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Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Fahrzeugtechnik Heft F 49 Prüfverfahren für die passive Sicherheit motorisierter Zweiräder

Prüfverfahren für die passive Sicherheit motorisierter Zweiräder · 2018. 11. 15. · passive Sicherheit von Personenkraftwagen in der breiten Öffentlichkeit mehr und mehr beachtet

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Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Fahrzeugtechnik Heft F 49

Prüfverfahren für diepassive Sicherheit

motorisierter Zweiräder

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Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Prüfverfahren für diepassive Sicherheit

motorisierter Zweiräder

Fahrzeugtechnik Heft F 49

von

F. Alexander BergPeter RückerHeiko Bürkle

DEKRA Automobil GmbHStuttgart

Rainer MatternDimitrios Kallieris

Institut für Rechtsmedizin der Universität Heidelberg

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Die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungs-ergebnisse in der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihebesteht aus folgenden Unterreihen:

A - AllgemeinesB - Brücken- und IngenieurbauF - FahrzeugtechnikM- Mensch und SicherheitS - StraßenbauV - Verkehrstechnik

Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dem Namen der Verfasser veröffentlichtenBerichte nicht in jedem Fall die Ansicht desHerausgebers wiedergeben.

Nachdruck und photomechanische Wieder-gabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmi-gung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Die Hefte der Schriftenreihe Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen können direkt beim Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bgm.-Smidt-Str. 74-76, D-27568 Bremerhaven, Telefon (04 71) 9 45 44 - 0, bezogen werden.

Über die Forschungsergebnisse und ihre Veröffentlichungen wird in Kurzform imInformationsdienst BASt-Info berichtet.Dieser Dienst wird kostenlos abgegeben;Interessenten wenden sich bitte an dieBundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Impressum

Bericht zum Forschungsprojekt FE 82.121/1997: Prüfverfahren für die passive Sicherheit motorisierterZweiräder

Projektbetreuung Bernd Lorenz

HerausgeberBundesanstalt für StraßenwesenBrüderstraße 53, D-51427 Bergisch GladbachTelefon: (0 22 04) 43 - 0Telefax: (0 22 04) 43 - 674

RedaktionReferat Öffentlichkeitsarbeit

Druck und VerlagWirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10, D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

ISSN 0943-9307ISBN 3-86509-146-6

Bergisch Gladbach, September 2004

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Kurzfassung – Abstract

Prüfverfahren für die passive Sicherheit vonmotorisierten Zweirädern

Die Verordnungsgeber haben länderübergreifendeNormen und Vorschriften für die Durchführung undAuswertung von Crashversuchen mit Personen-kraftwagen bei verschiedenen Aufprallarten ent-wickelt, die im Rahmen der Entwicklung und Zu-lassung neuer Fahrzeuge Anwendung finden. Ver-braucherschutzorganisationen, Automobilclubsund Fachzeitschriften tragen mit der Durchführungund Publikation eigener Tests dazu bei, dass diepassive Sicherheit von Personenkraftwagen in derbreiten Öffentlichkeit mehr und mehr beachtetwird. Im Gegensatz dazu ist die Durchführung vonCrashtests zur Untersuchung und Bewertung derpassiven Sicherheit von Motorrädern relativ neu.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesanstalt fürStraßenwesen das vorliegende Forschungsprojektvergeben. Hierbei waren unter Verwendung geeig-net erscheinender Prüfverfahren reale Unfallsitua-tionen nachzubilden. Unter Beachtung der Vielfaltder motorisierten Zweiräder mit ihrer Einteilung inverschiedene Zulassungs-Kategorien und zu-gehöriger Unfalldaten wurde das reale Unfallge-schehen analysiert. Neben Daten aus der amtli-chen Unfallstatistik wurden dabei Informationenaus der Literatur und eigene Erhebungen ausge-wertet. Ergänzend ist der aktuelle Kenntnisstandzur Biomechanik aufbereitet worden.

Eine Beschreibung des Status quo der passivenMotorradsicherheit erfolgte unter Analyse der hier-bei relevanten Elemente, Baugruppen und Eigen-schaften des Motorrades. Dazu gehören Lenker,Sitzbank, Fußrasten, Tank, Verkleidung, Airbag(noch nicht im Hersteller-Angebot), Vorderradgabelund Standrohre sowie die Aufsassen-Kopfhöhe.Weiterhin gingen die Ergebnisse von Full-Scale-Crashtests, die im internationalen Standard ISO13232 beschrieben sind, mit Anstößen von Mo-torrädern an der Seite von Personenkraftwagen indie Darstellung des Status quo der passiven Motor-radsicherheit ein. Zusätzlich wurden im Rahmendes Forschungsprojektes Schlittenversuche durch-geführt. Ein zur Darstellung des rechtwinkligen Mo-torradanpralles an der Seite eines stehenden Per-sonenkraftwagens geeigneter Schlitten ist im Rah-men des Projektes entworfen, realisiert und einge-setzt worden.

In der Literatur beschriebene Motorrad-Sicher-heitskonzepte und Vorschläge für besondere Mo-torrad-Sicherheitselemente sind ebenfalls darge-stellt worden.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde einumfassender Ansatz verfolgt. Er enthält die Bewer-tung von Sicherheitsmerkmalen, die aus techni-schen Beschreibungen entnommen und am ste-henden Fahrzeug ermittelt werden können (Primär-daten) sowie die Ergebnisse von dynamischenCrash- und Schlittentests (Sekundärdaten). Dabeierfolgt stets die Orientierung am realen Unfallge-schehen (Tertiärdaten). Der internationale StandardISO 13232 wird als geeigneter Ausgangspunkteines umfassenden Prüf- und Bewertungsverfah-rens für die passive Sicherheit motorisierterZweiräder erkannt. Zur Erweiterung der bereits de-finierten Testverfahren werden Schlittentests vor-geschlagen. Außerdem werden Alleinunfälle desMotorrades zu beachten sein.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragendazu bei, die Aspekte der passiven Sicherheit vonmotorisierten Zweirädern zu objektivieren.

Der Originalbericht enthält als Anhang eine Über-sicht über das Beurteilungssystem für die passiveSicherheit der in die Untersuchung einbezogenenMotorräder sowie eine detaillierte Beschreibungund punktemäßige Bewertung von insgesamt 45Motorradtypen. Auf die Wiedergabe dieses Anhan-ges wurde in der vorliegenden Veröffentlichungverzichtet. Er liegt bei der Bundesanstalt fürStraßenwesen vor und ist dort einsehbar. Verweiseauf den Anhang im Berichtstext wurden beibehal-ten.

Test procedures for the passive safety of motorised two-wheelers

The legislators have developed national standardsand regulations for conducting and evaluatingcrash tests for cars involving different types of collision; these are applied during the developmentand homologation of new vehicles. By carrying outand publishing their own tests, consumer protection organisations, automobile clubs andtechnical journals contribute towards the broadmass of the population paying greater attention to

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the passive safety of cars. In contrast to this, conducting crash tests to investigate and evaluatethe passive safety of motorcycles is relatively new.

The Federal Highway Research Institute (Bundes-anstalt für Straßenwesen) commissioned this research project with this in mind. It was intendedthat real accident situations should be recreatedusing suitable test procedures. The real accidentoccurrence was analysed, taking into conside-ration the variety of motorised two-wheelers andthe fact that they, along with the pertinent accidentdata, are divided into different homologation categories. The project used data from official accident statistics, information derived from literature analysis and data gathered in surveyscarried out during the project. In addition to this,the latest findings in the field of bio-mechanicswere analysed and assessed.

The status quo of passive motorcycle safety wasdescribed, based on analysis of the relevant elements, construction units and characteristics ofthe motorcycles. These included the handlebars,seat, foot-rests, tank, cladding, airbags (not yetsupplied by manufacturers), front-wheel fork andstandpipes as well as the height of the rider’s head.The description of the status quo of passive motorcycle safety also incorporated the results offull-scale crash tests, which are described in the international standard ISO 13232 and which involve motorcycles colliding with the side of cars.Sled tests were also carried out during the researchproject. A sled suitable for representing the right-angled motorcycle collision with the side of astationary car was designed, created and used inthe project.

The project also presents motorcycle safety concepts described in the relevant literature andproposals for special motorcycle-safety elements.

The research project adopted a broad approach.This involved considering the evaluation of safetyparameters taken from technical descriptions anddetermined from the stationary vehicle (primarydata) and the results of dynamic crash and sledtests (secondary data). The orientation is alwaystowards real accident occurrence (tertiary data).The international standard ISO 13232 is recognisedas a suitable starting point for a comprehensiveprocedure for testing and evaluating the passivesafety of motorised two-wheelers. Proposals aremade for other sled tests for the purpose of extending the test procedures described above.

Single-vehicle accidents involving just a motorcycle will also have to be considered.

The results of the research project contribute towards increasing objectivity with regard to aspects of the passive safety of motorised two-wheelers.

The appendices of the original report contain anoverview of the system used to evaluate the passive safety of the motorcycles included in theinvestigation and a detailed description and point-based evaluation of a total of 45 motorcycletypes. This appendix has been omitted from thispublication. It can be consulted at the FederalHighway Research Institute. References to the appendix were retained in the report text.

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Inhalt

1 Einleitung, Zielsetzung und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2 Das Unfallgeschehen mit motorisierten Zweirädern . . . . . . . . . 9

2.1 Einteilung der motorisierten Zweiräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.2 Entwicklung von Unfall-, Zulassungs- und Fahrleistungszahlen . . . . . . . . . . . 9

2.2.1 Motorräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.2 Mofas und Mopeds . . . . . . . . . . . . . . . 112.2.3 Motorroller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.3 Kollisionen der motorisierten Zweiräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.3.1 Erkenntnise aus der amtlichen Verkehrsunfallstatistik . . . . . . . . . . . . . . 13

2.3.2 Erkenntnisse aus In-Depth-Unfallerhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.4 Verletzungen der Aufsassen . . . . . . . . . 182.4.1 Erkenntnise aus der amtlichen

Verkehrsunfallstatistik . . . . . . . . . . . . . . 182.4.2 Erkenntnisse aus In-Depth-

Unfallerhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3 Biomechanik des Motorradunfalles . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3.1 Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.1.1 Fallversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.1.2 Impaktorversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . 243.1.3 Schutzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3.2 Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283.2.1 Verletzungsgrenzwerte der

Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2.2 Rotationsbeschleunigungen . . . . . . . . . 29

3.3 Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.3.1 Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.3.2 Deformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303.3.3 Schutzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.4 Obere Extremitäten . . . . . . . . . . . . . . . 313.4.1 Schutzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

3.5 Bauchorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.5.1 Impaktorbelastungen in situ . . . . . . . . . 333.5.2 Isolierte Organbelastungen . . . . . . . . . 34

3.6 Untere Extremitäten . . . . . . . . . . . . . . . 343.6.1 Knie/Oberschenkel/Becken-

Komplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3.6.2 Fuß/Fußgelenk/Unterschenkel-knochen-Komplex . . . . . . . . . . . . . . . . 35

3.6.2.1 Verletzungsmechanismen . . . . . . . . . . . 353.6.3 Mechanische Einwirkung . . . . . . . . . . . 35

3.6.4 Schutzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

4 Fahrzeuganalysen . . . . . . . . . . . . . . . 364.1 Beurteilungssystem für die

passive Motorradsicherheit . . . . . . . . . 384.1.1 Aufbau des Bewertungs-

systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.1.2 Bewertung von relevanten

Elementen und Baugruppen . . . . . . . . 404.1.2.1 Lenker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404.1.2.2 Sitzbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.1.2.3 Fußrasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.1.2.4 Tank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.1.2.5 Verkleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.1.2.6 Airbag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.1.2.7 Vorderradgabel und Standrohre . . . . . . 434.1.2.8 Aufsassen-Kopfhöhe . . . . . . . . . . . . . . 444.1.2.9 Bewertungsbeispiel Sporttourer

Yamaha FZS 600 Fazer . . . . . . . . . . . . 464.1.3. Übersicht der Ergebnisse bisher

durchgeführter Bewertungen . . . . . . . . 47

4.2 Ergebnisse von Crashtests . . . . . . . . . . 494.2.1 Konfiguration 414 nach

ISO 13232 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.2.2 Konfiguration 412 nach

ISO 13232 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.2.3 Konfiguration 413 nach

ISO 13232 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.2.4 Full-Scale-Tests im Rahmen des

vorliegenden Projektes . . . . . . . . . . . . . 544.2.5 Zusammenfassende Darstellung der

Full-Scale-Crashtestergebnisse . . . . . . 56

5 Entwicklungspotenziale für die passive Sicherheit motorisierter Zweiräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

5.1 Motorradsicherheitskonzepte . . . . . . . . 615.1.1 Konzept von SPORNER . . . . . . . . . . . . 615.1.2 Konzept von SCHIMMELPFENNIG . . . 625.1.3 BMW C1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

5.2 Konzepte für Motorradsicherheits-elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

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5.2.1 Verkleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.2.2 Sitzbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.2.3 Airbag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.2.4 Sonstige Komponenten . . . . . . . . . . . . 69

6 Schlittenversuche zur Entwicklung und Erprobung passiver Sicher-heitselemente motorisierter Zweiräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

6.1 Auslegung des Schlittens . . . . . . . . . . . 706.1.1 Verletzungskritischster Anprall . . . . . . . 706.1.2 Prinzip und Aufbau des

Schlittens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706.1.3 Universelle Verwendbarkeit des

Schlittens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716.1.4 Auslegung der Bremse . . . . . . . . . . . . . 716.1.5 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726.1.6 Grenzen der Vergleichbarkeit

zwischen Full-Scale- und Schlittenversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . 74

6.1.7 Reproduzierbarkeit der Schlittenversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

6.2 Auswahl des Motorrades als Basis für den Schlittenaufbau . . . . . . . 75

6.3 Durchführung und Auswertung der Schlittenversuche . . . . . . . . . . . . . . 76

6.3.1 Versuch SH 01.03 – Serienzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

6.3.2 Versuch SH 01.08 – Ausrüstung mit Choppertank . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

6.3.3 Versuch SH 01.09 – Ausrüstung mit Sporttank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

6.3.4 Versuch SH 01.11 – Lenker in vorderster Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . 83

6.3.5 Versuch SH 01.12 – Ausrüstung mit Tankrucksack . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

6.3.6 Versuch SH 01.13 – Ausrüstung mit Beinprotektoren . . . . . . . . . . . . . . . 86

6.3.7 Versuch SH 01.14 – Ausrüstung mit Tankrucksack und Beinprotektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

6.3.8 Versuch SH 01.71 – Ausrüstung mit Airbag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

6.4 Zusammenfassende Bewertung der Schlittenversuche . . . . . . . . . . . . . . 90

7 Umfassendes Verfahren für die Bewertung und Prüfung derpassiven Sicherheit motorisierterZweiräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

7.1 Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947.2 Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967.2.1 ISO 13232 als Ausgangspunkt

eines umfassenden Testver-fahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

7.2.2 Motorradfahrer-Dummy . . . . . . . . . . . 99

8 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

9 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

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1 Einleitung, Zielsetzung undVorgehen

Die Sicherheit von Kraftfahrzeugen ist heute einwesentliches Entwicklungs- und Forschungsgebietder angewandten Technik. Waren früher Motorleis-tung, Höchstgeschwindigkeit, markantes Erschei-nungsbild, Sportlichkeit und Zuverlässigkeit we-sentlich für den Markterfolg eines Kraftfahrzeuges,stehen heute vermehrt die Aspekte des Umwelt-schutzes, des Kraftstoffverbrauches und der Si-cherheit im Vordergrund. Dies gilt vor allem für denPersonenkraftwagen. Im Bewusstsein der Verbrau-cher nimmt die passive Sicherheit von Personen-kraftwagen bereits seit Jahren einen herausragen-den Platz ein. Die Verordnungsgeber haben län-derübergreifende Normen und Vorschriften für dieDurchführung und Auswertung von Crashversu-chen mit Personenkraftwagen bei verschiedenenAufprallarten entwickelt, die im Rahmen der Ent-wicklung und Zulassung neuer Fahrzeuge Anwen-dung finden. Verbraucherschutzorganisationen,Automobilclubs und Fachzeitschriften haben mitder Durchführung und Publikation eigener Testsdazu beigetragen, dass die passive Sicherheit vonPersonenkraftwagen in der breiten Öffentlichkeitmehr und mehr beachtet wird.

Im Gegensatz dazu ist die Durchführung vonCrashtests zur Untersuchung der passiven Sicher-heit von Motorrädern relativ neu. Anfang der 90erJahre wurde mit der Entwicklung des StandardsISO 13232 „Motorcycles – Test and analysis proce-dures for research and evaluation of rider crashprotective devices fitted to motorcycles“ begonnen(van DRIESSCHE, 1994). Die erste Ausgabe vonISO 13232 erschien im Dezember 1996. Sie wurdevon einer Arbeitsgruppe (ISO-WG 22) aus 25 inter-nationalen Experten erstellt. ISO 13232 ist als sogenannter „developing standard“ zu verstehen, derneuen Anforderungen ständig angepasst wird. Inder damit befassten Arbeitsgruppe sind die Motor-radindustrie, Forschungseinrichtungen, Verbändeund Behörden vertreten. Neuartig an diesem Stan-dard ist sein ganzheitlicher Ansatz. ISO 13232 be-steht aus acht Teilen. Unter anderem wird ein ein-heitliches Verfahren für die Erforschung des realenUnfallgeschehens festgelegt. Dazu sind 25 ver-schiedene Anstoßkonfigurationen definiert worden.Sieben davon werden mit Full-Scale-Crashtestsnachgebildet, die übrigen mit numerischen Simula-tionen auf dem Computer analysiert. Bei denCrashtests kommt ein spezieller Motorradfahrer-

Dummy (MATD = Motorcyclist Anthropometric TestDevice) zum Einsatz. Er basiert auf dem herkömm-lichen Hybrid-III-Dummy und verfügt über zusätzli-che Messmöglichkeiten, unter anderem brechbareOber- und Unterschenkelknochen, verschiebbareMesselemente in den Knien sowie zusätzlicheMessaufnehmer im Hals. Für die nach ISO 13232getesteten Motorrad-Sicherheitselemente erfolgteine abschließende Bewertung von Nutzen und Ri-siken für alle definierten Konfigurationen.

Im Jahr 2000 wurden in der BundesrepublikDeutschland 945 Aufsassen von Motorrädern und157 Aufsassen von Mofas und Mopeds beiStraßenverkehrsunfällen getötet (StBA, 2001). ImVergleich zum Jahr 1999, in dem 981 Motorradauf-sassen und 147 Aufsassen von Mofas/Mopedsgetötet wurden, entspricht dies einer Verringerungvon 3,7 % bei Motorrädern bzw. einer Steigerungvon 6,8 % bei Mofas/Mopeds. Für das Jahr 1999verzeichnet die amtliche Statistik 13.901 schwerverletzte Aufsassen von Motorrädern und 5.152schwer verletzte Aufsassen von Mofas/Mopeds. ImJahr 2000 wurden 12.835 (- 7,6 %) schwer verletz-te Motorradaufsassen und 4.744 (- 7,9 %) schwerverletzte Aufsassen von Mopeds/Mofas registriert.Im gleichen Zeitraum stieg der absolute Bestandvon Motorrädern um 5 %, während der Bestandvon Mofas und Mopeds um 7,5 % sank. Dies istinsgesamt (mit Ausnahme bei den getöteten Mofa-/Moped-Aufsassen) eine erfreuliche Entwicklungund kann mit der Entwicklung im Pkw-Bereich(1999: Abnahme der Zahl der Getöteten um 2,1 %sowie Abnahme der schwer Verletzten um 3,2 %bei gleichzeitiger Steigerung des Bestandes um 1,5 %) verglichen werden.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beach-ten, dass die absolute Zahl der getöteten Aufsas-sen von motorisierten Zweirädern pro Jahr deutlichniedriger ist als die Zahl der getöteten Insassen vonPersonenkraftwagen. Im Jahr 2000 wurden zumBeispiel 4,6-mal mehr getötete Insassen von Per-sonenkraftwagen registriert als getötete Aufsassenvon motorisierten Zweirädern. Zu beachten ist wei-terhin, dass das Wetter einen nicht unerheblichenEinfluss auf den Bestand der zugelassenen motori-sierten Zweiräder und ihre Fahrleistungen hat. Dementsprechend höher oder niedriger kann die Zahlder Unfälle sein. Die Änderungen der absolutenZahlen auf im Vergleich zu Personenkraftwagenniedrigeres Niveau können dann zu größeren relati-ven Veränderungen führen. Unabhängig davonmuss es das langfristige Ziel sein, die Zahl der

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schwer verletzten und getöteten Aufsassen vonmotorisierten Zweirädern weiter zu senken.

In der Europäischen Union ist es ein erklärtes Ziel,die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten von45.000 im Jahr 1997 auf 25.000 im Jahr 2010 zusenken (SAFETY MONITOR, 1997). Dazu müssensämtliche Potenziale einer Verbesserung der Si-cherheit im Verkehrssystem geprüft und bei Aus-sicht auf Erfolg konsequent ausgeschöpft werden.Hierbei ist auch die Sicherheit des motorisiertenZweirades zu berücksichtigen. In der Vergangenheitist vor allem die aktive Sicherheit des Motorradesverbessert worden. Das ABS für Motorräder gehörthier zu den herausragenden Meilensteinen. Im Be-reich der passiven Sicherheit wurde insbesonderedie Schutzbekleidung (Anzug und Helm) des Motor-radfahrers verbessert. Die passive Sicherheit desmotorisierten Zweirades selbst scheint kaum wei-terentwickelt worden zu sein und rückt damit zu-nehmend in den Blickpunkt des Interesses.

Vor diesem Hintergrund ist das Projekt „Prüfverfah-ren für die passive Sicherheit motorisierter Zweirä-der” von der Bundesanstalt für Straßenwesen(BASt) definiert worden. Unter Verwendung einesgeeignet erscheinenden Prüfverfahrens sollten realeUnfallsituationen nachgebildet werden. Mit diesemVerfahren waren Anbauteile und Einzelkomponentensowie deren Verhalten stellvertretend für die Unfall-situation zu untersuchen und zu beurteilen. Die ge-wonnenen Erkenntnisse sollen zur Ableitung vonAnforderungen und Konstruktionsrichtlinien zur Er-höhung der passiven Sicherheit motorisierterZweiräder führen. Nach der Umsetzung entspre-chender Maßnahmen an Versuchsträgern warendiese auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Aus den Un-tersuchungsergebnissen waren weitergehende Defi-nitionen und Standardisierungen von Anforderungenfür die passive Sicherheit von motorisierten Zweirä-dern in konkreten Unfallsituationen herauszuarbei-ten. Den Projektverlauf veranschaulicht Bild 1.1.

Begonnen wurde mit Ist-Analysen des realen Un-fallgeschehens. Hierbei waren die Vielfalt der mo-torisierten Zweiräder mit ihrer Einteilung in die ver-schiedenen Zulassungs-Kategorien und die Aus-weisung zugehöriger Unfalldaten in der amtlichenStatistik zu beachten. Ergänzend zu den Daten ausder amtlichen Unfallstatistik wurden Informationenüber das Unfallgeschehen mit Beteiligung motori-sierter Zweiräder aus der Literatur und weitere Er-hebungen der DEKRA-Unfallforschung ausgewer-tet.

Durch Herrn Professor MATTERN und Herrn Pro-fessor KALLIERIS, Institut für Rechtsmedizin derUniversität Heidelberg, wurde der aktuelle Kennt-nisstand zur Biomechanik aufbereitet.

Aufbauend auf Erkenntnissen aus der einschlägi-gen Literatur sowie von an den Fahrzeugen durch-geführten systematischen Analysen wurde ineinem weiteren Schritt ein Beitrag zur Beschrei-bung des Status quo der passiven Motorradsicher-heit geleistet. Als relevante Elemente und Baugrup-pen des Motorrades sind Lenker, Sitzbank, Fuß-rasten, Tank, Verkleidung, Airbag, Vorderradgabelund Standrohre sowie die Aufsassen-Kopfhöhe be-trachtet worden. Hierbei wurde auch auf vorhande-ne Mängel und mögliche Entwicklungspotenzialeim Hinblick auf die passiven Sicherheit von motori-sierten Zweirädern eingegangen. Bewertet wurdeninsgesamt 91 Motorräder, davon 15 historischeModelle, die in den Jahren 1912 bis 1981 gefertigtworden waren, und 76 aktuelle Fahrzeuge.

Weiterhin gingen die Ergebnisse von insgesamt achtFull-Scale-Crashtests mit Anstößen von Motorrä-dern an der Seite von Personenkraftwagen in dieDarstellung des Status quo der passiven Motorrad-sicherheit ein. Die Ergebnisse von fünf Tests warenbereits früher veröffentlicht worden. Drei Tests wur-den im Rahmen des Forschungsprojektes durchge-führt. Bei zwei dieser Tests kam ein Motorrad im Se-

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Bild 1.1: Projektverlaufsplan

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rienzustand zum Einsatz. Ein Test wurde mit einemMotorrad durchgeführt, für das parallel zum Projektein Motorrad-Airbag entwickelt worden war.

Vor dem Hintergrund der durchgeführten Fahr-zeugbewertungen und Crashtests wurden die Ent-wicklungspotenziale für die passive Sicherheit vonmotorisierten Zweirädern in einem eigenständigenKapitel des Forschungsberichtes dargestellt. Esenthält Beschreibungen von verschiedenen umfas-senden Motorrad-Sicherheitskonzepten und vonKonzepten bzw. Vorschläge für besondere Motor-rad-Sicherheitselemente (Verkleidung, Sitzbank,Airbag, sonstige Komponenten).

Zur Ergänzung des vorhandenen Test-Szenariosnach ISO 13232 wurden im Rahmen des For-schungsprojektes acht Schlittenversuche für dieAnalyse der passiven Sicherheit motorisierterZweiräder durchgeführt. Der dabei verwendeteSchlitten ist zur Darstellung eines rechtwinkligenMotorradanpralles an der Seite eines stehendenPersonenkraftwagens ausgelegt und realisiert wor-den. Als Versuchsträger kam der Rahmen einesTourenmotorrades mit Fußrasten, Sitzbank, Lenker,Tank sowie ergänzenden Anbauteilen zum Einsatz.Auch der parallel zum Projekt entwickelte Motor-rad-Airbag kam hierbei zum Einsatz.

Das im Rahmen des Forschungsprojektes darge-stellte und angewandte Verfahren zur Beurteilungder passiven Sicherheit motorisierter Zweiräderverfolgt einen umfassenden Ansatz. Es enthält dieBewertung von Sicherheitsmerkmalen, die austechnischen Beschreibungen entnommen und amstehenden Fahrzeug ermittelt werden können,sowie die Ergebnisse von dynamischen Crash- undSchlittentests. Wie an konkreten Beispielen gezeigtwurde, ist das Verfahren mit plausiblen Ergebnis-sen anwendbar. Einerseits kann damit der Statusquo der passiven Sicherheit motorisierter Zweirä-der dargestellt, andererseits können Entwicklungs-potenziale von Sicherheitskonzepten und Sicher-heitselementen für motorisierte Zweiräder unter-sucht und beurteilt werden.

2 Das Unfallgeschehen mit motorisierten Zweirädern

2.1 Einteilung der motorisiertenZweiräder

Motorisierte Zweiräder werden in der Bundesrepu-blik Deutschland nach Art der Verkehrsbeteiligung

in der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik wiefolgt definiert:

Kleinkraftrad: Moped oder Mokick mit einem Hub-raum von nicht mehr als 50 cm3 und einer Höchst-geschwindigkeit bis 50 km/h mit Versicherungs-kennzeichen bzw. Kleinkraftrad oder Fahrrad mitHilfsmotor im Sinne der früheren Vorschriften derDDR bis 50 cm3 Hubraum und 60 km/h Höchstge-schwindigkeit.

Mofa 25: Fahrrad mit Hilfsmotor (inklusive „Leicht-mofa”) mit nicht mehr als 50 cm3 Hubraum undeiner Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h mit Ver-sicherungskennzeichen.

Zu den beiden vorstehend beschriebenen Artenmotorisierter Zweiräder werden im Tabellenteil derStraßenverkehrsunfallstatistik die jeweiligen Zahlenin der Rubrik Mofas (im Sinne von Mofa 25) undMopeds (im Sinne von Kleinkraftrad) ausgewiesen.

Leichtkraftrad: Kraftrad/Kraftroller mit über 50 cm3

bis zu 125 cm3 Hubraum und einer Nennleistungvon nicht mehr als 11 kW sowie Kleinkraftrad bis 50 cm3 Hubraum und 40 km/h Höchstgeschwin-digkeit, wenn es vor dem 31.12.1983 zugelassenwurde.

Kraftrad: Motorrad mit über 80 cm3 Hubraum.

Kraftroller: Motorroller mit über 80 cm3 Hubraum.

Zu den drei letztgenannten Arten motorisierterZweiräder weist der Tabellenteil der Straßenver-kehrsunfallstatistik die jeweiligen Zahlen in der Ru-brik Motorrad aus.

Der Tabellenteil der amtlichen Statistik enthältDaten über die Unfälle sowie über die Fahrer undMitfahrer von motorisierten Zweirädern. Im Folgen-den werden die Fahrer und Mitfahrer der motori-sierten Zweiräder auch als Aufsassen bezeichnet.

2.2 Entwicklung von Unfall-, Zulas-sungs- und Fahrleistungszahlen

2.2.1 Motorräder

Der Langzeitüberblick in Bild 2.1 zeigt für die Mo-torräder (Leichtkrafträder, Krafträder und Kraftrol-ler) die Entwicklung der absoluten Häufigkeit dergetöteten und schwer verletzten Fahrer und Mit-fahrer von 1956 bis 2000. Dargestellt sind dabei dieZahlen auf Straßen aller Art zusammen in der Bun-desrepublik Deutschland. Das sind vor der Wieder-vereinigung am 3. Oktober 1990 nur die alten Bun-

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desländer und Berlin (West). Danach gelten dieZahlen für das heutige Bundesgebiet. In Bild 2.2sind die zugehörigen Bestandszahlen dargestellt.

In den 50er Jahren dienten Motorräder als Mas-senverkehrsmittel. Entsprechend hoch waren dieZahlen der zugelassenen Krafträder und Kraftrollersowie ihrer schwer verletzten bzw. getöteten Auf-sassen. Bis Mitte der 60er Jahre nahmen die Zah-len der getöteten und schwer verletzten Motorrad-Aufsassen kontinuierlich ab. Ähnlich, jedoch zeit-versetzt, nahm die Zahl der zugelassenen Krafträ-der und Kraftroller im Bestand bis 1972 ab.

Seit 1973 sind in der amtlichen Statistik die Zahlender Kraftroller und Krafträder getrennt ausgewie-sen, wobei die Leichtkrafträder als neue Klassehinzukamen. Ab diesem Jahr nahmen die Zahlender zugelassenen Motorräder im Bestand wiederzu. Dieser Trend hielt, besonders bei den Motorrä-dern, bis heute an. Die Leichtkrafträder hatten inder ersten Hälfte der 80er Jahre hohe Zuwachsra-ten. Ihre Bedeutung im Bestand nahm danach wie-der ab, obwohl ihre absolute Anzahl in den 90erJahren erneut steigend ist. Im Jahr 2000 waren inden alten und neuen Bundesländern zusammen2.606.958 Motorräder, 159.919 Motorroller und

570.924 Leichtkrafträder im Bestand zugelassen.Heute ist das Motorrad kein das ganze Jahr übereingesetztes Massenverkehrsmittel mehr. Es wirdalternativ zum Pkw vorwiegend in der wärmerenJahreszeit als Verkehrsmittel und Freizeitgerät ge-nutzt.

In der zweiten Hälfte der 60er Jahre blieben dieZahlen der getöteten und schwer verletzten Motor-rad-Aufsassen nahezu konstant. In den siebzigerJahren mussten bei den Schwer Verletzten inner-orts und außerorts – sowie bei den Getötetenaußerorts insbesondere Anfang der 80er Jahre –wieder deutlichere Zunahmen verzeichnet werden.Neue Höchststände waren in den Jahren 1982/83erreicht: außerhalb von Ortschaften 959 Getötete(1982), innerhalb von Ortschaften 14.420 schwerVerletzte (1983) und außerhalb von Ortschaften8.875 schwer Verletzte (1983). Im Gegensatz dazublieb die Zahl der innerorts getöteten Motorrad-Aufsassen zwischen 1975 und 1983 nahezu kons-tant bei ca. 500.

Neben dem Fahrzeugbestand sind die Fahrleistun-gen als Bezugsgröße zur Bewertung der Zahlenverletzter und getöteter Verkehrsteilnehmer rele-vant. Hierzu stehen die vom Deutschen Institut fürWirtschaftsforschung (DIW), basierend auf demFahrzeugbestand und dem Kraftstoffverbrauch,berechneten Daten zur Verfügung. Bild 2.3 veran-schaulicht die für die Fahrzeugkategorie der Kraft-räder veröffentlichten Gesamtfahrleistungen jeJahr. Empirische Erhebungen zur Fahrleistung vonKraftfahrzeugen fanden in den Jahren 1990 (alteBundesländer) und 1993 (alte und neue Bundes-länder) statt. Dies führte zu einer Modifizierung derErgebnisse der zugrunde liegenden Modellrech-nungen. Um zusammenhängende Ergebnisse zurVerfügung zu stellen, sind die neuen Modellrech-

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Bild 2.1: Jährlich getötete und schwer verletzte Motorrad-Auf-sassen in der Bundesrepublik Deutschland von 1956bis 2000 (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2001)

Bild 2.2: Bestand der zugelassenen Motorräder je Jahr von1956 bis 2000 in der Bundesrepublik Deutschland(Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2001)

Bild 2.3: Jährliche Gesamtfahrleistung von Krafträdern in derBundesrepublik Deutschland (Deutsches Institut fürWirtschaftsforschung, 1997)

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nungen ab der Veröffentlichung im Jahr 1997 auchfür zurückliegende Jahre angewendet worden.

Die Entwicklung der veröffentlichten Bestandszah-len und Fahrleistungen zeigt, dass seit 1997 in denalten und neuen Ländern der BundesrepublikDeutschland wieder mehr Motorräder zugelassensind, als Mitte der 50er Jahre allein in den altenBundesländern zugelassen waren. Entsprechendhaben sich die Fahrleistungen entwickelt. Währendder Rückgang der Fahrleistungen und der Be-standszahlen in den 50er und 60er Jahren miteinem entsprechenden Rückgang der schwer ver-letzten und getöteten Motorrad-Aufsassen einher-ging, waren die späteren Zuwächse im Bestandund bei den Fahrleistungen nicht mit einer paralle-len Zunahme der Zahlen getöteter und verletzterMotorrad-Aufsassen verbunden. Insbesondere inden 90er Jahren blieben die Zahlen der getötetenund schwer verletzten Fahrer und Mitfahrer vonMotorrädern nahezu konstant, während die Be-standszahlen und die Fahrleistungen deutlich an-stiegen. Dies weist in der Gesamtbewertung aufeine Verringerung des Risikos tödlicher und schwe-rer Verletzungen der Motorradaufsassen hin.

2.2.2 Mofas und Mopeds

Die Entwicklung der Zahlen getöteter und schwerverletzter Aufsassen von Mofas und Mopeds in denJahren 1956 bis 2000 zeigt Bild 2.4. Korrespondie-rend damit sind in Bild 2.5 die Zahlen der zugelas-senen Mofas und Mopeds dargestellt. Bild 2.6 ent-hält die vom DIW für die Fahrzeugkategorie der Mo-peds veröffentlichten Gesamtfahrleistungen proJahr.

Im Gegensatz zu den Motorrädern (Bild 2.2) stiegdie Zahl der zugelassenen Mofas, Mopeds undMokicks (Bild 2.5) bis zum Ende der 50er Jahrenoch an. Im Jahr 1960 war ein Höchststand mitinsgesamt 2,2 Millionen Mofas, Mopeds und Mo-kicks erreicht. Bis zum Ende der 60er Jahre sankderen Zahl im Bestand auf rund 1 Million Fahrzeu-ge. Danach waren erneute Anstiege bis zum Jahr1980 gegeben, als mit 2,1 Millionen Mofas, Mo-peds und Mokicks im Bestand ein neuer Höchst-stand erreicht war. Mit ca. 1,4 Millionen bildetenhierunter die Mofas die größte Gruppe. Bis zumJahr 1991 sank die Zahl der Mofas, Mopeds undMokicks insgesamt erneut unter die Grenze von 1 Million. Nach der Wiedervereinigung kamen ausden neuen Bundesländern insbesondere die Mo-kicks und Mopeds hinzu, wohingegen die Zahl derMofas nur geringfügig anstieg.

Wie bei den Motorrädern (Bild 2.1) ähnelt der Ver-lauf der getöteten und schwer verletzten Aufsassenvon Mofas und Mopeds (Bild 2.4) bis Anfang der80er Jahre dem Verlauf der entsprechenden Be-standszahlen. Im Jahr 1960 wurden insgesamt21.515 Aufsassen von Mofas und Mopeds schwerverletzt, davon 6.382 bei Unfällen außerorts und15.133 bei Unfällen innerorts. Im gleichen Jahrstarben insgesamt 1.442 Aufsassen von Mofas undMopeds, davon 687 außerorts und 755 innerorts.Bei den Motorrad-Aufsassen überwogen bis zumJahr 1988 die schwer Verletzten außerorts, danachkamen diese etwa gleich häufig vor wie die Getö-teten außerorts und die schwer Verletzten außer-orts. Im Gegensatz dazu bilden die schwer Verletz-ten innerorts bei den Mofas und Mopeds stets diegrößte Gruppe. Sowohl bei den Motorrad-Aufsas-sen wie bei den Aufsassen von Mofas und Mopedsüberwogen die Zahlen der innerorts schwer ver-letzten Aufsassen besonders Ende der 70er undAnfang der 80er Jahre.

Anders als bei den Motorrädern war bei den Mofasund Mopeds in den 80er Jahren keine Entkoppe-lung der Zahlen schwer verletzter und getöteterAufsassen von den Bestandszahlen und Fahrleis-

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Bild 2.4: Getötete und schwer verletzte Aufsassen von Mofasund Mopeds in der Bundesrepublik Deutschland jeJahr von 1956 bis 2000 (Statistisches Bundesamt,Wiesbaden 2001)

Bild 2.5: Bestand der zugelassenen Mofas und Mopeds je Jahrvon 1956 bis 2000 in der Bundesrepublik Deutschland(Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2001

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tungen gegeben. Damit sind die entsprechendenUnfallrisiken der Aufsassen von Mofas und Mo-peds über die Jahre hinweg etwa gleich geblieben.

Die vorstehend dargestellten und kommentiertenZahlen zeigen, dass bei den motorisierten Zweirä-dern sowohl im Hinblick auf den Bestand als auchhinsichtlich der Anzahl der getöteten und schwerverletzten Aufsassen von motorisierten Zweirädernnach mehreren Arten der motorisierten Zweiräderunterschieden werden muss. Bereits die Einteilungin Klassen entsprechend der Zulassung (Motorrad,Motorroller, Leichtkraftrad) bzw. der Einstufung alszulassungsfreies Fahrzeug mit Versicherungskenn-zeichen (Mofa 25, Moped und Mokick) zeigt dieVielfalt der Arten motorisierter Zweiräder auf. Zu-sätzlich sind zum Beispiel die schweren Motorrä-der entsprechend ihrem Verwendungszweck undanderen Merkmalen weiter unterteilt in Tourer,Sporttourer, Racer, Enduros, Chopper usw. Hinzukommen noch weitere mögliche Einteilungen nachden Fahrerlaubnisklassen, auf die hier nicht nähereingegangen werden soll. Diese Vielfalt muss beider Analyse und Bewertung der Sicherheit von mo-torisierten Zweirädern beachtet werden. Dies giltfür die Beschreibung des Status quo ebenso wiebei der Analyse der zeitlichen Entwicklung von Be-stands-, Fahrleistungs- und Unfallzahlen sowie derZahlen der jeweils verletzten Fahrer und Mitfahrerdieser Fahrzeuge.

2.2.3 Motorroller

In Deutschland ist die Zahl der Neuzulassungenvon Motorrollern in den 90er Jahren stark gestie-gen. Motorroller können zu den Kleinkrafträdern,Leichtkrafträdern oder Kraftrollern gehören. DieBestandsentwicklung der Motorroller mit amtlichen

Kennzeichen (dazu gehören Leichtkraft- und Kraft-roller) ist in Bild 2.7 dargestellt.

Dabei sind die Kleinkraftroller mit 50 cm3 Hubraumund 50 km/h zulässiger Höchstgeschwindigkeit be-sonders beliebt. Diese zählen zu den Kleinkrafträ-dern und werden in der Statistik in dieser Rubrikaufgeführt. Eine Unterscheidung zwischen Klein-krafträdern und Rollern erfolgt hierbei nicht. IhreZulassungszahlen sind deshalb in Bild 2.2 nicht beiden Kraftrollern enthalten. Von den Versicherernsind die separaten Zulassungszahlen der Roller bis50 cm3 und Kleinkrafträder ebenfalls nicht zu er-fahren. Der Industrieverband Motorrad (IVM) hatveröffentlicht, dass von den im Jahr 1996 inDeutschland insgesamt verkauften 186.000 Kraft-rollern 166.000, entsprechend 89 %, in die Katego-rie der Kleinkraftroller mit bis zu 50 cm3 Hubraumgehören (IVM, 1997).

Ebenfalls populär sind die Kraftroller mit 125 cm3

Hubraum (Leichtkraftrad), deren Motorleistungnicht mehr als 11 kW beträgt und deren Höchstge-schwindigkeit 80 km/h nicht übersteigt. Mit einerPkw-Fahrerlaubnis, die vor dem 1. April 1980 aus-gestellt worden ist, dürfen solche motorisiertenZweiräder ebenfalls gefahren werden.

Eine weitere Kategorie entsteht, wenn sich der C1von BMW nach der Einführung im Jahr 2000 aufdem Markt durchsetzt. Dieses Fahrzeug wird in deröffentlichen Vorpräsentation als „alternatives Ver-kehrsmittel für das nächste Jahrtausend” und „inno-vative Synthese aus motorisiertem Zweirad und Au-tomobil” bezeichnet (BMW-Pressetext). Eine weitereBezeichnung als „Urban Personal Commuter” kenn-zeichnet den vorgesehenen Verwendungszweck zurSteigerung der individuellen Mobilität als Zweit- undDrittfahrzeug insbesondere in Ballungsräumen.

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Bild 2.6: Gesamtfahrleistungen von Mopeds in der Bundesre-publik Deutschland (Deutsches Institut für Wirtschafts-forschung, 1997)

Bild 2.7: Bestand an Motorrollern mit amtlichen Kennzeichen inder Bundesrepublik Deutschland (Statistisches Bun-desamt, 2000)

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2.3 Kollisionen der motorisiertenZweiräder

2.3.1 Erkenntnisse aus der amtlichen Verkehrs-unfallstatistik

Die amtliche Straßenverkehrsunfallstatistik weistunter anderem für Unfälle mit Personenschaden (d.h. mit Verletzten oder Getöteten) sowie für Unfällemit Getöteten die Beteiligten aus. Dabei wird unter-schieden zwischen den Alleinunfällen der einzelnenBeteiligten und den Unfällen mit zwei Beteiligten.Letzteres gibt Aufschlüsse über die Unfallgegner.

Für Unfälle mit Getöteten im Jahr 2000 zeigt Bild2.8 die Häufigkeiten der Motorrad-Alleinunfälle undder Gegner von Motorrädern bei Unfällen mit zweiBeteiligten. Die Zahlen gelten jeweils für Unfälle in-nerorts und außerorts in der BundesrepublikDeutschland. Innerorts sind 192, außerorts 644 sol-cher Unfälle registriert worden. Mit 38 % bzw. 43 %Anteil überwiegen dabei stets die Unfälle, beidenen ein Pkw Unfallgegner des Motorrades ist. Anzweiter Stelle folgen die Motorrad-Alleinunfälle miteinem Anteil von 29 % bzw. 34 %. 19 % bzw. 15 %Anteil haben andere Kraftfahrzeuge (Kfz) als Unfall-gegner des Motorrades. Das sind Omnibusse, Lie-fer- und Lastkraftwagen (Lkw), Sattelschlepper,landwirtschaftliche Zugmaschinen, andere Zugma-schinen und Lkw mit Spezialaufbau.

Es kann davon ausgegangen werden, dass ent-sprechend ihren Zulassungszahlen die Liefer- undLastkraftwagen sowie die Sattelschlepper hierbeiam häufigsten sind. Von deutlich geringerer Bedeu-tung als Unfallgegner des Motorrades sind Zweirä-der (Motorräder, Mofas, Mopeds, Fahrräder) undFußgänger sowie sonstige Beteiligte. Das sind an-dere Fahrzeuge (z. B. eine Straßenbahn) oder sonstige Personen (z. B. Führer von Handwagen).

Die entsprechenden Häufigkeiten der Alleinunfällevon Mofas und Mopeds sowie der Gegner vonMofas und Mopeds bei Unfällen mit zwei Beteilig-ten zeigt Bild 2.9. Innerorts wurden 75 und außer-orts 80 zugehörige Unfälle registriert. Auch hierüberwiegen mit Anteilen von 37 % (innerorts) bzw.55 % (außerorts) die Pkw als Unfallgegner. Inner-orts haben die Unfälle mit anderen Kraftfahrzeugen(Liefer- und Lastkraftwagen etc.) als Unfallgegner21 % Anteil, außerorts liegt dieser Anteil ebenfallsbei 21 %. Die Alleinunfälle der Mofas und Mopedshaben innerorts einen Anteil von 23 % und außer-orts einen Anteil von 14 %. Wie bei den Motorrä-dern sind auch bei den Mofas und Mopeds andere

Zweiräder, Fußgänger und sonstige Gegner statis-tisch von untergeordneter Bedeutung.

Im Hinblick auf ein Prüfverfahren für die passive Si-cherheit von motorisierten Zweirädern ergebensich daraus erste Erkenntnisse:

· Bei den Motorrädern wie bei den Mofas undMopeds, d. h. bei allen motorisierten Zweirädern,sind die Personenkraftwagen als Unfallgegnerinnerorts wie außerorts die wichtigste Gruppe.

· Alleinunfälle gehören innerorts wie außerortsebenfalls zu den Unfällen, bei denen die Auf-sassen von motorisierten Zweirädern häufiggetötet werden.

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Bild 2.8: Motorrad-Alleinunfälle und Unfallgegner von Motorrä-dern bei Unfällen mit zwei Beteiligten, jeweils Unfällemit Getöteten in der Bundesrepublik Deutschland imJahr 2000 (Statistisches Bundesamt, 2001)

Bild 2.9: Alleinunfälle von Mofas und Mopeds sowie Unfallgeg-ner von Mofas und Mopeds bei Unfällen mit zwei Be-teiligten, jeweils Unfälle mit Getöteten, in der Bundes-republik Deutschland im Jahr 2000 (Statistisches Bun-desamt, 2001)

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· Liefer- und Lastkraftwagen sind als Unfallgeg-ner getöteter Aufsassen von Motorrädern inner-orts und außerorts und als Unfallgegner vonMofas und Mopeds außerorts statistisch weni-ger bedeutend. Innerorts sind Liefer- und Last-kraftwagen als Unfallgegner von getötetenMofa- und Mopedfahrern statistisch bedeutsa-mer und kommen hierbei etwa gleich häufig vorwie Personenkraftwagen.

2.3.2 Erkenntnisse aus In-Depth-Unfaller-hebungen

Sehr detaillierte Einblicke in das Unfallgeschehender motorisierten Zweiräder und die sich dabei er-eignenden Kollisionen geben aufwändige Einzel-fallerhebungen, so genannte In-Depth-Studies. DieDEKRA-Unfallforschung nutzt bei ihren derartigenErhebungen die Infrastruktur der bundesweit täti-gen Sachverständigenorganisation DEKRA. Eswerden dabei unfallanalytische Gutachten unterBeachtung des Datenschutzes für die Zwecke derErforschung des realen Unfallgeschehens als retro-spektive Datenquelle genutzt. Soweit erforderlich,führen die DEKRA-Gutachter auch prospektive Er-hebungen zu Fahrzeug und Umwelt am Unfallortdurch. Weiterhin findet bei entsprechenden inter-disziplinären Studien eine Zusammenarbeit mitMedizinern statt, um mit Zustimmung der betref-fenden Personen detaillierte Informationen über dieVerletzungen der Unfallbeteiligten zu erhalten.

Allein auf retrospektiver Basis ist seit 1993 eine be-sondere Motorrad-Unfalldatenbank aufgebautworden (von BRÜHL, 1994). Sie umfasst derzeit493 Unfälle, an denen insgesamt 500 motorisierteZweiräder mit 568 Aufsassen beteiligt waren. Siewird ständig aktualisiert. Die Unfälle ereignetensich im Zeitraum 1989 bis 2000.

Die Ortslage dieser Unfälle ist im Vergleich zurOrtslage der 58.185 Unfälle mit motorisiertenZweirädern, wie sie die amtliche Statistik für dasJahr 2000 ausweist, in Bild 2.10 dargestellt. In deramtlichen Statistik dominieren mit 68 % die in-nerörtlichen Unfälle. Im Gegensatz dazu enthält dieMotorrad-Unfalldatenbank von DEKRA mit 56 %vorwiegend außerörtliche Unfälle.

Ergänzend ist in Bild 2.11 ein Vergleich der Verlet-zungsschwere der Aufsassen bei den Unfällen inder DEKRA-Datenbank und bei den Unfällen in deramtlichen Statistik dargestellt. Unterteilt sind dabeidie Unfälle jeweils nach der Ortslage. Im DEKRA-Material sind innerorts wie außerorts die Unfälle mitgetöteten Aufsassen häufiger als bei den in deramtlichen Statistik registrierten Unfällen. Entspre-chend sind bei den in der amtlichen Statistik aus-gewiesenen Unfällen innerorts und außerorts dieAufsassen häufiger leicht verletzt. Insgesamt über-wiegen im DEKRA-Untersuchungsgut die schwe-ren Unfälle mit einem relativ großen Anteil außer-orts.

Von den 493 in der DEKRA-Datenbank erfasstenZweirädern konnten 481 eindeutig den in Bild 2.12dargestellten Arten von motorisierten Zweirädernzugeordnet werden. Dabei kommen unter denKrafträdern die Sportmotorräder am häufigsten vor,

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Bild 2.10: Ortslage von Unfällen mit Beteiligung motorisierterZweiräder in der Motorradunfalldatenbank derDEKRA-Unfallforschung (Unfalljahre 1989 bis 2000)im Vergleich zur Ortslage von Motorrad-Unfällen inder Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 (Stati-stisches Bundesamt Wiesbaden, 2001)

Bild 2.11: Schwere der Unfälle unterteilt nach der Ortslage vonin der DEKRA-Datenbank registrierten Unfällen imVergleich zu den in der amtlichen Statistik des Jahres2000 für das gesamte Bundesgebiet ausgewiesenenUnfälle mit motorisierten Zweiradfahrern

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am zweit- und dritthäufigsten die Tourer und dieSporttourer. Danach folgen die Enduros und dieChopper. Bei den erfassten Rollern überwiegen dieleichten Fahrzeuge mit weniger als 80 cm3 Hub-raum. Mofas kommen im DEKRA-Untersuchungs-gut selten vor.

Bild 2.13 zeigt die relativen Häufigkeiten der Stra-ßenklassen, auf denen die in der DEKRA-Daten-bank registrierten motorisierten Zweiräder verun-fallten. Die Krafträder verunglückten am häufigstenauf Landesstraßen, die Kraftroller auf Ortsstraßen.

In Bild 2.14 sind die Verteilungen der Unfalltypender Krafträder (n = 430) und Roller (n = 60) aus derDEKRA-Datenbank im Vergleich zu den Unfalltypenaller Verkehrsteilnehmer bei Unfällen im Jahr 2000(n = 382.949), wie sie die amtliche Statistik aus-weist, dargestellt. Gemäß der amtlichen Definitionbeschreibt der Unfalltyp die Konfliktsituation, diezum Unfall führte, d. h. die Phase des Verkehrsge-schehens, in der ein Fehlverhalten oder eine sons-tige Ursache den weiteren Ablauf nicht mehr kon-trollierbar machte. Bei den Krafträdern und Rollernin der DEKRA-Datenbank sind die Unfalltypen Ab-biegen und Einbiegen/Kreuzen häufiger als beiallen Verkehrsteilnehmern in der amtlichen Statis-tik. Fahrunfälle, Überschreiten-Unfälle und Unfälleim Längsverkehr sind dagegen bei den motorisier-ten Zweirädern in der DEKRA-Datenbank wenigerhäufig als bei allen Verkehrsteilnehmern in der amt-lichen Statistik. Addiert man in Bild 2.14 die Antei-le der Abbiegen/Kreuzen-Unfälle und der Abbie-geunfälle, ergibt das bei den Krafträdern 57 % undbei den Kraftrollern 55 %.

Bild 2.15 zeigt die Verteilung der Hauptunfallursa-chen der Unfallgegner der motorisierten Zweirad-fahrer, wie sie in der DEKRA-Datenbank enthaltensind. Auch hieran wird deutlich, dass ein großerAnteil der Kollisionen der Motorrad- und Rollerfah-rer im kreuzenden oder abbiegenden Verkehr statt-findet.

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Bild 2.12: Arten der in der DEKRA-Datenbank registrierten mo-torisierten Zweiräder

Bild 2.13: Unfälle mit motorisierten Zweirädern nach Straßen-klassen (DEKRA-Datenbank)

Bild 2.14: Unfalltypen der Krafträder und Roller aus DEKRA-Da-tenbank und aller Verkehrsteilnehmer aus amtlicherStatistik des Jahres 2000

Bild 2.15: Hauptunfallursachen der Unfallgegner (DEKRA-Da-tenbank)

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Über den Bewegungszustand der motorisiertenZweiräder unmittelbar vor der Kollision gibt Bild2.16 Aufschluss. Demnach kollidieren die meistenFahrzeuge in aufrechter Bewegung (67 % derKrafträder und 75 % der Roller). Etwa 24 % derKrafträder und 16 % der Roller kommen auf derSeite rutschend, etwa 8 % der Krafträder inSchräglage zur Kollision.

Wie in Bild 2.17 gezeigt, unterscheiden sich diemittleren Kollisionsgeschwindigkeiten der einzel-nen Arten motorisierter Zweiräder. Wie allgemeinzu erwarten, liegt die mittlere Kollisionsgeschwin-digkeit bei den Unfällen mit getöteten Aufsassenstets über der mittleren Kollisionsgeschwindigkeitbei den Unfällen mit schwer verletzten Aufsassen.Ebenso liegt bei fast allen Arten der motorisiertenZweiräder die mittlere Kollisionsgeschwindigkeitder Unfälle mit leicht verletzten Aufsassen unterder mittleren Kollisionsgeschwindigkeit der Unfällemit schwer verletzten Aufsassen. Für die Unfällemit getöteten Aufsassen sind die mittleren Kolli-sionsgeschwindigkeiten bei den Sportmotorrä-dern, Tourern und Choppern mit Werten um 80km/h am größten.

Bei den Sporttourern betrug die mittlere Kollisions-geschwindigkeit der getöteten Aufsassen 72 km/hund bei den Kraftrollern mit mehr als 80 cm3 Hub-raum 75 km/h. Die Kollisionsgeschwindigkeit beiden Unfällen mit getöteten Enduro-Aufsassen lagim Mittel bei 64 km/h. Mit der mittleren Kollisions-geschwindigkeit von 35 km/h fuhren die getötetenAufsassen der Kraftroller mit weniger als 80 cm3

Hubraum deutlich langsamer.

In Bild 2.18 sind die Aufprallorte der Aufsassen derKrafträder und der Kraftroller am Kollisionsgegnerdargestellt. Meist haben die Aufsassen keinen Kon-takt mit dem Gegner. Wenn die Aufsassen der Krafträder gegen den Gegner prallen, sind am häu-figsten dessen Kotflügel und Motorhaube betrof-fen. Die Aufsassen der Kraftroller prallen am Geg-ner häufig gegen dessen Motorhaube und Glasbe-reich an. Besonders verletzungsträchtige Anprall-kontakte an der Dachkante, im darunter liegendenGlasbereich (Seitenscheibe) sowie dem darüberliegenden Dach kommen bei den Aufsassen derKrafträder in insgesamt 11,3 % und bei den Auf-sassen der Kraftroller in insgesamt 13,3 % derFälle vor. In 13,1 % der Fälle flog ein Kraftrad-Auf-sasse über den Gegner hinweg. Bei den Kraftroller-Aufsassen fand dies in 3,3 % der Fälle statt. Rela-tiv häufig kamen auch die in der Gruppe „sonstigerAnprall“ subsumierten Fälle vor. Dies sind Anprall-kontakte mit anderen Gegenständen, zum BeispielSchutzplanken, Mauern u. Ä.

Die Verteilung der Aufprallzonen am Kopf der Auf-sassen zeigt Bild 2.19. Bei den Motorradfahrern wiebei den Kraftrollerfahrern trifft der Kopf am häufigs-ten seitlich auf, am zweithäufigsten mit dem Stirn-bereich. Am Hinterkopf hatten die wenigsten Auf-

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Bild 2.16: Bewegungszustand motorisierter Zweiräder unmittel-bar vor der Kollision (DEKRA-Datenbank)

Bild 2.17: Mittlere Kollisionsgeschwindigkeit der in der DEKRA-Datenbank registrierten motorisierten Zweiräder

Bild 2.18: Aufprallorte der Aufsassen motorisierter Zweiräderam Kollisionsgegner (DEKRA-Datenbank)

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sassen Kontakt. Bei 12 Kraftradfahrern ist eine„sonstige Kopfaufprallzone“ angegeben. Dies sindzum Beispiel die Schädeldecke oder der Nacken.Bei den Kraftrollerfahrern kam ein solcher Aufprallnicht vor.

Außer an den Unfallgegner können die Aufsassen imUnfallablauf mit dem Kopf auch an andere Gegen-stände prallen. Hierzu zeigt Bild 2.20 die entspre-chende Verteilung. 276 Kradfahrer (64 %) und 47Kraftrollerfahrer (77 %) hatten keinen Kopfanprall ananderen Gegenständen. Kam ein solcher Anprallvor, war das betreffende Objekt häufig eine Schutz-planke, ein Schutzplankenpfosten, eine Mauer oderein Baum. Hiervon sind die Aufsassen der Krafträderhäufiger betroffen als die Aufsassen der Kraftroller,was unter anderem auf die Ortslage der Unfälle unddas Geschwindigkeitsniveau zurückzuführen ist.

Die Definition der Anstoßkonfiguration Motorrad/Pkw kann nach ISO 13232 mit einem dreistelligennumerischen Code erfolgen, Bild 2.21. Dabei kenn-zeichnet die erste Ziffer den Anstoßpunkt am Per-sonenkraftwagen, die zweite Ziffer den Anstoß-punkt am Motorrad und die dritte Ziffer den Winkelzwischen den Längsachsen der Fahrzeuge bei Kol-lisionsbeginn. ISO 13232 definiert auf diese Weiseinsgesamt 25 verschiedene Anstoßkonfigurationen.

Bei Erarbeitung von ISO 13232 Mitte der 90er Jahrewurden bei 500 Motorrad/Pkw-Unfällen, die sich imRaum Hannover und im Raum Los Angeles ereigne-ten, die Häufigkeiten der Anstoßkonstellationenfestgestellt. Bei den in der DEKRA-Datenbank regis-trierten Motorrad/Pkw-Kollisionen konnte in 206Fällen retrospektiv die Codierung der Anstoßkons-tellation nach ISO 13232 nachvollzogen werden.Diese Datenbank wurde 1993 aufgebaut (vonBRÜHL, 1994) und wird seitdem ständig erweitert.Sie umfasst momentan 493 Unfälle, an denen ins-

gesamt 500 motorisierte Zweiräder mit 558 Aufsas-sen beteiligt waren. Diese Unfälle stammen aus denJahren 1989 bis 2000. Die Erhebung der Unfälle er-folgt nicht repräsentativ, sondern wird von schwerenUnfällen, die sich überwiegend außerorts ereignen,dominiert. Die jeweiligen relativen Häufigkeiten zeigtBild 2.22. Die Reihenfolge der einzelnen Anstoßkon-

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Bild 2.19: Kopfaufprallzonen der Zweirad-Aufsassen (DEKRA-Datenbank)

Bild 2.20: Aufprallorte der Aufsassen motorisierter Zweiräder ananderen Gegenständen (DEKRA-Datenbank)

Bild 2.21: Definition von 25 Anstoßkonfigurationen Motorrad/Pkw nach ISO 13232

Bild 2.22: Relative Häufigkeiten der Anstoßkonstellationen mo-torisierter Zweiräder

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figurationen ist dabei nach den in ISO 13232 ange-gebenen zugehörigen Häufigkeiten gewählt.

Am häufigsten kommt nach ISO 13232 mit 13 %Anteil die Anstoßkonstellation 114 (schräger fronta-ler Motorradanstoß gegen die Front des Personen-kraftwagens) vor. Im DEKRA-Untersuchungsgut istdiese Konstellation mit 5 % Anteil auf Platz 8 zu fin-den. Unter den DEKRA-Fällen kommt mit 14 % An-teil die Konstellation 413 (rechtwinkliger frontalerMotorradanstoß an der Seite des Personenkraft-wagens) am häufigsten vor. In den ISO-13232-Daten nimmt diese Konstellation mit 10 % den drit-ten Platz ein. Im DEKRA-Material nimmt die Kons-tellation 115 (gerader frontaler Motorradanstoßgegen die Front des Personenkraftwagens) mit 12 % den zweiten Rangplatz ein. Die Konstellation143 (rechtwinkliger frontaler Anstoß des Motorra-des am vorderen Kotflügel des Personenkraftwa-gens) ist nach ISO 13232 am zweithäufigsten undunter den DEKRA-Fällen mit 5,8 % weniger rele-vant. Mit einer Häufigkeit von 7 % enthält die Fall-sammlung von DEKRA die Konstellation 414(schräger frontaler Anstoß des Motorrades an derSeite des Personenkraftwagens), im ISO-13232-Untersuchungsgut belegt diese Konstellation mit6,4 % Häufigkeit den Rangplatz 5.

Einerseits besteht hier noch Bedarf an weiteren Er-hebungen, um die nach statistischen Gesichts-punkten besonders wichtigen Anprallkonstellatio-nen weiter abzusichern. Andererseits ist bereitsbeim derzeitigen Stand der Erkenntnisse erneut dieVielfalt des Kollisionsgeschehens der Motorrädererkennbar. Im Hinblick auf Crashtests zur Analyseder passiven Sicherheit von motorisierten Zweirä-dern muss diese Vielfalt hinreichend beachtet wer-den.

Nach der Kollision können die Aufsassen der moto-risierten Zweiräder auf verschiedene Weise in dieUnfallendlage gelangen. Bild 2.23 gibt dazu einigeHinweise aus den in der DEKRA-Datenbank regis-trierten Fällen. Am häufigsten stoßen sowohl dieAufsassen der Motorräder als auch die Aufsassender Roller unmittelbar gegen den Unfallgegner.Zweithäufigster Bewegungsablauf ist für den Auf-sassen des Motorrades und des Rollers das Rut-schen auf der Fahrbahn. Der dritthäufigste Bewe-gungsablauf der Motorrad- und Roller-Aufsassenist der mehr oder weniger freie Flug in die Endlage.Die Kraftrad-Aufsassen prallten am vierthäufigstengegen ein Hindernis (in der Regel am Fahrbahn-rand), dies traf für die Roller-Aufsassen ebenso zu.Ebenfalls selten war das Überrollen der Aufsassenvon Krafträdern und Rollern durch den Gegner. Mankann erkennen, dass sich die Bewegungsarten derAufsassen von Krafträdern und Rollern nur wenigunterscheiden.

2.4 Verletzungen der Aufsassen

2.4.1 Erkenntnisse aus der amtlichen Verkehrs-unfallstatistik

Weitere Analysen der in der amtlichen Statistik ent-haltenen Zahlen ermöglichen die Raten der leichtVerletzten, schwer Verletzten und Getöteten, je-weils berechnet als Quotient bezogen auf die Ver-unglückten eines Jahres in der entsprechendenOrtslage. Sie entsprechen dem Risiko eines unfall-beteiligten Zweirad-Aufsassen, entweder getötet,schwer verletzt oder leicht verletzt zu werden. Diehistorische Entwicklung dieser Risiken zeigen Bild2.24 und Bild 2.25 für verunglückte Motorradfahrerinnerorts und außerorts. Bild 2.26 und Bild 2.27stellen die entsprechenden Zahlen für verunglück-te Mofa- und Mopedfahrer dar.

In den letzten Jahren ist eine Tendenz hin zu weni-ger schwer Verletzten und mehr leicht Verletztenbei Motorrad- sowie bei Mofa- und Moped-Aufsas-sen zu verzeichnen. Außerdem ist die Wahrschein-lichkeit, bei einem Unfall getötet zu werden, beiMotorrad- sowie bei Mofa- und Moped-Aufsassenrückläufig. Dies gilt innerorts und außerorts (Tabel-le 2.1).

Generell existiert ein weit höheres Risiko fürschwere und tödliche Verletzungen im außerörtli-chen gegenüber dem innerörtlichen Straßenver-kehr. Die Anzahl der Getöteten ist dabei im au-ßerörtlichen Straßenverkehr im Jahr 2000 bei den

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Bild 2.23: In der DEKRA-Datenbank registrierte Bewegungender Aufsassen motorisierter Zweiräder unmittelbarnach der Kollision

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Motorradaufsassen mit 8 Getöteten zu 47 Getöte-ten pro 1.000 Verunglückten im innerörtlichen Stra-ßenverkehr sechsmal so hoch. Als Grund für dashöhere Risiko im außerörtlichen Straßenverkehrsind die höheren Kollisionsgeschwindigkeiten zusehen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall imaußerörtlichen Straßenverkehr mit leichten Verlet-zungen zu überstehen, ist für Mofa- und Moped-Aufsassen mit 612 leicht Verletzten pro 1.000 Ver-unglückten größer als bei den Motorradaufsassenmit 516 leicht Verletzten pro 1.000 Verunglückten.

2.4.2 Erkenntnisse aus In-Depth-Unfallerhe-bungen

Wertet man die derzeit in der DEKRA-Motorradun-falldatenbank registrierten Verletzungsschweregra-de der beteiligten Aufsassen getrennt nach deneinzelnen Arten der motorisierten Zweiräder aus,ergeben sich die in Bild 2.28 dargestellten Anteile.Hierbei ist der Anteil der Getöteten auf den Tourern,Enduros und Choppern am geringsten und bei denSport-Motorrädern und Sport-Tourern und Motor-rollern mit mehr als 80 cm3 Hubraum am größten.

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Bild 2.24: Bei Straßenverkehrsunfällen innerorts verletzte odergetötete Motorrad-Aufsassen pro 1.000 innerortsverunglückter Aufsassen je Jahr (Statistisches Bun-desamt, 2001)

Bild 2.25: Bei Straßenverkehrsunfällen außerorts verletzte odergetötete Motorrad-Aufsassen pro 1.000 außerortsverunglückter Aufsassen je Jahr (Statistisches Bun-desamt, 2001)

Bild 2.26: Bei Straßenverkehrsunfällen innerorts verletzte odergetötete Mofa- und Moped-Aufsassen pro 1.000 in-nerorts verunglückter Aufsassen je Jahr (Statisti-sches Bundesamt, 2001)

Bild 2.27: Bei Straßenverkehrsunfällen außerorts verletzte odergetötete Mofa- und Moped-Aufsassen pro 1.000außerorts verunglückter Aufsassen je Jahr (Statisti-sches Bundesamt, 2001

Tab. 2.1: Vergleich verletzter oder getöteter Mofa-/Moped- oder Motorradaufsassen zwischen 1980 und 2000 pro 1.000 verun-glückter Aufsassen (Statistisches Bundesamt, 2001)

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Dies kann mit der Aufsassen-Kopfhöhe zusam-menhängen. Damit gibt es auch aus dem realenUnfallgeschehen erste Hinweise darauf, dass aufden Enduros und Tourern das Risiko, getötet zuwerden, relativ gering ist. Hierbei spielen auch dieKollisionsgeschwindigkeiten und besondere Um-stände bei der Kollision eine Rolle.

In der DEKRA-Motorradunfalldatenbank sind von271 unfallbeteiligten Aufsassen von Krafträdernund 34 unfallbeteiligten Aufsassen von Rollern In-formationen über die Ursachen von deren Verlet-zungen enthalten, Bild 2.29. Demnach verletztensich die meisten Aufsassen beim Anprall am Un-fallgegner. Bei den Motorrädern konnten vereinzeltder Tank und die Fußrasten als verletzungsverursa-chende Teile identifiziert werden. Die Handgriffeder Lenker verursachten sowohl bei Motorradfah-rern als auch bei Rollerfahrern vereinzelt Verletzun-gen. Die Verkleidung war in keinem Fall als Ursachevon Verletzungen zu identifizieren. Häufiger wurdensowohl die Kraftrad-Aufsassen als auch die Roller-Aufsassen durch die Straßenoberfläche verletzt.Ebenfalls häufig kamen Verletzungen durch sonsti-ge Gegenstände wie Schutzplanken, deren Pfos-ten, Bürgersteige, Mauern, Straßenschilder oderBäume vor.

Über die in der DEKRA-Datenbank registriertenverletzten Körperteile der Aufsassen gibt Bild 2.30Aufschluss. Am gefährdetsten ist hierbei der Kopf.Er wird trotz Schutzhelm am häufigsten bei denAufsassen der Motorräder und bei den Aufsassender Roller verletzt. Bei den Roller-Aufsassen wur-den häufig die Knie verletzt, gefolgt von den Ober-und Unterschenkeln. Weiterhin wurden die Roller-Aufsassen am Nacken, an Fuß und Fußgelenk, amAbdomen, am Rücken, an Unterkörper und Hüfte,Brust, im Gesicht, an Ellenbogen sowie am Unter-arm verletzt. Verletzungen von Schulter und Ober-arm kamen bei den Roller-Aufsassen nicht vor.

Bedeutsam für die Aufsassen der Krafträder sindVerletzungen am Knie, an Hand und Handgelenk,an der Brust, am Hals, am Unterschenkel, an Fußund Fußgelenk, am Unterkörper und an der Hüfte,an der Schulter sowie am Oberschenkel. Immerhinzehn Motorrad-Aufsassen überstanden den Unfall,ohne dass Verletzungen angegeben wurden.

Die Zusammenhänge zwischen der mechanischenEinwirkung auf den menschlichen Körper undderen Folge werden nach der Schwere der Verlet-zung bewertet. International hat sich die Abbrevia-ted Injury Scale (AIS) sowohl in der Realunfallfor-schung als auch in der experimentellen Biomecha-nik durchgesetzt. Erstmals 1971 publiziert(JAMA,1971), wurde sie in der Zwischenzeit fünf-mal (AIS 1976, AIS 1980, AIS 1985, AIS 1990, AIS1998) von der AAAM (Association for the Advance-ment of Automotive Medicine) aktualisiert. Die AIS-Codierung klassifiziert Verletzungen in einer Skalavon eins bis sechs mit zunehmender Schwere.

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Bild 2.28: Anteile getöteter, schwer, leicht und unverletzter Auf-sassen auf den verschiedenen Arten motorisierterZweiräder, die in der DEKRA-Unfalldatenbank regis-triert sind

Bild 2.29: Verletzungsursachen der Aufsassen von motorisier-ten Zweirädern (DEKRA-Datenbank)

Bild 2.30: Verletzte Körperteile der Aufsassen von motorisiertenZweirädern (DEKRA-Datenbank)

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AIS-Code Beschreibung

0 keine Verletzungen

1 leicht, gering (minor)

2 mäßig (moderate)

3 ernsthaft, nicht lebensgefährlich (se-rious)

4 schwer, lebensgefährlich, Überlebenwahrscheinlich (severe)

5 kritisch, Überleben unsicher (critical)

6 maximal, tödlich, keine Behandlungmöglich (maximum)

Sie orientiert sich an den anatomischen Verlet-zungsbefunden, wobei die von einer Einzelverlet-zung ausgehende Lebensbedrohung das wichtigs-te Beurteilungskriterium darstellt. Anhand einesnach neun Körperregionen (Kopf, Gesicht, Hals,Thorax, Abdomen und Beckeninhalt, Wirbelsäule,obere Extremitäten, untere Extremitäten, äußerli-che und andere Verletzungen) unterteilten Verlet-zungskatalogs wird jeder Einzelverletzung ein AIS-Wert zwischen eins und sechs zugeordnet. Dazu isteine detaillierte Beschreibung der Einzelverletzun-gen erforderlich, da die AIS-Skalierung auf den ex-pliziten medizinischen Verletzungsbefunden ba-

siert, Tabelle 2.2. Diese Zuordnung wird wegen desständigen Fortschritts in der Medizin alle fünf Jahreüberarbeitet.

Der Zusammenhang zwischen der AIS-Verlet-zungsschwereskalierung und dem Grad der Le-bensbedrohung ist nicht linear. Eine Verletzung derSchwere AIS 2 ist nicht doppelt so lebensbedro-hend wie eine AIS-1-Verletzung. Weiterhin gibt derAIS-Wert lediglich das diagnostizierte Ausmaß derVerletzungen an und berücksichtigt nicht derenlängerfristige Auswirkungen, wie z. B. den Eintrittdes Todes. Auch eine AIS-3-Verletzung kann u. U.tödlich sein (Bild 2.31).

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Tab. 2.2: AIS-Beispiele für verschiedene Körperregionen

Körperregion

AIS Kopf Thorax Abdomen und Wirbelsäule Obere und untere Beckeninhalt Extremitäten

1 Kopfhaut: Schürfung 1 Rippenfraktur Schürfung oder Prellung Akute Überdehnung Zehenfrakturoder Prellung der Bauchdecke

2 Nervenprellung oder 2-3 Rippenfrakturen Milz-, Nieren- oder Einfache Fraktur ohne Einfache Schienbein-,Nervenriss oder Brustbeinfraktur Leberriss oder Prellung Rückenmarksbeteiligung Becken- oder Knie-

scheibenfraktur

3 Kleine Hirnprellung 2-3 Rippenfrakturen Risse 1-3 cm tief in Milz Einfache Quetschungs- Knieverschiebung oder (≤ 15 cm3; ≤ 3 cm im mit Bluterguss in/an oder Nieren (> 50 % der fraktur oder Rücken- UnterschenkelfrakturDurchmesser) der Lunge Oberfläche) marksprellung

4 Komplexe Schädelba- Instabiler Thorax mit Zerreißung des Nerven- Unvollständiges Beckenfraktur mit sisfraktur; Ringfraktur Bluterguss in/an der gewebes (≤ 75 %) Rückenmarkssyndrom l großem hinter dem oder kleiner Bluterguss Lunge und Lungen- des Leberlappens, oder Wirbelfraktur und Bauchfell gelegenem am Gehirn (≤ 30 cm3; prellung multiple Zerreißungen und Lageveränderung Bluterguss, Blutverlust Durchmesser ≤ 4 cm) der Leber, Tiefe > 3 cm der Wirbel ≤ 20 %

5 Ausgebreitete Verletzung Teilabtrennung der Zerreißung des Nerven- Rückenmarkzerreißung Beckenfraktur mitder Nervenfortsätze; Aorta gewebes (> 75 %) des ab dem vierten Halswir- großem hinter demgroßer Bluterguss Leberlappens bel oder tiefer mit Frak- Bauchfell gelegenem(> 30 cm3; > 4 cm im tur und Lageverände Bluterguss, BlutverlustDurchmesser) rung der Wirbel > 20 %

6 Hirnstammabtrennung; Multiple Zerreißung Leberzerteilung RückenmarkzerreißungHirnstammzer- des Herzens; Aus- ab dem dritten Hals-trümmerung reißung des Herzens wirbel oder höher mit - – - – - – - – - -

Fraktur und Lageverän-derung der Wirbel

(1) Bewertung nach Abbreviated Injury Scale Update 98

Bild 2.3.1: AIS-Wert und Grad der Lebensbedrohung [APP94]

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Zu den Verletzungsangaben in der DEKRA-Motor-radunfalldatenbank liegen vorwiegend keine exak-ten Einstufungen nach der Schwere (AIS-Scala)vor. Hierzu sind weiter detaillierte Auswertungenaus den Erhebungen am Unfallort im Großraum

Hannover verfügbar, die im Auftrag der Bundesan-stalt für Straßenwesen durchgeführt werden, Bild2.32 (OTTE, 1998). Hier zeigt sich, dass auch beiden schweren Verletzungen (AIS 3+) und bei dentödlichen Verletzungen der Kopf in 80 % bzw. 72,7 % der Fälle am häufigsten betroffen ist. Eben-falls häufig sind der Thorax, die Extremitäten, dieHalswirbelsäule, das Abdomen sowie das Beckenschwer bzw. tödlich verletzt.

In einer zusammenfassenden Auswertung von ins-gesamt 922 Motorrad/Pkw-Unfällen hat OTTE(1998) sieben Kollisionstypen definiert und die Ver-letzungen der beteiligten Motorradfahrer zugeord-net, Bild 2.33. Die Betrachtung der Verletzungenmit den Schweregraden AIS 2+ zeigt, dass derKopf des Motorradfahrers mit 11,2 % am häufig-sten bei Kollisionstyp 3 verletzt wird. Hierbei stößtdas Motorrad rechtwinklig gegen die Seite des Per-sonenkraftwagens im Bereich von dessen Fahr-gastzelle. Das entspricht der Anstoßkonfiguration413 nach ISO 13232 (vergleiche Bild 2.21). Nahezugleich häufig erleidet der Kopf des Motorradfahrersmit 10,7 % eine Verletzung der Schwere AIS 2+ beiKollisionen mit Objekten (Typ 7).

Wird lediglich die Häufigkeit der vorkommendenKollisionstypen bei allen Verletzungsschweregra-den einschließlich der unverletzten Motorradfahrerbetrachtet, ist der Kollisionstyp 3 mit 5,2 % erst ansechster Stelle der Rangreihe zu finden. Hierbei istmit 36,1 % der Typ 7 (Kollision mit Objekt) am häu-figsten. An zweiter Stelle dieser Rangreihe folgt Typ4 (22,1 %). Hierbei stößt das Motorrad seitlichgegen den Personenkraftwagen im Bereich dervorderen oder hinteren Kotflügel. Auf Platz 3 folgtTyp 2 mit 13,3 %. Dabei stößt das Motorrad frontalgegen die Front des Personenkraftwagens. Hierbeisind die Verletzungen der Beine des Motorradfah-rers mit Schweregrad AIS 2+ am häufigsten (25,8 %).

Im Hinblick auf ein Prüfverfahren für die passive Si-cherheit motorisierter Zweiräder zeigt sich dieKomplexität des Themas. Ausgehend davon, dassder Kopf des Motorradfahrers bei Unfällen mitschwersten und tödlichen Verletzungen besondersexponiert ist, hat die Anstoßkonstellation 413 nachISO 13232 bzw. der Kollisionstyp 3 nach OTTE einebesondere Bedeutung. Bei einer Beschränkung al-lein auf diesen Typ, zum Beispiel für die Durch-führung von Crashversuchen, würden jedoch wei-tere Anstoßkonstellationen, die häufig mit schwe-ren Verletzungen der unteren Extremitäten einher-

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Bild 2.32: Häufigkeiten der schwer verletzten (AIS 3+) Körper-teile von 30 Motorradfahrern (links) und der verletz-ten Körperregionen von 11 getöteten Motorradfah-rern (rechts) nach OTTE (1998)

Bild 2.33: Verteilung der Kollisionstypen von Motorrädern(OTTE, 1998)

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gehen, unberücksichtigt bleiben. Ein einfachesPrüfverfahren, mit dem ohne Veränderung alle rele-vanten Kriterien geprüft werden können, ist des-halb nicht realisierbar. Vielmehr muss das Prüfver-fahren ein Grundgerüst bieten, das an jeden zuprüfenden Unfalltyp angepasst werden kann.

3 Biomechanik des Motorradun-falles

Zur Analyse des aktuellen Kenntnisstandes im Hin-blick auf die Biomechanik bei Motorradunfällenstanden die SAE-Datei mit den Proceedings derStapp-Car Crash Conferences und der SAE-Son-derband „Pedestrians and Motorcycles in Automo-tive Collisions, PT-35” zur Verfügung. Aus der ge-sichteten Literatur konnte festgestellt werden, dassMotorradunfallsimulationen mit instrumentiertenLeichen zum Studium der besonderen Verletzungs-mechanismen und Verletzungsgrenzen nicht exis-tieren. Die Leichenversuche, die ZELLNER, 1994unternahm (siehe Kapitel 5.2.3), dienten aus-schließlich der Untersuchung von Out-of-Position-Situationen bei der Zündung eines Motorradairbags.Es handelte sich hier um Standversuche, bei denendie Leichen nicht instrumentiert waren. Deswegenkonnten hier keine Erkenntnisse bezüglich der Bio-mechanik bei Motorradunfällen gewonnen werden.

Simulationen von Motorradunfällen erfolgen mitDummies, deren menschenähnliches Verhaltenunter den besonderen Bedingungen in Frage ge-stellt wird. Eine Korrelation zwischen Belastungund Verletzung des Motorradfahrers muss deshalbunter Zuhilfenahme allgemeiner biomechanischerKenntnisse erfolgen, indem die verfügbare Literaturnach Angaben zur mechanischen Einwirkung undden daraus resultierenden Verletzungen der beiden Aufsassen von motorisierten Zweirädern rele-vanten Körperregionen ausgewertet wird.

3.1 Kopf

3.1.1 Fallversuche

GOT et al. (1978) berichten über 42 Fallversuchemit Kopfanprall auf einer steifen bzw. profiliertenund gepolsterten Fläche mit und ohne Helmbenut-zung. Der Kopf traf frontal, mit dem Scheitelschlä-fenbereich und mit dem Gesicht bei Fallhöhen von1,83 m, 2,50 m und 3 m und unter verschiedenenWinkeln auf. Bild 3.1 zeigt das Auftreffprinzip. Zum

Einsatz kamen frische menschliche Leichen, beidenen der Blutkreislauf in den Gehirngefäßen si-muliert wurde. Der Kopf war mit Beschleunigungs-aufnehmern in der Peripherie (rechts, links parietal)instrumentiert, eine Berechnung der Beschleuni-gung im Kopfschwerpunkt war möglich. Zusätzlichwurden die Anprallkräfte gemessen.

Bei Frontalbelastungen, Anprall mit Helm auf starreFläche bzw. ohne Helm auf gepolsterte Fläche kames bei 7 der 13 Untersuchungen zu knöchernenund ligamentären Verletzungen im HWS-Bereich,wenn die Kopfrückwärtsbeugung größer als 65°wurde. Bei der lateralen Kopfbelastung von 22 Ob-jekten wurden die oben genannten Verletzungennur in 2 Fällen beobachtet, wenn die Seitwärtsnei-gung des Kopfes 55° bis 89° betragen hat. Ineinem Test entstand eine Rückenmarksverletzung.

In den Fällen, bei denen ein Helm getragen wurde,kam es außer in wenigen Fällen mit dünnem Schä-del in der Regel nicht zu Schädelfrakturen. HarteAnpralle führten immer zu Schädelfrakturen. Beidiesen Versuchen wurden häufiger Hirnstammver-letzungen als Hirnrindenkontusionen beobachtet.Hirnstammverletzungen überwiegen im Bereich

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Bild 3.1: Prinzip der Falleinrichtung für Kopfbelastung (GOT etal., 1978)

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der Höcker und des Isthmus. Bei Stirnanprallen,bei denen ein Helm eingesetzt wurde, oder bei Auf-prallen gegen die gepolsterte Fläche lagen dieKopfbeschleunigungsmaxima bei 3 m Fallhöhezwischen 125 g und 500 g, die HIC-Werte zwi-schen 900 und 2.500; die Hirnbefunde waren nur ineinem Teil der Fälle als Verletzungen interpretierbar.Beim seitlichen Kopfanprall mit Helm bzw. mit Polsterung wurden niedrigere Beschleunigungs-maxima gemessen. Diese liegen zwischen 150 gund 260 g mit HIC-Werten von 900 bis 2.300. Dieentsprechenden Werte beim Gesichtsanprall betra-gen zwischen 120 g und 180 g, die HIC-Werte zwi-schen 540 und 1.480.

Zusammenhänge zwischen HIC-Werten und Verlet-zungsschwere (AIS) bei Seiten- und Frontal-Kopf-anprallen zeigen die Bilder 3.2 und 3.3. Beim Kopf-anprall seitlich (Bild 3.2) wurden schwere Kopfver-letzungen (AIS größer oder gleich 3) ab HIC-Wertenknapp unter 1.500 beobachtet. Beim Auftreffen mitStirn oder Gesicht kam es schon bei HIC-Werten ab650 zu Verletzungen bei AIS größer oder gleich 3.

Die gemessenen Anprallkräfte variieren zwischen300 und 1.690 daN. Diese hängen von der Fallhöhe,der Kopfauftreffneigung und der Auftrefffläche ab.

Tabelle 3.2 zeigt eine Auflistung der mechanischenEinwirkung und der Verletzungen von 37 Fallversu-chen mit Helm und Auftreffen auf die gepolsterteFläche.

3.1.2 Impaktorversuche

NAHUM et al. (1976) berichten über zehn Impaktor-Untersuchungen, bei denen der Kopf der Leichefrontal am Stirnbein belastet worden ist. Bei allenUntersuchungen wurde der Blutkreislauf des Ge-hirngefäßsystems simuliert. Die Masse des Impak-tors lag bei 5 kg; die Anprallgeschwindigkeit variier-te zwischen 3,6 und 9,6 m/s. Die Anprallfläche warfür jeden Anprall mit Material unterschiedlicher Dich-te und Steifigkeit bedeckt. Es wurden die Impaktor-kraft bzw. die Impaktorbeschleunigung und zweia-xiale Beschleunigungen am Schädel gemessen.

Die Anprallkraft lag zwischen 286 und 1.200 daN,das Maximum der resultierenden Kopfbeschleuni-gung zwischen 43 und 320 g, die HIC-Werte zwi-schen 31 und 1.507. Bei diesen mechanischen Ein-wirkungen kam es zu keinen bis schweren Hirnver-letzungen (AIS 3).

Eine Auflistung der mechanischen Einwirkung undder beobachteten Verletzungen für jeden Versuchzeigen die Tabellen 3.1 und 3.3.

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Bild 3.2: Zusammenhang von HIC und AIS (Kopfseitenanprall)

Bild 3.3: Zusammenhang von HIC und (Kopfseitenanprall)AIS (Stirnanprall und Gesichtsanprall)

Tab. 3.1: Mechanische Einwirkung und Verletzungsschwerebei zehn Kopfanprallen (NAHUM et al., 1976)

Test- Anprallgeschw. max. Anprall- max. res. Kopf- HIC AISNr. (m/s) kraft (daN) beschleunigung (g)

01 6,3 773 191 627 1

02 7,3 1 197 321 1.507 3

03 9,6 686 213 366 0

04 7,0 877 232 845 0

05 4,6 591 120 251 0

06 3,8 286 43 31 0

07 6,2 871 270 1.316 2

08 3,6 1.041 290 657 3

09 7,2 1.005 173 624 0

10 7,2 1.083 276 1.443 3

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Tab. 3.2: Mechanische Einwirkung und Verletzungen des Kopfes bzw. der Halswirbelsäule bei Fallversuchen (GOT et al., 1987)

Resultierende Beschleunigung [g]

Frontseite R. Seite L. Seite occipital

Test Fallhöhe FallwinkelAnprallstelle max 3 ms max 3.ms max 3 ms max 3 ms HIC Verletzungen AIS

No. [m] [Grad]

01 1,83 32 seitlich li. > 150 > 103 382 152 - - 198 110 1.000 keine 0

02 1,83 36 seitlich li. 165 ≈ 110 211 165 - - 145 140 900 leichte Gehirnverletzungen 2

03 1,83 30 seitlich li. 175 130 230 157 - - - - 1.250 leichte Gehirnverletzungen 0

04 1,83 25 seitlich li. 240 167 260 200 - - - - 2.100 keine 0

05 1,83 26 seitlich li. 210 152 415 200 - - 180 132 500 keine Gehirnverletzungen, Wirbelfraktur C1 3

06 1,83 35 seitlich li. - - - - - - - - >7.000 Schädelfraktur 3

07 2,50 38 seitlich li. 160 145 204 180 - - 132 105 1.200 keine 0

08 2,50 20 seitlich li. 240 172 341 230 - - 222 180 1.750 keine 0

09 2,50 44 seitlich li. 459 136 387 140 - - - - - Hirnstamm und Isthmus Verletz. 4/5

10 2,50 27 seitlich li. 580 ≈ 200 538 157 - - 700 - 5 000 Hirnstamm und Corpus callosum Verletz. 5

11 3,00 38 seitlich li. 216 154 300 150 - - 254 157 1.500 Hirnverletz.: re. Frontallappen, Hirnstamm 4/5

12 3,00 30 seitlich li. 350 172 217 130 - - 285 228 1.640 keine 0

13 3,00 36 seitlich li. 270 172 303 180 - - 258 175 1.600 Gehirn: Verl. der Pons u. der Großh.-Schenkel unten Rindenkontusion frontal 5

14 3,00 36 seitlich li. 251 ≈ 210 233 ≈ 175 - - 172 145 1.350 keine 0

15 1,83 15 frontal - - 128 ≈ 106 145 92 132 ≈ 100 565 Gehirn: zahlreiche Gefäßrupturen des Hirnstammes, Nasenbeinbruch 5

16 2,50 20 frontal - - 150 ≈ 80 96 ≈ 105 145 ≈ 74 540 Gehirn: corpus callosum, Lefort I, II, III-Frakt. 2/3

17 2,50 16 frontal - - 169 135 144 110 188 125 1.185 Schädel: Lefort I, II-Frakturen 3

18 2,50 13 frontal - - 256 150 243 120 232 110 1.480 Schädel: Lefort II-Fraktur 3

19 2,50 0 frontal - - 176 109 221 124 180 150 1.200 Gehirn: leichte Gefäßverl. in der Pons, Lefort I, II, III, Kieferfraktur 3/4

20 300 13 frontal - - 130 110 165 107 193 113 1.500 Gehirn: zahlreiche Gefäßrupturen im Hirn-stamm, Oberkiefer: Fraktur Maxilla und Nase 5

21 300 15 frontal - - 185 125 185 130 325 127 1.150 Gehirn: zahlreiche Gefäßrupturen im Hirn-stamm, Rindenkontusion, Fraktur Kiefer 5

22 2,50 22 seitlich li. 292 140 170 125 - - - - 1.400 Gehirn: leichte Gefäßverletzungen in der Pons 4/5

23 2,50 37 seitlich li. 353 136 352 150 - - - - 1.700 keine 0

24 3,00 2 frontal - - 400 150 - - 367 200 2.200 Hirnstamm: Blutung Haematom 5

25 3,00 0 frontal - - 401 180 - - 361 140 2.000 Halswirbelsäule: Fraktur C6 3

26 3,00 0 frontal - - 170 116 - - 195 147 700 Gehirn: leichtes Haematom in der Pons 3/4

27 3,00 0 frontal - - 256 150 - - 346 170 1.600 Gehirn: leichtes Haematom am Hirnstamm 5

28 3,00 5 frontal - - 265 205 - - 238 160 1.200 keine 0

29 3,00 0 frontal - - 282 110 - - 334 126 1.950 frontale Hirnkontusion, Wirbelfraktur C6 3

30 2,50 29 seitlich li. 153 88 186 120 - - 130 126 1.150 keine 0

31 3,00 10 frontal - - 174 145 - - 158 136 - keine 0

32 3,00 12 frontal - - 405 280 - - 445 350 - keine 0

33 3,00 10 frontal - - 130 118 - - 275 175 1.000 Hirnstamm, Bandscheiben C5/C6 C6/C7 3

34 3,00 11 frontal - - 126 117 - - 167 151 (900) keine 0

35 3,00 18 seitlich li. 216 178 230 175 - - - - (2.000) Gehirn: zahlreiche Haematome in der Pons 5

36 3,00 28 seitlich li. 166 140 200 165 - - 149 130 1.200 Hirnrindenprellungen li. 2/3

37 3,00 35 Seitlich li. 149 129 183 157 - - 116 101 800 Hirnstamm: Blutungen, vorwiegend in der Pons 5

Tab. 3.3: Verletzungen mit Verletzungsschwere bei zehn Kopfanprallen (NAHUM et al., 1976)

Test-Nr. Verletzungen AIS01 Subarachnoidale Blutung an der Spitze des hinteren Poles des linken Occipitallappens. Periventrikuläre Blutung in dem rechten corpus callosum

nahe dem Ventrikel. 102 Ruptur der Verbindungsvene, die in die rechte Seite des oberen sagittalen Sinus führt. Subarachnoidale Blutung über die Konvexität der rechten

Hirnhemisphäre, Blutungen an dem rechten vorderen Balkenknie, dem rechten Putamen, der lateralen rechten frontalen Scheitelrinde und dem vor-deren Teil des rechten Thalamus. Kontusion an der unteren seitlichen Partie der orbitalen Oberfläche des rechten Frontallappens. Riss der Coronaradiata, die sich von dem Frontallappen zu dem hinteren Temporallappen ausdehnt. 3

03 Keine Verletzungen 004 Keine Verletzungen 005 Keine Verletzungen 006 Keine Verletzungen 007 Subpiale Blutung über den rechten und linken Frontallappen unterhalb der Stoßseite. Diffuse subarachnoidale und manche subpiale Blutungen am

Hirnstamm und eine weniger ausgedehnte über den medialen Anteil und der Basis des temporalen Lappens. 208 Diffuse petechiale-subpiale Blutung an der linken Basis des frontalen Lappens. Petechiale Blutung durch den linken Frontallappen in seinem mittle-

ren Teil. Kontusionsflächen im Bereich des linken Nucleus caudatus, Globus pallidus und uncus. Kontusion der weißen Substanz des occipitalen Lappens, von der rechten temporalen zu der parieto-occipitalen Region zunehmend. 3

09 Keine Verletzungen 010 Subpiale Blutung der medialen Spitze des Frontallappens, sich unter die hemisphärische Fissur ausdehnend und ist auf beiden Seiten der medialen

Hemisphäre vorhanden. Subpiale Blutung in den rechten mittleren temporalen Lappen am Übergang der unteren und mittleren Gehirnwindung. Subpiale Blutung über den rechten Occipital-Pol. 3

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Unter gleichen Belastungsbedingungen wurdenweitere acht Frontal-Stöße gegen die Stirn durch-geführt. Die Ergebnisse dienten der Entwicklungeines dreidimensionalen Finite-Elemente-Modellsdes Gehirns (NAHUM et al., 1977). Bei der Ver-suchsserie lag die Impaktormasse zwischen 5,2und 23 kg, die Anprallgeschwindigkeit zwischen4,4 m/s und 13 m/s. Daraus resultierten Anprall-kräfte-Maxima zwischen 520 und 1484 daN. Unterdiesen Eingangsgrößen wurden Maxima der resul-tierenden Kopfbeschleunigung zwischen 152 g und390 g gemessen; die entsprechenden HIC-Wertelagen zwischen 551 und 3.765.

In vier Fällen wurden keine Gehirnverletzungen be-obachtet. In einem Fall kam es zu einer AIS-Verlet-zungsschwere von 1; dies bedeutet „subarachnoi-dale Blutung” von weniger als einer Hälfte der Ge-hirnoberfläche und/oder petechiale „Kontusion” be-grenzt an einen Lappen. Bei drei Untersuchungenwurde eine AIS-Verletzungsschwere von 2 festge-stellt; dies bedeutet, „subarachnoidale Blutung”über das Meiste der Gehirnoberfläche und/oder

„Kontusion” in zwei Lappen und/oder kleine „Kon-tusion” des Hirnstamms, nicht im zentralen Bereich.

Eine Übersicht der Eingangsgrößen und der me-chanischen Einwirkung am Schädel bzw. Verlet-zungsschwere gibt Tabelle 3.4.

STALNAKER et al. (1977) berichten über Kopfstößean 15 Leichen. Bei jeweils fünf Tests ist der Kopf derLeiche frontal, lateral und occipital mit einem pneu-matisch betriebenen Impaktor angestoßen worden.Die Anprallfläche war eine Scheibe mit 15,2 cmDurchmesser, die vorwiegend mit 2,5 cm Polster(Ensolite) bedeckt war. Die Impaktormasse betrug10 kg, die Anprallgeschwindigkeit lag zwischen 5,5und 8,8 m/s. Am Impaktor wurde die Anprallkraft ge-messen, der Kopf war mit 3 x 3 Beschleunigungs-aufnehmern instrumentiert, wobei durch Einsatz voneiner 3-D-Analyse lineare Beschleunigungen undRotationsbeschleunigungen berechnet wurden; da-rüber hinaus wurde der intracranielle Druck gemes-sen. In elf der 15 Untersuchungen wurde eine Blut-drucksimulation der Gehirngefäße vorgenommen,dabei soll diese in vier Fällen gelungen sein, in sie-ben Fällen war die Füllung nicht befriedigend.

Die Maxima der Impaktor-Kräfte lagen zwischen4,3 kN (gepolstert) und 14,6 kN (harter Anprall). Dieentsprechenden Maxima der resultierenden linea-ren Kopf-Beschleunigung betrugen 124 bis 532 g,die der resultierenden Rotationsbeschleunigungzwischen 5.000 und 38.000 rad/s2.

Bei diesen mechanischen Einwirkungen wurdekeine Schädelfraktur hervorgerufen, allerdings fan-den sich in den meisten Fällen oberflächliche Hä-matome durch Risse von intracraniellen Blutge-fäßen, mit Verletzungsschweren im Bereich AIS 2bis AIS 4. Die mechanischen Einwirkungen und Ver-letzungen für jeden Versuch gibt Tabelle 3.5 wieder.In Tabelle 3.6 sind Kurzfassungen der Verletzungenmit der AIS-Verletzungsschwere aufgelistet.

NUSHOLTZ et al. (1984) haben den Kopf von neunLeichen unter Blutdrucksimulation belastet. DieBelastung erfolgte mit einem durch Pressluft be-schleunigten 25 kg oder 65 kg schweren Impaktor.Als Stoßfläche diente eine 15 cm im Durchmessermessende Scheibe, die mit 0,5 bis 0,7 cm dickemPolstermaterial bedeckt war. Der Stoß erfolgtefrontal bei einer Anprallgeschwindigkeit von 2 bis7,5 m/s. Bei einem Teil der Tests wurde der Kopfbis zu viermal belastet. Am Impaktor wurde die An-prallkraft gemessen; am Kopf der Leiche war einNeun-Accelerometer-Paket zur Berechnung der li-

26

Tab. 3.4: Mechanische Einwirkung und Verletzungsschwerebei acht Kopfanprallen (NAHUM et al., 1976)

Test.-Impaktor- Impaktor- Max. max. res.

Nr.masse geschw. Anprallkraft Kopfbeschl. HIC AIS

(kg) (m/s) (daN) (g)

01 5,4 8,8 778 230 923 1

02 5,6 9,9 790 200 444 0

03 5,3 9,6 1.080 242 980 2

04 23,1 12,8 1.484 390 3.765 2

05 5,2 13,0 520 159 703 0

06 5,2 13,0 1.059 223 804 0

07 5,2 4,4 653 152 551 2

08 5,2 8,4 1.084 234 820 0

Tab. 3.5: Mechanische Einwirkung und Verletzungsschwerebei 15 Kopfanprallen (STALNAKER et al., 1977)

Anprall- Anprall- max. res. max. res.Test-geschw. kraft Kopfbeschl. Rotations AISNr.

(m/s) (daN) (g) beschl. (rad/s2)

01 6,0 664 191 9.570 4

02 5,9 770 209 6.650 3

03 6,1 683 162 7.890 3

04 6,3 1.460 515 14.620 2

05 5,5 756 161 8.620 4

06 6,0 482 125 5.000 4

07 7,0 465 179 8.420 0

08 6,2 421 138 6.650 2

09 6,8 959 532 37.550 5

10 7,2 715 262 22.810 5

11 6,6 438 141 5.450 0

12 8,8 536 230 6.500 4

13 6,3 1.300 237 10.240 4

14 8,0 539 208 8.930 0

15 6,4 961 360 13.620 4

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nearen Beschleunigungen und der Rotationsbe-schleunigung fixiert. Am Kopf wurde zusätzlich derepidurale Druck an der stoßfernen Seite gemessen.Insgesamt wurden 18 Tests durchgeführt.

Die Anprallkraft variierte zwischen 84 und 1.020daN. Die lineare resultierende Beschleunigung lagzwischen 25 und 450 g, die resultierende Rotati-

onsbeschleunigung zwischen 840 und 42.000rad/s2. Der an der Gegenstoßseite gemessene epi-durale negative Druck lag zwischen -8 und -62kPa.

Eine Auflistung der mechanischen Einwirkung undder beobachteten Verletzungen für jeden Versuchenthält Tabelle 3.7.

27

Tab. 3.6: Verletzungen mit Verletzungsschwere bei 15 Kopfanprallen (STALNAKER et al., 1977)

Tab. 3.7: Mechanische Einwirkung und Verletzungen bei 18 Kopfanprallen (NUSHOLTZ et al., 1984)

max. res. max. res.Test- Anprall- Anprall- Kopf- Rotations-Nr. geschw. kraft beschl. beschl. Verletzungen AIS

(m/s) (daN) (g) (rad/s2)1 5 910 450 42.000 Subarachn. Haemat., Frontallappen und d. Basis des occ. Lappens 42 5,2 840 144 7.500 Subarachn. Haematom am rechten Frontallappen, Haematom im

53 7 960 190 7.250 zentralen Bereich des linken Frontallappens4 6,4 960 180 7.000

Subarachn. Haematom am rechten Frontallappen und im Parietallappen 55 7,5 1.020 180 8.0006 6,5 900 170 6.000

keine Verletzungen 07 6,5 960 160 7.5008 3,8 960 135 7.500

keine Verletzungen 09 3,5 410 100 7.00010 180 keine Verletzungen 011 4,5 320 56 5.60012 4,5 240 42 3.900 Subarachn. Haematoma am Frontallappen und am rechten Parietallappen 413 4,5 750 158 20.00014 3,8 750 120 16.00015 2,6 260 35 9.000

Subarachn. Haematoma am linken und rechten Frontallappen 4

16 2 800 220 25.000 Schädelfraktur17 3,8 84 25 840

keine Verletzungen 018 5 480 84 3.750

Test-Nr. Verletzungen AIS

01 Subarachnoidalblutung am rechten frontalen temporalen und mittlerem rechten parietalen Lappen 4

02 Contrecoup-Verletzung (rechter Occipital-Lappen) 3

03 Epidurale Blutung in der mittleren sagittalen Ebene, Blutung im mittleren linken parietalen Lappen 3

04 Tiefe Stirnwunde, keine sichtbaren Hirnverletzungen 2

05 Subdurale Blutung im linken frontalen und linken occipitalen Lappen 4

06Subarachnoidale Blutung im linken frontalen Lappen, Blutungen im linken und rechten mittleren parietalen Lappen

4

07 Keine Verletzungen 0

08 Diffuse subarachnoidale Blutung im linken und mittleren rechten parietalen Lappen 2

09Multiple Frakturen des temporalen Knochens im Ohrkanal, Blutung im rechten frontalen Lappen, diffuse subdu-rale Blutung in der linken vorderen Spitze des Temporallappens, Blutung im Kleinhirn

5

10Multiple Frakturen des temporalen Knochens, einfache Fraktur links seitlich des occipitalen Knochens, diffusesubarachnoidale Blutung über das Gesamtgehirn

5

11 Keine Verletzungen 0

12Subarachnoidale Blutung in den rechten und linken hinteren parietalen Lappen, Blutung rechts temporal, parietalund im Kleinhirn

4

13 Blutung in den rechten und linken Frontallappen, diffuse subarachnoidale Blutung über das Gesamtgehirn 4

14 Keine Verletzungen 0

15Einfache Fraktur des occipitalen Knochens, Blutung im rechten frontalen Lappen, diffuse subarachnoidale Blu-tung über der rechten Seite des Gehirnes

4

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3.1.3 Schutzkriterien

Nach der US-Vorschrift US/FMVSS 208 darf beieiner Pkw-Frontalkollision mit 30 mph (48 km/h)gegen eine unnachgiebige Wand die resultierendeBeschleunigung im Schwerpunkt des Dummykopf-es nur so groß werden, dass das HIC den Wert1.000 nicht überschreitet.

Nach der EC-Vorschrift ECE-R 94, Anprall mit 56 km/h gegen eine deformierbare Barriere und 40 % Überdeckung der Fahrzeugfront, darf dasHIC den Wert 1.000 und die Kopfbeschleunigung80 g während mehr als 3 ms nicht überschreiten.

Head Injury Criterion (HIC)

3.2 Halswirbelsäule

Die Halswirbelsäule wird beim Verkehrsunfall indi-rekt durch Kopfanprall, z. B. gegen die Motorhau-be, die Windschutzscheibe oder den A-Pfosten be-lastet. Dabei kann eine Kompressions-, Biege-(Flexion, Extension) oder Torsionsbelastung statt-finden. In der Literatur über Fußgängerunfallsimu-lationen mit Leichen wurden außer in einer eigenenArbeit (KALLIERIS et al., 1991) keine Verletzungender Halswirbelsäule beschrieben. Um traumatome-chanische Daten der HWS zu erhalten, wurde dieDatei der STAPP Car Crash Conference Procee-dings (1966-1996) nach HWS-Verletzungen abge-fragt. Nachfolgend wird über mechanische Einwir-kung auf die Halswirbelsäule und daraus resultie-rende Verletzungen berichtet.

ALEM et al. (1984) haben Axialbelastungen vonKopf und Halswirbelsäule durchgeführt, indem sieden Kopf von 19 Leichen auf dem Scheitelbereichmit einem 10 kg schweren, meist gepolsterten Im-paktor und einer Geschwindigkeit zwischen 7 und11 m/s belasteten. Die auf den Kopf-Scheitel-Be-reich einwirkende Kontaktkraft, die auf die Halswir-belsäule axial übertragen wurde, lag zwischen 3und 17 kN; die HIC-Werte variierten zwischen 61und 1.031, die Maxima der linearen Beschleuni-gung am Kopf zwischen 45 und 160 g und die Ro-tationsbeschleunigung des Kopfes lag ebenfallszwischen 1.150 und 8.100 rad/sec2. Das Beschleu-

nigungsmaximum am ersten thorakalen Wirbel be-trug 12 bis 226 g. In dieser Belastungsserie wurdenin 20 % der Fälle Schädel- und Schädelbasisfrak-turen, in 80 % der Fälle Verletzungen der Halswir-belsäule und der Brustwirbelsäule bis zum drittenthorakalen Wirbel beobachtet. Es handelt sichdabei um einfache bis disloziierte Kompressions-brüche von Wirbelkörpern und Dornfortsätzen, fer-ner um Einrisse von Bandscheiben und diversenBändern.

Zu Verletzungen der Halswirbelsäule kam es abeiner Kontaktkraft von 3 kN, einem HIC-Wert von61, einer linearen Kopfbeschleunigung von 45 gund einer Rotationsbeschleunigung von 1.400 rad/sec2. Die Verletzungsschwere der Halswirbelsäulelag zwischen AIS 2 und AIS 3.

Ähnliche Belastungen führten auch NUSHOLTZ etal. (1983) mit acht Leichen durch, indem sie denKörper mit dem Kopf/Scheitel-Bereich voraus auseiner Höhe zwischen 10 und 150 cm bei unter-schiedlicher Kopfneigung auf eine Platte fallenließen. Die Platte war gepolstert, es wurden Kräfteund Beschleunigungen gemessen. Die Maxima derAnprallkräfte betrugen 0,3 kN und 11 kN. Die Ma-xima der linearen Kopfbeschleunigung lagen zwi-schen 10 und 340 g, die Maxima der Kopfrota-tionsbeschleunigung variierten zwischen 124 und10.000 rad/sec2. Die beobachteten Verletzungenwurden nach folgenden Belastungsarten klassifi-ziert:

1. Extension – Kompression,

2. Flexion – Kompression,

3. Axialbelastung.

Es wurden nur Verletzungen der Halswirbelsäulebeobachtet; sie entstanden ab einer Belastung desScheitelbereiches von 3,2 kN, einem HIC-Wert von210, einer Kopfbeschleunigung von 110 g undeiner Rotationsbeschleunigung von 5.400 rad/sec2.Die Verletzungsschwere der Halswirbelsäule lagzwischen AIS 2 und AIS 3.

Es wurden Bandscheibenrisse, Frakturen von Wir-belkörpern, Dornfortsatzfrakturen, Querfortsatz-frakturen, Zerreißungen des vorderen Längsbandesund der Ligamenta flava festgestellt. Die Verlet-zungsarten unterscheiden sich nicht wesentlichunter den oben genannten Belastungsarten.

PINTAR et al. (1990, 1995) führten ebenfalls An-prallversuche mit einem Fallimpaktor an isoliertenKopf/HWS-Präparaten (Haut und Muskulatur wa-

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ren entfernt) gegen den Scheitelbereich und dieHalswirbelsäule durch, die im unteren Bereich aufeiner mit Sensoren versehenen Platte fixiert waren.Die Aufprallgeschwindigkeit lag zwischen 2,5 bis 8m/s, es wurden insgesamt 27 Belastungen mitKopf-Halswirbelsäulenpräparaten durchgeführt.Die Bruchbelastungen lagen zwischen 0,7 und 6,4kN. Es kam immer zu Frakturen der Wirbelkörper(einfache bis disloziierte) bzw. der Dornfortsätzeund zu Bänderrupturen. Die Verletzungsschwerewurde zwischen leicht (AIS 1) und schwer (AIS 4)eingestuft. Bei einer Belastung von 0,7 kN kam esbereits zu Wirbelkörperfrakturen (AIS 2).

3.2.1 Verletzungsgrenzwerte der Halswirbel-säule

Für Schutzkriterien der Halswirbelsäule beim Ver-kehrsunfall gibt es bisher keine Vorschriften, son-dern nur Empfehlungen. Verletzungsschwellen derHalswirbelsäule wurden von MELVIN (1985) ange-geben (siehe Tabelle 3.8). Die Untersuchungenwurden mit Freiwilligen und Leichen durchgeführt.Bei einem beobachteten Biegemoment von 190Nm in Höhe der Okzipitalkondylen bei der Frontal-flexion werden keine Band-, Bandscheiben- oderKnochenverletzungen an der Halswirbelsäule er-wartet, Muskelverletzungen sind allerdings nichtauszuschließen (MERTZ und PATRICK, 1971). Abeinem Biegemoment von 57 Nm wird bei der Rück-wärtsbeugung ein ligamentärer Schaden erwartet.

3.2.2 Rotationsbeschleunigungen

Neben der linearen wird auch die Rotationsbe-schleunigung als Verletzungskriterium für Gehirnund Halswirbelsäule vorgeschlagen. Die Erkennt-nisse wurden auf Grund von experimentellen Un-tersuchungen mit Tieren, Leichen und Freiwilligengewonnen. Diese Vorschläge sind allerdings nochnicht in einem Grenzwert als Schutzkriterium vor-geschrieben. Tabelle 3.9 gibt eine Zusammenfas-sung der vorgeschlagenen Toleranzgrenzen für dieRotationsgeschwindigkeit und Rotationsbeschleu-nigung bei der Untersuchung verschiedener Test-objekte. Diese Toleranzgrenzen sind sowohl für dasGehirn als auch für die Halswirbelsäule anwendbar.

3.3 Thorax

3.3.1 Beschleunigung

Die mechanische Einwirkung auf das Thoraxskelettlässt sich messtechnisch erfassen. Die Messung,

wie auch die Erzeugung von Organverletzungen, istwegen des fehlenden Blutdruckes bei der Leicheallerdings schwieriger.

Die Installation von Beschleunigungsaufnehmernbei Freiwilligen an der Peripherie sowie bei Leichendirekt am Knochen ist technisch unproblematisch.Über erste Ergebnisse berichtet STAPP (1970).MERTZ und GADD (1971) berichteten über Fallver-suche mit einem Sportler, wobei die Beschleuni-gung am Sternum triaxial gemessen wurde. DerFreiwillige tolerierte eine resultierende Beschleuni-gung von 49,2 g ohne jegliche Beschwerden. DieAutoren kamen zu dem Schluss, dass eine Be-schleunigung von 60 g bei einer Impulsdauer vonweniger als 100 ms nur mit einem geeignetenRückhaltesystem tolerierbar sei. Sie vertraten dieMeinung, dass die Verletzung der Thoraxorganedurch Kompression erfolgt und eine Kompressi-onsgrenze geeigneter wäre als eine Beschleuni-gungsgrenze.

29

Tab. 3.8: Verletzungsschwellen der Halswirbelsäule (MELVIN,1985, MERTZ und PATRICK, 1971)

Kopf – HWS HWS – BWS Übergang Übergang

Biegemoment

Vorwärtsbeugung 190 Nm 380 Nm

Rückwärtsbeugung 57 Nm 114 Nm

Seitwärtsbeugung zwischen zwischen 57 Nm – 190 Nm 114 Nm – 380 Nm

Kraft

Dauer > 45 ms 1,1 kN 1,1 kN

Dauer < 45 ms

Zugkraft 3,3 kN bei 1 ms 3,3 kN bei 1 ms

Kompressionskraft 4,0 kN bei 1 ms 4,0 kN bei 1 ms

Scherkraft 3,1 kN bei 1 ms 3,1 kN bei 1 ms

Tab. 3.9: Vorgeschlagene Toleranzgrenzen von verschiedenenVersuchsobjekten unter Einbeziehung der Rotations-beschleunigung und Rotationsgeschwindigkeit desKopfes (PINCEMAILLE et al., 1989)

Referenz Untersuchungen Vorgeschlagene an Grenzen

OMMAYA, 1967 Affen 7.500 rad/s2

OMMAYA, 1971 Affen 1.800 rad/s2 und 60-70 rad/s

LOEWENHIELM, Leichen, mathe- 4 500 rad/s2 und 1975 matische Modelle 50-70 rad/s

EWING, 1975 Freiwillige 1.700 rad/s2 und32 rad/s

16.000 rad/s2 und

A.P.R., 1988 Freiwillige Boxer25 rad/s

13.600 rad/s2und 48 rad/s

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3.3.2 Deformation

Das Verhalten des Thorax wurde bei der Frontal-kollision am meisten untersucht. Zunächst erfolgtedie Belastung des Thorax von Freiwilligen miteinem Impaktor; diese Untersuchungen stammenaus der Zeit, als die meisten Frontinsassen nichtangegurtet waren. Es wurden Thoraxfrontbelastun-gen mit einer gepolsterten Scheibe von 150 mmDurchmesser und einer Aufprallmasse des Stoß-körpers von 10 kg bei einer Anprallgeschwindigkeit

von 2,4 und 4,6 m/s durchgeführt (PATRICK, 1981).Der Stoßvorgang wurde zeitlich mit einem Hochge-schwindigkeitsfilm dokumentiert. Aus der Stoßkraftund der Analyse des Hochgeschwindigkeitsfilmswurden Kraft- und Deformationsverläufe erstellt,ein Beispiel wird in Bild 3.4 gezeigt. Die Kräftema-xima liegen zwischen 1,15 und 1,70 kN, die Defor-mationsmaxima liegen zwischen 43 mm und 45 mm; dabei entstanden keine Verletzungen.Diese mechanischen Einwirkungen können alsSchmerzgrenzen bezeichnet werden.

Die Toleranzgrenzen von Fahrzeuginsassen enthal-ten auch Verletzungen, die nicht lebensgefährlichsind. Diese Verletzungen dürfen allerdings experi-mentell nicht bei Freiwilligen erzeugt werden, son-dern nur bei Leichen. Mit diesem Ziel haben KRO-ELL et al. (1971, 1974) mit einem gleichartigen Im-paktor wie PATRICK, jedoch unter schwereren Auf-prallbedingungen, den Thorax im sternalen Bereichfrontal belastet. Es wurden Leichen im Altersbe-reich zwischen 46 und 76 Jahren untersucht, dieAufprallgeschwindigkeit betrug 4 bis 13 m/s; dieImpaktormasse variierte zwischen 1,6 und 23 kg.

Bild 3.5 zeigt ein Beispiel von Kraft-Deformations-verläufen bei einer Impaktormasse von 23 kg undverschiedenen Aufprallgeschwindigkeiten. Die amhöchsten gemessenen Kräfte betragen 9 kN, dieam höchsten ermittelten Deformationen betragen110 mm. Die Leichen erfuhren bei diesen Belas-tungsbedingungen einzelne bis multiple Rippen-frakturen mit Organverletzungen.

Aus der großen Zahl der durchgeführten Untersu-chungen und den somit gewonnenen Erkenntnissewurde ein Zusammenhang zwischen Belastungenund Verletzungsschwere (AIS) erstellt, Bild 3.6.

30

Bild 3.4: Kraft-Deformationsverlauf des Thorax in x-Richtungbei Freiwilligen (PATRICK, 1981)

Bild 3.5: Kraft-Deformationsverlauf des Thorax in x-Richtung(Impaktormasse: 23 kg, Anstoßgeschwindigkeit: 4,3bis 10,2 m/s, KROELL et al., 1971, 1974)

Bild 3.6: Korrelation zwischen Thoraxverletzungsschwere undThoraxbelastung (KROELL et al., 1975)

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NEATHERY et al. (1975) haben festgestellt, dassdie Thoraxdeformation eine gute Korrelation mitder Thoraxverletzungsschwere bei der stumpfenfrontalen Belastung zeigt. Die Bestimmung der De-formation erfolgte vom Hochgeschwindigkeitsfilm,wie auch von PATRICK (1981) und KROELL et al.,(1971), (1974) bereits berichtet. Nachteil für eineVorschreibung eines Thoraxdeformations-Kriteri-ums war die Schwierigkeit einer elektronischenMessung bei der Leiche zur Ermittlung einer derar-tigen Größe. Dies war jedoch ab 1989 möglich,nachdem das U.S.-Verkehrsministerium (EPPIN-GER, 1989) ein Messverfahren, das so genannteBrustband, zur Darstellung der Thoraxkontur in derx-y-Ebene bei der Frontalkollision vorstellte, wennder Insasse mit einem 3-Punkt-Gurt oder Airbagbzw. mit der Kombination beider Systeme ge-schützt ist. An diesen Untersuchungen war auchdas Institut für Rechtsmedizin an der UniversitätHeidelberg beteiligt.

In Tabelle 3.10 sind Thoraxbeschleunigungen, De-formationen und VC-Werte (VC = Viscous Criterion)sowie die thorakale Verletzungsschwere nach AISbei 14 mit Dreipunktgurt sowie Airbag geschütztenLeichen nach KALLIERIS et al. (1997) zusammen-gestellt.

3.3.3 Schutzkriterien

Nach der US-Vorschrift FMVSS 208 gelten für denmit Rückhaltesystem geschützten Dummy bei der30-mph-(48 km/h)-Frontalkollision gegen eine un-nachgiebige Barriere die folgenden Schutzkriterien:

a) Die resultierende Beschleunigung im Schwer-punkt des Brustkorbes darf den Wert von 60 gfür eine Dauer von mehr als 3 ms nicht über-schreiten.

b) Die Thoraxdeformation darf den Wert 7,5 cmnicht überschreiten

Die europäische Vorschrift ECE–R 94 schreibt beieiner Frontalkollision folgende Schutzkriterien vor:

· Viscous Criterion (VC) = 1 m/s(d. h., das VC darf für den Thorax den Wert 1,0m/s nicht überschreiten)

Das Maximum des VC wird nach folgender For-mel bestimmt:

VCmax = [V(t) * C(t)] max

mit

V = Thoraxeindrückgeschwindigkeit und

C = Thoraxeindrückung auf Thoraxtiefe normiert (dimensionslos)

· Thoraxeindrückung (C) = 50 mm(d. h. die Thoraxeindrückung darf den Wert 50mm nicht überschreiten)

3.4 Obere Extremitäten

PINTAR et al. (1998) haben 3-Punkt-Biegungsver-suche mit den Unterarmen von 18 männlichen undzwölf weiblichen Testobjekten im Alter von 41 bis89 Jahren (Mittelwert 70 Jahre) durchgeführt. Der

31

Tab. 3.10: Mechanische Einwirkungen und Thorax-Verletzungsschwere bei Frontalkollisionen (KALLIERIS et al., 1997)

Versuch Th1 (g) Th12 (g) Deformation Viscous Verletzungs-Nr. Res. Res. (cm) Criterion (m/s) schwere

max. 3 ms max. 3 ms 4. Rip. 8. Rip. 4. Rip. 8. Rip. TOAIS

1 31 28 50 45 7,5 2,7 - - 0

2 58 35 - - 5,0 5,0 - - 2

3 48 45 - - - 4,0 - - 3

4 40 37 32 30 - 3,8 - 0,14 2

5 35 29 49 47 6,0 4,8 0,46 0,30 2

6 38 36 58 49 - 3.2 - - 0

7 56 51 49 46 2,1 3,8 0,05 0,21 0

8 48 46 52 50 3,5 7,2 0,74 1,48 0

9 34 32 45 42 5,9 7,6 0,26 0,58 2

10 35 32 31 30 5,4 2,4 0,34 0,48 1

11 37 32 30 28 6,8 10,3 0,26 1,1 1

12 30 26 33 30 5,6 7,0 0,20 0,41 2

13 39 36 40 35 6,2 3,0 0,26 0,1 0

14 37 35 42 31 5,9 - 0,35 - 0

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Unterarm war in einem Abstand von 19 cm abge-stützt, die Belastungsgeschwindigkeiten betrugen3,3 und 7,6 m/s; an der belasteten Stelle waren die

Haut und die Muskulatur vorhanden. Es wurden dieAnprallkraft sowie die Abstützkräfte am Ellbogenund Handgelenk gemessen. Tabelle 3.11 zeigt eine

32

Tab. 3.11: Zusammenfassung der biomechanischen Daten des Unterarmes (PINTAR et al., 1998)

Anprallgeschw. Geschlecht

Belastungsparam. 3,3 m/s 7,6 m/s männlich weiblich Mittelwert

Stoßkraft (kN) 1,86±0,92 2,08±0,81 2,37±0,81 1,38±0,53 1,97±0,86

Ellbogenkraft (kN) 0,94±0,41 0,98±0,32 1,14±0,36 0,70±0,16 0,96±0,37

Hd.-gel.-Kraft (kN) 0,91±0,45 0,97±0,53 1,17±0,44 0,60±0,32 0,96±0,37

Biegemoment (Nm) 89±44 99±39 113±39 66±25 94±41

Tab. 3.12: Zusammengefasste Versuchsergebnisse der dynamischen Biegebelastung des Oberarmknochens (DUMA et al., 1998)

Test Objekt/ Anterior Anterior Posterior Posterior max. E-Modul Nummer Arm Dehnung % Dehnung/s Dehnung % Dehnung/s Moment (Nm) (GPa)

1.1 79/rechts 1,14 1,26 -1,09 -1,34 167 21,01.2 79/links 1,24 1,33 -1,49 -1,34 177 19,71.3 75/rechts 2,21 3,69 -1,22 -2,86 127 29,01.4 75/links 2,91 5,48 -1,75 -4,48 153 24,01.5 78/rechts 1,25 3,87 -1,09 -3,37 156 22,21.6 78/links 2,10 4,57 -1,72 -5,25 170 28,21.7 82/rechts 1,14 3,74 -1,20 -3,69 113 31,51.8 82/links 1,18 4,74 -1,06 -4,15 139 24,31.9 81/rechts 2,65 3,36 -1,17 -4,70 146 21,5

1.10 81/links - - -1,18 -5,12 134 19,31.11 80/rechts 1,68 4,76 -1,13 -2,88 216 26,51.12 80/links 1,06 3,96 - - 147 26,3

Mittelwert 1,69 3,70 -1,28 -3,56 154 24,5Standardabw. 0.67 1.34 0.25 1.36 27 3.9

Tab. 3.13: Zusammengefasste Versuchsergebnisse der dynamischen Biegebelastung der Unterarmknochen in Supination (DUMAet al., 1998)

Speiche Elle

Test Objekt/ max. Zeit) Dehnungs- max. Zeit Dehnungs- max. Zeit Arm Dehnung (ms) geschw. Dehnung (ms) geschw. Moment (ms)

% %/s % %/s (Nm)

2.1 1.013/li. 1,180 4,7 6,78 0,889 5,2 9,94 87 4,9

2.4 84/re. 1,170 8,5 4,40 1,175 8,6 4,84 92 8,7

2.5 58/li. 1,640 7,1 4,10 0,757 7,8 4,30 96 7,5

Mittelwert 1,330 6,8 5,10 0,940 7,2 6,36 92 7,0

Standardabw. 0,270 1,9 1,50 0,214 1,8 3,11 5 1,9

Tab. 3.14: Zusammengefasste Versuchsergebnisse der dynamischen Biegebelastung der unteren Armknochen in Pronation (DUMAet al., 1998)

Speiche Elle

Test Objekt/ max. Zeit) Dehnungs- max. Zeit Dehnungs- max. Zeit Arm Dehnung (ms) geschw. Dehnung (ms) geschw. Moment (ms)

% %/s % %/s (Nm)2.2 1.013/re. 0,775 4,8 4,50 0,5680 3,0 4,50 69 4,72.3 84/li. 1,160 11,5 3,24 0,525 7,9 1,85 82 11,42.6 58/re. 1,830 9,2 2,05 0,606 4,0 4,75 74 9,22.7 66/re. 1,240 6,5 4,09 0,241 3,7 1,24 48 6,52.8 72/re. 1,880 8,9 2,54 0,156 4,5 1,40 83 9,02.9 67/re. 0,961 5,3 5,62 0,393 2,5 3,00 58 5,62.10 73/re 1,280 8,5 3,45 0,286 4,2 2,17 73 8,6

Mittelwert 1,300 7,8 3,64 0,396 4,3 2,70 70 7,8

Standardabw. 0,380 2,2 1,12 0,162 1,6 1,32 13 2,2

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Zusammenfassung der biomechanischen Daten.Bei den Belastungen entstanden einfache Fraktu-ren bis Splitterfrakturen.

Dreipunkt-Biegebelastungen von Ober- und Unter-armen wurden ferner von DUMA et al. (1998) beizwölf bzw. zehn weiblichen Testobjekten im Altervon 41 bis 74 Jahren durchgeführt. Die Kraftmes-sung erfolgte in gleicher Weise wie bei PINTAR etal. (1998), zusätzlich wurden Spannungen (mitDehnmessstreifen) an Elle und Speiche gemessen.Die Belastungsgeschwindigkeit lag zwischen 1,35und 4,42 m/s. Auch bei dieser Studie waren an denbelasteten Stellen Haut und Muskulatur vorhan-den. Die Unterarme wurden bei einem Teil der Ver-suche in Supinations- und beim anderen in Prona-tionsstellung belastet. Es wurden Quer-, Schräg-und Dreiecksfrakturen festgestellt. In Tabelle 3.12sind die Testergebnisse der dynamischen Biegebe-lastung des Oberarmknochens zusammengefasst.Die Tabellen 3.13 und 3.14 geben die Versuchser-gebnisse der dynamischen Unterarmbiegebelas-tung in Supination und Pronation wieder.

3.4.1 Schutzkriterien

Die Biomechanik der oberen Extremitäten hat inden letzten Jahren auf Grund der häufigen Ausrüs-tung der Fahrzeuge mit Airbags an Bedeutung ge-wonnen. Bei den Realunfallanalysen wurde festge-stellt, dass es bei der Entfaltung des Fahrerairbagsaus dem Steuerrad bei der Frontalkollision zu Un-terarmfrakturen kam, wenn der Unterarm sich querzum Steuerrad befand. (HUELKE et al., 1995,SMOCK und NICHOLS, 1995, MARCO et al.,1996). Bei der Entfaltung des Seitenairbags wurdeebenfalls angenommen, dass es zu Frakturen desHumerus kommen könnte, dies wurde bisher imStandversuch (stehendes Fahrzeug, nur Airbagent-faltung) mit dem Einsatz von Leichen untersucht(KALLIERIS et al., 1997, DUMA et al., 1998,SCHRÖDER et al., 1998, JAFFREDO et al., 1998).Es zeigte sich, dass ein geringes Risiko von Ober-armbrüchen besteht.

3.5 Bauchorgane

Abdominalverletzungen entstehen durch direkteKrafteinleitung bei Motorradunfällen; derartige Ver-letzungen können beim schweren Frontal- und Sei-tenanprall gegen bewegliche oder feste Hindernis-se verursacht werden. Zu den häufiger verletztenAbdominalorganen gehören die Leber, die Milz, sel-

tener die Nieren. Bei Motorradunfällen werdenschwere Abdominalverletzungen (AIS 3+) mit einerHäufigkeit von ca. 30 % beobachtet (siehe Bild2.31).

3.5.1 Impaktorbelastungen in situ

Zur Optimierung des Fahrzeuginsassenschutzessind Erkenntnisse über das Belastungsverhaltendes Abdomens bei frontaler und lateraler Kraftein-leitung erforderlich; diese erlangt man durch Im-paktortests mit speziell geformtem (z. B. Steuer-radprofil) oder flachem (Scheibe) Profil unter Ein-satz von Leichen mit Blutdrucksimulation. Dabeiwird das Gefäßsystem der Leber und der Abdomi-nalweichteile so mit Flüssigkeit gefüllt, wie es demphysiologischen Zustand des lebenden Menschenentspricht. CAVANAUGH (CAVANAUGH et al.,1986) berichtet über Frontalstöße am Abdomenvon 12 Leichen mit einem Zylinder vom Durchmes-ser 25 mm (Simulation des Steuerradrandes) mitAnprallgeschwindigkeiten von 5-13 m/s. Die Im-paktormassen betrugen 32 und 64 kg, es wurdenKräfte zwischen 2 kN und 13 kN gemessen. Beieinem 50%igen Eindringen in das Abdomen kames zu Leberrupturen (AIS 4), während bei einemEindringen von 66 % Leber- (AIS 4) und Milzruptu-ren (AIS 3), ferner Wirbelkörperkompressionen (AIS3) und Rippenfrakturen (AIS 3) auftraten. Abdomi-nalkontusionen waren wegen fehlender lokalerBlutdrucksimulation nicht zu beobachten. HARDYund SCHNEIDER (1997) führten auch Stoßversu-che mit dem gleichen Profil wie CAVANAUGHdurch; sie beobachteten eine Stoßkraft von 4,5 kNund eine Eindringtiefe in das Abdomen von 175 bis195 mm neben Leberrupturen und Rippenfraktu-ren, Blinddarm- und Zwerchfellabrissen. VIANO(1989) berichtet über 44 Seitenanpralle gegen dasAbdomen von Leichen mit einem 23,4 kg schwerenPendel. Die Aufprallgeschwindigkeiten betrugen4,5, 6,7 und 9,4 m/s, die Anprallfläche hatte dieForm einer Scheibe mit einem Durchmesser von 15cm. Er definierte Toleranzgrenzen des Abdomensfür den Seitenaufprall mit einer 20%igen Wahr-scheinlichkeit für die Verletzungsschwere AIS ≥ 4:

· Kompression: 44 %,· Beschleunigung am 8. thorakalen Wirbel in

y-Richtung: 31 g,· Beschleunigung am 12. thorakalen Wirbel in

y-Richtung: 39 g,· Stoßkraft: 6,7 kN.

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3.5.2 Isolierte Organbelastungen

FAZEKAS (FAZEKAS et al., 1971 a, b, 1972) unter-suchte quasistatisch die Kompression der isolier-ten Organe Leber, Niere und Milz bei Leichen. Beieinem Druck von 169 kPa kam es zu oberflächli-chen Rupturen der Leber, während ein Druck von320 kPa zu multiplen Rupturen führte. Bei der Be-lastung der Milz kam es bei einem Druck von 44kPa zu oberflächlichen Rupturen. Die erste Rupturbei der Niere entstand bei einer mittleren Druck-kraft von 60,2 ± 28,2 daN, während die multiplenRupturen bei einer Druckkraft von 109,44 ± 51,40daN Druckkraft auftraten. BAUDER (1985) unter-suchte die Kompressionsbelastung der isoliertenLeber mit einem stumpfen Fallimpaktor. Die Belas-tungsgeschwindigkeit betrug 3-4 m/s, der Mittel-wert der angewandten Kräfte betrug 175,6 ± 39,2daN, der Mittelwert der Kompression 29,5 ± 3,5mm. Dabei kam es zu Kontusionen, oberflächli-chen Rupturen sowie zu Zertrümmerungen derLeber. Die Dicke der Leber und der Anteil des Bin-degewebes waren wesentliche Parameter für dieVerletzungsschwere.

3.6 Untere Extremitäten

Nach der AIS-Klassifizierung gehören zu den unte-ren Extremitäten das Becken, die Oberschenkel,die Kniescheiben, die Schien- und Wadenbeine,die Fußgelenke und die Füße. Zu stoßartigen Belas-tungen der unteren Extremitäten kommt es beson-ders bei der Frontal- und Seitenkollision durch Be-schleunigung der angegurteten Insassen inStoßrichtung; diese Belastung wird durch die Intru-sion der Fahrzeuginnenstrukturen erhöht. Verlet-zungen der unteren Extremitäten entstehen fernerals Folge von stoßartigen Kniebelastungen bei Mo-torradunfällen (z. B. bei Fahrzeugkollisionen oderAnprallen gegen feste Hindernisse). Die Verlet-zungsschwere MAIS 3+ tritt mit 80 % in der glei-chen Häufigkeit wie bei den Kopfverletzungen auf(siehe Bild 2.31).

3.6.1 Knie/Oberschenkel/Becken-Komplex

Je nach Kollisionsart werden an dem Knochen-komplex Knie/Oberschenkel/Becken frontale oderlaterale Kraftkomponenten wirksam. Bei der Fron-talkollision kommt es beim Oberschenkel durchden Anprall zu einer axialen Belastung, die zu einerBiegung entlang des Schaftes mit anschließenderFraktur führen kann.

PATRICK et al. (1967) haben erste Untersuchungenzur Festigkeit des Komplexes Kniescheibe/Ober-schenkel/Becken bei der Frontalkollision durchge-führt. Die Knie von zehn nicht angegurteten Lei-chen prallten mit einer Geschwindigkeit von 16 bis31 km/h gegen eine Armaturenbrettattrappe, diemit Kraftmessdosen ausgerüstet war. Die Autorenstellten fest, dass der Oberschenkelknochen früherfrakturiert als die Kniescheibe und das Becken. Eswurde eine Kraft von 6,2 kN als Verletzungs-schwelle für den Komplex Kniescheibe/Ober-schenkel/Becken vorgeschlagen. Spätere Untersu-chungen der selben Autoren (PATRICK et al., 1967)haben gezeigt, dass die Kniebelastungen von 6,5bis 8,8 kN bei zwei Leichen zu keinen Verletzungendes Kniescheiben/Oberschenkel/ Becken-Komple-xes führten. Als wesentlicher Grund dafür wird dasAlter der untersuchten Leichen angenommen, jeälter der Mensch, desto geringer ist die Bruchfe-stigkeit seiner Knochen.

MELVIN et al. (1975) haben erstmals über Knie-stoßuntersuchungen bei nicht einbalsamierten Lei-chen berichtet. Es wurden die Knie von 14 Leichenim Alter von 44 bis 90 Jahren mit einem instrumen-tierten harten bzw. gepolsterten Impaktor belastet;die Aufprallgeschwindigkeit betrug 23 bis 48 km/hbei einer Impaktormasse von 21 kg. Die maximalenStoßkräfte variierten zwischen 3 und 25 kN. Unter-halb von einem Kraftmaximum von 13 kN kam esnicht zu Frakturen der Kniescheibe, des Ober-schenkels oder des Beckens, ausgenommen sinddie Fälle, die osteoporotische (Knochenschwund)Knochen aufwiesen. Bei diesen Fällen entstandenFrakturen bereits bei 8,3 kN.

Bei der Seitenkollision wird das Becken, unabhän-gig davon, ob der kollisionsnahe Insasse angegur-tet ist oder nicht, von den intrudierenden Fahr-zeugseitenstrukturen belastet. Zu gleichen Belas-tungen führen auch seitliche Auffahrunfälle bei Mo-torradfahrern. Die Toleranzgrenzen der Becken-frakturen liegen bei 5 kN für über 60-Jährige undbei 10 kN im mittleren Altersbereich (CESARI et al.,1980, 1982, KALLIERIS et al., 1984). Bei Motorrad-unfällen werden Beckenverletzungen der SchwereMAIS 3+ mit einer Häufigkeit von 20 % seltener alsbei den andern Körperregionen beobachtet (OTTEet al., 1998).

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3.6.2 Fuß/Fußgelenk/Unterschenkelknochen-Komplex

3.6.2.1 Verletzungsmechanismen

Durch die Intrusion des Fußraumes bei der Frontal-kollision werden die Kräfte über das Pedalsystemauf den Fuß abgeleitet. Dies erfolgt bei den ange-gurteten Insassen bereits ab einer Geschwindig-keitsänderung von 30 km/h. Maßgeblich für dieVerletzungen im Fußgelenksbereich sind die Ge-schwindigkeit der Winkeländerung und die Über-schreitung des zulässigen Winkels. Die Gesamtbe-weglichkeit des Sprunggelenkes in Rotation nachinnen (Supination) und nach außen (Pronation) bzw.nach oben (Dorsalflexion) und unten (Plantarfle-xion) ist in Bild 3.7 dargestellt. Zu gleichen Belas-tungsmustern des Fußgelenkbereiches kann esauch bei Zusammenstößen mit beweglichen undfesten Hindernissen kommen.

Bei der Fußbelastung entstehen zunächst Fraktu-ren der Fußknochen durch Kompression und da-nach Bänderverletzungen durch die nachfolgendeRotation (OTTE, 1996). Die Kompressionsbelas-tung am Fuß entsteht durch die nachschiebendeKörpermasse bei der Abbremsung des Fahrzeugs.Sie wird verstärkt durch die Intrusion des Fußrau-mes und Einklemmen der Knie zwischen der eben-falls intrudierenden Instrumententafel und demFußraum; dies kann zu Unterschenkelfrakturenführen.

3.6.3 Mechanische Einwirkung

Verletzungen der unteren Extremitäten sind bei derBehandlung und Rehabilitation sowie wegen der

Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit kosten-aufwändig. Für effektive Schutzmaßnahmen ist dieKenntnis des Zusammenhangs zwischen mechani-scher Einwirkung und Verletzung erforderlich. Welt-weit werden Stoßbelastungen gegen den Fuß unterEinsatz von Leichen und Dummys durchgeführt.Alle diese Publikationen sind im SAE PT-56/1996zusammengefasst. Von Seiten der experimentellenBiomechanik werden mit instrumentierten Leichen-beinen bzw. Dummybeinen Schlittenversuche mitSimulation der Fußraumintrusion bei der Frontal-kollision durchgeführt (CRANDALL et al., 1996,KALLIERIS et al., 1999). Bei Frontalkollisionen mit50 km/h und Fußraumintrusionssimulation mit an-gegurteten Dummys und Leichen kommt es zu Ro-tationswinkeln der Fuß/Tibiaeinheit von 48-56 Gradund einer Translation des Fußes von 34 mm (KAL-LIERIS et al., 1999). Dabei wurden bei einer 45Jahre alten männlichen Leiche bei einer Intrusions-kraft von 7 kN (an der Fußstütze gemessen) eine In-nenknöchelfraktur rechts und Knorpelkontusionenbzw. Zertrümmerungen an den GelenkflächenTalus/Os naviculare und Talus/Tibia rechts undlinks beobachtet. Crandall (CRANDALL et al., 1996)stellte bei einer 60-km/h-Frontalkollision und einerIntrusion von 70 mm bei einer mit Kraftaufnehmerninstrumentierten Tibia ein Kraftmaximum von 1 kNund eine Calcaneusfraktur bei einer 61 Jahre alten,mit 3-Punkt-Gurt gesicherten Leiche fest. Anderer-seits entstanden bei gleicher Kollisionsgeschwin-digkeit, einer Intrusion des Fußraumes von 22 mmund einer Tibia-Axialkraft von 2,2 kN bei gleichaltri-gen Leichen keine Fußverletzungen.

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Bild 3.7: Gesamtbeweglichkeit des Sprunggelenkes nach neutraler 0-Methode (Pronation und Supination sind am Beispiel desrechten Fußes dargestellt)

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3.6.4 Schutzkriterien

Im US Federal Motor Vehicle Safety Standard(FMVSS) 208 ist vorgeschrieben, dass bei einem30-mph-(48 km/h)-Fahrzeug-Frontalanprall gegeneine unnachgiebige Wand die axial über den Ober-schenkel übertragene Kraft den Wert 1.020,6 daN(2.250 lb) nicht überschreiten darf, während nachder ECE-R 94 die Oberschenkelkraft 907 daN alsHöchstwert zugelassen ist.

Als Schutzkriterium für die Unterschenkelbelastungwird der Tibia-Index (TI) vorgeschlagen. TI ergibtsich als Summe des resultierenden Biegemomen-tes (M) im Verlauf der Tibia bezogen auf ein kriti-sches Biegemoment (Mc) und des Verhältnisseszwischen der Axialkraft (F) und einer kritischen Axi-alkraft (Fc). Er darf den Wert 1,3 nicht überschrei-ten (ECE-R 94). Der Tibia-Index wird für den obe-ren und unteren Unterschenkel bestimmt.

Mx = Biegemoment um die X-Achse

My = Biegemoment um die Y-Achse

(Mc)R = Kritisches Biegemoment, 225 Nm

Fz = Axiale Druckkraft in Z-Richtung

(Fc)z = Kritische Druckkraft (Z), 35,9 kN

Zur Zeit werden für die Euro-NCAP-Crashtests Be-lastungskriterien vorgeschlagen (HOBBS et al.,1997 und 1998), siehe Tabelle 3.15.

Ein Tibia-Index von 0,8 und eine axiale Tibiakraftvon 4 kN wurden bei Freiwilligen im Sprungversuchohne bleibende Beschwerden toleriert (KALLIERISet al., 1999). An der Ermittlung eines zusätzlichenKriteriums als Vorschlag zum Schutz der Fuß/Fuß-gelenksregion wird noch weltweit gearbeitet, da-rüber hinaus an der Entwicklung eines men-schenähnlicheren Verhaltens der unteren Extremitä-ten der Dummys.

4 Fahrzeuganalysen

Um die Anforderungen unterschiedlicher Verwen-dungszwecke zu erfüllen, ist im Laufe der Zeit eineVielfalt von motorisierten Zweirädern entwickeltund in den Verkehr gebracht worden. Aus der zu-nehmenden Nutzung von motorisierten Zweirädernals Sport- und Freizeitgerät ergaben sich weitereFahrzeugvarianten. Die Vorteile, die sich für dasmotorisierte Zweirad als Transportmittel im dichteninnerstädtischen Verkehr ergeben, werden zu wei-teren Varianten, insbesondere bei den Rollern,führen. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusam-menhang Mode-Erscheinungen. Hierzu gehörenzum Beispiel die so genannten „naked Bikes”, beidenen auf Verkleidungen und Ähnliches verzichtetwird. Weitere Impulse kommen aus dem Motorrad-Rennsport. Unter den schweren Straßenmotorrä-dern und auch bei manchen Klein- und Leichtkraft-rädern lassen sich Modelle finden, die im so ge-nannten „Styling” sehr eng an Vorbildern aus demRennsport orientiert sind.

Aus dieser Vielfalt der motorisierten Zweiräder er-geben sich entsprechende Möglichkeiten der Er-forschung des realen Unfallgeschehens und derDurchführung vergleichender Crashtests. Damitlassen sich zwar vorhandene Mängel und möglicheEntwicklungspotenziale der passiven Sicherheitvon motorisierten Zweirädern erkennen, eine denGesetzen des Marktes folgende Entwicklung kannjedoch nie dahin gehen, dass zukünftig nur nochsolche motorisierten Zweiräder hergestellt und zu-gelassen werden, die einem bestimmten „Ideal derpassiven Sicherheit” entsprechen.

Vor diesem Hintergrund ist es heute eine der we-sentlichsten Aufgaben, objektive und anerkannteKriterien zur Beurteilung der passiven Sicherheitmotorisierter Zweiräder zu finden, zu beschreibenund anzuwenden. Orientiert an solchen Kriterienkann die passive Sicherheit des motorisiertenZweirades nachvollziehbar analysiert werden.Merkmale von Zweirädern, die der passiven Si-cherheit dienen oder ihr schaden, können so iden-tifiziert und kommuniziert werden. Hierbei ist auchder Verbraucher mit einzubeziehen. Er muss dieMöglichkeit haben, bei Bedarf geeignete Informa-tionen über die passive Sicherheit eines motorisier-ten Zweirades zu erhalten, so dass er seine Kauf-entscheidung auch daran orientieren kann.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Wirkungder Schutzbekleidung hinzuweisen. Die Analyse

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Tab. 3.15: Euro NCAP Performance Criteria für Tibia

RatingTibia- Tibia-Index Kompressionskraft [kN]

Grün 0,4 2

Gelb 0,7 4

Orange1 6

(Grenze für Tibiafraktur) (5 % Risiko für Fraktur)

Braun1,3 8

(10 % Risiko für Fraktur)

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der passiven Sicherheit von Motorradfahrer-Hel-men, Schutzanzügen, Stiefeln und Handschuhenist nicht das Thema der vorliegenden Studie. Es istjedoch einsichtig, dass die passive Sicherheit desmotorisierten Zweirades selbst nur unter der An-nahme bewertet werden sollte, dass die Aufsasseneine zeitgemäße Schutzbekleidung tragen. Dies isteindeutig anders als beim Personenkraftwagen.Hier wird zum Beispiel in der gültigen US-amerika-nischen Gesetzgebung gefordert, dass ein Airbagauch Insassen schützen soll, die den Sicherheits-gurt nicht angelegt haben. Übertragen auf das Mo-torrad würde dies bedeuten, dass ein Schutz auchfür Motorradfahrer gefordert wird, die keinenSchutzhelm und keinen Schutzanzug tragen. Dieswäre zumindest bei den klassischen motorisiertenZweirädern keine geeignete Orientierung. Bei denFahrzeugen, bei denen das Tragen von Schutzbe-kleidung Vorschrift ist, sollte die passive Sicherheitnur in dieser Kombination analysiert und bewertetwerden. Es ist somit konsequent, dass entspre-chende Crashtests mit einem Dummy als Motor-radaufsassen durchzuführen sind, der eine zeit-gemäße Schutzbekleidung trägt. Für die Analysedes realen Unfallgeschehens bedeutet dies, dassFälle, bei denen Motorradaufsassen keine Schutz-bekleidung – insbesondere keinen Schutzhelm undkeinen Schutzanzug – trugen, separat zu betrach-ten sind.

Das Hauptproblem des klassischen motorisiertenZweirades ist, dass es seine Aufsassen nicht miteiner umgebenden Sicherheitszelle schützen kann.Neueste Entwicklungen von „motorisierten zwei-rädrigen Sicherheitszellenfahrzeugen”, wie bei-spielsweise des C1 von BMW, zeigen zwar, dasshier auch andere Konzepte konstruktiv umgesetztwerden können. Diese werden jedoch das klassi-sche motorisierte Zweirad nicht ersetzen. Sie stel-len eine Ergänzung, insbesondere für den inner-städtischen Bereich, dar.

Zur Steigerung der passiven Sicherheit von kon-ventionellen Motorrädern wird in Fachkreisen über-wiegend folgendes Prinzip favorisiert: Im Falle desfrontalen Motorrad-Anstoßes soll so rasch wiemöglich die Trennung von Aufsasse und Motorradeingeleitet werden. Hierfür ist es wichtig, dass sichder Aufsasse nicht an Teilen des Motorrades ver-hakt. Eine aufrechte Sitzposition in Verbindung mitentsprechenden Gestaltungen von Lenker, Tankund Beinschutz kann die Trennung von Aufsasseund Motorrad begünstigen. Im Falle der frontalenKollision des Motorrades gegen die Seite eines

Personenkraftwagens kann so der besonders ge-fährliche Anprall des Motorradfahrer-Kopfes an derDachkante des Personenkraftwagens vermiedenwerden. Im günstigsten Fall wird ein so genannterÜberflug des Motorradfahrers über den Unfallgeg-ner hinweg eingeleitet. Die Chancen, wenigerschwer oder überhaupt nicht verletzt zu werden,sind dann Erfolg versprechend, wenn der einewirksame Schutzbekleidung tragende Aufsassenach der Kollision ohne heftige Anprallkontakte anseinem Fahrzeug, am Unfallgegner oder an ortsfes-ten Gegenständen frei in seine Unfallendpositionrutschen kann. Im Fall des Alleinunfalles zeigendies immer wieder Bilder von Stürzen bei Motor-radrennen. Ist genügend freie Auslaufstrecke vor-handen und wird der Motorradfahrer nicht von sei-nem eigenen Fahrzeug verletzt, verlaufen diese Un-fälle auch aus relativ großen Geschwindigkeitenglimpflich. Im Fall der Kollision mit einem Pkw alsUnfallgegner auf der Straße zeigt das reale Unfall-geschehen, dass ein mehr oder weniger freierÜberflug über den Gegner in der Regel deutlichverletzungsärmer ist als der direkte Anprall an derKarosserie des Gegners (SPORNER et al., 1989). Indiesem Zusammenhang sind wiederum die Wir-kung der Motorradfahrer-Schutzbekleidung sowiedie Umgebung der Straße von großer Bedeutung.

Die Folgen einer verhinderten Trennung von Ma-schine und Aufsasse zeigt das nachstehende Fall-beispiel aus dem realen Unfallgeschehen (Bild 4.1).

Es handelt sich hierbei um einen klassischen Unfallder Konfiguration 413 nach ISO 13232 (rechtwink-liger Frontalaufprall eines Motorrades gegen dieSeite eines Personenkraftwagens). Kollisionsgeg-ner waren ein Pkw, besetzt mit zwei Personen, undein nur mit dem Fahrer besetztes Sportmotorrad.Der Motorradfahrer befuhr mit ca. 110 km/h eineLandstraße, die der Pkw im rechten Winkel über-

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Bild 4.1: Motorrad und Pkw in Unfallendlage

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queren wollte. Der Fahrer des Pkw übersah das an-kommende Motorrad. Der Motorradfahrer konnteseine Maschine nur noch auf ca. 100 km/h ab-bremsen, bevor er mit dem Pkw kollidierte. Der An-stoß erfolgte unmittelbar hinter der A-Säule unter85° gegen die Beifahrertür. Das Kraftrad drang un-gefähr 60 cm tief in die Kontur des Pkws ein, sodass Schweller, Bodengruppe, Beifahrertür undDach in entsprechendem Maß zur Fahrzeugmittehin eingedrückt wurden. Infolge des Aufpralls über-schlug sich der Pkw seitlich nach links und kam aufdem Dach zur Endlage. Das Krad verkeilte sich inder Seite des Pkws und blieb während des Über-schlags in der Seite des Pkws hängen. Hierbei ver-blieb der Fahrer auf seinem Krad. Er verstarb nochan der Unfallstelle. Todesursache waren seineschweren Schädelverletzungen.

Die Maschine war mit einem Sporttank ausgerüs-tet, der eine sehr steile Tankrampe von annähernd90° aufweist. Der Tank zeigte starke Anprallspurenund wurde infolge der Kollision aus seiner Veranke-rung gerissen (Bild 4.2);. ein deutliches Zeichendafür, dass er für den Aufsassen wie eine Barrieregewirkt haben muss und so ein Lösen vom Kradverhindert hat.

Vor diesem Hintergrund ist es auch bei Unfällen mitgeringeren Kollisionsgeschwindigkeiten als Mangelder passiven Sicherheit eines motorisierten Zweira-des anzusehen, wenn zum Beispiel durch eine un-günstige Tankgestaltung und Sitzposition die Tren-nung von Zweirad und Aufsasse bei einer Kollisionbzw. einem Alleinunfall behindert wird. VorhandeneMängel von motorisierten Zweirädern sind dann of-fensichtlich, wenn sich im Verlauf eines Unfallesder Fahrer und eventuell auch der Mitfahrer amZweirad selbst verletzen können. Hierzu gehörenvorstehende Tankdeckel, aggressive Tankformen,

ungünstige Lenker und Handgriffe, Fußrasten undAnbauteile.

Aufgrund des in der Fachliteratur publizierten Wis-sens über die passive Sicherheit und Sicherheits-elemente von Motorrädern können Analysen derauf dem Markt befindlichen Motorräder durchge-führt werden. Mit derartigen Analysen lassen sicherste Hinweise und Darstellungen zum Status quoder passiven Sicherheit motorisierter Zweiräder er-arbeiten. Ergebnisse von Crashtests können imWeiteren die gewonnenen Erkenntnisse überprü-fen.

4.1 Beurteilungssystem für die passiveMotorradsicherheit

Um die passive Sicherheit von Motorrädern vordem Hintergrund des vorhandenen allgemeinenFachwissens mit einem einheitlichen Schema be-werten zu können, wurde bei der DEKRA-Unfallfor-schung im Jahr 1992 ein System entworfen (MÜL-LER, 1992). Dieses ist seinerzeit an ersten Beispie-len erprobt und an 43 Motorrädern, die Anfang der90er Jahre auf dem Markt waren, sowie an 15 älte-ren bzw. historischen Fahrzeugen mit plausiblenErgebnissen angewendet worden (GRANDEL undBERG, 1994).

Im Rahmen des BASt-Forschungsprojektes FP2.9721 „Prüfverfahren für die passive Sicherheitmotorisierter Zweiräder“ wurden weitere 33 Mo-torräder der Modelljahre 1990 bis 1999 nach die-sem Schema bewertet. Damit liegen nun einheitli-che Bewertungen von insgesamt 91 Motorrädernvor. Bewertet wurden im Hinblick auf die passiveSicherheit die vorhandenen Motorrad-Baugruppenund Anbauteile (Lenker, Sitzbank, Fußrasten, Tank,Verkleidung, Vordergabel) unter Berücksichtigung

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Bild 4.2: Aus der Verankerung gerissener Tank mit starken Anprallspuren

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relevanter Merkmale der passiven Sicherheit undeventuell vorhandener besonderer Sicherheitsele-mente.

Es ist hierbei grundsätzlich zu beachten, dass dasUnfallgeschehen mit Beteiligung von Motorrädernsehr vielfältig ist. Maßnahmen zur Steigerung derpassiven Sicherheit bei einem Unfalltyp dürfen dieSicherheit bei anderen Unfalltypen nicht negativbeeinflussen. Außerdem darf die aktive Sicherheitdes Motorrades durch Elemente der passiven Si-cherheit nicht beeinträchtigt werden. Bei Betrach-tung der Entwicklung von Motorrädern hinsichtlichihrer Sicherheit wird deutlich, dass – entgegen demTrend beim Personenkraftwagen – die passive Mo-torradsicherheit bisher nur eine untergeordneteRolle spielte. Dem stehen wegweisende Verbesse-rungen der aktiven Sicherheit des Motorrades ge-genüber. Beispiele hierfür sind automatischeBlockierverhinderer (Antiblockiersystem ABS fürMotorräder), verbesserte Rahmenkonstruktionenund Lenksysteme.

Am Beispiel des Motorrades wird besonders deut-lich, dass das Gesamtsystem „Verkehrssicherheit“nur mit einem abgestimmten Zusammenspiel vonMensch, Fahrzeug und Umwelt nachhaltig opti-miert werden kann. Beim Fahrzeug ist dessen akti-ve Sicherheit wichtig, um Unfälle bereits in der Ent-stehungsphase zu vermeiden. Bei den dennochstattfindenden Unfällen muss die passive Sicher-heit die Unfallfolgen mindern.

Für die passive Sicherheit beim Motorradunfall sindin diesem Zusammenhang allgemein vier Bereicherelevant:

· das Motorrad selbst (konstruktive Maßnahmenan Lenker, Tank, Sitzbank und Verkleidung, ggf.Airbag etc.),

· die Motorradaufsassen mit ihrer Schutzbeklei-dung (Helm, Anzug, Handschuhe, Stiefel),

· die Unfallgegner (andere Fahrzeuge),

· die Umwelt (Straßenoberfläche, Schutzplanken,Bordsteine und sonstige Kollisionsobjekte).

Bei dem nachfolgend dargestellten Bewertungs-system wird lediglich das Motorrad selbst betrach-tet. Im Vordergrund steht hierbei, dass sich die Auf-sassen am Motorrad selbst nicht verletzen können.Als besonders wichtig werden der frontale Motor-radanstoß an der Seite von Personenkraftwagenund der Alleinunfall angesehen. Den Vorschlägen

von SPORNER und LECHNER (vgl. Kapitel 5) fol-gend, wird in beiden Fällen für das klassische Mo-torrad als günstig angesehen, wenn eine frühzeiti-ge Trennung von den Aufsassen stattfindet. ImFalle der Kollision soll der Anprall des Motorrad-fahrerkopfes an der Dachkante des Personenkraft-wagens vermieden werden. Hierbei kann auch einMotorrad-Airbag hilfreich sein. Auf unkonventionel-le motorisierte Zweiräder, wie den C 1 von BMW,lässt sich das Bewertungssystem nicht anwenden.

4.1.1 Aufbau des Bewertungssystems

Um einheitliche und nachvollziehbare Bewertungenmit vergleichbaren Ergebnissen zu erhalten, erfolgtunter Berücksichtigung bisher vorhandener Er-kenntnisse die Vergabe von Punkten für einzelnesicherheitsrelevante Elemente und Baugruppendes Motorrades. Zudem wird als weiteres Merkmaldie Aufsassenkopfhöhe ermittelt. Da sich die ein-zelnen Komponenten der Bewertung unterschied-lich auf die passive Sicherheit des Motorrades aus-wirken können, werden sie vor der Ermittlung einerBewertungs-Gesamtpunktzahl gewichtet, Bild 4.3.

Die Vergabe von Punkten pro Bewertungs-Kompo-nente erfolgt nach einem zuvor festgelegten Sche-ma und unter Verwendung von Beispielen. Die Ge-wichtungsfaktoren sind einheitlich festgelegt. Soist zum Beispiel der große Einfluss der Aufsassen-kopfhöhe mit dem Faktor 2,5 und die geringe Be-deutung der Fußrasten mit dem Faktor 0,5 gewich-tet.

Die Beschaffung der für eine konkrete Bewertungnotwendigen Informationen beginnt mit dem Ana-lysieren von Verkaufsprospekten der Herstellerund, wenn vorhanden, von Veröffentlichungen inFachzeitschriften. Bei der Anwendung des Sys-tems wird eine Besichtigung des Original-Fahrzeu-ges als unerlässlich angesehen.

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Bild 4.3: Komponenten der Bewertung und ihre Gewichtung

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4.1.2 Bewertung von relevanten Elementen undBaugruppen

Jeder Motorradtyp weist spezifische Merkmale auf,die für die passive Sicherheit relevant sind. Manchedieser Merkmale machen jedoch auch das jeweili-ge besondere Fahrgefühl und die Gebrauchseigen-schaften des Motorradtyps aus. Beispielsweisewerden bei Sportmotorrädern Lenker, Sitz undFußrasten in Kombination mit dem Tank so ange-ordnet, dass eine flache, windschnittige Sitzpositi-on erreicht wird. Aus sicherheitstechnischer Sichtist aber gerade diese Positionierung bei vielen Kol-lisionen verletzungsträchtig. Somit fällt eine Bewer-tung von Sportmotorrädern unter den gewähltenKriterien der passiven Sicherheit zwangsläufig un-günstiger aus, als dies bei Motorrädern mit auf-rechter Sitzhaltung der Aufsassen der Fall ist. Auchdie Verkleidung spielt bei einer Bewertung der pas-siven Motorrad-Sicherheit eine wichtige Rolle. Fürverkleidete Motorräder können somit entsprechen-de Bewertungspunkte vergeben werden, währendunverkleidete Motorräder, wie z. B. Enduros, imNachteil sind. Vor diesem Hintergrund sind die Er-gebnisse, die sich aus den nachfolgend beschrie-benen Bewertungen ergeben, zu relativieren.

4.1.2.1 Lenker

Der Lenker gehört zu den Teilen eines Motorrades,die seine Charakteristik wesentlich bestimmen.Grundsätzlich können Motorrad-Lenker in drei Ty-pen eingeteilt werden, Bild 4.4.

An einem Sportmotorrad ist meist ein Rennlenkermontiert. Er besteht aus zwei Stummelenden, diedirekt unterhalb der Gabelbrücke am Standrohr be-festigt sind. Ihre niedere Position ergibt eine sehrgeneigte Sitzhaltung mit geringer Kopfhöhe desAufsassen. Ziel ist hierbei eine Haltung des Motor-radfahrer-Oberkörpers flach über dem Tank, um soden geringst möglichen Strömungswiderstand zu

erhalten. Sportmotorräder werden in jüngster Zeitauch oft zu einem so genannten „Superbike“ oder„Streetfighter“ umgebaut. Dabei wird der klassi-sche Stummellenker durch einen höheren einteili-gen Lenker, der oberhalb der Gabelbrücke montiertwird, ersetzt. Grundsätzlich führt das zu einer auf-rechteren Sitzhaltung und wirkt sich damit positivauf die Kopfhöhe aus.

Tourer, Sporttourer und Enduros sind in der Regelmit einem einteiligen Tourerlenker ausgerüstet.Derartige Lenker sind oberhalb der Gabelbrückebefestigt. Die Griffe des Tourerlenkers liegen überdem Gabelkopf. Das ergibt eine aufrechte, leichtvorgebeugte Sitzhaltung mit großer Kopfhöhe desMotorradfahrers. Der Fahrer hat dabei meist nur imAbdomenbereich Kontakt mit dem Tank.

Der dritte Grundtyp ist der Chopperlenker. Er wirdanalog dem Tourerlenker angebracht und ist deut-lich höher als dieser. Das ergibt eine aufrechte, teil-weise auch nach hinten geneigte Sitzhaltung. InVerbindung mit einer tief liegenden Sitzbank ist dieKopfhöhe des Aufsassen auf einem Chopper je-doch in der Regel geringer als auf einem Tourer. ImUnfallgeschehen ist feststellbar, dass sich die Auf-sassen im Oberschenkel- und Hüftbereich anChopper-Lenkern verhaken können. Dadurch be-steht die Gefahr von Verletzungen am Lenker undes wird das Lösen des Aufsassen vom Motorradverhindert.

Die Lenkerhöhe beeinflusst die Kopfhöhe des Auf-sassen wesentlich (siehe hierzu auch Abschnitt4.1.2.8). Allgemein gilt: Je höher die Position desKopfes vor dem Anprall in die Seite eines Perso-nenkraftwagens, desto geringer ist die Wahr-scheinlichkeit eines Kopfanpralles an der Dachkan-te eines Personenkraftwagens mit den zugehörigenRisiken schwerster und tödlicher Verletzungen. An-dererseits können schwer wiegende Verletzungenund ungünstige Beeinflussungen der Bewegungen

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Bild 4.4: Grundtypen von Motorrad-Lenkern

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des Motorradfahrers aus dem Hängenbleiben anzu hohen Lenkern resultieren. Zum einen gehtdabei eine Verletzungsgefahr für die Oberschenkelund den Hüftbereich aus und zum anderen kannder oft vorteilhafte Überflug über den Unfallgegnerverhindert werden. Eine nachgebende Gestaltungund das gewollte Abknicken des Lenkers als Folgeeines Anpralls von Körperteilen des Motorradfah-rers sind, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt mög-lich. Weil der Lenker auch die aktive Sicherheit desMotorrades beeinflusst, muss er steif genug aus-gebildet sein, um die Lenkkräfte sicher und direktübertragen zu können.

Bei Anbauteilen am Lenker (Spiegel, Handhebelusw.) ist wichtig, dass diese nicht formaggressivsind. Spezielle Polsterungen des Gabelkopfes sindnicht erforderlich, da das reale Unfallgeschehenund Crashtests zeigen, dass ein Aufprall des Mo-torradfahrers in diesem Bereich sehr unwahr-scheinlich ist. Handschutzkappen (Bild 4.4 Mitte)sind häufig bei Geländemotorrädern (Enduros) anden Lenkerenden montiert. Neben einer wirkungs-vollen Abschirmung gegen Witterungseinflüsseschützen sie die Hände beim Rutschen auf derFahrbahn und bei Kollisionen mit leichten Hinder-nissen. Eine Verbreitung auch auf andere Motor-radtypen ist wünschenswert.

4.1.2.2 Sitzbank

Die Sitzhaltung der Aufsassen eines Motorradeswird wesentlich durch die Höhe der Sitzbank in Ver-bindung mit dem Lenker beeinflusst. Eine Höhen-verstellung der Sitzbank zur Anpassung an ver-schiedene Fahrergrößen wäre wünschenswert,wurde aber bisher noch nicht realisiert. Die individu-elle Sitzposition großer und kleiner Aufsassen kannsomit auf demselben Motorrad unterschiedlich sein.Häufig ist zu beobachten, dass kleinere Personendie Sitzbänke abpolstern lassen, um an Ampelnbesser stehen zu können. Dies kann entsprechendnegative Auswirkungen auf die Kopfhöhe haben.

Ungünstig sind harte und formaggressive Übergän-ge zwischen Tank und Sitzbank, Bild 4.5. Diese

können bei Kollisionen den Fahrer im Abdomenbe-reich verletzen. Eine deutliche Verbesserung stelltdabei eine über den Tank gezogene Sitzbank dar.Sie wirkt zum einen als Anprallpolster und kann an-dererseits als Rampe ausgebildet sein und soeinen Überflug über den Unfallgegner begünstigen.

4.1.2.3 Fußrasten

Die Lage der Fußrasten (vorne, mittig, hinten) be-einflusst maßgeblich die Sitzposition des Aufsas-sen. Davon sind wiederum die aktive Sicherheit (er-müdungsarmes und bedienungsgerechtes Sitzen)und die passive Sicherheit (möglichst aufrechtesSitzen) betroffen.

Von harten, zum Teil formaggressiv hervorstehen-den Fußrasten können deutliche Verletzungsgefah-ren ausgehen. Wegklappende Konstruktionen derFußrasten sind möglich, Bild 4.6. Einer weichenund nachgebenden Gestaltung sind dadurch Gren-zen gesetzt, dass die Fußrasten das gesamte Kör-pergewicht des Aufsassen sicher tragen müssen.Fußrasten und benachbarte Fußschalthebel kön-nen darüber hinaus so gestaltet sein, dass sie ge-meinsam ein wenig formaggressives Pedal bilden.Eine Integration in seitliche Verkleidungselementekann ebenfalls wirkungsvoll im Hinblick auf die Ver-ringerung von Verletzungsgefahren sein.

4.1.2.4 Tank

Der Tank eines Motorrades liegt in direkter Verlän-gerung der Sitzbank vor dem Aufsassen. Bei einerFrontalkollision wird der Aufsasse durch seineTrägheitsbewegung relativ zum Tank nach vornegeschoben. Für den weiteren Bewegungsablaufspielt daher die Tankform eine maßgebliche Rolle.Um Verletzungen durch den Tank zu vermeiden,wäre eine flache Formgebung anzustreben, ande-rerseits bietet es sich an, den Tank auch als Auf-gleitrampe für den Aufsassen zu nutzen und soeinen Überflug einzuleiten. Aus bisherigen Untersu-chungen (SPORNER, 1982) ist bekannt, dass stei-le Tankrampenwinkel über 45° der passiven Sicher-

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Bild 4.5: Verschiedene Sitzbankformen Bild 4.6: Verschiedene Fußrastenausführungen

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heit abträglich sind, vor allem im Zusammenhangmit einer hohen Tankform, Bild 4.7.

Weitere Tankformen sind bei den Motorrad-TypenChopper und Enduro zu finden. Beim Chopper wirdder Tank in einer Tropfenform ausgeführt. Hier kannauf die Bewegung der Aufsassen kaum Einflussgenommen werden. Bei Enduros hängt die Tank-geometrie von der Einsatzart und daher auch vombenötigten Volumen ab. Es gibt daher kleine nahe-zu dreieckige Tankformen sowie sehr rundliche,bauchige Formen mit großem Inhalt für Lang-streckenfahrten und Wüsten-Rallyes.

Ein besonders breiter, im Übergangsbereich zurSitzbank keilförmig ausgebildeter Tank kann durchAuseinanderdrücken der Oberschenkel des beieiner Frontalkollision darüber rutschenden Aufsas-sen so genannte Beckensprengungen verursa-chen. Bei einem zu schmalen Tank ist hingegenFormaggressivität möglich. Deren Entschärfungkann mit geeigneten Polstern im Bereich des Über-ganges zur Sitzbank erfolgen.

Bei einem Unfall befindet sich der Motorrad-Tank inrelativ ungeschützter Lage. Wegen des Brand-schutzes werden deshalb besondere Anforderun-gen an die Festigkeit der Tankwand gestellt. Venti-le, Öffnungen und Schlauchführung unterliegenstrengen Richtlinien, die den Konstrukteuren nurwenig Spielraum lassen.

Form, Größe und Position des Tanks sind dagegenfrei wählbar. Bei älteren Motorradmodellen wurdenTankverschluss und Entlüftungsstutzen hervorste-hend auf der Tankoberfläche angebracht. Dies birgtein unnötiges Verletzungsrisiko. Für neue Modell-reihen wurde diese Erkenntnis bereits umgesetzt.Die riskanten Bauteile am Tank werden deshalbheute in den Tank eingelassen, wodurch hier die

Verletzungsgefahr durch Anprall im Abdomenbe-reich und Hängenbleiben entfällt.

4.1.2.5 Verkleidung

Die Hauptaufgabe der Verkleidung ist eine günstigeaerodynamische Wirkung. Vor allem bei Rennma-schinen sind deshalb Vollverkleidungen üblich. En-duros und Tourer sind teilweise, Chopper dagegennur in Ausnahmefällen mit Halbschalen verkleidet.

Zusätzlich kann die Verkleidung positive Einflüsseauf die passive Sicherheit eines Motorrades haben.Der Effekt der „stabilen Fahrgastzelle“ kann hiermitzumindest in geringem Maße auch auf das Motor-rad übertragen werden. Hierfür wird die Frontver-kleidung ausgeschäumt und durch ein speziellesTrägersystem verstärkt. Sie kann so dem Aufsas-sen im Bereich der unteren Extremitäten einen ge-wissen Schutz vor direkten Anprallkontakten beimAnstoß am Unfallgegner bieten. Im Seiten- undHeckbereich können seitliche Gepäcktaschenstoßaufnehmend und abweisend wirken, Bild 4.8.

Verkleidungselemente am Motorrad müssen so an-gebracht werden, dass von ihnen keine zusätzli-chen Verletzungsrisiken ausgehen. Offene Zwi-schenräume können ein Verhaken der unteren Ex-tremitäten zur Folge haben. Dadurch wird die Tren-nung des Aufsassen von der Maschine verhindertoder, einhergehend mit Verletzungen, verzögert.Zwischen Tank, Sitzbank und Verkleidung solltekein Freiraum offen bleiben. Liegen hier Halterun-gen und Verkleidungsbleche frei, bestehen beimAnprall Gefahren der Verletzung und des Einklem-mens.

Bei der Wahl des Verkleidungs-Materials müssenmehrere, zum Teil gegenteilige Anforderungen er-

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Bild 4.7: Verschiedene Tankformen

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füllt werden. Einerseits soll die Verkleidung aerody-namisch günstig geformt und leicht sein. Anderer-seits soll sie ausreichend widerstandsfähig sein,um den Aufsassen vor dem ersten Anprallkontaktmit dem Unfallgegner hinreichend zu schützen. Siesoll außerdem keine zusätzliche Gefahr durch dieBildung von Widerlagern, z. B. im Knie- und Unter-schenkelbereich, darstellen. Um Schnittverletzun-gen vorzubeugen, dürfen beim Bruch der Verklei-dung keine scharfen Kanten entstehen.

Eine besondere Formgebung der Verkleidung imKniebereich (Kniepolster) kann im Zusammenspielmit der Tankrampe ein Anheben des Oberkörpersund Kopfes vom Motorradfahrer begünstigen. Vo-raussetzung hierfür ist jedoch eine aktive Abstüt-zung des Oberkörpers über die Arme und Händeam Lenker. Crashtests mit passiven Dummys alsMotorradfahrer zeigen, dass allein mit Kniepolsterund Tankrampe zwar ein Anheben der Hüfte mög-lich ist. Die gleichzeitige Überlagerung der Ober-körperrotation nach vorne kompensiert dies jedochwieder. In ungünstigen Fällen findet ein Anhebendes Beckens bei gleichzeitigem Absenken desKopfes statt.

Die Integration von Anbauteilen wie Spiegel oderBlinker in die Verkleidung erweist sich in mehrfa-cher Hinsicht als günstig, Bild 4.9. Ein Hängenblei-ben des Aufsassen an abstehenden Teilen im Falleeines Sturzes wird so verhindert. Auch der Aspektdes Partnerschutzes, vor allem gegenüber Fußgän-gern, ist hierbei nicht zu vernachlässigen.

4.1.2.6 Airbag

Die Funktion des Airbags als Rückhaltesystem, wiedies beim Personenkraftwagen der Fall ist, kann fürklassische Motorräder nicht direkt umgesetzt wer-den. Während im Personenkraftwagen der Airbagallein eine Funktion als Teil des Rückhaltesystemserfüllt, kommt für einen Motorrad-Airbag zusätzlichdie Beeinflussung der Bewegungsbahn des Auf-sassen in Betracht. Auch ist auf dem Motorrad einelängere Standzeit des entfalteten Airbags günstig,um die Anpralldämpfung und Beeinflussung derBewegungsbahn des Motorradfahrers möglichstwirkungsvoll zu gestalten. Ein Motorrad-Airbagkann bereits die Verletzungsrisiken durch Anprallam Tank des Motorrades und Hängenbleiben amLenker verringern und das Lösen von Motorradund Aufsasse unterstützen.

Bisher bietet kein Hersteller ein Motorrad mit Air-bag an. Es sind jedoch bereits mehrere Studienund Crashtests durchgeführt worden, um die mög-liche Wirkung von Motorrad-Airbags zu untersu-chen (siehe Kapitel 5.2.3).

4.1.2.7 Vorderradgabel und Standrohre

Starkes Abbremsen führt beim Motorrad wie beimPkw zu einem Absenken des Frontbereichs beigleichzeitigem Anheben des Heckbereichs. BeimMotorrad federt hierbei die Vorderradgabel in diemit der Radachse verbundenen Standrohre ein. ImFalle eines Frontalaufpralls des Motorrades am Un-fallgegner kann dieser Effekt noch verstärkt wer-den. Dies führt zu einer Absenkung der Kopfbahndes Motorradfahrers mit möglichen negativen Aus-wirkungen auf den Kopfanprall am Unfallgegner,insbesondere an der seitlichen Dachkante einesPersonenkraftwagens.

Zur Erhöhung des Fahrkomforts und damit auchder aktiven Sicherheit wurden Anti-Dive-Systemeentwickelt. Beim Bremsen verringert ein solchesSystem das Eintauchen der Vorderradgabel, wo-durch der Lenker auf nahezu konstanter Höhe ge-halten wird. Die Kopfhöhe des Aufsassen wird

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Bild 4.8: Schutzwirkung der Verkleidung bei unterschiedlichenAnstoßkonstellationen (GRANDEL et al., 1994)

Bild 4.9: Beispiele für Verkleidungen

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nicht abgesenkt. Somit sind Anti-Dive-Systeme fürdie passive Sicherheit des Motorrades als positivzu bewerten. Problematisch ist aber, dass beimBremsen durch nachteilige Hebelverhältnisse undsehr hohe Reibwerte mit daraus resultierendenstarken Verzögerungen die Gefahr des Kippensüber das Vorderrad steigt.

Studien des zeitlichen Ablaufs von Crashtestshaben gezeigt, dass Motorradaufsassen in denmeisten Fällen erst dann anfangen, nach vorne zurutschen, wenn das Vorderrad durch Deformationder Gabel und Standrohre bereits mit dem Motor-block in Berührung gekommen ist (GRANDEL etal., 1987). Um diesen Vorgang zu beschleunigen,ist der gezielte Einbau von Knickstellen in die Vor-derrad-Gabel vorgeschlagen worden. Daraus kannein schnelleres Anheben des Motorradhecks resul-tieren. Diesbezügliche Versuche zeigten jedoch,dass die Zeitverkürzung nicht ausreicht, um dieAufwärtsbewegung des Motorradhecks so schnelleinzuleiten, dass sie noch wirksam auf den Aufsas-sen übertragen wird. Verhindert wird diese Übertra-gung durch das schnelle Vorrutschen des Aufsas-sen. Gänzlich wirkungslos sind solche Sollknick-stellen bei schrägem Anprall sowie der Kollision miteinem Gegner, der sich seitlich zum anprallendenMotorrad bewegt, da hierbei das Vorderrad umge-lenkt wird.

Die BMW AG meldete eine Neuentwicklung zumPatent an, welche die Telegabel bei einem Unfallaxial auseinander drückt. Die Aktivierung erfolgt

durch die Auslöseelemente des Airbags, das Aus-einanderdrücken durch einen Airbag-Treibsatz.Das Anheben der Motorradfront unter dem vorrut-schenden Aufsassen kann einen durchaus positi-ven Einfluss auf das weitere Ablösen und Flugver-halten des Aufsassen haben.

Grundsätzlich ist auch das Energie-Aufnahmever-mögen bei Deformation der Vorderrad-Aufhängungdes Motorrades im Hinblick auf die passive Sicher-heit ein relevantes Merkmal, Bild 4.10. Unter derVoraussetzung, dass die Verzögerung des Motorra-des durch Reibschluss oder zusätzliche Elementeauf den Aufsassen übertragen werden kann, ist esumso günstiger, je mehr kinetische Energie bei Kol-lisionsbeginn im Bereich des Vorderrades und sei-ner Aufhängung in Deformationsarbeit gewandeltwird.

4.1.2.8 Aufsassen-Kopfhöhe

Die Kopfhöhe des Motorradaufsassen spielt beieinem Anprall des Motorrades an der Seite einesPersonenkraftwagens eine entscheidende Rolle.Liegt sie über der Dachkantenhöhe des Unfallgeg-ners, so muss dies nicht durch besondere Maß-nahmen (die derzeit für kein Serien-Motorrad zurVerfügung stehen) herbeigeführt werden.

Wird davon ausgegangen, dass der Motorrad-Auf-sasse die Arme direkt vor der Kollision gestreckthat, lässt sich die Kopfhöhe unter Zuhilfenahmevon DIN 33 402 Teil 2 (Körpermaße von Menschen)

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Bild 4.10: Verschiedene Gabelkonstruktionen

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und einer gezeichneten maßstäblichen Seitenan-sicht des jeweiligen Motorrades mit ausreichenderGenauigkeit grafisch bestimmen. Um die Kopfhöheverschieden großer Aufsassen zu ermitteln, könnendie Bezugswerte der so genannten 5-%-Frausowie des so genannten 50-%- und 95-%-Mannesverwendet werden. Dabei ist die 5-%-Frau so klein,dass lediglich 5 % der Frauen kleiner sind als sie.Der 50-%-Mann repräsentiert eine durchschnittli-che Größe, wobei 50 % der Männer kleiner sind alser. Deutlich größer ist der 95-%-Mann. 95 % derMänner sind kleiner als er.

Die Ermittlung der Aufsassen-Kopfhöhe veran-schaulicht Bild 4.11. Üblicherweise werden die fol-gende Arbeitsschritte ausgeführt:

1. Maßstabsermittlung der Seitenansicht des Mo-torrades über den bekannten Radstand.

2. Körpertiefe (1.2) vom Schnittpunkt Tank-Sitz-bank zum Fahrzeugheck hin auftragen (StreckeA-B).

3. Auftragen der Senkrechten zur Sitzbankkonturim Punkt B. Auf dieser werden die mittlere Kopf-höhe (2.1), Punkt D, sowie die maximale Schul-terhöhe (2.3), Punkt C, markiert.

4. In der Mitte des Lenkergriffs wird das Maß dermaximalen Reichweite (1.1) in beliebigem Win-kel aufgetragen (Strecke E-F). Durch Drehungder Geraden E-F um E und B-C um B werdendie Punkte C und F in C‘ zur Deckung gebracht.

5. Die Schnittgerade B-C‘ ergibt den Winkel unddie Position des Aufsassen. D lässt sich nun aufB-C projizieren. Dieser Punkt D‘ entspricht demKopfmittelpunkt.

6. Der Abstand A-D‘ entspricht der Höhe desKopfmittelpunktes über der Sitzbank.

7. Die Aufsassenkopfhöhe ist der Abstand zwi-schen Kopfmittelpunkt und Fahrbahn unterBerücksichtigung der Einfederung des Motorra-des.

Die Körpermaße des Menschen entsprechend DIN33 402, Teil 2 werden im Folgenden anhand vonzwei Skizzen dargestellt. Die zugehörigen Wertebetragen:

1.1 maximale Reichweite nach vorne, beidarmig(Griffachse):

95-%-Mann = 78,7 cm50-%-Mann = 72,2 cm5-%-Frau = 61,6 cm

1.2 Körpertiefe:95-%-Mann = 31,8 cm50-%-Mann = 27,6 cm5-%-Frau = 23,8 cm

2.1 maximale Sitzhöhe:95-%-Mann = 96,2 cm50-%-Mann = 90,7 cm5-%-Frau = 80,5 cm

2.2 mittlere Kopfhöhe, sitzend:95-%-Mann = 84,4 cm50-%-Mann = 79,0 cm5-%-Frau = 68,0 cm

2.3 maximale Schulterhöhe, sitzend:95-%-Mann = 65,5 cm50-%-Mann = 61,0 cm5-%-Frau = 53,8 cm

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Bild 4.11: Skizze zur Ermittlung der Aufsassen-Kopfhöhe(MÜLLER, 1992)

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Durch Addition des Abstandes A–D‘ und der vomMotorrad-Hersteller angegebenen Sitzhöhe ergibt

sich die Aufsassen-Kopfhöhe. Dieser Wert muss al-lerdings um einen Korrekturwert vermindert wer-den, der sich aus dem Einfedern des Motorradesbeim Aufsitzen ergibt.

Als typspezifische Durchschnittswerte dieser Ein-federung konnten ermittelt werden:

Tourer: 20 mm Sportmaschine: 18 mm

Enduro: 30 mm Chopper: 15 mm

Um einen angemessenen Bezugswert für die ermit-telten Kopfhöhen zu erhalten, bietet sich die Höhedes VW Passat Variant Baujahr 1999 an (Bild 4.12),weil Pkw-Kombi-Modelle in der Regel höher sindals vergleichbare Personenkraftwagen. Der VWPassat Variant gehört zu den meistverkauftenKombi-Modellen in Deutschland und ist somit auchals Unfallgegner von Motorrädern relevant. Die Re-ferenzhöhe beträgt somit 1.490 mm.

Liegt bereits die Kopfhöhe der 5-%-Frau auf dembetrachteten Motorrad oberhalb der als Bezug ge-wählten Dachkante, ergibt das die bestmöglicheBewertung für dieses Merkmal. Die zweitbeste Be-wertung ergibt sich, wenn die Kopfhöhe des 50-%-Mannes und damit auch die des 95-%-Mannesüber der Bezugsdachkante liegt. Liegt nur noch dieKopfhöhe des 95-%-Mannes über der Bezugs-dachkante, ist die drittbeste Bewertung gegeben.Erreicht auch die Kopfhöhe des 95-%-Mannesnicht die Bezugsdachkante, werden für diesesMerkmal keine Bewertungspunkte vergeben.

4.1.2.9 Bewertungsbeispiel Sporttourer Yamaha FZS 600 Fazer

Als Beispiel wird die Bewertung eines Sporttourersdes Herstellers Yamaha, Typ FZS 600 Fazer, darge-stellt (Fall Nr. 23). Das Leergewicht des im Jahr1999 gebauten Motorrades beträgt 200 kg, alsFahrersitzhöhe sind 790 mm gemessen worden.Entsprechend dem Verfahren zur Kopfhöhenermitt-lung wurden folgende Werte ermittelt:

95-%-Mann = 155,8 cm50-%-Mann = 149,7 cm5-%-Frau = 145,0 cm

Die links stehende Zusammenfassung enthält alleBewertungsergebnisse. Die Summe der erreichtenPunktzahl einer Komponente wird mit dem Ge-wichtungsfaktor (Bild 4.3) multipliziert und ergibt sodie Bewertung dieses Bauteils.

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Bild 4.12: Aufsassen-Kopfhöhe im Vergleich zu einem VW Pas-sat Variant

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Bild 4.13 zeigt das Motorrad und seine Bewer-tungsergebnisse im Überblick. Als Gesamtpunkt-zahl erreichte die Yamaha FZS 600 Fazer 99 Punk-te. Damit erzielte dieses Motorrad das beste Er-gebnis aller bisher mit dem beschriebenen Verfah-ren bewerteten Sporttourer.

Die Bilder 4.14 bis 4.17 zeigen Bewertungsergeb-nisse für weitere Motorräder anderer Typen (Tourer,Chopper, Enduro und Sportmotorrad). Im Anhangzum vorliegenden Bericht sind weitere Beispieledargestellt und alle ausführlichen Bewertungsbö-gen enthalten.

4.1.3 Übersicht der Ergebnisse bisher durchge-führter Bewertungen

Von den bisher nach dem vorstehend beschriebe-nen Verfahren bewerteten 91 Motorrädern gehören76 zu derzeit aktuellen Modellreihen. Darunter sind11 (14,5 %) Chopper, 17 (22,4 %) Sportmotorräder,9 (11,8 %) Sporttourer, 19 (25 %) Enduros und 10(26,3 %) Tourer, Bild 4.18.

Die maximal erreichbare Bewertungspunktzahleines einzelnen Motorrades liegt bei 214. Sporttou-rer, die sowohl Bauteile und Eigenschaften von

47

Bild 4.15: Übersicht und Bewertung der passiven Sicherheiteiner BMW RT 1200 C Cruiser

Bild 4.16: Übersicht und Bewertung der passiven Sicherheiteiner Kawasaki KLE 650

Bild 4.13: Übersicht und Bewertung der passiven Sicherheiteiner Yamaha FZS 600 Fazer

Bild 4.14: Übersicht und Bewertung der passiven Sicherheiteiner Yamaha GTS 1000 A

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Sportmotorrädern als auch von Tourern besitzen,liegen mit der durchschnittlichen Gesamtpunktzahl78,5 im Mittelfeld aller bewerteten Motorräder. Alsungünstig sind die Ergebnisse der Chopper mit59,9 mittlerer Gesamtpunktzahl und die der Sport-motorräder (56,2 Punkte) zu bewerten, Bild 4.19.

Die bereits früher bewerteten Oldtimer, die in denJahren 1912 bis 1981 gefertigt wurden, erreichten59,9 als durchschnittliche Punktzahl der Gesamt-bewertung. Dies entspricht den heutigen Choppernund Sportmotorrädern, Bild 4.19.

Damit liefern die durchgeführten Bewertungenplausible quantitative Ergebnisse, die in der Relati-on zueinander den qualitativen Erwartungen ent-sprechen. Ein zentrales Ergebnis der durchgeführ-ten Bewertung ist, dass die passive Sicherheit von

Enduros und Tourern deutlich größer ist als die vonSporttourern, Sportmotorrädern und Choppern.

Bei sachkundiger Betrachtung der einzelnen Mo-torräder und beim Nachvollziehen der Bewertun-gen im Anhang zum vorliegenden Bericht fallenentsprechende Nachteile und Vorteile der einzel-nen Typen auf. Negativbeispiele mit Nachteilen hin-sichtlich der passiven Sicherheit, die in der ein-schlägigen Literatur genannt werden, sind in derRegel Sportmotorräder oder Chopper. Im Gegen-satz dazu basieren die gängigen Sicherheitsmotor-rad-Studien und -Konzepte auf Tourern.

Die guten Bewertungsergebnisse der Enduros sindmeist auf die sehr große Kopfhöhe der Aufsassenzurückzuführen. Oft erreicht oder überragt sogardie Kopfmitte der 5-%-Frau den gewählten Grenz-wert von 1.490 mm. Das ergibt bei diesem Merk-mal allein 50 Bewertungspunkte. Weiterhin weisendie Lenker, die bei manchen Enduros mit Hand-schützern ausgerüstet sind, sowie Tanks und Sitz-bänke positive Merkmale hinsichtlich der passivenSicherheit auf.

Tourer erreichen ihre günstige Bewertung durch dieTankgestaltung und die oftmals vorhandene Ver-kleidung, welche zumindest die Beine schützt. InEinzelfällen sind bei den Verkleidungen der TourerVorschläge von Sicherheits-Motorrad-Konzepten(Kniepolster, Abstützung von Knien und Unter-schenkeln zur Einleitung der Vorwärts-Aufwärtsbe-wegung des Motorradfahrers in Verbindung miteiner günstig gestalteten Tankrampe) wiederzufin-den. Außerdem liegt die Kopfhöhe der 5-%-Frauauf einem Tourer in der Regel nur knapp unterhalbdes gewählten Grenzwertes von 1.490 mm.

Sportmotorräder erhalten vor allem wegen ihrerhinsichtlich der passiven Sicherheit ungünstigen

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Bild 4.17: Übersicht und Bewertung der passiven Sicherheiteiner Suzuki TL 1000 S

Bild 4.18: Verteilung der bewerteten einzelnen Motorräder aufihre Motorradtypen

Bild 4.19: Streubereiche und durchschnittliche Punktzahlen derGesamtbewertung

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Tankformen und aggressiven Verkleidungen sowieder niedrigen Kopfhöhe der Aufsassen geringe Be-wertungspunktzahlen. Dabei erreicht häufig nichteinmal der 95-%-Mann die mittlere Kopfhöhe von1.490 mm. Bei fast allen Sportmotorrädern sindVerkleidungen die Regel. Diese sind meist aber sogestaltet, dass sich der Aufsasse bei einer Kollisiondaran verhaken kann, wodurch Verletzungen mög-lich sind.

Bei Choppern ist vor allem die niedrige Sitzpositi-on, aus der eine niedrige Kopfhöhe resultiert, Ursa-che ihrer geringen Bewertungspunktzahlen. DiesenMotorrädern fehlt zudem eine Verkleidung. Weiter-hin können durch Verhakungen am Lenker Verlet-zungen hervorgerufen werden.

4.2 Ergebnisse von Crashtests

Neben einer allgemeinen Begutachtung und Be-wertung der passiven Sicherheit von Motorrädernanhand des vorhandenen Fachwissens, verfügba-rer Fahrzeugbeschreibungen und vorhandenerMerkmale, wie im vorangegangenen Abschnitt dar-gestellt, können für die weitere Bewertung der pas-siven Sicherheit die Ergebnisse von Crashtestsverwendet werden. Zu den Vorteilen von Crash-tests gehört, dass sie konkrete Messergebnisse lie-fern, die Rückschlüsse auf das Bewegungsverhal-ten der Aufsassen, ihre Anprallkontakte sowie diedamit verbundenen biomechanischen Belastungenund Verletzungsrisiken ermöglichen. Es muss je-doch beachtet werden, dass mit den Versuchen dieVielfalt des relevanten Unfallgeschehens (Kolli-sionstypen, Kollisionsgeschwindigkeiten usw.) hin-reichend nachgebildet wird und dass die Ergebnis-se der Versuche reproduzierbar sind.

Die Durchführung von Full-Scale-Crashtests mitMotorrädern reglementiert der Standard ISO13232. Er wurde Anfang der 90er Jahre durch dieArbeitsgruppe ISO WG 22 erstellt (van DRIES-SCHE, 1994). Daran beteiligt waren 25 Expertenaus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, denNiederlanden, Belgien, Italien, USA, Japan und Ka-nada. Die Arbeiten begannen im September 1992.Der erste Entwurf des Standards wurde im Mai1994 vorgelegt. Im Dezember 1996 erschien dieerste Auflage von ISO 13232. Motorradherstellerund Behörden berücksichtigen diesen Standardheute weltweit bei der Erforschung des realen Un-fallgeschehens, bei rechnerischen Unfall-Simula-tionen und bei der Durchführung von Full-Scale-

Crashtests (IIJIAMA et al., 1998, ROGERS undZELLNER, 1998, KALLISKE und ALBUS, 1998).Dabei soll ISO 13232 als so genannter „DevelopingStandard” aufgrund der gesammelten Erfahrungenund neuer Erkenntnisse kontinuierlich weiterent-wickelt werden.

Von den in ISO 13232 insgesamt definierten 25Motorrad/Personenkraftwagen-Anstoßkonstella-tionen (siehe Kapitel 2.3.2) sind sieben zur Durch-führung von Full-Scale-Crashtests definiert, Bild4.20. Die übrigen Konstellationen sollen mit rech-nerischen Simulationen analysiert werden. Bei denFull-Scale-Tests steht der Personenkraftwagenoder er kollidiert mit 35 km/h (Konfiguration 143)bzw. 24 km/h Geschwindigkeit. Bei Konfiguration143 steht das Motorrad, bei den übrigen kollidiertes mit 48 km/h Geschwindigkeit.

Ergebnisse von Full-Scale-Crashtests mit Anstoß-konstellationen nach ISO 13232 sind bereits mehr-fach publiziert worden (BERG et al., 1998, BERG etal., 2000). Diese können damit bereits in eine Ana-lyse und Bewertung des Status quo der passivenSicherheit von motorisierten Zweirädern einbezo-gen werden.

Der Hersteller Honda testete Motorräder mit undohne Airbags (IIJIAMA et al., 1998, YAMASAKI etal., 2001). Der Airbag nahm hinsichtlich seiner Wir-kung besonders auf die Bereiche Hals und KopfEinfluss, wobei die Wirkung beim Kopf im Allge-meinen zu einer Verringerung und beim Hals zumTeil zu einer deutlichen Erhöhung des Verletzungs-risikos geführt hat. In vier Fällen hatte der Airbag,

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Bild 4.20: Anstoßkonfigurationen motorisiertes Zweirad/Perso-nenkraftwagen bei den nach ISO 13232 vorgeschla-genen Full-Scale-Crashtests

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auf die Gesamtbelastung des Körpers bezogen,eine positive, in zwei Fällen eine negative und indrei Fällen eine nur sehr geringe oder keine Wir-kung.

Im verletzungskritischsten Fall, der Konfiguration413 (rechtwinkliger Frontalaufprall eines Motorra-des gegen die Seite eines Personenkraftwagens),schlägt der Dummy ohne Airbag mit dem Kopfgegen das Dach des Personenkraftwagens, was zufatalen Verletzungen des Halses führt, wogegenbeim mit Airbag ausgerüsteten Motorrad der größ-te Teil der Energie des Aufsassen-Anpralls vom Air-bag aufgenommen wird. Der Kontakt des Dummy-Kopfes mit der Dachkante wird durch den Airbagvermieden. Erst mit dem Aufprall des Kopfes aufdem Boden wurden Kopfbelastungen festgestellt,die einer leichten Verletzung (AIS 1) entsprechen.Der Motorradfahrer-Dummy hat den Airbag durch-schnittlich 13 ms nach dem vollständigen Befüllenberührt. Die Ansprechzeiten für die Sensoren zurAuslösung des Airbags lagen zwischen 8 und 14ms, das Befüllen des Airbags dauerte zwischen 34und 46 ms.

KEBSCHULL et al. (1998) untersuchten außerdemdie Vergleichbarkeit von Computersimulationenund realen Crashtests nach ISO 13232 am Beispielvon so genannten „UKDS-Beinschützern“ für Mo-torradfahrer (UKDS = United Kingdom Draft Speci-fication). Ergebnis der Untersuchungen war, dassComputer-Simulationen nach ISO 13232 nur teil-weise durchführbar sind und als geeignet angese-

hen werden können. Deshalb kann auch nur in be-grenztem Maße eine Bewertung für passive Sicher-heitseinrichtungen an Motorrädern per Simulationdurchgeführt werden. Aus der Untersuchung ginghervor, dass durch die Verwendung von „UKDS-Beinschützern“ eine Verlagerung der Verletzungenvon der Tibia hin zu den Oberschenkelknochenentstehen kann. Zudem wird das Gesamtverlet-zungsrisiko mit diesen Beinschützern eher größerals kleiner. Auf Full-Scale-Crashtests kann jedochauch in Zukunft nicht verzichtet werden, da geradedie Entwicklung neuer Sicherheitselemente zu un-erwarteten Ergebnissen führen kann.

Im DEKRA-Crashzentrum wurden alle nach ISO13232 vorgesehenen Motorrad-Crashtests im Her-steller-Auftrag bereits durchgeführt. Einige Testsund ihre Ergebnisse sind auch publiziert worden(BERG et al., 1998). Hierbei wird das motorisierteZweirad mit dem durch einen Dummy repräsentier-ten Aufsassen in einem Schlitten fixiert, Bild 4.21.Damit findet die Beschleunigung des Zweiradesauf die vorgegebene Geschwindigkeit statt. Demfolgt eine Phase mit konstanter Geschwindigkeit,an deren Ende der Schlitten schnell und gleich-mäßig über eine Reibungsbremse (Stahldorn mit sogenannter „Olive“ gleitet in ein Kunststoffrohr) biszum Stillstand verzögert wird. Dabei spricht dieAuslöseeinheit an und das Motorrad mit demDummy verlässt infolge der Trägheitswirkung denSchlitten. Anschließend fährt das Motorrad etwaeine Fahrzeuglänge bis zur Kollision frei weiter.

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Bild 4.21: Schlitten zur Fixierung von Dummy und Motorrad während der Bewegung bis kurz vor den Kollisionsort

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Als Motorrad-Aufsassen schreibt ISO 13232 einenbesonderen „Anthropometric Impact Dummy“ vor.Ein solcher Dummy wurde von der Firma DynamicResearch International (DRI) entwickelt und exis-tiert unter der Bezeichnung MATD (MotorcyclistAnthoropometric Test Device), Bild 4.22. Der MATDwurde auf Basis des bekannten Dummys Hybrid III,welcher bei Crashtests in Fahrzeugen (sitzendePuppe), bei Fußgänger-Crashtests (stehendePuppe) und bei Zweirad-Crashtests (stehendePuppe) zum Einsatz kommt, weiterentwickelt. Diewesentlichen Unterschiede zwischen Hybrid-III-Dummy und MATD sind Modifikationen im Bereichder Oberschenkel, Knie und Unterschenkel. Hierwurden beim MATD die Stahlteile (Knochen) desHybrid III durch brechbare Kunststoffteile ersetzt.Auf diese Weise können Bruchbelastungen derOber- und Unterschenkel analysiert werden. Zu-dem können Belastungen (Kraft, Biegung, Sche-rung) in den Kniegelenken des MATD mittels Kraft-messdosen erfasst werden.

Die Verfügbarkeit des MATD ist derzeit noch sehreingeschränkt. Für entsprechend aufwändige Ver-suche kann ein solcher Dummy von der Entwickler-und Betreiberfirma DRI samt Bedienpersonal underforderlichen Ersatzteilen, die nach Zerstörung beieinem Versuch auszuwechseln sind, angefordertwerden. Dies ist mit relativ großen Kosten verbun-den. Deshalb wurde der MATD im DEKRA-Crash-

zentrum bisher nur bei Versuchen eingesetzt, dieim Auftrag von Fahrzeugherstellern durchgeführtwurden. Bei den bisher durchgeführten eigenfinan-zierten Versuchen ist auf den Einsatz eines solchenDummys verzichtet worden. Alternativ wurde einkonventioneller Dummy Hybrid III (50th percentilemale, stehende Puppe) verwendet. Damit sind dieüblichen Verzögerungen in Kopf, Brust undBecken, die Belastungen des Halses (Kraft in x-und z-Richtung, Moment um die y-Achse), die Brustintrusion und die Druckkräfte in beiden Ober-schenkeln messbar. Es fehlen somit die erweitertenMöglichkeiten des MATD zur Beurteilung vonBruchbelastungen der Ober- und Unterschenkelsowie der Kniebelastungen.

Die Beweglichkeiten von MATD und Hybrid III alsauch die Massenverteilungen sind annäherndgleich, so dass diesbezüglich von einer sehr ähnli-chen Biofidelität der beiden Dummys ausgegangenwerden kann. Es ist in diesem Zusammenhang zubeachten, dass ein bei Full-Scale-Crashtests denMotorradaufsassen repräsentierender DummySchutzbekleidung (Lederkombi, Lederstiefel, Le-derhandschuhe und Helm) trägt. Das beeinflussteinerseits die Beweglichkeit und andererseits wirdder Dummy hierdurch vor Anprallbelastungen ge-schützt. Dies unterscheidet den Einsatz des Dum-mys bei Crashtests mit Personenkraftwagen, indenen er nur mit einer leichten kurzen Baumwoll-

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D

Bild 4.22: Motorcyclist Antrophometric Test Device MATD

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Hose und einem leichten kurzärmeligen Baumwoll-Hemd sowie Straßenschuhen aus Leder bekleidetim Fahrzeug sitzt, erheblich.

4.2.1 Konfiguration 414 nach ISO 13232

Es wurden bisher bei DEKRA drei Full-Scale-Crashtests nach Konfiguration 414 (Frontalaufpralleines Motorrades unter 45° gegen die Seite eines

Autos) durchgeführt, die für Publikationen freigege-ben worden sind. Diese Tests können somit auchim Rahmen des vorliegenden Projektes verwendetwerden. Bei einem Versuch stieß eine MuZ Skorpi-on Tour mit 48 km/h gegen die B-Säule eines 24km/h schnellen VW Golf I, Bild 4.23. Bei einem wei-teren Versuch stieß eine Honda CB 450 N mit 47km/h Geschwindigkeit gegen einen stehenden VWGolf I, Bild 4.24. Ein dritter Versuch wurde mit An-stoß einer 47 km/h schnellen MuZ Skorpion Tourgegen die B-Säule eines mit 24 km/h fahrendenVW Golf II durchgeführt, Bild 4.25.

In Tabelle 4.1 sind die Messwerte der Versuche SH95.33 und SH 96.20 aufgeführt. Bei Versuch SH95.32 rissen Messkabel, deshalb stehen zu diesemTest nur die Ergebnisse der Filmauswertung (Be-wegungsabläufe) zur Verfügung. Der Kopfanpralldes Motorradfahrers am Personenkraftwagen er-eignete sich bei allen drei Versuchen zwischen 124und 158 ms nach dem Anprallbeginn des Motor-rad-Vorderrades.

Bei Versuch SH 95.33 mit Anprall exakt in der Mittedes Personenkraftwagens (gemäß Vorgabe nachISO 13232, Konfiguration 414) hat der Motorrad-fahrer Kopfkontakt an der rückwärtigen Seiten-scheibe des Personenkraftwagens. Danach gleiteter an dessen hinterer Seitenwand ab. Dies ist mitrelativ geringen Belastungen verbunden. Trifft je-

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Bild 4.23: Full-Scale-Crashtest nach Konfiguration 414 ISO13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellen SkorpionTour gegen die B-Säule eines mit 24 km/h fahrendenVW Golf I, (SH 95.32, BERG et al., 1998)

Bild 4.24: Full-Scale-Crashtest nach Konfiguration 414 ISO13232 mit Anstoß einer 47 km/h schnellen Honda CB450 N gegen einen stehenden VW Golf I, (SH 95.33,BERG et al., 1998)

Bild 4.25: Full-Scale-Crashtest SH 96.20 nach Konfiguration414 ISO 13232 mit Anstoß einer 47 km/h schnellenMuZ Skorpion Tour gegen einen mit 24 km/h fahren-den VW Golf II, (SH 96.20, BERG et al., 1998)

Tab. 4.1: Übersicht der Dummy-Messwerte bei den VersuchenSH 95.33 und SH 96.20 (Konfiguration 414 ISO13232)

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doch bei Versuch SH 96.20 das Motorrad den Per-sonenkraftwagen ca. 15 cm weiter hinten (noch in-nerhalb der zulässigen Toleranz nach ISO 13232),gleitet der Dummy bereits mit dem Beginn des An-pralls an der Pkw-Seite entlang, Bild 4.25. Daher istes bei Durchführung derartiger Tests wichtig, denvorgesehenen Punkt am Personenkraftwagenexakt zu treffen, um so eine Vergleichbarkeit derBewegungsabläufe und Anprallereignisse zu ge-währleisten.

Beim Vergleich der Messwerte fällt bei beiden Ver-suchen die erhöhte Kopfbeschleunigung a3ms = 57 bzw. 63 g auf. Die HIC–Werte sind dagegen mit157 bzw. 281 relativ gering. Besonders stark wirdder Hals mit einem Halsbiegemoment von 72,6 Nm(Retroflexion) und einer maximalen Halskraft von3,64 kN bei Versuch SH 96.20, Tabelle 4.1, belastet.

Beim Test mit Anstoß einer Honda CB 450 N an derSeite eines VW Golf I (SH 95.33) wird der linkeOberschenkel mit einer Kraft von 10,3 kN (Druck-kraft) über dem zugehörigen biomechanischenGrenzwert von 10 kN belastet, Tabelle 4.1. Dage-gen ist beim Versuch SH 96.20 die Belastung deslinken Oberschenkels nur gering. Dies ist aus demBewegungsablauf zu erklären: Bei Versuch SH96.20 rutscht der Dummy schneller nach vorn, derPunkt des Kopfkontaktes liegt aber tiefer am Fahr-zeug und die Beine werden auf Zug belastet, da siebereits vom Motorrad gelöst sind. Im Gegensatzdazu sitzt der Dummy bei Versuch SH 95.33 unmit-telbar vor dem Kopfanprall nur wenig nach vornegeneigt auf dem Motorrad. Beim Anstoß am Perso-nenkraftwagen wird vor allem der linke Oberschen-kel auf Druck belastet. Die Unterschiede der Belas-tungen im Oberschenkel sind somit auf unter-schiedliche Bewegungsabläufe zurückzuführen.

Die Brustbelastung lag bei Versuch SH 96.20 mita3ms = 88 g ebenfalls über dem zugehörigenGrenzwert 60 g. Diese ist auf den harten Anprallder Brust auf den Lenker und die Instrumententafelzurückzuführen. Dieser fand etwa zeitgleich mitdem Kopfanprall (158 ms) statt.

4.2.2 Konfiguration 412 nach ISO 13232

Nach Konfiguration 412 wurde bisher ein für Publi-kationen freigegebener Test durchgeführt, Bild4.26. Dabei stieß ein Roller Herchee Cat 50 mit 48km/h gegen die Seite eines mit 24 km/h fahrenden3er BMW. Bei diesem Versuch wurde ein nicht ins-trumentierter Hybrid-III-Dummy benutzt. Es liegendaher keine Messwerte vor. Aus dem Bewegungs-

ablauf ist jedoch ersichtlich, dass der Dummy eineähnliche Vorwärtsbewegung wie ein normaler Mo-torradfahrer durchführt. Es kommt ebenfalls zueinem Kopfanprall an der Dachkante des Pkw. Eine marginale Veränderung durch den Beinschutzstellte sich nicht ein. Ein Vergleich mit Motorrad-crashtests ist daher möglich.

4.2.3 Konfiguration 413 nach ISO 13232

Nach Konfiguration 413 ISO 13232 wurden bisherebenfalls drei für Publikationen freigegebeneCrashtests durchgeführt. Weitere Versuche nachKonfiguration 413 ISO 13232 wurden im Rahmendes vorliegenden Projektes durchgeführt und sindin Kap. 4.2.4 beschrieben. Bild 4.27 zeigt einenVersuch, bei dem eine Suzuki GSX 400 E mit 48km/h Geschwindigkeit gegen die B-Säule einesstehenden VW Golf II stößt.

Bei Kollisionsbeginn bilden die Fahrzeuglängsach-sen den Winkel 90°. Der stehende Pkw räumtwährend des Bewegungsablaufes nicht die Kollisi-

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Bild 4.26: Full-Scale-Crashtest nach Konfiguration 412 ISO13232 mit Anstoß eines 48 km/h schnellen RollersHerchee Cat 50 gegen einen mit 24 km/h fahrendenBMW 3er, (SH 97.33, BERG et al., 1998)

Bild 4.27: Full-Scale-Crashtest nach Konfiguration 413 ISO13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellen SuzukiGSX 400 E gegen einen stehenden VW Golf II, (SH96.21, BERG et al., 1998)

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onsstelle. Infolgedessen wird der größte Teil der ki-netischen Energie des anstoßenden Motorrades inDeformationsarbeit umgesetzt. Dies spiegelt sichin der anprallbedingten Beschleunigung des Kopfes mit a3ms = 84,4 g wieder. Die Belastung desHalses bei der Retroflexion liegt mit -126,1 Nm weitüber dem zugehörigen Grenzwert -57 Nm.

Für zwei weitere Versuche, SH 99.27 und SH99.32, die ebenfalls nach Konfiguration 413 ISO13232 durchgeführt wurden, zeigen die Bilder 4.28und 4.29 die zugehörigen Bewegungsabläufe. An-ders als bei Versuch SH 96.21 war hierbei der Per-sonenkraftwagen bereits vor der Kollision bewegt(BERG et al., 2000).

In Tabelle 4.2 sind die Messwerte der drei nachKonfiguration 413 ISO 13232 durchgeführten Ver-suche gegenübergestellt. Die hierbei gemessenenKopfbelastungen sind bei den beiden Versuchengegen den fahrenden Pkw deutlich geringer alsbeim Versuch gegen den stehenden (SH 96.21).Der Messwert der Retroflexionsbelastung des Hal-ses liegt zwar beim Versuch SH 99.32 mit -59 Nm

dicht über seiner biomechanischen Grenze, istaber ebenfalls deutlich geringer als beim VersuchSH 96.21. Auch der 3-ms-Wert der HalsdruckkraftFZ = 1,03 kN liegt beim Versuch SH 99.27 nahe ander zugehörigen biomechanischen Grenze. Mit -8,1 kN liegt die linke Oberschenkelkraft bei Ver-such SH 99.27 weit höher als bei den anderen Ver-suchen derselben Konfiguration. Dies ist durch denzufälligen rechtwinkligen Anprall des Beines auf derFahrbahn zu erklären.

4.2.4 Full-Scale-Tests im Rahmen des vorlie-genden Projektes

Im Rahmen des vorliegenden Projekts wurden dreiFull-Scale-Tests nach Konfiguration 413 durchge-führt. Die beteiligten Fahrzeuge waren bei allenTests identisch. Als Motorrad kam eine YamahaFZS 600 Fazer zum Einsatz. Kollisionspartner warein VW Golf II. Das Motorrad prallte mit einer Ge-schwindigkeit von 48 km/h gegen den stehendenPkw. Die Bewegungsabläufe der beiden ersten Ver-suche SH 00.65 und SH 01.01 sind in den Bildern4.30 und 4.31 dargestellt. Der Kopfanprall fandbeim Versuch SH 00.65 bei t = 93 ms und beimVersuch SH 01.01 bei t = 102 ms statt.

Beim dritten Full-Scale-Versuch (SH 01.72) war dieYamaha mit einem speziell konzipierten Airbag

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Bild 4.28: Full-Scale-Crashtest nach Konfiguration 413 ISO13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellen YamahaGTS 1000 gegen einen mit 24 km/h fahrenden FiatTipo, (SH 99.27, BERG et al., 2000)

Bild 4.29: Full-Scale-Crashtest nach Konfiguration 413 ISO13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellen Yama-haGTS 1000 gegen einen mit 24 km/h fahrenden FiatTipo, (SH 99.32, BERG et al., 2000)

Tab. 4.2: Übersicht der Dummy-Messwerte bei den VersuchenSH 96.21, SH 99.27 und SH 99.32 (Konfiguration 413ISO 13232)

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ausgerüstet, der über einen Berührungssensor undein Zeitverzögerungsglied gezündet wurde. DerAirbag stellte sich nach den Schlittenversuchen alsdas Sicherheitselement mit den geringsten Dum-mybelastungswerten heraus. Dies sollte mit einemabschließenden Full-Scale-Test verifiziert werden.Der Bewegungsablauf dieses Versuches ist in Bild4.32 dargestellt. Der Kopfanprall (Zeitpunkt mit derhöchsten Kopfverzögerung) fand nach 109 msstatt.

Die gemessenen Dummy-Belastungen sind in Ta-belle 4.3 zusammengefasst. Die Werte der resultie-renden Kopfbeschleunigung sind bei den beidenersten Versuchen nahezu identisch und liegen mit79 g bzw. 78,4 g am Grenzwert von 80 g. Hier sinderhebliche Verletzungen zu erwarten. Die HalskraftFX ist mit 0,63 kN und 0,89 kN etwas erhöht. Ursa-che für diese Belastungswerte ist der Kopfanpralldes Dummys an die Dachkante des Personenkraft-wagens. Beim Versuch SH 01.01 liegt die Druck

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Bild 4.30: Bewegungsablauf beim Full-Scale-Test SH 00.65 nach Konfiguration 413 ISO 13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellenYamaha FZS 600 Fazer gegen einen stehenden VW Golf II

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kraft im linken Oberschenkel mit 9,2 kN nahe demGrenzwert von 10 kN. Dies ist mit dem zufälligenAuftreffen des Beines auf der Fahrbahn gegenEnde des Versuchs zu erklären. Alle anderen Mess-werte liegen im unkritischen Bereich. Beim VersuchSH 01.72 zeigt der Airbag seine schützende Wir-kung. Hier liegen alle Messwerte deutlich unter den

Grenzwerten. Hervorzuheben ist hier der beson-ders niedrige HIC-Wert von 69 (siehe Kapitel 4.2.5).

4.2.5 Zusammenfassende Darstellung der Full-Scale-Crashtestergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der vorste-hend beschriebenen Full-Scale-Crashtests zusam-

56

Bild 4.31: Bewegungsablauf beim Full-Scale-Test SH 01.01 nach Konfiguration 413 ISO 13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellenYamaha FZS 600 Fazer gegen einen stehenden VW Golf II

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mengefasst und somit der Status quo der Motor-rad-Sicherheit, wie er sich anhand dieser Crash-versuche darstellen lässt, beschrieben und kom-mentiert.

Bild 4.33 zeigt den HIC-Wert aller Tests der Konfi-gurationen 413 und 414 nach ISO 13232. DieserWert liegt für alle Versuche sehr deutlich im unkriti-schen Bereich, obwohl der Dummykopf bei fast

allen Versuchen an der harten Dachkante anprallte(Ausnahme SH 01.72); ein Ergebnis, auf das dieSchutzwirkung des Helmes einen entscheidendenEinfluss hat. Der niedrige Wert von Versuch SH01.72 zeigt, dass die Vermeidung des Kopfanprallsdurch den Airbag zu einer drastischen Senkungdes HIC-Wertes führt und somit einen Schritt in dierichtige Richtung darstellt.

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Bild 4.32: Bewegungsablauf beim Full-Scale-Test SH 01.72 nach Konfiguration 413 ISO 13232 mit Anstoß einer 48 km/h schnellenYamaha FZS 600 Fazer (Ausrüstung mit Airbag) gegen einen stehenden VW Golf II

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Bei Betrachtung der resultierenden Kopfverzöge-rungen in Bild 4.34 stellen sich die Messwerte dif-ferenzierter dar. Der biomechanische Grenzwert

wird bei den drei Versuchen mit stehendem Pkwunter 90°-Anprall ohne Airbag entweder erreichtoder sogar überschritten. Der Dummy prallte mitdem Kopf unmittelbar gegen die Dachkante desPkws. Hierbei war die Anprallenergie so hoch, dassin allen Fällen der Pkw um etwa 30–40 cm angeho-ben wurde. Die Dachkante gab nur wenig nach, sodass der Kopf und der Hals den größten Teil derEnergie aufnehmen mussten. Hier sind erheblicheVerletzungen zu erwarten.

Beim Anprall gegen den fahrenden Pkw (SH 99.27und SH 99.32) sind die gemessenen Werte nicht sohoch, da hier aufgrund der seitlichen Bewegungdes Personenkraftwagens ein Abgleiten des Dum-mys stattfand. Die axiale Belastung auf den Kopfist somit nicht mehr so hoch. Dies gilt ebenso beimschrägen Anprall nach Konfiguration 414.

Der Versuch mit eingesetztem Airbag (SH 01.72)liefert hier wiederum den niedrigsten aller Verzöge-rungswerte. Auch bei diesem Versuch wurde derPkw angehoben und seitlich versetzt. Allerdingswurde ein großer Teil der Anprallenergie des Dum-mys vom Airbag aufgenommen, indem er einer-seits den Dummykopf weich auffing und ihn ande-rerseits über die Dachkante hinweghob.

Bei Betrachtung der Halsbiegemomente Mby inBild 4.35 präsentiert sich ein ähnlich uneinheitli-ches Bild. Beim Versuch SH 96.21 beträgt dasHalsbiegemoment nach hinten (Retroflexion) 126Nm und ist damit mehr als doppelt so hoch wie derzulässige biomechanische Grenzwert von 57 Nm.Dieser hohe Wert resultiert aus der Tatsache, dassder Auftreffpunkt des Dummys etwas unterhalb derDachkantenmitte am Pkw lag. Es fand ein Abglei-ten des Dummykopfes nach unten statt. Dies hatteaufgrund der Hebelverhältnisse ein Moment nach

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Tab. 4.3: Übersicht der Dummy-Messwerte bei den Full-Scale-Tests SH 00.65, SH 01.01 und SH 01.72

Bild 4.33: Übersicht über die gemessenen HIC-Werte der Ver-suche nach Konfiguration 413 und 414, ISO 13232

Bild 4.34: Übersicht über die gemessenen Werte der resultie-renden Kopfverzögerung aller Versuche der Konfigu-rationen 413 und 414 nach ISO 13232

Bild 4.35: Übersicht über die gemessenen Werte des Halsbie-gemomentes Mby nach hinten (Retroflexion) allerVersuche der Konfigurationen 413 und 414 nach ISO13232

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hinten zur Folge. Das gleiche Szenario lag bei Ver-such SH 99.32 vor. Hier liegt die gemessene Belas-tung mit 59 Nm knapp über dem Grenzwert. BeimVersuch SH 96.20 prallte der Dummy mit dem Kopfgegen den unteren Scheibenrahmen der hinterenTür des Pkw und erzeugte so wiederum ein Hals-moment nach hinten. Daraus resultiert der hoheWert von 72 Nm. Bei den übrigen Versuchen wardie Retroflexion unterkritisch.

In Bild 4.36 und Bild 4.37 sind die Dummybelas-tungen für Brust und Becken dargestellt. Die Werteliegen überwiegend weit unterhalb ihrer biomecha-nischen Grenzwerte. Lediglich beim Versuch SH96.20 liegt die Brustverzögerung weit oberhalb des zulässigen Grenzwertes. Grund hierfür ist derharte Anprall des Dummys an die Instrumententa-fel des Motorrades, der etwa zeitgleich mit demKopfanprall stattfand. Die Werte für die Beckenver-zögerung liegen sämtlich im unkritischen Bereich.Hier weist wiederum der Versuch SH 96.20 einenleicht erhöhten Wert auf. Bei diesem Versuchwurde als Motorrad eine MuZ Scorpion eingesetzt.Dieses Motorrad ist mit einem Sporttank ausgerüs-

tet, der eine Tankrampe von annähernd 90° hat. Diemögliche Trennung von Dummy und Maschine wirddadurch erschwert. Der Aufsasse wird durch dieAufprallverzögerung vor den Tank geschoben, derwie eine Barriere wirkt (hohe Beckenverzögerung).Der Oberkörper klappt vornüber und der Brustbe-reich schlägt auf dem Instrumententräger an (hoheBrustverzögerung).

Die Bilder 4.38 und 4.39 zeigen die Oberschenkel-belastungen im rechten und linken Bein des Dum-mys. Während die Belastungen im rechten Ober-schenkel unkritisch sind, zeigen sich im linkenOberschenkel einige Besonderheiten. Durch denschrägen Anprall nach Konfiguration 414 wird dasDummybein beim Versuch SH 95.33 zwischen Pkwund Krad eingeklemmt. Die Folge davon ist einehohe Druckbelastung, die mit 10 kN genau demGrenzwert entspricht. Bei den Versuchen SH 99.27und SH 01.01 sind die erhöhten Werte von 8,1 kNund 9 kN auf ein rechtwinkliges Abknicken des Bei-nes bei der Landung auf der Fahrbahn zurückzu-führen. Die übrigen Werte liegen im unkritischenBereich.

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Bild 4.36: Übersicht über die gemessenen Werte der resultie-renden Brustverzögerung aller Versuche der Konfigu-rationen 413 und 414 nach ISO 13232

Bild 4.37: Übersicht über die gemessenen Werte der resultie-renden Beckenverzögerung aller Versuche der Konfi-gurationen 413 und 414 nach ISO 13232

Bild 4.38: Übersicht über die gemessenen Werte der Druckkraftim linken Oberschenkel aller Versuche der Konfigura-tionen 413 und 414 nach ISO 13232

Bild 4.39: Übersicht über die gemessenen Werte der Druckkraftim rechten Oberschenkel aller Versuche der Konfigu-rationen 413 und 414 nach ISO 13232

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Werden die zuvor dargestellten Ergebnisse derdurchgeführten Full-Scale-Crashtests zusammen-gefasst, so stellt sich folgendes Bild dar:

Die ermittelten HIC-Werte lagen für alle Versucheunter dem Grenzwert. Bei den Halskräften war derGrenzwert einmal überschritten und zweimal nahe-zu erreicht. Das Halsbiegemoment lag dreimal überder kritischen Grenze, während der Grenzwert fürdie Brustverzögerung nur einmal überschrittenwurde. Die Messwerte für die Beckenverzögerungund die Oberschenkelbelastung lagen stets unter-halb der biomechanischen Grenzwerte.

Alle gemessenen kritischen oder lebensbedrohli-chen Belastungswerte resultieren direkt oder indi-rekt aus dem Kopfanprall des Dummys an derDachkante des Personenkraftwagens. Es handeltsich hierbei um die Kopf- und Brustverzögerungensowie das Halsbiegemoment. Die ermittelten Wertewaren teilweise so hoch, dass lebensgefährlicheoder tödliche Verletzungen die Folge sein können.Hierbei ist die Kollisionsgeschwindigkeit des Mo-torrades zu beachten. Entsprechend der Vorgabevon ISO 13232 betrug diese bei den durchgeführ-ten Versuchen 48 km/h. Im Vergleich zum realenUnfallgeschehen mit schwer verletzten und getöte-ten Motorrad-Aufsassen erscheint diese Ge-schwindigkeit als zu niedrig (siehe Kapitel 2.3.2 desvorliegenden Berichtes). Es ist zu vermuten, dassdie gemessenen Dummy-Belastungen – insbeson-dere des Kopfes – bei einer höheren Kollisionsge-schwindigkeit deutlich größere Risiken für schwers-te und tödliche Verletzungen aufgezeigt hätten.

Vordringliche Maßnahme ist also, Kopf und Hals zuschützen, um diese potenzielle Gefahr vom Motor-radaufsassen abwenden zu können. Der Kopfan-prall muss entweder verhindert oder aber ent-schärft werden (siehe Bild 2.31 in Kapitel 2.4). Dasheißt, beim Verbleiben des Aufsassen auf dem Mo-torrad muss die Anprall-Energie auf ein für den Mo-torradfahrer erträgliches Belastungsniveau abge-senkt werden. Ebenso könnte allerdings die Ener-gie dazu genutzt werden, den Aufsassen zumÜberfliegen des Kollisionsobjektes zu bewegen. Inbeiden Fällen müssen am Krad die Voraussetzun-gen durch zusätzliche Anbauteile geschaffen wer-den. Genau dieses Anforderungsprofil wurde vomAirbag in Versuch SH 01.72 erfüllt. Der direkteDachanprall des Kopfes wurde vermieden und dergesamte Oberkörper wurde über die Dachkantegehoben und so aus dem Gefahrenbereich ge-bracht. Alle gemessenen Werte lagen weit unter-halb der biomechanischen Grenzwerte.

Um allgemein gültige Erkenntnisse über das Po-tenzial eines Motorradairbags zu gewinnen, sindnach ISO 13232 jedoch weitere Full-Scale-Versu-che und Computersimulationen bei anderen Ver-suchskonstellationen sowie eine umfassende Kos-ten/Nutzen-Bewertung nötig.

5 Entwicklungspotenziale für diepassive Sicherheit motorisier-ter Zweiräder

Über die Sicherheit von Motorrädern wurde in derVergangenheit vielfach berichtet. Bereits Anfangder 70er Jahre sind Resultate von Crashtests mitMotorrädern publiziert worden (BOTHWELL, 1973).Der Komplexität des Themas entsprechend sindhierbei das Motorrad selbst, die Motorradfahrer-Schutzbekleidung und die Unfallgegner betrachtetworden. Einen Überblick über den Stand der Er-kenntnisse der passiven Motorradsicherheit mitSchwerpunkt auf Motorrad/Pkw-Kollisionen zu Be-ginn der 80er Jahre gibt SPORNER (1982). DenMotorrad-Alleinunfall behandelt LECHNER (1986).Die hierbei beschriebenen Möglichkeiten der Ent-wicklung von Sicherheitselementen und Sicher-heitsmotorrädern sowie vorhandene Sicherheits-defizite, z. B. von Lenkern und Tanks, wurdenmehrfach diskutiert (DANNER et al., 1986, LANG-WIEDER et al., 1987).

In Großbritannien sind in den 80er Jahren umfang-reiche Untersuchungen zum Thema Motorradfah-rer-Beinschutz durchgeführt worden (CHINN undMCAULY, 1986, CHINN et al., 1989). Ähnliche Un-tersuchungen fanden auch in Japan statt (SAKA-MOTO, 1989). Überlegungen der Hersteller zur Ver-besserung der Motorrad-Sicherheit lassen sich inder Patent-Literatur finden. Hierzu gehört unter an-derem ein beweglicher Tankaufsatz (PatentschriftBMW 1987) oder eine Airbag-gestützte Hubsitz-bank (Patentschrift BMW 1991). In den 90er Jahrengehörten die Vereinheitlichung der Bedingungenfür Full-Scale-Crashtests und numerische Simula-tionen zu den Schwerpunktthemen. Dabei standzunächst die kontrovers geführte Diskussion überden Nutzen des Beinschutzes für Motorradfahrerim Mittelpunkt des Interesses (ZELLNER et al.,1991, ROGERS, 1991). Ende der 90er Jahre istauch der Airbag für Motorradfahrer erneut mit um-fangreichen Testreihen untersucht worden (IIJIAMAet al., 1998).

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Zur Realisierung eines Motorrades mit gesteigerterpassiver Sicherheit sind grundsätzlich zwei Prinzi-pien vorstellbar. Einerseits kann – wie bei einemPersonenkraftwagen – der Aufsasse auf dem Mo-torrad-Sitz angegurtet werden. Dies ist in einer Pa-tentschrift von SCHIMMELPFENNIG (1986) aus-führlich beschrieben. Zu diesem Konzept gehörteine Deformationszone im Frontbereich des Motor-rades (so genannte „Knautschzone“). Bei einerFrontalkollision eines derartigen Sicherheitsmotor-rades wird in dessen Deformationszone kinetischeEnergie in Deformationsarbeit umgewandelt.Gleichzeitig hält der Gurt den Aufsassen auf demSitz zurück. Hierdurch lassen sich bis zu einer be-stimmten Kollisionsgeschwindigkeit direkte An-prallkontakte des Motorradfahrers mit dem Unfall-gegner vermeiden. Kritiker dieses Prinzips zweifel-ten daran, dass sich eine für die relevanten Kollisi-onsgeschwindigkeiten ausreichende Deforma-tionszone darstellen lässt. Zudem ist das Prinzipnur bei frontalen Kollisionen wirksam. Die Darstel-lung eines umfassenderen Schutzes auch beischrägen und seitlichen Kollisionen würde weitereMaßnahmen erfordern, die in Konsequenz letztlichzu einem für konventionelle Motorräder untypi-schen „zweirädrigen Sicherheitszellen-Vehikel“führen. In den 90er Jahren hat BMW mit dem C 1ein solches Fahrzeug entwickelt (LOTZ, 1991). Esweist ein frontales Deformationselement auf, dervon der Helmtragepflicht entbundene Fahrer ist aufseinem Sitz angegurtet und von einer Sicherheits-zelle umgeben. Die Markteinführung des C 1 fandim Frühjahr 2000 statt.

Zur Steigerung der passiven Sicherheit von kon-ventionellen Motorrädern wird in Fachkreisen über-wiegend ein anderes Prinzip favorisiert. Hierbei sollim Falle des frontalen Motorrad-Anstoßes so raschwie möglich die Trennung von Aufsasse und Mo-torrad eingeleitet werden. Hierfür ist es wichtig,dass sich der Aufsasse nicht an Teilen des Motor-rades verhakt. Eine aufrechte Sitzposition in Ver-bindung mit entsprechenden Gestaltungen vonLenker, Tank und Beinschutz kann die Trennungvon Aufsasse und Motorrad begünstigen. Im Falleder frontalen Kollision des Motorrades gegen dieSeite eines Personenkraftwagens kann so der be-sonders gefährliche Anprall des Motorradfahrer-Kopfes an der Dachkante des Personenkraftwa-gens vermieden werden. Im günstigsten Fall wirdein so genannter Überflug des Motorradfahrersüber den Unfallgegner hinweg eingeleitet. Auf derBasis der Untersuchungen und Erkenntnisse vonSPORNER (1982) entstand aus diesem Konzept

die Studie eines Sicherheitsmotorrades (GAUK-LER, 1984). Einige der in dieser Studie enthaltenenElemente und Wirkungsprinzipien sind auch beiSerien-Motorrädern zu finden. Mit den Arbeitenvon LECHNER (1986) ist das Prinzip der möglichstfrühzeitigen Trennung von Aufsasse und Motorradauch für Alleinunfälle als sicherheitsfördernd nach-gewiesen worden.

Im Folgenden werden die wichtigsten der in derVergangenheit und Gegenwart entwickelten Si-cherheitskonzepte für Motorräder und Motorradsi-cherheitselemente vorgestellt.

5.1 Motorrad-Sicherheitskonzepte

5.1.1 Konzept von SPORNER

Anfang der 80er Jahre hat SPORNER (1982) eineSicherheitsmotorrad-Studie vorgestellt (Bild 5.1),bei der im Fall einer frontalen Kollision gegen dieSeite eines Pkw durch eine günstige Sitzpositionsowie eine optimierte Gestaltung von Tankrampe,Beinschützer und Lenker der Überflug des Motor-radfahrers über das Dach des Pkw eingeleitet wird.

Das Anti-Dive-System wurde in den 80er Jahreneingeführt, brachte jedoch nicht den gewünschtenErfolg für die aktive Sicherheit. Daher verschwandes Anfang der 90er Jahre wieder vom Markt. Aufdie positive Wirkung hinsichtlich der passiven Si-cherheit wurde dabei keine Rücksicht genommen.Momentan wird kein Serienmotorrad mehr mit die-sem System ausgerüstet.

Beinprotektoren können das Bein des Fahrersbeim Frontalanprall oder beim Anprall schräg vonvorn direkt schützen, während sie sich auf die Auf-wärtsbewegung des Fahrers nach dem Anprallauch negativ auswirken können. Dies ist der Fall,wenn der Fahrer nicht mehr in translatorischer Be-wegung nach vorn bewegt wird, sondern durchden Anprall z. B. an die Beinschützer eine Rotation

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Bild 5.1: Möglichkeiten zur Verbesserung eines Zweirades hin-sichtlich passiver Sicherheit (SPORNER, 1982)

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um das Becken erfährt. Es ergibt sich dann eineVerringerung der Kopfhöhe und eine flachere Flug-bahn. Das Risiko, auf unelastische Komponentendes Unfallgegners zu treffen, ist somit höher.

Eine Abschätzung, welches Risiko für das Erleidenvon Verletzungen größer ist, muss im jeweiligenFall durch konkrete Tests und durch Auswertungenvon Realunfällen hinsichtlich beider Anprallsituatio-nen ermittelt werden. Aus den vorliegenden Unter-suchungen (vgl. Kapitel 2) kann jedoch schon auf-grund der Unfallhäufigkeit der frontalen Konfigura-tion 225 (ISO 13232) mit 1,5 % und des seitlichenAnpralls, Konfiguration 413 (ISO 13232), mit 15 %eine deutliche Tendenz aufgezeigt werden. Dem-nach steht im Allgemeinen die Vermeidung desKopfanpralls am Anprallgegner im Vordergrund.

SPORNER ergänzte 1987 sein Konzept durch denEinsatz eines Airbags und führte einige Versuchedurch, bei denen sich eine positive Veränderungder Flugbahn durch den Airbag eingestellt hat.

5.1.2 Konzept von SCHIMMELPFENNIG

SCHIMMELPFENNIG entwickelte 1986 ein Kon-zept für ein Motorrad mit Knautschzone, Bild 5.2.

Hier wird davon ausgegangen, dass schon dasAufbäumen des Motorradhecks unterbunden wer-den muss und nicht erst dessen Folgen. Dies solldurch ein Gegenmoment erreicht werden, das vondem über dem Vorderrad angeordneten Deformati-onselement (Knautschzone) aufgebracht werdensoll. Gleichzeitig werden die Motorradfahrer aufdem Motorrad durch einen Gurt fixiert, um einenunkontrollierten Aufprall auf den Unfallgegner odereine Sekundärkollision zu verhindern, Bild 5.3. Ver-

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Bild 5.2: Sicherheitskrad mit Knautschzone (SCHIMMELPFEN-NIG, 1986)

Bild 5.3: Kraft- und Momentengleichgewicht beim Frontalauf-prall mit dem Sicherheitsmotorrad nach SCHIMMEL-PFENNIG (1986)

Bild 5.4: BMW C1 (BMW, 1999)

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vollständigt wird das Konzept durch seitlicheStoßfänger für Fahrer und Beifahrer sowie einen fe-derbelasteten Tank. Unter dem Tank ist eine vorge-spannte Feder angebracht. Kommt es zu einemFrontalaufprall, wird der Tank durch die Massen-kräfte aus seiner Arretierung ausgeklinkt. Die Federstößt ihn nach oben. Der nun nach vorn fliegendeFahrer drückt den Tank in seine Halterung zurück.Durch die dafür benötigte Energie wird die Wuchtseines Stoßes herabgesetzt.

5.1.3 BMW C1

Die Firma BMW hat 1992 einen neuen Weg zur Erhöhung der passiven Sicherheit beschritten. Der BMW C1 ist eine Synthese aus motorisier-tem Zweirad und Automobil. Um dem direkten An-prall gegen den Kollisionsgegner nicht mehr unmit-telbar ausgesetzt zu sein, wurde um das Zwei-rad eine Art Fahrgastzelle entwickelt, Bild 5.4.Diese wurde anfangs eher als zweiraduntypischangesehen. Trotz dieser Einschätzungen wurde derC1 bis zur Serienreife entwickelt. Es entstand einRoller mit Überrollkäfig, der gleichzeitig als Regen-schutz dient. Basis des C1 ist eine Aluminiumrah-menkonstruktion in Alu-Space-Frame-Technik, dieleicht gebaut ist, aber gleichzeitig die Insas-sen sehr zuverlässig schützt mit zusätzlichem Energie absorbierendem Crash-Element im vorde-ren Kotflügel und in den seitlichen Anpralldämp-fern. Der C1 ist durch die Verwendung von zweidiagonal verlaufenden Gurtsystemen für den Fah-rer in Deutschland und anderen europäischen Län-dern von der Helmtragepflicht befreit, die norma-lerweise für alle Aufsassen von motorisiertenZweirädern gilt. Die Belastungen des Fahrers beieinem Frontalcrash sind mit der des Pkw-Fahrersvergleichbar.

5.2 Konzepte für Motorradsicherheits-elemente

5.2.1 Verkleidung

Die Hauptaufgabe der Verkleidung ist eine günstigeaerodynamische Wirkung. Vor allem bei Rennma-schinen sind deshalb Vollverkleidungen üblich. Zu-sätzlich kann die Verkleidung positive Einflüsse aufdie passive Sicherheit eines Motorrades haben.Der Effekt der „stabilen Fahrgastzelle“ kann hiermitzumindest in geringem Maße auch auf das Motor-rad übertragen werden. In der Literatur (BOTH-

WELL, 1973) sind Vorschläge zur Optimierung derSchutzwirkung von Motorrad-Verkleidungen zu fin-den. Ein Beispiel dazu zeigt Bild 5.5.

BMW hat in einer Studie (KARACSONYI et al.,1995) ein Motorrad entworfen, bei dem die Beinedes Motorradfahrers durch einen so genanntenÜberlebensraum geschützt werden (Bild 5.6).Durch den Boxermotor und die stark nach außengezogene hintere Verkleidung entsteht ein Sicher-heitsraum für die Beine. Bei einer Streifkollisionoder bei einem geraden Anprall von der Seite kanndieser vor Verletzungen der Beine schützen. Einsolcher Sicherheitsraum kann auch durch Anbau-teile (z. B. Verkleidung in Verbindung mit Gepäck-koffern) erzeugt werden.

Rutscht das Motorrad bei einem Alleinunfall odernach einer Kollision mit der Seite liegend auf der

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Bild 5.5: Beispiel einer optimierten Motorradverkleidung (BOTHWELL, 1973)

Bild 5.6: Durch Anbauteile sichergestellter Beinschutz (KARAC-SONYI et al., 1995)

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Fahrbahn, lassen sich nach LECHNER (1986) zweiDrehrichtungen unterscheiden, Bilder 5.7 und 5.8.

Die so genannte „positive“ Drehrichtung hat zurFolge, dass unmittelbar nach dem Umkippen dasLösen von Motorrad und Aufsasse begünstigt wird.Hierbei dreht sich das Motorrad unter dem Aufsas-

sen in der Bewegungsrichtung mit den Rädernnach vorne weg. Infolge der größeren Masse undgeringeren Reibung auf der Fahrbahn rutscht esschneller und entfernt sich dabei vom Aufsassen.

Die so genannte „negative“ Drehrichtung erfolgtumgekehrt. Das Motorrad dreht sich unter dem Auf-sassen so, dass dieser in der Bewegungsrichtungvor dem Motorrad auf die Fahrbahn fällt. Hierbeilösen sich Motorrad und Aufsasse nicht voneinan-der. Im weiteren Ablauf wird der Aufsasse von demhinter ihm rutschenden Motorrad gefährdet. Imungünstigen Fall kann der Motorradfahrer in denGegenverkehr geschoben oder zwischen dem Mo-torrad und einem Hindernis, z. B. einem Baum odereinem Schutzplankenpfosten, eingeklemmt werden.

Die „positive“ Drehung kann durch seitlicheFlächenabschnitte mit erhöhtem Reibbeiwert imoberen Bereich und durch Flächenabschnitte mitbesonders niedrigem Reibbeiwert im unteren Be-reich der Verkleidung begünstigt werden, Bild 5.9.

Eine besondere Formgebung der Verkleidung imKniebereich (Kniepolster) kann im Zusammenspielmit der Tankrampe ein Anheben des Oberkörpersund Kopfes vom Motorradfahrer begünstigen. Vo-raussetzung hierfür ist jedoch eine aktive Abstüt-zung des Oberkörpers über die Arme und Händeam Lenker. Crashtests mit einem passiven Dummyals Motorradfahrer zeigen, dass allein mit Kniepols-ter und Tankrampe zwar ein Anheben der Hüftemöglich ist. Die gleichzeitige Überlagerung derOberkörperrotation nach vorne kompensiert diesjedoch zumindest teilweise wieder. In ungünstigenFällen findet ein Anheben des Beckens bei gleich-zeitigem Absenken des Kopfes statt.

5.2.2 Sitzbank

Eine unter Berücksichtigung von ergonomischenErkenntnissen positionierte und gestaltete Sitz-bank kann die aktive Sicherheit durch eine gutetaktile, haptische und psychokinetische Koppelungvon Fahrer und Motorrad erhöhen. Zur Steigerungder passiven Sicherheit bietet die Sitzbank zusätz-liche Möglichkeiten, um die bei Frontalkollisionengewünschte Aufwärtsbewegung des Motorradfah-rers gezielt einzuleiten. Hierzu sind in der Literaturdrei mögliche Ansätze beschrieben.

Bei der in Bild 5.10 dargestellten Viergelenk-Sitz-bank nach SEIDL (1981) fängt ein Bügel den beieiner Frontalkollision infolge der Trägheitswirkungrelativ zum Motorrad nach vorne strebenden Auf-

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Bild 5.7: „Positive“ Drehrichtung nach LECHNER (1986), derAufsasse löst sich vom Motorrad und das Motorradrutscht vor dem Aufsassen in seine Endlage

Bild 5.8: „Negative“ Drehrichtung nach LECHNER (1986), derAufsasse löst sich nicht vom Motorrad und das Mo-torrad rutscht hinter dem Aufsassen in seine Endlage

Bild 5.9: Mögliche Anordnung von Verkleidungsteilen mit unter-schiedlichen Reibwerten (LECHNER, 1986)

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sassen ab. Die dabei auf die Sitzbank übertragenekinetische Energie führt in Verbindung mit der vier-gelenkigen Lagerung die Sitzbank nach oben.Durch ein Vorkippen der Sitzbank entsteht dabeieine Rampe, an welcher der Aufsasse weiter nachoben über den Unfallgegner (Personenkraftwagen)hinweg gleiten kann.

Speziell im Hinblick auf die Einleitung eines Über-fluges wurden eine so genannte „Airbag-gestützeHubsitzbank“ (BMW-Patent DE 40 13 807 A1,1991) und eine Hebel-Roll-Sitzbank vorgeschlagen(BMW-Patent DE 40 13 807 A1, 1991).

In beiden Fällen soll über ein Anheben der Sitzbankeine Vorwärts-Aufwärts-Bewegung des Aufsassenrechtzeitig vor dem Anprall mit Kopf und Oberkör-per am Unfallgegner eingeleitet werden. Bei derAirbag-gestützten Variante erfolgt dies durch zu-sätzliche Einbringung von Energie über einen sichunter der Sitzbank entfaltenden Airbag (Bild 5.11).Dieser Ansatz birgt zwei grundsätzliche Probleme.Zum einen wird die kinetische Energie der Aufsas-sen durch das Anheben erhöht, wodurch ihre re-sultierende Geschwindigkeit und damit das Risikovon Verletzungen bei nachfolgenden Anprallkon-takten steigen. Des Weiteren besteht bei einerFehlauslösung des Airbags die Gefahr des Abwurfsder Aufsassen.

Bild 5.12 zeigt die Hebel-Rollsitzbank nach BERG,GRANDEL und QUECK (BMW-Patentanmeldungmit Offenlegung am 31. Oktober 1991). Damitwurde die grundsätzliche Idee von SEIDL bezüglichder Umwandlung vorhandener kinetischer Energiein ein Anheben der Aufsassen über die Kinematikder Sitzbank aufgegriffen und mit einem rein me-chanischen Prinzip realisiert. Die Hebel-Rollsitz-bank ist vorne an Rollen, die in tankintegriertenSchienen laufen, geführt. Im hinteren Bereich wirdsie durch einen drehbar gelagerten Hebel angeho-ben. Während der normalen Fahrt verhindert einSchließmechanismus die Bewegung der Sitzbankrelativ zum Motorrad. Im Fall einer Frontalkollisiondes Motorrades wird dieser Mechanismus verzöge-rungsabhängig geöffnet. Anschließend reicht derReibschluss zwischen dem Gesäß des oder derAufsassen aus, um die Sitzbank zunächst nachvorne und im Verlauf der weiteren Bewegung mit-samt Aufsassen auch aufwärts zu bewegen. Hierbeiwird kinetische Energie in Hubarbeit gewandelt undso die resultierende Geschwindigkeit der Aufsassenund damit das Verletzungspotenzial bei nachfol-genden Anprallkontakten gemindert. Zudem ge-

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Bild 5.10: Viergelenk-Sitzbank zum Anheben des Aufsassenbei frontalen Kollisionen des Motorrades (SEIDL,1981)

Bild 5.11: Durch Airbag angehobene Sitzbank (BMW-Patent,1991)

Bild 5.12: Hebel-Rollsitzbank nach BERG, GRANDEL undQUECK (BMW-Patent, 1991)

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langt der Kopf des Motorradfahrers über dasHöhen-Niveau der ihn besonders gefährdendenDachkante eines Personenkraftwagens.

Im Gegensatz zur Airbag-gestützten Hubsitzbanknach SEIDL wird bei der Hebel-Rollsitzbank nachBERG, GRANDEL und QUECK keine zusätzlicheEnergie in den Aufsassen eingeleitet, sondern eswird vorhandene kinetische Energie in Hubarbeitumgewandelt. Ihre Wirksamkeit haben alle drei Systeme in Praxistests unter Beweis gestellt. In dieSerienproduktion wurde bisher jedoch keine derar-tige Sitzbank übernommen.

5.2.3 Airbag

Bisher bietet noch kein Hersteller ein Motorrad mitAirbag an. Seit Mitte der 70er Jahre gibt es aller-dings Bestrebungen, den Motorradfahrer durch denEinsatz eines Airbags im Kollisionsfall zu schützen.

5.2.3.1 Grundsatzuntersuchungen

Anregungen zur Entwicklung eines solchen Sicher-heitssystems ergaben sich aus Unfallanalysen(FINNIS, 1990, WISMANNS et al., 1992). Die Vor-teile des Airbags liegen unter anderem im geringenPlatzbedarf und daraus resultierend in der Beibe-haltung der Charakteristik des Motorrades. ImLaufe der Zeit wurden von verschiedenen For-schungsgruppen unterschiedliche Airbagkonzepteentwickelt. Es ergaben sich dabei stark differieren-de Ansätze, die wie folgt unterteilt werden können(WISMANNS et al., 1992, ZELLNER, 1994):

1. Airbag als Rückhaltesystem,

2. Airbag zur Beeinflussung des Bewegungsablau-fes,

3. Airbag als Energie absorbierendes System,

4. eine Kombination aus den anderen Ansätzen.

Durchgeführte Versuchsreihen zeigten die komple-xen Zusammenhänge beim Einsatz eines Motor-rad-Airbags auf. Es wurde die Notwendigkeit deut-lich, ein speziell an die Anforderungen des Motor-radunfalls angepasstes System zu entwickeln. Zuden Faktoren, von denen die Leistungsfähigkeit derAirbagsysteme abhängt, gehören z. B.:

· Größe, Form, Einbauort und Material des Luft-sacks,

· Ausdehnungsgeschwindigkeit, Innendruck undDruckablasssystem,

· Haltung und Körpergröße des Fahrers,

· Schwellenwerte zur Auslösung der Züngungdes Airbagtreibsatzes mit von Sensoren gelie-ferten Messwerte,

· Neigung des Motorrades,

· Abstützung des Airbags,

· Unfallart.

Vor allem die Entwicklung eines geeigneten Sen-sor- und Auslösesystems hat großen Einfluss aufdie Leistungsfähigkeit des Airbags. Als wichtigsteGrundvoraussetzung muss eine rechtzeitige Entfal-tung des Airbags gewährleistet sein, um eine opti-male Einflussnahme auf die Fahrerbewegung zu er-reichen. Andererseits darf das Auslösesystem nichtzu feinfühlig sein, um etwa ein unbeabsichtigtesAuslösen beim Überfahren von Schlaglöchern oderBordsteinen zu vermeiden (FINNIS, 1990).

Für den Einsatz des Airbags auf dem Motorrad müs-sen ähnlich wie beim Pkw die mess- und simulati-onstechnischen Voraussetzungen zur Entwicklungvorhanden sein. Eine Literaturauswertung des Mo-torradverbandes Anfang der 90er Jahre (ROGERS,1991) zeigte hier für viele bis in die späten 80erJahre durchgeführten Versuchsreihen nur eine be-schränkte Aussagekraft aufgrund der unzureichen-den Testmethoden. Zusätzlich ergaben sich imLaufe der Forschungstätigkeiten auch einige air-bagspezifische Probleme, wie z. B.: Zuverlässigkeitder Auslöseeinheit, Anbringungsort des Airbags, un-terschiedliche Airbagkonfigurationen für verschie-dene Motorradvarianten, Notwendigkeit einer Aus-lösezeit von 20 ms oder die Rollbewegung des Mo-torrades um den Anstoßpunkt. Auch fehlten die imAutomobilbereich üblichen Untersuchungen zur un-beabsichtigten Airbagauslösung und zum Einflussder Fahrerposition auf die Wirkung des Airbags.

5.2.3.2 Untersuchungen zur Schutzwirkung

In einer gemeinsamen Versuchsreihe von DEKRA,dem GDV und der Schweizer Winterthur-Versiche-rung wurden im Jahre 1987 insgesamt 18 Realun-fallsimulationen mit bewegten Personenwagen unddummybesetzten Motorrädern durchgeführt. Zielwar neben der Absicherung von Unfallrekonstruktio-nen die Analyse eines speziellen Motorrad-Airbagsin Verbindung mit Beinanprallpolstern (BERG, 1988).

In vorangegangenen Unfallanalysen zeigte sicheine Verbesserung der Verletzungssituation für den

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Fahrer, wenn er bei einem Kollisionsanprall seinenUnfallgegner überfliegen konnte. Darauf aufbauendwurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das demFahrer ein möglichst ungehindertes Lösen vomMotorrad und ein Überfliegen des Unfallgegnersermöglichen sollte. Hierzu wurden mehrere Schlit-tenversuche durchgeführt, die Form, Größe undOrt des Airbags festlegen sollten. Daran anschlie-ßend wurden drei Full-Scale-Versuche im rechtenWinkel gegen die Seite bewegter Personenwagendurchgeführt. In allen Fällen war das Motorrad miteinem Beinschutz versehen, zwei Versuche dientender Analyse des zusätzlich montierten Airbags. DieAufprallgeschwindigkeit des Motorrades betrugzwischen 55 und 60 km/h, die Pkw-Geschwindig-keit war um 50 % bzw. 75 % geringer. In diesenTests konnte der Airbag seine Wirksamkeit bewei-sen. Der Kopfanprall konnte vermieden werden,und die Bewegung des Fahrers wurde in eine nachoben gerichtete Flugbahn gelenkt. Der Einfluss desAirbags bei den Crashversuchen wird durch Bild5.13 verdeutlicht (BERG, 1988).

Anfang der neunziger Jahre wurden Untersuchun-gen unter Beteiligung der Motorradindustrie undverschiedener Forschungsinstitute über die Ein-satzmöglichkeiten eines Motorrad-Airbags in Auf-trag gegeben. Diese können in zwei Phasen unter-teilt werden, wobei die Ergebnisse der erstenPhase 1991 (ROGERS, 1991) und die Ergebnisseder zweiten Phase 1994 (ZELLNER, 1994) veröf-fentlicht worden sind. Das übergeordnete Ziel die-ser Studien war die Beurteilung der Einsatzmög-lichkeit und der Auswirkungen auf die Verletzungs-kosten eines Airbagsystems. Dabei sollte das un-tersuchte Airbagsystem die Kopf- und Oberkörper-

verletzungen senken, ohne die gesamten Verlet-zungskosten zu erhöhen. Die erste Phase beinhal-tete eine Literaturauswertung, 19 Schlittentestssowie ca. 750 Computersimulationen, um die Ein-flüsse des Airbagdesigns, des Fahrzeugs, des Fah-rers und der Anstoßparameter auf die Wirksamkeitdes Airbags zu ermitteln. Mit den in der zweitenPhase unternommenen Leichenversuchen solltenzum einen die resultierenden Verletzungen durchden Airbag für Out-Of-Position-Fahrer untersuchtwerden. Zum anderen sollten die Computersimula-tionen mit diesen Daten validiert werden. Zusätzli-che Computersimulationen dienten der Bewertungund Optimierung von fünf unterschiedlichen Air-bagkonzepten.

Insgesamt zeigte der Einsatz eines Airbags in dervorgestellten Studie ein erhöhtes Potenzial vonschwer wiegenden Nackenverletzungen. Bei denLeichenversuchen ergaben sich Nackenbrüche fürden nach vorne gebeugten Fahrer. Die Möglichkeiteiner Übernahme des Sensors, der Zündung undder Fülltechnik aus dem Automobilbereich wurdebestätigt. Als bester Anbringungsort für den Sen-sor wurde die Vorderachse ermittelt. Zum Zeitpunktder Studie wurden die Hauptprobleme in der Air-baggeometrie und dem Timing der Airbagentfal-tung gesehen. Wünschenswert erschien ein geeig-net geformtes, den Nacken wenig belastendes Air-bagkonzept, das sowohl die Gierbewegung desMotorrades nach dem Anprall als auch verschiede-ne Sitzpositionen des Fahrers berücksichtigt.Damit zeigte sich Bedarf an weiterführenden Un-tersuchungen, um die Möglichkeiten eines Airbag-einsatzes zu beurteilen (ZELLNER, 1994).

In einer weiteren, 1996 veröffentlichten Studie(CHINN, 1996) des TRL (Transport Research Labo-ratory) wurde ein spezieller Motorrad-Airbag ent-wickelt und anschließend auf seine Wirksamkeitgeprüft. In verschiedenen Vorstudien hatte der Mo-torrad-Airbag das Potenzial zur Verletzungssen-kung nachgewiesen. Das Airbagkonzept war alsRückhaltesystem für den Fahrer ausgelegt undsollte die kinetische Energie des Fahrers abbauen.Grundlage für diese Entscheidung waren frühereVersuchsergebnisse dieser Forschungsgruppe. DieHauptfunktion lag im Schutz des Fahrers bei fron-talen Anstößen gegen ein stehendes oder beweg-tes Fahrzeug. Die optimale Leistungsfähigkeit desAirbagsystems wurde für einen 50-%-Fahrer innormaler, aufrechter Sitzposition ausgelegt, derfrontal mit 48 km/h gegen die Seite eines stehen-den Personenwagens prallt. Für diesen Fall war

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Bild 5.13: Wirkung eines Motorrad-Airbags beim Frontalaufpralleines Motorrades gegen einen fahrenden Personen-kraftwagen (BERG, 1988)

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eine Reduzierung der kinetischen Energie des Fah-rers um mindestens 70 % angestrebt. Dadurchsollte eine wesentliche Verringerung der Kopf-,Nacken- und Brustbelastungen erreicht werden.Daneben beinhaltete die Zielsetzung des Airbagsauch den Schutz für Fahrerabmessungen abwei-chend vom 50-%-Mann, für Fahrer in liegenderHaltung und für Fahrer mit zusätzlichem Beifahrer.

Insgesamt konnten aus diesem Test folgende Ver-suchsergebnisse ermittelt werden:

Die Auslegung des Airbagdesigns anhand vonComputersimulationen konnte erfolgreich ange-wendet werden. Der Prozessablauf mit Computer-simulation, statischen Entfaltungstests, Schlitten-versuchen und Full-Scale-Tests erwies sich als ef-fektiv. Die Schlittenversuche zeigten eine 100%igeVerzögerung des Aufsassen in allen Testvarianten.Anhand der Schlittenversuche und der Full-Scale-Crashtests konnte die Leistungsfähigkeit eines Air-bagsystems nachgewiesen werden. Die Full-Scale-Crashtests zeigten ein vollständiges Zurückhaltendes Fahrers durch den Airbag. Die kinetische Ener-gie wurde zwischen 79 und 100 % reduziert. DieWerte für die Nackenbelastungen lagen alle unterden Grenzwerten. Im Vergleich zu früheren Airbag-versuchen zeigten sich bemerkenswerte Verbesse-rungen. Die Auslösezeit für den Airbag wurde inallen Versuchen als ausreichend bestätigt (CHINN,1996).

Honda konzentrierte sich in der 1998 veröffentlich-ten Forschungsreihe (IIJIMA et al., 1998) auf dieEntwicklung eines Airbagsystems für ein speziel-les, großes und schweres Motorrad aus dem eige-nen Modellprogramm. Das Konzept für diese Air-bagentwicklung wurde aus der Analyse japanischerUnfallstatistiken abgeleitet. Der verwendete Airbagmit 120 Liter Rauminhalt basierte auf grundlegen-den Voruntersuchungen und sollte vorrangig einLösen des Fahrers vom Motorrad verhindern undeinen Abbau der Bewegungsenergie erreichen. Eswurden insgesamt 20 Full-Scale-Crashtests in An-lehnung an die ISO 13232 durchgeführt. Hierzugehörten auch Hochgeschwindigkeitsanstöße, Ver-suche mit Beifahrern sowie Out-of-Position-Versu-che. Zusätzlich wurden ca. 400 Computersimula-tionen durchgeführt. Sowohl bei den Full-Scale-Tests als auch bei den Computersimulation kamenso genannte Testpaare zum Einsatz. Das heißt, fürjede getestete Konfiguration wurde jeweils einidentischer Versuch mit und ohne Airbag durchge-führt. Die Ergebnisse können wie folgt zusammen-gefasst werden:

In 10 von 11 Versuchen zeigte der Airbag die er-wartete Auslösung, in einem Test ergab sich eineunbeabsichtigte Auslösung. Bei 9 Testpaaren zeig-te der Airbag in 4 Fällen geringere, in 2 Fällen er-höhte und in 3 Fällen unveränderte Verletzungen.Die meisten Änderungen des Verletzungsbildesbeim Einsatz eines Airbags ergaben sich aus demBodenanprall des Dummys resultierend aus derveränderten Flugbahn. Es zeigten sich Unsicher-heiten in der Bewertung der Nackenverletzungenaufgrund fehlender biomechanischer Kenntnisse.Beim nach vorn gebeugten Dummy ergaben sichhöhere Nackenbelastungen, aber keine Verände-rung der Verletzungen im Vergleich zum aufrechtsitzenden Dummy. Ein zusätzlicher Beifahrer be-wirkte eine Verletzung des Brustkorbs des Fahrers,aber keine veränderte Verletzungssituation. Kolli-sionen mit erhöhter Geschwindigkeit zeigten eineerhöhte Eindrückung der Fahrerbrust, aber keineveränderten Verletzungen in der Brustregion imVergleich zu niedrigeren Geschwindigkeiten. Vergli-chen mit einem Pkw-Airbag zeigte sich ein relativgroßes Risiko/Nutzen-Verhältnis von 25 % in den 9Full-Scale-Testpaaren und von 16 % bei den 200Simulationspaaren (IIJIMA et al., 1998).

Basierend auf den Ergebnissen von 1998 stelltenYAMASAKI et al. 2001 einen modifizierten Airbagvor. Dieser Airbag ist 20 mm höher und 150 mmbreiter als sein Vorgänger und kommt nunmehr aufein Volumen von 140 l (vorher 120 l). Eine Ver-suchsreihe mit Full-Scale-Tests der Konfiguratio-nen 413 (rechtwinkliger Anprall an fahrenden Pkw)und 414 (schiefwinkliger Anprall an fahrenden Pkw)wurde durchgeführt. Bei dieser Testreihe wurde derFocus speziell auf die Landung des Dummys ge-legt. Die Ergebnisse von 1998 konnten verbessertwerden. Aufgrund der breiteren Ausführung desneuen Airbags blieb der Dummy länger auf demMotorrad sitzen. Dadurch konnte der Airbag mehrkinetische Energie aufnehmen, was dazu führte,dass der Dummy seitlich mit dem Motorrad umfielund bei der Landung auf dem Boden nicht mehrzuerst mit dem Kopf aufschlug. Dies führte zu einerdeutlichen Reduzierung des Verletzungsrisikos.

Schließlich wiesen die Autoren in dieser Studie aufdie noch zu untersuchenden Aspekte bei der Ent-wicklung eines Airbagsystems hin. So gilt es, unteranderem eine weitere Verbesserung der Untersu-chungsmethoden, vor allem im Bereich derNackenverletzungen, zu entwickeln. Die Versuche,in denen der Airbag negative Einflüsse auf das Ver-letzungsverhalten gezeigt hat, müssen weiter un-

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tersucht werden, damit gezielt Verbesserungen er-reicht werden können. Ein Ziel für die weitere Air-bagentwicklung ist zudem die Anwendung des Air-bagkonzeptes auf andere Motorradtypen, andereFahrergrößen und andere Sitzpositionen. Weiterhinmüssten „Fire-“ und „No-fire“-Bedingungen fürden Airbag für verschiedene Unfall-Szenarien fest-gelegt und überprüft werden.

5.2.4 Sonstige Komponenten

Auch Motorrad-Zubehör kann Funktionen zur Ver-besserung der passiven Sicherheit übernehmen.Als Beispiel hierzu lässt sich ein von der BMW AGentwickelter Tankrucksack anführen, Bild 5.14.

Dieser Tankrucksack besteht aus einem gestaltfes-ten Material, welches im Anprallbereich des Auf-sassen gepolstert ist. Im Falle eines Frontalauf-pralls des Motorrades rutscht der Aufsasse infolgeseiner Trägheit nach vorne gegen den Rucksack.Durch die Wucht des Aufpralls lösen sich einzelneArretierungen, wonach sich der gesamte Tankruck-sack um eine Achse im Schienbeinbereich dreht.Der durch die Trägheitswirkung weiter nach vornerutschende Aufsasse liegt zunächst mit Brust,Oberschenkeln, Knien und teilweise auch Unter-schenkeln am Tankaufsatz an. Die folgende Dreh-bewegung des Aufsatzes lenkt ihn dann nach obenum. Dabei gelangt der Kopf über das Dachkanten-niveau eines Personenkraftwagens. Es folgt einRutschen mit dem Oberkörper auf die vom Aufsatzgebildete Rampe. Zunächst verhindert der Tank-rucksack direkte Anstöße des Motorradfahrers amUnfallgegner. Außerdem hält die seitliche Formge-

bung seine unteren Extremitäten vom Lenker desMotorrades ab. So können dort keine Verhakungenund Verletzungen entstehen. Die Bewegung in auf-wärtiger Richtung und die Reibung am Tankruck-sack bewirken einen Energieverbrauch, der die re-sultierende Geschwindigkeit des Motorradfahrersund damit sein Verletzungsrisiko mindert. Die Mög-lichkeit eines Überflugs bleibt bei ausreichenderAusgangsgeschwindigkeit erhalten.

6 Schlittenversuche zur Entwick-lung und Erprobung passiverSicherheitselemente motori-sierter Zweiräder

Neben einer Bewertung der passiven Sicherheitvon Motorrädern durch eine Begutachtung derhierfür relevanten Merkmale (siehe Kapitel 4.1 desvorliegenden Berichtes) und der Durchführung vonFull-Scale-Crashtests (z. B. nach ISO 13232, sieheKapitel 4.2) sind Schlittenversuche eine weitereMöglichkeit der Untersuchung, Prüfung und Be-wertung von passiver Motorradsicherheit. Die Au-tomobil-Industrie setzt Schlittenversuche zur Ent-wicklung von Elementen, Komponenten und Bau-gruppen der passiven Sicherheit ein. Wie bei Full-Scale-Crashtests werden die Fahrzeuginsassendurch Dummys repräsentiert. Dabei werden miteinem idealisierten realen Versuchsaufbau aufeinem Schlitten die interessierenden Funktionenund Wirkungen der Sicherheitselemente unter-sucht und optimiert. Auch hier gehört heute der er-gänzende Einsatz von numerischer Simulation zumStand der Technik. Schlittenversuche werden zumTeil in Vorwärtsrichtung mit Beschleunigung undanschließender Verzögerung des Schlittens nacheinem aus dem Full-Scale-Crashtest abgeleitetenVerzögerungsverlauf durchgeführt. Üblich ist auchdie Anwendung des Prinzips der kinematischenUmkehr mit rückwärtiger Beschleunigung desSchlittens aus dem Stillstand heraus entsprechendeiner Spiegelung der vorgegebenen Crash-Verzö-gerung.

Da sich der Schlitten und sein Aufbau nur in einerRichtung (x) bewegen und die Bewegungen desDummys im Wesentlichen nur in einer Ebene (x, z)stattfinden, können komplexe räumliche Bewe-gungsabläufe auf einem Schlitten nicht dargestelltwerden. Vor diesem Hintergrund ist die Anwen-dung von Schlittenversuchen zur Analyse und Be-wertung der passiven Motorradsicherheit einge-

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Bild 5.14: Wirkungsdarstellung eines Sicherheits-Tankruck-sacks bei einer Frontalkollision (BMW-Patentschrift,veröffentlicht am 1. Oktober 1987)

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schränkt. Die grundsätzlichen Funktionen und Wir-kungen von unterschiedlichen Tankrampen, Len-kern, Sitzbänken, Fußrasten und Verkleidungen inder ersten Phase des Kollisionsablaufs vomBerührbeginn des Motorrad-Vorderrades bis zumAnprall des Aufsassen am Unfallgegner lassen sichjedoch mit Schlittenversuchen hinreichend aussa-gekräftig überprüfen. Ein Vorteil von Schlittenver-suchen ist ihr im Vergleich zum Full-Scale-Test ein-facherer Aufbau. Zudem werden bei Schlittentestskeine kompletten Fahrzeuge zerstört, sondern ge-gebenenfalls nur einige austauschbare Bauele-mente. Bei der Durchführung von Versuchsserienhaben Schlittenversuche gegenüber Full-Scale-Crashtests erhebliche Zeit- und Kostenvorteile.

Somit ist es nahe liegend, in ein Prüfverfahren fürdie passive Sicherheit von motorisierten Zweirä-dern auch Schlittenversuche zu integrieren. Hierfürwurde im Rahmen des Projektes ein geeigneterSchlitten entwickelt und erprobt. Zudem wurde derEinfluss von verschiedenen Um- und Anbauten(unterschiedliche Tankformen, verschiedene Len-kereinstellungen, Montage von Beinprotektoren,einem Tankrucksack und einem Airbag) auf diepassive Sicherheit untersucht.

6.1 Auslegung des Schlittens

Bei Entwicklung und Bau des Prüfstandes warenmehrere Anforderungen zu beachten:

1. Berücksichtigung der für den Motorradfahrer imrealen Unfallgeschehen besonders verletzungs-kritischen Anprall-Konstellationen

2. Darstellung von kinetischen Energien und Im-pulsen von Motorrad und Dummy entsprechendden nachgebildeten Realfällen bzw. korrespon-dierenden Full-Scale-Tests

3. Darstellung von Bewegungsabläufen und An-prallereignissen von Motorrad und Dummy ent-sprechend den nachgebildeten Realfällen bzw.korrespondierenden Full-Scale-Tests

4. Reproduzierbarkeit der Energien, Impulse, Be-wegungsabläufe und Anprallereignisse

5. Kompatibilität des Schlittens für alle gängigenMotorradtypen

6. Wiederverwendbarkeit von Schlitten, Ver-suchsaufbau und Versuchseinrichtungen

7. Einfache Möglichkeiten des Umbaus für ver-schiedene Versuchsanordnungen

6.1.1 Verletzungskritischster Anprall

Nach dem vorliegenden Stand der Erkenntnisseaus dem realen Unfallgeschehen und aus Full-Scale-Crashtests entspricht die Konfiguration 413nach ISO 13232 dem verletzungskritischsten An-prall. Hierbei stößt das Motorrad mit 48 km/h Ge-schwindigkeit frontal im rechten Winkel gegen dieSeite eines stehenden Personenkraftwagens.Diese Variante ist wegen der fehlenden Bewegungdes Pkw zur Nachbildung mit Schlittenversuchenbesonders gut geeignet.

6.1.2 Prinzip und Aufbau des Schlittens

Unter Berücksichtigung der vorstehend genanntenKriterien entstand der in Bild 6.1 dargestellteSchlitten. Das auf Rollen fahrende Grundgestell istin einer Schiene geführt und wird vom umlaufen-den Stahlseil des Antriebs der Crashanlage übereine lösbare Verbindung gezogen. Der Motorrad-aufbau wurde mit Teilen einer Yamaha FZS 600Fazer dargestellt, die bereits bei den Full-Scale-Tests im Rahmen des Projektes (siehe Kapitel4.2.4) eingesetzt wurde. Der Stahlrahmen ermög-licht die einfache Anbringung von unterschiedli-chen Teilen und Baugruppen durch Schrauben undSchweißen.

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Bild 6.1: Schlitten mit bereits montiertem VersuchsmotorradYamaha FZS 600 Fazer

Bild 6.2: So genannte „Olive“ im eingedrungenen Zustand inKunststoffhülse (ohne Abdeckung)

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Zu Beginn des Tests wird der Schlitten mit seinemAufbau vom geregelten Crashanlagen-Antrieb aufdie vorgegebene Geschwindigkeit beschleunigt. Da-nach folgt eine Phase mit konstanter Geschwindig-keit, wonach der Schlitten abgebremst wird. Umhierbei eine dem korrespondierenden Full-Scale-Crashtest entsprechende Verzögerung darzustellen,wurden Stahldorne mit als so genannten „Oliven”ausgebildeten vorderen freien Enden angebaut.Während der Abbremsung dringen die „Oliven” inortsfest montierte Kunststoffhülsen ein. Die lichteWeite dieser Hülsen nimmt dabei ab, wodurch dieden Schlitten bremsende Reibkraft zunimmt. DieserAbbremsvorgang dauert so lange an, bis die ge-samte kinetische Energie in Reibarbeit gewandeltund dadurch der Schlitten zum Stillstand gekom-men ist. Soweit erforderlich, kann am Ort des Still-standes ein Unfallgegner positioniert werden.

Vor dem Zurücksetzen des Schlittens werden diegeschlitzten Kunststoffhülsen demontiert, Bild 6.2.Sie sind nach einer Regenerationsphase von 24Stunden wieder verwendbar. Eine Variation desDurchmessers der „Oliven“ und der Hülsen ermög-licht entsprechende Anpassungen der Verzögerun-gen an die jeweiligen Anforderungen.

6.1.3 Universelle Verwendbarkeit des Schlittens

Die Aufnahme des Zweirades mit darauf sitzendemDummy im Schlitten ist flexibel gestaltet worden.Ein Haltebügel hält den Dummy in seiner eingerich-teten und vermessenen Position bis hin zum Crash-punkt. Es sind Motorräder mit verschiedenen Ab-messungen im Schlitten adaptierbar. Für jeden ge-wünschten Standrohrdurchmesser ist ein Gabeler-satz erforderlich, der bei den bisher durchgeführtenVersuchen aus massivem Rundstahl angefertigtworden war. Koffer und Verkleidungen können pro-blemlos in den Versuchsaufbau integriert werden.

Das Hinterrad des Motorrades hat keinen Kontaktmit der Fahrbahn. Um die vordere Achse ist dasMotorrad auf dem Schlitten drehbar, wobei sichdas Heck in z-Richtung frei aufwärts bewegt. EineBegrenzung dieser Aufwärtsbewegung des Hinter-rades erfolgt bei einer maximalen Höhe von 60 cm.Die Begrenzung der Aufwärtsbewegung des Hin-terrades erfolgt durch einen am Schlitten ange-brachten Riemen. Sie ist frei wählbar und kann fürandere Höhen angepasst werden.

Das Motorrad wird auf dem Schlitten variabel mon-tiert. So ist es zum Beispiel möglich, die Sitzhöhedurch Umstecken des vorderen Radbolzens den

Erfordernissen anzupassen. Dadurch ist die Mon-tage einer Enduro genauso möglich wie die einesChoppers. Da das Motorrad den am Crashpunktpositionierten Unfallgegner nicht berührt, entste-hen gegebenenfalls Beschädigungen am Ver-suchsaufbau nur durch den Anprall des Dummys.Hiervon sind meist der Tank und der Lenker sowieweitere exponierte Anbauteile und Sicherheitskom-ponenten des Motorrades betroffen.

Der Schlitten kann in seiner derzeitigen Ausbaustu-fe sowohl zur Simulation der Konfiguration 413nach ISO 13232 als auch für die Konfigurationen414 und 412 eingesetzt werden. Die Bremse isthierbei teilweise unterhalb des am Crashpunkt alsUnfallgegner aufgestellten Fahrzeugs zu positio-nieren. Außerdem ist dann darauf zu achten, dasssich der aus dem Full-Scale-Test abgeleitete Ver-zögerungsverlauf des Motorrades bei den Konfigu-rationen 412 und 414 vom Verzögerungsverlauf derKonfiguration 413 unterscheidet. Die Bremse istdaher entsprechend zu verändern. Im Rahmen desvorliegenden Projektes ist jedoch allein die Konfi-guration 413 nach ISO 13232 getestet worden.

6.1.4 Auslegung der Bremse

Um den gewünschten Verzögerungsimpuls desSchlittens zu erreichen, wurden sieben Vorversu-che mit verschiedenen Hülsenarten, Hülsenlängenund Durchmessern durchgeführt. Bild 6.3 zeigteine Gegenüberstellung von wegbezogenen Refe-renz-Verzögerungskurven aus bisherigen Full-Scale-Versuchen und Verzögerungen, die bei zweider Vorversuche mit dem Schlitten ermittelt wur-den.

Im für die Interaktionen des Dummys mit demSchlittenaufbau maßgebenden Wegbereich bis ca.s = 0,30 m stimmen die Verzögerungswerte und ihr

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Bild 6.3: Vergleich der Verzögerungsverläufe von Full-Scale-Crashtests und Schlittentests

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zeitlicher Verlauf gut überein. Danach weichen dieKurven deutlicher voneinander ab, was jedoch fürdie Untersuchungen im Rahmen des Projektesunerheblich ist. Der konstante Anstieg der Verzö-gerungen zu Beginn der Abbremsung und die ersten Maxima zwischen -19 und -25 g werden beietwa s = 0,25 bis 0,28 m erreicht. Danach bricht dieVerzögerung sowohl beim Schlittentest als auchbeim Full-Scale-Test auf Werte zwischen 10 und 14g zusammen. Dem folgt ein erneuter Anstieg derVerzögerung auf etwa 30 g. Dabei betragen die Un-terschiede im wegbezogenen Verlauf maximal 9cm. Beim Schlitten-Test ist dieser Verzögerungsan-stieg weicher ausgeprägt als bei den Full-Scale-Tests. Das folgende Absinken der Verzögerung aufNull unterscheidet sich bei den Schlittentests vonden Full-Scale-Tests ebenfalls. Bei den Full-Scale-Tests beträgt der Weg zwischen Verzögerungsbe-ginn und Stillstand (in x-Richtung) s = 0,55 bis 0,60m. Der Schlittenaufbau bewegt sich im Vergleichdazu um s = 0,56 bis 0,59 m bis zum Stillstand.

Realisiert wurde der endgültige Schlitten-Testim-puls mit einer so genannten geschlitzten Hülse miteiner eingebauten Länge von 60 cm. Der Durch-messer der verwendeten „Olive“ beträgt 41 mm.Außerdem erfolgte eine Optimierung durch Anpas-sung der Auflageflächenlänge der „Olive“ in derHülse.

Die Ergebnisse des ersten Schlittenversuchs mitoptimierter „Olive“ (SH 01.03) zeigen, dass derAbbau der Geschwindigkeit mit den Werten derkorrespondierenden Full-Scale-Tests (SH 00.65,SH 01.01) hinreichend gut übereinstimmt. In Bild6.4 sind die Ergebnisse der Filmauswertung dieserVersuche einander gegenübergestellt.

Ausgewertet wurden jeweils die Motortargets aufder rechten Seite (Kupplung). Beim Schlittenver-such SH 01.03 wurde zusätzlich noch das Motor-target auf der linken Seite (Lichtmaschine) ausge-wertet. Die Verläufe stimmen gut überein. Lediglichim Bereich zwischen 45 km/h und 35 km/h sowiezwischen 15 km/h und 10 km/h erfolgt die Verzö-gerung bei den beiden Full-Scale-Versuchen etwasweicher. Der Geschwindigkeitsunterschied beträgthier maximal 5 km/h. Dieser Wert wurde als tole-rierbar eingestuft. Bei ca. 72 ms ist die Verzöge-rung des Schlittens beendet.

6.1.5 Versuchsaufbau

Um mit Schlittenversuchen einen Full-Scale-Testexakt abbilden zu können, ist es nötig, diesenzuvor hinsichtlich Geometrie, Kinematik und An-prallereignissen genauestens zu studieren. Bei derhier untersuchten Konfiguration 413 sind folgendeDaten von zentralem Interesse:

· Zeitpunkt des Kopfanpralls und Höhe der Dach-kante zu diesem Zeitpunkt

· Neigung und Absenkung des Personenkraftwa-gens beim Dachanprall

· Eindringtiefe des Motorrades in den Pkw undHöhe des Hinterrades zum Zeitpunkt des Dach-anpralls

· Radstandsverkürzung des Motorrades

Der Zeitpunkt des Kopfanpralls dient als Referenz-wert für die Reproduzierbarkeit der Versuchsreihen.Findet er beim Schlittenversuch deutlich früheroder später als beim Full-Scale-Versuch statt, sindentscheidende Parameter am Schlitten falsch ein-gestellt. Bild 6.5 zeigt die relevanten Maße.

Durch den Anprall des Motorrades am Personen-kraftwagen und hier im Speziellen durch das Ein-dringen des Vorderrades in die Seitentür senkt die-ser sich um einige Zentimeter ab, wodurch sich dieHöhe der Dachkante entsprechend verändert. Dabeim Schlittenversuch keine Berührung zwischenMotorrad und Pkw stattfinden soll, müssen die Nei-gung des Pkw und damit die Dachkantenhöhe vor-her eingestellt werden. Dies kann geschehen,indem das Fahrzeug einseitig angehoben wird (Bild6.6). Durch Zurückbiegen der Vollmaterial-Gabel-holme wird der verkürzte Radstand beim Motorraddargestellt.

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Bild 6.4: Geschwindigkeitsverlauf im Vergleich zwischen Schlit-tenversuch und Full-Scale-Test ermittelt für den Motor(Filmauswertung)

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Um den Zeitpunkt des Kopfanpralls exakt nachbil-den zu können, muss das Krad beim Schlittenver-such die gleiche Eindringtiefe wie beim Full-Scale-Test haben. Gleichzeitig muss gewährleistet blei-ben, dass Motorrad und Schlitten wieder verwen-det werden können. Sie dürfen sich also nichtberühren. Dies wird durch Entfernen von Seitentürund Teilen des Unterbodens beim Pkw realisiert(Bild 6.7). Durch diese Maßnahme kann das Motor-

rad frei in den Pkw einfahren. Die Stabilität des Pkwwird durch einen eingeschweißten Rahmen am Un-terboden sichergestellt.

Weiterhin muss die Einfahrbremse so positioniertwerden, dass der Drehpunkt des Krades auf demSchlitten und der Drehpunkt beim Full-Scale-Ver-such übereinstimmen. Hier dienen die Höhe desHinterrades sowie die Entfernung zwischen derHinterachse des Motorrades und der Dachkantedes Pkw zum Zeitpunkt des Kopfanpralls als Refe-renz. Alle im Full-Scale-Test ermittelten Maße wer-den bei einer Stellprobe (Bild 6.8) überprüft und ge-gebenenfalls korrigiert.

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Bild 6.5: Für die Reproduzierbarkeit relevante Maße beim Full-Scale-Test

Bild 6.7: Pkw für Schlittenversuch mit ausgeschnittenem Unterboden und entfernter Seitentür

Bild 6.6: Neigung des Pkw und verkürzter Radstand des Mo-torrades beim Schlittenversuch

Bild 6.8: Stellprobe mit den aus dem Full-Scale-Versuch ermit-telten Referenzmaßen

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6.1.6 Grenzen der Vergleichbarkeit zwischenFull-Scale- und Schlittenversuchen

Aufgrund der Tatsache, dass beim Schlittenversuchdurch die Entfernung von Motorradvorderrad undFahrzeugseitentür eine Relativbewegung des Pkwweit gehend unterdrückt wird, erfolgt der Dachan-prall des Dummykopfes deutlich härter. In Bild 6.9sind die Bewegungen des Pkw bei beiden Ver-suchsarten dargestellt. Zu erkennen ist, dass sichder Pkw beim Full-Scale-Versuch vor dem Kopfan-prall mit einer Geschwindigkeit von ca. 7 km/h indie gleiche Richtung wie der Dummy bewegt. BeimSchlittenversuch hingegen ist erst der Dummykopfdie Ursache der Bewegung des Pkw. Die Relativbe-wegung zwischen Kopf und Dachkante ist somitbeim Schlittenversuch größer. Entsprechend pralltder Dummykopf mit einer größeren Anprallge-schwindigkeit und Anprallenergie an der Pkw-Dachkante an.

Die Dummybelastungswerte von Schlittenversu-chen sind daher nicht unmittelbar mit denen derFull-Scale-Versuche vergleichbar. Deshalb könnendie messtechnischen Auswirkungen getesteter Si-cherheitskomponenten nur innerhalb einer Schlit-tenversuchsreihe quantitativ miteinander vergli-chen werden. Maßgebend sind stets die im Full-Scale-Test gemessenen Belastungen. Eine kom-plette Versuchsreihe sollte deswegen mit einemFull-Scale-Test beginnen, der als Referenzversuchdient. Daran anschließend folgt die Schlittenver-suchsreihe mit der Optimierung der zu testendenSicherheitskomponenten. Die daraus gewonnenenErkenntnisse müssen dann in einem abschließen-den Full-Scale-Test mit gleicher Versuchskonfigu-ration verifiziert werden.

6.1.7 Reproduzierbarkeit der Schlittenversuche

Mit zwei identischen Schlittenversuchen unter Ver-wendung von Motorrädern desselben Typs im Se-rienzustand wurde die Reproduzierbarkeit derSchlittenverzögerung, der Bewegungsbahnen undAnprallereignisse sowie der gemessenen Dummy-Belastungen untersucht. Es handelt sich hierbeium die Versuche SH 01.02 und SH 01.03. In denfolgenden Bildern sind die Ergebnisse der Filmaus-wertung dargestellt. Ausgewertet wurden die Tar-gets an Becken und Hüfte sowie an der Lichtma-schine. Zunächst wird die am Motorrad gemesse-ne Verzögerung vorgestellt (Bild 6.10).

Die Kurvenverläufe sind nahezu identisch. Ledig-lich der Zeitpunkt, bei dem die Aufwärtsbewegungdes Motorrads durch den am Schlitten angebrach-ten Riemen (vgl. Kapitel 6.1.3) beendet wird (t > 0,16 s), findet beim Versuch SH 01.02 um ca.0,15 s früher statt. Dies ist allerdings für die Bewe-gungsbahn des Dummys unerheblich, da er zu die-sem Zeitpunkt das Motorrad längst verlassen hat.

Die Bilder 6.11 und 6.12 vergleichen die Verzöge-rungswerte des Dummys gemessen an Beckenund Knie miteinander.

Es kann also gesagt werden, dass die Dummybe-wegungen bei den Schlittenversuchen nahezuidentisch sind. Somit sind die Bewegungsbahnenvon Dummy und Motorrad unter gleichen Voraus-setzungen reproduzierbar. Ein Vergleich der Belas-tungswerte bestätigt dieses Ergebnis (Tabelle 6.1).

Die Werte liegen auf ähnlichem Niveau. Beim Ver-such SH 01.02 fand der Kopfanprall des Dummyseinige Millisekunden früher statt. Hier sind gering-fügig höhere Belastungen aufgetreten.

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Bild 6.9: Vergleich der seitlichen Pkw-Bewegungen zwischenFull-Scale- und Schlittenversuch (FilmauswertungScheinwerfertarget Pkw)

Bild 6.10: Geschwindigkeitsverlauf des Schlittens gemessenam Motor des Motorrades (Filmauswertung)

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Bei Zusammenfassung aller vorliegenden Datenkann davon ausgegangen werden, dass Schlitten-versuche untereinander gut reproduzierbar sind.Komplett identische Bewegungsbahnen und Be-lastungswerte zweier Versuche können allerdingsaufgrund der vielen möglichen Einflussfaktorennicht erreicht werden, zumal sich die hier gemes-senen Bewegungen innerhalb weniger Millisekun-den ereignen. Um eine möglichst gute Reprodu-zierbarkeit zu gewährleisten, ist es nötig, dass beiallen Tests die gleichen Versuchsbedingungenherrschen. Hierzu zählen u. a. die Temperatur unddie Luftfeuchtigkeit. Weiterhin kommt dem Zustand

der Bremse eine besondere Bedeutung zu. Hier istes wichtig, dass die Kunststoffhülsen bei jedemVersuch die gleiche Temperatur haben und damitidentische Verzögerungswerte liefern können.

6.2 Auswahl des Motorrades als Basisfür den Schlittenaufbau

Bei der Auswahl des Motorrades für die Schlitten-versuche wurden auch die Ergebnisse der Fahr-zeugbewertungen berücksichtigt. Allein im Hinblickauf die passive Sicherheit hätte eine Enduro ein gutgeeignetes Motorrad für die Schlittenversuche dar-gestellt. Enduros kommen allerdings im Straßen-verkehr nur selten vor. Mittelklassemotorräder sinddie mit Abstand häufigste Gruppe, die aufDeutschlands Straßen vertreten ist. Zu ihnenzählen auch die Sport-Tourer. Die Wahl fiel auf dieYamaha FZS 600 Fazer, Bild 6.13.

Sie erreichte beim Bewertungsverfahren (siehe Ka-pitel 4.1.2.9) 99 Punkte. Das liegt im oberen Drittelder Bewertungsskala. Mit einer Stückzahl von3.671 Exemplaren rangierte sie im Jahr 2000 unterden fünf meistverkauften Motorrädern in Deutsch-land. Sie verfügt über eine universelle Sitzhöhe undein mittleres Gewicht und ist damit auch für kleine-re Aufsassen geeignet. Mit einer Hubraumgrößevon 600 ccm ist sie das klassische Mittelklassemo-torrad. Mit Blick auf die passive Sicherheit warendie große Kopfhöhe und das weitere Entwicklungs-potenzial zum Anbau von Sicherheitskomponentenzusätzlich für die Auswahl dieses Motorrades aus-schlaggebend. Der Stahlrahmen der Yamaha FZS600 Fazer erleichtert zudem die Befestigung vonbesonderen Anbauteilen im Prototypenstadium mitden verfügbaren Einrichtungen.

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Bild 6.11: Geschwindigkeitsverlauf des Dummys gemessen amBecken (Filmauswertung)

Bild 6.12: Geschwindigkeitsverlauf des Dummys gemessen amKnie (Filmauswertung)

Tab. 6.1: Ausgewählte Dummybelastungswerte der VersucheSH 01.02 und SH 01.03 im Vergleich

3-ms-Wert

SH 01.02 SH 01.03

Resultierende Kopfbeschleunigung 88,6 g 82,7 g

Resultierende Brustbeschleunigung 37,1 g 26,6 g

Resultierende Beckenbeschleunigung 36,4 g 32,0 g

Bild 6.13: Für die Schlittenversuche ausgewähltes MotorradYamaha FZS 600 Fazer

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Wesentliche Merkmale dieses Motorrades im Hin-blick auf die in Kapitel 4 bewerteten sicherheitsre-levanten Anbauten sind:

· Tourerlenker vorhanden und begrenzt verstell-bar,

· keine formaggressiven Teile,

· aufrechte Sitzhaltung der Aufsassen,

· klappbare Fußrasten,

· Tankrampe mit optimalem Neigungswinkel von39°,

· Tankverschluss und Entlüftung versenkt,

· 1.497 mm Kopfhöhe beim 50-%-Mann,

6.3 Durchführung und Auswertung derSchlittenversuche

Bisher wurden acht Schlittenversuche durchge-führt. Dabei ist die Konfiguration 413 nach ISO13232 (rechtwinkliger Frontalanprall des Motorra-des mit 48 km/h gegen die Seite eines stehendenPersonenkraftwagens) mit dem Serienzustand desMotorrads Yamaha FZS 600 bzw. verschiedenerTestkomponenten simuliert worden. Bei allen Testswird als Zeitnullpunkt t0 der Beginn des Einfahrensin die Bremse (Beginn der Verzögerung des Schlit-tens) definiert. Dies entspricht der Erstberührungvon Motorrad und Personenkraftwagen beim kor-respondierenden Full-Scale-Test (SH 01.01, Seri-

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Bild 6.14a: Full-Scale-Test SH 01.01 und Schlittentests SH 01.03 bis SH 01.09

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enzustand). Bilder 6.14a und 6.14b geben einen ersten Überblick über die Versuche. In der rechtenSpalte ist der Bewegungszustand des Dummyszum Zeitpunkt des Kopfanpralles dargestellt. Derkorrespondierende Full-Scale-Test (SH 01.01) ist

zum Vergleich mit aufgeführt. Weiterhin sind diewesentlichen Merkmale des Kopfanpralls (Anprall-geschwindigkeit, Anprallzeitpunkt und Anprall-höhe) angegeben.

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Bild 6.14b: Schlittentests SH 01.11 bis SH 01.71

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Bild 6.15: Bewegungsablauf des Versuchs SH 01.03

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6.3.1 Versuch SH 01.03 – Serienzustand der Yamaha FZS 600 (39°-Tankrampe)

Messwertübersicht Dummy

Für den mit dem Aufbau der Yamaha FZS 600 imSerienzustand (Tankrampenwinkel 39°) durchge-führten Schlittenversuch SH 01.03 sind die gemes-senen Dummy-Belastungen in Tabelle 6.2 zusam-mengestellt. Die resultierende Kopfbeschleunigung82,7 g liegt im Bereich des Grenzwertes 80 g. DieScherkraft im Hals weist mit 4,4 kN das Vierfachedes zugehörigen biomechanischen Grenzwertes1,1 kN auf. Die resultierende Beckenverzögerung32 g ist leicht erhöht, aber noch deutlich unter demzugehörigen Grenzwert 60 g. Aufgrund der fehlen-den Relativbewegung des Pkw sind diese Werte nurbedingt mit denen des korrespondierenden Full-Scale-Versuchs vergleichbar.

Bewegungsabläufe

Die Bewegungsabläufe bei Versuch SH 01.013 sindin Bild 6.15 zu erkennen. Der Oberkörper legte sichnach dem Anprall des Abdomens am Tank nachvorne. Dadurch wurde die Bahn des Kopfes abge-senkt. Auch die Oberschenkel prallten am Tank an.Dabei entstanden an den entsprechenden Stellenseitliche Ausbuchtungen. Der Kopfanprall an derDachkante des Personenkraftwagens erfolgte bei t= 0,096 s. Die Beine waren zu diesem Zeitpunktleicht angewinkelt. Der Dummy drehte sich im wei-teren Ablauf um die obere Dachkante. Seine Endla-ge erreichte er danach auf dem Dach des Perso-nenkraftwagens. Im Gegensatz zum korrespondie-renden Full-Scale-Test, bei dem der Dummy direktnach dem Kopfanprall an die Dachkante neben demPkw zu Boden sinkt (siehe Kapitel 4.2.4), wird erbeim Schlittenversuch in die Höhe geschleudert.Dies ist darauf zurückführbar, dass sich das Hinter-rad des Motorrades beim Schlittenversuch schnellernach oben bewegt. Hierbei fehlen die Kraftwirkun-gen im Bereich von Scheinwerfer und Gabel beimAnstoß an der Tür des Pkw. Die Relativbewegungdes Pkw ist beim Schlittenversuch sehr gering.

Filmauswertung

Bild 6.16 zeigt die Trajektorien von Targets an derSeite des Dummys. Er stieß mit einer Kopfhöhe H = 1.378 mm gegen die Pkw-Dachkante. Dabeiprallte der Helm oberhalb der Visieröffnung an.

In Bild 6.17 ist der Geschwindigkeitsverlauf des Dummy-Kopfes über der Zeit dargestellt. Bild 6.18 zeigt den Ge-schwindigkeitsverlauf des Motorrades. Die Geschwindig-keit des Schlittens bei Bremsbeginn betrug 48,0 km/h. DerKopfanprall fand zum Zeitpunkt t = 0,096 s mit einer Ge-schwindigkeit von 19 km/h (Kopftarget unten) statt. Das

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Tab. 6.2: Übersicht der Dummy-Messwerte

Fahrer

Messgröße Maximal 3-ms-Wert Biomechanischer Wert (45-ms-Wert) Grenzwert

Resultierende Kopfbeschleunigung 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms

HIC 549 1.000

Halsbiegemoment 177,9 Nm 1) max. Retroflexion Mby -32,1 Nm 2) 57 Nm

Halskraft Fx3) 4,4 kN 1,5 kN max. Scherkraft

-0,5 kN (45 ms) 1,1 kN über 45 ms

Halskraft Fz4) 1,1 kN 1,1 kN max. Zugkraft

-4,5 kN (45 ms) 1,1 kN über 45 ms

Resultierende Brustbeschleunigung 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 ms

Brustdeflektion 2,2 mm 50,8 mm

Resultierende Be-ckenbeschleunigung 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms

Oberschenkelkraft 1,4 kNlinks4) -0,1 kN 10,0 kN

Oberschenkelkraft 1,6 kNrechts4) -0,1 kN 10,0 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

Bild 6.16: Kopfanprall und Darstellung einzelner Dummy-Tra-jektorien

Bild 6.17: Geschwindigkeit des Kopfes (bei Lücken keine Aus-wertung möglich)

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Motorrad-Hinterrad begann bei t = 0,05 s aufzusteigen underreichte die eingestellte Maximalhöhe von 60 cm bei t =0,15 s.

Messwertübersicht Motorrad

Wie in Tabelle 6.3 aufgelistet, betragen die maxima-len Verzögerungen des Motorrades in x-Richtungam Lenkkopf 28 g und am Motorschwerpunkt 32 g.

Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Motorrad beschränkensich auf den Tank, der durch Anstöße von Abdo-men und Oberschenkel eingedrückt wurde, undden Lenker, dessen Enden beidseitig nach untengebogen waren, Bild 6.19.

6.3.2 Versuch SH 01.08 – mit Choppertank(Tropfenform, 24°-Tankrampe)

Messwertübersicht Dummy

Bei Versuch SH 01.08 wurde der Choppertank einerYamaha Virago an den Motorradrahmen angepasstund montiert. In Tabelle 6.4 sind alle Belastungs-werte aus diesem Versuch zusammengestellt unddenen aus Versuch SH 01.03 gegenübergestellt. DerDummykopf weist mit 91,9 g eine deutlich über demGrenzwert 80 g liegende Verzögerung auf. Die Wertefür das Hals-Biegemoment (-114,2 Nm) unterschei-den sich erheblich vom Referenzversuch SH 01.03(-32,1 Nm). Hier kommt zum Tragen, dass derDummy bei Versuch SH 01.08 durch die flachereTankrampe des Choppertanks mit dem Kopf etwastiefer an der Pkw-Dachkante anprallte. Dadurchherrschen für den Hals ungünstigere Hebelverhält-

80

Bild 6.18: Geschwindigkeit des Motorrades im Schwerpunkt

Bild 6.19: Beschädigungen am Motorrad

Tab. 6.3: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 28 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 32 g

Tab. 6.4: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 01.08 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-WertResultierende Kopfbeschleunigung 108,5 g 91,9 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 463 549 1.000 Halsbiegemoment Mby 17,3 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-114,2 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 3,0 kN 0,1 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-1,0 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 3,1 kN 0,4 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-4,1 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 31,5 g 28,3 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 5,3 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 43,4 g 40,5 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 2,5 kN 1,4 kN 10,0 kN

-0,6 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 2,4 kN 1,6 kN 10,0 kN

-0,2 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

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nisse, was zu einem höheren Biegemoment im Be-reich der Retroflexion führt. Die Beckenbeschleuni-gung ist mit 40,5 g als erhöht einzustufen, liegt abernoch eindeutig unter dem Grenzwert 60 g. Alle an-deren Werte liegen deutlich unterhalb ihrer biome-chanischen Grenzwerte.

Filmauswertung

Beim Test SH 01.08 mit angepasstem Choppertankerreichte der Dummykopf beim Anprall an den Pkweine Höhe von 1.321 mm, Bild 6.20. Das ist 57 mmtiefer als beim Schlittenversuch SH 01.03 mit demAufbau des Motorrades im Serienzustand. DerHelm prallte oberhalb der Visieröffnung am Pkw an.

Bild 6.21 zeigt den Verlauf der Geschwindigkeit desDummykopfes. In Bild 6.22 ist der Geschwindig-keitsverlauf des Motorrades dargestellt. Die Ge-schwindigkeit bei Bremsbeginn betrug 47,9 km/h.Der Kopfanprall fand zum Zeitpunkt t = 0,102 s miteiner Geschwindigkeit von 15 km/h (Kopftargetunten) statt. Das Krad begann bei 0,05 s mit demHinterrad aufzusteigen und erreichte die eingestell-te Maximalhöhe von 60 cm nach 0,15 s.

Messwertübersicht Motorrad

Wie in Tabelle 6.5 aufgelistet, betragen die maxi-malen Verzögerungen des Motorrades in x-Rich-tung am Lenkkopf 28,9 g und am Motorschwer-punkt 30,4 g.

Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Motorrad sind auf denTank beschränkt, der im hinteren Teil durch den Ab-domenanprall erheblich nach innen gedrücktwurde, Bild 6.23.

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Bild 6.20: Kopfanprall und Darstellung der Trajektorien einzel-ner Targets

Bild 6.21: Geschwindigkeit des Kopfes

Tab. 6.5: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 28,9 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 30,4 g

Bild 6.22: Geschwindigkeit des Motorrades (fehlende Ab-schnitte waren nicht auswertbar)

Bild 6.23: Beschädigungen am Motorrad

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6.3.3 Versuch SH 01.09 – Ausrüstung mit Sport-tank (Eigenbau, 70°-Tankrampe)

Bei Versuch SH 01.09 wurde ein zuvor gefertigterSporttank (Tankrampenwinkel 70°) an den Motor-radrahmen der Yamaha FZS 600 angepasst undmontiert. In Tabelle 6.6 sind alle Belastungswerteaus diesem Versuch zusammengestellt und denendes Basisversuches SH 01.03 gegenübergestellt.Etwas erhöht, aber deutlich unter dem Grenzwert60 g ist die resultierende Beckenbeschleunigungmit 38,2 g. Die restlichen Dummy-Belastungen lie-gen ebenfalls unterhalb der zugehörigen Grenzwer-te. Grund für die geringe Kopfbelastung ist der feh-lende Dachkantenanprall. Der steil aufragendenTank behinderte die Bewegung des Dummyrump-fes deutlich. Der Oberkörper neigte sich im weite-ren Bewegungsablauf weit nach vorne und die

Kopfbahn wurde dabei nach unten umgelenkt. DerKopfanprall erfolgte unterhalb der Dachkantegegen die Seitenscheibe des Pkw.

Messwertübersicht Dummy

(siehe Tabelle 6.6)

Filmauswertung

Beim Versuch SH 01.09 mit angepasstem Sport-tank befand sich der Dummykopf beim Anprall amPkw in einer Höhe von 1.256 mm, Bild 6.24. Diesist 122 mm niedriger als beim Schlittenversuch SH01.03 mit dem Motorradaufbau im Serienzustand.

Der Geschwindigkeitsverlauf des Dummykopfes istin Bild 6.25 dargestellt. Zu Beginn der Bremsungbetrug die Geschwindigkeit des Schlittens 47,9km/h, Bild 6.26. Der Kopfanprall fand zum Zeit-punkt t = 0,094 s mit einer Geschwindigkeit von 21

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Tab. 6.6: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 01.09 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-Wert)Resultierende Kopfbeschleunigung 43,3 g 27,4 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 64 549 1.000 Halsbiegemoment Mby 23,4 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-35,0 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 0,4kN 0,1 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-0,3 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 1,8 kN 0,5 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-0,2 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 34,6 g 30,7 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 6,0 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 38,9 g 38,2 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 2,0 kN 1,4 kN 10,0 kN

-0,3 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 3,4 kN 1,6 kN 10,0 kN

-0,6 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

Bild 6.24: Kopfanprall und die Trajektorien einzelner Dummy-Targets

Bild 6.25: Geschwindigkeit des Kopfes (fehlende Abschnittewaren nicht auswertbar)

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km/h (Kopftarget unten) statt. Das Hinterrad desMotorrades begann bei 0,05 s aufzusteigen und er-reichte seine Maximalhöhe von 60 cm nach 0,15 s.

Messwertübersicht Motorrad

Die maximalen Verzögerungen des Motorrades inx-Richtung betragen am Lenkkopf 28,1 g und imMotorschwerpunkt 26,9 g, Tabelle 6.7.

Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Motorrad beschränktensich wiederum auf den Tank, der im hinteren Teilstark gefaltet war, Bild 6.27.

6.3.4 Versuch SH 01.11 – Lenker in vordersterStellung

Messwertübersicht Dummy

Bei diesem Versuch SH 01.11 war der Serien-Lenker der Yamaha FZ 600 in vorderster Stellungmontiert. Tabelle 6.8 zeigt die bei diesem Ver-such gemessenen Dummy-Belastungen verglichenmit denen des Basisversuchs SH 01.03. Die re-sultierende Kopfbeschleunigung liegt mit 72,4 gnahe am Grenzwert 80 g. Halsbiegemoment Mby und Halskraft FX liegen oberhalb der kritischenMarken. Alle anderen Messwerte befinden sichunter den biomechanischen Grenzwerten.

Filmauswertung

Beim Versuch SH 01.11 befand sich der Dummy-kopf beim Anprall an der Pkw-Dachkante in einer

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Tab. 6.8: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 01.11 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-Wert)Resultierende Kopfbeschleunigung 105,3 g 72,4 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 276 549 1.000 Halsbiegemoment Mby 8,2 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-80,7 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 2,6 kN 1,1 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-0,2 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 1,2 kN 0,4 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-4,4 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 40,2 g 33,6 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 0,3 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 29,6 g 29,2 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 1,5 kN 1,4 kN 10,0 kN

-1,8 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 2,0 kN 1,6 kN 10,0 kN

-0,4 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

Bild 6.26: Geschwindigkeit des Motorrades (fehlende Ab-schnitte waren nicht auswertbar)

Bild 6.27: Beschädigungen am adaptierten Sporttank

Tab. 6.7: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlitten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 28,1 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 26,9 g

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Höhe von 1.335 mm, Bild 6.28. Das ist 43 mmniedriger als bei Versuch SH 01.03 (Serienzustand).

Bild 6.29 zeigt den Verlauf der Geschwindigkeit desDummykopfes. In Bild 6.30 ist der Geschwindig-keitsverlauf des Motorrades dargestellt. Die Ge-schwindigkeit bei Bremsbeginn betrug 48,0 km/h.Der Kopfanprall fand zum Zeitpunkt t = 0,088 s miteiner Geschwindigkeit von 18 km/h (Kopftargetunten) statt. Das Krad begann bei 0,05 s mit demHinterrad aufzusteigen und erreichte die eingestell-te Maximalhöhe von 60 cm nach 0,16 s.

Messwertübersicht Motorrad

Wie in Tabelle 6.9 aufgelistet, betragen die maxi-malen Verzögerungen des Motorrades in x-Rich-tung am Lenkkopf 32,2 g und am Motor 32,9 g.

Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Tank beschränkten sichauf den hinteren Teil, der stark nach innen gefaltetwurde, Bild 6.31. Der Lenker verbog sich einseitig(rechts) um 30 mm nach unten. Weitere Beschädi-gungen waren nicht vorhanden.

6.3.5 Versuch SH 01.12 – Ausrüstung mit Tank-rucksack (gezurrt)

Messwertübersicht Dummy

Bei Versuch SH 01.12 wurde das Motorrad miteinem Tankrucksack ausgerüstet, der zusätzlich zuseiner serienmäßigen Befestigung noch mit zweiSpanngurten fixiert wurde. In Tabelle 6.10 werdenalle Dummy-Belastungswerte aus diesem Versuchdargestellt und mit den Werten von Versuch SH

84

Bild 6.28: Kopfanprall und Darstellung der Trajektorien einzel-ner Targets am Dummy

Bild 6.29: Geschwindigkeit des Kopfes (fehlende Abschnittewaren nicht auswertbar)

Bild 6.30: Geschwindigkeit des Motorrades (fehlende Ab-schnitte waren nicht auswertbar)

Tab. 6.9: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 32,2 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 32,9 g

Bild 6.31: Beschädigungen am Motorrad

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01.03 (Basisversion) verglichen. Die resultierendeKopfbeschleunigung lag mit 101,8 g deutlich überdem biomechanischen Grenzwert 80 g und auchhöher als bei Versuch SH 01.03. Im Bereich derFlexion ist der Wert für das Halsbiegemoment starkerhöht. Weiterhin ist der Grenzwert für die Halskraftin x-Richtung erreicht. Alle anderen Belastungenliegen unterhalb ihrer biomechanischen Grenz-werte.

Filmauswertung

Beim Versuch SH 01.12 erreichte der Kopf beimAnprall an der Pkw-Dachkante eine Höhe von1.407 mm, Bild 6.32. Dies ist gegenüber dem Seri-enzustand eine Erhöhung um 29 mm.

Der Geschwindigkeitsverlauf des Dummys ist inBild 6.33 dargestellt. Zu Beginn der Bremsung be-

trug die Geschwindigkeit des Schlittens 48,0 km/h,Bild 6.34. Der Kopfanprall fand zum Zeitpunkt t = 0,092 s mit einer Geschwindigkeit von 32 km/h(Kopftarget unten) statt. Das Hinterrad des Motor-rades begann bei t = 0,06 s aufzusteigen und erreichte seine Maximalhöhe von 60 cm nach t =0,17 s.

85

Tab. 6.10: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 01.12 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-Wert)Resultierende Kopfbeschleunigung 144,9 g 101,8 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 680 549 1.000 Halsbiegemoment Mby 225,1 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-36,6 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 4,4 kN 1,8 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-0,4 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 1,2 kN 0,9 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-3,9 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 35,8 g 27,6 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 3,4 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 32,5 g 30,4 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 1,6 kN 1,4 kN 10,0 kN

-0,3 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 2,3 kN 1,6 kN 10,0 kN

-1,4 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion im Halsmoment ist kritisch)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist minus und kritisch im Oberschenkel)

Bild 6.32: Kopfanprall und Darstellung der Trajektorien einigerTargets am Dummy

Bild 6.33: Geschwindigkeit des Kopfes

Bild 6.34: Geschwindigkeit des Motorrades

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Messwertübersicht Motorrad

Die maximalen Verzögerungen des Motorrades inx-Richtung betragen am Lenkkopf 36,8 g und amMotor 37,9 g, Tabelle 6.11.

Beschädigungen am Motorrad

Als Beschädigungen waren eine starke Faltung imhinteren Teil des Tanks (Bild 6.35) sowie eine links-seitige Verbiegung des Lenkers um 10 mm nachoben feststellbar. Der Rahmen zeigt rechts unter-halb des Tanks Berührungsspuren des Dummys.Der Dummy wies wegen des gebrochenen VisiersAnprallspuren an der Nase auf.

6.3.6 Versuch SH 01.13 – Ausrüstung mit Bein-protektoren (Eigenbau)

Messwertübersicht Dummy

Bei Versuch SH 01.13 war das Motorrad mit selbst-gebauten Beinprotektoren ausgerüstet. In Tabelle6.12 sind alle Dummybelastungen dargestellt undmit dem Basisversuch SH 01.03 verglichen. Bei derresultierenden Kopfbeschleunigung wurde mit 83,8g der biomechanische Grenzwert 80 g geringfügigüberschritten. Die Halszugkraft Fz ist mit 1,2 kNstark erhöht. Das Halsbiegemoment Mby ist mit –133,5 Nm mehr als doppelt so hoch wie derGrenzwert. An den Werten für die Oberschenkel-kräfte ist zu erkennen, dass der Dummy einen Teilseiner kinetischen Energie über die Beinprotekto-ren auf den Schlittenaufbau übertragen hat.

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Tab. 6.11: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 36,8 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 37,9 g

Bild 6.35: Beschädigungen am Tank

Tab. 6.12: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 01.13 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-Wert)Resultierende Kopfbeschleunigung 127,7 g 83,8 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 458 549 1.000 Halsbiegemoment Mby 20,6 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-133,5 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 3,4 kN 0,2 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-1,2 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 3,2 kN 1,2 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-4,4 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 40,9 g 33,6 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 5,4 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 31,2 g 29,0 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 0,6 kN 1,4 kN 10,0 kN

-2,7 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 0,9 kN 1,6 kN 10,0 kN

-2,7 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

Bild 6.36: Kopfanprall und Darstellung der Trajektorien einzel-ner Targets

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Filmauswertung

Bild 6.36 zeigt die Trajektorien verschiedener Tar-gets am Dummy. Er stieß mit einer Kopfhöhe

H = 1.328 mm gegen die Dachkante des Pkw. Dasist 50 mm niedriger als beim Versuch SH 01.03 (Se-rienzustand).

In Bild 6.37 ist der Geschwindigkeitsverlauf desKopfes über der Zeit dargestellt. Bild 6.38 zeigt den Geschwindigkeitsverlauf des Motorrades. DieGeschwindigkeit des Schlittens bei Bremsbeginnbetrug 49,7 km/h. Der Kopfanprall fand bei t = 0,088 s mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h(Kopftarget unten) statt. Das Motorradhinterrad begann bei t = 0,07 s aufzusteigen und erreichtedie eingestellte Maximalhöhe von 60 cm bei t = 0,16 s.

Messwertübersicht Motorrad

Wie in Tabelle 6.13 dargestellt, betragen die maxi-malen Verzögerungen des Motorrades in x-Rich-tung am Lenkkopf 36,1 g und am Motor 36,9 g.

Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Motorrad beschränkensich auf den Tank, der durch Anstöße von Abdo-men und Oberschenkel eingedrückt wurde, unddas linke Lenkerende, welches um 70 mm nachunten gebogen war, Bild 6.39.

6.3.7 Versuch SH 01.14 – Ausrüstung mit Tank-rucksack und Beinprotektoren

Messwertübersicht Dummy

Bei Versuch SH 01.14 war das Motorrad sowohlmit einem Tankrucksack als auch mit Beinprotekto-ren (Eigenanfertigung) ausgerüstet. In Tabelle 6.14sind alle gemessenen Dummybelastungen denWerten von Versuch SH 01.03 (Serienzustand) ge-genübergestellt. Die resultierende Kopfbeschleuni-gung liegt mit 106,1 g weit über dem biomechani-schen Grenzwert 80 g. Die Halskräfte Fz, und Fxsind liegen mit 1,2 kN und 1,1 kN im Bereich desGrenzwertes 1,1 kN. Die Werte für das Halsbiege-moment sind sowohl bei Flexion als auch bei Re-troflexion deutlich erhöht. Mit 172,5 Nm wurde derfür die Retroflexion geltende Grenzwert 45 ms weitüberschritten. Auch in diesem Versuch sind dieOberschenkelwerte aufgrund der verwendetenBeinprotektoren höher als in den anderen Versu-chen.

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Bild 6.38: Geschwindigkeit des Motorrades

Tab. 6.13: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 36,1 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 36,9 g

Bild 6.37: Geschwindigkeit des Kopfes (fehlende Abschnittewaren nicht auswertbar)

Bild 6.39: Beschädigungen am Motorrad

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Filmauswertung

Beim Versuch SH 01.14 befand sich der Dummy-kopf beim Anprall an der Pkw-Dachkante in einer

Höhe von 1.321 mm, Bild 6.40. Das ist 28 mmhöher als bei Versuch SH 01.03 (Serienzustand).

In Bild 6.41 ist der Geschwindigkeitsverlauf desKopfes über der Zeit dargestellt. Bild 6.42 zeigt denGeschwindigkeitsverlauf des Motorrades. DerSchlitten war bei Bremsbeginn 48,0 km/h schnell.Der Kopfanprall fand zum Zeitpunkt t = 0,086 s miteiner Geschwindigkeit von 25 km/h (Kopftargetunten) statt. Das Motorrad-Hinterrad begann bei t= 0,06 s aufzusteigen und erreichte seinen Wende-punkt bei t = 0,16 s.

Messwertübersicht Motorrad

Wie in Tabelle 6.16 dargestellt, betragen die maxi-malen Verzögerungen des Motorrades in x-Rich-tung am Lenkkopf 47,6 g und am Motorblock46,5 g.

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Bild 6.40: Kopfanprall und Darstellung der Trajektorien einzel-ner Targets am Dummy

Bild 6.41: Geschwindigkeit des Kopfes (fehlende Abschnittewaren nicht auswertbar)

Tab. 6.14: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 01.14 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-Wert)Resultierende Kopfbeschleunigung 123,0 g 106,1 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 673 549 1.000 Halsbiegemoment Mby 172,5 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-109,7 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 3,6 kN 1,1 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-0,5 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 3,4 kN 1,2 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-4,4 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 40,6 g 36,0 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 5,6 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 30,3 g 29,3 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 0,6 kN 1,4 kN 10,0 kN

-3,6 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 0,7 kN 1,6 kN 10,0 kN

-3,5 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

Bild 6.42: Geschwindigkeit des Motorrades

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Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Motorrad beschränktensich auf den Tank, der nach innen gefaltet wurde,Bild 6.43.

6.3.8 Versuch SH 01.71 – Ausrüstung mit Air-bag

Messwertübersicht Dummy

Bei Versuch SH 01.71 war das Motorrad mit einemspeziell entwickelten Airbag ausgerüstet. Der Air-bag ist einerseits als Rampe konzipiert worden, um

so den Dachkantenanprall des Kopfes zu vermei-den, zusätzlich erfüllt der Airbag eine anpralldämp-fende Funktion. In Tabelle 6.16 sind alle gemesse-nen Dummybelastungen den Werten von VersuchSH 01.03 (Serienzustand) gegenübergestellt. Zu er-kennen ist, dass der Airbag seine Aufgabe sehr er-folgreich erfüllt hat. Alle gemessenen Belastungs-werte liegen teilweise erheblich unter ihren biome-chanischen Grenzwerten. Einzig die Werte für diebeiden Halskräfte sind mit 0,8 kN als erhöht einzu-stufen, liegen aber deutlich unter den Werten desReferenzversuches.

Filmauswertung

Beim Versuch SH 01.71 fand aufgrund des Airbagskein exakter Dachkantenanprall statt. Zum Zeit-punkt seiner höchsten Kopfbelastung von 60 g be-fand sich der Dummykopf in einer Höhe von 1.440mm, Bild 6.44. Das ist 62 mm höher als bei VersuchSH 01.03 (Serienzustand).

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Tab. 6.15: Übersicht der Dummy-Messwerte

SH 0.71 SH 01.03Messgröße Maximal-Wert 3-ms-Wert Maximal-Wert 3-ms-Wert Biomechanischer Grenzwert

(45-ms-Wert) (45-ms-Wert)Resultierende Kopfbeschleunigung 60,1 g 54,2 g 153,3 g 82,7 g 80 g über 3 ms HIC 148 549 1.000 Hals-biegemoment Mby 129 Nm1) 177,9 Nm1) max. Retroflexion

-12 Nm2) -32,1 Nm2) -57 NmHalskraft Fx

3) 3,36 kN 0,8 kN 4,4 kN 1,5 kN 1,1 kN über 45 ms-0,3 kN (45 ms) -0,5 kN (45 ms)

Halskraft Fz4) 1,2 kN 0,8 kN 1,1 kN 1,1 kN 1,1 kN über 45 ms

-1,0 kN (45 ms) -4,5 kN (45 ms)Resultierende Brustbeschleunigung 23,3 g 21,2 g 37,3 g 26,6 g 60 g über 3 msBrustdeflektion 4,0 mm 2,2 mm 50,8 mmResultierende Beckenbeschleunigung 30,6 g 29,0 g 36,2 g 32 g 60 g über 3 ms Oberschenkelkraft links4) 2,4 kN 1,4 kN 10,0 kN

-0,4 kN -0,1 kNOberschenkelkraft rechts4) 2,1 kN 1,6 kN 10,0 kN

-0,1 kN -0,1 kN

1) Biegemoment nach vorn 2) Biegemoment nach hinten (Retroflexion)3) Scherkraft 4) Zug- oder Druckkraft (Druckkraft ist negativ)

Tab. 6.16: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 47,6 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 46,5 g

Bild 6.43: Beschädigungen am Tank

Bild 6.44: Zeitpunkt der höchsten Kopfverzögerung

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In Bild 6.45 ist der Geschwindigkeitsverlauf desKopfes über der Zeit dargestellt. Bild 6.46 zeigt denGeschwindigkeitsverlauf des Motorrades. Der

Schlitten war bei Bremsbeginn 48,1 km/h schnell.Die höchste Kopfbelastung trat zum Zeitpunkt t = 0,094 s bei einer Geschwindigkeit von 19 km/h(Kopftarget unten) auf. Das Motorrad-Hinterrad be-gann bei t = 0,06 s aufzusteigen und erreichte sei-nen Wendepunkt bei t = 0,16 s.

Messwertübersicht Motorrad

Wie in Tabelle 6.17 dargestellt, betragen die maxi-malen Verzögerungen des Motorrades in x-Rich-tung am Lenkkopf 38,6 g und am Motorblock 39,3 g.

Beschädigungen am Motorrad

Die Beschädigungen am Motorrad beschränktensich auf den Tank, der stark nach innen gefaltetwurde, Bild 6.47.

6.4 Zusammenfassende Bewertung derSchlittenversuche

Im Folgenden werden die Ergebnisse der vorste-hend beschriebenen Schlittenversuche zusam-mengefasst und kommentiert. Dabei wird auf diegeometrischen Unterschiede bei der Kopfanprallsi-tuation (Anprallhöhe) und auf die biomechanischenBelastungswerte des Dummys eingegangen. In derÜbersicht der Werte wird deutlich, dass bei einerzusammenfassenden Kommentierung das überge-ordnete Ziel im Vordergrund stehen muss. Dies isthier die Anhebung des Kopfes möglichst über diePkw-Dachkante hinaus. Dabei sind allerdings erstdann, wenn der Kopf vollständig das Dachkanten-niveau überwindet, wesentliche Absenkungen derKopfbelastung zu erwarten.

In Bild 6.48 sind die erzielten Kopfanprallhöhen füralle Schlittenversuche einander gegenübergestellt.

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Bild 6.45: Geschwindigkeit des Kopfes (fehlende Abschnittewaren nicht auswertbar)

Bild 6.46: Geschwindigkeit des Motorrades

Tab. 6.17: Maximale Verzögerungen des Motorrades im Schlit-ten

Messort max. Verzögerung

Rahmen vorne (Lenkkopf) in x-Richtung 38,6 g

Motor (im Schwerpunkt) in x-Richtung 39,3 g

Bild 6.47: Beschädigungen am Tank

Bild 6.48: Veränderung der Kopfhöhe beim Dachanprall durchgetestete Sicherheitskomponenten bei allen Schlit-tenversuchen

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Hierbei wurde die ermittelte Höhe aus Versuch SH01.03 (Serienzustand) als Referenzhöhe verwen-det. Der Versuch SH 01.71 (Airbag) und der Ver-such SH 01.12 (Tankrucksack) waren die einzigen,bei denen eine nennenswerte Kopfanhebung er-zielt wurde. Diese kann beim Versuch SH 01.12 mit29 mm allerdings als eher bescheiden bezeichnetwerden. Diese Anhebung des Kopfes reichte nichtaus, um das gefährliche Dachkantenniveau zuüberwinden. Der Dummy prallte direkt mit der Vi-sieröffnung des Helmes gegen die Dachkante. Diegemessenen Kopf- und Halsbelastungen lagendeshalb über den Grenzwerten bzw. waren erhöht.

Dies war beim Versuch mit Airbag nicht der Fall.Hier leitete der Airbag Kopf und Oberkörper überdie gefährliche Dachkante und vermied so kritischeBelastungen. Im weiteren Verlauf der Kollisionwurde der gesamte Dummy über das Fahrzeug ge-hoben und kam auf der gegenüberliegenden Seitedes Pkw auf dem Boden zum Liegen. Die biome-chanischen Messwerte in diesem Versuch sind al-lesamt unterkritisch. Dies gilt ebenso für die Se-kundärkollision auf dem Boden. Somit kann hiervon einer erfolgreichen Verbesserung der passivenSicherheit gesprochen werden.

Bei allen anderen Versuchen wirkten sich die ver-wendeten Sicherheitskomponenten negativ auf dieAnprallhöhe des Kopfes aus.

Bild 6.49 stellt die Kopfanprallgeschwindigkeit undden Zeitpunkt des Kopfanpralls einander gegen-über. Werden die Versuche außer Acht gelassen,bei denen kein Kopfanprall an der Dachkante statt-fand (Sporttank, flacher Lenker), so zeigt sich fol-gendes Bild: Je später der Kopfanprall stattfand,desto niedriger war die Anprallgeschwindigkeit.Versuch SH 01.08 (Choppertank) bildet hier mit 15 km/h bei 102 ms den einen Extremwert und diebeiden Versuche mit den montierten Beinprotekto-ren mit 25 km/h nach 86/88 ms den anderen. DerVersuch SH 01.12 (Tankrucksack) bildet hier eineAusnahme. Hier wurde mit 32 km/h die höchsteAnprallgeschwindigkeit gemessen.

Bild 6.50 zeigt den HIC-Wert und die Werte für dieresultierende Kopfbeschleunigung für alle Schlitten-versuche. Die Werte des HIC liegen für alle Versu-che im unkritischen Bereich. Besonders niedrig istmit HIC = 64 die Belastung beim Versuch mit mon-tiertem Sporttank (SH 01.09). Hier begrenzte diesteile Tankrampe die Vorwärtsbewegung des Dum-mys. Dadurch verblieb der Unterkörper zunächst

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Bild 6.49: Kopfanprallgeschwindigkeit und Anprallzeitpunkt aller Schlittenversuche

Bild 6.50: Übersicht über die gemessenen Belastungswerte des HIC und der resultierenden Kopfverzögerung bei allen Schlitten-versuchen

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auf dem Motorrad, während der Oberkörper sichflach auf den Tank legte. Der Kopf verfehlte dieDachkante und drang in die Seitenscheibe des Pkwein. Beim Versuch SH 01.11 (Lenker in vordersterStellung) war die absolute Kopfhöhe des Dummysdurch seine nach vorn gebeugte Haltung so niedrig,dass dieser beim Kopfanprall nach unten abglitt.Auch hier wurde mit HIC = 276 ein relativ geringerWert gemessen.

Bei Betrachtung der resultierenden Kopfverzöge-rung stellt sich ein ähnliches Bild dar. Wiederumunterscheiden sich die Belastungswerte der beidenVersuche mit Sporttank und flachem Lenker vonden anderen Tests. Bei ihnen liegen die gemesse-nen Belastungswerte mit a = 27 g (Sporttank) unda = 72 g (flacher Lenker) unterhalb des biomecha-nischen Grenzwertes 80 g. Bei allen übrigen Versu-chen wird der Grenzwert deutlich überschritten. Einbesonders harter Anprall fand mit a = 106 g beiVersuch SH 01.14 (Kombination aus Tankrucksackund Beinprotektoren) statt. Durch die starren, un-beweglichen Beinprotektoren in Verbindung mitdem als Barriere wirkenden Tankrucksack war derDummy sehr lange fest mit dem Motorrad verbun-den. Aufgrund dieses höheren Gewichtes fuhr derSchlitten sehr tief in die Bremse und damit unterden Pkw ein, so dass der Kopf beim Anprall an die

Dachkante noch eine sehr hohe Geschwindigkeithatte. Beim Versuch SH 01.12 (Tankrucksack) prall-te der Dummy mit dem Visier an, das zerbrach.Daraus resultiert auch hier mit a = 102 g ein hoherBelastungswert.

Das Bild 6.51 zeigt die Halskräfte in z-Richtung undx-Richtung. Bei der Halsdruckkraft FZ liegen dieWerte für die beiden Versuche mit Beinprotektorenmit 1,2 kN über dem zugehörigen Grenzwert 1,1kN. Grund hierfür ist die durch die Beinprotektorenbedingte nach vorn geneigte Haltung des Dum-mys. Daraus resultiert beim Dachanprall eine Kraft–einleitung in Richtung der z-Achse.

Bei der Halsscherkraft FX fallen besonders dieWerte der Versuche SH 01.12 (Tankrucksack) undSH 01.03 (Serienzustand) heraus. Sie liegen mit 1,8kN und 1,5 kN deutlich über dem zugehörigenGrenzwert 1,1 kN. Bei diesen beiden Versuchenhatte der Dummy seine höchste Position währenddes Dachanpralls, so dass hier die Krafteinleitunggrößtenteils in x-Richtung erfolgte. Beim Halsbie-gemoment fällt besonders der niedrige Wert desAirbagversuchs ins Auge.

Bild 6.52 stellt die gemessenen Belastungswerte derresultierenden Brustverzögerung und der resultie-

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Bild 6.51: Übersicht über die gemessenen Werte des Halsbiegemomentes Mby, der Halsdruckkraft Fx und der Halsscherkraft FZaller Schlittenversuche

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renden Beckenverzögerung dar. Hier liegen alleWerte deutlich unter dem biomechanischen Grenz-wert 60 g.

Bild 6.53 zeigt die gemessenen Oberschenkel-kräfte. Auch sie liegen weit unterhalb des zugehöri-gen biomechanischen Grenzwertes von 10 kN. Her-vorzuheben sind hier allerdings die Versuche SH01.13 (Beinprotektoren) und SH 01.14 (Kombina-tion). Durch die unelastischen Beinprotektoren wer-den erhöhte Kräfte in die Oberschenkel eingeleitet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ya-maha FZS 600 Fazer im Serienzustand bereitseinen recht ausgewogenen Zustand bezüglich derpassiven Sicherheit darstellt. Nur zwei getesteteKomponenten (Tankrucksack und Airbag) erzielteneine größere Kopfanprallhöhe als der Serienzu-stand. Alle anderen Komponenten bedeuteten ehereine Verschlechterung der Situation. Aber auch derTankrucksack bedeutete schließlich eine Ver-schlechterung der Situation, weil der Kopf nichtkomplett über die Dachkante gehoben wurde.

Allein der Airbag stellte eine umfassend zufriedenstellende Verbesserung dar. Im Versuch SH 01.71lagen alle gemessenen Dummy-Belastungen un-

terhalb der biomechanischen Grenzwerte. Ledig-lich die Werte für die Halsdruckkraft und die Hals-scherkraft können als erhöht bezeichnet werden.Der harte Anprall an die Dachkante wurde komplettvermieden. Der Dummy wurde über den Pkw ge-hoben und kam jenseitig ohne weiteren Anprall inseine Endlage. Um eine allgemein gültige Aussageüber den Nutzen des Airbags bei diesem Motorradzu treffen, sind allerdings noch weitere Versuchebei anderen Konfigurationen nötig.

7 Umfassendes Verfahren für dieBewertung und Prüfung derpassiven Sicherheit motorisier-ter Zweiräder

In den Kapiteln 4 und 6 des vorliegenden Berichteswurden durchgeführte Fahrzeuganalysen, Full-Scale-Crashtests und Schlittentests beschrieben.Diese Bewertungen und Tests stellen bereits reali-sierte Elemente eines Verfahrens zur Bewertungund Prüfung der passiven Sicherheit motorisierterZweiräder dar. Im Folgenden wird auf das Zusam-

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Bild 6.53: Übersicht über die gemessenen Kräfte im rechten und linken Oberschenkel bei allen Schlittenversuchen

Bild 6.52: Übersicht über die gemessenen Werte der resultierenden Brust- und Beckenverzögerung bei allen Schlittenversuchen

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menwirken dieser Elemente in einem Gesamt-system sowie auf dessen Weiterentwicklung einge-gangen.

7.1 Bewertungen

Bei einer umfassenden Beurteilung der Bewer-tungs- und Testverfahren zur Ermittlung und Be-schreibung der passiven Sicherheit motorisier-ter Zweiräder kann auf entsprechende Ansätze zurSicherheitsbewertung von Personenkraftwagenzurückgegriffen werden. Dabei ist der Verwen-dungszweck der Bewertungsergebnisse relevant.Hier können vier Bereiche unterschieden werden:

· Bewertung der Erfüllung von Entwicklungs-Ziel-vorgaben des Fahrzeugherstellers,

· Bewertung der Zulassungsfähigkeit des Fahr-zeuges (Homologation),

· Bewertung des Fahrzeuges zur Information desVerbrauchers,

· Bewertung des Fahrzeuges im Rahmen derProdukthaftung.

Grundsätzlich soll hierbei durch systematische Ver-gleiche von bestimmten Merkmalsausprägungender passiven Sicherheit des Fahrzeuges mit geeig-neten Referenzen ermittelt werden, ob und wie gutbestimmte Vorgaben erreicht worden sind. Anhandder Bewertungsergebnisse mehrerer Fahrzeugekönnen diese bezüglich ihrer passiven Sicherheit ineine objektiv nachvollziehbare Rangreihe gestelltwerden (Ranking).

Zur Beschreibung der Zielerfüllung ist eine geeig-nete Informations- und Datenbasis erforderlich,welche die Ist-Merkmalsausprägungen (Ist-Eigen-schaften) des Fahrzeuges und die zugehörigenSoll-Merkmalsausprägungen (Soll-Eigenschaften)umfasst. Nach GRUNOW et al. (1996) kommenhierzu drei Informations- und Datenkategorien inBetracht, mit deren Elementen die verschiedenenTeilziele der passiven Sicherheit belegt werdenkönnen. Je nach gegebenen Informationen kanndies bei einzelnen Merkmalen mehr oder wenigervollständig (lückenhaft) oder auch mehrfach (re-dundant) erfolgen. Nach der Herkunft der Datenkann hierbei unterschieden werden in:

· Primärdaten und Informationen über die passi-ve Sicherheit des Fahrzeuges, die den üblicher-weise vom Fahrzeughersteller gelieferten tech-nischen Unterlagen entnommen werden oder

am ruhenden Fahrzeug unmittelbar festzustel-len sind.

· Sekundärdaten und Informationen über die pas-sive Sicherheit des Fahrzeuges, die mit Hilfevon dynamischen Tests am bewegten Fahrzeug(Crashtests) real festgestellt oder mittels nume-rischen Simulationen (virtual testing) generiertwerden können.

· Tertiärdaten und Informationen über die passiveSicherheit des Fahrzeuges, die sich aus dempraktischen Einsatz im Straßenverkehr ableitenlassen.

Die in Abschnitt 4 des vorliegenden Berichtes be-schriebenen Fahrzeuganalysen stellen somit einPrimärdaten-Beurteilungssystem dar. Full-Scale-Crashtests (Abschnitt 4.2) und Schlittenversuche(Abschnitt 6) sind in Verbindung mit zugehörigenbiomechanischen Schutzkriterien Elemente einesSekundärdaten-Bewertungssystems. Darüber hi-naus liefern numerisch simulierte (virtuelle) Testsebenfalls Sekundärdaten, wobei vorausgesetztwird, dass die verwendeten numerischen Modellehinreichend valide sind.

Ein umfassendes System zur Bewertung der passi-ven Sicherheit von motorisierten Zweirädern um-fasst alle drei Datenkategorien, wobei die Ergeb-nisse der jeweiligen Bewertungen einander ent-sprechen (bestätigen) müssen, Bild 7.1. Ist dies derFall, handelt es sich um ein valides Bewertungs-system. Die entscheidende Referenz zur Beurtei-lung der Validität sind stets die Tertiärdaten ausdem realen Unfallgeschehen. Bewertungen anhandvon Sekundärdaten (Testergebnisse) müssen mitzugehörigen Erkenntnissen aus dem realen Unfall-geschehen in Einklang sein. Bewertungen anhandvon Primärdaten (aus technischen Unterlagen oderam ruhenden Fahrzeug ermittelt) müssen zugehöri-gen Erkenntnissen aus Tests (Sekundärdaten) undaus dem realen Unfallgeschehen (Tertiärdaten) ent-sprechen. In diesem Sinne beeinflussen Erkennt-nisse und Fragestellungen aus dem realen Unfall-geschehen die Verfahren (Tests) zur Generierungund Bewertung von Sekundärdaten. Diese wiede-rum haben Einfluss auf Verfahren zur Generierungund Bewertung von Primärdaten. Vor diesem Hin-tergrund ist klar, dass ein umfassendes System zurBewertung der passiven Sicherheit von motorisier-ten Zweirädern nicht statisch sein kann, sondernlaufenden Veränderungen unterworfen ist. DieserProzess kann als kontinuierlicher Verbesserungs-prozess aufgefasst werden. Dies ist bei der Bewer-

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tung der passiven Sicherheit von Personenkraftwa-gen in gleicher Weis der Fall. Dabei werden die Ver-fahren zur Generierung und Bewertung von Sekun-där- und von Primärdaten laufend optimiert, d. h. neuen Erkenntnissen und Fragestellungen ausdem realen Unfallgeschehen (Tertiärdaten) ange-passt.

Mit einem validen Primärdaten-System lassen sichrelativ schnell und kostengünstig erste Informatio-nen zur (zutreffenden) Beurteilung der passiven Si-cherheit eines motorisierten Zweirades gewinnen.Diese können zum Beispiel zur ersten Informationder Verbraucher über die passive Sicherheit neuermotorisierter Zweiräder verwendet werden. Die inAbschnitt 4 des vorliegenden Berichtes beschrie-benen Fahrzeuganalysen stellen einen hierzu ge-eigneten Ansatz dar. Selbstverständlich bedürfendiese Analysen vor einer verbindlichen Anwendungzur Information der Verbraucher der weiteren Ab-stimmung und Verbesserung in Fachkreisen.Grundsätzlich wird ein solches Bewertungssystemin wesentlichen Teilen stets auf der subjektiven Ein-schätzung bestimmter Merkmale (nach vorgegebe-nen Kriterien) beruhen. Man spricht in diesem Zu-sammenhang auch von „weichen“ Informationen(soft facts). In bestimmtem Umfang lassen sich auszugehörigen Primärdaten auch konkrete Entwick-

lungsvorgaben ableiten, beispielsweise durch Vor-gabe einer bestimmten Aufsassen-Kopfhöhe oderEigenschaften der Tankrampe. Zur abschließendenHomologation des Fahrzeuges oder zur Beantwor-tung von Fragen im Rahmen der Produkthaftungwird ein solches System nach bisherigem Ermes-sen weniger gut geeignet sein.

Ein valides Sekundärdatensystem (Crashtest-Ma-trix) liefert mit entsprechendem Aufwand „harte“Daten und Informationen (hard facts), die üblicher-weise auch im Rahmen einer Homologation desFahrzeuges verwendet werden können. Bisher istdie Einbeziehung von Crashtest-Ergebnissen in dieHomologation eines motorisierten Zweirades nichtvorgeschrieben. Dies hängt unter anderem mit derbesonderen Vielfalt des Unfallgeschehens der mo-torisierten Zweiräder zusammen. Auch ohne ge-setzlich vorgeschriebene Homologation ergibt sichvor dem Hintergrund der Produkthaftung die Not-wendigkeit zur Durchführung von realen oder nu-merisch simulierten Full-Scale-Crashtests bzw.Schlittentests. Die im Standard ISO 13232 be-schriebenen Full-Scale-Tests und ergänzenden nu-merischen Simulationen stellen hierfür ein bereitsweit entwickeltes, in Fachkreisen abgestimmtesund anerkanntes Test-Szenario dar. Hieraus lassensich schon heute Informationen ableiten, die für

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Bild 7.1: Gegenseitige Beeinflussung von Systemen zur Bewertung der passiven Sicherheit motorisierter Zweiräder

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Zwecke der Homologation, der Verbraucher-Infor-mation und auch zur Beantwortung von Fragen derProdukthaftung sehr gut geeignet sind. Daran,dass ISO 13232 ausdrücklich als „sich entwickeln-der Standard“ bezeichnet wird, ist bereits zu er-kennen, dass dieses System nicht als endgültigaufgefasst werden kann. Wie andere Regeln derTechnik auch, ist es in angemessener Weise demsich ändernden Stand der technischen Entwick-lung und neuen Erkenntnissen aus der Forschungständig anzupassen.

7.2 Prüfverfahren

Wenn die passive Sicherheit motorisierter Zweirä-der einen entsprechenden Stellenwert erreicht,werden – wie bei Personenkraftwagen – Verfahrenzur Prüfung der passiven Sicherheit in allen Phasendes Produktentstehungsprozesses zur Anwendungkommen, Bild 7.2.

Dieser Prozess läuft heute in der Automobilindus-trie weit gehend rechnergestützt (virtuell) ab. Dabeihaben numerische Simulationen (virtual testing) inder Auslegungs- und Definitionsphase einengroßen Stellenwert. Zur Validierung der numeri-schen Simulationen kommen in der Applikations-phase reale Schlittenversuche und erste Full-Scale-Tests hinzu. In der Freigabephase entschei-den dann Full-Scale-Tests über den Erfolg der Ho-mologation. Danach dienen weitere Full-Scale-Tests zur Überprüfung der Einhaltung relevanter Ei-genschaften während der Produktion (COP = Con-formity of Production).

Im Pkw-Bereich hat das zugehörige Test-Szenarioin der Vergangenheit erheblich an Umfang gewon-nen, Bild 7.3. Den Frontalaufprallversuchen folgtendie Seiten- und Heckaufpralltests und die Rollover-tests, jeweils in mehreren Varianten. Obwohl derStandard ISO 13232 bereits sieben Full-Scale-Tests (Motorrad gegen Pkw) umfasst, kann eineähnliche Entwicklung auch bei den motorisiertenZweirädern erwartet werden. Als Ergänzung zu denin ISO 13232 beschriebenen Tests kommen bei-spielsweise Simulationen von Motorrad-Alleinun-fällen mit Rutschen auf der Fahrbahn oder mit An-prall an passiven Schutzeinrichtungen (BÜRKLEund BERG, 2001) in Frage.

7.2.1 ISO 13232 als Ausgangspunkt eines um-fassenden Testverfahrens

Mit dem Standard ISO 13232 wurden weltweit erst-mals einheitliche Rahmenbedingungen zur Beurtei-lung von Sicherheitsmaßnahmen für Motorrädergeschaffen, die eine Verletzungsreduzierung desFahrers bei einem Anprall gegen einen Personen-wagen erreichen sollen. Ausgangspunkt für dieEntwicklung dieser Norm waren die stark differie-renden Ergebnisse in der Beurteilung von Bein-schutzsystemen Ende der 80er Jahre.

Ein internationales Beinschutz-Seminar im Jahr1991 in Paris zeigte zusammen mit den Empfeh-lungen von verschiedenen Experten die Notwen-digkeit für einen international anerkannten Crash-dummy und für vereinheitlichte Untersuchungsme-thoden auf. Bevor weitere sinnvolle Forschungenim Bereich der passiven Zweiradsicherheit weltweitdurchgeführt werden konnten, war diese Proble-matik zu lösen.

Im Jahr 1992 begann eine international besetzteArbeitsgruppe (ISO/TC22/SC22/WG22) mit derAusarbeitung von standardisierten Methoden für

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Bild 7.2: Numerische Simulationen, Schlittentests und Full-Scale-Tests zur Überprüfung von Eigenschaften derpassiven Sicherheit im Rahmen der Entstehung einesFahrzeugs (Darstellung in Anlehnung an BRÖCKING,1999)

Bild 7.3: Entwicklung der Full-Scale-Tests zur Überprüfung derpassiven Sicherheit von Pkw (MARCHARD, 1999)

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die Motorrad-Sicherheitsforschung. Nach mehre-ren Sitzungen der Arbeitsgruppe wurde 1994 einEntwurf zur Abstimmung vorgelegt. Im Dezember1996 erfolgte die Veröffentlichung der ISO 13232(van DRIESSCHE, 1994, ROGERS, 1996).

Die in ISO 13232 beschriebenen Testmethodenwurden bereits in verschiedenen Forschungsarbei-ten erfolgreich angewandt. Sie werden von Motor-rad- und Rollerherstellern im Rahmen der Entwick-lung neuer Fahrzeuge weltweit berücksichtigt(BERG, 1999). Der Standard ISO 13232 bestehtaus acht aufeinander aufbauenden und sich ge-genseitig beeinflussenden Teilen:

· Teil 1: Definitionen, Abkürzungen und Symbole

· Teil 2: Definition der Anstoßbedingungen basie-rend auf der Auswertung von Unfalldaten

· Teil 3: Anforderungen an den Motorraddummy

· Teil 4: Aufzuzeichnende Messwerte, Instrumen-tierung und Messprozeduren

· Teil 5: Verletzungsindizes und Risiko/Nutzen-Analyse

· Teil 6: Full-Scale-Aufprallprozeduren

· Teil 7: Verfahren zur Ausführung von Computer-simulationen für Motorradaufpralltests

· Teil 8: Dokumentation und Bericht

Die Zielsetzung dieses Standards beinhaltet dieDefinition allgemeiner Forschungsmethoden für dieUntersuchung von Sicherheitselementen am Mo-torrad. Die vorgegebenen experimentellen und ma-thematischen Methoden konzentrieren sich dabeiauf den paarweisen Vergleich von Motorrädern mitbzw. ohne die zu untersuchenden Sicherheitsmaß-nahmen. Die entwickelten Testmethoden stützensich auf die Analyse von Unfalldaten und solleneine Gesamtbewertung der untersuchten Sicher-heitselemente bezüglich der Verletzungssituationermöglichen. Zudem wurde durch ISO 13232 dieVoraussetzung für international vergleichbare Test-ergebnisse geschaffen.

Die aktuelle Fassung des Standards ISO 13232 ba-siert auf den zur Zeit in der Entwicklung befindli-chen und existierenden Motorrad-Sicherheitstech-nologien. Enthalten sind sowohl sieben definierteFull-Scale-Testkonfigurationen (siehe Kapitel 6,Bild 6.4) als auch die numerische Simulation vonca. 200 Anstoßkonfigurationen. ISO 13232 ist alsStartpunkt einer kontinuierlichen Weiterentwick-lung anzusehen. Künftige Verbesserungen und An-

regungen werden zu einer Weiterentwicklung desStandards beitragen.

Die im vorliegenden Bericht vorgestellten Schlitten-versuche können vor diesem Hintergrund als Anre-gung zur Weiterentwicklung von ISO 13232 ange-sehen werden. Damit ließen sich im Vergleich zuFull-Scale-Tests kostengünstigere reale Testserienzur Erprobung und Verbesserung von Motorrad-Si-cherheitselementen in der Entwicklungsphasedurchführen. In Anbetracht der komplexen räumli-chen Bewegungsabläufe bei einer Motorrad-Pkw-Kollision und den derzeitigen Möglichkeiten der nu-merischen Simulation solcher Kollisionen erschei-nen Schlittentests als eine interessante Alternative.In diesem Zusammenhang muss auch beachtetwerden, dass die Ergebnisse von im Vergleich dazuaufwändigeren Full-Scale-Tests hinsichtlich ihrerReproduzierbarkeit kritisch analysiert werden müs-sen (BERG et al., 2000).

Bild 7.4 veranschaulicht die nach derzeitigemKenntnisstand als sinnvoll anzusehenden Erweite-rungsmöglichkeiten der in ISO 13232 definiertenFull-Scale-Tests.

ISO 13232 ist als Standard für Motorräder definiert.Als Unfallgegner wird allein der Personenkraftwa-

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Bild 7.4: Mögliche Erweiterungen der in ISO 13232 definiertenFull-Scale-Tests

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gen betrachtet. Auf Motorroller ist dieser Standardbedingt übertragbar. Insbesondere für kleinere Mo-torroller, die vorwiegend innerorts an Unfällen be-teiligt sind, ist bisher noch nicht hinreichend nach-gewiesen worden, welche Anstoßkonstellationenhierbei relevant sind. Den Ergebnissen der Unfall-untersuchungen in Kapitel 2 des vorliegenden Be-richts zufolge ist dabei neben dem Personenkraft-wagen auch der Lastkraftwagen als Unfallgegnerbedeutsam. Hieraus ergeben sich weitere Entwick-lungsperspektiven für ein umfassendes Verfahrenzur Überprüfung der passiven Sicherheit motori-sierter Zweiräder.

Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang auchdie Kollisionsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge.ISO 13232 sieht als Kollisionsgeschwindigkeit desMotorrades 48 km/h bzw. 35 km/h vor, währendder Personenkraftwagen entweder steht oder mit24 km/h kollidiert. Wie die Ergebnisse der Unfallun-tersuchungen in Kapitel 2 zeigen, differieren dieKollisionsgeschwindigkeiten der verschiedenen Ar-ten motorisierter Zweiräder bei gleicher Unfall-schwere (Unfälle mit Getöteten, schwer Verletztenund leicht Verletzten). Beispielsweise lag bei Unfäl-len mit getöteten Aufsassen die mittlere Kollisions-geschwindigkeit der Sportmotorräder, Tourer undChopper im Bereich um 80 km/h, der Sport-Tourerbei 72 km/h, der Kraftroller mit mehr als 80 cm3 Hubraum bei 75 km/h und der Enduros bei64 km/h. Mit 35 km/h lag die mittlere Kollisionsge-schwindigkeit der Kraftroller mit weniger als 80 cm3 Hubraum und getöteten Aufsassen aufeinem wesentlich niedrigeren Geschwindigkeitsni-veau. Hieraus ergeben sich zusätzliche Ansatz-punkte zur Weiterentwicklung der Vorgaben in ISO13232 im Rahmen eines umfassenden Verfahrenszur Überprüfung und Beurteilung der passiven Si-cherheit motorisierter Zweiräder.

Dies ist insbesondere im Hinblick der Erprobung vontechnisch anspruchsvollen Sicherheitselementenwie einem Airbag für Motorräder relevant. Wie in Ka-pitel 4.2 des vorliegenden Berichtes gezeigt, könnenbei 48 km/h Kollisionsgeschwindigkeit des Motorra-des beim Anprall an der Seite eines Personenkraft-wagens bereits mit konventionellen Motorrädern ge-messene Dummy-Belastungen unter ihren biome-chanischen Grenzwerten liegen. Das Nutzenpoten-zial und die Leistungsfähigkeit des Airbags zur Re-duzierung schwerster bzw. tödlicher Verletzungender Motorradfahrer wurden somit bei den durchge-führten Tests noch nicht vollständig ausgelotet. Hiererscheinen bereits aus heutiger Sicht höhere Test-geschwindigkeiten als 48 km/h angebracht.

Neben den Motorrollern bilden die Mofas und Mo-peds eine weitere Gruppe der motorisierten Zweirä-der, die ein umfassendes Testverfahren zur Beurtei-lung der passiven Sicherheit berücksichtigen muss.

Dass ISO 13232 bereits im heutigen Stand auchzur Beurteilung der passiven Sicherheit eines be-sonderen motorisierten Zweirades wie dem C1 vonBMW herangezogen werden kann, zeigen durch-geführte Untersuchungen (KALLISKE und ALBUS,1998). Die Befreiung des C1 von der allgemein fürdie Aufsassen motorisierter Zweiräder gültigenHelmtragepflicht basiert wesentlich auf den Ergeb-nissen durchgeführter Full-Scale-Tests nach ISO13232.

7.2.2 Motorradfahrer-Dummy

Neben Definitionen der aus dem realen Unfallge-schehen abgeleiteten Unfall-Szenarien gehört zueinem umfassenden Prüfverfahren für die passiveSicherheit motorisierter Zweiräder ein geeigneterMotorradfahrer-Dummy. Ein solcher Dummy soll ei-nerseits den Menschen als Motorradfahrer hinrei-chend detailliert abbilden. Andererseits muss die-ser Dummy auch den Anforderungen des alltägli-chen Testbetriebes standhalten. Die Idealvorstel-lung des Dummys ist deshalb nicht die „technischeLeiche“, sondern eine hinreichend valide und ge-brauchsfähige anthropometrische Testpuppe. IhreMassenverteilung und Beweglichkeit (Biofidelity)sowie die Möglichkeiten der Messung verletzungs-relevanter Belastungen müssen den zugehörigenErkenntnissen aus dem realen Motorrad-Unfallge-schehen entsprechen. Hierzu ist der in ISO 13232beschriebene MATD (Motorcyclist AnthropometricTest Device), Bild 7.5, bereits im heutigen Entwick-lungsstand geeignet (siehe Kapitel 4.2).

Im Kapitel 5 der ISO 13232 werden die zu erwar-tenden Verletzungen eines Motorradaufsassen inder untersuchten Kollisionssituation ermittelt undbeurteilt. Dazu werden verschiedene Verletzungs-indizes definiert, mit deren Hilfe die in den Versu-chen ermittelten Ergebnisse interpretiert werdenkönnen. Damit kann die zu erwartende Verlet-zungssituation des Motorradfahrers bestimmt wer-den, und es wird die Beurteilung der Wirkung deruntersuchten Sicherheitsmaßnahme ermöglicht.Mit Hilfe der Verletzungsindizes werden zudem diemöglichen Verletzungskosten bestimmt und die Ri-siko/Nutzen-Analyse durchgeführt. Diese Analyseerlaubt die Einordnung der Veränderungen durchden Einsatz der untersuchten Schutzmaßnahme in

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die Kategorien „vorteilhaft“, „kein Effekt“ und„schädlich“.

Insgesamt soll durch die Anwendung dieser Verlet-zungsbewertung eine zusammenfassende Beurtei-lung der Sicherheitsmaßnahme ermöglicht werden.Um dies gewährleisten zu können, werden beimMATD-Dummy erheblich mehr Messstellenbenötigt als beim Hybrid III, Tabelle 7.1.

Ein Vergleich der biomechanischen Belastungen,die mit dem MATD derzeit gemessen werden kön-nen, mit dem in Kapitel 3 des vorliegenden Berich-tes dargestellten Stand der Erkenntnisse zur Bio-mechanik unter besonderer Berücksichtigung desMotorradunfalles (Tabelle 7.2) zeigt die Notwendig-keit weiterer Forschungen und Vereinheitlichungenauf.

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Bild 7.5: Motorcyclist Anthropometric Test Device (MATD) nach ISO 13232

Tab. 7.1: Erforderliche und zusätzliche Messgrößen am MATD nach ISO 13232

Mindestens erforderliche Messgrößen

Körperteil Messort Merkmal

Kopf unten Mitte Kopfverzögerung (3 Achsen)

Kopf Kopf oben Mitte Kopfverzögerung (2 Achsen)

Kopf unten rechts und links Kopfverzögerung (jeweils 2 Achsen)

Hals Hals oben Scherkräfte in x- und y-Richtung, Druckkraft in z-Richtung,Biegemoment in y-Richtung, Torsionsmoment in z-Richtung

Brust Brustbein oben und unten jeweils Verlagerung rechts und links

Abdomen Bleibende Eindringung

Oberschenkelknochen rechts und links oben axiale Kraft, seitliches Biegemoment in x-Richtung, Biegemoment in y-Richtung, Brucherscheinung

Untere Extremitäten Knie rechts und links Verlagerung und Verdrehung

Unterschenkelknochen rechts und links oben seitliches Biegemoment in x-Richtung, Biegemoment in y-Richtung, Brucherscheinung

Zusätzlich mögliche Messgrößen

Hals Hals oben seitliches Biegemoment in x-Richtung

Wirbelsäule Lendenwirbelsäule Scherkräfte in x- und y-Richtung, Druckkraft in z-Richtung,Biegemomente in x- und y-Richtung, Torsionsmoment in z-Richtung

Oberschenkelknochen rechts und links oben Torsionsmoment in z-Richtung

Oberschenkelknochen rechts und links unten Axiale Kraft, seitliches Biegemoment in x-Richtung, Biegemoment Untere Extremitäten in y-Richtung, Torsionsmoment in z-Richtung, Brucherscheinung

Unterschenkelknochen rechts und links oben Torsionsmoment in z-Richtung

Unterschenkelknochen rechts und links unten Axiale Kraft, seitliches Biegemoment in x-Richtung, Biegemoment in y-Richtung, Torsionsmoment in z-Richtung, Brucherscheinung

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Neben den Extremitäten und inneren Organen istbeim Motorradfahrer insbesondere die Belastungder Wirbelsäule unter den beim Motorradunfall auf-tretenden Belastungen relevant. In diesem Zusam-menhang ist weiterhin zu beachten, dass der MATDauf der Basis des Fahrzeug-Insassendummys Hy-brid III weiterentwickelt wurde. Hierbei handelt essich um einen Frontalaufprall-Dummy.

Für den Fahrzeug-Seitenaufprall werden als Fahr-zeuginsassen spezielle Dummy-Typen (US SIDbzw. EUROSID, SID = Side Impact Dummy) ver-wendet. Bei Erweiterung der Matrix für Full-Scale-Crashtests über die bisher in ISO 13232 beschrie-benen sieben Konfigurationen hinaus kommenauch seitliche Belastungen des Motorradfahrers inBetracht. Die mögliche Dummy-Weiterentwicklungim Rahmen eines umfassenden Testverfahrens fürdie passive Sicherheit motorisierter Zweiräder wirdjedoch weniger in der Einführung eines zusätzli-chen Motorradfahrer-Dummys für den Seitenauf-prall zu sehen sein. Im Vordergrund der Überlegun-gen möglicher Weiterentwicklungen wird eher deruniversell für frontale und seitliche Belastungen ge-eignete Motorradfahrer-Dummy stehen.

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewie-sen, dass die technische Weiterentwicklung einesMotorradfahrer-Dummys zwingend mit einer ent-sprechenden biomechanischen Grundlagenfor-schung einhergehen muss.

8 Zusammenfassung und Aus-blick

Im Gegensatz zu Personenkraftwagen ist dieDurchführung von Crashtests zur Untersuchungder passiven Sicherheit von motorisierten Zweirä-dern relativ neu. Um auch in Zukunft eine weitereVerringerung der Zahlen im Straßenverkehr getöte-ter und verletzter Personen zu erreichen, müssensämtliche Potenziale zur Verbesserung der Fahr-zeugsicherheit weiter ausgeschöpft werden. Hier-bei ist die Beurteilung der passiven Sicherheit vonmotorisierten Zweirädern angemessen zu beach-ten. Dazu gehört ein anerkanntes Verfahren, dasdie Beurteilung der passiven Sicherheit motorisier-ter Zweiräder ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesanstalt fürStraßenwesen das Projekt 2.9721 „Prüfverfahrenfür die passive Sicherheit motorisierter Zweiräder“definiert und vergeben. Unter Verwendung geeig-net erscheinender Prüfverfahren sollten reale Un-fallsituationen nachgebildet werden. Ein wichtigerAspekt war hierbei die Untersuchung und Beurtei-lung der Wirkung von Anbauteilen und Einzelkom-ponenten.

Im Rahmen des Projektes wurde zunächst das Un-fallgeschehen mit motorisierten Zweirädern darge-stellt. Bei der Analyse dieser Unfälle ist zu unter-scheiden zwischen den verschiedenen Arten der

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Tab. 7.2: Übersicht über geltende biomechanische Grenzwerte (siehe auch Kapitel 3)

Merkmal Kürzel Grenzwert Literatur

KopfHead Injury Criterion im Kopfschwerpunkt HIC 1.000 NAHUM et al., 1976, STALNAKER et al., 1977,(Kapitel 3.1)

NUSHOLTZ et al., 1984Res. Kopfbeschleunigung im Kopfschwerpunkt ares 80 g über 3 ms

Biegemoment vorwärtsMby

190 Nm

Biegemoment rückwärts 57 Nm

ZugkraftFZ 3,3 kN über 1 ms

Halswirbelsäule 1,1 kN über 45 ms MELVIN, 1985,

(Kapitel 3.2)Kompressionskraft

4 kN über 1 ms MERTZ und PATRICK, 1971

1,1 kN über 45 ms

ScherkraftFX 3,1 kN über 1 ms

1,1 kN über 45 ms

Res. Brustbeschleunigung ares 60 g über 3 ms STAPP, 1970, MERTZ und GADD, 1971

Thorax Thoraxdeformation 7,5 cm PATRICK,1981, KROELL et al., 1971,1974,1975

(Kapitel 3.3) Viscous Criterion (Eindrückgeschwindigkeit) VC 1 m/s NEATHERY et al., 1975, EPPINGER, 1989,

Thoraxeindrückung C 50 mm KALLIERIS, 1997

Obere ExtremitätenBisher noch kein Grenzwert festgelegt PINTAR et al., 1998, DUMA et al., 1998(Kapitel 3.4)

HUELKE et al., 1995, Bauchorgane SMOCK und NICHOLS, 1995, (Kapitel 3.5) Bisher noch kein Grenzwert festgelegt MARCO et al., 1996, KALLIERIS et al., 1997,

DUMA et al., 1998, SCHROEDER et al., 1998,JAFFREDO et al., 1998

Untere Extremitäten Res. Beckenbeschleunigung ares 60 g über 3 ms

(Kapitel 3.6) Oberschenkelkraft F 10 kN CRANDALL et al., 1996, KALLIERIS et al., 1999

Fußbelastung Tibia-Index TI 1,3

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Fahrzeuge. Es wurden im Jahr 2000 in der Bun-desrepublik Deutschland 945 Aufsassen von Mo-torrädern und 157 Aufsassen von Mofas und Mo-peds getötet (StBA, 2001). Im Langzeitvergleichfällt auf, dass die Zahlen der getöteten und schwerverletzten Aufsassen von Motorrädern ab Mitte der80er Jahre sanken und in den 90er Jahren etwakonstant geblieben sind, während der Bestand die-ser Fahrzeuge und ihre Fahrleistungen weiter zu-nahmen. Bei den Mofas und Mopeds ist keine ent-sprechende Entkoppelung der Zahlen des Fahr-zeugbestandes und der Unfallopfer festzustellen.Im Fahrzeugbestand ist außerdem eine besondereZunahme der Motorroller mit bis zu 125 cm3 Hub-raum gegeben. Motorisierte Zweiräder werdenheute allenfalls von Jugendlichen unter 18 Jahreüberwiegend als Verkehrs- und Transportmittel be-nutzt. Ältere Fahrerinnen und Fahrer nutzen dasmotorisierte Zweirad häufig in der Freizeit. Aus derdamit verbundenen Nachfrage ist eine Vielzahl vonVarianten sowohl bei den Motorrädern als auch beiden Motorrollern entstanden. Ein Verfahren zur Be-urteilung der passiven Sicherheit motorisierterZweiräder muss eine entsprechende Vielfalt vonFahrzeugen, die jeweils ein spezifisches Unfallge-schehen haben können, berücksichtigen.

Häufigster Kollisionsgegner aller motorisiertenZweiräder ist innerorts wie außerorts der Perso-nenkraftwagen. Darüber hinaus bilden die Alleinun-fälle eine wichtige Unfallgruppe, bei denen Aufsas-sen von motorisierten Zweirädern häufig getötetwerden. Liefer- und Lastkraftwagen sind als Unfall-gegner getöteter Motorradaufsassen innerorts undaußerorts von statistisch untergeordneter Bedeu-tung. Als Unfallgegner getöteter Mofa- und Mo-pedfahrer kommen Liefer- und Lastkraftwagen imUnfallgeschehen innerhalb von Ortschaften etwagleich häufig vor wie Personenkraftwagen.

Die detaillierte Betrachtung der Kollisionen ergibtfür die verschiedenen Arten der motorisiertenZweiräder weitere Unterschiede hinsichtlich Ortsla-ge, Unfalltyp, Bewegungszustand nach der Kolli-sion und mittlerer Kollisionsgeschwindigkeit. Bei-spielsweise lag die mittlere Kollisionsgeschwindig-keit von Sportmotorrädern, Tourern und Choppernbei Unfällen mit getöteten Aufsassen im Bereichum 80 km/h. Für Sporttourer betrug die entspre-chende Geschwindigkeit 72 km/h, für Kraftrollermit mehr als 80 cm3 Hubraum 75 km/h und für En-duros 64 km/h. Mit einer mittleren Kollisionsge-schwindigkeit von 35 km/h ereigneten sich die Un-fälle der Kraftroller mit weniger als 80 cm3 Hub-

raum und getöteten Aufsassen auf einem wesent-lich niedrigeren Geschwindigkeitsniveau.

Für die vergangenen Jahre ist eine Tendenz hin zuweniger schwer Verletzten und mehr leicht Verletz-ten bei Motorrad- sowie bei Mofa- und Mopedauf-sassen zu verzeichnen. Außerdem ist die Wahr-scheinlichkeiten bei einem Unfall getötet zu wer-den, bei den Motorrad- wie bei den Mofa- undMopedaufsassen rückläufig. So sank z. B. bei In-nerortsunfällen der Anteil der getöteten Motorrad-fahrer an allen getöteten und verletzten Motorrad-fahrern von 1,5 % im Jahr 1980 auf 0,8 % im Jahr2000. Bei den Außerortsunfällen reduzierte sich derentsprechende Anteil getöteter Motorradfahrer von5,2 % (1980) auf 4,7 % (2000). Für die Aufsassenvon Mofas und Mopeds blieb dieser Anteil inner-orts konstant bei 0,8 % (1980 und 2000), währender außerorts von 4,3 % (1980) auf 2,3 % (2000)sank. Schwer verletzt wurden im Jahr 1980 bei Un-fällen innerhalb von Ortschaften 29,8 % aller ver-letzten und getöteten Motorradfahrer, im Jahr 2000betrug dieser Anteil 23,4 %. Außerhalb von Ort-schaften ging der Anteil der schwer verletzten Mo-torradfahrer von 46,3 % (1980) auf 43,6 % (2000)zurück. Für die Aufsassen von Mofas und Mopedsbetrugen die Anteile der schwer verletzten Aufsas-sen innerorts 29,0 % (1980) bzw. 24,4 % (2000)sowie außerorts 43,7 % (1980) bzw. 36,3 % (2000).

Verschiedene Analysen der verletzten Körperregio-nen der Aufsassen motorisierter Zweiräder weisendarauf hin, dass der Kopf – trotz Schutzhelms – beiden schweren und tödlichen Verletzungen am meisten gefährdet ist. Darüber hinaus zeigt sicheine große Vielfalt der verletzten Körperregioneneinschließlich der oberen und unteren Extremitä-ten, je nach Art des Unfallgeschehens und derdamit verbundenen Anstoßkonstellation des Mo-torrades. Als eine besonders gefährliche Unfallartmit häufig tödlichem Ausgang für den Motorrad-fahrer wurde der Anprall des Motorradfahrer-Kopf-es an der seitlichen Dachkante eines Personen-kraftwagens erkannt.

Zur Analyse des aktuellen Kenntnisstandes im Hin-blick auf die Biomechanik bei Motorradunfällenwurde in einem weiteren Arbeitspaket eine Studieder einschlägigen Literatur durchgeführt. Dabeikonnte festgestellt werden, dass Motorradunfallsi-mulationen mit instrumentierten Leichen zum Stu-dium der besonderen Verletzungsmechanismenund Verletzungsgrenzen nicht existieren. Eine Kor-relation zwischen Belastung und Verletzung des

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Motorradfahrers musste deshalb unter Zuhilfenah-me allgemeiner biomechanischer Kenntnisse erfol-gen. Dazu wurde die verfügbare Literatur nach An-gaben zur mechanischen Einwirkung und den da-raus resultierenden Verletzungen der bei den Auf-sassen von motorisierten Zweirädern relevantenKörperregionen ausgewertet. Im Einzelnen sindbiomechanische Versuche und deren Ergebnissefür die Körperregionen Kopf, Halswirbelsäule,Thorax, obere Extremitäten, Bauchorgane und un-tere Extremitäten dargestellt worden. Soweit ver-fügbar, wurden bereits in Vorschriften verankerteund vorgeschlagene Schutzkriterien sowie zu-gehörige biomechanische Grenzwerte für die ein-zelnen Körperregionen aufgelistet.

Im Rahmen eines umfassenden Systems zur Ana-lyse und Bewertung der passiven Sicherheit vonmotorisierten Zweirädern ist eine Bewertung auf-grund von so genannten Primärdaten möglich.Dabei werden verfügbare technische Beschreibun-gen und am stehenden Fahrzeug ermittelbareMerkmalsausprägungen verwendet. Basierend aufdem in der Fachliteratur publizierten Wissen sindim Rahmen des Projektes 91 Motorräder im Hin-blick auf ihre passive Sicherheit und vorhandeneSicherheitselemente systematisch untersucht undbewertet worden. Damit wurden erste Hinweiseund Darstellungen des Status quo der passiven Si-cherheit motorisierter Zweiräder erarbeitet. Das an-gewandte und im Projektbericht beschriebenePunkte-Bewertungssystem berücksichtigt dieKomponenten Lenker, Sitzbank, Fußrasten, Tank,Verkleidung, Vordergabel und Standrohre sowie dieAufsassen-Kopfhöhe mit unterschiedlicher Ge-wichtung.

Bewertet wurden 15 historische Modelle der Bau-jahre 1912 bis 1981 und 76 aktuelle Motorräder (11Chopper, 17 Sportmotorräder, 9 Sporttourer, 19Enduros und 10 Tourer). Hinsichtlich ihrer passivenSicherheit liegen Sporttourer, die sowohl Bauteileund Eigenschaften von Sportmotorrädern als auchvon Tourern besitzen, mit der durchschnittlichenGesamtpunktzahl 78,5 im Mittelfeld aller bewerte-ten Motorräder. Ungünstiger fiel die Bewertung derChopper (mittlere Gesamtpunktzahl 59,9) undSportmotorräder (56,2 Punkte) aus. Diese lagen aufdem Niveau der historischen Motorradmodelle(59,9 Punkte). Die besten Bewertungsergebnisseerreichten die Enduros (116,3 Punkte) aufgrund derrelativ großen Kopfhöhe der Aufsassen, die zueinem besonders günstigen Bewertungsergebnisführt. Weiterhin weisen die Lenker, die bei manchen

Enduros mit Handschützern ausgerüstet sind,sowie Tanks und Sitzbänke positive Merkmale derpassiven Sicherheit auf.

Tourer erreichten die zweitbeste Bewertung (94,8Punkte) aufgrund ihrer Tankgestaltung und die oft-mals vorhandene Verkleidung, welche die Beinedes Motorradfahrers schützen kann. In Einzelfällensind bei den Verkleidungen der Tourer aus der Lite-ratur bekannte Vorschläge von Konzepten für Si-cherheits-Motorräder (Kniepolster, Abstützung vonKnien und Unterschenkeln zur Einleitung der Vor-wärts-Aufwärtsbewegung des Motorradfahrers inVerbindung mit einer günstig gestalteten Tankram-pe) wiederzufinden.

Damit lieferten die durchgeführten Bewertungenplausible quantitative Ergebnisse, die in der Relationzueinander den qualitativen Erwartungen entspre-chen. Ein zentrales Ergebnis der durchgeführten Be-wertung ist, dass die passive Sicherheit von Endu-ros und Tourern deutlich größer ist als die vonSporttourern, Sportmotorrädern und Choppern.Werden die einzelnen Motorräder sachkundig be-trachtet und dabei die Bewertungen im Anhang zumvorliegenden Bericht nachvollzogen, fallen entspre-chende Nachteile und Vorteile der einzelnen Typenauf. Negativbeispiele mit Nachteilen der passivenSicherheit, die in der einschlägigen Literatur be-schrieben werden, sind in der Regel Sportmotorrä-der oder Chopper. Im Gegensatz dazu basierengängige Sicherheitsmotorrad-Konzepte und Studienauf Tourern. Auch die Analyse des realen Unfallge-schehens ergab entsprechende Hinweise, wonachdie Anteile der getöteten Aufsassen bei den Tourern,Enduros und Choppern geringer, bei den Sportmo-torrädern und Sporttourern größer sind.

Für die weitere Bewertung der passiven Sicherheitvon Motorrädern wurden die Ergebnisse vonCrashtests verwendet. Im Rahmen eines umfas-senden Bewertungssystems liefern Crashtests sogenannte Sekundärdaten. Zu den Vorteilen vonCrashtests gehört, dass sie konkrete Messergeb-nisse liefern, die Rückschlüsse auf das Bewe-gungsverhalten der Aufsassen, ihre Anprallkontak-te sowie die damit verbundenen biomechanischenBelastungen und Verletzungsrisiken ermöglichen.Es muss jedoch beachtet werden, dass mit denCrashtests die Vielfalt des für das jeweilige Fahr-zeug relevanten Unfallgeschehens (Kollisionsty-pen, Kollisionsgeschwindigkeiten usw.) hinrei-chend nachgebildet wird und dass die Ergebnisseder Versuche reproduzierbar sind.

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Die Durchführung von Full-Scale-Crashtests mitMotorrädern ist im Standard ISO 13232 beschrie-ben. Er wurde Anfang der 90er Jahre durch die Ar-beitsgruppe ISO WG 22 erstellt. Die erste Auflagevon ISO 13232 erschien im Dezember 1996. Mo-torradhersteller und Behörden berücksichtigen die-sen Standard heute weltweit bei der Erforschungdes realen Unfallgeschehens, bei rechnerischenUnfall-Simulationen und bei der Durchführung vonFull-Scale-Crashtests. ISO 13232 wird als so ge-nannter „Developing Standard” aufgrund der ge-sammelten Erfahrungen und neuer Erkenntnissekontinuierlich weiterentwickelt. In ISO 13232 sindinsgesamt 25 Motorrad/Personenkraftwagen-An-stoßkonstellationen definiert. Davon werden siebenmit Full-Scale-Crashtests nachgebildet. Die übri-gen Konstellationen sollen mit rechnerischen Si-mulationen analysiert werden. Bei den Full-Scale-Tests ist der Personenkraftwagen entweder bewe-gungslos oder er kollidiert mit 35 km/h bzw. 24km/h Geschwindigkeit. Das Motorrad ist bei einerder sieben Konfigurationen bewegungslos, bei denübrigen kollidiert es mit 48 km/h Geschwindigkeit.

Im Rahmen des Projektes wurden acht Full-Scale-Crashtests mit unterschiedlichen Motorrädern mitschrägem bzw. rechtwinkligem Anstoß des Motor-rades an der Seite eines stehenden oder bewegtenPersonenkraftwagens ausgewertet und dokumen-tiert. Hierbei handelte es sich um zwei der siebennach ISO 13232 definierten Konstellationen. DieErgebnisse können dementsprechend nur imBezug auf die jeweilige Anprallkonstellation undden jeweiligen Versuchsträger interpretiert werdenund sind keinesfalls allgemein gültig. Von besonde-rem Interesse war dabei der Kopfanprall des Mo-torradfahrers an der seitlichen Dachkante einesPersonenkraftwagens. Bei sieben der durchgeführ-ten Tests befand sich das jeweils verwendete Mo-torrad im Serienzustand. Mit den Ergebnissenwurde für das jeweilige Motorrad in der gegebenenVersuchskonstellationen der Status quo seinerpassiven Sicherheit dargestellt. Ein Versuch wurdemit einem Motorrad (Yamaha FZS 600 Fazer)durchgeführt, das mit einem parallel zum Projektund speziell für diesen Motorradtyp entwickeltenAirbag-Prototyen ausgerüstet worden war. Damitsind entsprechende Potenziale zur Verbesserungder passiven Motorradsicherheit aufgezeigt wor-den.

Die durchgeführten Full-Scale-Crashtests ergabenzusammengefasst das folgende Bild:

Die ermittelten Kopfbelastungen (HIC-Wert) desMotorradfahrers lagen für alle Versuche unter demzugehörigen biomechanischen Grenzwert. Bei denHalskräften war der Grenzwert einmal überschrit-ten und zweimal nahezu erreicht. Das Halsbiege-moment lag dreimal über der kritischen Grenze,während der Grenzwert für die Brustverzögerungnur einmal überschritten wurde. Die Messwerte fürdie Beckenverzögerung und die Oberschenkelbe-lastung lagen stets unterhalb der biomechanischenGrenzwerte.

Alle gemessenen kritischen oder lebensbedrohli-chen Belastungswerte resultierten direkt oder indi-rekt aus dem Kopfanprall des Dummys an derDachkante des Personenkraftwagens. Um die pas-sive Sicherheit des Motorrades weiter zu verbes-sern, ist somit der zusätzliche Schutz von Kopf undHals des Motorradfahrers eine sehr aussichtsrei-che Maßnahme. Durch den Airbag wurde der di-rekte Anprall des Kopfes am Dach des Personen-kraftwagens vermieden, der gesamte Oberkörperüber die Dachkante gehoben und so aus dem Ge-fahrenbereich gebracht. Alle bei diesem Versuchgemessenen Dummy-Belastungen lagen weit un-terhalb ihrer biomechanischen Grenzwerte. Um all-gemein gültige Erkenntnisse über das Potenzialeines Motorradairbags zu gewinnen, sind nach ISO13232 weitere Full-Scale-Versuche und Computer-simulationen bei anderen Versuchskonstellationensowie eine umfassende Risiko/Nutzen-Bewertungnötig.

Aufbauend auf Erkenntnissen, die aus Literaturre-cherchen, Analysen des realen Unfallgeschehens,Fahrzeuganalysen (Primärdaten) und Versuchser-gebnissen (Sekundärdaten) abgeleitet wurden,sind im Rahmen des Forschungsprojektes die Ent-wicklungspotenziale für die passive Sicherheit mo-torisierter Zweiräder dargestellt worden. Hierbei istzu unterscheiden zwischen umfassenden Sicher-heitskonzepten und einzelnen Sicherheitselemen-ten.

In der Literatur sind für Motorrad-Sicherheitskon-zepte zwei grundsätzlich verschiedene Prinzipienvorgeschlagen worden, die mehr oder weniger voll-ständig auch umgesetzt und erprobt wurden. Beidem einen Prinzip wird – wie bei einem Personen-kraftwagen – der Aufsasse auf dem Motorrad-Sitzangegurtet. Zu diesem Konzept gehört eine Defor-mationszone im Frontbereich des Motorrades. Beieiner Frontalkollision wird hier kinetische Energie inDeformationsarbeit umgewandelt. Gleichzeitig hält

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der Gurt den Aufsassen auf dem Sitz zurück. Solassen sich bis zu einer bestimmten Kollisionsge-schwindigkeit direkte Anprallkontakte des Motor-radfahrers mit dem Unfallgegner vermeiden. Beidem anderen Prinzip soll im Falle des frontalen Mo-torrad-Anstoßes so rasch wie möglich die Tren-nung von Aufsasse und Motorrad eingeleitet wer-den. Hierfür ist wichtig, dass sich der Aufsassenicht an Teilen des Motorrades verhakt. Eine auf-rechte Sitzposition begünstigt in Verbindung mitentsprechenden Gestaltungen von Lenker, Tankund Beinschutz die Trennung des Aufsassen vomMotorrad. Bei einer frontalen Kollision des Motor-rades gegen die Seite eines Personenkraftwagenskann so der besonders gefährliche Anprall des Mo-torradfahrer-Kopfes an der Dachkante des Perso-nenkraftwagens vermieden werden. Im günstigstenFall wird ein so genannter Überflug des Motorrad-fahrers über den Unfallgegner hinweg eingeleitet.Wie Auswertungen des realen Unfallgeschehensgezeigt haben, verläuft ein solcher Überflug in derRegel verletzungsärmer als der direkte Anprall amUnfallgegner. Das Prinzip der möglichst frühzeiti-gen Trennung des Aufsassen vom Motorrad wurdeauch für Alleinunfälle als sicherheitsfördernd er-kannt und in einem Sicherheitsmotorrad-Konzeptumgesetzt.

Wesentliche Sicherheitselemente von Motorrädernsind besondere Verkleidungen, Sitzbänke, Tankfor-men und der Airbag. Eine nicht allein nach aerody-namischen Aspekten, sondern auch im Hinblick aufdie passive Sicherheit ausgeführte Verkleidungkann die unteren Extremitäten des Aufsassen inbestimmten Situationen vor direkten Anprallbelas-tungen schützen. Durch besondere Formgebungder Verkleidung im Kniebereich (Kniepolster) kannim Zusammenspiel mit einer so genannten Tank-rampe ein Anheben des Oberkörpers und Kopfesvom Motorradfahrer begünstigt werden. Eine be-sonders geformte und beweglich gelagerte Sitz-bank kann eine zur Steigerung der passiven Si-cherheit bei Frontalkollisionen gewünschte Auf-wärtsbewegung des Motorradfahrers gezielt einlei-ten. Ein Motorrad-Airbag kann den Bewegungsab-lauf des Aufsassen beeinflussen, Anprallenergieabsorbieren oder beide Effekte kombinieren. Mitähnlicher Wirkung ist auch ein besonders gestalte-ter Tankrucksack vorgeschlagen worden.

Um innerhalb eines umfassenden Testverfahrensaufwändige Full-Scale-Tests zu ergänzen und ggf.zu ersetzen, wurden im Rahmen des Projektes Mo-torrad-Schlittenversuche vorgeschlagen und

durchgeführt. Damit konnte auch die Wirkung vonverschiedenen Motorrad-Sicherheitselementen inreproduzierbaren Versuchen analysiert werden.Hierfür ist unter Berücksichtigung vorgegebenerKriterien ein geeigneter, auf Rollen fahrenderSchlitten entwickelt und gebaut worden. Auf demSchlitten wurde als Versuchsträger der Rahmeneines Motorrades mit Fußrasten, Sitzbank, Lenker,Tank sowie ergänzenden Teilen aufgebaut. Als An-stoßkonstellation ist der rechtwinklige Anprall ander Seite eines stehenden Personenkraftwagensnachgebildet worden. Hierbei war wiederum derKopfanprall des Motorradfahrers an der seitlichenDachkante des Personenkraftwagens von beson-derem Interesse. So konnten die Ergebnisse derSchlittenversuche mit den Ergebnissen der ent-sprechenden Full-Scale-Crashtests in der gleichenKonfiguration mit dem gleichen Versuchsträgerverglichen werden. Eine Verallgemeinerung überdie gewählten Versuchsrahmenbedingungen (An-prallkonfiguration, Motorradtyp etc.) hinaus, istnicht zulässig.

Mit diesem Schlittenaufbau wurden acht Tests miteinem Motorradtyp (Yamaha FZS 600 Fazer) durch-geführt: ein Basisversuch mit dem Serienaufbaudes Motorrades, zwei Versuche mit Variation derTankform (Choppertank, Sporttank), ein Versuchmit flacherem Lenker, ein Versuch mit Tankruck-sack, ein Versuch mit Beinprotektoren, ein Versuchmit kombiniertem Einsatz von Tankrucksack undBeinprotektoren, ein Versuch mit dem parallel zumProjekt entwickelten Motorrad-Airbag.

Zusammenfassend konnte mit den Schlittenversu-chen festgestellt werden, dass der Serienzustanddes verwendeten Motorrades bereits recht ausge-wogene Ergebnisse bezüglich der passiven Sicher-heit ergab. Nur mit zwei der getesteten Kompo-nenten (Tankrucksack und Airbag) ergaben sichgrößere Kopfanprallhöhen als im Serienzustand.Alle anderen Komponenten ergaben eher eine Ver-schlechterung der Situation. Für die durchgeführteAnprallkonfiguration mit dem gewählten Ver-suchsträger stellte allein der Schlittenversuch mitdem Airbag eine umfassend zufrieden stellendeVerbesserung gegenüber dem Serienzustand dar.Hier lagen alle gemessenen Dummy-Belastungenunterhalb der biomechanischen Grenzwerte. Derharte Anprall des Motorradfahrerkopfes an derDachkante des Personenkraftwagens wurde kom-plett vermieden. Der entsprechende Full-Scale-Test bestätigte die guten Ergebnisse des Schlitten-

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versuches mit dem Motorrad-Airbag für den ge-wählten Versuchsträger.

Für eine umfassende Beurteilung der Bewertungs-und Testverfahren zur Ermittlung und Beschreibungder passiven Sicherheit motorisierter Zweiräder istes nahe liegend, auf entsprechende Ansätze zur Si-cherheitsbewertung von Personenkraftwagen zu-rückzugreifen. Hierbei ist der Verwendungszweckder Bewertungsergebnisse zu beachten: Ermittlungdes Grades der Erfüllung von Entwicklungs-Ziel-vorgaben, Beurteilung der Zulassungsfähigkeit desFahrzeuges (Homologation), Information des Ver-brauchers, Beantwortung von Fragestellungen imRahmen der Produkthaftung.

Zur Beschreibung der passiven Sicherheit desFahrzeuges ist eine geeignete Informations- undDatenbasis erforderlich, welche seine Ist-Eigen-schaften und die zugehörigen Soll-Eigenschaftenumfasst. Nach der Herkunft der Daten kann hierbeiunterschieden werden in Primärdaten (aus techni-schen Unterlagen zu entnehmen oder am ruhen-den Fahrzeug feststellbar), Sekundärdaten (Ergeb-nisse realer oder numerisch simulierter Crashtests)und Tertiärdaten (aus dem praktischen Einsatz imStraßenverkehr ableitbar). Ein umfassendes Sys-tem beinhaltet alle drei Datenkategorien. Bestäti-gen die Ergebnisse der Bewertungen in den einzel-nen Kategorien einander, ist das System valide. Dieentscheidende Referenz zur Beurteilung der Vali-dität sind stets die Tertiärdaten aus dem realen Un-fallgeschehen. Da das reale Unfallgeschehen Ver-änderungen unterliegt bzw. sich bei seiner Erfor-schung neue Erkenntnisse ergeben können, sinddie Verfahren zur Generierung und Bewertung vonSekundär- und von Primärdaten laufend zu opti-mieren, d. h. neuen Erkenntnissen und Fragestel-lungen aus dem realen Unfallgeschehen (Tertiärda-ten) anzupassen.

Das im Rahmen des Forschungsprojektes darge-stellte und in Beispielen angewandte Verfahren fürdie Beurteilung der passiven Sicherheit motorisier-ter Zweiräder entspricht diesem umfassenden An-satz. Dabei bedarf das Bewertungsverfahren aufder Basis von Primärdaten vor einer allgemeinenAnwendung der weiteren Abstimmung und Ent-wicklung in Fachkreisen. Bei den durchgeführtenFull-Scale-Tests konnte bereits auf die aktuelleFassung des Standards ISO 13232 zurückgegriffenwerden. Auf mögliche künftige Verbesserungenund Anregungen zur Weiterentwicklung des Stan-dards wurde hingewiesen. Beispiele hierfür sind

weitere Full-Scale-Tests unter Einbeziehung desMotorrad-Alleinunfalles sowie eine Weiterentwick-lung des Motorradfahrer-Dummys (MATD) mit er-gänzender biomechanischer Grundlagenfor-schung. Mit den im vorliegenden Bericht erstmalsvorgestellten Schlittenversuchen ließen sich imVergleich zu Full-Scale-Tests kostengünstigerereale Testserien zur Erprobung und Verbesserungvon Motorrad-Sicherheitselementen in der Ent-wicklungsphase durchführen.

Um die Anforderungen unterschiedlicher Verwen-dungszwecke zu erfüllen, ist im Laufe der Zeit eineVielfalt von motorisierten Zweirädern entstandenund in den Verkehr gebracht worden. Diese Vielfaltist bei der Erforschung des realen Unfallgesche-hens ebenso zu beachten wie bei der Anwendungeines Verfahrens zur Beurteilung der passiven Si-cherheit motorisierter Zweiräder und zur Entwick-lung neuer Motorrad-Sicherheitskonzepte mit zu-gehörigen Sicherheitselementen. Damit lassen sichvorhandene Mängel und mögliche Entwicklungs-potenziale der passiven Sicherheit erkennen. Eineden Gesetzen des Marktes und damit den Wün-schen des Verbrauchers folgende Entwicklungkann jedoch nie dahin gehen, dass künftig nurnoch solche motorisierten Zweiräder hergestelltund zugelassen werden, die einem bestimmten„Ideal der passiven Sicherheit“ entsprechen. Be-sonders beim motorisierten Zweirad ist letztendlichdas gesamte System, bestehend aus Aufsassen(mit Schutzbekleidung), Fahrzeug und Fahrbahn(sowie angrenzendem Umfeld) entscheidend fürdie Verhinderung von Unfällen (aktive Sicherheit)und die Minderung von Unfallfolgen (passive Si-cherheit). Die Ergebnisse des Forschungsprojektestragen dazu bei, in diesem Gesamtsystem dieAspekte der passiven Sicherheit von motorisiertenZweirädern zu objektivieren.

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Statistisches Bundesamt: – Fachserie 8, Reihe 7,Verkehrsunfälle 1996. Verlag Metzler-Poeschel(1997)

Statistisches Bundesamt: – Fachserie 8, Reihe 7,Verkehrsunfälle 1997. Verlag Metzler-Poeschel(1998)

Statistisches Bundesamt: – Fachserie 8, Reihe 7,Verkehrsunfälle 1998. Verlag Metzler-Poeschel(1999)

Statistisches Bundesamt: – Fachserie 8, Reihe 7,Verkehrsunfälle 1999. Verlag Metzler-Poeschel(2000)

Statistisches Bundesamt: – Fachserie 8, Reihe 7,Verkehrsunfälle 2000. Verlag Metzler-Poeschel(2001)

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Schriftenreihe

Berichte der Bundesanstaltfür Straßenwesen

Unterreihe „Fahrzeugtechnik“

F 1: Einfluß der Korrosion auf die passive Sicherheit von PkwFaerber, Wobben € 12,50

F 2: Kriterien für die Prüfung von MotorradhelmenKönig, Werner, Schuller, Beier, Spann € 13,50

F 3: Sicherheit von MotorradhelmenZellmer € 11,00

F 4: Weiterentwicklung der AbgassonderuntersuchungTeil 1: Vergleich der Ergebnisse aus Abgasuntersuchung und Typ-prüfverfahrenRichter, MichelmannTeil 2: Praxiserprobung des vorgesehenen Prüverfahrens für Fahr-zeuge mit KatalysatorAlbus € 13,50

F 5: Nutzen durch fahrzeugseitigen FußgängerschutzBamberg, Zellmer € 11,00

F 6: Sicherheit von Fahrradanhängern zum PersonentransportWobben, Zahn € 12,50

F 7: Kontrastwahrnehmung bei unterschiedlicher Lichttrans-mission von Pkw-ScheibenTeil 1: Kontrastwahrnehmung im nächtlichen Straßenverkehr beiFahrern mit verminderter TagessehschärfeP. JungeTeil 2: Kontrastwahrnehmung in der Dämmerung bei Fahrern mitverminderter TagessehschärfeChmielarz, SieglTeil 3: Wirkung abgedunkelter Heckscheiben - VergleichsstudieDerkum € 14,00

F8: Anforderungen an den Kinnschutz von IntegralhelmenOtte, Schroeder, Eidam, Kraemer € 10,50

F 9: Kraftschlußpotentiale moderner Motorradreifen unter Stra-ßenbedingungenSchmieder, Bley, Spickermann, von Zettelmann € 11,00

F 10: Einsatz der Gasentladungslampe in Kfz-ScheinwerfernDamasky € 12,50

F 11: Informationsdarstellung im Fahrzeug mit Hilfe eines Head-Up-DisplaysMutschler € 16,50

F 12: Gefährdung durch Frontschutzbügel an GeländefahrzeugenTeil 1: Gefährdung von Fußgängern und RadfahrernZellmer, SchmidTeil 2: Quantifizierung der Gefährdung von FußgängernZellmer € 12,00

F 13: Untersuchung rollwiderstandsarmer Pkw-ReifenSander € 11,50

F 14: Der Aufprall des Kopfes auf die Fronthaube von Pkw beimFußgängerunfall – Entwicklung eines PrüfverfahrensGlaeser € 15,50

F 15: Verkehrssicherheit von FahrrädernTeil 1: Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit vonFahrrädernHeinrich, von der Osten-SackenTeil 2: Ergebnisse aus einem Expertengespräch „Verkehrssicher-heit von Fahrrädern“Nicklisch € 22,50

F 16: Messung der tatsächlichen Achslasten von NutzfahrzeugenSagerer, Wartenberg, Schmidt € 12,50

F 17: Sicherheitsbewertung von Personenkraftwagen – Problem-analyse und VerfahrenskonzeptGrunow, Heuser, Krüger, Zangemeister € 17,50

F 18: Bremsverhalten von Fahrern von Motorrädern mit und ohneABSPräckel € 14,50

F 19: Schwingungsdämpferprüfung an Pkw im Rahmen derHauptuntersuchungPullwitt € 11,50

F 20: Vergleichsmessungen des Rollwiderstands auf der Straßeund im PrüfstandSander € 13,00

F 21: Einflußgrößen auf den Kraftschluß bei NässeFach € 14,00

F 22: Schadstoffemissionen und Kraftstoffverbrauch bei kurzzei-tiger MotorabschaltungBugsel, Albus, Sievert € 10,50

F 23: Unfalldatenschreiber als Informationsquelle für die Unfall-forschung in der Pre-Crash-PhaseBerg, Mayer € 19,50

F 24: Beurteilung der Sicherheitsaspekte eines neuartigen Zwei-radkonzeptesKalliske, Albus, Faerber € 12,00

F 25: Sicherheit des Transportes von Kindern auf Fahrrädern undin FahrradanhängernKalliske, Wobben, Nee € 11,50

F 26: Entwicklung eines Testverfahrens für Antriebsschlupf-RegelsystemeSchweers € 11,50

F 27: Betriebslasten an FahrrädernVötter, Groß, Esser, Born, Flamm, Rieck € 10,50

F 28: Überprüfung elektronischer Systeme in KraftfahrzeugenKohlstruck, Wallentowitz € 13,00

F 29: Verkehrssicherheit runderneuerter ReifenTeil 1: Verkehrssicherheit runderneuerter ReifenGlaeserTeil 2: Verkehrssicherheit runderneuerter Lkw-ReifenAubel € 13,00

1993

1994

1995

1996

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1998

1999

2000

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Alle Berichte sind zu beziehen beim:

Wirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

Dort ist auch ein Komplettverzeichnis erhältlich.

F 30: Rechnerische Simulation des Fahrverhaltens von Lkw mitBreitreifenFaber € 12,50

F 31: Passive Sicherheit von Pkw bei VerkehrsunfällenOtte € 12,50

F 32: Die Fahrzeugtechnische Versuchsanlage der BASt – Ein-weihung mit Verleihung des Verkehrssicherheitspreises 2000 am4. und 5. Mai 2000 in Bergisch Gladbach € 14,00

F 33: Sicherheitsbelange aktiver FahrdynamikregelungenGaupp, Wobben, Horn, Seemann € 17,00

F 34: Ermittlung von Emissionen im Stationärbetrieb mit demEmissions-Mess-FahrzeugSander, Bugsel, Sievert, Albus € 11,00

F 35: Sicherheitsanalyse der Systeme zum Automatischen FahrenWallentowitz, Ehmanns, Neunzig, Weilkes, Steinauer,Bölling, Richter, Gaupp € 19,00

F 36: Anforderungen an Rückspiegel von Krafträdernvan de Sand, Wallentowitz, Schrüllkamp € 14,00

F 37: Abgasuntersuchung - Erfolgskontrolle: Ottomotor – G-KatAfflerbach, Hassel, Schmidt, Sonnborn, Weber € 11,50

F 38: Optimierte Fahrzeugfront hinsichtlich des Fußgänger-schutzesFriesen, Wallentowitz, Philipps € 12,50

F 39: Optimierung des rückwärtigen Signalbildes zur Reduzie-rung von Auffahrunfällen bei GefahrenbremsungGail, Lorig, Gelau, Heuzeroth, Sievert € 19,50

F 40: Prüfverfahren für Spritzschutzsysteme an KraftfahrzeugenDomsch, Sandkühler, Wallentowitz € 16,50

F 41: Abgasuntersuchung: DieselfahrzeugeAfflerbach, Hassel, Mäurer, Schmidt, Weber € 14,00

F 42: Schwachstellenanalyse zur Optimierungdes Notausstieg-systems bei ReisebussenKrieg, Rüter, Weißgerber € 15,00

F 43: Testverfahren zur Bewertung und Verbesserung von Kin-derschutzsystemen beim Pkw-SeitenaufprallNett € 16,50

F 44: Aktive und passive Sicherheit gebrauchter Leichtkraftfahr-zeugeGail, Pastor, Spiering, Sander, Lorig € 12,00

F 45: Untersuchungen zur Abgasemission von Motorrädern imRahmen der WMTC-AktivitätenSteven € 12,50

F 46: Anforderungen an zukünftige Kraftrad-Bremssysteme zurSteigerung der FahrsicherheitFunke, Winner € 12,00

F 47: Kompetenzerwerb im Umgang mit Fahrerinformations-systemenJahn, Oehme, Rösler, Krems € 13,50

F 48: Standgeräuschmessung an Motorrädern im Verkehr und beider Hauptuntersuchung nach § 29 STVZOPullwitt, Redmann € 13,50

F 49: Prüfverfahren für die passive Sicherheit motorisierter Zwei-räderBerg, Rücker, Bürkle, Mattern, Kallieris € 18,00

2001

2002

2003

2004