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OTTO-VON-GUERICKE-UNIVERSITÄT MAGDEBURG Institut für Verfahrenstechnik Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik Praktikum Nanopartikelfällung Inhalt: 1. Einleitung 2. Theoretische Grundlagen zur nasschemischen Nanopartikelbildung 3. Aufgabestellung und Versuchsdurchführung 4. Versuchsauswertung und Diskussion der Ergebnisse 5. Hinweise zur Praktikumsvorbereitung 6. Arbeitsschutz und Sicherheitsvorschriften 7. Symbolverzeichnis 8. Literatur Praktikum Nanopartikelfällung WS 2005/2006 Prof. Dr.-Ing.habil. Jürgen Tomas

Praktikum NanopartikelfällungPraktikum Nanopartikelfällung WS 2005/2006. 10 thermischen Energie ausreichend hohe repulsive Energiebarriere erzeugt. Die Stabilität von Suspensionen

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OTTO-VON-GUERICKE-UNIVERSITÄT MAGDEBURG

Institut für Verfahrenstechnik

Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik

Praktikum Nanopartikelfällung

Inhalt:

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen zur nasschemischen Nanopartikelbildung

3. Aufgabestellung und Versuchsdurchführung

4. Versuchsauswertung und Diskussion der Ergebnisse

5. Hinweise zur Praktikumsvorbereitung

6. Arbeitsschutz und Sicherheitsvorschriften

7. Symbolverzeichnis

8. Literatur

Praktikum Nanopartikelfällung WS 2005/2006

Prof. Dr.-Ing.habil. Jürgen Tomas

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1. Einleitung Die Erzeugung feinster Partikel mit Größen im Nanometerbereich gewinnt heutzutage im Be-

reich der Verfahrenstechnik und bei den Materialwissenschaften zunehmend an Bedeutung.

Viele wichtige Anwendungen fordern Produkte mit einer engen Partikelgrößenverteilung im

Bereich von unter 1 Mikrometer bis herunter zu wenigen Nanometern. Beispiele für solche

Anwendungen sind Katalysatoren mit signifikant höherer Aktivität, Metalle höherer Festig-

keit, Füllstoffe, Pigmente nahezu beliebiger Spektralfarbe, keramische Pulver, magnetische

Flüssigkeiten sowie pharmazeutische, medizinische und kosmetische Produkte.

2. Theoretische Grundlagen zur nasschemischen Nanopartikelbildung

2.1 Allgemeine Übersicht zu Herstellungsprozessen von Nanopartikeln

Zur Herstellung nanoskaliger Partikel in der flüssigen Phase steht eine Reihe von klassischen

Prozessen zur Verfügung [1-3]. Dazu zählen der Fällungsprozess in homogener Lösung und

in kompartimentierten Systemen, wie z.B. in Mikro- und Makroemulsionen, der Hydrother-

malprozess sowie der Sol-Gel-Prozess.

2.2 Fällungssynthese in flüssiger Phase

2.2.1 Theoretische Grundlagen

Bei der Fällung kommt es durch intensives Vermischen zweier Edukte zu einer Übersättigung

im Reaktionsraum. Phänomenologisch kann die Fällungssynthese als eine chemische Reakti-

on betrachtet werden, die durch die Entstehung eines neuen Stoffes aus den eingesetzten Aus-

gangsreagenzien gekennzeichnet ist, bei der der abzutrennende Stoff von der flüssigen bzw.

gelösten Phase in einen kristallinen Feststoff überführt wird. Zur Induzierung dieses Stoff-

übergangs von einer Phase in die andere muss eine thermodynamische Triebkraft aufgeprägt

werden. Bei den Fällungsprozessen ist diese gleichbedeutend mit der Einstellung des Zustan-

des einer übersättigten Lösung, d.h. die Konzentration der auszufällenden Komponente muss

höher sein als ihre Sättigungskonzentration bei gegebenen Zustandsgrößen und Zusammen-

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setzung, damit der Phasenwechsel Flüssig-Fest erfolgt. Ein Maß für den Abstand des Systems

vom Zustand des thermodynamischen Gleichgewichtes stellt dabei die Übersättigung dar [1].

2.2.2 Fällung in wässrigem Medium

Nach Erreichen der Übersättigung werden mit Hilfe homogener und heterogener Keimbildung

nanokristalline Partikel erzeugt. Nach Bildung der Primärpartikel bzw. Keime beginnt ein

diffusionskontrolliertes Partikelwachstum. Die wichtigste Anforderung an den Fällungspro-

zess kann wie folgt zusammengefasst werden: Um Partikel mit einer engen Größenverteilung

zu erhalten, muss das gesamte Produkt innerhalb kurzer Zeit ausfallen. Ist dies nicht der Fall,

so liegen zuerst Keime in einer noch stark übersättigten Mutterlauge vor. Die Folgen sind

sowohl Wachstum als auch Neubildung der Kristallkeime unter Absenkung der Mutterlau-

genkonzentration. Dies führt zum Entstehen polydisperser Partikelsysteme. Nach vollständi-

ger Fällung muss ein zweiter Wachstumsmechanismus an der Partikelkontakten, der die Ag-

glomeration der Primärpartikel bewirkt, unterbunden werden.

Die Nanopartikelfällung wird in der Regel durch drei wichtige Mikroprozesse bestimmt:

• Keimbildung

• Partikelwachstum

• Agglomeration, Alterung und Reifung der gebildeten Nanopartikel

2.2.2.1 Modellvorstellung von LaMer und Dinegar (1950)

Das Modell von LaMer kann den Verlauf von Kristallisations- und Fällungsvorgängen wie

folgt beschreiben [2]. Der Verlauf der Konzentration C einer sich bildenden schwerlöslichen

Verbindung ist dazu in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Soll durch eine chemische Reak-

tion diese schwerlösliche Verbindung gebildet werden, so steigt die Konzentration der Aus-

gangsverbindung beim Hinzufügen schnell mit der Zeit an. Sobald die Konzentration C einen

kritischen Wert C0, die kritische Übersättigung, überschritten hat, setzt spontan Keimbildung

ein. Dieser Zeitraum wird als Induktionszeit bezeichnet. Gleichzeitig mit der Keimbildung

beginnt auch das Wachstum der gebildeten Keime zu Partikeln, was dazu führt, dass die Kon-

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zentration C ein Maximum durchläuft und dann abzunehmen beginnt. Nach einiger Zeit fällt

die Konzentration C unter die kritische Übersättigung C0.

Keimbildung kritische Übersättigung C0

Konzentration einer schwerlöslichen Verbindung

C0

+

+

+

+

+ +

+

C0

Sättigungskonzentration CS

Übersättigung

Wachstum

CS

Keimbildung

Wachstum

Reaktionszeit

Im Bereich oberhalb der Löslichkeitsgrenze CS und unterhalb der kritischen Übersättigung C0

befindet sich die Lösung in einem metastabilen Zustand. Es findet keine Keimbildung mehr

statt. Eine weitere Abnahme der Konzentration C ist nur noch durch das Wachstum der schon

gebildeten Keime und Partikel auf Kosten der Ausgangsstoffe möglich. Parallel zu den hier

beschriebenen Vorgängen kann noch die Agglomeration einzelner gebildeter Keime und Par-

tikel zu größeren Einheiten (Agglomeraten) stattfinden und somit zum Partikelwachstum bei-

tragen.

Abb. 1: Konzentrationsverlauf einer schwerlöslichen Verbindung während einerFällungsreaktion mit der Reaktionszeit nach LaMer und Dinegar (1950)

2.3 Synthese von Siliziumdioxid: Fällungsprozess nach Stöber, Fink und Bohn [4, 5]

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Der Ausgangsstoff für die Synthese bildet Tetraethylorthosilicat Si(OC2H5)4 (TEOS), das Lö-

sungsmittel ist ein Alkohol (vorwiegend Ethanol), Wasser und Ammoniak, der eine katalyti-

sche Einwirkung in den Hydrolyse- und Polykondensationsreaktionen ausübt.

Die chemischen Reaktionen sind in den Gleichungen (1a) und (1b) dargestellt:

• Hydrolyse:

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Si(OC2H5)4 + 4 H2O Si(OH)4 + 4 C2H5OH (1a)

• Polykondensation:

Si(OH)4 SiO2 + 2 H2O (1b)

Der Prozess der Partikelbildung ist durch eine Keimbildung mit einer nachfolgenden Wach-

stumsreaktion und Ostwald-Reifung zu erklären. Ist die Keimbildung und das Wachstum in

der Ausgangslösung abgeschlossen, kann durch eine weitere, geringe Zugabe von TEOS ein

Wachstumsprozess der Keime hervorgerufen werden, ohne dass ein zweiter Keimbildungs-

prozess auftritt.

Der Partikeldurchmesser hängt sowohl von der Konzentration des TEOS bzw. des Wassers im

Ethanol als auch von der Reaktionstemperatur ab. Der Vorteil des Prozesses ist die Herstel-

lung von nahezu monodispersen, kugelförmigen Partikeln mit einer kontrolliert einstellbaren

Größe. Als Nachteil ist zu erwähnen, dass die Reaktion bei geringen Partikelkonzentrationen

durchgeführt werden muss.

2.4 Kinetik der Partikelbildung – Morphologie von Siliziumdioxid

Die Geschwindigkeit der Partikelbildung von Siliziumdioxid hängt einerseits von der Kon-

zentration des Wassers ab, eine höhere Konzentration des Wassers beschleunigt die Hydroly-

sereaktion und somit die Partikelbildung selbst, anderseits beeinflusst der pH-Wert des Reak-

tionsmediums die Geschwindigkeiten der beiden Teilreaktionen, Hydrolyse und Polykonden-

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sationsreaktion. In einem sauren Reaktionsmedium verläuft die Teilreaktion der Hydrolyse

wesentlich schneller als die Teilreaktion der Polykondensation. Im basischen Reaktionsmedi-

um ist dagegen die Polykondensation wesentlich schneller als die Hydrolyse. Ursache dafür

ist, daß die Hydrolyse und die Polykondensation sowohl nach einem säurekatalysierten Reak-

tionsmechanismus, als auch nach einem basekatalysierten Reaktionsmechanismus chemisch

ablaufen können. Das führt dazu, dass im sauren pH-Bereich es zu einer Anreicherung des

reaktiven Zwischenproduktes Siliziumtetrahydroxides Si(OH)4 kommt, im basischen pH-

Bereich aber zu einer Verarmung an Si(OH)4. Für die Partikelbildung hat dies zur Folge, dass

in einem sauren Reaktionsmedium sich relativ viele Partikelkeime (Primärpartikel) bilden (die

kritische Übersättigungskonzentration ist überschritten), während in einem basischen Reakti-

onsmedium nur wenige Partikelkeime vorliegen (die kritische Übersättigungskonzentration ist

nur am Beginn der Reaktion überschritten), die nachfolgend nur wachsen können.

Damit lässt sich die die Bildung der Siliziumpartikel und deren Struktur mit zwei unterschied-

lichen Wachstumsmodellen erklären [3].

In einem sauren Reaktionsmedium neigen die Primärpartikel infolge ihrer hohen Konzentrati-

on zur Agglomeration, es entsteht ein dreidimensionales polymerartiges Netzwerk (Gelstruk-

tur). Dieser Mechanismus wird als Reaction-limited cluster aggregation RLCA bezeichnet.

Die Agglomerate haben eine poröse Struktur mit kleinen Poren (Abb. 2).

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pH < 7 pH 7- 10 bei Anwesenheit von Salzen

5 nm

m

m

m

10 n

30 n

100 n

Sol (Stöber-Partikel)

pH 7- 10 bei Abwesenheit von Salzen

Partikel

Oligomere

Dimere 4Si(OH)

1 nm

dreidimensionales Gel-Netzwerk

Abb. 2: Morphologie von Siliziumdioxid-Partikeln

In einem basischen Reaktionsmedium tritt infolge der geringeren Konzentration der Primär-

partikel keine Agglomeration auf, sondern die Primärpartikel wachsen durch die Anlagerung

von Si(OH)4 (bis zur Erreichung der Sättigungskonzentration des Siliziumdioxides). Dieser

Mechanismus wird Reaction-limited monomer cluster growth RLMC genannt. Es entstehen

nichtporöse, kugelförmige, nahezu monodisperse Partikelsysteme. Diese Partikel werden auch

als Stöber-Partikel bezeichnet.

Liegen allerdings im basischen Reaktionsmedium zusätzlich Fremdsalze vor, verringern diese

die Stabilität der Primärpartikel gegen Agglomeration, so dass hier ebenfalls der RLCA-

Wachstumsmechanismus vorherrscht.

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2.5 Synthese von Titan (IV) - oxid : Sol - Gel - Fällungsprozess

Die Herstellung von Nanopartikel aus Titan(IV) - oxid ist u.a. durch Umsetzung von Tetra-

isopropyl-orthotitanat Ti(OC3H7)4 in einer salpetersauren, wässrigen Lösung möglich. Der

Herstellungsprozess besteht aus drei Teilreaktionen (Gl. 2a bis Gl. 2c). Die erste Teilreaktion

ist eine Hydrolyse von Ti(OC3H7)4, bei der Titan(IV) - hydroxid und Isopropanol gebildet

werden. Der zweite Teilschritt ist eine nachfolgende Polykondensationsreaktion von Ti(OH)4

zu makroskopischem Titan(IV) - oxid.

Bei der dritten Teilreaktion wird das Titan (IV) - oxid - Gel bis zu einem nanoskaligen Titan

(IV) - oxid - Sol mechano-chemisch redispergiert (Gl. 2c).

• Hydrolyse:

Ti(OC3H7)4 + 4 H2O

Tetraisopropylorthotitanat Titan (IV) - hydroxid Isopropanol (2a)

Ti(OH)4 + 4C3H7OH wässrige Suspension, 50 °C pH 1,3 (0,1 M HNO3)

• Polykondensation :

Ti(OH)4 TiO + 2 H O (2b)

Titan (IV) – hydroxid

• Chemische Redisperg

TiO2 (Gel)

Titan (IV) – oxid

Auf dieser Weise ist die He

nm möglicht. Zu Beginn des

lydisperse Agglomeratstrukt

erzeugt.

wässrige Suspension, 50 °C

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Titan (IV) - oxid pH 1,3 (0,1 M HNO3)

ierung:

nano - TiO2 (Sol) wässrige Suspension, 50 °C (2c)

Titan (IV) - oxid

pH 1,3 (0,1 M HNO3)

rstellung von Partikeln in der Größenordnung von 10 nm bis 30

Fällungsprozesses werden augenblicklich in der Suspension po-

uren mit einem mittleren Durchmesser von 150 µm bis 180 µm

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Infolge der Wechselwirkung zwischen den Hydroxylgruppen des Ti(OH)4 und den Protonen

H+ der Salpetersäure HNO3 entsteht eine elektrisch positiv geladene Oberfläche, weil die H+ -

Ionen an der Oberfläche adsorbiert werden. Mittels (mechano)-chemischer Redispergierung

(Peptisation) können nahezu monomodale Partikelverteilungen erzeugt werden. Die Salpeter-

säure stabilisiert die Suspension.

2.6 Experimentelle Methoden

2.6.1 Ermittlung der Partikelgrößenverteilung – Photonenkorrelationsspektroskopie

Zur Messung der Partikelgrößenverteilung und der mittleren Partikelgröße der synthetisierten

nanoskaligen Partikel wird die Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS) angewendet. Bei der

Photonenkorrelationsspektroskopie wird die Intensitätsfluktuation des Streulichts der Partikel

gemessen.

Diese Fluktuationen sind auf die Brownsche Molekularbewegug (Selbstdiffusion der Partikel)

zurückzuführen. Aus den Diffusionskoeffizienten der Partikel wird der hydrodynamische

Durchmesser nach der Stokes-Einsteinschen Gleichung erhalten, der die Bewegung der Parti-

kel in der Flüssigkeit beschreibt.

Die Auswertung ist bei der Kenntnis der Wellenlänge des Lasers, des Streuwinkels und des

Brechungsindexes der Lösung möglich. Über eine Autokorrelationsfunktion der Intensitäts-

fluktuationen ist eine direkte Möglichkeit zur Bestimmung des Diffusionskoeffizienten gege-

ben. Aus den Messungen erhält man eine streulichtintensitätsgewichtete Partikelgrößenvertei-

lung.

2.6.2 Ermittlung des Stabilitätsverhalten - Zetapotentialbestimmung

Eine Suspension wird als stabil angesehen, wenn die erzeugten Nanopartikel in der Flüssig-

keit isoliert vorliegen und nicht wieder zu größeren Einheiten agglomerieren. Die Stabilität

von Dispersionen kann auf der Basis der DLVO - Theorie (Derjaguin, Landau, Verwey,

Overbeek) verstanden werden, in der die Gesamtpotentialwechselwirkung zwischen den Par-

tikeln durch Addition der van-der-Waals- und der elektrostatischen Potentiale beschrieben

wird. Eine Suspension ist dann stabil, wenn die abstoßend wirkende elektrostatische Kraft die

van-der-Waals-Kraft übersteigt. Damit wird zwischen den Partikeln eine im Vergleich zur

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thermischen Energie ausreichend hohe repulsive Energiebarriere erzeugt. Die Stabilität von

Suspensionen kann durch das Zetapotential als Funktion des pH-Wertes beeinflusst werden.

Bewegt sich ein mit einer elektrochemischen Doppelschicht umgebendes Nanopartikel im

elektrischen Feld relativ zur Flüssigkeit, so wird ein Teil der diffusen Doppelschicht vom Par-

tikel abgestreift und es entsteht eine Potentialdifferenz. Dieses Potential an der sogenannten

Scherebene wird als Zetapotential bezeichnet und lässt sich durch elektrokinetische Messun-

gen, wie z.B. Elektrophorese, bestimmen.

3. Aufgabestellung und Versuchsdurchführung

3.1 Aufgabenstellungen

1. Herstellung von nanoskaligen Partikeln aus Siliziumdioxid nach Stöber, Fink und

Bohn [4]:

Die Erzeugung der Siliziumdioxidpartikel erfolgt durch Umsetzung von Tetraethy-

lorthosilicat Si(OC2H5)4 (TEOS) in einer Mischung aus Isopropanol, Wasser und

Ammoniak in einem Laborfällungsreaktor. Es ist die Konzentration des Tetraethyl-

orthosilicat (TEOS) in 2 Versuchsreihen zu variieren (Temperatur und Rührerum-

fangsgeschwindigkeit bleibt konstant). Es sollen die Induktionszeiten bestiimt werden.

Das ist der Zeitpunkt, bei dem die erste Trübung der Lösung erfolgt.

2. Charakterisierung der Siliziumdioxidpartikel während des Prozessfortschrittes:

Für die experimentelle Ermittlung der Partikelgrößenverteilung während der Nanopar-

tikelbildung steht die Methode der Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS) zur Ver-

fügung. Es werden kontinuierlich Proben aus dem Fällungsreaktor entnommen und

anschließend mit dem Photonenkorrelationsspektrometer charakterisiert.

Es ist die zeitliche Veränderung:

• der Partikelgrößenverteilungsfunktion und )(dQo

• des mittleren Partikeldurchmessers 0,50

d

darzustellen und anschließend zu diskutieren.

3. Charakterisierung der Stabilität der entstandenen Siliziumdioxidpartikel:

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Zur Ermittlung der Stabilität der entstandenen Suspensionen wird das Zetapotential

bestimmt. Die Ergebnisse sollen ausführlichen diskutiert werden.

4. Charakterisierung der nanoskaliger Titan(IV) – oxidpartikel:

Im Vergleich zu den Siliziumdioxidpartikeln soll der Dispersionszustand und das Sta-

bilitätsverhaltnes einer Suspension mit nanoskaligem Titan (IV) - oxid untersucht

werden.

Zu ermitteln sind:

• die Partikelgrößenverteilungsfunktion )(dQo

• die Partikelgrößenverteilungsdichte )(0

dq

• die mittleren Partikeldurchmesser 0,50

d

• das Zetapotential.

Es sollen die Partikelgrößenverteilungen und mittleren Durchmesser von SiO2 und Ti-

tan(IV)-oxid im Gleichgewichtszustand verglichen werden.

5. Berechnung des kritischen Keimbildungsradius , der kritischen Keimbildungskon-

zentration und Partikelgröße der Siliziumpartikel beim Fällungsprozess:

kritr

*nC

Aus der Konzentration des Tetraethylorthosilicates (TEOS) im Reaktionsgemisch

können die resultierende relative Übersättigung S, der kritische Keimbildungsradius

, die kritische Keimbildungskonzentration sowie die Partikelgröße der Silizi-

umdioxidpartikel berechnet werden. Die Ergebnisse sollen mit den experimentellen

Ergebnissen verglichen und aus dem Blickwinkel der Keimbildung- und Wachstums-

theorie zur Diskussion gestellt werden. (vgl. Punkt 4.2 und 4.3)

kritr *nC

6. Charakterisierung der Hydrodynamik im Fällungsreaktor:

Hier sind die Reynolds-Zahl, der Leistungseintrag des Rührers und der mittlere Scher-

gradient zu berechnen. .γ

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3.2 Versuchsdurchführung

3.2.1 Synthese und Charakterisierung der Siliziumdioxidpartikeln

Zur Synthese von Siliziumdioxidpartikel nach Stöber werden sind zwei Laboransätze durch-

geführt (Variation der Konzentration von Tetraethyl-orthosilicat TEOS). Das führt zu unter-

schiedlichen relativen Übersättigungen und Induktionszeiten!!

Die Synthese wird in einem 0.25 l Fällungsreaktor bei konstanter Temperatur (25 °C) und

konstanter Rührerdrehzahl (500 min-1) durchgeführt. Es wird ein Scheibenrührer benutzt, auf

Strombrecher wird verzichtet. Eine Darstellung des Fällungsreaktors ist in Abb. 3 gegeben.

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Antrieb

Fällungsreaktor

Thermostat

Rührer

Es wird eine Mischung aus 72 ml Wasser und 109 ml Isopropanol (C3H7OH) im Fällungsre-

aktor vorgelegt. Die Rührerdrehzahl wird auf 1000 min-1 eingestellt, die Mischung wird für

einen Zeitraum von ca. 45 Sekunden homogenisiert. Anschließend werden 12 ml Ammoniak

(25 % NH4OH) mit einer Pipette zur Wasser-Alkohol-Mischung vorsichtig dosiert. Danach

wird die entsprechende Menge Tetraethylorthosilicat Si(OC2H5)4 zugegeben (Ansatz 1: 7,25

ml, Ansatz 2: 4,0 ml, Dichte TEOS 0,934 g cm-3).

Abb. 3: Fällungsreaktor zur Synthese von Siliziumdioxid - Nanopartikeln

Am Anfang ist die Lösung farblos, nach einem kurzen Zeitraum bekommt die Mischung

eine leicht bläuliche, trübe Farbe infolge der Partikelbildung. Dieser Zeitraum wird als Induk-

tionszeit bezeichnet. Die Induktionszeit wird mit einer Stoppuhr gemessen. Danach werden

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Proben der Suspension nach 2, 5, 7, 15, 30, 45 und 60 Minuten aus dem Fällungsreaktor ent-

nommen. Die Probenahme erfolgt mit einer Plastikspritze. Die Proben werden immer von ein

und derselben Stelle im Reaktor entnommen, mit destilliertem Wasser verdünnt. Die Partikel-

größenverteilungen werden mit dem Photonenkorrelationsspektrometer bestimmt.

Nach dem Reaktionsende wird das Zetapotential der Siliziumdioxid-Nanopartikel in der Sus-

pension gemessen.

3.2.2 Charakterisierung der Titan(IV) - oxidpartikel

Von einer bereitgestellten Suspension mit Titan(IV) - oxid - Nanopartikel werden die Parti-

kelgrößenverteilung und das Zetapotential bestimmt. Diese Nanopartikel wurden nach dem

Sol-Gel-Fällungsprozess (Punkt 2.4) synthetisiert. Die Messung der Partikelgrößenverteilung

erfolgt ohne vorherige Verdünnung. Je Probe sind 3 Messungen durchzuführen.

4. Versuchsauswertung und Diskussion der Ergebnisse

4.1 Berechnung und Darstellung der Partikelgrößenverteilungen

Aus der Photonkorrelationsspektroskopie erhält man die Mengenanteile )(0 idµ der jeweili-

gen Partikelgrößenklasse. Durch Aufsummieren der Mengenanteile kann die Partikelvertei-

lungsfunktion (d0Q i) nach Gl. (3) berechnet werden.

∫ ∑=

=⋅=d

d

n

1ii,00i0

u

)d(d)d(q)d(Q µ (3)

Die Partikelgrößenverteilungsdichte bestimmt sich nach der Gl. (4): )d(q0

i

i,00i1i0 d)d(d

)d(dQ)d...d(q∆µ

==− (4)

wobei die Klassenbreite ist. 1−−=∆ iii ddd

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Die entsprechenden Partikelgrößenverteilungen, Partikelverteilungsdichten und Median-

durchmesser der Partikel sind zu berechnen und gegen die Reaktionszeit graphisch darzustel-

len.

4.2 Berechnung der relativen Übersättigung

Die relative Übersättigung S ist definiert als das Verhältnis der tatsächlichen Konzentration in

der übersättigten Reaktionslösung und der Sättigungskonzentration des Stoffes (Gl. 5).

S

SiO

CC

S 2= (5)

wobei die Massenkonzentration des SiO2SiOC 2 in der übersättigten Reaktionslösung und

SC die Sättigungskonzentration des SiO2 ist.

Die Sättigungskonzentration (in ppm - parts per million) wird nach Gl. (6) berechnet: SC

52,4731log +−=T

cS (6)

wobei T die absolute Temperatur ist.

4.3 Berechnung des kritischen Keimbildungsradius , der Anzahlkonzentration der

kritischen Keime und der Partikelgröße

kritr

*nC

Zur Berechnung des kritischen Keimbildungsradius wird Gleichung (7) benutzt: kritr

s

SiOSiOkrit

22M

SlnTR2

σ⋅⋅

⋅= (7)

wobei 2SiOσ die Grenzflächenspannung Siliziumdioxid/ Wasser,

2SiOM die Molmasse von Siliziumdioxid,

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Sρ die Feststoffdichte der Partikel und

S die relative Übersättigung ist.

Die Konzentration der kritischen Keime folgt einer Energieverteilung nach Maxwell-

Boltzmann (Gl. 8):

*nC

⎥⎦⎤

⎢⎣⎡−=

kTGexpCC max

S*n

∆ (8)

wobei maxG∆ die freie Keimbildungsenthalpie ist.

Die freie Keimbildungsenthalpie läßt sich nach Gleichung (9) berechnen:

22

2SiO

3SiO

max )SlnTR(3M16

G 22

⋅⋅⋅

⋅⋅⋅=

ρσπ

∆ (9)

Der Partikeldurchmesser der Siliziumpartikel kann anschließend aus der Stoffmenge (Masse)

des gebildeten Siliziumdioxides, dessen Feststoffdichte und der Konzentration der kritischen

Keime berechnet werden. *nC

4.4 Berechnung der Reynolds - Zahl, des Leistungseintrags und des mittleren Schergra-

dienten

Um die Hydrodynamik im Fällungsreaktor zu charakterisieren, soll die Reynolds - Zahl des

Rührers berechnet werden. Die Reynolds - Zahl ist mit Gl. (10) bestimmbar.

η

ρ⋅⋅=

2

Re RR

dn (10)

mit der Rührerdurchmesser, Rd

ρ die Dichte der Suspension,

n die Rührerdrehzahl und

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η die dynamische Viskosität.

Der Leistungseintrag P wird aus Gl. (11) erhalten:

53

Rw dncP ⋅⋅⋅= ρ (11)

wobei der Leistungsbeiwert ist. wc

Der Leistungsbeiwert hängt vom Rührer, der geometrischen Anordnung im Behälter und

den Kennzahlen, die die Strömung charakterisieren, ab. Für einen radialfördernden Scheiben-

rührer (6 Schaufeln) beträgt der Leistungsbeiwert 5,8.

wc

Der mittlere Schergradient lässt sich nach der Gl. (12) berechnen. Zur Berechnung der tur-

bulenten Dissipationsenergie

ε wird Gl. (13) benutzt.

21

.

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛=υεγ (12) ⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ⋅⋅=

Susp

Rw

Vdnc 53

ε (13)

4.5 Diskussion der Ergebnisse

- Wie wird die Partikelgrößenverteilung sowie deren zeitliche Veränderung während der

Synthese von der relativen Übersättigung beeinflusst?

- Schätzen sie den Einfluß der relativen Übersättigung auf die Werte des kritischen Keim-

bildungsradius und der Anzahl der kritischen Keime ein? Vergleichen Sie ihre vorausbe-

rechneten und experimentellen Werte. Welche Aussagen können über Keimbildungs- und

Wachstumsphase gemacht werden?

- Diskutieren Sie die möglichen Ursachen für auftretende Unterschiede des Zetapotentials

für die Suspensionen mit Siliziumdioxid- und Titan (IV) - oxidpartikel. Machen Sie Aus-

sagen zur Stabilität der Nanopartikel.

5. Hinweise zur Praktikumsdurchführung

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Anhand der nachfolgend aufgeführten Stichworte können Sie Ihr Wissen überprüfen bzw.

zusätzlich ergänzen.

Stichworte zur Vorbereitung

Fällungsprozess, Keimbildung, Wachstum, relative Übersättigung, Sol-Gel-Prozess, Hydroly-

se, Polykondensation, Redispergierung, Partikelmorphologie, Kinetik der Partikelbildung,

Partikelgrößenverteilung, mittlere Partikelgrößen, kolloidale Stabilität, Zetapotential, Photon-

korrelationsspektroskopie, Kennzahlen der Hydrodynamik

6. Arbeitsschutz und Sicherheitsvorschriften

Bei der Durchführung des Praktikums ist der Gesundheits- und Arbeitsschutz einzuhalten

(Laborordnung, Betriebsanweisung, Gefahrstoffdatenblätter)! Es sind Schutzbrille, Hand-

schuhe and entsprechende Laborkleidung (Kittel) zu tragen.

7. Symbolverzeichnis

CSiO2 Massenkonzentration des SiO2

CS Sättigungskonzentration der SiO2 [in ppm !!!]

cw Leistungsbeiwert

di Partikeldurchmesser

d50,3 mittlerer Durchmesser (Mediandurchmesser)

dR Rührerdurchmesser

∆ Gmax freie Keimbildungsenthalpie

k Boltzmann - Konstante

M Molmasse

Cn* Konzentratration kritischer Keime (Mengenart Anzahl)

n Rührdrehzahl

P Leistungseintrag des Rührers

Q0 (d) Partikelgrößenverteilungsfunktion (Mengenart Anzahl)

q0 (d) Partikelgrößenverteilungsdichte

Re Reynolds-Zahl

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R allgemeine Gaskonstante

rkrit kritischer Keimbildungsradius

S relative Übersättigung

T Temperatur

Griechische Symbole

σ Grenzflächenspannung

ρ Fluiddichte

Sρ Feststoffdichte

η dynamische Viskosität .γ mittlerer Schergradient

ε turbulente Dissipationsenergie

8. Literaturverzeichnis

[1] Sugimoto, T.: Fine Particles, Synthesis, Characterization, and Mechanism of Growth (Surfactant Science Ser. 92), Marcel Dekker Inc., New York 2000

[2] Schubert, U.; Hüsing, N.: Synthesis of Inorganic Materials, WILEY-VCH, New York, 2000

[3] Brinker, C.J.; Scherer, G.W.: Sol-Gel-Science, The Physics and Chemistry of Sol-Gel-Science, Academic Press, San Diego 1990

[4] Stöber, W.; Fink, A.; Bohn, E.: Controlled Growth of Monodisperse Silica Spheres in

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Prof. Dr.-Ing.habil. Jürgen TomasPraktikum Nanopartikelfällung WS 2005/2006