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Projektdokumentation Neophyten im Hülser Bruch 31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 1 Als Neophyten werden Pflanzenarten bezeichnet die nach dem Jahr 1492 bei uns eingewandert sind. Dies geschah teils unbeabsichtigt im Zuge zunehmender Handelsbeziehungen und Verkehrsströme aber eben auch gezielt durch Pflanzung oder Saat als Nutz- oder Futterpflanze. Eine große Rolle spielte hierbei die mitteleuropäische Gartenkultur, die zahlreiche Fremdarten zunächst in botanischen Gärten und Parks kultivierte, bevor sie den Weg in die Hausgärten fanden und von hieraus gelegent- lich verwilderten. Neophyten im Hülser Bruch – Fluch oder Segen? Diese vermeintliche Bereicherung der heimischen Pflanzenwelt ist durchaus kritisch zu sehen, wenn- gleich nicht alle Neophyten derart negative Auswirkungen mit sich bringen wie die im Folgenden erwähnten sechs Arten. 1. Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera) 2. Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) 3. Kleines Springkraut (Impatiens parviflora) 4. Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) 5. Späte Traubenkirsche (Prunus serotina) 6. Japanischer Staudenknöterich (Reynoutria japonica) Es gibt natürlich noch einige weitere problematische Neophyten in der Stadt Krefeld, wie zum Bei- spiel der Topinambur (Helianthus tuberosus) im unmittelbar am Rhein befindlichen Naturschutzgebiet »Die Spey«. Neophyten im Hülser Bruch – bekämpfen oder dulden? Für das Hülser Bruch sind es aber diese sechs Arten, die sich bedingt durch ihre Konkurrenzkraft und Ausbreitungsfreudigkeit gegenüber der heimischen Flora durchsetzen und somit aus Sicht des Natur- schutzes als problematisch einzustufen sind. Es stellt sich somit die Frage, ob die Vorkommen der Neophyten nun bekämpft oder geduldet wer- den sollen? Im Naturschutz sind Bekämpfungsmaßnahmen gegen Neophyten ein Sonderfall der Biotop- pflege. Sie sollten daher als Einzelfallentscheidung gefällt werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund abnehmender öffentlicher Mittel von großer Bedeutung, da sonst eventuell ökologisch sinnvollere Maßnahmen am leeren Naturschutzetat scheitern. Dieser Abwägungsprozess wurde natürlich auch auf das Hülser Bruch mit dem Ergebnis angewandt, dass eine Prioritätenliste der zu bekämpfenden Neophytenstandorte erarbeitet wurde. Es bestand Einigkeit darüber, dass alle Stand- orte des Indischen Springkrauts solange zu bekämpfen sind, bis die Art im Hülser Bruch ausgestor- ben ist!

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Projektdokumentation

Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 1

Als Neophyten werden Pflanzenarten bezeichnet die nach dem Jahr 1492 bei uns eingewandert sind.

Dies geschah teils unbeabsichtigt im Zuge zunehmender Handelsbeziehungen und Verkehrsströme

aber eben auch gezielt durch Pflanzung oder Saat als Nutz- oder Futterpflanze. Eine große Rolle

spielte hierbei die mitteleuropäische Gartenkultur, die zahlreiche Fremdarten zunächst in botanischen

Gärten und Parks kultivierte, bevor sie den Weg in die Hausgärten fanden und von hieraus gelegent-

lich verwilderten.

Neophyten im Hülser Bruch – Fluch oder Segen?

Diese vermeintliche Bereicherung der heimischen Pflanzenwelt ist durchaus kritisch zu sehen, wenn-

gleich nicht alle Neophyten derart negative Auswirkungen mit sich bringen wie die im Folgenden

erwähnten sechs Arten.

1. Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera)

2. Kanadische Goldrute (Solidago canadensis)

3. Kleines Springkraut (Impatiens parviflora)

4. Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum)

5. Späte Traubenkirsche (Prunus serotina)

6. Japanischer Staudenknöterich (Reynoutria japonica)

Es gibt natürlich noch einige weitere problematische Neophyten in der Stadt Krefeld, wie zum Bei-

spiel der Topinambur (Helianthus tuberosus) im unmittelbar am Rhein befindlichen Naturschutzgebiet

»Die Spey«.

Neophyten im Hülser Bruch – bekämpfen oder dulden?

Für das Hülser Bruch sind es aber diese sechs Arten, die sich bedingt durch ihre Konkurrenzkraft und

Ausbreitungsfreudigkeit gegenüber der heimischen Flora durchsetzen und somit aus Sicht des Natur-

schutzes als problematisch einzustufen sind.

Es stellt sich somit die Frage, ob die Vorkommen der Neophyten nun bekämpft oder geduldet wer-

den sollen?

Im Naturschutz sind Bekämpfungsmaßnahmen gegen Neophyten ein Sonderfall der Biotop-

pflege. Sie sollten daher als Einzelfallentscheidung gefällt werden. Dies ist insbesondere vor dem

Hintergrund abnehmender öffentlicher Mittel von großer Bedeutung, da sonst eventuell ökologisch

sinnvollere Maßnahmen am leeren Naturschutzetat scheitern. Dieser Abwägungsprozess wurde

natürlich auch auf das Hülser Bruch mit dem Ergebnis angewandt, dass eine Prioritätenliste der zu

bekämpfenden Neophytenstandorte erarbeitet wurde. Es bestand Einigkeit darüber, dass alle Stand-

orte des Indischen Springkrauts solange zu bekämpfen sind, bis die Art im Hülser Bruch ausgestor-

ben ist!

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Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 2

Das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera)

In der Heimat des Indischen Springkrautes, im westlichen Himalaya, besiedelt die Art Bachufer bis

zu einer Höhenlage von circa 3.000 Metern. Bereits 1839 wurde Samenmaterial des Indischen Spring-

krauts bewusst nach England eingeführt, dort kultiviert und fand so den Weg in viele europäische

Gärten. Besonders geschätzt war die Art bei den Imkern, so das viele große Vorkommen ihren Ur-

sprung der Imkerei zu verdanken haben. Die lange Blütezeit des Indischen Springkrautes, sie kann bis

in den November hineinreichen, ist für Bienen insofern von Bedeutung, dass der Eintrag von Pollen

und Nektar zu dieser Jahreszeit den Bienenvölkern zur Vorbereitung auf den Winter überlassen wer-

den kann.

Verbreitung und Bekämpfung im Hülser Bruch

Im Hülser Bruch besiedelt das Indische Springkraut vorwiegend feuchte Bruchwälder, extensiv ge-

nutztes Feuchtgrünland und zeitweise wasserführende Gräben. Hierbei handelt es sich durchweg um

Biotope von naturschutzfachlicher Bedeutung, die nicht zuletzt zur Ausweisung des Bruchs als Natur-

schutzgebiet maßgeblich beigetragen haben.

Am Beispiel der Hainsimsenwiese im südlichen Hülser Bruch soll die Bekämpfung des Indischen

Springkrauts näher erläutert werden.

Abb. 1 – Blütenstand des Indischen Springkrautes mit bereits erkennbaren Fruchtkapseln

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Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 3

Die Vorkommen haben sich auf dieser extensiven Wiese in den Randbereichen etabliert, da diese

nicht mehr gemäht wurden. Man hat es zu gegebener Zeit versäumt, den Traufbereich der randstän-

digen Bäume und Sträucher insoweit regelmäßig aufzuasten bzw. zurückzunehmen, um eine gesamte

Mahd der Fläche gewährleisten zu können. Die Verbuschung war 2013 bereits so weit fortgeschritten,

dass der westliche Bereich der Hainsimsenwiese seit Jahren brach lag, mit dem Ergebnis, dass sich das

Indische Springkraut nun von den Randbereichen ausgehend auch in die Fläche verbreitete.

Hier war dringender Handlungsbedarf geboten, um eine weiteren Verbreitung des Indischen

Springkrauts entgegenzuwirken. Eine eingehende Begutachtung der Fläche unterstrich die Notwen-

digkeit, denn die Art hatte sich bereits an dem angrenzenden Sankertgraben etabliert und wanderte

diesen in südlicher Richtung hinauf.

In einem ersten Arbeitsschritt beauftragte die Stiftung Krefelder Natur- und Kulturlandschaften,

in enger Abstimmung mit der Unteren Landschaftsbehörde (ULB) der Stadt Krefeld, den NABU

Bezirksverband Krefeld/Viersen mit der teilweisen Rodung der Grauweidenbüsche, um die Grundlage

für eine flächige Mahd wiederherstellen zu können.

Abb. 2 – Indisches Springkraut hat sich im Randbereich der Hainsimsenwiese etabliert

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Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 4

Abb. 3 – Der westliche Bereich der Hainsimsenwiese lag 2013 bereits seit mehreren Jahre brach.

Abb. 4 – Die teilweise Rodung des Grauweidengebüsches ist Grundlage für eine spätere Mahd.

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Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 5

Abb. 5 – Aufkommendes Indisches Springkraut kurz vor der Blüte, der ideale Zeitpunkt zu Bekämpfung

Abb. 6 – In einen vertretbaren Zeitaufwand lassen sich solche Vorkommen ausrotten!

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Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 6

In einem zweiten Arbeitsschritt wurde das Indische Springkraut von hauptamtlichen und ehren-

amtlichen Kräften des NABU Bezirksverbandes Krefeld/Viersen per Hand mit Wurzeln ausgezogen.

Für einen solchen Einsatz ist es von Vorteil, wenn der Boden durch Niederschläge ein wenig auf-

geweicht ist, damit wirklich alle Wurzeln mit herausgezogen werden. In Abhängigkeit von der Sorgfalt

der Mitarbeiter lassen sich so circa 70 % der Pflanzen komplett entfernen, so dass im darauffolgenden

Jahr wesentlich weniger Aufwand für eine erfolgreiche Bekämpfung aufgebracht werden muss.

In dieser Beziehung ist die Art, im Gegensatz zu anderen Neophyten, recht einfach zu bekämpfen.

Die Arbeitseinsätze des NABU haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Heute wird die Hainsimsenwiese

wieder extensiv bewirtschaftet und hat ihren Wert für den Arten- und Biotopschutz wiedererlangt.

Ein schöner Erfolg, wie die nachfolgende Aufnahme dokumentiert.

Abb. 7 – Die Hainsimsenwiese erstrahlt wieder im alten Glanz. Der Einsatz hat sich gelohnt!

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Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 7

Waldbauliche Prävention erforderlich!

Neben den aktiven Bekämpfungen kann man aber auch mit waldbaulichen Konzepten der weiteren

Ausbreitung des Indischen Springkrautes etwas entgegensetzen. Dies trifft insbesondere für Vor-

kommen der Art innerhalb der Waldbestände oder dessen Rändern zu. Hierzu gibt es zwei konkrete

Beispiele aus dem Hülser Bruch, die Waldflächen der öffentlichen Hand betreffen. Nördlich der so

genannten Geologenwiese befindet sich ein alter Bestand aus Stieleichen (Quercus robur). Wie viele

Eichenbestände in Krefeld ist auch dieser Bestand nicht ganz gesund, sondern zeigt mehr oder wenige

starke Auflichtungen im Kronenbereich. Hierdurch gelangt bereits mehr Licht auf den Waldboden wie

üblich. Werden in diesen Beständen dann kränkelnde Eichen entnommen, beginnen kleine Initialstadi-

en des Indischen Springkrauts sich extrem zu vermehren.

Uns liegt es fern, den Holzeinschlag in den Bereichen zu untersagen, wo das Indische Springkraut

in die Waldbestände eingedrungen ist. Nur darf man diesen Umstand nicht ignorieren! Es ist daher

vorab zu prüfen, mit welchen waldbaulichen Maßnahmen einer explosionsartigen Verbreitung der Art

nach einer erfolgten Durchforstung oder Einzelstammentnahme entgegengewirkt werden kann.

Wie schnell das Indische Springkraut kleine Lichtungen, die zum Beispiel durch die Einzelstamm-

entnahme einer Stieleiche entstanden sind, zu besiedeln vermag, zeigen die nachfolgenden Bilder.

Die Entnahme des Baumes führte zu wesentlichen besseren Lichtverhältnissen, und sofort wurde das

im Boden vorhandene Samenpotential aktiviert.

Abb. 8 – Vorkommen des Indischen Springkrauts werden durch Holzeinschlag massiv gefördert!

Projektdokumentation

Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 8

Die alten Eichenbestände im Hülser Bruch, in denen das Indische Springkraut vorkommt, müssen

systematisch durch Anpflanzung eines Unterbaus aus Hainbuche (Carpinus betulus) ausgedunkelt wer-

den. Wenn die angepflanzten Hainbuchen sich im Unterbau schließen, was sie nach wenigen Jahren

tuen werden, fehlt dem Springkraut das Licht und die Vorkommen sind erloschen.

Der Kampf gegen das Indischen Springkrauts im Hülser Bruch ist nur durch eine Verknüpfung zwi-

schen gezielter Bekämpfung und einer waldbaulich präventiven Strategie zu gewinnen!

Abb. 9 – Plötzliches Licht auf den Waldboden führte zur Aktivierung des Samenpotenzials!

Abb. 10 – Eine sofortige Bekämpfung wurde durch den NABU eingeleitet!

Projektdokumentation

Neophyten im Hülser Bruch

31. Dezember 2014 – Franco Cassese Seite 9

Wir möchten uns bedanken

Die Stiftung Krefelder Natur- und Kulturlandschaft möchte sich für die gute Kooperation bei der

Unteren Landschaftsbehörde (ULB) der Stadt Krefeld bedanken. Die hauptamtlichen und ehrenamtli-

chen Kräfte des NABU Bezirksverbandes Krefeld/Viersen haben mit großem Engagement das Indische

Springkraut bekämpft, wofür ein ganz besonderer Dank angebracht ist.

Für weiterführende Informationen und Erfahrungsaustausch

NABU Bezirksverband Krefeld/Viersen e. V.

c/o Franco Cassese · Talring 45 · 47802 Krefeld · 02151 618700 · Fax 02151 618751 · [email protected]

Für weiterführende Informationen über die Stiftung und Zustiftungsmöglichkeiten

Stiftung Krefelder Natur- und Kulturlandschaften

c/o Bodo Meyer · Friedensstraße 265 · 47829 Krefeld · 02151 43257

[email protected] · www.stiftung-naturlandschaften.de

Stiftungsverzeichnis Innenministerium NRW 15.2.1 – St. 692

Spendenkonto: Volksbank Krefeld eG · Kontonummer 2 020 202 001 · BLZ 320 603 62

IBAN DE88 3206 0362 2020 2020 01 · BIC GENODED1HTK

Die Stiftung Krefelder Natur- und Kulturlandschaften wurde am 17. Oktober 2003 gegründet und

fördert unter anderem Biotop- und Artenschutzprojekte des NABU Krefeld/Viersen e. V.