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„Planungsstile und Planungskulturen“ Überlegungen zur Konzeption eines planungstheoretischen Forschungsprojekts P219PSKult01 Rainer DANIELZ Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen Landes NRW, Dortm Peter WEICHH Institut für Geographie und Regionalforschu der Universität W Forschungsseminar IGR, Universität Wien, 17. 01. 200

Planungsstile und Planungskulturen Überlegungen zur Konzeption eines planungstheoretischen Forschungsprojekts P219PSKult01 Rainer DANIELZYK Institut für

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„Planungsstile und Planungskulturen“Überlegungen zur Konzeption eines planungstheoretischen

Forschungsprojekts

P219PSKult01

Rainer DANIELZYK Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des

Landes NRW, Dortmund

und

Peter WEICHHARTInstitut für Geographie und Regionalforschung

der Universität Wien

Forschungsseminar IGR, Universität Wien, 17. 01. 2005

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Projektkontext und subjektive Erkenntnisinteressen

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Komplementäre fachliche Interessen als charakteristische(gemeinsame) Merkmale der Projektbetreiber:

„Erdnahe“ Verankerung in den „Niederungen“ der Empirieund der Raumordnungspraxis (SIR, ILS, Gutachten,

Politikberatung)

versus

theoretisch-konzeptionelle Ambitionen, Vorliebe fürHeterodoxien, multiparadigmatische Ansätze und

einen „konstruktiven Eklektizismus“

Bausteine zu einer „Theorie des Planungssystems“?

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Projektkontext und subjektive Erkenntnisinteressen

Leitfragen:

• Warum „funktioniert“ Raumplanung selbst in Staaten, die ein derart elaboriertes und nahezu perfekt institutionalisiertes Raum- ordnungssystem besitzen, wie Deutschland oder Österreich, so schlecht?

• Was sind die Strukturprinzipien und Funkti- onsmechanismen des Raumordnungs- systems? Wie lässt sich die Tiefenstruktur dieses Systems beschreiben?

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Projektstatus und Ziele des heutigen Referates

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Phase des „Brainstormings“; es gibt noch keine kon-kreten Festlegungen und definitiven Entscheidungen

über die Eingrenzung der Fragestellungen, die Pro-jektstruktur (Umfang und Aufwand) oder den Pro-

jektträger (DFG, FWF?)

Wie beurteilt das Auditorium die verschiedenen Fra-gestellungen, Detailprobleme und methodischen An-

sätze, die im Rahmen der Vorüberlegungen reflektiertwurden? Welche Empfehlungen für die Projektreali-

sierung werden mit welchen Begründungen gegeben?

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Methodische und theoretische Orientierung

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Das Raumordnungssystem wird in der Regel als organisa-torische und institutionelle Struktur dargestellt. Als Be-

schreibungsdimensionen werden vor allem folgende Be-reiche herangezogen:

• nominelles und funktionales Raumordnungsrecht

• administrative Strukturen und Hierarchien, Kompe- tenzen und Instanzen

• Verfahren und Prozesse

• Instrumente (Programme, Pläne, REK, FLWPL, Be- bauungsplan, …)

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Methodische und theoretische Orientierung

Bei einer derartigen Konzeption werden zwei Problemfelderakut, die sich in einer reduktionistischen und inadäquaten

Darstellung der realen Gegebenheiten äußern:

„What about people in spatial planning?“

und

„What about people in spatial planning?“

Nach T. HÄGERSTRAND, 1970, verändert.

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Methodische und theoretische Orientierung

Das erste Problemfeld, das bei einer reinen Institutionen-analyse unbehandelt bleibt, ist das Verhältnis von Planungs-

system und den „Beplanten“. Wichtige Fragestellungen:partizipative Planung, Verhandlungssysteme, endogene

Entwicklung, Akzeptanz, Planungsdidaktik etc.

Das zweite Problemfeld bezieht sich auf das Faktum, dassdie Träger des Planungssystems menschliche Subjektesind, die als intentionale Wesen die Fähigkeit besitzen,

institutionelle Regeln und Normen zu interpretieren, um-zudeuten und im Sinne eigener Motivationen auszulegen.

Dieses Problemfeld wurde in der Forschung bislang kaumbehandelt und soll im Projekt vorrangig thematisiert werden.

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PERSON

SUBJEKT INDIVIDUUM

Personalität: gesellschaftliche Bestimmtheit des Einzelnen durch über-nommene Rollen, Werte, Normen, Erwartungen, Gewohnheiten etc.;„persona“= (lat.) „Maske“.

EGO

Individualität: Besonderheitund Einzigartigkeit; Attribute,durch die Einzelne sich von anderen unterscheiden.

Subjektivität: Sprach-, Hand-lungs- und Selbstbestimmungs-fähigkeit, „Quelle“ von Kontingenz(Unbestimmtheit).

In Anlehnung an A. SCHERR, 2002, S. 53

Exkurs: drei Dimensionen des „Ich“

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Methodische und theoretische Orientierung

Planungskultur wird als Thema der Planungsforschung immer wichtiger. Dabei geht es immer wieder um das Ver-hältnis von Organisation/Strukturen und Handlungsformen

von Akteuren, so z. B. im Konzept von Selle (1998).

Dabei fehlt allerdings eine gesellschaftstheoretische Fundierung.

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PlanungskulturVermittlung zwischen den Ebenen Werte/Arbeitsformen/Aufgaben

Aufgaben und Ergebnisse

Aktions- undOrganisationsformen(InstrumenteTechniken)

WerteOrientierungen

Quelle: K. SELLE (1998, S. 51) P219PSKult10

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Methodische und theoretische Orientierung

Gesucht ist demnach eine theoretische Orientierung, die so-wohl institutionelle Strukturen als auch subjektive Hand-

lungssysteme und die Wechselwirkungen zwischen ihnenerfassen und darstellen kann.

Nota bene: Die Frage nach den Beziehungen zwischenInstitutionen bzw. sozialen Strukturen auf der einen und

handelnden Akteuren auf der anderen Seite zählt zu denwichtigsten Grundproblemen der Sozialwissenschaften.

Erste Ansätze zur grundsätzlichen Lösung des Problems: dieStrukturationstheorie (A. GIDDENS, „Dualität der Struktur“).

(„Grand Theory“, wichtig für ein „Framing“ des Projekts, aber „sperrig“ gegenüber Operationalisierungen.)

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Methodische und theoretische Orientierung

Struktur Signifikation Herrschaft Legitimation

InterpretativesSchema

Fazilität(Machtmittel)

NormModalität

Interaktion Kommunikation Macht Sanktion

Beispiel Güntner (2004): In Anlehnung an Giddens Planungsprozess als Wechselspiel zwischen Kommunikations-, Macht- und Legitimations-

strukturen auf und zwischen struktureller und Interaktionsebene.

Quelle: A. GIDDENS, 1997, S. 81

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Methodische und theoretische Orientierung

Eine Gruppe neuerer politikwissenschaftlicher Ansätzescheint uns als Quelle einer gut operationalisierbaren Hinter-

grundtheorie sehr gut geeignet zu sein:

der Neo-Institutionalismus

Eine besonders prägnante Bezeichnung für eine spezifischeVariante des Neo-Institutionalismus wurde von

Renate MAYNTZ und Fritz W. SCHARPF (1995) eingeführt:

akteurszentrierter Institutionalismus

(vgl. auch F. W. SCHARPF, 2000, Interaktionsformen. Akteurszentrierter Insti-tutionalismus in der Politikforschung. – Opladen, (= UTB 2136)).

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Konzepte und Theoreme des akteurszentrierten Institutionalismus

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Ansatz zur Erfassung politischer Prozesse, die von den Interaktionen individueller und korporativer Akteure mit

spezifischen Fähigkeiten und spezifischen Orientierungen bestimmt werden und die in einem gegebenen institutio-nellen Kontext und unter gegebenen Bedingungen der

Politik-Umwelt stattfinden (F. W. SCHARPF, 2000, S. 85)

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Gegenstandsbereich der interaktions-orientierten Policy-Forschung

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Institutioneller Kontext

ProblemeAkteure

Handlungs-orientierungen

Fähigkeiten

Kon-stella-tionen

Inter-aktions-formen

politische Entschei-

dungungen

Politik-Umwelt

Quelle: F. W. SCHARPF, 2000, S. 85

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Konzepte und Theoreme des akteurszentrierten Institutionalismus

Institutionen (= formale und nicht-formale (soziale) Regeln) ermöglichen, begrenzen, strukturieren Handlungsverläufe.

Institutionelle Kontexte (nicht institutionalisiert, Netzwerk, Verband, Organisation) beeinflussen Akteure, Akteurkon-

stellationen und Interaktionsformen. Sie „schaffen“ komplexe Akteure und beeinflussen Wahrnehmungen und Be-

wertungen.

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Konzepte und Theoreme des akteurszentrierten Institutionalismus

Institutionen werden durch menschliches Handeln ge-schaffen und verändert, ihre Entwicklung ist pfadabhängig,

sie haben ein großes Beharrungsvermögen.

Sie beeinflussen Entscheidungen und Ergebnisse nicht rein deterministisch. Ihre Kenntnis ist für die Erforschung kom-

plexer Politikfelder aber zentral.

Der Ansatz will nicht nur vergangene politische Prozesseerklären, sondern auch zur Veränderung von Institutionen

im Interesse einer gemeinwohlorientierten Politik beitragen.

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Konzepte und Theoreme des akteurszentrierten Institutionalismus

Akteure sind durch bestimmte Fähigkeiten und Handlungs-orientierungen, Wahrnehmungen, Präferenzen gekenn-

zeichnet.

Sie stehen in einer bestimmten Konstellation (und Hand-lungssituation) zueinander.

Außerdem beeinflusst die Interaktionsform (einseitiges Handeln, Verhandlung, Mehrheitsentscheidung, hierarchi-

sche Entscheidung) das politische Ergebnis.

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Anwendung des akteurszentrierten Institutionalismus in der Planungsforschung

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Beispiel KNIELING/FÜRST/DANIELZYK (2003): KooperativeHandlungsformen in der Regionalplanung

Untersuchung der Praxis der Regionalplanung in acht deutschen Planungsregionen, insbesondere kooperativer

Ansätze:

- Verfahren zur Erstellung der Regionalpläne- Bezug zu Fachplanungen (Naturschutz) oder Kommu- nalplanungen- Zusatzaktivitäten (z. B. Regionalentwicklung, Wirt- schaftsförderung)

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Anwendung des akteurszentrierten Institutionalismus in der Planungsforschung

Einige Ergebnisse:

• Überall kooperative Ansätze feststellbar, aber Restriktionen

• Institutioneller Rahmen: Dominanz der Ordnungsfunktion, Lokalismus, Formalisierung, geringe Ressourcen der Planungsstellen, Konflikte mit Landesplanung usw.

• Akteurskonstellation: Große Anzahl, heterogene Inter- essenstruktur, mit der Regionalplanung konkurrierende Akteure usw.• Einstellungen und Verhaltensmuster der Akteure: Kein Regionsbewusstsein, feindliche Akteursorientierung, Tagesroutinen, ordnungsorientiertes Selbstverständnis usw.

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Schichtenmodell der Planungsgeschichte

P219PSKult21Quelle: K. SELLE, 1998, S. 54

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Wichtige Themenfelder und Einzelprobleme

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• Wer sind eigentlich die Akteure des Raumordnungs- systems, wer nimmt Einfluss auf Standort- und Alloka- tionsentscheidungen? • Wie sieht die primäre Intentionalität der Akteure aus? („Zwei Wirklichkeiten“) • Politische Ökonomie der Standortproduktion und „politi- scher Opportunismus“: Wie lässt sich der politische Nutzen der Raumordnung darstellen?• Wie funktionieren Leitbilder?

• Welchen Einfluss haben Planerbiographien auf Inhalte und Abläufe von Planungsprozessen?• Wie lassen sich Planungssysteme typisieren? (Planungs- stile, Planungskulturen, Planungsparadigmen, Planungs- doktrinen, …)

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Akteure des Raumordnungssystems und ihre „primären Intentionalitäten“

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Das Raumordnungssystem wird in der Literatur meist alsinstitutionelle Struktur beschrieben, die als professionelles

und zweckrational organisiertes Handlungssystem dazudient, im Konsens der gesellschaftlichen Kräfte optimale

Standortstrukturen für bestimmte Territorien zu produzieren.

Als relevante Akteure gelten dabei die Vertreter der Pla-nungsbehörden, die ressortzuständigen Politiker sowie die

beteiligten Ziviltechniker-Planer (Österreich).

In Wahrheit sind am System der Standortproduktion we-sentlich mehr Akteure beteiligt, deren primäre Intentionali-täten in der Regel an verschiedenen anderen Motiven und

Zwecksetzungen orientiert sind.

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Anwälte

Ziviltechniker-Raumplaner

Gutachter

Institute

DIENSTLEISTERPRIVATWIRTSCHAFT

DIENSTLEISTERPRIVATWIRTSCHAFT

Amtsleiter, Ge-meindebedienstete

Bezirkshauptmann,Beamte BH

Fachbeamte Planungsämter

GeschäftsführerRegionalverbände

DIENSTLEISTERVERWALTUNG

DIENSTLEISTERVERWALTUNG

GRUNDBESITZER, VER-FÜGUNGSBERECHTIGTEGRUNDBESITZER, VER-

FÜGUNGSBERECHTIGTE

Bauern, Private

Betriebe, Konzerne

Kapitalgesellschaften

Bauträger

Projektanten

Kirche etc.

„BETROFFENE“„BETROFFENE“

Bürgerinitiativen

NGOs

Anrainer

INTERESSENVER-TRETUNGEN

INTERESSENVER-TRETUNGEN

Sozialpartner

Kammern

Standesver-tretungen

POLITIKPOLITIKPOLITIKPOLITIK

Parteipolitik KommunalpolitikLandespolitik

MEDIENMEDIEN

Journalisten

Herausgeber

Akteure des Raumordnungsprozesses (Österreich)

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DIENSTLEISTERPRIVATWIRTSCHAFT

DIENSTLEISTERPRIVATWIRTSCHAFT

DIENSTLEISTERVERWALTUNG

DIENSTLEISTERVERWALTUNG

GRUNDBESITZER, VER-FÜGUNGSBERECHTIGTEGRUNDBESITZER, VER-

FÜGUNGSBERECHTIGTE

„BETROFFENE“„BETROFFENE“

INTERESSENVER-TRETUNGEN

INTERESSENVER-TRETUNGEN

POLITIKPOLITIK

MEDIENMEDIEN

Wahlerfolg, Macht, BudgetWahlerfolg, Macht, Budget

Auflage,Erfolg

Auflage,Erfolg

Lobbying,Gruppen-interessen

Lobbying,Gruppen-interessen

Lebens-qualität,

Interessen

Lebens-qualität,

Interessen

Wert-schöpfung,

Verwertung

Wert-schöpfung,

Verwertung

Verwal-tungs-

vollzug, Karriere

Kompetenz-abgrenzung

Verwal-tungs-

vollzug, Karriere

Kompetenz-abgrenzung

Aufträge,Wert-

schöpfung

Aufträge,Wert-

schöpfung

Primäre Intentionalität

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Politische Ökonomie der Standortproduktion

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Die Frage der politischen Ökonomie der Standortproduktionwird in der planungstheoretischen Literatur geradezu als

Tabuthema gehandhabt, gelegentlich ist verschämt von „po-litischem Opportunismus“ (J. GENOSKO, 2002) die Rede.

In Wahrheit ist der Prozess der Raumordnung in sehr er-heblichem Maße durch den politischen Nutzen der Standort-

produktion geprägt.

Es erscheint absurd, „…dass die überlieferte ökonomischeStandort- und Landschaftsstrukturtheorie die Regierenden

als verantwortliche Aktoren im Siedlungsprozess überhauptnicht wahrgenommen hat.“

D. BÖKEMANN, 1982, S. 11

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Ökonomische Theorie der Demokratie

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„In Demokratien nutzen die Regierenden … den ihnen durchWahlen anvertrauten Staatsapparat (Bürokratie) auf analoge

Weise wie private Wirtschaftssubjekte ihr Eigentum: nachder ökonomischen Rationalität des Eigennutzes zur Erhal-

tung und Vermehrung ihrer Verfügungsrechte über bestimmte Mittel.“

D. BÖKEMANN, 1982, S. 19

Standorte lassen sich als vom Staat bzw. Gebietskörper-schaften produzierte Güter betrachten. Neben den Grund-stückseigenern ist auch die öffentliche Hand „Verfügungs-berechtigte“ von Standorten, denn sie ist am Nutzenertrag

(etwa in Form von erwirtschafteten Steuern) beteiligt.

In Anlehnung an J. SCHUMPETER, 1942, A. DOWNS, 1968 oder J. M. BUCHANAN, 1968

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Ökonomische Theorie der Demokratie

Flächenwidmungspläne, Regionalpläne, Sachprogramme,Stadt- oder Landesentwicklungsprogramme „produzieren“

Standorte und damit Nutzungspotenziale.

Die Regierenden bedienen sich dabei institutionell abge-grenzter Bereiche der Verwaltung als „Produktionsapparate“.

Ihre „Ertragserwartungen“ sind primär daran orientiert, sichpolitische Entscheidungsspielräume zu erhalten und mög-lichst zu vergrößern. Ihre „Produktionsziele“ sind deshalbnicht standortfunktional (im Sinne einer Optimierung der

„Ordnung des Raumes“), sondern durch politische Nutzen-kategorien oder „politische Güter“ definiert, die der Siche-rung und/oder Vergrößerung politischer Handlungsspiel-

räume dienen.

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Ökonomische Theorie der Demokratie

„Politische Güter“:

• Disposition über Budgetmittel (Steuereinnahmen)

• Wählerloyalität (Wählerstimmen)

• Erhöhung des Standortnutzens (bzw. Minimierung der Standortbenachteiligung) für jene privaten Standorteig- ner (oder Anrainer), die dem eigenen politischen Klientel angehören.

Ökonomische Abwägungen über politische Güter könnenauch dazu führen, dass auf die Produktion standörtlicher

Nutzungspotenziale verzichtet wird, wenn die Regierendenbefürchten, dass Wähler (z. B. betroffene Anrainer) ihnen

deshalb ihre Gunst entziehen könnten.

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Politische Ökonomie der Standortproduktion

Analyse konkreter empirischer Beispiele:• Position der Regierung Schausberger (ÖVP) gegen- über den Ausbauplänen des Salzburger Airport-Centers (Bestandsschutz des innerstädtischen Einzelhandels)

• Position der Regierung Burgstaller (SPÖ/ÖVP) zur gleichen Frage (Einkaufszentren sind gute Arbeit- geber, beschäftigen Behinderte, stellen Lehrlinge ein, Arbeitgeber sind gewerkschaftlich organisiert)

Im Kontext der politischen Ökonomie ist auch die Möglich-keit zu berücksichtigen, dass die Standortproduktion als Me-

dium für die Erzielung eines „Ego-“ oder Imagegewinns füreinzelne Akteure eingesetzt werden kann.

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Politische Ökonomie der Standortproduktion

Überlegungen zur politischen Ökonomie der Raumordnungbieten sehr plausible Ansätze zur Erklärung des faktischen

Versagens der Regionalplanung.

Im Bereich der Regionalplanung kann es einen politisch-ökonomischen Nutzen nur dann geben, wenn die betref-

fende Planungsregion auch als „Quasi-Gebietskörperschaftinstitutionalisiert ist und sowohl „Regierende“ als auch er-

wähnenswerte eigenständige Budgets existieren.

Best-Practice-Beispiele einer funktionierenden Regional-planung (die Regionen Stuttgart und Hannover) sind beein-

druckende empirische Belege für diese These.

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„Planungsdoktrin“

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Der Begriff „Planungsdoktrin“ wurde von A. FALUDI (1989 und 1999, A. FALUDI und A. J. van der VALK, 1994) ein-geführt und am Beispiel des niederländischen Planungs-

systems erläutert.

Wir glauben, dass sich dieses Konzept zu einem hervor-ragenden analytischen Modell zur detaillierten Darstellung

der Tiefenstruktur und zur Typisierung von Raumordnungs-systemen weiterentwickeln lässt.

Planungsdoktrin: ein konzeptuelles Schema, das von einemPlanungssubjekt verwendet wird „… to integrate and express

its ideas about the planning and development of a spatiallydefined area“ (E. R. ALEXANDER und A. FALUDI, 1996, S.

13).

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Planungsdoktrin

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Wir verstehen unter „Planungsdoktrin“ die Gesamtheit allermit dem Planungsprozess verknüpften Denkkonzepte, Ziele

Raummodelle, Bilder, Metaphern, Verfahren, Methoden,Regeln und Normen, die für ein bestimmtes Raumord-

nungssystem charakteristisch und konsensbildend sind.Dazu zählen auch alle Vorstellungen und Postulate über

Kompetenzen und deren Hierarchie, die Definition des Pla-nungssubjekts und die Abgrenzung des Planungsobjekts.

Planungsdoktrinen sind in keinem Dokument oder Gesetzexpressis verbis ausformuliert, lassen sich aber aus den

Planungsdokumenten sowie der sozialen und administra-tiven Praxis erschließen.

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Die aktuelle Planungsdoktrin der österreichischen Bundesländer I

• Raumordnung hat weit überwiegend ordnungspolitische Aufgaben und Zielsetzungen.

• Raumordnung ist Sache der Länder und Gemeinden. Nur sie kommen als Planungssubjekte in Frage.

• Raumplanung ist ausschließlich eine Angelegenheit der dafür eingesetzten amtlichen Institutionen (Planungsabt.).

• Planungsregionen sind durch Verwaltungsgrenzen defi- niert; Gemeinde-, Länder- und Staatsgrenzen sind als unüberschreitbare Kompetenzbarrieren zu akzeptieren.

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Die aktuelle Planungsdoktrin der österreichischen Bundesländer II

• Raumplanung darf sich nur auf raumwirksame Maß- nahmen beziehen; Wirtschafts- und Sozialpolitik sind eigenständige Bereiche, die von der Raumordnungs- politik strikt zu trennen sind.

• Raumplanung darf nur solche Verfahren und Instrumente einsetzen, die in den einschlägigen Gesetzen definiert sind.

• Raumordnung ist Verwaltungshandeln; die Rationalität des Planungsprozesses ist primär durch juristische Argu- mentation gekennzeichnet.

• …

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Eine Planungsdoktrin, die mit den aktuellen Erfordernissen kompatibel wäre I

• Raumordnung hat weit überwiegend entwicklungspoliti- sche Aufgaben und Zielsetzungen.

• Raumordnung ist Sache aller gesellschaftlichen Kräfte einer Region. Als Planungssubjekte sind primär Funktio- nalregionen bedeutsam.

• Raumplanung ist nicht nur eine Angelegenheit der dafür eingesetzten amtlichen Institutionen (Planungsabt.), son- dern soll alle regionalen Akteure aktiv einbeziehen.

• Planungsregionen sind durch die sozioökonomische Praxis definiert; Gemeinde-, Länder- und Staatsgrenzen dürfen dabei keine entscheidende Rolle spielen.

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Eine Planungsdoktrin, die mit den aktuellen Erfordernissen kompatibel wäre II

• Raumplanung darf sich nicht nur auf raumwirksame Maß- nahmen beschränken; Wirtschafts-, Umwelt- und Sozial- politik sind mit der Raumordnungspolitik eng zu ver- netzen.• Raumplanung muss alle Verfahren und Instrumente ein- setzen, die für zeitgemäße Management- und Marketing- prozesse erforderlich und geboten sind; Steuerungsmaß- nahmen sind besonders über privatrechtliche Verträge abzusichern.• Raumordnung ist als Governance-Prozess zu organisie- ren; die Rationalität des Planungsprozesses ist primär durch Sachargumente gekennzeichnet.• …

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InstitutionenInstitutionen

SWG/04/02/09

Unter einer Institution versteht man „...eineUnter einer Institution versteht man „...eineSinneinheit von habitualisierten Formen desSinneinheit von habitualisierten Formen desHandelns und der sozialen Interaktion, de-Handelns und der sozialen Interaktion, de-ren Sinn und Rechtfertigung der jeweiligenren Sinn und Rechtfertigung der jeweiligenKultur entstammen und deren dauerhafte Kultur entstammen und deren dauerhafte Beachtung die umgebende GesellschaftBeachtung die umgebende Gesellschaftsichern.“sichern.“

H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 144.H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 144.

Habitualisiertes Handeln: zur Gewohnheit gewordeneHabitualisiertes Handeln: zur Gewohnheit gewordeneHandlungsroutinen.Handlungsroutinen.

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Strukturen von InstitutionenStrukturen von Institutionen

SWG/04/02/10

• LeitideeLeitidee („Verfassung“); wird von den Mitgliedern („Verfassung“); wird von den Mitgliedern des jeweiligen Gesellschaftssystems anerkannt; des jeweiligen Gesellschaftssystems anerkannt; Beispiel: Gedanke des Ehesakraments;Beispiel: Gedanke des Ehesakraments;

• PersonalbestandPersonalbestand: jenes Ensemble von Positionen: jenes Ensemble von Positionen und Rollen, das für die Realisierung der Leitideeund Rollen, das für die Realisierung der Leitidee erforderlich ist (Braut, Bräutigam, Priester, ...).erforderlich ist (Braut, Bräutigam, Priester, ...).• Regeln und NormenRegeln und Normen: steuern den Umgang der be-: steuern den Umgang der be- teiligten Personen miteinander und sollen die Reali-teiligten Personen miteinander und sollen die Reali- sierung der Leitidee sicherstellen (Ritual, „Ja“, etc.).sierung der Leitidee sicherstellen (Ritual, „Ja“, etc.).

• Materieller ApparatMaterieller Apparat: Gegenstände, Werkzeuge,: Gegenstände, Werkzeuge, Settings, die für die Realisierung der Leitidee einge-Settings, die für die Realisierung der Leitidee einge- setzt werden (Kirche, Ringe, ...).setzt werden (Kirche, Ringe, ...).

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Gesellschaftsaspekt und Gesellschaftsaspekt und Personenaspekt von InstitutionenPersonenaspekt von Institutionen

SWG/04/02/11

• GesellschaftsaspektGesellschaftsaspekt::

• PersonenaspektPersonenaspekt: :

Institutionen sind in der geistigen und materiellen Institutionen sind in der geistigen und materiellen Welt einer Gruppe verankert und Bestandteil derWelt einer Gruppe verankert und Bestandteil derKultur dieser Gruppe. Kultur dieser Gruppe.

Institutionen sind in den BewusstseinsprozessenInstitutionen sind in den Bewusstseinsprozessenvon Personen verankert und sind Bestandteilevon Personen verankert und sind Bestandteileihrer Lebenswirklichkeit.ihrer Lebenswirklichkeit.

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Strukturmodell der InstitutionenStrukturmodell der Institutionen

SWG/04/02/12

InstitutionInstitution

LeitideeLeitidee

PersonalPersonal NormenNormen

Materieller ApparatMaterieller Apparat

PersonPersonGesell-Gesell-schaftschaft

Geistige WeltGeistige Welt

Materielle WeltMaterielle Welt

BewusstseinBewusstsein

KörperKörper

Bio

grap

hie

Bio

grap

hie

Geistige KulturGeistige Kultur

Materielle KulturMaterielle Kultur

Soz

ialg

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Quelle: H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 147, verändert.Quelle: H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 147, verändert.

Page 43: Planungsstile und Planungskulturen Überlegungen zur Konzeption eines planungstheoretischen Forschungsprojekts P219PSKult01 Rainer DANIELZYK Institut für

Funktionen von InstitutionenFunktionen von Institutionen

SWG/04/02/13

Institutionen verknüpfen Personen, Gegen-Institutionen verknüpfen Personen, Gegen-stände und Handlungen derart, dass durch stände und Handlungen derart, dass durch das gemeinsame und koordinierte Handelndas gemeinsame und koordinierte Handelnbestimmte gesellschaftlich bedeutsame Auf-bestimmte gesellschaftlich bedeutsame Auf-gaben, die immer wieder vorkommen, ingaben, die immer wieder vorkommen, ingleichartiger und damit vorhersehbarer gleichartiger und damit vorhersehbarer Weise vollzogen werden können.Weise vollzogen werden können.

(Vergl. H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 147.(Vergl. H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 147.

Institutionen vermitteln dem Individuum dasInstitutionen vermitteln dem Individuum dasGefühl von Stabilität, Sicherheit und Ordnung.Gefühl von Stabilität, Sicherheit und Ordnung.