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Arbeitsgemeinschaft Brustschilde und Nachverwendete Altdeutschland-Stempel e.V. Internet: www.arge-brustschilde.de ______________________________________________________________________ RUNDBRIEF NR. 161 Februar 2017 ______________________________________________________________________ Postverkehr nach Großbritannien zur Brustschildzeit Die Innendienstmarken bei der Deutschen Post in der Türkei und Probleme der Prüfung ihrer handschriftlichen Entwertung Die braunen Marken (MiNrn. 21 und 27) Verwendungsdaten auf Brustschilden

Postverkehr nach Großbritannien zur Brustschildzeitarge-brustschilde.de/fileadmin/inhalte/PDF/... · Bahnpost übergeben. Das Eisenbahn-Post-Büro Nr. 10 hatte seinen Standort in

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Arbeitsgemeinschaft Brustschilde und Nachverwendete Altdeutschland-Stempel e.V.

Internet: www.arge-brustschilde.de

______________________________________________________________________

RUNDBRIEF NR. 161 Februar 2017 ______________________________________________________________________ Postverkehr nach Großbritannien

zur Brustschildzeit

Die Innendienstmarken bei der Deutschen Post in der Türkei und Probleme der Prüfung

ihrer handschriftlichen Entwertung Die braunen Marken (MiNrn. 21 und 27)

Verwendungsdaten auf Brustschilden

INHALTSVERZEICHNIS Rückblick auf das Herbsttreffen in Bensheim S. 3

Protokoll der Mitgliederversammlung vom 01.10.2016 S. 5

Geburtstage 2017 S. 9

Einladung zum Frühjahrstreffen 2017 in Bad Rothenfelde S. 11

Einladung zum Herbsttreffen 2017 in Bützow S. 13

Ausstellungserfolge/Ehrungen S. 14

Bericht von der Briefmarken-Messe-International Berlin 2016 S. 17

Bericht von der Briefmarkenbörse Sindelfingen 2016 S. 18

Aus den Arbeitsgemeinschaften S. 19

Aufruf zur Mitarbeit – Suchmeldungen S. 24

Plattenfehler-Handbuch, 3. Auflage S. 26

NDP-Plattenfehler-Katalog S. 27

Brustschilde – Verwendungsdaten – aktualisierte Liste S. 28

Joachim Markowski Postverkehr nach Großbritannien

zur Brustschildzeit S. 31

Michael Jäschke- Die Innendienstmarken bei der Deutschen Post

Lantelme in der Türkei und Probleme der Prüfung

ihrer handschriftlichen Entwertung S. 53

Peter Beutin Die braunen Marken (MiNrn. 21 und 27) S. 69

Mitgliederveränderungen S. 86

Titelfoto: Brief nach London

(Siehe Artikel Seite 31)

IMPRESSUM

Vorsitzender: Siegfried Zimmermann, Bachmannstr. 14, 25746 Heide (0481-683 310) Stellvertreter: Hansmichael Krug, Burgfriedenstr. 42, 60489 Frankfurt/Main (069-788 00 983) Schriftführer und Schatzmeister: Reinhold Ruh, Erzbergerstr. 1, 68642 Bürstadt (06206-7814)

Arge-Kto.: Raifbk Ried e.G., 68642 Bürstadt, Kto.-Nr. 124 958, BLZ: 509 612 06 IBAN: DE26 5096 1206 0000 1249 58 BIC: GENODE51RBU

Redaktion: Josef Köjer, Uhlandstr. 7, 33142 Büren (02951-5038) Redaktion, Druck, Vertrieb: Joachim Markowski, Waldweg 9, 25779 Wiemerstedt (04836-99 63 509) Archiv: Werner Hintze, Auf dem Berg 11 A, 65388 Schlangenbad (06129-9706) Rundsendedienst: Frank Müller, Zwickauerstr. 27, 04639 Gößnitz (034493-31457) Druck: DRUCKFREY, Im Sommerrain 32, 75 446 Wiernsheim Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Ge-nehmigung der Arbeitsgemeinschaft ist es nicht gestattet, die Schriften oder Teile daraus auf fototech-nischem Wege zu vervielfältigen. Die Verwendung der Michel-Nummerierung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Schwaneberger Verlages.

28 Bruno Pengl, 3430 Tulln an der Donau, Neugrabengasse 3, Österreich

BRUSTSCHILDE – Verwendungsdaten Ersttage – Letzttage – Früh- und Spätverwendungen

aktualisierte Liste - Stand Januar 2017 Die Basis Im ersten Rundbrief Nr. 100 nach der Neugründung der ArGe hat Herr Brugger eine Aufstel-lung der bekannten und belegten Daten aller Ausgaben, Marken, Briefe und Ganzsachen, die in der Brustschildzeit verwendet werden konnten, erstellt. In den Rundbriefen 101–105 führ-te Herr Brugger die gemeldeten besseren Daten auf. Herr Fath veröffentlichte eine Aufstel-lung der Ersttagsstempel. Dann erst wieder im Rundbrief 155 erstellte Herr Claßen eine Mengenanalyse der Letzttagstempel. Aktualisierte Liste Im Zuge der Neuausrichtung meiner Ausstellungssammlung Brustschilde – ich habe diese ab der Zeit der Reichspost vom 4.5.1871 bis 31.12.1875, also Ende der Brustschildzeit, neu auf-gebaut – erinnerte ich mich wieder der Arbeit von Herrn Brugger und integrierte in die Sammlung Marken, Briefe und Ganzsachen mit Ersttag, Frühverwendungen, Letzttagen und Spätverwendungen. Herr Brugger hat mir dankenswerter Weise die Verwendung seiner Aufstellung als Basis für diese Arbeit genehmigt. Auf die Angabe von Ortsnamen der Stempel habe ich verzichtet, es gibt ja oft mehrere Stücke. Die abgebildeten Belege RB 100-105 waren eingeklebte Kopien und stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Endabstimmung erfolgte durch Herrn Krug, der das Register von Herrn Brugger nach sei-ner Prüfertätigkeit weiterführt. Wenn Sie neuere Erkenntnisse bei den Daten haben, bitte ich um Ihre Meldungen an [email protected].

31 Joachim Markowski, Waldweg 9, 25779 Wiemerstedt

Postverkehr nach Großbritannien zur Brustschildzeit

1. Großbritannien um 1872

2. Beförderung von Deutschland nach Großbritannien

3. Drucksachen und Postkarten nach Großbritannien

4. Die Geschichte des Bank- und Handelshauses Frederick Huth in London

5. Besondere Frankaturen aus dem Groschen- und Kreuzergebiet

6. Unzureichend frankierte Briefe

Ich möchte Ihnen natürlich möglichst viele interessante Belege zeigen, aber auch zwei kleinere Ausflüge in die damalige und heutige Weltmetropole London unter-nehmen, Ihnen dabei das System der Postbezirke Londons erläutern und zur Ge-schichte des ursprünglich aus Deutschland stammenden Besitzers des Bank- und Handelshauses Huth vortragen, immerhin das drittgrößte Bankhaus Londons zur damaligen Zeit.

Abb. 1

1. Großbritannien um 1872

1872 war das britische Weltreich unter der Regentschaft der Königin Victoria auf dem Höhepunkt seiner Macht. Es umfasste ein Fünftel der Erde und ein Drittel der Welt-bevölkerung. Das waren 38 Millionen km2 und 450 Millionen Einwohner. Europa do-minierte es als größte Wirtschaftsmacht. Kein Wunder, dass das aufstrebende Deut-sche Kaiserreich auch aufgrund der engen Bindungen an das englische Königshaus (Königreich Hannover und Sachsen-Coburg und Gotha) zahlreiche private und wirt-schaftliche Beziehungen nach Großbritannien pflegte. Zum damaligen Großbritanni-en gehörten England, Schottland, Wales, Helgoland und Irland, letzteres erlangte erst 1921 seine Unabhängigkeit.

32 Mit annähernd 4 Millionen Einwohnern war London zur Brustschildzeit die größte Stadt der Welt. Im Gegensatz zu vielen Orten, in denen die Anschrift ohne Straße oder Stadtteil ausreichte, war London bereits in Bezirke aufgeteilt. Innerhalb der Stadtteile wurden verschiedene Stempel benutzt, die dann mit Großbuchstaben A, B, C usw. gekennzeichnet waren.

N. North Nord NE. NorthEast Nordost NW. NorthWest Nordwest E. East Ost SE. SouthEast Südost EC. East Central Zentrum Ost S. South Süd SW. SouthWest Südwest W. West West WC. WestCentral Zentrum West

Abb. 2

Portostufen:

Bis 30.06.1875 Abkommen nach d.

01.07.1875 (UPU)

Währungsgebiet Groschen Kreuzer Pfennige

Drucksachen 3/4 Gr. pro 40 g, ab 01.07.72 50 g

3 Kr. pro 40 g, ab 01.07.72 50 g

5 Pfge. pro 50 g

Postkarten 2½ Gr. 9 Kr. 10 Pfge.

Briefe 2½ Gr. pro 15 g 9 Kr. pro 15 g 20 Pfge. pro 15 g

R-Gebühr 2 Gr. 7 Kr. 20 Pfge.

Nach dieser ausführlichen Einleitung können wir jetzt in „medias res“ gehen.

33 2. Beförderung von Deutschland nach Großbritannien

Anhand des hier gezeigten Briefes möchte ich Ihnen die häufigste Beförderungsmög-lichkeit der Post nach England zur damaligen Zeit darstellen. Er wurde laut dem Sta-tions-Aufgabestempel Ra1 „FRANKFURT A/M E.P.B.X.“ in Frankfurt am Main der Bahnpost übergeben. Das Eisenbahn-Post-Büro Nr. 10 hatte seinen Standort in Köln und war zuständig für den linksrheinischen Bahnverkehr.

Abb. 3

Wer von Ihnen kennt nicht den Bahnpost-Stempel CÖLN – VERVIERS? Auf dieser Bahnstrecke ging es weiter und über Gent und Brügge nach Ostende.

Abb. 4

Die Karte von 1843 zeigt deutlich, dass die Strecke Verviers–Ostende bereits früh-zeitig als eine der Hauptstrecken Belgiens ausgebaut war. Die Beförderung über den Kanal nach England übernahm die Königliche Belgische Post, die dreimal täglich zwischen Ostende und Dover verkehrte. Eine zweite Linie bediente die Strecke Ostende–Ramsgate, auf dieser Strecke wurde aber fast ausschließlich Frachtverkehr

34 abgewickelt. Da das englische Eisenbahnnetz frühzeitig und sehr intensiv ausgebaut worden war, benötigten Briefe im Regelfall 2 Tage von Deutschland nach England. 3. Drucksachen und Postkarten nach Großbritannien

Abb. 5: 1/4 Groschen grauviolett und 1/2 Groschen orange, beide kleiner Schild 1872, auf Drucksa-

chen-Faltbrief mit NDP EKr ALTENBURG 2 10 73 an das Bank- und Handelshaus Huth.

Abb. 6: 1/4 Groschen (3) grauviolett, kleiner Schild 1872, auf Auslands-Drucksache mit NDP Rahmenstempel MÜHLHAUSEN / IN THÜRINGEN / 5 2 73 9-10 an das Bank-

und Handelshaus Huth. Die rechte Marke hat den Prägefehler III „Waagerechter Ausfall der Prägung rechts und diagonal links“, Feld 144.

40

1845 nimmt Huth Kontakt mit seiner Heimatgemeinde Harsefeld auf. Er stiftet Kapital

für eine Volksbibliothek, eine Fortbildungsschule und für eine ständige Unterstützung

der Armen. Sein Interesse gilt der Entwicklung der Sparkasse in Harsefeld. Der Har-

sefelder Gemeinde schenkt er einen neuen Kirchturm. Die Hut‘sche Stiftung hat bis

zur Inflation bestanden. 1938 erlischt in London die Firma F. Huth & Co.

5. Besondere Frankaturen aus dem Groschen- und Kreuzergebiet

5.1 Groschen - Frankaturen

Abb. 17: Mausoleum der Familie Huth

Abb. 18 2 senkrechte Dreierstreifen ¼ Groschen violett, großer Schild 1872, auf Auslandsbrief von Hamburg nach London. Hufeisenstempel (Spalink 17-10) HAMBURG 3 AUG. 74.

Der rote EKr LONDON W. D 7 PAID bestätigt die korrekte Frankatur von 2 ½ Groschen für einen Brief der 1. Gewichtsstufe nach England.

50 6. Unzureichend frankierte Briefe

Unzureichend frankierte Briefe wurden wie unfrankierte Briefe behandelt, das heißt

es wurde das doppelte Porto berechnet. Davon wurde das frankierte Porto abgezo-

gen und der Differenzbetrag vom Empfänger eingezogen.

Abb. 36 1 Groschen kleiner Schild 1872 mit Ra3 BERLIN / POST-EXP. 1. / 18 4 73 * 10-11V.

Der unzureichend frankierte Brief bis 15 Gramm mit handschriftlichem Vermerk „Kastenbf“ wurde mit dem Ra2 „Insufficiently / prepaid“ und dem EKr „MORE TO PAY“

gekennzeichnet. Die Nachgebühr errechnet sich aus dem Porto von 5 Groschen für unfrankierte Briefe abzüglich der Frankatur von 1 Groschen, also 4 Groschen,

umgerechnet 5 Penny gem. Taxziffer „5“

Abb. 37 Waagerechtes Paar 1 Groschen kleiner Schild 1872 mit Ra3 ERFURT / BAHNHOF / 15 6 72 * 7-8V. Der unzureichend frankierte Brief bis 15 Gramm wurde mit dem Ra2 „Insufficiently /

prepaid“ und dem EKr „MORE TO PAY“ gekennzeichnet. Die Nachgebühr errechnet sich aus dem Porto von 5 Groschen für unfrankierte Briefe abzüglich der Frankatur von 2 Groschen,

also 3 Groschen, umgerechnet 4 Penny gem. handschriftlicher Taxziffer „4“

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Zum guten Schluss

Mary Caroline, Contess of Minto

Briefe nach Großbritannien (und natürlich auch in andere Regionen der Welt) kann

man auf unterschiedliche Weise erforschen. Nicht nur die Postgeschichte und das

Studium der Briefe und Karten mit den einzelnen Portostufen kann faszinieren, son-

dern gelegentlich auch das genauere Betrachten der Adressen sowie der dahinter

stehenden Personen.

Deshalb hier zum Schluss – nach dem Studium des Bankhauses Huth (siehe oben) –

noch eine kleine Geschichte der Contess of Minto.

Abb. 38

1 Kreuzer smaragdgrün und waagerechtes Paar 3 Kreuzer karmin, alle kleiner

Schild 1872, auf unzureichend frankiertem Brief mit EKr DARMSTADT

BAHNHOF 21 8 8-9N. nach London. Der nur mit 7 statt 9 Kreuzer frankierte

und daher mit Blaustift „Ksbf ungenügend“ gekennzeichnete Brief bis 15 Gr. trägt den englischen EKr „MORE TO PAY“. Die Gebühr für den unzureichend

frankierten Brief errechnet sich aus dem Porto für einen unzureichend

frankierten Brief – 18 Kreuzer – abzüglich des Wertes der frankierten Marken, 7

Kreuzer, verbleiben 11 Kreuzer, umgerechnet 4 Penny gem. handschriftlicher

Taxziffer „4“, die beim Empfänger eingezogen wurden.

53 Michael Jäschke-Lantelme, Ahlener Weg 13c, 12207 Berlin

Die Innendienstmarken bei der Deutschen Post in der Türkei und Probleme der Prüfung ihrer handschriftlichen Entwertungen

Eine Briefmarke lässt sich – abgesehen von einer (teilweisen) Zerstörung der Marke wie Einreißen, Ätzen, Zerschneiden etc. – am einfachsten mittels Poststempel oder durch handschriftliche Kennzeichnung entwerten. In aller Regel sind beide Methoden ausschließlich angewandt worden (die handschriftliche Entwertung z.B. bei Verlust des Poststempels o.ä.). Im vorliegenden Fall der Innendienstmarken ist eine hand-schriftliche Entwertung dagegen absichtlich verfügt worden (NDP-Amtsblatt 7/24/69). Auch wenn dies nicht offiziell als Begründung genannt wurde, so dürfte die Anbrin-gung einer „individuellen“ Handschrift vor allem der Identifizierung des Beamten ge-dient haben, der mit der Bearbeitung der jeweiligen, in der Regel werthaltigen Sen-dung befasst war und der bei Problemen auf diesem Wege leichter zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Diese „Individualisierung“ der Entwertung ist für damalige Umstände zwar durchaus nachvollziehbar, bringt bei einer heute anstehenden Echtheitsprüfung aber gravie-rende Nachteile mit sich. Während es bei einer Entwertung durch Poststempel grundsätzlich keine Abweichungen zwischen den jeweiligen Abschlägen geben kann – denn entweder die Kongruenz zwischen Prüfstück und Vergleichsstück(en) ist ge-geben oder eben nicht –, gibt es bei einer handschriftlichen Entwertung immer wie-der mehr oder weniger leichte Abweichungen. Wenn im Falle einer Handschrift auch die Kongruenz nicht eindeutig prüfbar ist, so lassen sich wie schon bei einer Entwertung durch Poststempel aber auch andere „weiche“ Kriterien anwenden: Posttage, Farbtönungen der verwendeten Marken oder Umfang und charakteristische Ausprägung einer Dezentrierung des Markenbildes etc. Darüber hinaus lässt sich – neben der Kongruenzprüfung ein weiteres „hartes“ Krite-rium – aber auch die Tinte wie die Stempelfarbe näher betrachten: mithilfe der Durchlichtmikroskopie kann bei entsprechend starker Vergrößerung auch die Mikro-strukur der verwendeten Tinte(n) vergleichend untersucht werden. Während die Stempelfarbe für die Postanstalten des Deutschen Reichs zentral1 ge-liefert wurde und damit für sämtliche Postanstalten identisch ist (und somit auch ein identisches Erscheinungsbild der Mikrostruktur zeigt) gibt es bei der seinerzeit ver-wendeten Tinte durchaus Variationen, insbesondere was das äußere Erscheinungs-bild betrifft. Aber trotz dieser auf den ersten Blick vermeintlich großen Unterschiede, zeigen alle Tinten – bei entsprechend starker Vergrößerung – eine relativ einheitliche Struktur, die typisch ist und sich lediglich in der Deutlichkeit ihrer Ausprägung unter-scheidet. Die Prüfung von Handschriften lässt sich somit mit zwei Methoden durchführen: 1. durch Vergleich der Handschriften anhand charakteristischer Details 2. durch Untersuchung der Mikrostruktur der verwendeten Tinte.

1 Eine zentrale Lieferung ist in den Akten für das Reich zwar erst im Jahre 1889 mit der Entwicklung der sog. Hammer'schen Stempelfarbe nachgewiesen, jedoch ist davon auszugehen, dass auch schon frühere Stempelfarben zentral geliefert wurden.

56 Nachgewiesene Handschriften auf den MiNrn. NV 25 und NV 26 Neben der Handschrift auf der bereits gezeigten Marke mit dem frühesten bekannten Verwendungsdatum lassen sich insgesamt 3 weitere Handschriften nachweisen, die je mehrfach belegt sind. Die nachstehenden Abbildungen zeigen alle (dem Autor) bekannten Stücke der MiNr. V 26, die jeweiligen Handschriften werden „als Gegen-probe“ auch auf anderen Werten gezeigt. Die Handschrift 1 ist bereits vorgestellt worden (Abb. 3). Die Handschrift 2 ist am häufigsten registriert (Abb. 4 – als frühestes bekanntes Ver-wendungsdatum der MiNr. NV 26 – und Abb. 5–10)

Abb. 4 Abb. 5

Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8

Abb. 9 Abb. 10

61 Entwertungen auf der MiNr. 37 Während anfangs die Marken typisch entwertet wurden – Marke für Marke mit cha-rakteristischer Trennung des Ortsnamens – kommen in späterer Zeit die ver-schiedensten Varianten vor: mal über zwei, drei, vier oder noch mehr6

Marken (Abb. 27 – 31), mal ohne Angabe der Jahreszahl (Abb. 32 – auf Abb. 33 mit eher fragwür-diger Handschrift).

Abb. 27

Abb. 28a Abb. 28b

Abb. 29

Abb. 30

6 Lt. Friedemanns Berichte für Briefmarkensammler, S. 2626 mussten sehr schwere Briefe („10 und

mehr kg“) „an Banken in London und Paris mit bis zu 150 Stück 2 Mark-Marken beklebt werden.“ Da diese meist kurz vor Abgang der Post aufgeliefert wurden, konnten die Marken verständlicherweise kaum mehr einzeln nach Vorschrift entwertet werden.

62

Abb. 31

Abb. 32 Abb. 33 Sogar abweichende Schreibweisen des Ortsnamen sind (wenn auch nur für die Jah-re 1875/76) registriert – dass dies kein Zufall ist, beweist die Tatsache, dass ver-schiedene Schreibweisen vorkommen und diese auch je in mehreren Stücken und/oder auf Ganzstücken bekannt sind: Neben „Cospoli“ (Abb. 34) findet sich auch die Abkürzung „Cople“ (Abb. 35 und 36).

Abb. 34

Abb. 35

64

Abb. 38

Dass die Entwertungen offensichtlich nicht von einem Postfachbeamten vorgenom-men worden sind, zeigt auch die Tatsache, dass die Änderung in den Vorschriften zur ordnungsgemäßen Entwertung des 2 Mark-Wertes – ab dem 18.11.1884 waren diese mit Poststempel und nicht mehr handschriftlich zu entwerten – in Therapia kei-ne Berücksichtigung fand, ganz im Gegensatz zu den Entwertungen in Constantino-pel! Wie schon bei „Constantinopel“ kommen auch hier kleine Abweichungen vor, so zum Beispiel in der Schreibweise des „T“: einmal als „Schleife“ und einmal in zwei ge-trennten Strichen, die aber beide durch die gleiche Hand erfolgten (Abb. 39). Auch die Schreibweise über zwei Marken findet sich hier wieder (hier jedoch mit Da-tumsangabe je Marke).

Abb. 39

Während der vorstehende Teil sich mit den offensichtlichen Unterschieden bzw. Ähn-lichkeiten der Handschriften beschäftigt hat, um hier eine Art Echtheitsnachweis zu ermöglichen, soll im nachstehenden zweiten Teil versucht werden, die Ergebnisse einer mikroskopischen Untersuchung der jeweils verwendeten Tinten zu zeigen, um Vergleiche hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu ermöglichen. Um die Zweckmäßigkeit dieser Methode zu zeigen, wurden verschiedene, möglichst unterschiedlich aussehende Tinten auf Marken des Deutschen Reiches (Abb. 40) ausgewählt und mithilfe eines Durchlichtmikroskops7 untersucht.

7 Bei diesem Mikroskoptyp wird das zu untersuchende Objekt (meist biologische Präparate) mit einer besonders starken Lichtquelle von unten statt wie üblich von oben beleuchtet.

69 Peter Beutin, Am Dorfteich 11, 18059 Rostock

Die braunen Marken (MiNr. 21 und 27)

Abb. 1

Kaiserliches General-Postamt, Generalverfügung No. 76

vom 12.09. 1872, „Einführung von Freimarken zu 2½ Gr. und zu 9 Kr.“

70 1. Mit General-Verfügung No. 76 vom 12.09.1872 teilte das Kaiserliche General-

Postamt den unterstellten Ober-Postdirektionen und Ober-Postämtern mit: „Vom 1. November d.J. ab werden Postfreimarken zu 2½ Groschen … und Postfrei-marken zu 9 Kreuzer … eingeführt“. Diese Marken würden „auf weißem Papier in braunem Druck“ hergestellt. Alle Postanstalten wurden aufgefordert, umgehend ih-ren Bedarf an neuen Marken zu bestellen. Diese General-Verfügung wurde kurz danach im Amtsblatt No. 73 der Reichs-Postverwaltung vom 20.09.1872 veröffent-licht. Wichtig an dieser Verlautbarung ist das von mir hervorgehobene Wörtchen „ab“, welches deutlich macht, dass das genannte Datum den offiziellen Beginn der Verwendung dieser Marken markiert. Nicht veröffentlicht wurde der vom General-Postdirektor Stephan unterzeichnete Zusatz für die nachgeordneten Direktionen und Ämter, wonach die Königliche Staatsdruckerei Bestellungen „auf den ersten Bedarf an neuen Marken bis zum 1. October entgegenzunehmen wünscht und mit deren Versendung am 15. October beginnen wird.“ Das Kohl-Briefmarken-Handbuch schreibt dazu: „Die Ergänzungswerte … gelang-ten bestimmungsgemäß am 1. Nov.1872 zur allgemeinen Ausgabe“. Den von Kohl eingeführten Begriff „Ergänzungswerte“ übernehme ich im Folgen-den, weil er präzise Funktion und Einordnung der zwei Markenwerte beschreibt. Diese beiden Ergänzungswerte werden seit vielen Jahrzehnten in den MICHEL- Briefmarkenkatalogen als die Nummern Deutsches Reich 21 und 27 registriert. Diese Bezifferung als MiNr. 21 und 27 ordnet die Marken in die Reihenfolge ihrer Wertigkeit, muss diesen Gesichtspunkt aber bei den nachfolgenden Aufdruckmar-ken in gleicher Wertstufe (MiNrn. 29 und 30) verlassen. Das war nicht immer so: Frühere Briefmarkenkataloge und auch die ersten Bear-beiter des sog. KOHL- Handbuchs, die Herren Dr. Kalckhoff und Dr. Munk, zählten die Marken als Nummern 27 und 28, also nach der Reihenfolge des Erscheinens. Hierbei schließen sich die Aufdruckmarken logisch an.

2. Während bei der Einführung der Marken mit dem vorgeschriebenen „definitiven“ Prägestempel des Reichsadlers (mit großem Brustschild) ab Juni 1872 zunächst der schon gedruckte Vorrat an Marken mit dem „provisorischen“ Prägestempel (mit kleinem Brustschild) verbraucht werden sollte – und es somit für die bis dahin verausgabten Brustschildmarken mit großem Brustschild keinen amtlich festgeleg-ten Ersttag für die Benutzung gibt, haben wir für die Ergänzungswerte mit obiger Verfügung einen klar bestimmten Ersttag, den 01.11.1872.

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Abb. 2 Zwei Werte der MiNr. 27 b - je mit Ersttagsstempel

Einschränkend ist allerdings zur Kenntnis zu nehmen, dass die neuen braunen Mar-ken schon 16 Tage vorher verteilt wurden, was jedoch als hierarchisch absteigende Maßnahme verstanden werden muss: Größere Postanstalten waren früher verkaufs-fertig, was heute über Frühdaten bestätigt werden kann. Bisher frühestes bekanntes Datum der MiNr. 21a ist der 14.10.1872 aus JÜTERBOG, ein Datum, welches noch vor dem vom Generalpostmeister persönlich mitgeteilten Versandtermin liegt! Weitere Frühverwendungen vor November sind bekannt (z.B. 14.10.72 JÜTERBOG, 24.10.72 CALBE A.D.SAALE, 27.10.72 PLESCHEN, 31.10.72 ROSTOCK. Auch von der MiNr. 27a liegt dem Verfasser ein Frühdatum vor: HEIDELBERG 30.10.72. (alle mit BPP-Attest)

Abb. 3: MiNrn. 21 und 27 je mit Frühdatum vor offizieller Ausgabe

3. Zur Vorbereitung der Herstellung dieser Ergänzungswerte wurden in der Reichs-

druckerei Proben mit unterschiedlichen Farben angefertigt. Die Bogen der Probe-drucke wurden mit der Adlerprägung Großer Brustschild geprägt. Nach Dr. Kalck-

72

hoff (Internationale Briefmarken Zeitung No.10, 15. Mai 1890) wurden folgende vier Farbvarianten hergestellt:

2 Groschen lilagrau 2 Groschen dunkelolivgrün 2 Groschen braunrot 2 Groschen schokoladenbraun

Muster dieser Farbprobedrucke befinden sich heute im Bestand des Archivs für Phi-latelie in Bonn. Für deren Herstellung wurde eine Druckplatte der 2-Groschen-Marke herangezogen. Von der Variante schokoladenbraun sind wahrscheinlich mindestens 2 Bogen hergestellt worden und später in den Handel gelangt. Davon sind heute ca. 40 ungebrauchte Exemplare registriert, die unterschiedlichen Bogen zugeordnet werden können. Eine dieser braunen MiNr. 20 P weist den Plattenfehler XXIII „Farb-strich über CH in DEUTSCHE unter der ersten Strichleiste“ auf und beweist dadurch den Herstellungsprozess.

Abb. 4: 2 Groschen dunkelolivgrün Abb. 5: 2 Groschen lilagrau

Abb. 6: 2 Groschen schokoladenbraun Abb. 7: 2 Groschen braunrot

74 Aus den nachfolgenden Gegenüberstellungen von USA-Belegen wird erkennbar,

welche Vereinfachung und Beschleunigung der Bearbeitung durch Benutzung einer

einzigen Marke erzielt werden konnte.

Abb. 9

2½ Gr. auf Brief bis 15 Gr. frankiert mit ½ Gr. + 1 Gr.(2) großer Schild 1872 von BREMEN 20 9 72

(Freitag) mit blauem Einzeiler FRANCO, via Southampton nach New York mit rotem Eingangsstempel

NEW YORK PAID ALL OCT 5, befördert mit dem Dampfer „Donau“ des Norddeutschen Lloyd

Abb. 10

CHICAGO ILL. AMPKT PAID ALL AUG 23

2½ Gr. auf Brief bis 15 Gramm von CHEMNITZ 2/8 73 (Samstag) mit dem HAPAG Dampfer “Holsatia” nach New York und weiter nach Manitowoc Wisc.

80

Die Farbe Braun bezeichnet ein stark abgedunkeltes Orange oder Rot. Farbmet-

risch wird eine Farbe als Braun bezeichnet, wenn sie durch Abmischen von Rot

mit Grün oder von Rot mit Grün und Schwarz entstanden ist (Wikipedia).

Für die beiden behandelten braunen Marken ordnet der MICHEL Deutschland-

Spezial (2016) in Bezug auf die 3 Farbvarianten jeweils keine spezifische, sondern

ein Farbspektrum zu. Dies verdeutlicht das vorgefundene Dilemma, dass alle be-

kannten Exemplare dieser beiden Marken variierende Farbtöne aufweisen.

Der MICHEL definiert die Farben wie folgt:

a-Farbe: hell- bis mittelrötlichbraun/braunorange

b-Farbe: mittelrotbraun (lilabraun)

c-Farbe: (lebhaft)braun

Für den Sammler mögen zunächst die selbst erkennbaren unterschiedlichen

Farbmerkmale als Faustregel ausreichen:

a-Farbe wirkt hell und enthält überwiegend orange Farbtöne

b-Farbe wirkt dunkel und enthält lila Farbtöne

c-Farbe wirkt matt, enthält aber weder orange noch lila Farbbestandteile.

Definitive Festlegungen der Farben erfolgen nur durch die Verbandsprüfer.

Jeder Sammler wird auch erkannt haben, dass Farbabbildungen mittels Scan oder

anderer Reproduktionsverfahren die braunen Farbtöne selten genau wiedergeben

-, wie auch in diesem Artikel. Das sollte bei allen Betrachtungen in Auktionskatalo-

gen oder im Internet beachtet werden.

Interessant und als zusätzliches Erkennungsmerkmal heranzuziehen sind jedoch

die örtlichen bzw. regionalen Häufungen der Stempelorte der b- und c-Farben.

Die MiNr. 21c tritt gehäuft auf in Hamburg (fast 50% der registrierten Marken), da-

neben häufig im Rheinland mit Stempelorten wie Krefeld, Elberfeld und Barmen.

Die MiNr. 27c hingegen wurde mit Masse in Frankfurt am Main verwendet (fast

50%), daneben häufig in Baden, Carlsruhe und Darmstadt.

6. Beide braunen Markenwerte weisen alle von den anderen Brustschildwerten be-

kannten Besonderheiten auf, die wir als Abweichung von der Norm kennen: Plat-

tenfehler und Schraubenkopfabdrucke, Prägefehler und Doppelprägungen.

Davon zeigt dieser Beitrag nachfolgend:

(1) zwei neue Plattenfehler

(2) die bekannten SKA (nur MiNr. 21)

(3) die markanten PräF

(4) die seltenen Doppelprägungen.

(5) die Plattenkennzeichen der MiNr. 21

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Mitgliedsbeitrag 2017

€ 40,00

Zu zahlen auf das ArGe-Konto bei der Raiffeisenbank Ried eG, 68642 Bürstadt Konto-Nr.: 124 958 BLZ: 509 612 06 IBAN: DE26 5096 1206 0000 1249 58 BIC: GENODE51RBU Bei Teilnehmern am SEPA-Basis-Lastschriftverfahren wird der Bei-trag im Februar 2017 abgebucht. Formulare für die Teilnahme am Beitragseinzug durch Lastschrift können beim Schatzmeister Reinhold Ruh Erzbergerstr. 1 68642 Bürstadt Tel.: 06206 7814 angefordert werden.