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Prof. Dr. A. Staudinger Rom II-Verordnung Sachlicher Anwendungsbereich (1) Außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen mit Bezug zum Recht verschiedener Staaten, Art. 1 I (1) Rom II-VO, ausgenommen: Steuer- und Zollsachen, Art. 1 I (2) Rom II-VO, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, Art. 1 I (2) Rom II-VO, Staatshaftung für Handlungen und Unterlassungen in Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii), Art. 1 I (2) Rom II-VO (wohl nicht die Polizeifahrt), außervertragliche Schuldverhältnisse aus Familien- oder vergleichbaren Verhältnissen, einschließlich Unterhaltverhältnisse, Art. 1 II a) Rom II-VO, aus ehelichen oder vergleichbaren Güterständen, Testament und Erbrecht, Art. 1 II b) Rom II-VO, aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus der Handelbarkeit entstehen, Art. 1 II c) Rom II- VO, aus Gesellschaftsrecht, Vereinsrecht sowie dem Recht der juristischen Personen, Art. 1 II d) Rom II-VO, aus den Beziehungen eines durch Rechtsgeschäft errichteten „Trusts“, Art. 1 II e) Rom II-VO, solche, die sich durch Schäden durch Kernenergie ergeben, Art 1 II f) Rom II-VO, sowie solche aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung, Art. 1 II g) Rom II-VO. Für diese Bereiche bleibt es bei dem Rückgriff auf das nationale Kollisionsrecht.

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Rom II-VerordnungSachlicher Anwendungsbereich (1)Außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen mit Bezug

zum Recht verschiedener Staaten, Art. 1 I (1) Rom II-VO, ausgenommen:• Steuer- und Zollsachen, Art. 1 I (2) Rom II-VO,• verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, Art. 1 I (2) Rom II-VO,• Staatshaftung für Handlungen und Unterlassungen in Ausübung hoheitlicher Rechte

(acta iure imperii), Art. 1 I (2) Rom II-VO (wohl nicht die Polizeifahrt),• außervertragliche Schuldverhältnisse aus Familien- oder vergleichbaren Verhältnissen,

einschließlich Unterhaltverhältnisse, Art. 1 II a) Rom II-VO,• aus ehelichen oder vergleichbaren Güterständen, Testament und Erbrecht, Art. 1 II b)

Rom II-VO,• aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern

die Verpflichtungen aus der Handelbarkeit entstehen, Art. 1 II c) Rom II-VO,• aus Gesellschaftsrecht, Vereinsrecht sowie dem Recht der juristischen Personen, Art. 1

II d) Rom II-VO,• aus den Beziehungen eines durch Rechtsgeschäft errichteten „Trusts“, Art. 1 II e) Rom

II-VO,• solche, die sich durch Schäden durch Kernenergie ergeben, Art 1 II f) Rom II-VO,• sowie solche aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte,

einschließlich der Verleumdung, Art. 1 II g) Rom II-VO.

Für diese Bereiche bleibt es bei dem Rückgriff auf das nationale Kollisionsrecht.

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Sachlicher Anwendungsbereich (2)

Erfasst sind ebenso:• Schuldverhältnisse, die noch nicht entstanden sind, deren

Entstehen aber wahrscheinlich ist, Art. 2 II Rom II-VO. • Schadensbegründende Ereignisse bzw. Schäden, deren Eintritt

wahrscheinlich ist, Art. 2 III Rom II-VO, z.B. Unterlassungsansprüche.

• Gefährdungshaftung, Erwägungsgrund Nr. 11 S. 3.• Deliktsfähigkeit, Art. 15 lit. a) Rom II-VO, Erwägungsgrund Nr.

12.• Sachverhalte innerhalb der Schiedsgerichtsbarkeit,

Erwägungsgrund Nr. 8.

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Räumlicher & Intertemporaler Anwendungsbereich

Räumlich:• Art. 1 IV Rom II-VO sowie Erwägungsgründe Nr. 39 und

40: Die Verordnung gilt, da das Vereinigte Königreich und Irland sich an Annahme und Anwendung der Verordnung beteiligen, unmittelbar in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks.

Intertemporal:• Schadensbegründende Ereignisse nach dem

Inkrafttreten.• Inkrafttreten grds. am 11. Januar 2009.• Art. 29 Rom II-VO (Pflicht zur Übermittlung der

bestehenden Übereinkommen) bereits am 11. Juli 2008.

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Drittstaatenrecht und -sachverhalte

• Art. 3 Rom II-VO normiert den universellen Charakter der Harmonisierungsmaßnahme: – Die berufene Rechtsordnung ist selbst dann heranzuziehen, wenn sie

eine nicht mitgliedstaatliche ist.– Dies entspricht Art. 2 EVÜ, siehe demnächst Art. 2 Rom I-VO-E (loi

uniforme).

• Der Rechtsakt erfasst nicht allein intrakommunitäre Fallgestaltungen, sondern auch solche mit geringem Binnenmarktbezug sowie reine Drittstaatsachverhalte (vgl. Art. 1 I Rom II-VO „Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“, nicht Mitgliedstaaten).

• Eine Anwendbarkeit gegenüber Dänemark ist zweifelhaft (vgl. Art. 2 Protokoll Nr. 5 zum EUV über die Position Dänemarks, ABlEG 2006 Nr. C321E S. 201), erscheint aber aus Gründen des effet utile vorzugswürdig.

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Konkurrenzen

• Andere Harmonisierungsmaßnahmen– Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die für besondere

Gegenstände Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten, sind vorrangig, Art. 27 Rom II-VO.

• Staatsverträge– Abkommen mit Drittstaatenbeteiligung sind selbst bei rein

innergemeinschaftlichen Sachverhalten vorrangig (Art. 28 I Rom II-VO), z.B. HStrÜ.

– Ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkünfte werden von der Rom II-VO verdrängt, Art. 28 II Rom II-VO.

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Verweisungsziel

• Rück- und Weiterverweisung (renvoi) sind gem. Art. 24 Rom II-VO ausgeschlossen.

• Es besteht somit stets ein Sachnormverweis.• Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen

jede eigene Regelungen für außervertragliche Schuldverhältnisse hat, gilt die jeweilige Gebietseinheit als Staat i.S.d. Verordnung (= Ausschluss eines interlokalen Rechts).

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Kollisionsrechtliches System der Rom II-VO

• Die Vorschriften zur Anknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse sind in den Kapiteln II und III des Sekundärrechtsakts festgelegt, wobei ersteres unerlaubte Handlungen betrifft und das folgende andere außervertragliche Schuldverhältnisse regelt. Kapitel V beinhaltet gemeinsame Vorschriften. Sofern etwa der Bereich der unerlaubten Handlung einschlägig ist, sollte in einem ersten Schritt geprüft werden, ob eine Sonderkollisionsnorm eingreift oder es bei den allgemeinen Anknüpfungsregeln verbleibt. Für diese gilt es wiederum eine bestimmte Prüfungsreihenfolge zu beachten.

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Rechtswahl

Art. 14 Rom II-VO: Rechtswahl• Grundsatz: Vereinbarung nach Schadenseintritt, Art. 14 I (1) lit. a)

Rom II-VO.• Sonderfall: Wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit

nachgehen auch frei ausgehandelte Vereinbarung vor Schadenseintritt möglich, wohl aber unter Ausschluss einer einseitigen Formularabrede, Art. 14 I (1) lit. b) Rom II-VO.

• Rechte Dritter bleiben unberührt, Art. 14 I (2) Rom II-VO. Demzufolge gilt die Rechtswahl nur inter partes. Zumindest im Falle einer Benachteiligung des Dritten verbleibt es bezüglich seiner Person bei der objektiven Anknüpfung.

• Zwingendes Recht: – Sind alle Elemente des Sachverhalts zur Zeit des

schadensbegründenden Ereignisses in einem anderen Staat belegen, so erweisen sich dessen zwingende Bestimmungen als rechtswahlfest, Art. 14 II Rom II-VO.

– Gilt dies für einen oder mehrere Mitgliedstaaten, so greift zwingendes Gemeinschaftsrecht durch, Art. 14 III-Rom II-VO.

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Deliktsrecht: Allg. Anknüpfung (1)

Art. 14 I Rom II-VO: Rechtswahl

Art. 4 II Rom II-VO: Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt

Beachte: Diese Auflockerung ist zwingend, es besteht kein Beurteilungsspielraum für die Gerichte.

sonst

sonst

Art. 5 – 9 Rom II-VO: Beachte vorrangige Sonderkollisionsnormen, vgl. Darstellung i.F.

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Deliktsrecht: Allg. Anknüpfung (2)

Art. 4 I Rom II-VO (Regelfall): Erfolgsort• Staat, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.

Korrektur des Ergebnisses nach Art. 4 I oder II durch Art. 4 III Rom II-VO:

Wesentlich engere Verbindung

Beachte: Aufgeführt ist nur das Beispiel eines bestehenden Vertrages, einzubeziehen sind aber auch womöglich andere Sonder- (z.B. familienrechtliche) oder rein

tatsächliche Beziehungen (z.B. Gefälligkeitsfahrt).

ggf.

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Deliktsrecht: Sonderfälle (1)Straßenverkehrsunfälle• Erwägungsgrund Nr. 33:

– Gemäß den geltenden nationalen Bestimmungen über den Schadensersatz für Opfer von Straßenverkehrsunfällen sollte das befasste Gericht bei der Schadensberechnung für Personenschäden in Fällen, in denen sich der Unfall in einem anderem Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts des Opfers ereignet, alle relevanten tatsächlichen Umstände des jeweiligen Opfers berücksichtigen, insbesondere einschließlich tatsächlicher Verluste und Kosten für Nachsorge und medizinische Versorgung.

– Jedoch handelt es sich um eine reine Soll-Bestimmung, die somit keinen zwingenden Charakters hat.

– Hieraus folgt keine Durchbrechung der Regelanknüpfung.

• Die Sachgerechtigkeit der Ausnahmevorschrift in Art. 4 II Rom II-VO (gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt) ist hier ggf. in Zweifel zu ziehen:– Art. 4 II Rom II-VO setzt bei einem internationalen Verkehrsunfall keine Verstärkung

durch weitere Faktoren voraus (z.B. Zulassung und Versicherung beider oder eines der beteiligten Kfz im gemeinsamen Aufenthaltsstaat).

– Ist der schädigende PKW, z.B. ein Mietwagen, im Tatortstaat zugelassen und versichert, so besteht die Gefahr, dass die nach dem Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt begründeten Schadensersatzansprüche den Umfang des Versicherungsschutzes (in einem Drittstaat) übersteigen.

– Hier bietet ggf. Art. 4 III S. 1 Rom II-VO einen Ausweg, indem angesichts der Zulassung und Versicherung des schädigenden PKW eine engere Verbindung zum Tatortrecht angenommen werden kann.

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Deliktsrecht: Sonderfälle (2)Produkthaftung• Erfasst sind sowohl verschuldensabhängige als auch -unabhängige

Haftungstat-bestände.• Möglich ist zunächst eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO.• Besteht ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, so ist in

Ermangelung einer Rechtswahl vorrangig an diesen anzuknüpfen, Art. 5 I i.V.m 4 II Rom II-VO.

• Ansonsten greift die Regelanknüpfung des Art. 5 I S. 1 Rom II-VO: Soweit das Produkt dort in Verkehr gebracht wurde, ist anzuknüpfen an den:– lit. a): Gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten, ansonsten– lit. b): Ort des Produkterwerbs, ansonsten– lit. c): Erfolgsort

• Ausnahmsweise ist abweichend von den lit. a) bis c) gem. Art. 5 I S. 2 Rom II-VO das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Haftenden anzuwenden, soweit das Inverkehrbringen des Produkts im ermittelten Staat für ihn nicht vorhersehbar war.

• Eine Korrektur ist nach Art. 5 II Rom II-VO angezeigt, soweit eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht.

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Deliktsrecht: Sonderfälle (3)Unlauterer Wettbewerb• Eine Rechtswahl ist nach Art. 6 IV Rom II-VO

ausgeschlossen.• Liegt nur ein Geschädigter vor, so greift gem. Art. 6 II der

Art. 4 Rom II-VO.• Ansonsten verbleibt es beim Regelfall des Art. 6 I Rom II-

VO. Hiernach ist das Recht desjenigen Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden (Auswirkungsprinzip).

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Deliktsrecht: Sonderfälle (4)Wettbewerbsbeeinträchtigung• Der Anknüpfungsgegenstand ergibt sich im Zusammenspiel mit

Erwägungsgrund Nr. 23: Sonderanknüpfung unter anderem für Kartellrechtsverstöße im Sinne des Art. 81, 82 EG-Vertrag.

• Eine Rechtswahl ist nach Art. 6 IV Rom II-VO ausgeschlossen.• Bei einer tatsächlichen oder wahrscheinlichen Beeinträchtigung in

mehreren Staaten greift Art. 6 III lit. b) Rom II-VO:– Klagt der Geschädigte vor einem Gericht im Mitgliedstaat des

Wohnsitzes des Beklagten gelangt nach Hs. 1 die lex fori zur Anwendung, sofern dessen Markt wesentlich und unmittelbar beeinträchtigt ist.

– Klagt er dabei gegen mehrere Beklagte, so greift nach Hs. 2 ebenfalls die lex fori, wenn das Verhalten des jeweiligen Beklagten auch dessen Markt wesentlich und unmittelbar beeinträchtigt.

• Ansonsten verbleibt es beim Regelfall des Art. 6 III lit. a) Rom II-VO. Hiernach ist das Recht desjenigen Staates anzuwenden, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird.

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Deliktsrecht: Sonderfälle (5)

Umweltschädigung• Möglich ist zunächst eine Rechtswahl nach Art.

14 Rom II-VO.• Ansonsten greift der Regelfall des Art. 7 Rom II-

VO, der auf Art. 4 I Rom II-VO verweist, mithin den Erfolgsort.

• Abweichend steht dem Geschädigten eine Option zugunsten des Handlungsortes gem. Art. 7 a.E. Rom II-VO offen.

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Deliktsrecht: Sonderfälle (6)

Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

• Eine Rechtswahl schließt Art. 8 III Rom II-VO aus.• Grundsätzlich ist gem. Art. 8 I Rom II-VO das Recht

des Staates anwendbar, für den der Anspruchsteller Schutz begehrt. (Schutzlandprinzip).

• Wird gemeinschaftsweit geltendes Recht des geistigen Eigentums verletzt, so ist bezüglich derjenigen Fragen, die nicht dem betreffenden Gemeinschaftsakt unterfallen, an den Handlungsort anzuknüpfen.

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Deliktsrecht: Sonderfälle (7)

Arbeitskampfmaßnahmen• Möglich ist zunächst eine Rechtswahl nach Art.

14 Rom II-VO.• Besteht ein gemeinsamer gewöhnlicher

Aufenthalt, so ist vorrangig an diesen anzuknüpfen, Art. 9 i.V.m 4 II Rom II-VO.

• Ansonsten greift der Regelfall des Art. 9 Rom II-VO, der das Recht desjenigen Staates zur Anwendung beruft, in dem die Arbeitskampfmaßnahme erfolgt ist oder erfolgen soll (Handlungsort).

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Sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse: BereicherungsrechtAnknüpfung• Möglich ist zunächst eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-

VO.• Liegt eine Verknüpfung mit einem Rechtsverhältnis

einschließlich dem Zahlen auf eine nicht bestehende Schuld vor, das eine enge Verbindung mit der ungerechtfertigten Bereicherung aufweist, ist gem. Art. 10 I Rom II-VO das Statut dieses Rechtsverhältnisses maßgeblich.

• Ansonsten wird gem. Art. 10 II Rom II-VO das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt berufen.

• Andernfalls ist gem. Art. 10 III Rom II-VO das Recht am Ort des Bereicherungseintritts anzuwenden.

• Abweichend schreibt Art. 10 IV Rom II-VO für den Fall, dass eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht, eine Korrektur zu dem nach den Abs. 1 – 3 erzielten Ergebnis zugunsten dessen Rechts vor.

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Sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse: Geschäftsführung

ohne AuftragAnknüpfung• Möglich ist zunächst eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-

VO.• Liegt eine Verknüpfung mit einem Rechtsverhältnis wie

einem Vertrag oder einer unerlaubten Handlung vor, das eine enge Verbindung mit der ungerechtfertigten Bereicherung aufweist, ist gem. Art. 11 I Rom II-VO das Statut dieses Rechtsverhältnisses maßgeblich.

• Ansonsten greift, soweit ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt zur Zeit des schadensbegründenden Ereignisses bestand, gem. Art. 11 II Rom II-VO das Recht dessen Staates ein.

• Liegt auch dieser nicht vor, gilt gem. Art. 11 III Rom II-VO das Recht am Vornahmeort.

• Abweichend davon ist gem. Art. 11 IV Rom II-VO, wenn eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht, eine Korrektur zu dem nach den Abs. 1 – 3 erzielten Ergebnis zugunsten dessen Rechts vorzunehmen.

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Sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse:

Culpa in ContrahendoQualifikation:• Die Culpa in Contrahendo unterfällt den außervertraglichen Schuldverhältnissen

(autonomer Begriff).

Anknüpfung:a) Unmittelbarer Zusammenhang mit Verhandlungen vor Vertragsschluss• Möglich ist zunächst eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO .• Unabhängig von einem tatsächlichen Abschluss des Vertrages, gilt gem. Art. 12 I Rom II-VO

das Recht, das bei Vertragsschluss auf den Vertrag anzuwenden gewesen wäre (hypothetisches Vertragsstatut).

• Kann dieses nicht bestimmt werden, so ist nach Art. 12 II lit. a) oder b) Rom II-VO an den Erfolgsort oder den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen. Fraglich erscheint, ob es sich hier um ein Alternativverhältnis oder eine Anknüpfungsleiter handelt. Das Wort „oder“ bzw. „or“ im Englischen sowie ein Umkehrschluss zu Art. 5 I lit. a) und b) Rom II-VO („andernfalls“; „or, failing that“) deuten auf Ersteres hin. Dies wirft dann allerdings die Anschlussfrage auf, ob dem Opfer ein Wahlrecht zustehen soll oder das Gericht sogar ex officio das günstigere Recht ermitteln muss.

• Abweichend von Art. 12 II lit. a) bzw. b) Rom II-VO greift jedenfalls gem. lit. c) das Recht desjenigen Staates ein, zu dem eine offensichtlich engere Verbindung besteht.

b) Sonstige Fälle• In sonstigen Fällen (z.B. Körperschaden im Vorstadium) gilt gem. Erwägungsgrund Nr. 30

der Art. 4 Rom II-VO oder eine andere einschlägige Bestimmung des Sekundärrechtsakts.

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Direktklage gegen den Versicherer

• Art. 18 Rom II-VO: Dem Geschädigten steht die Möglichkeit einer Direktklage gegen den Versicherer des Haftenden zu, wenn dies alternativ nach dem Recht des für das außervertragliche Schuldverhältnis geltenden Statuts oder des Versicherungsver-tragsstatuts vorgesehen ist.

• Dem Wortlaut nach ist nur über das „ob“ der Direktklage zu entscheiden. Ein Günstigkeitsprinzip für den Inhalt und Umfang eines solchen Anspruchs ist hieraus nicht abzuleiten.

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Sicherheits- und Verhaltensregeln

• Es gelten gem. Art. 17 Rom II-VO die Regeln, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses (Handlungsort) in Kraft sind „faktisch und soweit angemessen“.

• Ihnen kommt als „local data“ lediglich eine Tatbestandswirkung zu.

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Zwingende VorschriftenArt. 16 Rom II-VO:• Das angerufene Gericht kann die Eingriffsnormen der lex fori

heranziehen.• Eine Legaldefinition fehlt, die Formulierung im Erwägungsgrund Nr.

32 S. 1 deutet jedoch darauf hin, dass die international zwingenden Bestimmungen dem Schutz des „öffentlichen Interesses“ dienen müssen.

• Dies scheint aber nicht a priori dagegen zu sprechen, etwa Verbraucherschutznormen zum Kreis der international zwingenden Vorschriften zu zählen.

• Die Möglichkeit zur Anwendung von Eingriffsnormen eines anderen Staates fehlt im Ggs. zu Art. 7 II EVÜ (s. nunmehr mit Einschränkungen Art. 8 III Rom I-VO-E) und vorherigen Regelungsvorschlägen. Auch wenn dem Art. 10 II EG-Vertrag das Prinzip der Gemeinschaftstreue zu entnehmen ist, erscheint die Rom II-VO hierdurch nicht primärrechtswidrig. Unter der Prämisse, dass die Rom II-VO ein abschließendes Anknüpfungssystem schafft, dürfte es einem Gericht vielmehr selbst unter Hinweis auf Art. 10 II EG-Vertrag verwehrt sein, eine fremde Eingriffsnorm heranzuziehen.

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Ordre Public

• Es wird in Ausnahmefällen von der Anwendung einer Sachnorm abgesehen, soweit das Ergebnis einen offenkundigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung desjenigen Staates begründet, dessen Gerichtsbarkeit mit dem Fall befasst ist, Art. 26 Rom II-VO.

• Der ordre public-Vorbehalt wird zutreffend nicht näher präzisiert. Die Mitgliedstaaten besitzen, wie es sich auch aus Erwägungsgrund Nr. 32 S. 1 ergibt, trotz des gemeinschaftsrechtlichen Standorts der Vorschrift die Definitionshoheit und können festlegen, welche Vorschriften zum Kreis ihrer nationalen öffentlichen Ordnung zählen.

• Dem EuGH wird letztlich die Aufgabe zuwachsen, die Grenzen aufzuzeigen, damit das gemeinschaftsrechtliche Anknüpfungssystem nicht konterkariert wird. Dies entspricht der Rechtslage bei der Brüssel I-VO.

• Art. 26 Rom II-VO enthält keinen ausdrücklichen Verweis auf die nationalen Grundrechte. Diese sind als anerkanntermaßen wesentliche Grundsätze eines Staates aber dennoch erfasst.

• Ein Inlandsbezug als Korrektiv ist nicht aufgenommen, jedoch als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hineinzulesen.

• Ein besondere Vorbehaltsklausel für die öffentliche Ordnung der Gemeinschaft besteht nicht.