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Predigt über 1. Petrus 4,7-11 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen. Für die heutige Predigt ist uns ein Bibelwort aus dem ersten Petrusbrief zum Bedenken mitgegeben, im vierten Kapitel die Verse 7-11: 7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. 8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). 9 Seid gastfrei untereinander ohne Murren. 10 Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: 11 wenn jemand predigt, daß er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, daß er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde, zwei Worte stehen im Mittelpunkt dieses Abschnittes. Zwei Worte, die der erste Petrusbrief den Gemeinden als Schlüssel an die Hand gibt, wie ihr Miteinander gelingen kann. Und nicht nur für ein fruchtbares Gemeindeleben sind diese zwei Worte der Schlüssel. Diese zwei Worte sind auch das Erfolgsgeheimnis jeder Freundschaft, jeder Ehe, jeder Familie, jeder Form von menschlicher Gemeinschaft. Manchmal kann es so einfach sein: Nur diese zwei Worte sind zu beherzigen, und alles andere ergibt sich von selbst. Alle Beziehungsratgeber können letztlich nicht weiterhelfen, wenn sie nicht von diesen zwei Worten ausgehen, die der erste Petrusbrief den Gemeinden ans Herz legt. Können wirklich zwei Worte der Schlüssel zum Gelingen von Gemeinschaft sein? Das können sie schon, wenn sie so gehaltvoll sind wie diese zwei: „dient einander.“ „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ Und ein paar „Dienstanweisungen“ werden uns gleich mit an die Hand gegeben, wie es in die Tat umgesetzt werden kann, dieses „dient einander“. I Die erste Dienstanweisung: „Dient einander – aus nüchternem Gebet heraus.“ „Seid besonnen und nüchtern zum Gebet“, heißt es zu Beginn. Da scheint sich schon ein erstes Fragezeichen aufzutun: Was hat das Gebet mit Nüchternheit zu tun? Gilt das Beten bei manchen nicht eher als weltfremde religiöse Schwärmerei? Und was hat das Gebet mit dem Einander-Dienen zu tun? Die Nüchternheit ergibt sich aus der Einsicht, dass die Welt vergänglich ist. „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge“, heißt es zu Beginn unseres Abschnitts. Die Christen damals lebten in der festen Erwartung, dass das Ende der Welt und die Wiederkehr Christi kurz bevorstehe. Nach 2000 Jahren scheint man diese Erwartung etwas „nüchterner“ betrachten zu müssen. Doch gerade uns als Menschen der Neuzeit ist vielleicht klarer als manchen Generationen zuvor, wie bedroht unsere Welt ist: durch Umweltzerstörung und Klimaveränderung; durch Waffen, von Menschen gebaut, welche die Welt gleich mehrfach vernichten können; durch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise, die bei uns vielen zu schaffen machen und die andernorts zum Zusammenbruch ganzer Staaten zu führen drohen. Und wie begrenzt und vergänglich das eigene Leben ist, wird einem spätestens dann bewusst, wenn Menschen aus dem näheren Umfeld plötzlich sterben - oder auch, wenn sich Katastrophen oder Unglücke ereignen. Christen wissen um die Vorläufigkeit dieser Welt und auch des eigenen Lebens. Und solch eine besonnene und nüchterne Haltung, die sich über den wahren Zustand der Welt nichts mehr vorzumachen braucht, treibt zum Gebet. Im Gebet richte ich meinen Blick auf das Wesentliche. Dort bin ich im Gespräch mit dem, der diese Welt und mein Leben in seiner Hand hält – auch dann, wenn mein irdisches Leben zu Ende ist und selbst dann noch, wenn diese Welt in Trümmer fällt. Die Welt und mein Leben im Gebet vor Gott bedenken – das klärt den Blick und hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Die Prioritäten werden zurechtgerückt. Beten macht nüchtern.

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Predigt über 1. Petrus 4,7-11 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen. Für die heutige Predigt ist uns ein Bibelwort aus dem ersten Petrusbrief zum Bedenken mitgegeben, im vierten Kapitel die Verse 7-11: 7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. 8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). 9 Seid gastfrei untereinander ohne Murren. 10 Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: 11 wenn jemand predigt, daß er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, daß er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde, zwei Worte stehen im Mittelpunkt dieses Abschnittes. Zwei Worte, die der erste Petrusbrief den Gemeinden als Schlüssel an die Hand gibt, wie ihr Miteinander gelingen kann. Und nicht nur für ein fruchtbares Gemeindeleben sind diese zwei Worte der Schlüssel. Diese zwei Worte sind auch das Erfolgsgeheimnis jeder Freundschaft, jeder Ehe, jeder Familie, jeder Form von menschlicher Gemeinschaft. Manchmal kann es so einfach sein: Nur diese zwei Worte sind zu beherzigen, und alles andere ergibt sich von selbst. Alle Beziehungsratgeber können letztlich nicht weiterhelfen, wenn sie nicht von diesen zwei Worten ausgehen, die der erste Petrusbrief den Gemeinden ans Herz legt. Können wirklich zwei Worte der Schlüssel zum Gelingen von Gemeinschaft sein? Das können sie schon, wenn sie so gehaltvoll sind wie diese zwei: „dient einander.“ „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ Und ein paar „Dienstanweisungen“ werden uns gleich mit an die Hand gegeben, wie es in die Tat umgesetzt werden kann, dieses „dient einander“.

I Die erste Dienstanweisung: „Dient einander – aus nüchternem Gebet heraus.“ „Seid besonnen und nüchtern zum Gebet“, heißt es zu Beginn. Da scheint sich schon ein erstes Fragezeichen aufzutun: Was hat das Gebet mit Nüchternheit zu tun? Gilt das Beten bei manchen nicht eher als weltfremde religiöse Schwärmerei? Und was hat das Gebet mit dem Einander-Dienen zu tun? Die Nüchternheit ergibt sich aus der Einsicht, dass die Welt vergänglich ist. „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge“, heißt es zu Beginn unseres Abschnitts. Die Christen damals lebten in der festen Erwartung, dass das Ende der Welt und die Wiederkehr Christi kurz bevorstehe. Nach 2000 Jahren scheint man diese Erwartung etwas „nüchterner“ betrachten zu müssen. Doch gerade uns als Menschen der Neuzeit ist vielleicht klarer als manchen Generationen zuvor, wie bedroht unsere Welt ist: durch Umweltzerstörung und Klimaveränderung; durch Waffen, von Menschen gebaut, welche die Welt gleich mehrfach vernichten können; durch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise, die bei uns vielen zu schaffen machen und die andernorts zum Zusammenbruch ganzer Staaten zu führen drohen. Und wie begrenzt und vergänglich das eigene Leben ist, wird einem spätestens dann bewusst, wenn Menschen aus dem näheren Umfeld plötzlich sterben - oder auch, wenn sich Katastrophen oder Unglücke ereignen. Christen wissen um die Vorläufigkeit dieser Welt und auch des eigenen Lebens. Und solch eine besonnene und nüchterne Haltung, die sich über den wahren Zustand der Welt nichts mehr vorzumachen braucht, treibt zum Gebet. Im Gebet richte ich meinen Blick auf das Wesentliche. Dort bin ich im Gespräch mit dem, der diese Welt und mein Leben in seiner Hand hält – auch dann, wenn mein irdisches Leben zu Ende ist und selbst dann noch, wenn diese Welt in Trümmer fällt. Die Welt und mein Leben im Gebet vor Gott bedenken – das klärt den Blick und hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Die Prioritäten werden zurechtgerückt. Beten macht nüchtern.

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Und was das Gebet mit den beiden Schlüsselworten „dient einander“ zu tun hat, liegt dann auch nahe: Das Gebet ist die Tankstelle, wo ich mir die Kraft und die Liebe holen kann, um anderen zu dienen. Durch das Gespräch mit Gott kann ich nüchtern und realistisch einschätzen, wie begrenzt meine eigene Hilfsbereitschaft ist, und bitte ihn deshalb, mich mit seiner Liebe für andere zu füllen. „Dient einander – aus nüchternem Gebet heraus.“

II Zu dieser ersten Dienstanweisung tritt gleich eine zweite: „Dient einander – durch das aufbauende Wort.“ Hier muss ich zunächst unseren geschätzten Reformator Martin Luther wegen seiner Übersetzung kritisieren. Bei ihm heißt es: „wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort“. Natürlich, dass Gott die Predigt in seinen Dienst nimmt und sie zu seinem Reden macht, das ist der Wunsch und das Gebet eines jeden Predigers – es ist auch mein Gebet. Doch genauer übersetzt heißt es: „wenn jemand redet, dass er's rede als Gottes Wort“. Wenn Luther nur vom „Predigen“ spricht, erweckt das den Eindruck, als ob in einer Gemeinde nur der Pfarrer aufbauende Worte Gottes weitergeben könnte. Und das darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Es heißt hier ja ausdrücklich: „dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat: wenn jemand redet, dass er's rede als Gottes Wort.“ Dem anderen ein ermutigendes Wort sagen, ihm einen geistlichen Rat geben, sich Zeit nehmen zum Gespräch, eine Karte mit einer mutmachenden biblischen Verheißung schreiben – das kann jeder, der sich im Gebet diese Worte schenken lässt. Und alle, denen das Reden in Lehre und Unterricht als Amt aufgetragen ist, sind besonders auf dieses Gebet angewiesen. Und eine besondere Art und Weise, einander durch das Reden der richtigen Worte zu dienen, wird uns auch noch ans Herz gelegt: „Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge«“. Sünde gibt es auch innerhalb der Gemeinde, und sogar in „Menge“. Können bitte alle einmal kurz die Hand heben, die sich noch nie über jemanden hier aus der Gemeinde geärgert haben? Schön, wenn es auch zufriedene Menschen in der Gemeinde gibt. Aber es scheint mir nicht die Mehrheit gewesen zu sein, die die Hand gehoben hat. Vergebung ist also auch für uns als Gemeinde ein Thema. Oft sind es nur sogenannte Kleinigkeiten, verletzende Worte, die unbedacht fallen. Aber bisweilen haut auch mal einer kräftig daneben. Wie gehen wir dann damit um? Sind wir dann schnell dabei, uns über den Betreffenden das Maul zu verreißen, wie unmöglich der oder die sich doch benimmt? Wird nur getadelt und gerichtet, aufgerechnet und angeprangert? Mache ich mich gern wichtig, indem ich aufdecke, was beim anderen faul ist? Oder sage ich zu meinem Bruder oder meiner Schwester im Herrn: „Komm, lass uns das vergessen und von vorn anfangen. Ich lebe ja schließlich genauso wie du von Gottes Vergebung, wie könnte ich da so nachtragend sein?“ Das ist auch eine Möglichkeit, dem anderen zu dienen, indem ich ihm ein göttliches Wort der Vergebung ausrichte und so „dem anderen ein Christus werde“, wie es Bonhoeffer einmal ausgedrückt hat. „... wenn jemand redet, dass er's rede als Gottes Wort.“ „Dient einander – durch das aufbauende Wort.“

III Und die dritte Dienstanweisung darf dann natürlich nicht fehlen: „Dient einander – durch die helfende Tat.“ Schließlich reden wir ja nicht nur miteinander in der Gemeinde. Was wäre die Gemeinde ohne Menschen, die ganz praktisch mit anpacken! Davon hatten wir es erst am letzten Sonntag, als wir neue Mitarbeiter für ihren Dienst in der Gemeinde gesegnet haben – und diese Erkenntnis ist acht Tage später noch nicht ungültig geworden. Praktisch mit anpacken kann jeder. „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat: wenn jemand dient, daß er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt.“ Jeder hat von Gott eine Gabe bekommen, die er in der Gemeinschaft einbringen kann – eine Andacht im Frauenkreis oder eine biblische Geschichte im Kindergottesdienst gehört ebenso dazu wie ein Musikstück beim Seniorennachmittag oder das Austragen von Gemeindebriefen. Und die Kraft und die Freude, sich auf diese Weise für die Gemeinschaft einzubringen, das ist eine Gabe, „die Gott gewährt“. Bekommen kann ich sie im Gebet. Und alle, die ihre Gaben in der Gemeinde einbringen, betätigen sich „als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“, wörtlich „der bunten Gnade Gottes“. Gottes Gnade ist bunt und vielfältig, und so sind es auch die Gnadengaben, die er unter den einzelnen

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Gemeindegliedern verteilt hat. Und keiner kann sagen, dass er keine davon bekommen hat. Hier sind nicht nur die spektakulären und beeindruckenden Fähigkeiten mancher Menschen gemeint, hier geht es vor allem auch um die ganz kleinen und praktischen Dienste. Das Grundgesetz kennt eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Der erste Petrusbrief kennt eine Sozialpflichtigkeit der Gaben Gottes: „dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ „Dient einander – durch die helfende Tat.“ Eine helfende Tat wird dabei noch besonders hervorgehoben: „Seid gastfrei untereinander ohne Murren.“ Jemanden willkommen heißen und ihm eine Tasse Kaffee oder Tee servieren, das ist auch etwas, was jeder kann. In der frühen Christenheit hatte die Gastfreundschaft eine ganz wichtige Bedeutung: Antike Gasthäuser waren, zumal in der Hauptstadt und in Häfen, eine recht zweifelhafte Unterkunft, so dass Gastfreundschaft für von auswärts kommende Christen dringend geboten war – besonders auch für die urchristlichen Missionare, die von Ort zu Ort reisten. Und in der teils feindseligen Umgebung, in der die angesprochenen Christen in Kleinasien lebten, war es noch wichtiger, bei Glaubensgeschwistern eine offene Tür zu finden. Diese Gastfreundschaft für durchreisende Mitchristen war nichts anderes als gelebte Ökumene, lebendiger Austausch der damaligen Christenheit. Und noch heute reisen Prediger, Missionarinnen und Entwicklungshelfer in Länder aus, um den Menschen Gottes Liebe in Wort und Tat mitzuteilen, ohne dass sie sich wie hiesige Pfarrer auf ein Beamtengehalt verlassen können. Sie sind auch auf tatkräftige Unterstützung angewiesen, durch Spenden, Gebete und Briefe. Und auch das kann jeder. Vielleicht ist das heute eine der Formen, in die Tat umzusetzen, was der erste Petrusbrief den Christen damals nahe legt – und bei den jungen Menschen wie Sonja Schnurer oder Melanie Sehmsdorf, die wir als Gemeinde zu ihrem Missionseinsatz ausgesandt haben, haben das auch viele aus der Gemeinde in die Tat umgesetzt. Und es gibt auch weiterhin Gelegenheit, das in die Tat umzusetzen: Heute Abend im Lord’s Meeting senden wir Angela Beck zu einem zehnmonatigen Missionseinsatz in Japan aus. Am Ausgang können Sie sich Informationen mitnehmen, wie Sie sie dabei unterstützen können. Wobei die klassische Gastfreundschaft heute gewiss nicht ausgedient hat – erst kürzlich habe ich es erlebt: Um die Mittagszeit klingelte ein Mann bei uns an der Tür – ich dachte zunächst, es sei einer der klassischen „Durchreisenden“, wie sie öfter im Pfarramt klingeln. Aber dem war nicht so. Es war ein evangelischer Pfarrer aus Polen, der auf dem Weg nach Frankreich war, in die Mönchsgemeinschaft von Taizé, um dort eine Zeit der geistlichen Stärkung zu erleben. Und er fragte, ob er bei uns vor der Weiterfahrt ein Mittagessen bekommen könnte. Meine Frau hatte gerade das Essen fertig, und so bat ich ihn herein. Er wusste gut Bescheid über unsere Kirche: Zum Beispiel wusste er, dass wir hier in der badischen Landeskirche keine lutherische oder reformierte, sondern eine unierte Kirche sind – ich weiß nicht, wie viele von uns hier heute morgen das gewusst hätten. Aber er erzählte beim Essen auch davon, wie bescheiden die Lage der evangelischen Christen in Polen ist – in einer fast komplett katholischen Umgebung. Und im Gespräch wurde schnell spürbar, wie uns die Liebe zu unserem gemeinsamen Herrn Jesus Christus verbindet – obwohl wir uns vorher überhaupt nicht kannten. So verabschiedeten wir uns nach dem Essen herzlich und ließen ihn seinen Weg ziehen. „Seid gastfrei untereinander ohne Murren“, sagt dazu der erste Petrusbrief. Und mir kam bei diesem Erlebnis noch ein anderes Bibelwort aus dem Hebräerbrief in den Sinn: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“1 Wenn wir also wissen wollen, wie Gemeinschaft unter Christen und Gemeinschaft überhaupt gelingen kann, brauchen wir nur diese zwei Worte mit nach Hause zu nehmen: „Dient einander – aus nüchternem Gebet heraus.“ „Dient einander – durch das aufbauende Wort.“ „Dient einander – durch die helfende Tat.“ Amen.

1 Hebräer 13,2.