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Projekte für thermische Abfallbehandlungsanlagen - VIVIS€¦ · fälle kosten. • Einhaltung von Verpflichtungen: Entsorgungsauftrag Kehricht, Verpflichtungen ge-genüber Abnehmer

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Projekte für thermische Abfallbehandlungsanlagen integriert entwickeln

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Projekte für thermische Abfallbehandlungsanlagen integriert entwickeln – wie Bauherr, Ingenieur und Architekt

erfolgreich zusammenarbeiten

Thomas Vollmeier, Martina De Giovanni und Manuel Luck

1. Anlagenbau aus dem Blickwinkel der Beteiligten .................................131

1.1. Sicht des Bauherrn/Anlagenbetreibers ....................................................131

1.2. Sicht des Ingenieurs ...................................................................................131

1.3. Sicht des Architekten .................................................................................132

2. Projektentwicklung anhand von ausgewählten Praxisbeispielen .........133

2.1. Abfallbehandlungsanlage Ivry Paris (Frankreich) .................................133

2.2. Müllverbrennungsanlage Bolzano (Italien) .............................................135

2.3. Phase Realisierung am Beispiel Energiezentrale Bern (Schweiz) ........137

3. Zusammenarbeit ........................................................................................139

3.1. Probleme und Herausforderungen ..........................................................139

3.2. Grundsätze für eine bessere Zusammenarbeit und damit einhergehenden Projekterfolg ...............................................139

4. Zusammenfassung .....................................................................................140

5. Literatur ........................................................................................................141

Bild 1: Übersicht Projektablauf

Idee/Auslöser

Rahmen-bedingungen

definiert

Vorgehen/Organisation

festgelegt

Projektbewilligt,Baukreditgenehmigt

etwa 4–5 Jahre etwa 1–2 Jahre etwa 3–4 Jahre

Kauf- undWerkverträgeabgeschlossen

Bauwerk undSchlussabrechnung

abgenommen

Projektmanagement: Termin-/Kosten-/Qualitätskontrolle

Strategische Planung• Bedürfnisse formulieren• Lösungsstrategien entwickeln

Vorstudien• Def. Bauvorhaben• Machbarkeitsstudien• Auswahlverfahren

Projektierung• Vorprojekt• Bauprojekt• Bewilligung• Auflageprojekt

Ausschreibung• Ausschreibung• Offertvergleich• Vergleich

Realisierung• Ausführungsprojekt• Ausführung• Inbetriebnahme• Projektabschluss

Bewirtschaftung• Betrieb• Überwachung• Überprüfung• Wartung• Instandhaltung

(formaler) Projektstart (formales) Projektende

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Der Bau einer Abfallverbrennungsanlage (MVA) dauert in der Regel von der Idee bis zur Inbetriebnahme etwa 10 Jahre, wobei das Projekt verschiedene Projektphasen durchläuft. Der Detaillierungsgrad nimmt dabei mit jeder Phase zu und jede Phase hat ihren eigenen Fokus mit neuen Aspekten im Vergleich zur Vorphase. Bild 1 zeigt die Einteilung der Projektphasen in 6 Stufen gemäß SIA – Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein [4].

In Deutschland werden die Projektphasen unterschiedlich zur Schweiz eingeteilt und benannt. Folgenden Leistungsphasen sind in der HOAI – Honorarordnung für Archi-tekten- und Ingenieursleistungen – definiert [2]:

1. Grundlagenermittlung,

2. Vorplanung,

3. Entwurfsplanung,

4. Genehmigungsplanung,

5. Ausführungsplanung,

6. Vorbereitung der Vergabe,

7. Mitwirkung bei der Vergabe,

8. Objektüberwachung – Bauüberwachung und Dokumentation,

9. Objektbetreuung.

Obwohl die Einteilung der Phasen länderspezifisch leicht unterschiedlich ist, sind der Ablauf und der Leistungsumfang sehr ähnlich. Generell wird wie folgt vorgegangen:

In einer ersten Phase werden Bedürfnisse formuliert und Grundlagen ermittelt. Daraus werden verschiedene Handlungsoptionen abgeleitet und Lösungsvarianten entwickelt. Sind die Rahmenbedingungen definiert, so erfolgt der Übergang in die Vorplanung, was oftmals als formaler Projektstart bezeichnet wird. Die Vorplanung oder Vorstudie beinhaltet grundsätzlich das Überprüfen der Machbarkeit sowie das Definieren von Projektumfang und Projektorganisation. In den nachfolgenden Phasen wird die Pla-nung immer weiter verfeinert. Das Projekt und die Kosten werden laufend optimiert. Im Engineering werden die Pläne ausgearbeitet und verfeinert bis die Detailpläne zur Verfügung stehen. Bewilligungen werden eingeholt, sowie die Aufträge ausgeschrieben und vergeben. Die Unterzeichnung der Werkverträge und die Detailpläne bilden die Meilensteine, die den Übergang in die Ausführung auslösen, welche den eigentlichen Bau der Anlage beinhaltet. Qualität, Termine und Kosten werden auch in der Ausfüh-rungsphase permanent überwacht. Das Projekt endet formell mit der Inbetriebnahme der Anlage, dem Start des industriellen Betriebs und dem Projektabschluss (Abschluss Dokumentation, Schlusszahlung, usw.). Es folgt die Bewirtschaftung der Anlage resp. die Objektbetreuung, aus welcher für den Auftragnehmer oftmals Folgeprojekte ent-stehen können.

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1. Anlagenbau aus dem Blickwinkel der Beteiligten

1.1. Sicht des Bauherrn/Anlagenbetreibers

Der Bauherr ist der oberste Entscheidungsträger eines Bauvorhabens. Er kann Grund-eigentümer und/oder Investor sein. Er ist der Gesuchsteller in den erforderlichen Bewil-ligungsverfahren. [4]

Das Augenmerk des Bauherrn resp. des Anlagenbetreibers liegt nicht wie bei den pla-nenden und ausführenden Ingenieuren und Architekten auf der Projektphase, sondern vielmehr auf der darauffolgenden Betriebsphase. Der grundsätzliche Anspruch des Bauherrn nach einem möglichst langjährigen, kostengünstigen und zuverlässigen Be-trieb verursacht verschiedene Forderungen, die bei der Planung der Anlage teils direkt bestimmend sind für gewisse Entscheidungen oder die als Vorgaben in verschiedene Optimierungsprozesse einfließen.

Für den Betreiber sind folgende Gesichtspunkte besonders wichtig:

• Genehmigungsfähigkeit derAnlage: Kenntnisse der gesetzlichen Rahmenbedin-gungen, möglichst genaue Angaben zu Energie- und Stoffströmen.

• MöglichstgenauerKostenvoranschlag: Sicherheit für den Kreditantrag beim Investor.

• NiedrigeInvestitionskosten: Devise so preiswert wie vertretbar.

• NiedrigeBetriebskosten: Energie-/ Betriebsmittel-/ Personalkosten, usw.

• HoheUnfallsicherheit: Anlage, Betriebspersonal, Umwelt.

• HoheVerfügbarkeit: lange unterbrechungsfreie Laufzeit der Anlage, Produktionsaus-fälle kosten.

• EinhaltungvonVerpflichtungen: Entsorgungsauftrag Kehricht, Verpflichtungen ge-genüber Abnehmer von Dampf/Fernwärme.

• Langlebigkeit: niedrige Amortisationskosten.

• EinfacheWartung:kurze Stillstandszeiten; kleiner Personalbedarf.

• EinhaltungdesvorgesehenenFertigstellungstermins: Verpflichtungen gegenüber den Abfallzulieferer.

• EindeutigerKontakt-undGesprächspartnerfüralleBelangeundWünsche: Offene und zielorientiere Kommunikation, klar geregelte und verfügbare Ansprechpersonen, alle ziehen am gleichen Strang.

1.2. Sicht des Ingenieurs Für den Ingenieur ist die Realisierung einer Anlage in der Regel zeitlich beschränkt auf die Projektphase. Seine Aufgabe ist das lösungsorientierte Ausarbeiten und Umset-zen von technischen Lösungen nach den Vorgaben des Bauherrn. Es liegt an ihm die

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Anlagenteile zu definieren und eine funktionstüchtige MVA zu planen. Er unterstützt den Auftraggeber mit seinem Know-How beim Bestimmen der technisch machbaren und wirtschaftlich sinnvollen Varianten.

Die Arbeit des Ingenieurs zeichnet sich durch eine vernünftige, objektkonzentrierte Sichtweise aus. Wichtig sind die Funktionalität der Komponenten und das Zusam-menspielen zu einer Gesamtanlage.

Für den planenden Ingenieur sind folgende Aspekte besonders wichtig:

• Projektorganisation: Der Anlagenplaner baut eine zielgerichtete und effiziente (Per-sonal, Zeit, Maschinen und Finanzen) Projektorganisation auf.

• Einhaltung gesetzlicher Vorschriften: Raum- und Nutzungsplanung, Arbeitsschutz, Umweltschutz.

• KlareVorgabenseitensBauherr:Vorgabezeiten in Form von Meilensteinen, die Start- und Endzeiten von Teilprojekten, technische Vorgaben und Zielsetzungen.

• Qualität(Pflichtenheft): Überprüfung des Fortschritts des Projekts, Qualität der bishe-rigen Arbeiten kontrollieren, Dokumentation während Projekt erstellen.

• SicherheitinderPlanung: Dank robusten Bau- und Zeitplänen können Ressourcen der Projektorganisation wirtschaftlich und flexibel eingesetzt werden.

• FlexibilitätseitensArchitekt: Verständnis für verschiedene Blickwinkel an Projekt – Sachlichkeit und Funktionalität im Vordergrund des Ingenieurs.

• ErfahrunginderAbwicklungseitensArchitekt: Architektenteam ist genauso geübt in Wettbewerbsausschreibungen, wie in der anschließenden Abwicklung des Projekts.

• Erfahrungsaustausch: Für Verbesserungen seiner Anlagen ist der Anlagenplaner an-gewiesen auf Erfahrungsrückfluss aus dem Betrieb in die Planung. Dies setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bauherr und Planer voraus.

1.3. Sicht des Architekten Es ist Aufgabe der Architekten, die gesellschaftliche Relevanz einer Bauaufgabe zu erkennen und dieser eine angemessene Form zu verleihen. [1]

Er hat die Möglichkeit, Einfluss auf das Aussehen der Anlage zu nehmen und ist für die Einbettung in die Umgebung verantwortlich. In der Gestaltungsphase ist die An-teilnahme der Bevölkerung groß.

Für den Architekten sind folgende Aspekte wichtig:

• KlareVorgaben seitensBauherr:Vorgabezeiten in Form von Meilensteinen, die Start- und Endzeiten von Teilprojekten.

• KlareVorgabenseitensIngenieur: klare Kommunikation bezüglich Anforderun-gen, gegenseitige Rücksichtnahme auf unterschiedlichen Fokus, Schnittpunkt von Funktionalität und Kreativität.

• SchöpferischeFreiheit: Erschaffung eines künstlerischen Werkes, freie Hand in der Umsetzung seiner Kreativität.

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• EingliederunginUmgebung: Form, Farbe und Material angepasst an Landschafts- und Ortsbild.

• Erscheinungsbild/AkzeptanzinderBevölkerung.

• Logistik,Zugänglichkeit: Umsetzung von Design, das Betrieb und Revision möglich macht.

• WahlvonMaterialien: z.B. Beachtung von Brandschutzmaßnahmen.

• GesetzlicheRahmenbedingungen:Einhaltung von Kaminhöhe.

Der folgende Abschnitt schildert die Eindrücke eines Architekten über die Zusam-menarbeit beim Bau einer MVA: [3]

Die Prämisse vom Vorrang der Verfahrenstechnik gegenüber dem Bauwerk rief bei uns zuerst Befürchtungen hervor, welche sich später als unbegründet erwiesen. Denn ebenso stark wie diese Prämisse diktierte das architektonische Grundkonzept aus dem Wettbe-werb das Layout der Verfahrenstechnik. Die intensive, aber respektvolle Zusammenarbeit der Disziplinen ermöglicht die Erarbeitung gemeinsamer neuer Lösungen, die heute den räumlich gestalterischen Anliegen ebenso Rechnung tragen wie den Bedürfnissen der Verfahrenstechnik und des Betreibers. [3]

2. Projektentwicklung anhand von ausgewählten Praxisbeispielen

Nachfolgend werden 3 Projekte vorgestellt, wobei der Fokus jeweils auf unterschiedliche Projektphasen gerichtet ist:

• Abfallbehandlungsanlage Ivry Paris: Vorprojekt,

• Müllverbrennungsanlage Bolzano: Bauprojekt und Ausschreibung,

• Energiezentrale Bern: Realisierung, Inbetriebnahme und Bewirtschaftung.

2.1. Abfallbehandlungsanlage Ivry Paris (Frankreich)

AusgangslageundRahmenbedingungen

In Paris soll die bestehenden MVA durch eine neue ersetzt werden, wobei die Ver-brennungskapazität von 650.000 t/a auf 350.000 t/a reduziert wird. Geplant sind zwei Verbrennungslinien. Nebst der neuen Abfallverbrennungsanlage (UVE) soll in unmit-telbarer Nähe auch eine neue Vergärungsanlage (UVO) entstehen, welche als Produkt Biogas und Kompost produziert. Die nicht verwertbaren Anteile aus der Vergärungs-anlage werden der MVA zugeführt und thermisch verwertet.

Besondere Herausforderungen beim Bau dieser Anlage sind vor allem:

BauinzweiPhasen:Der Ersatzbau soll am gleichen Standort errichtet werden, was die Herausforderung eines Neubaus unter Beibehaltung des Betriebes der alten Anlage be-inhaltet. In Phase 1 wird die neuen MVA gebaut, während die alte MVA in Betrieb bleibt.

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In Phase 2 wird die alte MVA rückgebaut und die neue Vergärungsanlage errichtet.

Stadtbild: Der Standort liegt in dicht besiedeltem Stadtgebiet, wodurch dem Anla-gendesign und der Schaffung eines öffentlichen Platzes eine besondere Bedeutung zukommt. Um die Entscheidungsträger und die Bevölkerung zu überzeugen, ist eine frühe und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bauherr, Ingenieur und Architekt besonders wichtig.

Transport: Eine Anforderung ist es, die Belastung durch Schwerverkehr zu minimieren. Es ist ein unterirdischer Tunnel für den Transport per Schiffsverkehr via Seine geplant.

Anlagenkonzept

Die wichtigsten Anlagenkenngrößen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

Bauherr Syctom

Planungswettbewerb 2007 bis 2014

Geplante Inbetriebnahme Ab 2020

Investition 800 Mio. EUR

Behandlungskapaziät Gesamt 660.000 t/a Verbrennung: 350.000 t/a

Maximale thermische Leistung 2 x 90 MW; 2 x 23,2 t/h

Maximale elektrische Leistung Kondensationsturbine: 40 MW

Tabelle 1:

Eckdaten der MVA Paris

Folgende Bilder veranschaulichen das Anlagenkonzept.

Bild 2:

Plan der Abfallverwertungs- anlage (UVE) und Vergärungs-anlage (UVO) Ivry Paris

Bild 3 zeigt eine Illustration, wie die neue Anlage sich in die Umgebung einbetten wird. Der öffentliche Platz ist vor der Anlage platziert.

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2.2. Müllverbrennungsanlage Bolzano (Italien)

AusgangslageundRahmenbedingungen

Nach dem Rückbau der alten Kompostieranlage und einer Bodensanierung des Bau-areals wurde die MVA Bolzano als Neubau mit einer Verbrennungslinie errichtet.

Besondere Rahmenbedingungen waren die engen Platzverhältnisse, die hohen Anforde-rungen an die Energierückgewinnung, die strengen Anforderungen an Schadstoffemis-sionen, eine Abfalllagerung bei Linienstillstand, die Begrenzung der Kaminhöhe infolge der Nähe zum Flughafen und nicht zuletzt die hohen gestalterischen Anforderungen für eine optimale Integration der Anlage ins Landschaftsbild. Das Projektteam war als ARGE aufgestellt und setzte sich wie folgt zusammen:• Projektleiter und Verfahrensplaner,• Architekt,• Statiker,• Elektro-Ingenieur,• HLK-Ingenieur.Im Rahmen eines Ideenwettbewerbs, was bei Neubauten von Anlagen oft üblich ist, und in der darauffolgenden Vorprojektphase wurden die Auslegungsparameter und das Grundkonzept der Anlage festgelegt. Die wichtigsten Anlagenkenngrößen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

Bild 3:

Illustration der MVA Ivry Paris

Bauherr/Betreiber Autonome Provinz Bozen

Planungswettbewerb 2003

Baubeginn 2009

Inbetriebnahme 2013

Investition 120 Mio. EUR

Auszeichnungen Global Galvanizing Award 2015

Verbrennungskapazität 130.000 t/a

Abfallballenlager 10.000 t

Maximale thermische Leistung 1 x 59 MW

Maximale elektrische Leistung 15,7 MW

Tabelle 2:

Eckdaten der MVA Bolzano

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EntwicklungAnlagenlayout

Das Anlagenlayout wurde in einem mehrphasigen Prozess über viele Anpassungs-schritte entwickelt. Bild 4 zeigt einen der ersten Entwürfe der Ingenieure, welcher relativ schlicht ist und sich stark von der Idee der Architekten (Bild 5) unterscheidet. Der Ingenieur hat das Hauptaugenmerk auf eine simple und funktionale Konstruktion gelegt. Im Gegensatz war für den Architekten die Einbettung in die Landschaft der zentrale Punkt.

Bild 4: Entwurf des Ingenieurs

Bild 5: Entwurf des Architekten

Wie das Bild 6 zeigt, ist das definitive Anlagenlayout ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen. Der Grundriss zeigt die schlichte Anordnung von Gebäu-den und Anlagenteilen ähnlich zu den Entwürfen des Ingenieurs. Die Außenfassade orientiert sich an die Landschaft, so wurden die Farben des umliegenden Waldes wiederverwendet und die Form örtlichen Bergprofilen nachempfunden.

Eine schöne Abfallverbrennungsanlage zu bauen motiviert die Entscheidungsträger mehr, erhöht die Akzeptanz der Bevölkerung und passt sich besser in das Landschafts-bild ein.

Anlieferhalle

Bunker

Wartengebäude

Warten-gebäude

Betriebsgebäude

Durchfahrt

Anliefer-halle

Bun-ker

Durch-fahrt

Lift/Treppe Lift/Treppe

LufteintrittLuko

Therm. Anlage

Therm. Anlage

Linie 1

Linie 1

Eisack

Ersatz Linie (ca. 2020)

Waage 1

Waage 2

Waaghaus

Anlieferhalle

Bunker

Warten-gebäude

Betriebs-gebäude

Therm. Anlage

Linie 1Ersatz Linie

(ca. 2020)

Waage 1

Waage 2

Waaghaus

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Bild 7: Definitive Gestaltung der Außenfassade

2.3. Phase Realisierung am Beispiel Energiezentrale Bern (Schweiz)

AusgangslageundRahmenbedingungen

Die Stadt Bern ist im kantonalen Sachplan Abfall als MVA Standort festgelegt. Der Ent-scheid zum Bau einer neuen MVA in Bern fiel einerseits vor dem Hintergrund, dass die alte MVA Bern (Warmbächliweg) die technische Lebensdauer von über 40 Jahre erreicht hatte. Anderseits waren zwei strategische Entscheide der Stadt Bern ausschlaggebend: Der Atomausstieg und eine damit einhergehende höhere lokale Stromproduktion und die Aufhebung von Infrastrukturstandorten in der Stadtmitte zugunsten von Wohnraum. Der Standort der neuen Anlage befindet sich unweit von der alten Anlage entfernt, wodurch im selben Ort in das bestehende Fernwärmenetz eingespeist werden kann.

Besondere Herausforderungen beim Bau der neuen Energiezentrale Bern Forsthaus (EZF) waren vor allem:• die prominente Lage in der Stadtnähe auf einer ursprünglichen Waldfläche, • das Unterbringen einer Kehrichtverbrennung, einem Holzheizkraftwerk (HHKW)

und einem Gaskraftwerk (GuD) in einer Anlage,• die Koordination und Logistik vor Ort von bis zu 700 Arbeiter zu Spitzenzeiten.

Bild 6: Definitive Lösung – ein Kompromiss

Entlade-halle

Abfall-bunker Verbrennung

Turbinen-gebäude

Luft-kondensator

Platz reserve

Verwaltungs-gebäude

Abgasreinigung

Leitwarte/Haustechnik

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Die wichtigsten Anlagenkenngrößen sind:

Tabelle 3: Eckdaten der Energiezentrale Bern

Bauherr Energie Wasser Bern (ewb)

Volksabstimmung Februar 2008 (88 % Ja-Stimmen)

Baubeginn März 2009

Inbetriebnahme Mitte 2012

Kommerzieller Betrieb Anfang 2013

Investition 500 Mio. CHF

Auszeichnungen Building Award – Auszeichnung für den Ingenieur am Bau

Kapazitäten MVA: 110.000 t Kehricht/Jahr HHKW: 112.000 t Holz/Jahr GuD und Spitzenlastkessel: 16.900 Nm3/h Erdgas

Maximale thermische Leistung Gesamt 267 MW, davon: MVA 1 x 57 MW HHKW 1 x 27 MW; GuD 1 x 131 MW;

Maximale elektrische Leistung Gesamt 89 MW, davon: Dampfturbine MVA 16 MW Dampfturbine GuD und HHKW 27 MW Gasturbine 46 MW

Gesamtwirkungsgrad Maximal 76 %, durchschnittlich 48,5 %

Realisierung

Die Kennzahlen des Baus und der verbauten Komponenten verdeutlichen die Größe des Projektes:

Rohbau 135.500 m3 Aushub, 4.000 m Pfähle, 17.200 m2 Spundwand, 47.000 m3 Beton, 8.000 t Armierung

Thermisches System 15 km Rohrleitungen von ca. 520 t, 17.000 Schweißnähte, 4.000 Armaturen, 9.500 Formstücke in den Rohrleitungen

Kessel 1.400 t Stahlbau und Kessel, 7.000 m2 Isolation, 23.000 m2 begehbare Flächen, 90 km Rohrleitungen

EMSRL-Technik > 5.000 Messungen, > 1.500 elektrische Verbraucher, > 22.000 Signale, 420 km verlegte Kabel

Tabelle 4:

Zahlen zum Bau der Energie-zentrale Bern

Die Synthese aus dem revidierten technischen Vorprojekt, dem Resultat des Architek-turwettbewerbs sowie der Integration von HHKW und GuD war ein sehr intensiver Prozess mit umfangreichen Diskussionen zwischen der Bauherrschaft, den Verfahrens- ingenieuren, den Baufachleuten und den Architekten. Auch während des Bauprojekts wurden Änderungen und Erweiterungen mit immer höherem Detaillierungsgrad zu einem gemeinsamen Projekt zusammengefügt. Das Ergebnis ist eine einmalige techni-sche Anlage, welche den energiepolitischen Visionen von ewb sowie den städtebaulichen Anforderungen und architektonischen Ideen gerecht wird.

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Bewirtschaftung

Grundlegend für die Bewirtschaftung ist das Vorliegen aller Bauwerksakten mit voll-ständiger Dokumentation sowie aller Ergebnisse der Inspektionen und Kontrollen im Rahmen der Überwachung.

Die EZF ist eine überaus komplexe Anlage. Für einen sicheren Betrieb ist wichtig, dass allfällige Engpässe in der Anlage rechtzeitig erkannt und die nötigen Redundanzen geschaffen werden. Nur so sind die Entsorgung des Abfalls und die zuverlässige Liefe-rung von Prozessdampf, Fernwärme und Strom gewährleistet. Durch gutes Monitoring und Analyse der Betriebsdaten können Kreisläufe laufend optimiert werden. Dadurch können Kosten gespart und Umweltauswirkungen minimiert werden. Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Optimierungsarbeiten bieten dem Bauherrn Verfahrensingenieure.

Um die Dauerhaftigkeit und den Wert der Anlage für die Restnutzungsdauer auf-rechtzuerhalten, ist das Betriebspersonal auf einen sorgsamen Umgang geschult. De-fekte sollen frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor sich ernsthafte Störungen entwickeln.

3. Zusammenarbeit

3.1. Probleme und Herausforderungen

Wie in Kapitel 1 und 2 verdeutlicht, sind beim Bau einer Abfallbehandlungsanlage verschiedenste Anforderungen zu berücksichtigen. Die Planung und der Bau erfordern aufgrund

• der fortgeschrittenen Technik ein hohes Maß an fachlichem Können,

• der kurzen Bauzeit große Leistungsbereitschaft,

• der vielen Einflussfaktoren große Um- und Weitsicht aller Beteiligten.

Erfahrungsgemäß häufig anzutreffende Probleme sind:

• Ungleicher Wissensstand,

• Missverständnisse,

• Andere Zielsetzungen.

3.2. Grundsätze für eine bessere Zusammenarbeit und damit einhergehenden Projekterfolg

Die Ausbalancierung des Gleichgewichts der Interessenten ist ein permanenter Prozess, der jedem verantwortlich am Anlagenbau Beteiligten bewusst sein sollte. Die Vertreter unterschiedlicher Unternehmensinteressen sind nicht Gegner, sondern Partner, die auf-einander angewiesen sind. [1]

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Die Grundsätze für eine bessere Zusammenarbeit während der Planung/Ausführung sind:

• Gemeinsame Kompromissfindung zwischen Funktion, Ästhetik und Kosten einer Anlage,

• Frühe Einbindung der Architekten in Planung,

• Offenheit für außergewöhnliche Lösungen,

• Weder Ingenieure noch Architekten sollen überlegen sein, sondern auf gleicher Ebene planen können,

• Klare Regelung von Verantwortlichkeiten und Kommunikationswegen,

• Konfliktregeln,

• Gegenseitig Sicherheit und Vertrauen vermitteln,

• Bereitschaft sich gegenseitig zuzuhören,

• Teamzusammenhalt,

• Interdisziplinäre Teams,

• Aufnahme von Projektanpassungen,

• Regelmäßige Projektsitzungen,

• Regelmäßige gemeinsame Begehungen,

• Schriftliche Protokollierung von Projektbesprechungen und Begehungen, welche an alle Beteiligten versendet werden.

4. Zusammenfassung

Thermische Abfallbehandlungsanlagen zeichnen sich aus durch ihre markante Größe, die technische Komplexität und die lange Projektierungs- und Nutzungsdauer. Das benötigt eine möglichst gute Zusammenarbeit der verschiedenen Seiten: Bauherrn, Ingenieure und Architekten. Nur so kann eine Anlage errichtet werden, das in der Bevölkerung Anklang findet, sich in die Umgebung anpasst und ihre Funktionalität beibehält.

Sind Architekten und Ingenieure von Anfang an im gleichen Boot, kann die Zusam-menarbeit zu sehr positiven und außergewöhnlichen Lösungen führen.

Die wichtigste Voraussetzung ist wie bei so vielem das Zuhören und die Bereitschaft zusammen als interdisziplinäres Team zu arbeiten.

Gute und gelungene Projekte bringen oft Erfolg und immer Freude!

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5. Literatur[1] Bernecker, G.: Planung und Bau verfahrenstechnischer Anlagen, 4. Auflage, Springer Verlag,

2001

[2] Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI (2013), Drucksache, HOAI § 34 Seite 28, Drucksache 334/13

[3] Reble, J.: Kraftwerk im Wald – Energiezentrale Forsthaus Bern, 1. Auflage, Park Books AG, 2013

[4] SIA Zurich (2014), Norm SIA 112 ModelI Bauplanung

[5] SIA Zurich (2015), Norm SIA 111 Modell Planung und Beratung

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Dorfstraße 51D-16816 Nietwerder-NeuruppinTel. +49.3391-45.45-0 • Fax +49.3391-45.45-10E-Mail: [email protected]

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TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky

Wir widmen uns aktuellen verfahrens- und anlagentechnischen sowie politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Themen, soweit sie die Abfall- und Kreislaufwirtschaft, die Energie- und Rohstoffwirtschaft und den Immissionsschutz betreffen. Unsere Aufgabe sehen wir in der Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Technik und Wissenschaft.

Zu wichtigen Themen veranstalten wir Konferenzen und Congresse – dazu geben wir Bücher heraus.

Stets sind wir auf der Suche nach interessanten Referenten, aktuellen Themen und spannenden Projekten um unser Angebot weiterzuentwickeln. Gern lassen wir uns von neuen Ideen inspirieren und diskutieren deren Realisierbarkeit.

Der TK Verlag gibt seit dreißig Jahren Fachbücher zu zahlreichen Themen des technischen Umweltschutzes heraus:

Unsere Konferenzen im Überblick:

• Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz• Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz• Berliner Konferenz Mineralische Nebenprodukte und Abfälle• IRRC – Waste-to-Energy • Berliner Immissionsschutzkonferenz

• Thermische Abfallbehandlung und energetische Verwertung• Mechanisch-biologische Abfallbehandlung und Ersatzbrennstoffe• Biologische Abfallbehandlung• Recycling und Rohstoffe• Verpackungen, ...

Insgesamt sind bislang bei uns etwa zweitausend Fachbeiträ-ge erschienen, die in ihrer Gesamtheit einen guten Überblick über technische, wirtschaftliche, rechtliche und politische Entwicklungen geben. Seit Kurzem stellen wir Ihnen die Fachbeiträge kostenlos auf unserer Internetseite zur Verfügung.

Thomé-Kozmiensky + Goldmann Recycling und Rohstoffe Band 7

Thomé-Kozmiensky und Beckmann Energie aus Abfall 11Thomé-Kozmiensky und Beckmann Energie aus Abfall 11

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K. J. Thomé-Kozmiensky & S. Thiel WASTE MANAGEMENT

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