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1 Akzeptanzschwierig- keiten dezentraler Software In zunehmendem Maße stellt das effektive Management vorhandenen Wissens einen wichtigen Wettbewerbsfaktor fu ¨r unter- schiedlichste Unternehmensbereiche dar [DBF99]. Bei immer ku ¨ rzer werdenden Planungs- und Entwicklungszyklen wird die Nutzung vorhandener Ressourcen und Erfahrungen unverzichtbar. Insbesondere schneller und gezielter Zugriff auf aktuelles Wissen aus der eigenen Organisation ist dabei erstrebenswert. Parallel zur Zunahme der Bedeutung von Wissen steigt auch die Dynamik und Kom- plexita ¨t der Wissensprozesse. Diesen Ver- a ¨nderungen werden Unternehmen durch besondere Organisationsformen gerecht, wie z. B. Matrixorganisationen. Diese flexi- blen Organisationsformen stellen neue An- forderungen an die Technologie, die zur Unterstu ¨ tzung des Informations- und Wis- sensaustauschs eingesetzt wird. Insbeson- dere wird eine sta ¨rkere Ausrichtung auf Teams und Zusammenarbeit u ¨ ber hierar- chische Strukturen hinaus notwendig. Bis- lang prima ¨r eingesetzte Client/Server- (C/S-)Systeme erweisen sich als diesen Anforderungen nicht gewachsen. Neuarti- ge Tools auf Basis von Peer-to-Peer-Tech- nologie (P2P) versprechen diesen Anforde- rungen gerecht zu werden. Trotzdem sto ¨ ßt die Einfu ¨ hrung von P2P-Lo ¨ sungen auf Widersta ¨nde unter- schiedlicher Art. Diese lassen sich nur zum Teil durch die Skepsis gegenu ¨ ber ei- ner neuen Technologie begru ¨ nden, auch wenn diese, wie im Falle P2P, mit einem Paradigmenwechsel verbunden ist. Andere Bedenken, zum Beispiel bezu ¨ glich Sicher- heit, sind bei modernen P2P-Systemen nur noch sehr bedingt gerechtfertigt. Viel gewichtiger aber sind die in der Organisa- tion begru ¨ ndeten Widersta ¨nde, die im Wesentlichen mit der durch die P2P-Tech- nologie gewonnene Flexibilita ¨t und damit befu ¨ rchteten Kontrollverlust verbunden werden. Die offensichtlichen technologischen Schwierigkeiten der P2P-Systeme der 1. Generation verdecken im Allgemeinen die grundlegenderen organisatorischen Probleme, die dem produktiven Wissens- fluss entgegenstehen. Mit der zunehmen- den Reife der Technologie und darauf basierender Anwendungen wird der tech- nologischen Kritik der Boden entzogen. Daher erwarten wir eine zunehmend offe- nere Diskussion u ¨ ber die organisatorischen Probleme des Wissensmanagements, losge- lo ¨st von konkreten Technologien. Mit zu- nehmenden Anspru ¨ chen an die Freiheit des Informationsflusses ko ¨ nnen die Vorteile dezentraler Systeme im Hinblick auf Flexi- bilita ¨t und Ressourcennutzung deutlicher zu Tage treten. 2 Effizienter Informationsaustausch in Unternehmen Das Wissensmanagement bemu ¨ ht sich um die Optimierung des Erwerbs, der Speiche- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 3, S. 307 311 Die Autoren Jo ¨rg Schmu ¨cker Wolfgang Mu ¨ller Jo ¨rg Schmu ¨cker, ekkono GmbH, Gescha ¨ftsfu ¨hrer, Schleiermacherstr. 8, 64283 Darmstadt Dr.-Ing. Wolfgang Mu ¨ller, FH Darmstadt, Fachbereich Informations- und Wissensmanagement und ekkono GmbH Praxiserfahrungen bei der Einfu ¨hrung dezentraler Wissensmanagement-Lo ¨sungen WI – Schwerpunktaufsatz

Praxiserfahrungen bei der Einführung dezentraler Wissensmanagement-Lösungen; Implementing peer-to-peer technologies — Common problems and prejudices;

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Page 1: Praxiserfahrungen bei der Einführung dezentraler Wissensmanagement-Lösungen; Implementing peer-to-peer technologies — Common problems and prejudices;

1 Akzeptanzschwierig-keiten dezentralerSoftware

In zunehmendem Maße stellt das effektiveManagement vorhandenen Wissens einenwichtigen Wettbewerbsfaktor fur unter-schiedlichste Unternehmensbereiche dar[DBF99]. Bei immer kurzer werdendenPlanungs- und Entwicklungszyklen wirddie Nutzung vorhandener Ressourcen undErfahrungen unverzichtbar. Insbesondereschneller und gezielter Zugriff auf aktuellesWissen aus der eigenen Organisation istdabei erstrebenswert.

Parallel zur Zunahme der Bedeutung vonWissen steigt auch die Dynamik und Kom-plexitat der Wissensprozesse. Diesen Ver-anderungen werden Unternehmen durchbesondere Organisationsformen gerecht,wie z. B. Matrixorganisationen. Diese flexi-blen Organisationsformen stellen neue An-forderungen an die Technologie, die zurUnterstutzung des Informations- und Wis-sensaustauschs eingesetzt wird. Insbeson-dere wird eine starkere Ausrichtung aufTeams und Zusammenarbeit uber hierar-chische Strukturen hinaus notwendig. Bis-lang primar eingesetzte Client/Server-(C/S-)Systeme erweisen sich als diesenAnforderungen nicht gewachsen. Neuarti-ge Tools auf Basis von Peer-to-Peer-Tech-nologie (P2P) versprechen diesen Anforde-rungen gerecht zu werden.

Trotzdem stoßt die Einfuhrung vonP2P-Losungen auf Widerstande unter-schiedlicher Art. Diese lassen sich nurzum Teil durch die Skepsis gegenuber ei-

ner neuen Technologie begrunden, auchwenn diese, wie im Falle P2P, mit einemParadigmenwechsel verbunden ist. AndereBedenken, zum Beispiel bezuglich Sicher-heit, sind bei modernen P2P-Systemennur noch sehr bedingt gerechtfertigt. Vielgewichtiger aber sind die in der Organisa-tion begrundeten Widerstande, die imWesentlichen mit der durch die P2P-Tech-nologie gewonnene Flexibilitat und damitbefurchteten Kontrollverlust verbundenwerden.

Die offensichtlichen technologischenSchwierigkeiten der P2P-Systeme der1. Generation verdecken im Allgemeinendie grundlegenderen organisatorischenProbleme, die dem produktiven Wissens-fluss entgegenstehen. Mit der zunehmen-den Reife der Technologie und daraufbasierender Anwendungen wird der tech-nologischen Kritik der Boden entzogen.Daher erwarten wir eine zunehmend offe-nere Diskussion uber die organisatorischenProbleme des Wissensmanagements, losge-lost von konkreten Technologien. Mit zu-nehmenden Anspruchen an die Freiheit desInformationsflusses konnen die Vorteiledezentraler Systeme im Hinblick auf Flexi-bilitat und Ressourcennutzung deutlicherzu Tage treten.

2 EffizienterInformationsaustauschin Unternehmen

Das Wissensmanagement bemuht sich umdie Optimierung des Erwerbs, der Speiche-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 3, S. 307–311

Die Autoren

Jorg SchmuckerWolfgang Muller

Jorg Schmucker,ekkono GmbH, Geschaftsfuhrer,Schleiermacherstr. 8,64283 DarmstadtDr.-Ing. Wolfgang Muller,FH Darmstadt,Fachbereich Informations- undWissensmanagement undekkono GmbH

Praxiserfahrungenbei der Einfuhrung dezentralerWissensmanagement-Losungen

WI – Schwerpunktaufsatz

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rung und den gezielten Transport von Wis-sen. Dabei wird versucht, alle Arten vonWissen zur Nutzung zu erschließen undzur Verfugung zu stellen. In der Praxis er-weist sich aus unterschiedlichen Grundenjedoch schon der effiziente Austausch vonInformationen und Dokumenten alsschwierig. Die Grunde hierfur sind vielfal-tig [Vgl. Blum02]. In den meisten Fallenstellen organisatorische und unterneh-menskulturelle Aspekte die Hauptproble-me dar.

So basiert die Bereitstellung von individu-ellem Wissen auf der Kooperationswillig-keit des einzelnen Mitarbeiters. Jeder Mit-arbeiter muss daran interessiert sein, seinWissen nicht nur in explizites Wissen zuuberfuhren, sondern auch den mit derVerteilung des Wissens verbundenen Auf-wand in Kauf zu nehmen. Die meistenUnternehmenskulturen stehen diesenGrundvoraussetzungen entgegen: spezi-fische Fachkenntnisse stellen fur den ein-zelnen Mitarbeiter im Allgemeinen daswichtigste Kapital dar. Sie entscheiden so-mit uber Erfolg und Karriere. Je wenigerrelevantes Fachwissen mit anderen Mit-arbeitern geteilt wird, desto unverzicht-barer und wertvoller erscheint der Mit-arbeiter und seine Arbeitskraft. Dieunkontrollierte Weitergabe von Wissen istsomit zunachst nicht im Interesse des ein-zelnen Mitarbeiters.

Das allerdings auch die bislang zum Ein-satz kommenden technischen Hilfsmittelden vielfaltigen Anforderungen nicht ge-recht werden, den der Informationsaus-tausch im Unternehmen stellt, lasst sich aneinem anderen Aspekt ablesen. Viele Ex-perten geben ihr Wissen freizugig an Kol-legen weiter, zum Beispiel im personlichenGesprach oder per E-Mail. Zum einenwird im personlichen Kontakt das Bedurf-nis an Informationen deutlich, zum ande-ren scheint die Angst geringer, das Wissenkonnte unkontrolliert weitergegeben wer-den: die implizite moralische Verpflich-tung, die durch den direkten Austauschentsteht, tragt hier wesentlich zur Gegen-seitigkeit des Informationsflusses bei. Of-fensichtlich funktioniert der Wissensaus-tausch bilateral oder in kleinen Gruppen.Dies erklart auch den Erfolg von Medienwie E-Mail und Newsgroups. Die Erleich-terung der Zusammenarbeit zwischen denBeteiligten kompensiert den durch Kodifi-zierung und Bereitstellung entstehendenMehraufwand. Die weite Verbreitung undhohe Akzeptanz dieser Hilfsmittel legen

es daher nahe, dass Groupware-Funktio-nen eine geeignetere Grundlage fur Wis-sensmanagement sind als zentrale Daten-pools.

Unter diesen Voraussetzungen ist es nichtverwunderlich, dass die bisher im Wissens-management bevorzugt eingesetzten zen-tralen Losungen von Knowledge Workernnicht akzeptiert werden. Diese Losungenmit ihrem zusatzlichen Overhead stehenaußerhalb des normalen Arbeitsprozessesund generieren keinen Mehrwert fur denKontributor. Vielerorts wurden deshalbspezielle zentrale Einheiten geschaffen, umdie Datenbeschaffung und -bereitstellungsicherzustellen. Dieser Ansatz tragt aller-dings nur selten; neben den erhohten Kos-ten spricht auch der reduzierte Nutzen desvon Fremden fur Fremde erschlossenenWissens.

3 Peer-to-Peer-Netzwerke –Grundlage furnutzerzentriertesWissensmanagement

P2P-Infrastrukturen [Vgl. FMS02] sindseit einiger Zeit als Alternative zu klassi-schen Client/Server-Infrastrukturen imGesprach. Wahrend bei einem Informati-onssystem auf Basis eines zentralen Ser-vers alle Informationen in der zentralen

Datenbasis abgelegt sein mussen und dieSuche auch nur in diesem Bestand stattfin-det, wird die Suchanfrage in P2P-Netz-werken im Netz verteilt (Vgl. Bild 1). Da-bei konnen verschiedene Verfahren zumEinsatz kommen, ein bekanntes System istdie Verteilung der Suchanfrage nach demSchneeballprinzip.

Es ergeben sich dabei die folgenden we-sentlichen Vorteile durch P2P-Technolo-gien

& Nutzung der bislang ungenutzten Res-sourcen auf den Arbeitsplatzrechnern(Festplattenplatz zur Speicherung derDokumente und freie Prozessorzyklenfur die Indexierung und Suche),

& direkte Bereitstellung von Informationvom Arbeitsplatz,

& Beseitigung redundanter Datenhaltungzwischen Server und Arbeitsplatz undder durch Inkonsistenzen auftretendenProbleme und Mehraufwande,

& erhohte Flexibilitat bezuglich der Orga-nisation des bereitgestellten Wissensdurch den Nutzer,

& Wegfallen von Kosten fur zentrale Ser-ver und Administration, die in der Pra-xis besonders bei organisationsubergrei-fenden Projekten Kostenstellen zuge-ordnet werden konnen.

Daruber hinaus konnen P2P-Systeme inVerbindung mit Mechanismen zur Defini-tion von User-Gruppen ein ideales Mittelzur Unterstutzung der Zusammenarbeit in

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Wissen ist diehöchste StufederBegriffshierarchie. Im folgenden

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Wissen ist diehöchste Stufe derBegriffshierarchie. Im folgendenwerden

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Bild 1 Informationsbereitstellung und -suche in zentralisierten Client/Server-Anwendungen und P2P-Netzwerken

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Teams und eines personlichen elektro-nischen Informationsaustausches darstellen[Vgl. Wegn02]. Auf Grundlage dieser Ei-genschaft wird auch die Bereitschaft vonMitarbeitern zum Sharing von Informatio-nen sichtlich erhoht. P2P-Anwendungenmachen sich dadurch die selben Prinzipienzu nutze, die auch im Falle von E-Mailund Newsgroups z. B. Experten zur freienBereitstellung von Daten und Informatio-nen motiviert.

Da existierende Losungen auf Basis vonClient/Server-Architekturen sich als nurbeschrankt hilfreich zur Unterstutzungder freien Zusammenarbeit erwiesenhaben, erkennen auch Unternehmen in-zwischen diese Vorteile von P2P-Losun-gen fur den flexiblen und effizienteninnerbetrieblichen Informationsaustausch[Vgl. KwF01; ScM02].

Sichere dezentrale Infrastrukturen aufP2P-Basis [Vgl. ekk02] konnen viel eherdie Grundlage fur unternehmensweite„Networking“-Infrastrukturen bieten, daneue Kontakte und Partner jederzeit ein-bezogen und neue Ressourcen standig ak-tuell erschlossen werden konnen [Vgl.Wegn02]. Dieses Networking kann leichtauch uber die Unternehmensgrenzen hi-naus ausgedehnt werden, ohne dabei aufSicherheit und Vertraulichkeit verzichtenzu mussen, die bei dem bisher zumeist ge-nutzten E-Mail nicht gegeben ist. So kon-nen auch externe Berater oder IT-Dienst-leister integriert werden.

4 Einfuhrungvon P2P-Systemenin der Praxis

Die Flexibilitat und die vielfaltigen Mog-lichkeiten zur Unterstutzung der Zusam-menarbeit machen P2P-Losungen fur Un-ternehmen interessant. In der Praxisergeben sich jedoch eine ganze Reihe vonHerausforderungen organisatorischer undtechnischer Art bei der Einfuhrung vonP2P-Systemen. Die Firma ekkono ent-wickelt und vertreibt seit 2001 das agenten-basierte P2P-System Dinow fur dasWissensmanagement. Das anvisierte Ziel-segment sind dabei mittlere und großereUnternehmen mit wissensintensiven Ar-beitsprozessen, in erster Linie Banken undFinanzdienstleister. Die Einfuhrung erfolg-

te dabei allgemein zunachst auf Projektebe-ne. Hierbei sind wir mit Kunden und Inte-ressenten auf verschiedene Schwierigkeitengestoßen. Diese beziehen sich auf Wider-stande insbesondere der zustandigen Sys-temadministratoren, aber auch der Anwen-der.

Verschiedene Argumente gegen P2P-Sys-teme, die von Systemadministratoren vor-gebracht werden, basieren auf einemMangel an Vertrauen in ihre Betriebs-sicherheit. Dabei spielt die Befurchtung,P2P-Technologien konnten den Betriebbestehender Applikationen storen, einegroße Rolle. Diese Zweifel werden ins-besondere durch die Belastung von of-fentlichen aber auch Unternehmensnetz-werken durch Napster und andereMusiktauschborsen genahrt. Beim profes-sionellen Einsatz von P2P-Systemen alsGroupware ist aber eine Verringerung desNetzwerkverkehr zu erwarten, da redun-dante Informationsverteilung wie z. B.durch E-Mail durch effizientere Mecha-nismen (Information-On-Demand) abge-lost werden: bei einem kleinen Unterneh-men mit 100 Mitarbeitern, die taglichjeweils 10 E-Mails mit Attachments vondurchschnittlich 100 kB-Große an 5 Emp-fanger versenden, entstehen 500 MB Daten.Werden nur 50% der Attachments gelesen,so kann durch Einsatz von Information-On-Demand 250 MB an Daten taglich ge-spart werden. DaNutzer haufig alle erhalte-nen E-Mail speichern, verringern sich auchdie Kosten fur die Datenhaltung dement-sprechend. Diese Vorteile von P2P-Techno-

logien sind jedoch in der Praxis schwer zuvermitteln.

Das Fehlen an Vertrauen in die Betriebs-sicherheit von P2P-Technologien spiegeltsich auch an anderer Stelle wider. System-Administratoren befurchten mit der Ein-fuhrung dieser neuen Technologien auchein starkes Ansteigen von Service-Anfra-gen. Dies ist auf der einen Seite in der man-gelnden Erfahrung mit P2P-Systemen be-grundet. Auf der anderen Seite wirdbefurchtet, dass die Freiheiten, die P2P-An-wendungen den Anwendern bezuglich derAdministration und der Verteilung von In-formationen an die Hand geben, Anwenderuberfordern und zu schwerwiegendenFehlkonfigurationen fuhren. Insbesonderedas Fehlen eines zentralen Logs fur alle Vor-gange erscheint dabei die Betreuung derNutzer zu erschweren.

�hnliche Gedanken liegen der Forderungnach der Moglichkeit zur zentraler Admi-nistration zugrunde. Hierbei wird gerneubersehen, dass P2P-Netzwerke in hohemMaße selbstorganisierend und damit fehler-tolerant sind. Der Zusammenbruch eineseinzelnen Peers fuhrt nicht zum Zusam-menbruch des Gesamtsystems. Fehler blei-ben also lokalisiert und eingrenzbar. Vieleder in zentralen Infrastrukturen notwendi-gen Administrationsarbeiten entfallen voll-standig oder werden von den Nutzern er-bracht. Zum Beispiel konnen in P2P-Netz-werken Nutzer selbstandig Gruppenaufsetzen und damit die Verteilung von In-formationen kontrollieren, so wie sie es

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Kernpunkte fur das Management

Effizientes Knowledge Management hat sich als ein wesentlicher Erfolgsfaktor fur Orga-nisationen herauskristallisiert. Neue Systeme auf der Basis von Peer-to-Peer-(P2P-)Tech-nologie bieten Vorteile bei Einfuhrungskosten und bei der Einbindung in den Arbeitsall-tag. Trotzdem gibt es viele Grunde, warum die Adaption von P2P-Technologien durchUnternehmen nur langsam geschieht. Einige davon hangen nicht unmittelbar mit derTechnologie als solcher, sondern mit dem Kulturwechsel, den dezentrale Technologien er-fordern, zusammen. Wir stellen dar, auf welche Argumente und Bedenken wir bei unse-ren Vertriebsaktivitaten fur Dinow, unsere Distributed-Knowledge-Management Losung,gestoßen sind.

Stichworte: Peer-to-Peer, Knowledge Management, Wissensmanagement

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heute durch Definition von Verteilern furE-Mails tun.

Scheinbar im Widerspruch dazu sehen Ad-ministratoren auch den Verlust an Kontrol-le. Verbunden damit ist auch die Befurch-tung, dass auf organisatorischer EbeneEinfluss verloren geht. Hierin liegt oft einwesentlicher Grund fur den Widerstandzentralistischer IT-Organisationen gegendie Einfuhrung dezentraler Systeme. In derPraxis lassen sich diese Problem nur durchden langsamen Aufbau von Vertrauen unddas Verstandnis fur die Rolle der Adminis-tration in P2P-Systemen losen.

Damit treten oft auch die Bedenken in im-plementierte Sicherheitskonzepte undP2P-Technologie in den Hintergrund. Ge-rade P2P-Systeme der 2. Generation erful-len viele Sicherheitsanforderungen, wiez. B. die Verschlusselung von Nachrichtenund die Unterstutzung von Zertifikate furdie Zugriffsauthorisierung [Vgl. ekk02].Allerdings werden bei der Bewertung die-ser Sicherheitskonzepte von den Unterneh-men im Allgemeinen wesentlich hohereAnforderungen gestellt, als sie die bislangimplementierten Strukturen erfullen. Be-sonders uber Unternehmensgrenzen hin-weg sind selbst rudimentare Sicherheits-anforderungen bezuglich Authorisierungund Authentisierung selten erfullt. Auchhier sei wieder E-Mail als Beispiel genannt,wo es immer noch ublich ist, auch wich-tigste Informationen unverschlusselt undohne Authentisierungsinformationen zuversenden.

Aber auch auf der Seite der Anwenderbeziehungsweise deren Vorgesetzten gibtes durchaus Schwierigkeiten mit demneuen Paradigma. Viele Fuhrungskraftesehen zwar die Nutzlichkeit freier Infor-mationsflusse, zogern jedoch aufgrundder bereits fur Server-Losungen getatigtenInvestitionen, weitere Mittel furKommunikationsinfrastruktur bereit-zustellen. Nicht selten befurchten sie unddie gesamte Organisation aber auch, dassdurch die neue Technologie Moglichkei-ten zur �berwachung des Informations-flusses verloren gehen. Zudem ist dieKontrolle und Nachvollziehbarkeit derKommunikation auch aus rechtlichenGrunden oftmals wunschenswert. Bei ent-sprechender Konfiguration der P2P-Soft-ware und der Firewall ist die Verwirk-lichung der notwendigen Filterung undProtokollierung jedoch unproblematischmoglich. So konnen bei der P2P-Wissens-

managementanwendung Dinow [Vgl.ekk02] z. B. spezielle Gateways aufgebautwerden, welche die Verbindung des inter-nen P2P-Netzes mit dem Internet herstel-len. Diese Gateways protokollieren jegli-chen Datentransfer und konnen ebensozur Filterung eingesetzt werden.

Ebenso haufig horen wir die Befurchtung,alle Daten wurden lokal kopiert und da-durch das Datenvolumen insgesamt aberauch die Vieldeutigkeit der Quellen er-hoht. In der Praxis geschieht dies heutebereits auf Gruppenlaufwerken, personli-chen Verzeichnissen und Intranet-Servern.P2P-System mit ihrem direkten Zugriffauf die Daten erlauben dagegen diese Da-ten zu konsolidieren.

Viel weniger offensichtlich ist die Schwie-rigkeit der Anwender mit den fur viele ver-teilte Architekturen typischen Effektenzurechtzukommen. So kann z. B. ein Do-kument, das gestern gefunden wurde, heutevom Autor nicht mehr zur Verfugung ge-stellt werden. Ebenso kann ein Dokumentvon verschiedenen Quellen in unterschied-lichen Versionen erhaltlich sein. Tatsachlichliegen die Ursachen dafur jedoch nicht inden P2P-Anwendungen, sondern in demMismatch zwischen der Struktur des Wis-sens und den etablierten hierarchischenDatenstrukturen. So liegt zum Beispiel diegleiche Datei haufig sowohl im personli-chen Verzeichnis als auch in verschiedenenGruppen- oder Abteilungsverzeichnissen.Konsequenterweise macht ein P2P-Systemdiese Redundanzen offensichtlich, bietetaber auch die Moglichkeit, sie zu beseiti-gen. Das Missverstandnis liegt nicht zuletztdarin begrundet, dass von einem Group-ware-Werkzeug die Datenqualitat eines re-daktionell bearbeiteten Intranets erwartetwird.

Ein eher psychologisches Problem ist dieAngst des Nutzers aber auch der Organisa-tion vor dem direkten Zugriff Fremder auf„meinen“ Rechner. Auch hier widersprichtdas Interesse des Mitarbeiters am „Schutzseines Assets“ dem des Unternehmens ander Ausnutzung aller Produktionsmittel.�ngste wurden hier insbesondere durchdie Erfahrungen mit in P2P-Systemen ver-steckter Spyware wie im Falle KaZaA[Del02] genahrt. Professionelle Softwareunterscheidet sich in dieser Hinsicht zwarvon verfugbaren Freeware-Anwendungen,das Vertrauen des Nutzers kann jedoch apriori nicht als gegeben vorausgesetzt wer-den.

5 Zusammenfassungund Ausblick

Zusammengefasst ergeben sich somit eineganze Reihe von Vorbehalten, mit denenein P2P-Anbieter bei der Einfuhrung vondezentralen Technologien bei einem Kun-den konfrontiert wird. Die obige Diskus-sion zeigt, dass insbesondere die vor-gebrachten technologischen Argumentesich in den meisten Fallen entkraften lassen.Dennoch ist in dieser Diskussion ein Einge-hen auf die vielfaltigen Vorbehalte notwen-dig und die Technologie muss in jedem Fallauf die konkreten Bedurfnisse angepasstwerden. Ein Einsatz von P2P-Technolgienout-of-the-box ist bei den vorgebrachtenVorbehalten derzeit kaum moglich.

Obwohl P2P-Systeme eine sinnvolle Er-ganzung zu etablierten C/S-Systemen dar-stellen, konnen sie ihre Vorteile nur dannentfalten, wenn das Teilen und Verteilenvon Wissen in die Unternehmenskultureingebettet ist. Unter dieser Voraussetzungerleichtert das verglichen mit C/S-Losun-gen geringe finanziellen Risiko die Ent-scheidung zugunsten von P2P-Systemen.Dazu tragen insbesondere die Kostenein-sparungen durch effiziente Ressourcen-nutzung und Wegfall der zentralen Admi-nistration bei.

Daher ist die Einfuhrung eines Wissens-managementsystems zunachst fur kleineOrganisationseinheiten moglich und inte-ressant. Es ist denkbar, dass durch die ein-fache und naheliegende Integration vonKollegen auch außerhalb dieser Wissens-inseln dezentrale Systeme in das Unterneh-men getragen werden. Hierbei erweist sichdie Selbstorganisation von P2P-Netzen alsnutzlich.

Literatur

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