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Mikrochimica Acta [Wien] 1974, 701--710 @ by Springer-Verlag 1974 Lehrstuhl fiir Analytische Chemie, Chemisches Laboratorium der Universit~it Freiburg, 78 Freiburg i. Br., Albertstr. 21 Prinzipien der Vervielfachung in der analytischen Chemie Definition und Grundlagen Von U. Fritsche und H. Weisz Mit 3 Abbildungen (Eingegangen am 9. August 1973) Eine M6glichkeit zur Analyse sehr kleiner Probemengen besteht darin, die Menge des zu Bestimmenden vor der eigentlichen Messung in definierter Weise zu vergr6t~ern. Derartige Vervielfachungsverfah- ren sind schon lange bekannt (z. B. die auf der Synproportionierung yon Jodat mit Jodid beruhende Jodidbestimmungl). Indessen wurde erst 1933 von Emich klar zum Ausdruck gebracht, dat~ Vervielfa- chung eine prinzipielle M/Sglichkeit ist, einen Gewinn an Genauigkeit zu erzielen~. Zweifellos ist es im allgemeinen vorteilhaft, wenn die Met~gr6f~e einen hohen Wert hat, so etwa bei der Gravimetrie die Masse, bei der Volumetrie das Volumen der Maf~16sung. Ein Weg unter ande- ren, dies zu erreichen, ist Vervielfachung. Es hat nicht an Bestrebungen gefehh, den Begriff ,,Vervielfa- chung" in der analytischen Chemie zu definieren1-3. Hier sei folgende Definition vorgeschlagen: Vervielfachung ist eine VergrSt~erung der Anzahl der Mole, bei der die vergrSf~erte -- zu messende oder auch nut nachzuweisende -- Menge eine Funktion der Anfangsmenge, nicht aber der Reaktionszeit ist. Der ,,Beschwerungseffekt" in der Gravimetrie, durch den man einen giinstigen Analysenfaktor erh~ilt, ffillt damit nicht unter den Begriff Vervielfachung. Kinetisch-kataly- tische Analysenverfahren, bei denen eine grSt~ere Stoffmenge in Ab- h~ingigkeit yon der Reaktionszeit produziert wird, sind nach dieser Definition ebenfalls nicht als Vervielfachung anzusehen 4.

Prinzipien der Vervielfachung in der analytischen Chemie

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Mikrochimica Acta [Wien] 1974, 701--710 @ by Springer-Verlag 1974

Lehrstuhl fiir Analytische Chemie, Chemisches Laboratorium der Universit~it Freiburg, 78 Freiburg i. Br., Albertstr. 21

Prinzipien der Vervielfachung in der analytischen Chemie Defini t ion und Grundlagen

Von

U. Fritsche und H. Weisz

Mit 3 Abbildungen

(Eingegangen am 9. August 1973)

Eine M6glichkeit zur Analyse sehr kleiner Probemengen besteht darin, die Menge des zu Bestimmenden vor der eigentlichen Messung in definierter Weise zu vergr6t~ern. Derartige Vervielfachungsverfah- ren sind schon lange bekannt (z. B. die auf der Synproportionierung yon Jodat mit Jodid beruhende Jodidbestimmungl). Indessen wurde erst 1933 von Emich klar zum Ausdruck gebracht, dat~ Vervielfa- chung eine prinzipielle M/Sglichkeit ist, einen Gewinn an Genauigkeit zu erzielen ~.

Zweifellos ist es im allgemeinen vorteilhaft, wenn die Met~gr6f~e einen hohen Wert hat, so etwa bei der Gravimetrie die Masse, bei der Volumetrie das Volumen der Maf~16sung. Ein Weg unter ande- ren, dies zu erreichen, ist Vervielfachung.

Es hat nicht an Bestrebungen gefehh, den Begriff ,,Vervielfa- chung" in der analytischen Chemie zu definieren 1-3. Hier sei folgende Definition vorgeschlagen: Vervielfachung ist eine VergrSt~erung der Anzahl der Mole, bei der die vergrSf~erte - - zu messende oder auch nut nachzuweisende - - Menge eine Funktion der Anfangsmenge, nicht aber der Reaktionszeit ist. Der ,,Beschwerungseffekt" in der Gravimetrie, durch den man einen giinstigen Analysenfaktor erh~ilt, ffillt damit nicht unter den Begriff Vervielfachung. Kinetisch-kataly- tische Analysenverfahren, bei denen eine grSt~ere Stoffmenge in Ab- h~ingigkeit yon der Reaktionszeit produziert wird, sind nach dieser Definition ebenfalls nicht als Vervielfachung anzusehen 4.

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Im folgenden soll auf eine Reihe grunds~itzlicher Vervielfachungs- m6glichkeiten hingewiesen werden. Man hat zwischen zyklischen und nichtzyklischen Verfahren zu unterscheiden.

NichtzykIische Ver[ahren

Zahlreiche hierzu geh6rende Reaktionen - - insbesondere solche mit nur geringer Vergr6t~erung der Molanzahl - - wurden bisher nicht als Vervielfachungen bezeichnet. Jedoch erscheint es nicht ge- rechtfertigt, den Begriff Vervie!fachung nur bei Reaktionen mit hoher Vervielfachungszahl anzuwenden. Daher sollen auch solche M6glich- keiten diskutiert werden, die nur einen geringen analytischen Nutzen versprechen.

1. Bereits durch Zerlegung der Anfangsform und Messung eines Bestandteils kann eine Vervielfachung erzielt werden. So w~ire z. B. Hydrolyse yon Peroxydisulfat und anschliefgende F~illung und W~- gung des Bariumsulfats als Vervielfachung anzusehen.

(1 $208 ~ . . . . . . --+ 2 BaSO4)

Bei der Phosphatbestimmung durch Bildung von Ammonium- molybdatophosphat, Zerlegung desselben und Messung des Molyb- d~ins (z. B. spektrophotometrisch 1) wird die Anfangssubstanz zu- n~ichst in den durch Zerlegung vervielfachbaren Stoff umgewandelt.

2. Nach der oben gegebenen Definition sind alle jodometrischen Verfahren, bei denen ein ausreichend grof~er Valenzwechsel eintritt, als Vervielfachungen zu betrachten. Als Beispiel m6ge dienen:

CrO4 2- q- 3J + 8H + --> Cr a ~ + a/2Je + 4H~O

Ftir ein Mol Chromat erh~ilt man also 1,5 Mol Jod, das mit Natriumthiosulfat titriert werden kann. Verallgemeinert l~it~t sich das Prinzip folgendermagen darstellen:

a A + b B -+ aA ' + b B ' Anfangsform Mef~form

b ~ a

wobei A', B' = ver~inderte Formen (z. B. andere Oxydationsstufen) der Stoffe A, B; a, b = Mengen in Mol.

3. Die Reaktionspartner enthalten ein Element in verschiedener Form (z. B. Oxydationsstufe), das Reaktionsprodukt enth~ilt dieses Element in einheitlicher Form. Das ist bei der Synproportionierung, d. h. der Bildung einer mittleren Oxydationsstufe aus einer h6heren

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und einer niedrigeren, der Fall, z.B. bei der Jodat-Jodid-Synpro- portionierung.

Eine andere M6glichkeit besteht darin, daf~ sich die Reaktions- partner nur in der Zahl der Liganden unterscheiden und dieser Unter- schied durch die Reaktion ausgeglichen wird, wie z. B. bei der Ver- vielfachung yon Quecksilber 5

Hg2+ -+- [HgJ4] 2 -+ 2HgJe.

Dieser Reaktionstyp ist als Quasi-Synproportionierung anzusehen. Die Jodat-Jodid-Synproportionierung hat zahlreiche Anwendun-

gen zur Vervielfachung gefunden. 1 Mol Jodat liefert 3 Mol Jod; bei der Titration des Jods werden 6 Mol Natriumthiosulfat ver- braucht. Wegen des Umrechnungsfaktors sechs und der scharfen End- punktindikation (z. B. mittels St~irke) stellt dieses Verfahren eine besonders vorteilhafte Vervielfachung dar.

Im folgenden seien einige MSglichkeiten angefiihrt, verschiedene Stoffe in ~iquivalente Mengen Jodat umzuwandeln und damit einer Vervielfachung zugfinglich zu machen.

a) Oxydation von Jodid oder Jod zu Jodat, also die sogenannte ,Leipertmethode", v o n d e r es zahlreiche Varianten gibt 1.

b) F~illung von Kationen als schwerlSsliche Jodate I oder Jodide~; im letzteren Fall ist natiirlich noch eine Oxydation zu Jodat erfor- derlich.

Beispiel: F~tllung yon Ag + mit J - als AgJ.

c) Umwandlung yon Ionen, die keine schwerl6slichen Jodate oder Jodide bilden, in solche, die als schwerlSsliche Jodate oder Jo- dide geffillt werden kSnnen.

Beispiel: Kupferionen werden kathodisch reduziert; das abge- schiedene Kupfer wird durch Baden der Kathode in SilbernitratlSsung in Silber umgewandelt. Dieses wird schlief~lich oxydativ gel6st und als Jodid gef~illt. Da 1 Mol Kupfer 2 Mol Silber entspricht, wird hierdurch bereits eine Verdopplung erreicht 7.

Cue+--+ Cu--+ 2 Ag --+ 2 Ag+--* 2 AgJ--+ 2 JOa-

d) Aus schwerlSslichen Jodaten oder Jodiden, die als Reagen- zien verwendet werden, wird durch F~illungsaustausch oder Kom- plexbildung Jodat oder Jodid freigesetzt.

Einige Beispiele: AgJOa: Bestimmung yon C1 s, 9; CN , SCN -5,1~ Hg(JOa).,: Bestimmung von C1 -tl .

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Ba(JOa)2: Bestimmung von SO4 2 12,,a.

AgJ: Bestimmung von S a ,a

Pb(JOa)2: Bestimmung yon ADTA und indirekt yon zahlreichen Kationen x4.

e) Reaktion yon Kationen mit komplexen Jodiden desselben Ele- ments. Ein BeispM ist die bereits erw~ihnte Quasi-Synproportionie- rung yon Hg 2+ mit [HgJ4] 2 zu HgJ2, wobei man das HgJ2 anschlie- t~end zu Jodat oxydiert ~,s~

f) Bildung einer fiquivalenten Menge Jodid, Jod oder Jodat durch Redoxreaktion. Als Beispiel m6ge die Sauerstoffbestimmung nach Unterzaucher dienen 15.

Zylalische Ver/ahren

Unter einem ,,Zyklus" sei eine Reaktionsfolge verstanden, in der ein Stoff umgewandelt und in gleicher oder verschiedener Menge wiedergebildet wird. Mehrmalige Wiederholung eines Zyklus ergibt eine ,,zyklische Vervielfachung". Es ist keineswegs erforderlich, dag die einzelnen Reaktionsschritte, aus denen ein zyklisches Verviel- fachungsverfahren besteht, selbst Vervielfachungen sind; bei man- chen zyklischen Verfahren kann erst nach mehreren Zyklen yon einer Vervielfachung gesprochen werden (z. B. bei der Multiplikation mit- tels Ionenaustauschern, s.u.). Grunds~itzlich lassen sich nichtzykli- sche Verfahren also dutch Wiedergewinnung der Anfangsform in zyklische umgestalten.

Die meisten zyklischen Vervielfachungen verlaufen nach dem in Abb. 1 dargestellten Schema. Angenommen, Stoff 1 sei zu verviel- fachen. Durch Zugabe yon Reagens 1 werden Stoff 2 und Produkt 1 gebildet. Anschliegende Zugabe von Reagens 2 liefert wieder Stoff 1, ferner Produkt 2. Der n~ichste Zyklus beginnt mit erneuter Zugabe von Reagens 1. In jedem Zyklus werden die Produkte in einer Menge gebildet, die der des Stoffes 1 und damit auch der des Stoffes 2 ~iqui- valent ist. Im allgemeinen sind nach den einzelnen Reaktionsschritten geeignete Trennverfahren anzuwenden, um Reagensiiberschut~ bzw. Produkt aus dem System zu entfernen. Nach mehreren Zyklen liegt insgesamt ein Mehrfaches an Produkt vor. Die Menge yon Produkt 1 oder Produkt 2 wird gemessen. Aus der Zyklenzahl und dem Men- genverhiiltnis (in Mol) yon gemessenem Produkt und Stoff 1 pro Zyklus 1/igt sich das Analysenergebnis berechnen. Selbstverstfindlich ist es auch m6glich, den Zyklus mit Stoff 2 zu beginnen und somit analog auch Stoff 2 zu vervielfachen. Das gleiche gilt fiir alle Sub-

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stanzen, die auf irgendeine Weise in eine ~iquivalente Menge des Stof- fes 1 oder des Stoffes 2 umgewandelt werden k6nnen.

Nun seien einige typische Beispiele fiir das in Abb. 1 dargestellte Vervielfachungsschema genannt; sie sind an anderer Stelle ausftihr-

Reagens 2 . / - "~- S to f f 2 ~ " ~ Produk~ 1

Abb. 1. gbliches Vervielfachungsschema

lich beschrieben worden. ,,Stoff", ,,Reagens", ,,Produkt" sind jeweils mit dem ersten Buchstaben abgekiirzt (S., R., P.).

a) Vervielfachung von Na + oder H + mittels Ionenaustauscher in der H +- und in der Na+-Form1%

S. 1 = Na +

S. 2 = H +

R. 1 = Ionenaustauscher in der H+-Form

P. 1 = Ionenaustauscher in der Na+-Form

R. 2 = Ionenaustauscher in der Na+-Form

P. 2 = Ionenaustauscher in der H+-Form

Na + wird mittels Ionenaustauscher in der H+-Form gegen eine iiqui- valente Menge H + ausgetauscht, und dieses dann mittels Ionenaus- tauscher in der Na+-Form wieder gegen eine ~iquivalente Menge Na +. Die in jedem Zyklus auf den Austauscher in der Na+-Form (Rea- gens 2) transportierten H + werden nach Durchfiihrung der gewtinsch- ten Zyklenzahl mittels tiberschiissiger NaC1-L6sung eluiert und mit N a O H titriert.

b) Vervielfachung von Ag + oder Ba ~+ nach Ffillung als Ag~CrO~ bzw. BaCrO 4 6.

S. 1 = Ag~CrO 4 R. 1 = BaC12 P. 1 = AgC1

S. 2 = BaCrO 4 R. 2 = Ag + P. 2 = Ba ~+

Ag2CrO 4 wird mit BaC12 zu BaCrO 4 und AgC1 umgesetzt. Das BaCrO 4 wird mittels Ag + in Ag2CrO 4 zurtickverwandelt. Ag2CrO 4 bzw. BaCrO 4 befindet sich auf einer Sfiule mit Adsorbens, wo auch jeweils das AgCI zuriickbleibt. Letzteres wird nach Beendigung der Vervielfachung mit N H 3 eluiert, und das Ag + wird nach geeigneter Methode bestimmt.

~hnlich verlaufen einige andere Vervielfachungen 6, ,7.

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c) Vervielfachung von ~DTA .6.

S. 1 = ADTA R. 1 = Hg(JOa)2 P. 1 = JOa S. 2 = Hg-~DTA R. 2 = Ag2S P. 2 = HgS, Ag +

2kDTA wird mit Hg(JO3) ~ zu Hg-~DTA und JOa- umgesetzt. Aus dem Hg-ADTA wird das ;4DTA mittels Ag2S zurtickgewonnen. Die Trennungen erfolgen hier durch Filtration. Das jeweils gebildete JOa- wird gesammelt und jodometrisch bestimmt.

d) Vervielfachung von Dithizon (H2Dz) oder Ag + nach fdber- fiihrung in Silberdithizonat 16.

S. 1 = AgHDz R. = Ag § P. = Ag + S. 2 = Ag~Dz

Das Schema hat diese einfache Gestalt, da die an den Reaktionen be- teiligten H+-Ionen nicht mitberficksichtigt wurden.

Prim/ires Silberdithizonat (AgHDz) wird mit iiberschiissigen Ag +- Ionen in schwach alkalischer L6sung zum sekund/iren Silberdithizo- nat (Ag2Dz) umgesetzt. Dieses wird von unverbrauchtem Ag + extrak- tiv abgetrennt (CHCla) und durch Ans/iuern wieder in AgHDz und Ag + zerlegt. Das bei dieser Zerlegung von Ag2Dz in jedem Zyklus in der w/if~rigen Phase erhaltene Ag + wird gesammelt.

e) An derartigen Vervielfachungszyklen k6nnen auch Redox- reaktionen matggeblich beteiligt sein wie in dem folgenden Beispie116:

S. 1 = AgJ R. 1 = Br2 P. 1 = B r - , J O a- S. 2 = AgBr R. 2 = J - P. 2 = Br-

AgJ wird mit Br~ zu AgBr umgesetzt und mittels J - wiedergewon- hen. Das jeweils gebildete JO a- wird gesammelt und jodometrisch bestimmt, Die Reaktion wird auf einer Glasfritte durchgeffihrt.

Bei allen bisher besprochenen zyklischen Vervielfachungen bleibt die im Kreislauf befindliche Menge konstant; eines der in jedem Zy- klus erzeugten Produkte wird gesammelt und liegt schliet~lich in viel- facher Menge vor. Die Menge nimmt in arithmetischer Progression zu; insgesamt gesehen handelt es sich um eine Multiplikation 2. Dies 1/if~t sich durch folgende Gleichung darstellen:

y ~ fFlX

x = Anfangsmenge (in Mol); y = vielfache Menge (in Mol); / = Mengenverh/iltnis der pro Zyklus erhaltenen, zu messenden Substanz und der in denselben Zyklus eingesetzten Substanz; n = Zyklen- anzahl,

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Indessen gibt es auch Vervielfachungen, bei denen die im Kreis- lauf befindliche Menge nicht gleich bleibt, sondern zunimmt - - und schliet~lich gemessen wird. Da die Menge in geometrischer Progres- sion zunimmt, handelt es sich insgesamt gesehen um eine Potenzie- rungS; dies l~it~t sich folgendermaf~en darstellen:

y = p x

Das wohl bekannteste Beispiel hierfiir ist die zyklisch wiederholte Jodvervielfachung. Jodat (evtl. in einleitendem Schritt durch Oxyda- tion von J - oder J2 gebildet) reagiert mit Jodid in saurer LSsung zu Jod, das mit Brom wieder zu Jodat oxydiert wird usw.

Die Jodatmenge wird in jedem Zyklus versechsfacht. Die Glei- chung fiir die vielfache Menge lautet in diesem speziellen Fall: y = 6~x.

Die Varianten dieses Verfahrens unterscheiden sich hinsichtlich der Trennung des durch Synproportionierung gebildeten Jods von unverbrauchtem Jodid-Reagens. Diese Trennung kann geschehen durch Destillation is, Extraktion x9 oder - - wenn man das Jodid in Form yon Silberjodid einsetzt - - durch Filtration 14.

Im oben beschriebenen Sinne ist auch die Kobaltvervielfachung nach R. Belcher, J. Hamya und A. Townshend e~ als Potenzierung an- zusehen; Kobalt(II) reagiert mit Natriumnitrit zu Hexanitritokobal- tat(III); dieses bildet mit Hexamminkobaltat(III) einen schwerl6sli-

Reagens 3 ~ ~ Reagens 2 Stoff 2 Proclukt 1

Abb. 2. Potenzierung durch ,,Riickkopplung"

chen Niederschlag, der abfiltriert wird und mit Natronlauge die doppelte Menge (in Mol) Kobalthydroxid ergibt. Nach Reduktion zu Kobalt(II) kann durch erneute Nitritzugabe der nfichste Zyklus eingeleitet werden (y = 2~x).

Die Reaktion des im Kreislauf befindlichen Komplexes [Co(NOe)6] ~- mit dem Reagens [Co(NH3)6] ~+ ist der entscheidende

45*

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Schritt, der zur Vergr6t~erung der im Kreislauf befindlichen Co -~+- Menge fiihrt.

Auf ~ihnliche Weise 1/i(~t sich auch Selen vervielfachen 21. Alle Multiplikationsverfahren lassen sich grunds~itzlich dadurch

in Potenzierungsverfahren umgestalten, datg in jedem Zyklus ein Produkt in einen der im Kreislauf befindlichen Stoffe umgewandelt wird, wie das in Abb. 2 dargestellt ist. Die im Kreislauf befindliche Menge (bei Potenzierungen wird diese ja gemessen) wird hier also durch eine Art Riickkopplung vergr6t~ert.

Als Modellbeispiel fiir dieses Prinzip wurde die Potenzierung von Na + oder H + mittels Ionenaustauschern beschrieben 16 (vgl. oben die Multiplikation mittels Ionenaustauschern):

S. 1 = Na + R. 1 = M - - H + P. 1 = M - Na I

S. 2 = H + R. 2 = M - - - N a + p. 2 = M - - - H + R. 3 = H + p. 3 = M - - - H +

Im Unterschied zum Multiplikationsverfahren werden die auf den Ionenaustauscher in der H+-Form (R. 1) transportierten Na + (P. 1 = M - -- Na +) mittels iiberschiissiger HC1 (R. 3) eluiert und mit den im normalen Kreislauf wiedererhaltenen Na + (S. 1) vereinigt. Auf diese Weise wird in jedem Zyklus die Na+-Menge verdoppelt. Vor Durchfiihrung des n~ichsten Zyklus miissen die vonde r Elution her- rfihrenden iiberschi.issigen H + (R. 3 !) dutch Eindampfen entfernt werden.

Bei allen bisher behandelten zyklischen Vervielfachungen besteht zwischen der Menge des in den Zyklus eingesetzten Stoffes und der jenes Stoffes, aus dem ersterer wiedergewonnen wird, ein fiir das Vervielfachungsverfahren charakteristischer, fester zahlenmfil~iger Zu- sammenhang. Dies ist bei dem folgenden, wohl allgemeinsten Ver- vielfachungsprinzip 16 nicht der Fall.

( ~ fl) Reaktionspartner I ~ ~ fl Reaktfon~par tner 2 ~ "~ ~ Reaktionsprodukt

Abb. 3. Vervielfachung durch wechselweise Zugabe ~iquivalenter Mengen zweier Reagenzien

In Abb. 3 bedeuten ~, fl, (~ + fl) die Mengen der beteiligten Stoffe in Aequivalentgewichten. Voraussetzung ist lediglich eine quantitative Reaktion zwischen zwei Stoffen und die M6glichkeit, das Reaktions-

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produkt vom fdberschuf~ des einen oder anderen Reaktionspartners zu trennen. Der Kreisprozet~ beginnt mit cx Reaktionspartner 1. Man gibt die Reagenzien abwechselnd in einander fiquivalenter Menge (0~ + fl) zu (diese Menge mut~ gr6t~er sein als die unbekannte An- fangsmenge 0d). Das Produkt wird jeweils von restlichem Reagens abgetrennt. Letzteres dient zur Wiedergewinnung des in den Zyklus eingesetzten Stoffes ~ Reaktionsparmer 1.

In jedem Zyklus f~illt Reaktionsprodukt in der Menge ~ und in der Menge fl an. Zweckm~if~igerweise sammelt man jeweils das Reak- tionsprodukt, dessen Menge der des zu vervielfachenden Reaktions- partners entspricht, also e~ Reaktionsprodukt. Die Menge der im Uberschui~ angewandten Reagenzien (~ + fl) mut~ nicht notwendig bekannt sein! Da die in den Kreislauf eingesetzte Substanz am Ende wieder in gleicher Menge gebildet wird, handelt es sich um eine Multiplikation. Durch das oben beschriebene Prinzip der Riickkopp- lung lief~e sich jedoch auch grunds~itzlich eine Potenzierung erzielen.

Durchgefiihrt wurde dieses Prinzip der wechselweisen Zugabe einander fiquivalenter Mengen zweier Reagenzien bisher in zwei Modellbeispielen.

a) Vervielfachung von Silber: Reaktionspartner 1 = Ag +, Reaktionspartner 2 = HzDz (Dithi-

zon), Reaktionsprodukt = AgHDz (prim~ires Silberdithizonat, s. o.). Die Trennungen erfolgen hier dutch Extraktion.

b) Vervielfachung von Ammonium: Reaktionspartner 1 = NH4 +, Reaktionspartner 2 = OH- , Reak-

tionsprodukt = NH 3.

Die Trennungen erfolgen in diesem Beispiel durch Destillation in einer Apparatur zur Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl.

Insbesondere die zyklischen Vervielfachungen, die ja aus theore- tisch beliebig oft wiederholbaren Reaktionsschritten bestehen, wurden noch wenig bearbeitet. Die geschilderten Verfahren haben daher teil- weise Modellcharakter. Weitere Beispiele dafiir sollten sich finden lassen; auch mit der Entwicklung grunds~itzlich neuer Vervielfa- chungsm6glichkeiten ist zu rechnen. Fiir die Anwendung derartiger Methoden in der Praxis ist selbstverstandlich der durch die Verviel- fachung erzielte Gewinn an Genauigkeit entscheidend.

Zusammenfassung

Die den Vervielfachungsmethoden der analytischen Chemie zu Grunde liegenden Prinzipien werden er6rterr Zun~ichst wird der Begriff Vervielfachung abgegrenzt und eine Definition dafiir vorge-

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schlagen. Zwischen zyklischen und nichtzyklischen Verfahren wird unterschieden, bei ersteren wiederum zwischen Multiplikationen und Potenzierungen. Beispiele ftir die verschiedenen Vervielfachungsprin- zipien sind angefiihrt.

Summary

Principles o[ Multiplication in Analytical Chemistry

The principles underlying the amplification methods of analytical chemistry are noted. Firstly the concept "amplification" is delimited and a definition of it is proposed. The differences between cyclic and non- cyclic methods are pointed out; for the former a differentiation is emphasized, also the difference between "multiplication methods" and potentiometric procedures ("raising to power methods"). Examples are given of the various amplification principles.

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