Mit einer entsprechenden Verschiebung der Nachfragefunktion wie in Abb. 9 kann gerechnet werden, wenn das Vermogen der betrachteten Person

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steigt, wenn das Bediirfnis nach dem betreffenden Gut intensiver wird oder wenn der Preis eines zu x substitutiven Gutes steigt (d.h. wenn py steigt) und es deshalb bei diesem Substitut zu einer geringeren Nachfragemenge kommt, die eine Mehroachfrage nach x auslost. Eine gleichartige Verschiebung der Nachfrage tritt schlieBlich ein, wenn No die Nachfrage von mehreren Personen nach dem Gut x reprasentiert, und die Zahl der Personen steigt, die das Gut x nachfragen.

Welche Konsequenzen von derartigen Nachfrageveranderungen fUr Preise und Mengen des Gutes x auf einem Markt ausgehen, laBt sich allein aus der Nach­fragefunktion noch nicht erkennen. Erst durch die Betrachtung eines Marktes ins­gesamt - d.h. einschlieBlich der Angebotsseite - kann hierzu eine Aussage abgelei­tet werden (s. Abschnitt 2.6).

Eine Nachfragefunktion kann sich auch wie in Abb. 10 in anderer Richtung verlagem, was einer Nachfragereduktion entspricht. Eine Einkommenssenkung wird sich bei superioren Giitem so auswirken, daB ausgehend von einem Punkt A auf der bisherigen Nachfragefunktion No die betrachtete Person die gleiche Menge an x nur noch zu einem geringeren Preis oder daB sie zum gleichen Preis wie bisher nur noch eine geringere Menge des Gutes x nachfragt. Dies bedeutet insgesamt eine Verlagerung der Nachfragefunktion nach NI (Es muB wie abgebildet keine Parallelverschiebung sein!). Entsprechende Verschiebungen der Nachfragefunktion sind auBerdem zu erwarten bei einer Reduktion des Vermogens, bei einem Sin­ken des Preises eines zu x substitutiven Gutes y, bei einer Abnahme des Wunschs oder Bediirfnisses nach dem Gut x oder bei einer Verringerung der Zahl der Personen, die das Gut x nachfragen.

Px

x

Abb. 10: EinfluB einer Einkommenssenkung auf die N achfragefunktion

Die Griinde fUr Verlagerungen der Nachfragefunktion lassen sich iiber die ge­nannten hinaus erweitem. Wie aus der allgemeinen Formulierung der Nachfrage­funktion ersichtlich, wird es in Einzelfallen auch andere AnstOBe rur eine Nachfra­geausweitung oder eine Nachfragereduktion geben. Nicht selten kommen hierbei auch Einfliisse zum Tragen, die sich auf Erwartungen griinden. Eine zu einem be-

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stimmten Zeitpunkt gegebene Nachfragefimktion steht insoweit in einem intertem­poralen Zusammenhang. Sie unterliegt damit den zeitabhangigen Einfliissen und im Fall von Erwartungen iiber die Wirtschaftsentwicklung auch den besonders schwer faBbaren Einfliissen, die in der Zukunft liegen.

In jedem Fall laBt sich mit so1chen Veranderungen der Annahmen fUr die Ausgangslage einer Nachfragefunktion der Modellzusammenhang erweitem. Da­durch daB sich einige in der mikrookonomischen Analyse zunachst konstant ge­haItenen GroBen in einer festgelegten Weise andem, konnen allgemeinere Anwen­dungen der Modelle ermoglicht werden. Der feste Rahmen der mikrookonomi­schen Analyse, der durch die ceteris paribus-Annahme gesetzt wird, erweist sich insoweit als nicht so eng. Gleichwohl beschrankt sich die mikrookonomische Analyse auf okonomische Auswirkungen exogener AnstOBe, die sie ihrerseits selbst nicht naher erklaren oder von ihrer Entstehung her begriinden muB.

2.3.4 Preiselastizitat der Nachfrage

Nachfragefimktionen lassen sich in ihrer Verlaufsform oder Neigung noch naher beschreiben. Aus der Ableitung der Nachfragefunktion ergibt sich, daB Nachfrage­funktionen generell negativ geneigt sind, d.h. sie zeigen die allgemeine Erfah­rungstatsache auf, daB mit steigenden Preisen eines Gutes die nachgefragte Menge sinkt und daB mit sinkenden Preisen eines Gutes die nachgefragte Menge zunimmt. Die hin und wieder diskutierten angeblichen Ausnahmen zu dieser negativen Ab­hangigkeit von Preisen und nachgefragten Mengen eines Gutes beruhen im we­sentlichen auf MiBverstandnissen, d.h. nicht hinreichend exakten Abgrenzungen des Gutsbegriffs als subjektive, okonomische GroBe. Das Ausma8 des (negativen) Zusammenhangs zwischen Preis und Menge laBt sich mit Hilfe des Konzepts der Preiselastizitat der Nachfrage erfassen. Die Preiselastizitat ist ein MaB dafiir, we1che relative .A.nderung sich bei der nachgefragten Menge ergibt, wenn eine relative Preisanderung eintritt. Unter der Preiselastizitiit der Nachfrage, c, ver­steht man also folgenden Bruch:

relative .A.nderung der nachgefragten Menge von x relative .A.nderung des Preises von x

Die Preiselastizitat c kann auch wie folgt gefaBt werden:

dx/ x < oder > 1 (incl. = 1). I:: = dpx/ px

FUr die so definierte Preiselastizitat werden (absolute) Werte von kleiner eins (I:: < 1) oder von groBer eins (I:: > 1) als besonders kennzeichnend unterschieden, wobei der Zwischenwert einer Elastizitat c = 1 selbstverstandlich moglich ist.

In Abb. 11 ist eine Nachfragefunktion dargestellt, die im relevanten Bereich eine Elastizitiit kleiner eins aufweist. Man spricht dementsprechend auch von einer starren oder unelastischen Nachfrage. Eine so1che Funktion verlauft steil

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bis hin zu fast vertikal (wobei ein tatslichlich vertikaler Verlauf auszuschlieBen ist). Die Konsequenz, die man aus dem damit abgebildeten Nachfrageverhalten ziehen kann, ist, daB z.B. trotz einer deutlichen relativen PreiserhOhung des Gutes x von Pxl auf Px2, die nachgefragte Menge nach dem Gut x nur relativ geringfUgig von Xl im Punkt A auf Xz im Punkt B absinkt.

Ein solches unelastisches oder starres Nachfrageverhalten ist bei jenen Giltem zu beobachten, von denen die Wirtschaftssubjekte ilber die Zeit hin unverlinderte Mengen zu konsumieren gewohnt sind. Die Konsumgewohnheiten wirken dabei wie Einschrlinkungen des Substitutionsverhaltens, das ansonsten bei der PreiserhO­hung eines Gutes zu einer Reduktion der nachgefragten Menge dieses Gutes fUhren und bei anderen Giitem eine Mehmachfrage auslOsen wiirde. Die Starrheit der Nachfrage zeigt sieh allerdings nieht nur bei PreiserhOhungen, sondem auch im umgekehrten Fall sinkender Preise. Bei der hier unterstellten geringen Nachfrage­elastizitlit bewirkt ein deutliches Sinken des Preises nur eine geringe Ausweitung der nachgefragten Menge, was unter anderem wiederum mit Gewohnheiten beim Konsum des Gutes oder mit erreichten Slittigungsgrenzen fUr das Gut erkllirt wer­den kann.

Px

Px2

Pxl A

X

Abb. 11: Starre Nachfrage

Eine NachfrageelastizWit groOer eins bedeutet, daB die Nachfrage elastisch auf Preislinderungen reagiert, d.h. relative Preislinderungen fiihren zu relativ groBe­ren Reaktionen bei der nachgefragten Menge. Geht man wiederum von einer Preis­erhohung von Pxl auf Px2 aus, so resultiert hieraus eine deutliche Reduktion der nachgefragten Menge von Xl im Punkt A aufxz im Punkt B der Nachfragefunktion in Abb. 12, die zur Veranschaulichung dieser elastischen Reaktion dient.

Ein elastisches Nachfrageverhalten kann selbstverstlindlich auch im umge­kehrten Fall einer Preissenkung anhand des in Abb. 12 gewlihlten Verlaufs der Nachfragefunktion und der dort hervorgehobenen Preise und Mengen verdeutlicht werden. Bei Giltem, die in engen Substitutionsbeziehungen zu anderen stehen und

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bei denen die Nachfrage- oder Konsurngewohnheiten nicht allzu eingefahren oder verfestigt sind, wird im allgemeinen mit einer elastischen Nachfrage zu rechnen sein.

Px B

Px2

Pxl

X2 x

Abb. 12: Elastische Nachfrage

Selbstverstandlich kann auch eine Preiselastizitiit von eins als Obergangsfall von der starren zur elastischen Nachfragereaktion unterschieden werden. Eine derartige Preiselastizitat bedeutet, daB ein relativer PreisanstoB zur gleich groBen relativen Mengenveranderung fiihrt. In dies em Fall verlauft die Nachfragefunktion wie eine gleichseitige Hyperbel, was wir hier jedoch nicht in einer separaten Ab­bildung aufzeigen wollen.

1m ubrigen laBt sich beobachten, daB die Preiselastizitiit der Nachfrage fur viele Gliter kurzfristig geringer ist. Plotzlich auftretende Preisanderungen, insbe­sondere wenn sie von den Nachfragern nicht entsprechend erwartet worden sind, werden zunachst nur zu geringen Mengenreaktionen fuhren, da feststehende Ge­wohnheiten bzw. die Kosten fur die Suche nach Alternativen eine raschere Anpas­sung an geanderte Preisverhaltnisse erschweren. Bei langerfristig anhaltenden Preisveranderungen fur ein Gut werden die Nachfrager die Substitutionsmoglich­keiten intensiver erkunden, was dementsprechend auch elastischere Ausweichreak­tionen nach sich zieht. Insoweit reagieren Nachfrager in der Uingerer Frist preis­elastischer als kurzfristig.

Die hier erlauterte Preiselastizitat der Nachfrage ist im ubrigen nur ein MaB, urn die Reaktion der nachgefragten Menge oder die Verlaufsform der Nachfra­gefunktion bei einem exogenen AnstoB zu erfassen. In den Abb. 9 und 10 sind indirekt bereits Reaktionen der Nachfrage bei Einkommensanderungen, d.h. Ein­kommenselastizitiiten, dargestellt worden. SchlieBlich werden vielfach noch Sub­stitutionselastizitiiten der Nachfrage unterschieden. Substitutionselastizitaten sollen zum Ausdruck bringen, wie eine Person mit der nachgefragten Menge bei einem Gut x reagiert, wenn beispielsweise bei einem Gut y eine Preisanderung eintritt. Die Mengenanderung bei der Nachfrage nach x hangt dann vor all em da­von ab, ob y ein technisches Substitut oder eher ein zu x komplementares Gut ist.

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2.4 Tausch

2.4.1 Grundiiberlegungen zum Tausch

In Tauschprozessen findet eine Verkniipfung von Giiternachfrage und Giiter­angebot statt. Jeder Tausch besteht darin, daB eine Person ein Gut erhalten will und gleichzeitig bereit ist, dafiir ein anderes aufzugeben. FUr das angestrebte Gut liegt ein Wunsch vor, der zur Nachfrage wird, zugleieh bedeutet die Bereitschaft, ein anderes Gut aufzugeben, ein Angebot dieses anderen Gutes. Ein Tausch erfor­dert von der begriffliehen Klarheit her, daB die betreffende Person dazu freiwillig bereit ist, d.h. insbesondere das aufzugebende Gut freiwillig zur Verfiigung stellt. Ware dies nicht der Fall, mill3te also das andere Gut zwangsweise aufgegeben wer­den, konnte nicht von Tausch, sondem nur von Ablieferung oder Zwangsabgabe gesprochen werden.

Fur jeden Tausch, der im einzelnen nur aus den subjektiven Wertvorstellun­gen der Tauschpartner heraus verstandlich ist, gilt in der Regel der Grundge­danke, daB das aufzugebende Gut weniger wert ist als das, welcbes man dafiir erbalt, denn sonst hatte man keinen Grund, sieh freiwillig von dem Gut zu trennen. Damit ein Tausch uberhaupt zustande kommt, muB allerdings beim Tauscbpart­ner die umgekehrte Einschatzung iiber den Wert der Giiter vorliegen. Dies kann anhand eines Beispiels mit den Personen 1 und 2 und den Gutem x und y erla.utert werden. Die Person 1 soll bereit sein, das Gut x aufzugeben, urn das Gut y oder einige Einheiten davon zu erhalten. Damit der Tausch zustande kommt, mul3 der Tauschpartner, die Person 2, nieht nur bereit sein, sich von dem Gut y zu tren­nen und dafiir das Gut x zu akzeptieren. Es mu/3 vielmehr ein Bewertungsunter­schied derart bestehen, daB die Person 1 das aufzugebende Gut x geringer bewertet (in Einheiten von y) als die Person 2 und die Person 2 das von ihr aufzugebende Gut y (in Einheiten von x) geringer bewertet als die Person 1, die das Gut y erhal­ten will. Je gro/3er die Unterschiede in den Bewertungen der Giiter zwischen den Personen sind, urn so eher wird sich ein Tausch ergeben.

Die Bewertungsunterscbiede sind ausreicbend, urn einen Tausch zu ermog­lichen. Es ist keinesfalls erforderlich, daB die Tauschpartner einen Uberflul3 an den zu tauschenden Gutem besitzen. Tauschbereitschaft und tatsachliche Tauschhand­lungen sind kein Zeichen eines Uberflusses. Gerade in wirtschaftlichen Notzeiten mit besonders groBer Knappheit wird man auf eine intensive Tauschbereitschaft sto/3en. Auch der Tausch mit Geld belegt, daB kein Uberflul3 an Geld vorhanden sein mul3, ehe man sich von einem Geldschein trennt, urn beispielsweise eine Hose zu kaufen. Es ist lediglich zu erkennen, daB das mit dem Geldschein in einem Tausch zu erwerbende Gut hOher eingeschatzt wird als der Geldschein oder die damit erreichbaren altemativen Guter.

Der subjektive Cbarakter des Tauscbs ist schliel3lich nochmals zu unter­streichen. Wahrend des Tauschprozesses muB eine subjektiv abweichende Be­wertung der Tauschobjekte zwischen den Tauschpartnem vorliegen. Hierbei wer­den geubte Tauschpartner in ihrem eigenen Interesse versuchen, das Gut, von dem

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sie sich trennen wollen, besonders vorteilhaft erscheinen zu lassen, urn die Gegen­seite eher zu dem Tausch und einer weitergehenden Aufgabe des zu erlangenden Gutes zu bewegen. Es liegt dabei durchaus nahe, daB die Tauschpartner sich ilber die Qualitiiten der aufzugebenden Giiter tiiuschen k5nnen, daB sie also eine Guts­qualitiit behaupten, die tatsiichlich nicht gegeben ist, mit dem Ziel, einen fUr sie vorteilhaften Tausch zu erreichen. Dies kann schlieBlich dazu filhren, daB spiite­stens einige Zeit nach dem TauschprozeB ein Tauschpartner von dem Ergebnis des Tausches enttiiuscht ist, wenn niimlich die Qualitiit des erworbenen Gutes nicht den nachhaltigen Vorstellungen dariiber entspricht. Selbstverstiindlich werden vielfach auch Dritte mit anderen subjektiven Einschiitzungen der zu tauschenden Gilter einen beobachteten Tausch nicht immer als vorteilhaft oder sinnvoll ansehen, wo­bei eine bessere Kenntnis der Gilterqualitiiten aber auch rein pers5nliche Werthal­tungen entscheidend sein m5gen.

2.4.2 Wirkungen des Tauschs

Ein Tausch findet nicht nur aufgrund der abweichenden Bewertungen zwischen den Giltem bei den Tauschpartnem statt, sondem weil damit das Nutzenniveau der Tauschpartner erMht werden kann. Abb. 13 solI dies aufzeigen.

y

1 x

Abb. 13: Tausch erMht das Nutzenniveau

In der Abbildung ist das Priiferenzsystem der Person I mit den Indifferenz­kurven oder Nutzenniveaus U! und U2 dargestellt. Ausgangspunkt vor dem Tausch sei der Punkt A mit dem Nutzenniveau Ul. Aus der Konstruktion der Indifferenz­kurven wissen wir, daB Gilterkombinationen mit dem gleichen Nutzenniveau wie im Punkt A auf der gleichen Indifferenzkurve liegen, so z.B. auch der Punkt B. Giibe also die Person 1 ausgehend von der Gilterkombination des Punktes A das Gut x im AusmaB von (Ax)! Einheiten aufund erhielte sie dafilr (Ay)! Einheiten, so k5nnte sie damit die Gilterkombination des Punktes B erreichen, bliebe aber auf

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dem Nutzenniveau VI wie zuvor. Dies ist der Grenzfall fUr einen Tausch und fUr die freiwillige Tauschbereitschaft. Die betrachtetet Person 1 hat von einer solchen Transaktion keinen Nutzenzuwachs.

Die Person 1 wird urn so eher einem Tausch zuneigen, je mehr sie fUr die auf­zugebenden x-Einheiten yom Gut y erhalt. Bietet ihr ein Tauschpartner beispiels­weise (AY)2 - dies entspricht der vertikalen Strecke zwischen dem Punkt D und dem Punkt C - fUr (Ax)l an, so wird ein solcher Tausch gem realisiert. Er hat namlich zur Konsequenz, daB die Person 1 das Nutzenniveau U I verlassen und im Punkt C ein hoheres Nutzenniveau Uz erreichen kann. Entsprechendes gilt fUr den umge­kehrten Fall, daB die Person 1 nicht das Gut x, sondem das Gut y aufzugeben bereit ist und nach einem Tauschpartner Ausschau halt, der ihr wiederum zu einem Nut­zenzuwachs verhilft.

In der Regel fiihrt mithin ein Tausch zu einem Nutzenzuwachs bei den be­teiligten Personen. Er reduziert die Knappheit. Der Tausch ist aus Sicht der Tauschpartner insoweit okonomisch gieichrangig mit der Guterproduktion. Auch Giiterproduktion erhOht die VerfUgbarkeit iiber Giiter und bewirkt dam it eine Steigerung des Nutzenniveaus. Tausch erfiillt in diesem Sinne dne produktive Funktion.

2.5 Das Giiterangebot

2.5.1 Angebotsverhalten

Das Angebot an Gutern setzt die Bereitschaft zu freiwilligen Tauschprozessen voraus. Anbieter werden also fUr ihre Giiter andere Giiter, z.B. auch Geld, erhalten wollen. Dabei kann nach den Grundiiberlegungen zum Tausch davon ausgegangen werden, daB ein Anbieter eines Gutes einen Gegenwert erhalten will, der aus seiner Sicht zumindest so hoch ist wie bei dem von ihm angebotenen oder aufzugebenden Gut. Es spielen fUr das Giiterangebot daher wiederum EinfluBfaktoren eine Rolle, die subjektiv und personenbezogen sind. Eine Systematisierung dieser Einfliisse liiBt sich anhand einer Angebotsfunktion erreichen. Sie soli ausdriicken, wie die Menge eines angebotenen Gutes x sich als Funktion von erkliirenden GroBen dar­stellt.

In allgemeiner Form kann eine Angebotsfunktion wie folgt geschrieben werden:

x = f(px, Py, Pq, T, Prod., techno Niveau, ... , Wetter), mit

• Px als Preis des Gutes x, • pyals Preis anderer Giiter y, die mit x in einem Substitutionsverhaltnis stehen, • pq als Preis der in der Produktion des Gutes x eingesetzten Giiter (z.B. Roh­

stoffe, Betriebsmittel, andere betriebliche Produktionsfaktoren),

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• T als MaBgroBe fUr direkte staatliche Eingriffe in das Angebotsverhalten, wie z.B. spezielle Verbrauchsteuem, Abgaben und Normen, die sich auf die Pro­duktionsbedingungen auswirken,

• Prod. als MaBgroBe fUr den mengenmaBigen Einsatz von Produktionsfaktoren, insbesondere des Einsatzes von Arbeitsleistungen und von Kapital,

• techno Niveau steht fUr das technische Niveau der Produktionsfaktoren; damit solI der Stand des technischen Wissens der Arbeitsleistungen und das Produkti­vitatsniveau des Produktionsfaktors Kapital erfaBt werden,

• ... als hier nicht niiher erlauterte ErklarungsgroBen, die sich auf das Angebots­verhalten auswirken, wie Erwartungen der Anbieter iiber wirtschaftliche und politische Entwicklungen, die die Angebotsbedingungen beeinflussen konnen,

• das Wetter solI wiederum fUr die Vielzahl moglicher nicht-okonomischer Ein-fliisse stehen, die sich auf das Angebotsverhalten auswirken konnen.

Die angebotene Menge x hangt hiemach zunachst davon ab, welchen Preis der Anbieter flir sein Gut erhalt, d.h. sie ist abhiingig von PX. Damit kommt der Tauschzusammenhang zum Ausdruck, wonach ein Gut x in Abhiingigkeit vom daflir zu erzielenden Gegenwert angeboten wird. Mit dieser Uberlegung wird der zumeist dominierende EinfluB auf die angebotene Menge wiedergegeben und sei es nur insoweit als der Preis flir das Gut x in jedem Fall seine Wirkung ausiibt und zwar auch dann, wenn das Angebot des Gutes x aus einem vorhandenen Be­stand kommt (z.B. alte Gemalde oder Miinzen bzw. Grundsrucke) und aktuelle Produktionsbedingungen hierfiir unerheblich sind oder nicht existieren. Die Tausch- oder Angebotsbereitschaft wird hierbei urn so groBer sein, je hOher der erzielbare Preis Px und damit der Gegenwert fUr das einzutauschende Gut x ist.

Diese Preisabhangigkeit gilt nicht nur fUr das Angebot aus einem gegebe­nen Bestand, sondem auch fUr Guter, die aus laufender Produktion stammen. Je hOher der Preis flir das Gut x, urn so eher gibt es einen okonomischen Anreiz fUr die Giiterproduktion und urn so mehr Anbieter werden das Gut anbieten. Hierbei spielt eine Rolle, daB mit hOheren Preisen eines anzubietenden Gutes auch An­bieter auftreten und Produktionsverfahren eingesetzt werden, die zunachst weniger wirtschaftlich sind und fUr die sich erst bei hOheren Preisen eine Rentabilitat ergibt.

Aus beiden GrUnden hat somit die Angebotsfunktion im Preis-Mengen­Diagramm die in Abb. 14 dargestellte Verlaufsform. Sie gibt einen positiven Zu­sammenhang zwischen der angebotenen Menge des Gutes x und dem Preis von x, Px, wieder, was sich mit der Funktion A zum Ausdruck bringen laBt. Die An­gebotsfunktion A zeigt, daB bei einem geringen Preis von x die angebotene Menge ebenfalls gering ist, und daB bei einem hoheren Preis von x die angebotene Menge des Gutes x groBer sein wird.

Dieser Zusammenhang laBt sich noch genauer beschreiben. Die Angebots­funktion A zeigt die zu den alternativen Mengen von x gehOrenden geringsten Preise des Gutes x an, die von den Anbietem jeweils erwartet werden. Zu jeweils hOheren Preisen als denen auf der Angebotsfunktion waren die Anbieter selbstver­standlich gem bereit, die entsprechenden Mengen anzubieten, wei! sich dann ein Tausch flir sie noch mehr rentierte. Die Preise auf der Funktion A sind die Min-

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destpreise, die sie fUr die unterschiedlichen Mengen von x erhalten wollen. Zu Preisen unterhalb der Funktion A kommt es zu keinem den Mengen auf der Funk­tion entsprechenden Angebot.

Px

x Abb. 14: Angebotsfunktion

Mit der Angebotsfunktion der Abb. 14 ist ausschlie81ich der Zusammen­hang zwischen angebotener Menge und Preis des Gutes x abgebildet worden. Die weiteren ErklarungsgroBen der oben aufgeflihrten allgemeinen Angebotsfunk­tion sind dabei als konstant unterstellt. Das heiBt, daB die Angebotsfunktion der Abb. 14 in ihrer Lage und Verlaufsform unverandert bleibt, solange sich lediglich der Preis des Gutes x andert. Es ist sogar ihre hauptsachliche Aufgabe aufzuzeigen, wie die Anbieter bei alternativen Mindestpreisen die angebotene Menge verandern, bzw. welche Mindestpreise sie fUr alternative anzubietende Mengen erhalten wol­len. Sofern sich allerdings die weiteren ErklarungsgroBen der Angebotsfunktion andern, kann mit einer Verschiebung oder Verlagerung der Angebotsfunktion ge­rechnet werden.

Hier wie bei der Vorstellung der Nachfragefunktion wurde das in der Mikro­okonomik iibliche Verfahren gewahlt, nur die Auswirkung der Veranderung ei­ner ErkIarungsgro8e zu betrachten und andere konstant zu halten. Dies entspricht der ceteris-paribus-Methode. Dieses Vorgehen empfiehlt sich, obwohl in realen Umstanden durchaus mehrere ErklarungsgroBen gleichzeitig ihren keinesfalls gleichgerichteten EinfluB ausiiben. Die anderen ErklarungsgroBen flir das Ange­botsverhalten werden aber aus Griinden der Klarheit der Analyse als konstant angenommen. Dies erlaubt auch, den EinfluB der jeweils separat hervorgehobenen GroBen deutlicher als in konkreten Beobachtungen der wirtschaftlichen Umwelt erkennen zu lassen. Bei der Interpretation tatsachlicher Angebotsprozesse muB man sich dieser Einschrankung allerdings bewuBt sein und gegebenenfalls die Veranderungen bei den weiteren Einfltissen zusatzlich berucksichtigen.

Das Giiterangebot und die Angebotsfunktionen miissen im iibrigen Nachfra­geaspekte nicht oder nicht direkt mit einschlieBen. Auch wenn es vornehmlich tiber Erwartungen zu derartigen Verkntipfungen kommen wird, so ist in der einzelwirt­schaftlichen Betrachtung deutlich darauf hinzuweisen, daB das Giiterangebot

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keine zwingende logische Abhangigkeit von der Nachfrage hat. Gtiterangebot und Tauschbereitschaft konnen auch vorliegen, wenn keine entsprechende Nach­frage zu verzeichnen ist (nicht zuletzt gibt es immer wieder Firmenzusammenbrii­che wegen fehlender Nachfrage). Dies schlieBt keinesfalls aus, daB Anbieter ihr Angebot an der potentiellen Nachfrage nach dem Gut orientieren, bzw. daB sie tiber Werbung Nachfrager aufihr Gut hinlenken wollen.

2.5.2 Verlagerungen der Angebotsfunktion

Die fur die Konstruktion der Abb. 14 als konstant unterstellten weiteren EinfluB­groBen auf das Angebotsverhalten konnen sich als Griinde fur Verschiebungen der Funktion auswirken d.h. daraus resultieren mogliche Angebotsausweitungen oder Angebotseinschrankungen. In Abb. 15 ist eine Angebotsausweitung dargestellt. Sie ist formal dadurch charakterisiert, daB ausgehend von einem Punkt B auf der Angebotsfunktion Ao zurn gleichen Preis wie in Beine gro6ere Menge angeboten wird oder daB die gleiche Menge wie in B zu einern geringeren Preis angeboten wird. Injedem Fall resultiert daraus die neue Angebotsfunktion AI.

Px

x

Abb. 15: Angebotsausweitung

Die Grunde fUr die Verschiebung der Angebotsfunktion von Ao nach AI. die keinesfalls eine Parallelverschiebung sein muJ3, sind in Veranderungen der neben dem Preis von x weiteren EinfluJ3groBen zu suchen. 1m einzelnen konnten folgende AnstoBe zur Verschiebung fuhren: • die Preise anderer angebotener Giiter, wie z.B. der des Gutes y, d.h. Py, sinken,

so daB ilber den Konkurrenzzusammenhang zwischen den Anbietem der ver­schiedenen Gilter nun auch die Anbieter des Gutes x pro angebotener Mengen­einheit sich mit einem geringeren Preis zufrieden geben milssen;

• die Preise der im ProduktionsprozeB fur das zu produzierende Gut x einge­setzten Gilter, beispielsweise die Rohstoffpreise oder die Preise der Produkti­onsfaktoren wie Zinsen oder Lohne, Pq, sinken. Damit werden die Anbieter in

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die Lage versetzt, pro angebotener Mengeneinheit einen geringeren Preis zu fordem, ohne ihre Rentabilitiit zu beeintrachtigen;

• die Steuem oder Abgaben pro Mengeneinheit T sinken. Dies wirkt sich eben­falls wie eine Kostensenkung in den Produktionsbedingungen aus, so daB die Anbieter gleiche Mengen wie bisher zu einem geringeren Preis anbieten k6n­nen;

• der mengenmiiBige Einsatz von Produktionsfaktoren, Prod., kann zunehmen, wodurch beispielsweise zum gleichen Preis wie bisher eine gr6Bere Menge des Gutes x angeboten werden kann. Einen steigenden Einsatz von Produktionsfak­toren wird man vielfach unterstellen k6nnen, wenn die Zahl der Anbieter zu­nimmt;

• das technische Niveau der Produktionsfaktoren, techno Niveau, kann steigen, so daB die Produktion rationeller erfolgt. Dies schlagt sich in einem insgesamt ge­ringeren Kostenniveau des Produktionsprozesses nieder, weshalb wiederum die Anbieter das Gut x pro Mengeneinheit zu einem geringeren Preis anbieten k6n­nen;

• viele Anbieter reagieren mit ihrem Angebotsverhalten und damit mit den fUr unterschiedliche Mengen zu fordemden Preisen auf Erwartungen fiber kiinftige Marktbedingungen. FUr AuBenstehende wird dies besonders schwer nachzu­vollziehen sein. Relativ leicht einsehbar sind aber z.B. Verlagerungen der Angebotsfunktion infolge jahreszeitlicher oder saisonaler Einflfisse;

• im fibrigen werden sich auBer-6konomische Gr6Ben wie das Wetter ebenfalls auf das Angebot niederschlagen. 1m einfachsten Fall wachsen landwirtschaftli­che Produkte bei fUr sie gUnstigem Wetter besser, so daB zum gleichen Preis pro Mengeneinheit mehr Gutseinheiten angeboten werden.

Die neben dem Preis des Gutes x weiteren EinfluBgr6Ben der Angebotsfunk­tion k6nnen auch zu einer Angebotseinschrinkung beitragen. Die Angebotsfunk­tion verlagert sich dann wie in Abb. 16 von Ao nach At.

Px

x

Abb. 16: Angebotseinschriinkung

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Die Angebotseinschrfulkung oder Reduktion des Angebots ergibt sich, wenn die oben angefiihrten ErkHirungsgroBen die entgegensetzte Entwicklung aufweisen, wie bei der Angebotsausweitung. Insbesondere eine PreiserhOhung bei Konkurrenzprodukten, eine ErhOhung der Produktionskosten, eine Verbrauch­steuererhOhung fUr das Gut x, eine Verschlechterung der Produktivitiit und eine Verringerung der Zahl der Anbieter werden dazu fiihren, daB ausgehend von einem Punkt B in Abb. 16 zum gleichen Preis nur eine geringere Menge des Gutes x angeboten wird oder daB die gleiche Menge wie in Punkt B nur zu einem hOheren Preis angeboten werden kann

Selbstverstiindlich gibt es auBerdem Erwartungseinflusse und auBer-okonomi­sche Ursachen, die gleichfalls eine Angebotseinschrlinkung und damit eine Ver­schiebung der Funktion Ao nach AI zur Folge haben konnen.

2.5.3 Preiselastizitat des Angebots

Die Verlaufsform von Angebotsfunktionen laBt sich in Analogie zu den Nach­fragefimktionen ebenfalls mit Hitfe des Elastizitatskonzepts naher beschreiben. Wie bei der Nachfrage kann man beispielsweise zwischen einer starren und einer elastischen Reaktion des Angebots unterscheiden. Damit ist die Preiselastizitat des Angebots, T\, gemeint, die sich durch folgende Relation ausdrticken laBt:

oder

relative Anderung der angebotenen Menge von x relative Anderung des Preises von x

T\ = dx/ x

dpx/ px'

wobei fUr diese Relation bzw. fUr die GroBe 11 vomehmlich Werte von kleiner eins oder groBer eins von Bedeutung sind. Ein Wert der Angebotselastizitat k1einer eins wird als starre oder unelastische Reaktion bezeichnet. Eine solche starre Angebotsreaktion liegt vor, wenn die angebotene Menge an x auf relative Preisan­derungen in einem verhliltnismaBig geringen AusmaB reagiert. Abb. 17 stellt eine solche Angebotsfimktion dar, die in dem relevanten Bereich starr oder unelastisch ist.

Bei einer starren Angebotsfimktion fiihrt z.B. eine relativ groBe PreiserhO­hung nur zu einer geringen Ausweitung der angebotenen Menge. In Abb. 17 be­deutet dies, daB ein Steigen des Preises von Pxl auf Px2 eine Bewegung auf der Angebotsfimktion vom Punkt B zum Punkt C veranlaBt, wobei die damit verbun­dene MengenerhOhung von XI auf X2 relativ gering ausflillt. Eine derartig starre Angebotsreaktion wird vielfach bei Giitern anzutreffen sein, deren Angebot vorwiegend oder gar ausschlieBlich aus einem gegebenen Bestand kommt, also nicht durch Produktion vermehrt werden kann. 1m ubrigen diirften starre Ange­botsreaktionen eher kurzfristig als langerfristig zu erwarten sein.

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Px

Px2 ............................ .

Pxl

XI Xz X

Abb. 17: Starres Angebot

Eine elastische Reaktion des Angebots ist in Abb. 18 dargesteUt. Aus der Grafik ist ersichtlich, daB z.B. eine geringe relative PreiserhOhung eine relativ groBe Mengenausweitung des angebotenen Gutes zur Folge hat.

Px

C A

Pxl

X

Abb. 18: Elastisches Angebot

Die Preissteigerung von Pxl auf Px2 veranlaBt die Anbieter, ihre Angebots­menge von XI auf Xz auszuweiten. Die Bewegung yom Punkt B zum Punkt C auf der Angebotsfunktion A fuhrt mithin bei einer geringen Preiserhohung zu einer verhaltnismaBig groBen MengenerhOhung. Ein derart elastisches Angebot wird vor aUem bei Giitern zu erwarten sein, die aus laufender Produktion raseh zur Verfiigung gesteUt werden kannen, wobei im ProduktionsprozeB noeh hinreichend freie oder erweiterbare Kapazitaten bestehen, bzw. die Kapazitatsgrenzen noeh nieht erreieht sind.

Die Erlauterungen zur Angebotselastizitat, die eben anhand einer PreiserhO­hung verdeutlieht wurden, kannen selbstverstandlieh aueh in gleicher Weise auf

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den Fall von Preissenkungen als auslosendem AnstoB fur die Mengenreaktion des Angebots iibertragen werden.

2.6 Das Marktgleichgewicht

2.6.1 Entstehung eines Marktgleichgewichts

Vnter einem Markt versteht man das Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern eines Gutes. Grafiseh laBt sieh ein Markt dadureh veransehauliehen, daB die entspreehenden Angebots- und Naehfragefunktionen wie in Abb. 19 zu­sammengefuhrt werden. Hierbei ist noeh unterstellt, daB die A- und die N-Funk­tion einen gemeinsamen Schnittpunkt im Punkt G aufweisen. Dies ist nicht alI­gemein erforderlich, denn es kann durehaus Marktsituationen geben, in denen ein solcher Sehnittpunkt nieht existiert, wenn z.B. die Naehfrager eine Hoehstpreisvor­stellung haben, die noeh unterhalb des Mindestangebotspreises der Anbieter liegt.

In Abb. 19 haben wir im Punkt G einen tatsaehliehen Sehnittpunkt von An­gebots- und Naehfragefunktion, dieser wird als Marktgleichgewicht bezeichnet. 1m Marktgleichgewicht decken sich die Plane und Vorstellungen von Anbie­tern und Nachfragern sowohl was die Preise als aueh was die Mengen des zu tausehenden Gutes anbetrifft. Nur in dies em Punkt existiert von seiten beider Marktparteien fUr die gleiche Menge Xo eine gleichartige Preisvorstellung Po. Allerdings ist fur die Anbieter Po der Mindestpreis, zu dem sie die Menge Xo anbie­ten wollen, und fur die Naehfrager ist Po der Hoehstpreis, den sie fur die Menge Xo zu zahlen bereit sind. Bei allen anderen Preisen und Mengen im Preis-Mengen­Diagramm deeken sieh die Vorstellungen von Anbietem und Naehfragem nieht. Der Einfaehheit halber ist in Abb. 19 und den folgenden Abbildungen der Preis des Gutes x nur noeh mit p bezeichnet, da es keine Verweehslungen mit den Preisen anderer Giiter geben kann.

Die Anbieter wollen beispielsweise bei einem Preis in Hohe von PI nur die Menge XI anbieten, wahrend die Naehfrager die groBere Menge X2 naehfragen. In einem freien TausehprozeB fuhrt dies dazu, daB sieh iiber Konkurrenzbeziehun­gen die Naehfrager zu PreiserhOhungen und entspreehenden Verringerungen der naehgefragten Menge bereit finden werden und die Anbieter im Zuge der Preiser­hohung aueh ihre Angebotsmengen ausdehnen werden, bis im Punkt G die Werte von Preis und Menge iibereinstimmen.

FUr den anderen Fall, daB Anbieter und Naehfrager gemaB ihren Vorstellun­gen, die dureh die A- und die N-Funktion verkorpert sind, nur die gleiehe Menge XI anbieten bzw. naehfragen wollen, werden sie dies mit untersehiedliehen Preis­vorstellungen tun; die Anbieter gehen mit der Preisvorstellung PI auf den Markt, die Naehfrager mit der Preisvorstellung P2. Die Marktparteien werden beim Zu­sammentreffen diese Differenz sofort erkennen. Den Anbietem wird bewuBt, daB die Naehfrager die angebotene Menge aueh fur einen hoheren Preis haben wollen, wahrend die Naehfrager die geringeren Preisvorstellungen der Anbieter zur Kennt-

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nis nehmen werden. In einem freien Tauschproze8 ergibt sich daher fur die An­bieter ein Anreiz zu Preissteigerungen, die auch MengenerhOhungen nach sich ziehen, und fur die Nachfrager entsprechend der N-Funktion ein Anreiz, ihre Preisvorstellungen zu senken und zugleich die nachgefragte Menge auszuweiten. Dies lOst wiederum eine gemeinsame Tendenz in Richtung auf den Gleichge­wichtspunkt G aus.

p

P2

Po

Abb. 19: Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf einem Markt

Gelangt der MarktprozeB zum Marktgleichgewicht im Punkt G, so liegt Marktraumung vor. Damit ist gemeint, daB zum Gleichgewichtspreis Po aile, die zu diesem Preis das Gut x anbieten, Nachfrager tinden, die zu diesem Preis die angebotene Menge vollstandig nachfragen und umgekehrt. Es gibt mithin im Mark­tgleichgewicht G keine zwischen den Marktparteien abweichenden Wtinsche oder Vorstellungen tiber Preise und Mengen. In G liegen daher keine Mengentiber­schtisse oder -defizite zwischen den Marktparteien vor und auch keine Unter­schiede in den Preisvorstellungen.

Die fUr freie Tausch- und Marktprozesse unterstellten Anpassungen auf seiten der Anbieter und Nachfrager sind am ehesten auf hochentwickelten Markten beobachtbar, d.h. an Borsen oder bei groBen Auktionen. Nur dort ist mit entspre­chend raschen und zielgerichteten Reaktionen zu rechnen, die sich vorwie­gend auf Preisveranderungen konzentrieren. Durch rasche Preisveranderungen wird das Gleichgewicht gefunden. Auf weniger entwickelten Markten laufen die Anpassungen in der Regel langsamer ab, und es kommt auch zu Mengenreaktionen und zu Verzogerungen auf dem Weg zum Gleichgewichtspunkt G. Dabei konnen auch iiberschie6ende Preis- und Mengenausschlage entstehen, so daB der Punkt G nicht direkt, sondem nur auf Umwegen erreicht wird bis hin zur moglichen Kon­sequenz, dass vor Erreichung des Gleichgewichts neue AnstoBe auftreten, die er­neut eine Folge von Anpassungsreaktionen auslOsen.

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2.6.2 Einflu8 einer Nachfrageausweitung auf das Marktgleichgewicht

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Das Marktgleichgewicht wurde zunachst fUr eine gegebene Angebots- und Nach­fragefunktion dargestelIt. Nun kann sich in Abhangigkeit von okonomischen und auBer-okonomischen Bedingungen und Entwicklungen eine Anderung in der Aus­gangs situation ergeben, die sich in einer Verschiebung der Nachfragefunktion niederschlagt und zu einem neuen Marktgleichgewicht fiihrt. Abb. 20 zeigt auf, wie ausgehend von den anfanglichen Angebots- und Nachfragefunktionen Ao und No und dem Marktgleichgewicht in Go eine Anderung eintritt, die von einer Aus­weitung der Nachfrage, d.h. einer Rechtsverschiebung der Nachfragekurve nach N] hervorgerufen wird. GrUnde fUr die Rechtsverschiebung konnen sein, eine Ein­kommenssteigerung bei den Nachfragem, ein Zuwachs der Zahl der Nachfrager, Preiserhohungen bei Substitutionsgiitem, aber auch eine viele Nachfrager erfas­sende Mode, sich verstarkt dem hier betrachteten Gut x zuzuwenden. Der Voll­standigkeit halber ist noch eine Annahme zum Anbieterverhalten erforderlich. Diese solI darin bestehen, daB die Anbieter von der Nachfrageausweitung iiber­rascht werden. 1m Angebotsverhalten gibt es somit keine Anderungen, die von der Nachfrageausweitung her zu begrUnden waren.

Durch die Verschiebung der Nachfragefunktion von No nach N] ergibt sich eine Anderung im Marktgleichgewicht flir das zu handelnde Gut x. Das neue Gleichgewicht G I liegt im Schnitt der bestehenden Angebotsfunktion Ao mit der verschobenen Nachfragefunktion NI . Dort ist mit PI ein gegeniiber dem alten Gleichgewicht hOherer Preis und mit Xl eine gro6ere Menge festzustelIen. Die Ausweitung der Nachfrage flihrt mithin auf dem Markt zu einem hoheren Preis und einer gestiegenen Menge.

Abb. 20: Auswirkung eine Nachfrageausweitung auf das Marktgleichgewicht

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Das neue Marktgleichgewicht kommt dadurch zustande, daB es durch die er­hohte Nachfrage auf einem freien Tauschmarkt mit Konkurrenzbeziehungen zu Oberbietungen zwischen den Nachfragem kommt, so daB der Preis steigen kann und daB dementsprechend die Anbieter gemaB ihrer unveranderten Angebotsfunk­tion mit der angebotenen Menge ebenfalls reagieren. Hierbei ist zurn einen zu beachten, daB sich die Ausweitung der Nachfrage, die in horizontaler Richtung durch den Abstand zwischen den Punkten Go und F gemessen werden kann, nicht vollstandig in der Mengenausweitung des neuen Gleichgewichts niederschlagt, d.h. die Mengenerhohung von Xo auf XI ist geringer als es der Ausweitung der Nachfrage entspricht. Es kommt bei den hier unterstellten Elastizitaten von Ange­bots- und Nachfragefunktionen zudem noch zu einer Preiserhohung, weil nur iiber diesen Weg ein gegeniiber Go mengenmaBig vergroBertes Angebot erreicht werden kann. Die PreiserhOhung ihrerseits bewirkt allerdings auch, daB die nachgefragte Menge gemaB der neuen Nachfragefunktion Nl nur das AusmaB von Xl hat und nicht der Menge im Punkt F entspricht.

Bei iiblichen Elastizitaten von Angebot und Nachfrage fUhrt mithin der Ange­bots-Nachfrage-Mechanismus auf einem freien Markt dazu, daB die einmal auftre­tende Nachfrageausweitung nicht in ihrem vollen Umfang zum Tragen kommt, sondem wegen der Preiserhohung abgemildert wird. Der Marktrnechanisrnus wirkt insoweit darnpfend in der Ubertragung der aufgetretenen Mengenverande­rung. Die gleiche Dampfungswirkung laBt sich darstellen, wenn die Nachfrage­ausweitung so interpretiert wird, daB die Nachfrager gegentiber der Ausgangs­situation fUr unveranderte Mengen hohere Preise zu zahlen bereit sind, wodurch bei der alten Gleichgewichtsmenge Xo ein Preis zustande kommen miil3te, der in Abb. 20 dem Niveau des Punktes H entsprache. Diese ungedampfte oder vollig mechanische Obertragung eines AnstoBes, die hier tiber die Nachfrageseite auf den Markt zukommt, findet nicht statt, sondem sie wird dadurch abgemildert, daB die Anbieter bei steigenden Preisen mit einer Mengenerhohung reagieren, weshalb sich die Preiserhohung nicht im vollen Umfang der Nachfrageausweitung im neuen Gleichgewicht Gl niederschlagen kann. Die Nachfrageausweitung, die beim alten Gleichgewicht als AnstoB oder Schock eintritt, wird tiber den MarktprozeB nur gedarnpft auf das neue Gleichgewicht iibertragen.

Ftir die Interpretation des neuen Gleichgewichts Gl in Abb. 20 und der dort herrschenden Preis- und Mengenbedingungen ist zurn anderen eine weitere we­sentliche Feststellung erforderlich. 1m neuen Gleichgewicht gilt ein gegeniiber bisher hOherer Preis Pl. In alIer Regel werden zur Ausweitung der Nachfrage und damit der Verschiebung der Nachfragefunktion nicht aIle Nachfrager beigetragen haben. Insbesondere die Nachfrager, deren Nachfrageverhalten unverandert ge­blieben ist, werden iiberrascht sein, daB der Preis des Gutes X ansteigt. Viele Nachfrager beobachten das Marktgeschehen keineswegs intensiv oder gar systema­tisch. Sie miissen daher nicht notwendigerweise das Hinzukommen weiterer Nach­frager oder eine verstarkte Nachfrageintensitat bei einem Teil der bisherigen Nach­frager bemerkt haben. Gleichwohl werden sie mit dem Resultat dieser Anderungen, d.h. dem hOheren Preis PI konfrontiert. Es ist fUr sie dann auch nicht leicht, sich

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eine solche Preiserhohung zu erklaren, zumal sich der hohere Preis aus dem Markt­prozeB und dam it auch aus dem Anbieterverhalten ergibt. Uber die moglichen Griinde fiir die Preiserhohung entstehen damit vielfach widerspriichlichste Vermu­tungen. Insbesondere die Nachfrager, deren Verhalten sich nicht geandert hat, wer­den die Anbieter als Verursacher der Preiserhohung vermuten, zumal sie von der PreiserhOhung nur tiber den Kontakt mit Anbietem erfahren.

Damit schlieBt sich auch die Erkenntnis an, daB Marktprozesse in frei zu­giinglichen Markten fUr einzelne Teilnehmer oder Beobachter yom tatsachlich erreichten Ergebnis her immer unbestimmbar sind und mit Uberraschungen ver­bunden sein konnen, da kein Teilnehmer und auch kein Beobachter tiber aile Informationen verfiigt, die von seiten der Anbieter und Nachfrager insgesamt in den Markt einflieBen. Es zeigt sich insoweit auch eine weitere Eigenschaft von Marktprozessen, an denen in der Regel viele Teilnehmer beteiligt sind. Ein ein­zeIner Nachfrager oder Anbieter ist jeweils yom Auftreten und den Reaktionswei~ sen aller anderen Marktteilnehmer mit abhangig, ohne daB er hieriiber von vom­herein und im Detail informiert sein kann. Der Markt fiihrt aber nicht nur die Teil­nehmer zusammen, sondem auch alle Informationen, tiber die sie verfiigen und die sich dann in ihrem Nachfrage- und Angebotsverhalten niederschlagen. Der Markt ist daher eine gesellschaftliche Erscheinung oder eine gesellschaftliche bzw. soziale VeranstaItung in dem Sinne, daB er auf dem Verhalten einer Gesellschaft beruht. Von dieser gesellschaftlichen Erscheinung werden die einzelnen in positi­ver wie in negativer Weise beeinfluBt, ebenso wie jeder einzelne zu seinem Teil auf das Marktgeschehen einwirkt.

2.6.3 Einflu8 einer Angebotseinschrankung auf das Marktgleichgewicht

In Abb. 21 ist eine Situation wiedergegeben, in der ausgehend von einem durch Ao und No gepragten Marktgleichgewicht in Go eine Anderung der Angebotsfunktion zustande kommt, die zu einer Angebotseinschrankung fiihrt, d.h. zu einer Ver­schiebung der Angebotsfunktion nach AI. Griinde hierfiir konnen beispielsweise eine Kosten- oder Steuererhohung oder eine Verringerung der Zahl der Anbieter sein. In jedem Fall ergibt sich im Punkt GI ein neues Marktgleichgewicht mit ei­nem gegentiber bisher hoheren Preis PI und einer geringeren Menge XI.

Wenn die Angebotseinschriinkung z.B. durch eine Kostenerhohung zustande kommt, die dem AusmaB der vertikalen Strecke zwischen den Punkten Go und E entspricht, werden die Anbieter die bisherige Angebotsmenge nunmehr zu einem urn diese Preisdifferenz hoheren Preis anbieten wollen. Aus der Abb. 21 erkennt man aber, daB die tatsachliche PreiserhOhung im neuen Gleichgewichtspunkt GI

geringer ausfallt, als das Ausman der KostenerhOhung. Dies liegt daran, daB bei der hier unterstellten tiblichen ElastiziUit der Nachfrage eine PreiserhOhung im von den Anbietem zunachst geplanten Umfang zu einer deutlichen Mengenreduktion fuhren wiirde. Dies veranlaBt die Anbieter im Endeffekt, nur eine geringere Preiserhohung von Po auf PI vorzunehmen, urn die MengeneinbuBe zu begrenzen.

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Die angenommene Kostenerhohung fiihrt, wie auch andere Griinde fUr eine Ange­botseinschrankung, nur zu einem Teil zu einer Veranderung des Gleichgewichts­preises. Dies gilt zumindest im ersten Impuls, d.h. so lange die unterstellte Kon­stanz der Nachfrage zutrifft.

p

PI

Po

I ~

XI Xo X

Abb. 21: Auswirkung einer Angebotseinschrankung auf das Marktgleichgewicht

Wie bereits im Zusammenhang mit einer Nachfrageausweitung abgeleitet, laBt der MarktprozeO auch bei einer Angebotsverschiebung nur ein gedampftes oder abgemildertes Ergebnis eines fUr die Marktparteien zunachst iiberraschend auftretenden AnstoOes erwarten.

2.6.4 Staatliche Eingriffe in den Marktproze8

Marktgleichgewichte konnen sich nicht auf allen Markten durch das freie und von auBen unbeeinfluBte Zusammenspiel von Anbietem und Nachfragem herausbilden. Auf einer Reihe von Markten kommt es vielmehr zu Eingriffen z.B. seitens der staatlichen Wirtschaftspolitik, wodurch sich Resultate ergeben, die von denen eines freien Marktprozesses abweichen. Besonders bei staatlichen MaBnahmen sprechen deren Berurworter dabei gem von Markt-"ordnungs"-maBnahmen. Die betreffenden Markte sind in solchen Fallen aber keinesfalls durch Unordnung ge­kennzeichnet, sie kommen lediglich ohne die Eingriffe andere Preis- oder Mengen­resultaten zustande als es aus der Sicht einiger der Beteiligten oder der staatlichen Wirtschaftspolitik wiinschenswert ware. Typische Eingriffe bestehen in der Fest­setzung von Mindestpreisen oder von Hochstpreisen.

Zu dem Instrument eines Mindestpreises fUr ein Gut wird im allgemeinen ge­griffen, wenn seitens der Anbieter dariiber geldagt wird, daO der bisherige Marktpreis zu gering sei und es daher den Anbietem auf Dauer nicht moglich

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ware, ihre Kosten zu decken. Daneben werden die Anbieter darauf hinweisen, daB sie rur ein dauerhaftes Angebot eine verliiBliche Kalkulationsgrundlage benotigten. Ein Mindestpreis soli sie dementsprechend in die Lage versetzen, ihre Produkti­onskosten zu decken und sie vor uniibersehbaren Risiken zu schiitzen. Mit ande­ren Worten wird damit zum Ausdruck gebracht, daB eine freie Marktpreisbildung zu geringeren Preisen fiihrte, bei denen es nur noch wenigen Anbietem moglich ware, weiterhin als Produzent und Anbieter des Gutes aufzutreten. Abb. 21 veran­schaulicht die Setzung eines Mindestpreises.

P

PI ,----------~~--------------~~--------- Mindestpreis

PO,·········7'······················+················· .......... ~

X2 x

...... AngebotsiiberschuB ~

Abb. 22: Setzung eines Mindestpreises

Ein Mindestpreis liegt in aller Regel nicht unterhalb des Marktgleichge­wichtspreises Po, sonst wiirde von ihm keinerlei EinfluB auf die Marktpreisbildung ausgehen, und er ware entbehrlich. Ein Mindestpreis wird von der Wirtschafts­politik vielmehr dann verlangt und festgesetzt, wenn der Marktpreis als zu niedrig erachtet wird. Die Setzung des Mindestpreises auf dern Niveau PI wie in Abb. 22 hat rur sich genommen die Konsequenz, daB zu dies em Preis die Angebotsmenge gemaB Ao mit X2 groBer ist als die des Marktgleichgewichts im AusmaB von Xo im Punkt G. Allerdings ist aus Abb. 22 auch erkennbar, daB zum Preis PI die Nachfra­ger gemaB No nur die Menge XI nachfragen werden. Damit entsteht ein Angebots­iiberschu8 im AusmaB des horizontalen Abstandes zwischen den Punkten E und F, bzw. im AusmaB der Strecke zwischen XI und X2.

Wiirde der Mindestpreis lediglich durch eine staatIiche Verordnung festge­legt, ergabe sich auf einem ansonsten freien Markt wegen der Wirkung des Ange­botsiiberschusses durch das KonkurrenzverhaIten der Beteiligten rasch eine Ten­denz zurn Preisverfall hin zurn Gleichgewichtsniveau Po. Dort wiirde der Ange­botsiiberschuB verschwunden sein.

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Damit diese Folge nieht eintritt, wird es nieht nur bei der staatlichen Ver­ordnung bleiben, die aus Sieht des Staates weitestgehend kostenfrei ist. Die Set­zung des Mindestpreises muB vielmehr mit iiberaus kostenintensiven weiteren staatliehen Ma8nahmen abgesiehert und verteidigt werden. Vom Ziel her miis­sen diese zusatzliehen MaBnahmen den Angebotsiiberschu8 verhindem bzw. zum Verschwinden bringen, ohne daB der Mindestpreis PI gef<ihrdet wird. Eine be­kannte Mogliehkeit besteht darin, daB der Staat selbst im AusmaB des Angebots­iibersehusses zusatzliehe Naehfrage naeh dem Gut ausiibt und die entsprechende Menge autkauft. Dies ergabe eine Verschiebung der Gesamtnachfragefunktion (einschlieBlich der staatlichen Nachfrage) von No naeh NI, so daB im Punkt F die angebotene Menge zum Mindestpreis insgesamt nachgefragt wird. Der Staat konnte die aufgekauften Mengen unter Umstanden einlagem bis die private Naeh­frage sieh ihrerseits so weit ausdehnt, daB der Weiterverkauf der gelagerten Men­gen den Mindestpreis nicht in Gefahr bringt. Nur selten laBt sich aber eine solche Nachfrageentwieklung beobachten. Dann ist der Staat gehalten, die aufgekauften Mengen mit erheblichen Kosten zu anderen marktfahigen Produkten umzugestal­ten, sie zu vemichten oder auf Markten anzubieten, die mit dem hier betrachteten nicht in Beziehung stehen.

In einer Reihe von Fallen kann und wird der Staat aber aueh versuchen, den AngebotsiiberschuB nicht iiber eine Nachfrageausweitung, sondem iiber eine An­gebotsreduktion abzubauen und auf diesem Weg zur Stabilisierung des Mindest­preises beizutragen. Dies liefe dann auf eine Verschiebung der Angebotsfunktion nach AI hinaus, so daB im Punkt E der Abb. 22 die reduzierte angebotene Menge zum Preis PI auch nachgefragt wird. Die Reduktion des freiwilligen Angebots erfordert in aller Regel ebenfalls betrachtliche Kosten in Form von finanziellen An­reizen flir die Anbieter, ihre Produktion einzusehriinken. Hin und wieder greift der Staat auf eine Kombination beider Einwirkungsmoglichkeiten zurUck, d.h. er be­einfluBt die Gesamtnachfragefunktion und die Gesamtangebotsfunktion.

Hochstpreise sind typische Instrumente, mit denen die Nachfrager vor ei­nem zu hohen Preis "geschiitzt" werden sollen, bzw. mit denen eine aus Sicht der Wirtschaftspolitik groBere Nachfragemenge erreieht werden soll als sie sich anson­sten auf einem unbeeinfluBten Markt ergabe. Hochstpreise oberhalb des Markt­gleichgewichtspreises Po in Abb. 23 sind flir das Funktionieren des Marktes uner­heblich. Sie wiirden das Markgleichgewicht im Punkt G nicht beeinflussen. Ein Hochstpreis wird von der staatliehen Wirtschaftspolitik daher insbesondere dann verordnet, wenn ein niedrigerer Preis als der Gleiehgewichtspreis Po gelten soll.

Unmittelbare Konsequenz der Hochstpreissetzung auf dem Niveau PI ist, daB zu diesem Preis die Anbieter gemaB Ao nur die Menge XI anbieten, die Nach­frager aber zum Hochstpreis die Menge X2 erhalten wollen. Es entsteht damit ein Nachfrageiiberschu8 im AusmaB der Strecke zwischen XI und Xz.

Allein die Setzung des Hochstpreises wiirde wegen des Naehfrage­iiberschusses dazu fiihren, daB die Nachfrager sich iiberbieten und daher eine Preissteigerung und eine Ausweitung der angebotenen Menge eintrate bis im Punkt G das Gleichgewichtspreisniveau Po erreicht ware. Soll dies verhindert werden,

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muB die staatliche Wirtschaftspolitik neben der nahezu kostenfreien Verordnung eines Hochstpreises weitere, kostentrachtige MaBnahmen ergreifen, urn den Nach­frageiiberschuB auszuschlieBen, bzw. ihn zu reduzieren. In aller Regel zielen beob­achtbare MaBnahmen hierbei darauf, die Angebotsfirnktion so weit nach rechts zu verlagem, daB der Punkt F in Abb. 23 erreicht wird, wo sich mit der unveranderten Nachfragefunktion ein Schnittpunkt auf dem Niveau des Hochstpreis ergibt. Diese Angebotsausweitung gestaltet sich jedoch besonders schwierig oder teuer, wei! freiwillige Anbieter die Neigung haben, sich aus Markten mit.staatlichen Eingriffen in Form von Hochstpreisen zurUckzuziehen. Die staatliche Wirtschaftspolitik hat es demnach nicht mit einem gegebenen NachfrageiiberschuB zu tun, sondem mit einem, der sich iiber die Zeit hin tendenziell ausweitet. Dies erfordert einen beson­ders weitreichenden fmanzpolitischen Mitteleinsatz, wenn es letztlich keine priva­ten Anbieter mehr gibt und der Staat das Gesamtangebot ausschlieBlich allein be­reitstellen muB.

p Ao

Po

.- NachfrageiiberschuB -+ Abb. 23: Setzung eines Hochstpreises

I Hochstpreis I

x

FUr Markte mit Hochstpreisen ist es im iibrigen charakteristisch, daB die staatliche Wirtschaftspolitik nicht auf das prinzipiell wirksame Mittel der Nach­fragereduktion zurUckgreift; denn es ist ja gerade Ziel des Markteingriffs, die Nachfragemenge eher auszuweiten und nicht zu reduzieren.

2.7 Funktionen des Preismechanismus

Marktprozesse, die sich aus dem Zusammenspiel von Nachfrage und Angebot ergeben, und sich in Anpassungen des Preises aber auch in entsprechenden Men­genreaktionen niederschlagen, wurden bisher auf der Grundlage weniger typi-

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scher Beobachtungen menschlichen VerhaItens dargestellt. Wir haben dabei erganzend angenommen, daB der Marktzugang jedem, der sich an einem TauschprozeB beteiligen will, offen steht, so daB zwischen den Marktteilnehmern der jeweils gleichen Marktseite Konkurrenz besteht. Weitere einschrankende An­nahmen sind und waren nicht erforderlich, urn die Funktionsweise von Markten und die Eigenheiten des Preisbildungsprozesses darstellen und verstehen zu kon­nen. Marktprozesse besitzen insbesondere wesentliche gemeinsame Eigenheiten unabhangig von der Zahl der auf seiten des Angebots oder der Nachfrage vorhan­denen Teilnehmer. Sie sind auch unabhangig davon, ob das beispielhaft gehandelte Gut x aus Sicht aller Teilnehmer technisch vollig gleichartig oder homogen ist, zumal sich die wirtschaftliche Bewertung des Gutes x zwischen den Marktteilneh­mern immer unterscheiden wird. Der Preismechanismus, der auf offenen Mark­ten zum Tragen kommt, ist grundsatzlich durch eine Reihe von Eigenschaften charakterisiert, bzw. er erfUllt Aufgaben oder Funktionen, die bislang nur ange­deutet werden konnten, nun aber nochmals zusammengefaBt erlautert werden sol­len.

Uber den Markt und das damit verbundene Aufsuchen eines Gleichgewichts, das im Herausfinden eines Preises besteht, zu dem die Marktteilnehmer eine fUr beide Seiten gleich groBe Menge tauschen wollen, ergeben sich aus dem Such­prozeB und seinem Resultat - dem Gleichgewichtspreis und der Gleichgewichts­menge - fUr aIle Marktteilnehmer besondere Informationen tiber die okonomische Einschiitzung eines Gutes. Die primare Aufgabe eines jeden Marktes besteht mithin darin, zu einem Informationsaustausch unter den Marktteilnehmern beizutragen. Auf dem Markt erhalten die Nachfrager Informationen tiber Preis- und Mengenvorstellungen der Anbieter, aber auch die Anbieter erfahren (zum Teil erst) auf dem Markt etwas tiber die Preis- und Mengenplane der Nachfrager.

Der Markt vermittelt mit seinem PreisbildungsprozeB aber nicht nur Informa­tionen zwischen den als Marktparteien zusammengefaBten Nachfragern und Anbie­tern insgesamt. Die Informationsfunktion erstreckt sich gleichfalls auf dieeinzel­nen Marktteilnehmer der jeweiligen gleichen Marktpartei selbst. Ein einzelner Nachfrager kennt beispielsweise nicht von vornherein die Preis- und Mengenvor­stellungen der anderen Nachfrager. Diese fUr die Entwicklung einer eigenen Wert­vorstellung fUr ein Gut wichtige Information erlangt er nur tiber den Markt und den dort ablaufenden PreisbildungsprozeB. Gleiches gilt urngekehrt fUr einzelne An­bieter, denen ebenfalls erst durch das Zusammentreffen auf dem Markt Informatio­nen tiber das Angebotsverhalten der weiteren Anbieter insgesamt zuflieBen. Aus den Einzelinformationen der jeweiligen Marktteilnehmer wird fiber den auf einem Markt ablaufenden Preisbildungsmechanismus ein gegenseitiger, gesell­schaftlicher Informationsproze8.

Die Informationen, die sich aus dem Preismechanismus gewinnen lassen, die­nen fUr die Marktteilnehmer einem okonomischen Zweck. Sie zeigen die Bewer­tung eines Gutes an. So wird offenkundig gemacht, welchen maximalen Wert die Nachfrager einer gegebenen Gutsmenge beimessen, d.h. welches Einkommen be i­spielsweise Haushalte aufzugeben bereit sind, urn eine bestimmte Menge des Gutes

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zu erhalten. Andererseits kommt auch zum Ausdruck, welchen minimalen Wert die Anbieter fUr eine bestimmte Gutsmenge erwarten und inwieweit sie gegebenenfalls als Produzenten Produktionskosten zu akzeptieren bereit sind.

Durch die Bewertungsfunktion des auf dem Markt ablaufenden Preismecha­nismus werden gleichzeitig die Knappheitsverhiiltnisse offenbar. Die Knappheit eines Gutes ergibt sich immer aus dem Verhaltnis von Wiinschen nach dem Gut in Relation zur Verfiigbarkeit. Die Wiinsche schlagen sich im Nachfrageverhalten nieder, die Verfiigbarkeit aus Bestlinden oder aus laufender Produktion zeigt sich im Angebotsverhalten. Der Preismechanismus stimmt Angebot und Nachfrage aufeinander ab und hat somit die Funktion, die Knappheit eines Gutes aus der Sicht aller Marktteilnehmer, d.h. als gesellsehaftliehe Einsehiitzung deutlich zu ma­chen.

Naehfrager und Anbieter eines Gutes besehriinken sich in ihrem wirt­schaftlichen Verhalten niemals nur auf ein einziges Gut. Ais Nachfrager streben sie nach einer Mehrzahl von GUtem und miissen insoweit in einem Auswahl- und EntscheidungsprozeB eine wechselseitige Bewertung der Guter vomehmen. 1m iibrigen kOnnen Nachfrager nach Giitem eines Marktes, dem fUr Konsumgiiter, auf einem anderen Markt als Anbieter, z.B. von Arbeitsleistungen, auftreten. Anbieter bieten vielfach auch mehrere Giiter gleichzeitig an, und sie treten in jedem Fall als Nachfrager auf den Rohstoff- oder Vorproduktmarkten der von ihnen zu produzie­renden Giiter auf. Ein einzelnes Wirtschaftssubjekt wird daher seine Nachfrage nach bzw. sein Angebot an einem Gut nicht isoliert realisieren, sondem jeweils in Abhangigkeit und mit Riicksicht auf Nachfrage nach oder Angebot an anderen Giitem. Daraus folgt, daB Miirkte immer miteinander in Verbindung stehen. Es ergibt sich eine Interdependenz der Miirkte und der darauf wirkenden Preisme­chanismen. Der Preismeehanismus auf einem Markt erfiillt daher auch die Funk­tion der Abstimmung der Plane der Marktteilnehmer auf einem Markt mit allen dazu in Beziehung stehenden Markten. Die Abstimmungsfunktion kommt deshalb zustande, wei! die Marktteilnehmer ein Interesse daran haben, ihre Okonomischen Aktivit1tten als Nachfrager und Anbieter zu koordinieren. Insoweit hangen AusmaB und Geschwindigkeit der Abstimmung zwischen den Markten vom wirtschaftlichen Eigeninteresse der Marktteilnehmer abo Ihr subjektives Nutzen- oder Kostenkalkiil wird das Abstimmungsverfahren beeinflussen.

Die Abstimmungsfunktion erstreckt sich nieht nur auf Miirkte von Giitem, die in einer gleiehen Zeitperiode getauscht werden, sondem sie umfaBt auch Markte in anderen Zeitperioden. Heutige Giitermarkte werden nicht nur von Ver­gangenheitsentwicklungen gepragt, sie hangen in der Regel noch wesentlich starker davon ab, was in der Zukunft an Marktentwicklungen zu erwarten ist. Miirkte ver­bind en daher mit dem auf ihnen ablaufenden Preismechanismus Gegenwart und Zukunft. Der Preismechanismus und seine Resultate in der Gegenwart unterliegen daher auch immer den gesellschaftlichen Einschatzungen kiinftiger Entwicklungen. In Einzelflillen kann dies durchaus dazu fiihren, daB ein heutiger Preisbildungspro­zeB fast ausschlieBlich von den Erwartungen der Marktteilnehmer iiber zukiinf-

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tige Ereignisse abhangt und gegenwiirtig beobachtbare wirtschaftliche Einfltisse dahinter vollig zuriicktreten.

Der Preismechanismus sorgt neben dem Zusammenspiel der Miirkte auch da­fUr, daB von den Preis- und Mengensignalen der bestehenden Gtitermiirkte Ein­fltisse auf dynamische Zusammenhange und Bewegungsabliiufe des Wirtschafts­prozesses im Zeitablauf ausgehen. Insoweit hat der Preismechanismus eine Len­kungsfunktion, da er tiber Preisanderungen Produktionsfaktoren an die Stellen lenkt, wo sie ihren hlichsten Ertrag erwarten konnen. Arbeitskriifte werden sich auf die Stellen verandem, wo eine hOhere Entlohnung zu erzielen ist. Kapital wird in diejenigen Investitionen flieBen, die die hOchsten Kapitalertriige erwarten lassen. Der Preismechanismus gibt AnlaB zu Anderungen im Faktoreinsatz in der Produk­tion unterschiedlicher GUter. Er fiihrt mithin zu Substitutionsprozessen und bewer­tungsabhangig geanderten Faktoreinsatzrelationen, d.h. unter anderem, daB Arbeit durch Kapital dann ersetzt wird, wenn es sich yom wirtschaftlichen Umfeld her als vorteilhaft erweist.

Die Lenkungsfunktion des Preismechanismus hangt wesentlich yom wirt­schaftlichen Eigeninteresse der Marktteilnehmer abo Sie werden die Ergebnisse des Marktprozesses aufgreifen und ihr Verhalten beim Einsatz der Produktionsfaktoren daran ausrichten, urn Nutzen- oder Ertragszuwiichse zu erreichen. Gemessen an den im Preismechanismus zutage tretenden gesellschaftlichen Bewertungen kommt es zur optimalen Allokation der Ressourcen. Die Produktionsfaktoren werden mithin dorthin gelenkt und eingesetzt, wo sie das aus Sicht aller Marktteilnehmer das marktmiiBig beste Ergebnis erbringen. Die OptimaIitiit darf nicht so verstanden werden als wtirde der Preismechanismus fUr jeden einzelnen Teilnehmer zu subjek­tiv optimalen Ergebnissen ruhren. Sie ist vielmehr eine gesellschaftliche Optimali­tiit in dem Sinn, daB zu einem gegebenen Zeitpunkt angesichts der von allen Markt­teilnehmem ausgehenden EinflUsse eine Aufteilung oder Zuordnung der Ressour­cen erfolgt, die den EinflUssen insgesamt am besten entspricht.

Der Markt bestimmt damit zugleich die Einkommensverteilung nach dem produktiven Beitrag, den die Produktionsfaktoren, insbesondere Kapital und Ar­beitsleistungen, in der Einschatzung der Marktteilnehmer erbringen. Die gesell­schaftliche Bewertung der produktiven Leistungen tiber den Preismechanismus wird sich wiederum nicht automatisch mit den subjektiven Einschatzungen einzel­ner Personen decken und vielfach auch sozialpolitischen Kriterien nicht gentigen.

Zu den dynamischen Funktionen des Preismechanismus gehlirt die An­reizfunktion. Hohe bzw. steigende Preise bieten fUr Anbieter einen Anreiz, zu­slitzliche Mengen des betreffenden Gutes anzubieten. Daruber hinaus kann sich eine Anregung zu Innovationen ergeben, wenn nlimlich Anbieter nicht nur die Preise gegenwiirtiger GUter, sondem auch Preise und Ertragsaussichten in Erwli­gung ziehen, die mit Hilfe von Innovationen, d.h. neuen Giitern und neuen Pro­duktionsverfahren in der Zukunft erzielbar sind. Der Preismechanismus erofihet daher innovativen Marktteilnehmem wirtschaftIiche V orteile, die zur Dynamik des Wirtschaftsprozesses insgesamt beitragen. Das AusschOpfen von Produkt- und ProzeBinnovationen verspricht fUr die Marktteilnehmer hOhere Einkommensmog-

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liehkeiten. Die damit verbundenen wirtsehaftliehen Anreize werden daher aueh ausgenutzt werden.

Der Markt- und Preismecbanismus besitzt aufgrund seiner dynamisehen Ei­gensehaften bei offenen Markten die Funktion, dauerhafte Macbtpositionen einzelner Marktteilnehmer zu verbindern. Niemand, insbesondere kein An­bieter, und sei er aueh noeh so groB, kann auf Dauer sieher sein, daB nieht andere in einer sieh fortlaufend verandemden wirtsehaftlichen Umwelt innovative Markti­deen entwiekeln und durehsetzen. Die Folge davon ist, daB einmal erreiehte teehni­sehe Entwieklungsniveaus und aueh okonomisehe Preis standards uberholt sein konnen, wodureh aueh der wirtsehaftliehe Bestand eines einzelnen Marktteilneh­mers immer offen ist. Diese generelle Unsieherheit reflektiert die fur aIle Lebens­bereiehe der Mensehen ubliehe Erfahrung des Risikos. Die allgemeinen Lebensri­siken und die Risiken aus den Entwieklungen der Marktprozesse lassen sich nie definitv aussehlieBen, d.h. aIle Versuehe der Risikominimierung sind nur einge­sehrankt oder zeitlieh befristet wirksam.

Offene Miirkte, auf denen der Preismechanismus voll zum Tragen kommt, erlauben den Naehfragem prinzipiell, ihre Entseheidungen frei zu treffen. In die­sem Sinne sind die Konsumenten souveriin, es herrseht Konsumentensouverani­tat. Dies bedeutet, daB sich Anbieter immer urn die Naehfrager bemUhen mussen. Sie konnen die Naehfrager nieht zu einem Verhalten zwingen, und sie mussen sich gleiehzeitig einem yom Ergebnis her immer offenen Konkurrenzkampf mit anderen bereits vorhandenen und aueh mogliehen noeh nieht auf dem gegenwiirtigen Markt tiitigen Anbietem stellen.

Der Preismecbanismus auf offenen Markten ist damit insgesamt ein dy­namisehes Informations- und Entdeckungsverfahren, das die in einer Gesell­sehaft erkannten und aueh die bereits erwarteten wirtsehaftliehen Gegebenheiten und Entwieklungen offenlegt.

Dieses Entdeekungsverfahren ist wegen seiner Ausrichtung in die Zukunft und seiner Offenheit fur die vielfaltigsten Einflusse aus allen Lebensbereichen jeweils mit Uberrasehungen verbunden, die fur einzelne Beteiligte keinesfalls aussehlieBlieh vorteilhaft sind, sondem aueh zu iiberaus groBen wirtsehaftliehen und mensehliehen Hiirten ruhren konnen. Das heiBt aueh, daB der Preis­mechanismus auf einem Markt zwar die gesellschaftliehen Bewertungen zum Tragen kommen liiBt, da er aIle Informationen und Einschiitzungen verarbeitet. Damit ergibt sieh aber fur einen einzelnen Beteiligten nicht notwendigerweise die rur ihn gunstigste Situation. Aus der Sieht eines einzelnen Naehfragers kann bei­spielsweise ein Gut relativ gering eingesehiitzt werden; wenn allerdings der Markt eine insgesamt hohe Einschiitzung des Gutes signalisiert, so wird sieh unter Um­stiinden auch der einzelne daran orientieren und dementsprechend seine GUter­kombination anpassen mussen, was gegebenenfalls nur durch Substitutionsprozesse erreichbar ist. Entsprechendes gilt rur Anbieter, die mit einer hohen Bewertung ihres Gutes in den Markt eintreten und dann durch den Marktmechanismus erfah­ren mussen, daB die Bewertung des Marktes von der eigenen abweicht. Nicht im-

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mer sind die Oberraschungen hierbei negativ, der Markt garantiert Uber seine Of­fenheit aber auch keine fur einen einzelnen dauerhaft vorteilhaften Resultate.

Die moglichen Oberraschungen und wirtschaftlichen Harten, zu denen der auf Markten herrschende Preismechanismus fiihren kann, durfen schlieBlich nicht ausschlieBlich dies em Verteilungssystem zugeschrieben werden. Jedes andere Verteilungssystem besitzt ebenfalls das Charakteristikum, daB einzelne, wenn nicht gar sehr viele der Beteiligten, nicht mit ihren individuellen Wiinschen vollig oder auch nur andeutungsweise zufriedengestellt werden. Dies folgt bereits aus der globalen GUterknappheit in einer beschriinkten Welt. Unterschiedliche Verteilungssysteme werden lediglich je andere individuelle Wiinsche ausschlieBen und zeigen eine jeweils andere Offenheit fUr Korrekturen und Veriinderungen eines einmal erreichten Verteilungsergebnisses.