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1 Maskenselbst (idealisiertes Selbstbild) Eva Pierrakos, Der Pfad der Wandlung - Essen 1994 (Synthesis-Verlag) 1) Was ist der Pfad 27 Um herauszufinden, ob unbewusste Bilder auf einer tieferen Ebene existieren, gibt es Schlüsselfragen: - wie fühlst du dich in Bezug auf dich selbst und dein Leben? - Wie sinnvoll, erfüllt und reich ist dein Leben? - Fühlst du dich (immer) sicher, wenn du mit andern zusammen bist? - Fühlst du dich im allerinnersten Selbst wohl in der Gegenwart anderer Menschen? - Wie viel Freude bist du imstande zu empfinden, zu schenken, zu empfangen, (mit zu teilen)? - Leidest du unter Verstimmungen, Ängsten und Spannung oder unter Einsamkeit und einem Gefühl der Isolation? - Brauchst du eine Menge Überaktivität, um deine Ängste zu lindern (abzutöten)? 30 Angst ist die Leugnung anderer Gefühle, ist oft: Angst vor (schlimmeren) Gefühlen. Sie werden so abgeschnitten. 30 Euer spirit. Selbst kann nicht frei werden, es sei denn, ihr lernt, all eure Gefühle zu fühlen und jeden Teil eures Wesens anzunehmen, wie zerstörerisch und schrecklich er im Moment auch sein mag. Jeden Aspekt des eigenen Wesens annehmen und sich damit auseinandersetzen. 2) Das idealisierte Selbstbild Niederes Selbst: verborgene Zone der Ichbezogenheit. Muss entwickelt werden, birgt neg. Empfindungen, Gedanken und Impulse wie Furcht, Grausamkeit, Hass usw. Maskenselbst ist Reaktion – Pseudoschutz - auf Schmerz: Es gilt als Mittel, Unglücklichsein zu vermeiden. Indem man vorgibt, etwas zu sein, was man nicht ist, durch die Schaffung des idealisierten Selbst, hofft man, Glück, Sicherheit und Selbstvertrauen herzustellen. Das bringt eine dauernde Anstrengung mit sich, etwas (Anderes, Falsches) sein zu müssen, was man nicht ist. Niederes Selbst Höheres Selbst

Pierrakos Eva - Pfad der Wandlung Exzerpt · 2015. 11. 25. · 1 Maskenselbst (idealisiertes Selbstbild) Eva Pierrakos, Der Pfad der Wandlung - Essen 1994 (Synthesis-Verlag) 1) Was

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Maskenselbst (idealisiertes Selbstbild)

Eva Pierrakos, Der Pfad der Wandlung - Essen 1994 (Synthesis-Verlag) 1) Was ist der Pfad 27 Um herauszufinden, ob unbewusste Bilder auf einer tieferen Ebene existieren, gibt es Schlüsselfragen: - wie fühlst du dich in Bezug auf dich selbst und dein Leben? - Wie sinnvoll, erfüllt und reich ist dein Leben? - Fühlst du dich (immer) sicher, wenn du mit andern zusammen bist? - Fühlst du dich im allerinnersten Selbst wohl in der Gegenwart anderer Menschen? - Wie viel Freude bist du imstande zu empfinden, zu schenken, zu empfangen, (mit zu

teilen)? - Leidest du unter Verstimmungen, Ängsten und Spannung oder unter Einsamkeit und einem

Gefühl der Isolation? - Brauchst du eine Menge Überaktivität, um deine Ängste zu lindern (abzutöten)? 30 Angst ist die Leugnung anderer Gefühle, ist oft: Angst vor (schlimmeren) Gefühlen. Sie werden so abgeschnitten. 30 Euer spirit. Selbst kann nicht frei werden, es sei denn, ihr lernt, all eure Gefühle zu fühlen und jeden Teil eures Wesens anzunehmen, wie zerstörerisch und schrecklich er im Moment auch sein mag. Jeden Aspekt des eigenen Wesens annehmen und sich damit auseinandersetzen. 2) Das idealisierte Selbstbild Niederes Selbst: verborgene Zone der Ichbezogenheit. Muss entwickelt werden, birgt neg. Empfindungen, Gedanken und Impulse wie Furcht, Grausamkeit, Hass usw. Maskenselbst ist Reaktion – Pseudoschutz - auf Schmerz: Es gilt als Mittel, Unglücklichsein zu vermeiden. Indem man vorgibt, etwas zu sein, was man nicht ist, durch die Schaffung des idealisierten Selbst, hofft man, Glück, Sicherheit und Selbstvertrauen herzustellen. Das bringt eine dauernde Anstrengung mit sich, etwas (Anderes, Falsches) sein zu müssen, was man nicht ist.

Niederes Selbst Höheres

Selbst

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Das Maskenselbst muss aufgelöst – aufgegeben - werden. 38 - Ihr fingt an, ein unechtes Selbst auf einer falschen Grundlage zu errichten und ihr habt euer echtes Sein dabei draussen gelassen. Mehr noch, ihr versteckt es auf eine verzweifelte Weise. Es ist einerseits aus hohen (unerreichbaren) Normen zusammengesetzt, aber auch aus Elementen, die keineswegs moralisch sind: Aggressive, stolze, ehrgeizige Motive werden verherrlicht und idealisiert. Diese 'Mischung' ist unmöglich zu erreichen – und da es eine Vortäuschung ist, hat man ständig Angst, dass dieser Schwindel auch entdeckt wird. Man kann diesen absurden Forderungen gegenüber nur versagen (Beschämung, Gefühl der Wertlosigkeit) .... die Schuld dafür wird mit Elementen des Maskenselbst nach aussen projiziert. Je mehr man versucht, dem idealen Selbst zu genügen, desto härter ist die Desillusionierung, wenn das Maskenselbst nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Manche Krise hat ihren

Grund darin – und nicht in äusseren Schwierigkeiten! Andere wissen schon vorher, dass sie dem Maskenselbst nie genügen können und fühlen sich dauernd als Versager: sie wissen auf eine ungesunde (unvollständige) Weise vom 'idealisierten Selbst'. 41 = Grundlage der Tyrannei des idealisierten Selbst ist das Gefühl falscher Scham und

Schuld. Hinzu kommt noch, dass das idealisierte Selbst auch falsche Bedürfnisse hervorbringt, wie Ruhm, Stolz und andere Ziele, die man erreichen muss und deren Erreichen keine Befriedigung bringt. Damit – durch diese absurden Forderungen - entfremdet man sich immer weiter vom wahren eigenen Selbst. Eine ständig fortschreitende Entfremdung setzt ein, sie bleibt nicht dort stehen, wo sie installiert wurde, es gibt eine Dynamik drin: Ein Teufelskreis kommt in Gang, der alles wesentlich verschlimmert (es folgen dann Projektionen auf alle möglichen ‚Schuldigen’). Ihn zu durchschauen, d.h. genau zu beobachten und erkennen, zu sehen, wie der Teufelskreis funktioniert, ist sehr wichtig. 43 Die Schäden müssen erkannt werden, das daran Festhalten als Selbstbestrafung und Selbsthass erkannt. 45 Es muss ein volles Verständnis der Funktion, der konkreten Ursachen (die in frühere Inkarnationen zurückgehen können 47) und der konkreten Wirkungen des idealisierten Selbst gewonnen werden. 46 Durch das Aufgeben des Maskenselbst wird die HEIMKEHR zum Kern eingeleitet. Sich nicht länger verstecken müssen vor andern, vor sich selbst. 3) Der Zwang, Kindheitsverletzungen zu wiederholen, um sie zu überwinden Erwachsene suchen nach dem, was ihnen in der Kindheit gefehlt hat – der häufigste Versuch, diesen Zustand zu heilen ist die Suche des dafür geeigneten Liebespartners! 50 – Solange die Verletzungen, Enttäuschungen und unerfüllten Bedürfnisse eurer Kindheit euch nicht bewusst sind, könnt ihr sie nicht bewältigen – obschon man als Erwachsener einen zwingenderen Willen einbringen kann, den Partner dazu zu zwingen, was gegenüber den Eltern damals nicht möglich war, aber mit den Kräften des Erwachsenen nun möglich scheint, etwas Versäumtes jetzt noch 'richtigzustellen'. Das ist der Trugschluss, der nur immer wieder diese Situationen reproduziert, ohne sie zu lösen.

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Dieser ganze Vorgang ist höchst destruktiv. 52 Es ist nötig, das Verlangen und die Verletzung des weinenden Kindes, das ihr einmal war, wieder zu erfahren. 53 Wie stellt man es an, die alten Verletzungen wiederzuerfahren? Es gibt nur eine Möglichkeit: Nehmt ein aktuelles Problem. Entkleidet es aller überlagernden Reaktionsschichten. Die erste und greifbarste Reaktion ist die Rationalisierung, der „Beweis“, dass andere oder die Situation schuld waren, nicht eure inneren Konflikte, die euch veranlassten, eine falsche Haltung gegenüber dem Problem, mit dem ihr konfrontiert seid, einzunehmen. Die nächste Schicht ist wahrscheinlich Ärger, Groll, Angst, Frustration. Unter all diesen Schichten werdet ihr den Kummer des Ungeliebtseins finden. Etwas später werdet ihr erkennen, wie ihr mit Eurem Wunsch, die Verletzungen der Kindheit zu berichtigen, die jetzigen heraufbeschwört. Es ist nicht leicht, die Ähnlichkeit (Deckung!) des Schmerzes zu fühlen: der jetzige wie der vergangene wird durch viele überlagernde Gefühle überdeckt. Sobald diese Übereinstimmung erlebt wird, ist er nächste Schritt viel leichter. Man sieht dann, dass man vergeblich das Unmögliche versucht hat, eine damalige Niederlage drehen zu können. 55 Die Nutzlosigkeit, den alten Schmerz wieder herzustellen, neu zu schaffen, wird erkannt, auch, dass man nicht die Situation, die man als Kind nicht im Griff hatte, meint, nun meistern können zu müssen. Man kann an diesem Punkt das Alte loslassen, vergeben, ohne Selbsttäuschung (also durchaus und exakt bis ins Detail bewusst). Ab dann wird man auf andere Weise die vermisste Liebe suchen: indem ihr Liebe gebt. Man erwartet entweder Liebe (oder hat die Erwartung – und damit die Liebe überhaupt – aufgegeben – man spürt dann Verletzungen auch gar nicht mehr) ... anstatt das Einzige zu tun, was man (als Erwachsener) tun kann: Liebe geben. Erwachsene können Liebe suchen, indem sie sie geben. Die inneren Züge deines inneren Kindes provozieren (ja zwingen) die andern, dich so schlecht zu behandeln wie deine Eltern das taten. Ein reifer Mensch provoziert die reifen Seiten der andern. (man muss nicht herausfinden, wer begann, sondern nur den eigenen Teil der Verkettung anschauen – und so aus dem Teufelskreis (einseitig) ausbrechen). 58 Manchmal übertreiben wir die Verletzungen (anderer), manchmal lassen wir die Erkenntnis nicht zu, dass sie überhaupt stattfand 4) Der wahre Gott und das Gottesbild Kinder erleben Autoritätskonflikte – Gott ist die höchste Autorität – also werden die Konflikte übertragen. Das Bild, das dem Kind von Gott vermittelt wird, gleicht im Resultat einem Monstrum. 60 – Dieser Gott eures Unbewusstseins gleicht wirklich mehr einem Satan – auch wenn es

das Bild eines verwöhnten Kindes ist (das auf den ersten Blick weniger depriviert wurde)

61 Es spielt dabei keine Rolle, ob es ein strafender oder eher ein verwöhnender (Selbstverwöhnung, Ablehnung von Selbstverantwortung) Gott ist – oder eine Kombination von beidem.

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Es geht darum, diese Bilder aufzulösen und den wahren Gott und die richtige Vorstellung zu gewinnen. Das ist ein langer Prozess. Wir sind die Schöpfer unseres Lebens, diese Freiheit gibt uns Gott, aber auch die Verantwortung für die Folgen. 65 Ein wichtiges (überpersönliches) göttliches Gesetz ist das von Ursache und Wirkung – was von unvorstellbarer Bedeutung ist. 63 Gott ist Leben und Lebenskraft. Was wir mit dieser Gotteskraft machen – gut oder schlecht – ist unsere Entscheidung. 64 Die Unmittelbarkeit dieser Kraft ist zuerst schockierend (stark). 67 Gott ist in euch und wirkt in euch. Gott handelt nicht für uns, sondern durch uns. Ihr werdet in genau dem Mass Meister der Welt, wir ihr euch selbst meistert. 68 Wie Gott erschafft, erschaffen auch wir: Jeder Gedanke, jede Reaktion, jedes Gefühl, jede Antwort, jede Absicht, jede Handlung, jede Meinung, jede Motivation ist ein schöpferischer Prozess – so oder so! Wenn man zerrissen ist, ist das ein Ergebnis der eigenen Schöpfung. Vorstellungen, Absichten, Gedanken, Wollen, Fühlen, Einstellungen, wie sie von bewussten Wesen ausgedrückt werden, sind die stärksten Kräfte im Kosmos. Die Kraft des Geistes ist allen anderen Energien überlegen. Wird diese Kraft ihrem inneren Gesetz gemäss verstanden und angewandt, hebt sie die Manifestationen aller anderen Kräfte auf. Also: Gutes Denken! Wenn ihr bewusst mit eurem höheren Selbst Kontakt aufnehmt, um Führung und Inspiration bittet, werdet ihr wissen, dass Gott in euch ist. So werdet ihr glücklich durch alles, was euch begegnet (und seien es Beschwernisse). 5) Einheit und Dualität 69 Wir leben in einer Welt der Dualität, der gegensätzlichen Alternativen. Sucht man das Gute und Einheit auf der dualistischen Ebene, stürzt man in den Konflikt, den man vermeiden will. Man kämpft dann für den einen Aspekt gegen den andern. Alle Konflikte verfestigen sich in der Dualität. 74 Wählt man den Weg zum Prinzip der Einheit, wird das, was als das unbestreitbare Gute und das augenscheinlich Schlecht erschien, bald aufhören so zu sein und unvermeidbar trefft ihr auf Gutes und Schlechtes auf beiden Seiten, Geht man weiter diesen Weg, gibt es nichts Schlechtes mehr, sondern nur noch das Gute. 75 Die Verbindung zum geeinten wahren Selbst kann jederzeit hergestellt werden. Es ist der Schritt, der z.B. in einem Konflikt am schwersten durchzuführen ist, in Wirklichkeit der einfachste, nämlich die Frage: Was ist die Wahrheit bei dieser Sache? Anstatt Recht zu

haben, es ist also die Frage: sehe ich alles, oder gibt es da noch mehr?

Die Wahrheit zu wollen, setzt Loslassen voraus/frei (woran man festhält).

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78 So lange ihr euch mit dem Ich identifiziert, werdet ihr weiter grössere Abtrennung suchen, was Selbstidealisierung zur Folge hat: „Wenn mich alle für besonders, besser als andere, klug, schön, begabt, glücklich, unglücklich oder sogar schlecht halten“ – was immer ich zur Verherrlichung meines idealisierten Selbst gewählt habe – „dann werde ich die nötige Bestätigung, Aufmerksamkeit, Liebe, Bewunderung, Zustimmung erhalten, die ich zum Leben brauche“. Tief in sich glaubt man so, man könnte nur leben oder jemand sein, wenn man durch andere bemerkt, bejaht und bestätigt wird. Ihr glaubt, unbemerkt würdet ihr aufhören zu leben. Es gibt 3 grundlegende Scheinlösungen: die aggressive, die unterwürfige, und die des Rückzugs. Jede von ihnen ist dazu bestimmt, über andere zu triumphieren und Freiheit und Erfüllung herzustellen. Unser Leben hängt nicht davon ab, dass andere uns Liebe und Zustimmung geben und wir besser, besonders oder anders sein wollen als die andern. Liebe kommt, wenn wir nicht mehr davon abhängig sind. 80 Wenn das, was ihr erreicht habt, euch besser machen soll, muss sich das, was ihr der Welt gebt, gegen euch wenden, weil ihr es in einem kriegerischen Geiste anbietet. Gebt ihr es aber, um das Leben und andere zu bereichern, werdet ihr und euer Leben dadurch erhöht, denn eure Gabe kommt aus einem friedlichen Geiste. In diesem Falle werdet ihr Teil des Lebens. Wenn ihr vom Leben nehmt – und vom Lebenszentrum in Euch – und als integraler Teil des Lebens an es zurückgebt, handelt ihr gemäss dem Prinzip der Einheit. Wenn ihr glaubt: um leben zu können, muss ich besser sein, ist Enttäuschung unvermeidlich. Die dualistische Vorstellung ist: Ich gegen den/die andern. Ihr werdet so immer voller an Unmut, Abhängigkeit und Kampf. 81 Erkenne deine Prinzipien! Das Loslassen der falschen Ideale und Überzeugungen fühlt sich wie Vernichtung an, denn im Unrecht sein heisst sterben und im Recht sein leben. Die Öffnungsbewegung beginnt mit der Bereitschaft und dem Mut, die Wahrheit zu wollen, eine vollständigere als die des Augenblicks. Das Aufgeben des Falschen, mit dem man sich identifiziert hat, entpuppt sich mit der Zeit als Aufgeben von Last, Leid und Einkerkerung (Unfreiheit). 82 Man führt den (falschen) Kampf um (dualistisch) Selbstverwirklichung und das eigene Geburtsrecht auf so verschiedene Weise wie ‚eure individuellen Charaktere’(E-Typen!). Zustand der Einheit heisst: mit dem Strom des Lebens gehen und sich ihm zu stellen ... annehmen, wo ihr seid und was das Leben für euch gerade ist – in Harmonie mit dem inneren Rhythmus – das öffnet den Kanal zum göttlichen Kern, und der wahren Individualität. Begreift, dass die Wahrheit in Euch lebt. Alles, was ihr braucht, ist in euch. Der fortwährende Kampf ist unnötig. Euer Mass (der Begrenzung, die noch ist) ist immer dort, was sich am

Unangenehmsten anfühlt, was euch am stärksten versucht sein lässt, wegzusehen.

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6) Liebe, Eros, Sex 85 Die erotische Kraft ist eine der stärksten Kräfte, die es gibt; sie sollte als Brücke zwischen Sex und Liebe dienen (tut es jedoch selten). Eros bringt Impulse zum Vorschein, die man sonst nicht hat: Selbstlosigkeit, Zuneigung, er ist die Erfahrung, die den unentwickelten Geist in die grösste Nähe zur Liebe bringt, ein Impuls, aus sich herauszugehen, aus der Trägheit herauszukommen. Eros ist die Brücke zur Liebe, die beständig ist, es gelingt, wenn die Seele zur Liebe bereit ist, die Suche nach der anderen Seele, und damit auch der eigenen in dieser Beziehung. 7) Die spirituelle Bedeutung der Beziehung 103 Beziehung stellt die grösste Herausforderung des Individuums dar. (Vermutlich auch, weil das Individuum erst Individuum am Du wird – Martin Buber!). Die Reibung, die in der Verbindung mit andern entsteht, wird ein scharfes Instrument der Läuterung und der Selbsterkenntnis. 108 Was der andere auch falsch macht: wenn es einen beunruhigt, hat es etwas mit einem zu tun, das man (bisher) übersieht Es laufen dann Schuldprojektionen (d.h. –zuweisungen), um ein Opfer zu sein. 110 Wo man zu den eigenen Problemen steht und diese so miteinander teilt – und einander hilft, wächst man dadurch aneinander und miteinander Es wird so zu einem freudigen sich miteinander verbinden. 8) Emotionales Wachstum und seine Funktion Das Kind betäubt negative Gefühle, um nicht unglücklich zu sein. Aber es betäubt so alle Gefühle, ein fühlendes Wesen zu sein: auch die Fähigkeit, glücklich zu sein und Lust zu empfinden, stumpft so ab. Das damit vermiedene Unglück kommt auf viel schmerzhaftere – indirekte – Weise zurück. Die intuitiven und kreativen Fähigkeiten ziehen sich zurück, sterben ab. 118 – Unreife Gefühle zum Vorschein kommen lassen: In der Wachstumsphase müssen sich unreife Gefühle ausdrücken (Ärger, Ablehnung, Hass). Ihre Bedeutung muss verstanden werden: sich ihrer bewusst sein ohne sie auszuagieren. Was fühle ich darunter, hinter dem, was ich zu fühlen mich zwinge? So angenommen und verstanden, können die Gefühle reifen: 122 Ihr werdet unterscheiden lernen zwischen echten guten Gefühlen und falschen guten Gefühlen, die ihr aus dem Bedürfnis, euer idealisiertes Selbst aufrechtzuerhalten, darübergelagert habt: „So sollte ich sein.“ So lange man am idealisierten Selbstbild festhält, kann man das wahre Selbst nicht finden.

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123 Wie könnt ihr lieben (Liebe ist die höchste, ja die einzige Macht im Universum), wenn ihr eure Gefühle nicht zulässt, eure Gefühlsprozesse vernachlässigt? Nachdem man sich mit der Unzahl negativer Gefühle auseinandergesetzt und sie richtig verstanden, können sich reife Gefühle entwickeln. Ihr werdet euch mit anderer Wahrhaftigkeit mit der Wirklichkeit verbinden. Das wichtigste sind nicht die negativen Gefühle, sondern, das man nicht akzeptiert, nicht das idealisierte Selbstbild zu sein. Dies loszulassen ist die Lösung. Die Enttäuschung, dass wir dem idealisierten Selbstbild ja nicht entsprechen können, fällt dann weg! 127 Finde in dir den Ärger über die Welt, die dir nicht erlaubt, dein idealisiertes Selbstbild zu sein, die dich hindert, das zu sein, was du ohne ihre Einmischung sein könntest. Das Schaden besteht nicht aufgrund der Existenz negativer Gefühle, sondern dem Nichtannehmen des wahren Selbst, auf den Anschuldigungen, die ihr der Welt entgegenschleudert dafür, dass sie euch nicht erlaubt, das zu sein, was ihr fühlt, sein zu können, würde sie es nur zulassen. 9) Echte und falsche Bedürfnisse 129 Destruktive Verhaltensweisen wie Eigensinn, Stolz, Furcht, Gier, Neid, Bosheit, Grausamkeit (Strafe und auch Selbstbestrafung), Trotz und Selbstsucht verbergen unsere spirituellen Möglichkeiten und Kräfte. Diese bedürfen der Läuterung. Dann wächst auch die Glückseligkeit. Sich mit den echten Bedürfnissen von heute auseinandersetzen anstatt den nicht erfüllten der Kindheit, die falsche Bedürfnisse erzeugt haben, die wir heute als die wichtigen (und richtigen) anschauen. Es ist eine Sackgasse – und Grund für viel Elend – zu meinen, dass die unerfüllten Bedürfnisse der Kindheit von jemand von aussen heute noch erfüllt werden müssten. Der Schmerz darüber darf jedoch nicht geleugnet werden, weil daraus destruktive Gefühls- und Denkmuster resultieren. Sobald Menschen Selbstverantwortung übernehmen, werden sie aufhören, die guten Gefühle von aussen zu erwarten (genau das ist ja das kindliche, und damals auch richtig empfundene). Es geht darum, anstatt um Liebe zu betteln oder danach zu suchen, Liebe zu geben. Die wir haben! Wir haben – trotz aller Entbehrungen der Kindheit – die Fähigkeit zu guten, starken, warmen Gefühlen. 132 Diese teilen mit andern, anstatt trotzig (schmollend) zurückhalten. Die Fähigkeit, im Körper und in der Seele Lust zu verspüren, uns sich auch andern zu schenken, ist eine echte Alternative zum gierigen Beharren auf dem Nehmen und Empfangen. (sja: das würde heissen, zu vergeben: nicht zu vergessen, aber die heutige Erfüllung der damaligen Löcher abzuschreiben, als Forderung, offene Rechnung, und zwar ganz: à fond perdu!)

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Der Schmerz der damals berechtigten unbefriedigten Bedürfnisse muss empfunden – und verstanden werden (nur dann kann man vergeben!). 132 Welches sind die echten Bedürfnisse eines Erwachsenen? Selbstausdruck, Wachstum, Entwicklung, und damit verbunden: Lust, Freude, Liebe, Befriedigung, Sein, gute Beziehungen geniessen. Wenn da etwas fehlt, müsst ihr fortfahren, die Behinderungen der Stelle zu suchen und zu entfernen. Sie sind auf die eine oder andere Weise immer mit einer Verfestigung von Bedürfnissen verknüpft, die einst echt waren und nun zu falschen Bedürfnissen wurden. 133 Echte Bedürfnisse fordern niemals, dass andere sich fügen, euren Wünschen nachzukommen, und ‚euch etwas zu geben’ (Freiheit ist dann weg.) Das echte Bedürfnis, zu lieben, zu geben ... sollte nie verwechselt werden mit dem neurotischen Bedürfnis, geliebt zu werden: So lange ihr glaubt, zwar zur Liebe bereit zu sein, nur behandle euch das Schicksal unfair und versage euch den Menschen, der euch liebt und den ihr lieben könnt, seid ihr noch immer leidenschaftlich in den Versuch verstrickt, euer Kindheitsbedürfnis mit einem Ersatzelternteil zu befriedigen. Die Not des damaligen Kindes (die immer noch eitert 135) muss jedoch nochmals gesehen – und empfunden werden – und zwar im vollen Ausmass, damit auch die Kraft, die zu den falschen – v.a. unersättlichen – Bedürfnissen führte, in ihrem Ausmass gespürt wird. Die unechten Bedürfnisse müssen erkannt werden (nicht nur als unechte, sondern in ihrer Qualität, Herkunft, Gestalt!). 134 Nur wenn ihr eure Gefühle (die darunter gefesselt und betäubt wurden) zurückgewinnt, zu euch zurückbringt, eure inneren Quellen (wieder) erschliesst und den Brunnen eurer gebenden und liebenden Gefühle öffnet, wird Befriedigung zur (unvermeidbaren) Wirklichkeit. 135 Harter Schmerz ist eine Folge des Kämpfens gegen das, was ist. Sanfter Schmerz ist eine Folge des Annehmens. 136 Erst wenn man die alten Bedürfnisse und daran geknüpfte Forderungen an Andere loslässt, erkennt man, wie illusorisch beides war! (dass es nichts als zusätzliches Leid, bei mir und andern, gebracht hat). Die Vorstellung, Glück etc.. sei möglich, ohne dass diese Forderungen erfüllt würden, ist zunächst ungewöhnlich. (Das Kind hat einfach noch nicht begriffen, dass es keins mehr ist, sondern alle Möglichkeiten des Erwachsenen hat 142). Wo es Unbehagen, Unerfülltheit gibt im Leben, haltet nach einem unechten Bedürfnis, das dahinter steht, Ausschau (Übung!). 136 Aus eurem innersten Wesen, vom Zentrum eures Solarplexus her, wird euch die Stimme der Weisheit leiten.

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Die Ursache des heutigen Schmerzes liegt nicht im damaligen (wie schlimm er auch immer gewesen sein mag), sondern im hartnäckigen Festhalten an Bedürfnissen, die heute falsch sind und dass das Leben etwas wieder gut zu machen habe. 10) Die Behinderung der unendlichen Erfahrungsmöglichkeiten durch emotionale Abhängigkeit 139 Es gibt nichts Neues: Alles ist da, wenn auch erst als Potenzial/Möglichkeit. Wenn man sich diese vorstellt, verwirklicht sich diese (umgekehrt gilt: nichts kann Gestalt annehmen, was man sich nicht zuvor vorgestellt hat). Die Vermeidung einer Möglichkeit beinhaltet negative Motivation. Die Furcht vor Glück, Lust etc hindert. 144 Wenn ihr nicht wisst, dass im Universum alles schon vorhanden ist und ihr manifestieren könnt, was ihr im Leben braucht, fühlt ihr euch mit allen euren Wünschen und Bedürfnissen von äusseren Mächten abhängig: Diese Sicht entspricht einer Entstellung der Tatsachen und führt in einen Teufelskreis. V.a. wartet man dann – in dieser Abhängigkeit. Das schwächt. 145 Auch schwächt die Tatsache, dass andere eure Bedürfnisse nicht erfüllen Eure Überzeugung, ein Recht auf Freude und Lebenslust zu haben. Je grösser der Zweifel, desto abhängiger von der Bestätigung anderer und von äussern Autoritäten (auch für die Selbstvergewisserung in diesem Zweifel). 146 Dieser Zwangsstrom sagt „du musst“, und ihr stellt an andere die Forderung, so zu sein, zu fühlen und zu handeln, wie ihr es braucht und ersehnt. Die fehlende Selbstbehauptung zieht eine solche, beschämende und bedrohliche Zwangsströmung nach sich. Die Folge sind Trägheit, schliesslich Lähmung an Körper, Seele und Geist. Es mindert auf beiden Seiten Energievorräte. Ihr lasst es – unabsichtlich – zu, dass ihr euch an andern festhaltet, und dies muss Hass entfachen. Willfährigkeit, passiver Widerstand, Boshaftigkeit, Rückzug, Verweigerung (Rache, Aggression, Einschüchterung, Überredung bis Manipulation, Missbrauch, Autoritätsgehabe etc. sind Ausdruck des tiefen Glaubenssatzes: “Du musst mich lieben und

mir alles geben, was ich brauche.“ Erst die Entdeckung des Schatzes Eures eigenen Kerns macht euch frei. Und, die andern aus dieser Verpflichtung, die eigene Lebenserfüllung bringen zu sollen, loszulassen: d.h. frei zu lassen aus dieser Sklaverei. 148 In diesem Teufelskreis entsteht so auch immer mehr negative Motivation: man führt immer mehr ein Leben der Vermeidung des Negativen, das man – realistischerweise auf dieser Grundlage! – befürchten muss, anstatt sich (positiv) zu entfalten. Diese Neuausrichtung muss mit der Bereitschaft beginnen, all diese negativen Grundlagen und Folgen in all ihren Aspekten zu erkennen und loszulassen. All diese versteckten emotionalen Zwangsströme entdecken. Dem andern die Freiheit – die man selber jedoch will und auch selbstverständlich

beansprucht! – endlich auch gewähren. Und zwar, ohne negativ oder gar mit Sanktionen zu reagieren, wenn er auf Erwartungen nicht so reagiert, wie ich es möchte.

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Das Joch vom Nacken nehmen – und immer mehr das wahre Selbst ganz ans Licht bringen. 149 Immer diejenigen Bereiche im Leben finden, wo man am meisten gebunden und ängstlich ist (Übung: fragt euch, was ihr vom andern wollt, wenn ihr so gebunden, ärgerlich, ängstlich und schwach/unfähig seid. Formuliert in klaren Worten, was ihr von andern braucht.) Wenn ihr es loslässt, werdet ihr eine neue, geschmeidige Stärke in euch verspüren, die plötzlich scheinbar unlösbare Widersprüche aussöhnt. Wenn ihr auf der Ich-Ebene loslässt, verlieren könnt, könnt ihr auf der Ebene des wahren Selbst gewinnen, wo die Kraft liegt. „Ihr müsst aufgeben, was ihr gewinnen wollt“ (s. auch das Jesus-Wort dazu).

150 Nicht Opfer oder Verzicht ist gefordert. In dem Masse, in dem ihr Anderen das Daseinsrecht gewährt, werdet ihr wahrlich eure eigenen Rechte finden. 11) Die spirituelle Bedeutung der Krise 152 Die Krise ist ein Versuch der Natur, durch die kosmischen Gesetzmässigkeiten des

Universums Wandel zu bewirken. Wird dieser Wandel durch das Ich behindert, den Teil des Bewusstseins, der den Willen lenkt, tritt die Krise auf, um eine strukturelle Veränderung möglich zu machen. 153 Wo man sich dem Wandel (Wachstum) nicht widersetzt, ist man von Krisen (relativ) frei, wo man sich dagegen wehrt, sind sie unvermeidlich. 155 Die ‚dunkle Nacht’ der Mystiker sind solche Zeiten des Zusammenbruchs alter Strukturen. Die Krise lässt sich vermeiden bzw. lösen, wenn man die innere Wahrheit anschaut – und dies anhand der Anzeichen der Störung und der aufgetauchten Negativität. 156 Dies braucht ausserordentliche Ehrlichkeit, da liebgewonnene Überzeugungen (erstmals!) in Frage gestellt werden müssen. Es ist ein Todesvorgang. Nach den negativen Aspekten des Selbsterhaltungsprinzips (s. oben Kap. 10) kommen dann die positiven Seiten dieses Prinzips zum Vorschein: Je mehr ihr liebt (in Freiheit!), desto mehr könnt ihr echte Liebesgefühle erzeugen, ohne euch oder andere arm zu machen. 159 Der positive Prozess ist im Unterschied zum negativen unendlich. Krisen haben immer eine Botschaft, (selbstzerstörerische) Projektionen zu erkennen. Also, im Alltag auch die geringsten Schatten beachten. Z.B. die Fähigkeit, mit der ‚Negativität der

andern’ umgehen zu können – sie lassen. Anstatt mit subtiler Ablehnung oder gar Feindseligkeit zu reagieren. Die eigene ‚Negativität’ erkennen und annehmen. Das löst (tiefe) Verwicklungen und setzt herrliche Wenden im Leben frei, wenn man anschaut, was einem im Tiefsten denn stört (am andern), und man das zu sich nimmt, d.h. sich ändert.

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162 Das Ich selbst kann keine solche Veränderung bewirken. Man braucht die göttliche Hilfe dazu. Man muss die Veränderung jedoch wollen, für sie bereit sein (werden). Beten (zu den göttlichen Funktionen im Innern der Seele), und dann einfach (vertrauensvoll) warten zuversichtlich und geduldig. 163 Es ist dies kein kindliches Bedürfnis auf der Suche nach einer Autorität, die für euch wirkt: es ist die empfangende Haltung, in der das Ich seine eigenen Begrenzungen erkennt. Nimmt man diese Haltung an, wird der Wandel für jeden lebendige Wirklichkeit. Man bewahrt sich jedoch noch lange – zumindest einige kleine, jedoch zentrale – alte Schlupflöcher auf, die das noch entscheidend hindern. Euer Bekenntnis zum höchsten Schöpfer muss vollständig sein und auf die scheinbar unbedeutendsten Aspekte des täglichen Lebens und Seins angewendet werden. Ihr müsst Euch vollständig der Wahrheit verpflichten, denn damit verpflichtet ihr euch auch dem universellen Geist. 12) Der Sinn des Bösen und seine Transzendierung 168 Das Böse ist nicht halb so schädlich wie euer Verhalten ihm gegenüber. Übung „Ich sollte nicht so (so und so) sein“ – diese (subtile) Angst muss erkannt werden, weil sie meine verheerende Reaktion auf das Böse steuert, und das Böse wahrhaft Böse werden lässt. Das Böse ist entstellte schöpferische Kraft (die in die Irre gegangen ist). (169) Die allermeisten Menschen akzeptieren und kennen nur einen relativ kleinen Teil ihrer Gesamtpersönlichkeit. Sie wollen auch nicht mehr davon kennen lernen. – Das hindert schliesslich, beide Seiten tiefer kennen zu lernen: die ‚böse’ (gewordene) und die ‚göttliche’. Das Ausschliessen des unerwünschten (und damit destruktiven) Teils lässt Stagnation und Lähmung fortbestehen, so dass Wandlung nicht stattfinden kann. Der Preis des Erkennens und Annehmens der zerstörerischen, bösen Seite des Selbst scheint hoch, aber ist es nicht wirklich. Im Gegensatz dazu ist der Preis der Leugnung

ungeheuerlich. Weil ihr etwas in euch als schlecht betrachtet, glaubt ihr, ihr wärt es durch und durch. 170 Der erste Schritt muss die Anwendung der Theorie sein, dass das Destruktive, das Böse, letztlich keine eigene Kraft ist. Jeder der destruktiven Züge war ursprünglich gut, schön und lebensbejahend. Man muss erkennen, wie diese Kraft entstellt wurde und ist. Das Leugnen des Bösen fügt dem Ganzen entscheidenden Schaden zu. Diese Kraft ist aus Lebensstoff, der sowohl zum Besten wie zum Allerschlimmsten fähig ist. Das Leugnen des Bösen – der Dualität in allem – ist das Schlimme, das wahren Schaden anrichtet. Die Form, wie sich Energie in Materie manifestiert, hängt immer vom Bewusstsein

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ab. Destruktivität ist eine falsche Form des Bewusstseins. Ärger kann lebensfördernd wie lebenszerstörend sein. Ihn jedoch zu leugnen kehrt ihn in Feindseligkeit, Bosheit, Grausamkeit, Selbsthass, Schuld etc. Diese Kraft muss sowohl in ihrer (positiven) Wurzel wie ihrer (falschen) Ablenkung erkannt und anerkannt – und so verantwortungsvoll integriert werden1. V.a. indem ich – konkret (nicht abstrakt!) – dazu stehe, diese Seite (des Bösen) auch in mir zu haben. Der wesentliche Schlüssel zur völligen Integration des Bösen ist das Verstehen seiner ursprünglichen Natur – und der ihm innewohnenden (schöpferischen) Möglichkeiten. So lange ihr versucht, gut zu sein, indem ihr das Böse leugnet, zwingt ihr euch, das zu sein, was ihr nicht sein könnt – und bleibt (und vertieft sich) die Spaltung2, die innere und äussere. 172 Diese neue Haltung des Annehmens heisst nicht, irgend etwas zu beschönigen, im Gegenteil! Es heisst, diese Seiten anzuerkennen ohne Hoffnungslosigkeit und Selbstablehnung. Verneint ihr eure Hässlichkeit nicht mehr, müsst ihr auch eure Schönheit nicht länger verleugnen. Wenn ihr euch beidem gewahr werdet (und um dieses Gewahrwerden betet), werdet ihr beide Seiten auch in allen andern klarer erkennen – und annehmen. 173 Nur durch die Annahme der Dualität könnt ihr diese wirklich überschreiten. Das offen destruktive Verhalten (das dazu steht) ist nie das wirklich Böse. Man bleibt dann im Fluss (damit): Der grösste Hass, Grausamkeit etc., offen und ehrlich zugegeben, werden niemals schädlich bleiben: im Mass, wie sie zugegeben werden, wird sich ihre Intensität verwandeln in einen konstruktiven Fluss, und in lebensspendende Energie münden. Der Schlüssel ist die Begegnung mit der (eigenen) Destruktivität. 13) Selbstachtung 176: Wenn Menschen sich hassen oder ablehnen, weinen die Engel. Es entsteht ein innerer Konflikt zwischen Selbstnachgiebigkeit und Selbstablehnung. Alles Destruktive in sich erkennen und anerkennen, ohne Selbstachtung zu verlieren! Sich unwürdig, als Versager und schuldig fühlen und schämen ist nicht notwendig, jedoch sehr verhängnisvoll. Auch nur einem vagen Gefühl der Selbstmissachtung sollte nachgegangen werden, wenn es an Achtung und Wertschätzung sich selbst und andern gegenüber fehlt. Übung: Die Merkmale bestimmen! Durch trotzige Selbstrechtfertigung oder zerknirschtes Versagergefühl hindurch die negativen Züge klar erkennen – ohne sich selbst insgesamt abzulehnen. Diese Unterscheidung zu machen ist wichtig: zwischen negativen einzelnen Verhaltensweisen und der Person. 1 171: Das genau ist es, was ihr am schwersten findet 2 ‚Sünde’ meint ursprünglich Trennung, Spaltung.

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178 Es ist gut möglich, dass ihr erst nur ein vages Gefühl der Selbstmissachtung feststellt und die spezifischen Merkmale, die ihr an euch nicht mögt, nicht genau bestimmen könnt (Übung). Die Verwirrung muss entwirrt werden: wir rechtfertigen und leugnen gleichzeitig zerstörerische Eigenschaften. Wir glauben nicht (mehr) an Veränderung, d.h. nicht mehr an das Leben (das Wandel ist: Substanz des Lebens = Bewegung). 180 Die Fähigkeiten des Denkens, Wollens, Fühlens, Ausdrückens, Handelns und Entscheidens sind die Charakteristika des Bewusstseins, die oft unterschätzt werden. Der normale Zustand des Bewusstseins ist, dass Persönlichkeitsmerkmale statisch sind, und so bleiben müssen. Irgendwie sind wir der Meinung, dass wir eine sinnvollere, erfülltere Lebenserfahrung nicht verdient haben und deshalb nicht realisieren können. Dieser Gedanke glimmt meist unter der Wahrnehmung der Begrenztheit des Lebens. 181 (Übung): „bin ich ohne Hoffnung, je das Glück zu verdienen, weil ich, wahrscheinlich ganz berechtigt, gewisse Züge an mir nicht mag?“ Ihr glaubt irrigerweise, dass das, was euch am meisten verhasst ist, euch ausmacht. Das ist das Problem der dualistischen Verwirrung – und wir halten an den destruktiven Zügen fest. Um da herauszukommen, muss das Wesen des Lebens verstanden werden: das Leben fliesst wie ein Bach unter dem Winterschnee – beständig. Gefühle greifen in alle Richtungen aus, spontan, und auf wundervolle Weise ewig selbststeuernd. Das Leben pulsiert, kraftvoll, ist Bewegung an sich. Leben heisst, in jedem Augenblick frei sein für neue und andere Gedanken, die einen neuen Lebensausdruck und eine neue Persönlichkeit schaffen. Es gibt nichts im Kosmos, das leblos ist! Das einzige Problem ist, dass ihr es programmiert habt. Aber in Tat und Wahrheit können wir unser Denken ständig ausweiten, neue Ideen aufnehmen, neue Willenrichtungen einschlagen, neue Gefühle erschliessen etc. Alles das ist Persönlichkeitsveränderung. All das ist nicht neu – sondern als Fluss und Essenz immer schon da! Es ist nur neu für unser Bewusstsein. 183 Zuerst verändert sich euer Denken und Verhalten, eure Gefühle folgen, und dann antworten eure Handlungen und Reaktionen auf neue spontane Impulse. Das wiederum bewirkt neue Lebenserfahrungen. Je mehr ihr die Kettenreaktion dieses Prozesses erfährt, desto mehr begreift ihr, dass ihr eine lebendige, sich bewegende endlos verändernde Einheit des Lebensausdrucks seid. Sobald ihr das einseht, könnt ich euch den wundervollen, erleichternden Luxus leisten, ganz ruhig jederzeit jeden unerwünschten, hässlichen Zug zuzugeben, ohne euch deswegen zu

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hassen, ohne den Sinn dafür zu verlieren, dass ihr ein Ausdruck des Göttlichen seid. Nur dann könnt ihr die unerwünschten Eigenschaften wirklich umwandeln. So paradox das klingen mag. Durch die völlige Selbstablehnung kann nichts überwunden werden. 184 Wenn ihr all das wisst, werdet ihr darüber nicht verzweifeln, der Liebe unwürdig zu sein, und es wird keine Rolle spielen, wie hässlich eure Eigenschaften sind. Die Kraft, die den Kosmos schuf, besitzt die Macht, alles zu verändern. Eine Wiederverbindung mit dem Triebleben wird möglich. Weshalb haben die Menschen den Kontakt zu den Instinkten als den Quellen des Lebens, den Quellen der Gefühle, verloren? Nur weil ihr Euch vor Eurer Destruktivität fürchtet und nicht mit ihr umzugehen wisst. Die Zivilisation hat jahrtausendelang (!) das Triebleben geleugnet und unterdrückt, um sich zu schützen. Aber damit hat die Menschheit ihre Verbindung zur Essenz des Lebens selbst abgeschnitten. Sie hat nicht erkannt, dass es andere Wege gibt. Mit dem Versuch, das Böse zu vernichten, wurd auch gleich das Leben vernichtet. Dies ist genau so tödlich, wie den Instinkten freien Lauf zu lassen. 185 Die Instinkte sind an sich einfach und unschuldig; eure Destruktivität ist immer das Ergebnis von Stolz, Eigenwillen, Furcht, Eitelkeit, Gier, Abgetrenntheit, Lieblosigkeit und Besserwisserei.3 Es wird euch allmählich leichter werden, allem in euch, gleich wie hässlich (!), zu begegnen, es anzuerkennen, zuzulassen, anzunehmen. Dieser innere Zustand wird zum Sprungbrett, von dem aus Veränderung möglich wird. 186 Einige spüren diesen Kampf in sich, andere nur (erst) verschwommen. Die meisten sind blind für das Toben des Kampfes im Innern, das Klima der Selbstablehnung als Ergebnis dieser Verwirrung, die Verarmung und Dürre der Seele. Auch alle spirituellen Forderungen nach Liebe können nicht erfüllt werden, wenn diese dualistische Spaltung nicht geheilt und die Einheit nicht wiedergefunden ist. Dann wird Selbstliebe nicht länger mit Nachgiebigkeit mit sich selbst verwechselt, und ehrliche Selbstkonfrontation ruft dann keinen Ekel vor dem Selbst hervor. Ihr könnt Frieden nur finden, wenn ihr das Hässlichste in euch wahrhaft akzeptiert und nie den Blick für die innere Schönheit verliert. Übung: Schreibe alles auf, was du an dir nicht leiden kannst. (schwarz auf weiss: glaube ich nicht heimlich, dass das alles bzw. das Wesentliche ist, was mich ausmacht?) 14) Meditation für drei Stimmen: Ich, niederes Selbst, höheres Selbst 190 Soll Meditation Erfolg haben, müssen drei wesentliche Persönlichkeitsschichten aktiv beteiligt werden: 1) Die bewusste Ich-Ebene mit allem bewussten Wissen und Wollen; 2) die unbewusste, ichbezogene Kindebene mit all ihrer Unwissenheit, Zerstörungswut und mit

3 Können 6 Enneagramm-Typen gut zugeordnet werden, es ‚fehlen’ wie 4, 8 und 9 ?

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ihren Omnipotenzansprüchen; 3) das überbewusste universelle Selbst mit seiner überlegenen Weisheit, Macht und Liebe und seinem umfassenden Verständnis der Geschehnisse des menschlichen Lebens. Das bewusste Ich muss den andern Selbsten Erlaubnis geben, sich zu zeigen. Angst, nicht perfekt zu sein, erschwert das: an der Bewusstseinsoberfläche ist das Ich überzeugt, vernünftig und ideal u sein, d.h.: dieses Ich ist ja lange identisch mit dem Idealisierten Selbstbild, und also nicht neutral und eine verlässliche Basis: unbewusst ist deshalb ein Wissen da, dass das nicht stimmt, so dass sich die gesamte Persönlichkeit wie ein Betrüger fühlt (‚Lebenslüge’) und schreckliche Angst vor Blossstellung empfindet. Deshalb ist ‚Selbstannahme’ so wichtig. Der Mensch kann leicht von äusserlicher Selbsterhebung zu versteckter Selbstentwertung umschwenken. 192 Anfangs muss das beobachtende Ich den Vorsatz haben, nach innen zu greifen und die negativen Seiten aufzudecken. Es muss das universelle Selbst um Hilfe bitten. Es hilft dann, den destruktiven Impulsen nicht nachzugeben, etc. So gibt es eine gestaltete innere Wechselbeziehung. Das Ganze braucht viel Zeit, Ausdauer, Klarheit und Entschlossenheit. 193 So verschwinden unechte Ansprüche auf Besonderheit und Vollkommenheit. Falscher spiritueller Stolz und Eitelkeit verschwinden ebenso wie Selbsterniedrigung und Scham. Das höhere Selbst und die (vorhandenen) Möglichkeiten des Universums können immer mehr genutzt werden, um das destruktive innere Kind 1) anzunehmen und 2) zu verändern. ... alle Gefühle annehmen und Energiefluss im ganzen Wesen immer mehr zulassen. 194 Paradox: Je mehr das hässliche kleine Kind angenommen wird, desto mehr kann auch die wahre Grösse des inneren Wesens wahrgenommen werden. So wächst die Kraft, die Wandlung zu wollen. Das Ichbewusstsein wird dadurch eingeschränkt: es merkt, dass es das alleine nicht kann. Es muss warten, ohne zu zweifeln oder ungeduldig zu drängen (sja: und in diesen Polen zerrieben werden: zu resignieren mit der Zeit, was vielen passiert!). 195 Im Prinzip sind es immer 3 Phasen: 1) Erkennen des unbewussten zerstörerischen Selbst (Aufdeckungs- und Forschungsphase), 2) Verstehen der zugrunde liegenden falschen Auffassungen, Mechanismen und des Preises, 3) Neuausrichtung und Umerziehung des zerstörerischen Teils: das zerstörerische Kind ist nun nicht länger unbewusst. Achtung: Umerziehung (kennt das Kind schon!) kann leicht in erneute Unterdrückung und Verdrängung führen! Absolute Sorgfalt nötig: Selbstliebe und doch Klarheit! 196 Ansporn zur Veränderung kann fehlen, wenn ihr den zerstörerischen Teil nicht erkennt (Schaden nicht wahrnehmt). Aber empfängliche Haltung ist ebenso wichtig, also nicht panisch ablehnend auf das, was sich zeigt, reagieren (wie das gewöhnlich geschieht, das macht man ja schon das ganze Leben lang). Macht das Ganze noch schlimmer, verfestigt Verdrängung etc. Ihr müsst lernen, dem Kind zuzuhören, ohne euch zu hassen oder das Kind wegzustossen. Nur so können die Ursachen seiner Destruktivität erkannt und Verstanden (Verständnis) werden. Freundlichkeit und Festigkeit (tiefe Entschlossenheit): Ich bin stärker als meine Destruktivität.

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197 Es braucht den Trialog zwischen den 3 Selbsten, damit dieses allmähliche Reifen gelingt: 198: dreifache Kommunikation (und Konfrontation): vom Ich zum destruktiven Selbst und vom Ich zum universellen Selbst, so dass dieses wiederum das Ich wie das destruktive Selbst beeinflussen kann. 197 Einerseits aktiv und entschieden Wollen – andererseits passiv empfangend-geduldig Warten auf die allmähliche, aber gewisse Offenbarung der universellen Kräfte. Sie sind es, die den inneren Wandel zuwege bringen ... so werden gute Gefühle die negativen oder erstarrten Gefühle4 ersetzen. Ja nicht auf den widerstrebenden Teil Druck5 ausüben (was in Selbsthass gründet …und mündet!). Diese Meditation nicht einfach hinter sich bringen – weil dann das Leben beginne, nein:

So meditierend leben ist das Leben.

198: Jede Meditation beginnen: „Wie fühle ich mich wirklich in diesem Augenblick (gibt es Bezüge zu ‚Problemen’?). Was lasse ich unbeachtet (von den div. Selbsten)?“ Dann den universellen Geist in mir anrufen, der hilft, Antworten zu finden. So wird das Feingefühl wachsen. 199 In diesem Mass werden die Widersprüche, die uns fortwährend verwirren, sich miteinander aussöhnen. Das führt schliesslich zum ... 4. Aspekt der Meditation: Erweiterung der bisherigen Vorstellungen vom Leben (und seinen Möglichkeiten): Ein gesundes Begehren, das auch Warten kann (und Frustration ertragen), ohne die Offenheit, dass es sich realisieren mag, aufzugeben. 201 Mit Erfüllung und Nichterfüllung umgehen können – und die richtige Mischung von Aktivität und Passivität finden, auch von Anteilnahme und Unbeteiligtsein. Werden diese Gleichgewichte (Balancen) gefunden, wird das destruktive Kind erwachsen. 15) Die Verbindung zwischen dem Ich und der universellen Kraft 204f Die Menschen stecken in einem Paradox der Sehnsucht nach den Möglichkeiten des Lebens und der Furcht vor den notwendigen Schritten, dem Aufdecken und Aufgeben des Ich. Diese Furcht ist das Missverständnis, das Aufgeben des Ich bedeute die Aufgabe der Existenz (Vernichtung). 206 Die abgetrennte Ich-Existenz ist eine Illusion. Wir sind zutiefst eins mit dem schöpferischen Lebensprinzip. In der Illusion leben meint, dass man ärmer wird, je mehr man gibt. Das Umgekehrte ist der Fall! Das Festhalten an dem (wenigen), was man hat, scheint die Angst zu vermindern. Aber das macht das Leben noch angsterregender, denn Leben ist Bewegung.

4 Wie eben Resignation oder Lähmung 5 (s. Ennea-Typ 1!!)

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207 Wenn ihr merkt, dass Bewegung sicher ist (!), weil sie euch trägt, dann habt ihr die einzig wahre Sicherheit gefunden, die es gibt. (Jede andere Sicherheit – das Vertrauen oder Anlehnen an das Statische – ist trügerisch und gebiert immer neue Ängste.) 208 Ihr könnt nur getragen werden wie die Planeten im Weltall. In dem Masse, wie ihr euch vom universellen Leben abgetrennt habt, müsst ihr euch nach dieser Lebensweise sehnen. 209 Alle Menschen haben eine ähnliche Reaktion auf ihr wahres Selbst, ... eine eigenartige Scham, die sich als Verlegenheit offenbart, als ein Gefühl, dass das, was einem wirklich ausmacht, enthüllt wird. Man fühlt sich nackt und bloss. Dies ist eine ganz andere Scham als die über seine Falschheit, Zerstörungskraft etc.. Diese Scham wird am schärfsten dann verspürt, wenn man sich so zeigt, wie man im Augenblick ist (Blossstellung des eigenen Wesens: lieber will man vernichtet werden als diese Scham spüren. 210 Ihr könnt eure Würde nur dann finden, wenn ihr die Scham, unverfälscht zu sein, überwindet – was immer das im Augenblick für euch bedeuten mag. (sja: ist diese Scham

darin begründet, weil man dann ganz ‚individuell’ erscheint, jenseits aller üblichen

Konventionen, wie ‚man’6 zu sein hat?)

210 Man muss diese Scham fühlen, um die Betäubung zu entdecken, die Selbstentfremdung und Abgetrenntheit verursacht. Es ist die Scham der Nacktheit (vgl. Adam und Eva im Paradies). Ihr werdet einfach nackt dastehen, wie ihr jetzt seid, nicht besser, nicht schlechter, auch nicht anders, als ihr (einfach) seid. Diese Scham ist ein wichtiger Schlüssel, um die bisherige Betäubung zu ent-decken. 211 Das ‚derzeitige echte Selbst’ ist nie vollkommen, das ist nicht dramatisch, aber dennoch wichtig, zu sehen. Es gibt einen Ort in uns, der (das) nicht fühlen will: einen Wunsch, nicht zu fühlen. 212 Ein Selbst will fühlen, das andere Selbst fürchtet das Fühlen – sie wissen nichts voneinander. Leben und Fühlen sind jedoch eines: sie sind immer miteinander verbunden. 16) Bewusstsein: Zauber des Erschaffens (Der universelle Geist) 214 Bewusstsein ist nicht nur die Kraft, zu denken, zu unterscheiden und zu wählen (das ist offensichtlich). Auch nicht nur die Kraft, zu erkennen, wahrzunehmen und zu fühlen. Es ist auch die Fähigkeit, zu wollen. Erkennen, Fühlen (Wahrnehmen) und Wollen (Bestimmen) sind Fähigkeiten des schöpferischen Bewusstseins. 215 Der universelle Geist ist nicht nur in euch, sondern: ihr seid ihn! Der zerstörerische (ewige) Kampf zwischen Gott und Teufel, Gut und Böse, Leben und Tod sind eure eigenen Kräfte. Ihr seid keine Schachfiguren in der Hand eines anderen.

6 s. Heideggers Verfallensein an das „man“!

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Der universelle Geist ist eure wahre Identität, um ihn zu erfahren, sind 3 Dinge notwendig: 1. sich auf ihn einstimmen, bewusster Versuch, auf ihn hinzuhören. Ruhig werden bis der

Verstand still ist: in diese Leere, dieses Nichts hineinlauschen: schliesslich wird sich der universelle Geist zeigen.... und ihr beginnt, seine beständige Gegenwart wahrzunehmen (die vorher einfach ‚übersehen’ wurde – weil fast zu nah, um sie wahrzunehmen). Seine ersten Erscheinungen werden oft zuerst indirekt erfahren, über Umwege: durch den Mund von jemand anderem, scheinbar ‚zufällige’ Gedanken (die man nicht recht orten kann). Später wird sich die Leere als ungeheure Fülle erweisen. Diese Unmittelbarkeit, die immer tiefer und breiter entdeckt wird, ist wunderbar, versorgt uns als Quelle des

Lebens mit allem, auch mit reichen Gefühlen, sie vermittelt alle Gegensätze (wie Eigeninteresse und Verpflichtung etc.), ohne eure Freiheit im mindesten zu mindern. Diese wunderbare Direktheit stellt zuerst vor Probleme, weil ihr glaubt (und darauf ausgerichtet seid), das alles sei weit entfernt – der universelle Geist eine entrückte Realität – und so erfährt man seine Nähe zunächst nicht, bis man sich auf diese Unmittelbarheit auzurichten gelernt hat.

2. Es ist notwendig, den negativen Teil des Bewusstseins ganz zu erfahren und zu begreifen. Das ist schwierig, da ihr davon ausgeht, das Leben sei eine fest umrissene Form – und unabhängig von euren Fähigkeiten des Denken, Erkennens, Fühlens und Wahrnehmens. Es ist notwendig, sich in allem nicht als hilfloses Opfer, sondern als eigene (negative) Schöpfer zu erkennen. Ohne diese Erkenntnis gibt es keinen Kontakt mit dem universellen Selbst.

3. Eure bewussten Denkprozesse sind die erste Handhabe für die Berührung mit dem universellen Geist: ihr erzeugt mit bewussten Gedanken genau so viel wie mit dem unbewussten Denken und Wollen. Euer Denkvermögen und die schöpferischen Prozesse des universellen Geistes sind nicht verschieden. Die Trennung ist nicht real, ihr erfährt sie derzeit noch so.

217 Zuerst müsst ihr erkennen, wie ihr die Denkprozesse unwissentlich negativ genutzt und mit ihnen zerstörerisch gewirkt habt. Dann könnt ihr (zweitens) formulieren, was ihr jetzt in eurem Leben hervorbringen wollt. Das umfasst auch die Bereitschaft, fehlerhaftes und unehrliches inneres Verhalten zu ändern. So beginnt ihr mit bewusstem Denken (was erfordert, dass ihr die Aufmerksamkeit auf die Denkprozesse richtet, beobachtet, wie ihr sie nutzt, wie sie das erschaffen, was ihr habt … und was nicht – Übung!) Sobald ihr diesen Prozess umkehren könnt, habt ihr ein Mittel der Schöpfung entdeckt. 218 Die Aufmerksamkeit für diese inneren Prozesse wird zeigen, dass vieles von dem, was ihr als unbewusst ansaht, keineswegs wirklich verborgen ist: ihr habt sie einfach nicht gesehen bisher. Die Entdeckung eures zerstörerischen Wirkens ist nie eine wirklich schlechte Erfahrung, denn es wird sofort offensichtlich, dass ihr offensichtlich die Kraft habt, und damit auch die Kraft, euch schöne Lebenserfahrungen zu erschaffen. Alle drei Ebenen sind wichtig:

- Alltägliche Denkvorgänge - Destruktives Wollen - Die göttliche Natur und ihre unendliche Kraft und Weisheit

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V.a. die alltägliche Verstandestätigkeit muss bewusst werden, d.h. beobachtet. Wenn ihr die neg. Gedanken beobachtet:

a) was tun sie euch an, was sind die Folgen? b) sehen, dass eine Kraft dahinter steht, die ihr auch anders richten könnt (die Kraft

ist da, es fehlt nicht an der Kraft!). c) Erkenntnis, dass wir die Gedankenprozesse ändern können – und nun dies

beobachten, wie weit es gelingt, d.h. auf welcher Schiene man grad ist; v.a. merken, wenn man zurückgefallen ist: ihr müsst wahrnehmen, wie ihr negativen Gedanken nachhängt (dieser Hang ist gross): beobachtet Euer Grübeln in immer gleichen Zirkelschlüssen.

219 Wagt es: gebt euren Gedanken als Entwurf der Schöpfung. Dann öffnet sich die Welt. Zu Anfang muss diese Öffnung durch Denken erreicht werden – und durch Aussprechen von Worten wie: „So muss es nicht sein, es kann anders sein. Ich will es anders, auch wenn es bisher meine (einzige7) Erfahrung war.“ Das muss eingeübt werden: zu Beginn will man vielleicht zwar positive Ergebnisse, aber die logischen Konsequenzen, die damit verbunden sind/wären, nicht akzeptieren. Das geht natürlich nicht, das Leben so zu betrügen: gewinnen, ohne geben zu wollen. Die Ursache dafür liegt in der falschen Auffassung (Befürchtung), diese Konsequenzen seien unangenehm. Man ist dann zuerst aufgebracht, fühlt sich betrogen (wenn das Leben solch unfairen Wünschen nicht entsprechen kann), weil man die Sache nicht in all ihren Zusammenhängen überprüft, also Dinge ausblendet. Das Sträuben, wirklich den Preis zu zahlen, etwas von sich zu geben (‚substanzielles’ bisher!), schafft solche Verzerrungen und ‚Irrtümer’. 220 Die Ebene des bewussten Denkens wird immer sowohl von eurer destruktiven Seite wie dem universellen Geist beeinflusst. Das muss präzise erkannt und unterschieden werden. Ihr werdet mit den Erfahrungen dieses Übens immer klarer sehen, dass ihr auch eure destruktive Seite wählt, und sie nicht einfach etwas ist, das euch befällt. Schliesslich könnt ihr sogar euren Vorsatz, destruktives Verhalten zu wählen, erkennen und zugeben. Man beharrt lange darin, bis man es – allmählich und schliesslich ganz – aufzugeben bereit ist. Vom Ursprung des Bösen und der ‚Sünde’ 221 Das Erschaffen beginnt mit dem Denken, dann nimmt dieses Form an, wird Tatsache im Leben. Der Gedanke nimmt Form an, im menschlichen Ich, wenn es nicht bewusst ist, erscheint jedoch der Gedanke getrennt von Form und Tat. Je weniger Bewusstheit, desto abgetrennter erscheint es, so dass Form gänzlich unabhängig von der Tat zu sein scheint, und diese wiederum von Gedanken oder Willen. Keine dieser drei Stufen scheint miteinander verbunden. Da die Möglichkeiten unendlich sind, kann das Bewusstsein sich auch so erforschen und erfahren, indem es sich zusammenzieht und beschränkt, statt erweitert.

7 Tatsächlich einzige, weil vermeintlich einzige, und damit selbstverständlich einzige

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Es schafft so ... und erliegt diesem Zauber, den es nicht mehr anhalten kann/will, und wie nicht umkehren, indem es an den Geschaffenen Formen anhaftet, die nicht als geschaffene erkannt werden, sondern einfach als solche, die halt irgendwie sind, von irgendwo her kommen. Wenn man hier nicht weitergeht, sondern stehend kreist – entsteht bloss eine selbsterhaltende Wirkung, die sich wie in ihrem eigenen Bann gefangen hält und verfestigt. Es braucht eine ‚Zurückerinnerung’. Viele wollen das noch nicht wissen und finden an der Erforschung der negativen Schöpfung noch ihren Reiz, wenigstens teilweise, als ‚abgetrennte Individuen’. Auch der Impuls solchen Erschaffens enthält gewaltige Energien (und fasziniert). 223 So verfängt sich das Bewusstsein in seinen eigenen Prozessen. Das ist die Wurzel des Bösen. Sie besteht wesentlich darin, sich selbst nachzuahmen. 223 Geist oder Bewusstsein prägt (= männlich aktives Prinzip), Lebenssubstanz wird geprägt (= weiblich passives Prinzip). Nur Bewusstsein kann die selbsterhaltende Wirkung der Folgen des Bewusstseins (sja: seine Materialisierungen) ändern, d.h. wieder öffnen in fliessendes weiterhin kreatives Bewusstsein. Wenn sich negative Schöpfung fortsetzt, scheint das Bewusstsein sich immer mehr zu zerspalten (sja: Diabolus?). Und desto grösser (massiver) die Struktur, die es schafft. 224 Die Kraft der negativen Schöpfung ist gross, jedoch nicht unbegrenzt, weil sie Konflikte schafft. Die Kraft positiv (schöpferisch) genutzt ist jedoch viel stärker – unbegrenzt. Sobald die Umkehr vollbracht ist, wird es leichter zu strömen, nachdem dieser Zustand euch zuerst fremd und unvertraut erscheint (225). Ihr ‚müsst’ den Willen zum Glück immer stärker und wirklich (d.h. aktiv) wollen. 17) Schöpferische Leere Wir müssen lernen, empfängliche Gefässe für das Gottbewusstsein zu werden. Ohne das Wissen, wie man den äusseren Verstand still werden lässt, geht das nicht. 228 Es ist das Christusbewusstsein, für das die Empfänglichkeit sich öffnet. Der äussere Verstand, jahrtausendelang geübt, verdeckt dieses mit seiner Geschäftigkeit. Wenn er mal zur Ruhe kommt, wird diese mit Leere verwechselt. 229 Wenn ihr euch nicht leer sein lassen könnt, könnt ihr nie gefüllt werden. Ihr müsst jedoch durch die Furcht, die das mit sich bringt, hindurch gehen. Heisst die Leere als Zugang zu eurer Göttlichkeit willkommen. Ein weiteres Paradox: Seid erwartungsvoll empfänglich, jedoch ohne vorgefasste Ideen, Ungeduld oder Wunschdenken. ... Eure Einfühlung ist notwendig. Präzise und bestimmt sein, jedoch zugleich leicht und neutral.

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Der äussere Verstand muss auf diesem Weg immer wieder Veränderungen vornehmen, darf sozusagen nicht still stehen auf einem bestimmten neuen Niveau (das nicht als definitives betrachtet werden darf). Er muss immer wieder leer werden! 230 Die innere Stille wird alsdann anfangen zu singen. Lauscht mit dem inneren Ohr. 231 Der geschlossene Kreislauf des Verstandes muss durchbrochen werden. Beobachten, wie man ihn geschlossen hält (im Kreis des als Möglich erachteten fixiert). 232 Der Verstand muss jedoch das alles selbst erkennen und die (z.T. paradox anmutenden) Stufen durchlaufen. Es gibt keine (magische) Abkürzung (was Betrug wäre, d.h. das Bewusstsein nicht bringen würde). Man muss also an sich und der eigenen Entwicklung arbeiten. Auch die Bitte, den Weg des Lebens und Wachsens zu ersparen, geht nicht (234). 233 Zugleich Neutralität pflegen: alles, was von Gott kommt, ob es recht ist, oder man es nicht wünscht, annehmen. Ein zu starkes Verlangen ist ebenso hinderlich wie sein Fehlen. Im göttlichen Leben ist nichts festgesetzt und unveränderlich. Das macht zunächst unsicher. Der Verstand wird gebraucht, darf jedoch nicht überaktiv sein, so wird er allmählich zu einem Instrument, wenn er sich öffnet, ihr in den ‚Abgrund’ (schwarzer, leerer Schlund: Angst) seht – die sich als Grund der Lebendigkeit entpuppt. In gewisser Weise hat man vor dieser Lebendigkeit sogar mehr Angst (und den Verpflichtungen und Veränderungen, die diese mit sich bringt) – als vor der Befürchtung, enttäuscht zu werden. 236 Die Angst kann der Lebendigkeit Platz machen, wenn ihr euch auf schöpferische Weise leer sein lässt. Ihr werdet dann eine pulsierend lebendige ‚innere Röhre’: Energie strömt hindurch, Gefühle und auch etwas anders, das ihr bisher noch nicht benennen könnt: stetige Unterweisung, konkret: sie spricht direkt zu Euch (in den anstehenden Fragen: Führung in allen Entscheidungen), also nicht allgemein. Ihr müsst euer Ohr darauf einstimmen und in den Zustand versetzen, zu empfangen (sja: auf dieser Frequenz). Wir haben uns darin geübt, diese strahlende Stimme nicht zu hören. 237: Der Verstand und der äussere Wille haben euer Leben verwirrt (und die Röhre verstopft) und kompliziert, so ist dieser neue Kontakt der Ausweg aus einem Labyrinth, das ihr selbst erschaffen habt. 236 Diese Unterweisung ist in ihrer ganzen Herrlichkeit wirklich mit Engelsmusik vergleichbar. Jahrhundertelang musste der (aktive) Verstand eingeübt werden, das war notwendig (in der Zeit der blinden emotionalen Begierdennatur). Jetzt muss diese Überbetonung abgebaut werden, obschon der Verstand (wie alle andern Sinne und Instrumente auch, benötigt werden, um Verbindung mit dem Höheren Selbst zu erreichen, und, mit ihm vereinigt, ihm zu dienen). 238 Für eine Weile ist das weibliche, empfängliche Prinzip zu betonen – nach dem lange dominierenden männlichen Prinzip (Handlung, Dynamik, Kontrolle). Das heisst nicht: passiv werden! Schliesslich wird der neue Mensch alle Entscheidungen aus diesem neuen Bewusstsein treffen. Nicht mehr selbstsüchtig, sondern im Einklang mit einem grösseren Leben.

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Nachwort von Donovan Thesenga: (in Eva Pierrakos und Donovan Thesenga: Fürchte dich nicht vor dem Bösen) 239 Schönes Zitat Meister Eckhart: „Alle Kreatur jagt danach, Gott zu finden ...“ 239 Man ist versucht, die Arbeit am Niederen Selbst nur in den Frühstadien des spirituellen Weges für erforderlich zu halten. Das ist jedoch nicht der Fall. 240 Angst (als eine der 3 Formen des Bösen nebst Stolz und Eigenwille) ist in den fortgeschrittenen Stadien des spirituellen Wachstums das grösste Hindernis. Es ist nicht die

Angst vor Andern, sondern, die Angst davor, sein Selbstverständnis als getrenntes Selbst

aufzugeben. Die meisten spirituellen Wege versuchen, den Suchenden zu einer Erfahrung der Einheit (jenseits der Dualität) zu führen. Auf solchen Wegen liegt jedoch die Gefahr, zu glauben, dass das Transzendieren des menschlichen Zustands sei möglich, während einige Teile immer noch im niederen Selbst stecken. Es gibt viele Beispiele in diesem Jahrhundert, denen zufolge spirituelle Lehrer eine beachtliche Transzendenz erlangt haben, wobei es sich jedoch zeigt, dass eine Transformation des niederen Selbst noch nicht geleistet war. Viele spirit. Sucher streben eine voreilige Transzendenz an. Deswegen wird in der Pfadarbeit immer wieder betont, wie notwendig die horizontale Bewegung der Transformation ist und wie notwendig die ständige Selbsterforschung, um das niedere Selbst aufzuspüren. Es geht darum, dieses Material durchzuarbeiten, um es zu transformieren, statt es zu transzendieren. 241 Allerdings muss der Arbeitende lernen, sein Identitätsgefühl zu verlagern: Vom Persönlichen zum Transpersonalen, vom kleinen Ich-Bewusstsein zum grösseren Bewusstsein muss der Wechsel vollzogen werden, damit die Transzendenz vollzogen werden kann. Diese Arbeit verläuft mehr senkrecht statt waagrecht. Offensichtlich sind beide Richtungen erforderlich. Das richtige Gleichgewicht zwischen Transformation und Transzendenz zu finden ist eine der subtilsten und wichtigsten Seiten der Arbeit an sich selbst. Wir müssen unser Menschsein ganz akzeptieren, um dann Stück für Stück zu entdecken (und das ist ein geduldig-langwieriger Prozess der Arbeit an sich selbst), dass wir mehr sind. 242 Die beständige Arbeit an der Transformation des niederen Selbst führt am Ende zur Transzendenz des niederen Selbst. (Wie Christus sagte: erwirb die kostbare Perle). Nachbemerkung Samuel:

Transzendierung ist mehr die Frucht der Arbeit der Transformation. Sie kann nicht direkt intendiert werden bzw. wenn sie intendiert wird, steht sie in besonderer Gefahr, zu fallieren (s. dazu Donata Schöller Reisch: Enthöhter Gott – vertiefter Mensch. Zur Bedeutung der Demut, ausgehend von Meister Eckhart und Jakob Böhme). 30.4.15/sja