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Das BuchGefallene Engel, die Menschengestalt annehmen, um ihre Wollust an menschlichen Frauen zu befriedigen. Die de-ren Männer das Kriegshandwerk lehren, um die Menschen-welt mit dem Virus des Bösen zu infizieren: davon berichtet das Buch Henoch. Es wurde von Essenern, Gnostikern und Kabbalisten als heiliges Buch verehrt, von der Kirche aber unterdrückt und verbrannt. Nachdem es jahrhundertelang verschollen war, können wir nun endlich wieder seine er-staunlichen Offenbarungen zur Kenntnis nehmen.Elizabeth Clare Prophet beweist, dass auch Jesus und seine Apostel das Buch studierten. Und sie zeigt auf, warum die Kirchenväter sich gezwungen sahen, Henochs brisanten Be-richt zu unterdrücken. Dabei lässt sie mit einer provozie renden These aufhorchen: Die gefallenen Engel, vor denen schon die Bibel warnte, sind noch immer unter uns! Unerkannt und ins-geheim wirken sie mit am Ränkespiel der großen Mächte …

Die AutorinElizabeth Clare Prophet (1939 bis 2009) gilt bis heute als eine der wichtigsten Pionierinnen der modernen Spiritualität. Durch zahlreiche Bestseller und Fernsehauftritte (u. a. Dona-hue, Larry King Live) erlangte sie internationale Berühmtheit. Ihre Werke wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt.

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ELIZABETH CLARE PROPHET

GEFALLENE ENGEL

und der Ursprung des

BÖSEN

Das verbotene Buch Henoch und seine erstaunlichen Offenbarungen

Aus dem Englischen übersetztvon Manfred Miethe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

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Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Fallen Angels and the Origins of Evil«

im Verlag Summit University Press, Gardiner, Montana.

Verlagsgruppe Random House FSC® N 001967Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertif izierte Papier Holmen Book Cream

liefert Holmen Paper, Hallstavik, Schweden.

Taschenbucherstausgabe 08/2013

Copyright © 2008 der deutschsprachigen Ausgabe by Ansata Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Fallen Angels and the Origins of Evil: Why Church Fathers Suppressed the Book of Enoch and Its Startling Revelations by Elizabeth Clare Prophet.

Copyright © 2000 by Summit Publications, Inc. All rights reserved.Copyright © 2013 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbHAlle Rechte sind vorbehalten. Printed in Germany 2013.

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München (nach einer Idee von HildenDesign)Umschlagmotiv: © Guter Punkt, München – Andrea Barth unter Verwendung von

Motiven von shutterstock Gesetzt bei Greiner und Reichel, Köln

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckISBN 978-3-453-70234-9

http://www.heyne.de

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Inhalt

Die verbotenen Mysterien des Henoch 11Die geheime Geschichte von Engeln und Menschen Ausgewählte Bibliographie 100

Das Buch Henoch 103

Parallelen zwischen den Büchern der Bibel und dem Buch Henoch 249

Versteckte Hinweise auf die Wächter (und die Nephilim) in der Heiligen Schrift 283 Weitere versteckte Hinweise auf die Wächter

(und die Nephilim) in der Heiligen Schrift 320

Spirituelle Lösungen 327 Darstellung des göttlichen Selbst Erzengel Michael, Beschützer unserer

spirituellen Praxis 335 Die bildliche Darstellung des göttlichen Selbst 347

Verkörperte Engel – damals und heute 351 Das Origenes-Komplott 353 Konsequenzen 363 C. S. Lewis über böse Engel 371

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Das Buch der Geheimnisse des Henoch 379 Prolog über die Söhne des Jered 383 Einführung 395

Das Buch der Geheimnisse des Henoch 401

Henoch in den vergessenen Büchern 453 Das Jubiläenbuch oder die kleine Genesis (Auszüge) 455 Die Testamente der zwölf Erzväter (Auszüge) 471 Die frohe Botschaft bezüglich Set, der wir

Gehör schenken müssen 479

Anhang I 483 Das Gesetz und die Propheten –

wie von Jesus Christus zitiert 485

Anhang II 489 Konfrontationen: Die Wächter gegen

Johannes den Täufer und Jesus Christus 491

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Illustrationen

Tiffany Studios: Erzengel Gabriel, der Bote Gottes (Kirchenfenster) 8Gustave Doré: Die gefallenen Engel auf der Flucht 12Gustave Doré: Die Engel verfolgen Satan 104Gustave Doré: Die Schlacht der Engel 250Gustave Doré: David und Goliath 284Tiffany Studios: Erzengel Michael (Kirchenfenster) 333Darstellung des Göttlichen Selbst 346Gustave Doré: Sturz des Satan 352Gustave Doré: Die Versuchung Jesu 377Gustave Doré: »Und der Herr rief mich« 400Gustave Doré: Die Taube wird von der Arche ausgesandt 454Albrecht Dürer: Der Engel mit dem Schlüssel zum Abgrund 495

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»Erzengel Gabriel, der Bote Gottes«

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Den Kindern des Henoch gewidmet

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Und nun, meine Kinder, öffnet eure Herzen und hört die Worte eures Vaters, die aus dem Munde des Herrn stammen.

Nehmt diese Bücher, von eurem Vater geschrieben, und lest sie.

Denn der Bücher sind viele, und aus ihnen sollt ihr von den Werken des Herrn erfahren, von dem, was seit Anbeginn der Schöpfung geschah, und von dem, was bis ans Ende der Zeit sein wird …

… Gebt diese Bücher euren Kindern, all den nachfolgenden Generationen. Gebt sie den Nationen, die klug genug sind, Gott zu fürchten. Sie sollen sie empfangen und mögen sie sie mehr lieben als jegliche Nahrung oder irdischen Luxus. Lest sie und lebt nach ihnen.

Und jene, die den Herrn nicht kennen, die Gott nicht fürch-ten, die diese Bücher nicht annehmen, sondern sie zurückweisen, erwartet ein furchtbares Gericht.

Henoch an seine Kinder(aus dem Buch der Geheimnisse des Henoch)

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Die verbotenen Mysterien des Henoch

Die geheime Geschichte von Engeln und Menschen

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Die gefallenen Engel auf der Flucht

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Die verbotenen Mysterien des Henoch

Die geheime Geschichte von Engeln und Menschen

In der unglaublichen Hektik des modernen Lebens nehmen sich nur wenige Menschen die Zeit, über Engel nachzuden-ken. Aber das war nicht immer so. Im vierten Jahrhundert beispielsweise, als die Westgoten das Römische Reich über-rannten, als das soziale Chaos und die Korruption Rekord-niveaus erreicht hatten und eine streng regulierte Wirtschaft zu zweistelligen Inf lationsraten geführt hatte, da dachten die Menschen über Engel nach.

Und es ging dabei nicht nur um weltfremde Überlegungen wie die Frage, wie viele Engel wohl auf einer Nadelspitze tan-zen könnten. Nein, die Menschen stellten Fragen, die ernst-hafte und weitreichende Konsequenzen hatten.

Die am heftigsten geführte Debatte drehte sich um ein alles entscheidendes Thema: Waren wirklich Engel in Wesen aus Fleisch und Blut verwandelt worden, um auf der Erde zu wirken? Obwohl der Großteil der Debatte in unseren Ge-schichtsbüchern nicht zu finden ist, können – und sollten – wir aus Gründen, die schon bald klar sein werden, diese Frage auf arbeiten.

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Wenn Engel jemals zu f leischlichen Wesen wurden, die gewöhnlichen Menschen ähnelten, wie würden sie wohl sein? Wie würden Sie einen erkennen, wenn er sich in Ihrer Nach-barschaft niedergelassen hätte? Wäre er besonders gut und tugendhaft, ein richtiges Engelchen mit Pausbacken und allem Drum und Dran? Oder wäre er besonders böse, einer der gräss-lichen gefallenen Engel?

Wenn das Letztere der Fall wäre, dann würde das, was einst als gedankliche Spielerei der frühen Kirche begonnen hatte, zu einer wahren Detektivgeschichte werden, zu einer Auf arbeitung der frühen kosmischen Geschichte anhand nur fragmentarisch erhaltener Dokumente über den Ursprung und das Wesen des Bösen, die weit über eine bloße theologische Diskussion hinausgehen würde.

Ich bin überzeugt, dass meine Nachforschungen, auch wenn sie bei Weitem noch nicht vollständig abgeschlossen sind, im Buch Henoch, in den Schriften des Origenes und anderer apo-krypher Autoren, in mythologischen Texten und frühen ar-chäologischen Funden den Schlüssel zu gewissen historischen Fakten bezüglich der Evolution von Engeln und Menschen auf der Erde und in anderen Weltensystemen offenbaren werden. Ich bin überzeugt, dass diese Tatsachen den Kindern des Lichts seit Jahrtausenden absichtlich vorenthalten wurden. Einmal ans Licht gebracht und von beherzten Menschen umgesetzt werden sie sich als die entscheidenden Mittel erweisen, um ein neues Zeitalter des Friedens und der Erleuchtung einzu-läuten.

Obwohl es der Umfang dieses Werkes nicht gestattet, alle vorhandenen Tatsachen zu präsentieren, gibt mir dieses Buch doch die Möglichkeit, die unterdrückten Geheimnisse des Henoch in Bezug auf die wahre Natur der gefallenen Engel, die als »die Wächter« bekannt sind, zu offenbaren. Henoch gab diese Geheimnisse an seine Söhne und deren Familien weiter,

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um sie auf diese Weise den nachfolgenden Generationen zu bewahren.

Basierend auf schlüssigen Beweisen aus verschiedenen Quel-len bestätigen meine Nachforschungen die im Buch Henoch gemachten Aussagen, dass es tatsächlich gefallene Engel gibt, dass sie sich auf Erden verkörpert und die Seelen der Men-schen vergiftet haben und dass sie sich am Tage des Gerichts vor dem Auserwählten verantworten müssen. Daraus folgt logischerweise auch, dass sich die Gefallenen gemeinsam mit den Nachkommen der Nephilim, die von Erzengel Michael aus dem Himmel verbannt wurden, ununterbrochen seit min-destens einer halben Million Jahre auf der Erde verkörpert haben müssen.

Ich werde beweisen, dass sie auch heute noch unter uns leben, dass sie hohe Machtpositionen in Kirche und Staat innehaben und die Hauptverantwortlichen für Kriege und Finanzkrisen sind, dass sie die Banken und Parlamente be-herrschen und das Schicksal der Menschheit durch Geburten-kontrolle und Genmanipulation, durch die Beherrschung der Energie- und sonstigen Rohstoffreserven, der Massenmedien und der Bildungssysteme bestimmen und dabei ideologische und psychopolitische Strategien einsetzen, um zu teilen und zu herrschen.

Die hier erzählte Geschichte von Engeln und Menschen stößt die Tür zur endgültigen Enthüllung der Manipulatoren und der Manipulierten, der Unterdrücker und Unterdrückten einen Spalt weit auf. Wenn ich das letzte Wort des letzten Ban-des meiner Nachforschungen niedergeschrieben habe, wird es durch die Gnade Gottes und des Heiligen Geistes, meinem Tröster und Lehrer, klar sein, dass die inkarnierten gefallenen Engel, die das Hauptthema von Henochs Prophezeiung sind, von Anfang an den Traum Gottes und der Menschen korrum-piert haben.

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Überall verwandeln sie die Anstrengungen der edelsten Herzen dieser Welt in eine Verhöhnung des f leischgeworde-nen Wortes und sorgen dafür, dass sich die Spirale der fort-währenden Degeneration sowohl der westlichen als auch der östlichen Zivilisation immer schneller dreht. Aber alle ihre gottlosen Taten können und werden durch das Urteil des wah-ren und gerechten Gottessohnes und dem Licht, das in ihm scheint, rückgängig gemacht werden.

Um dabei zu helfen und um jene zu unterstützen, die sich Gott als Werkzeug Seines Willens zur Verfügung stellen, ver-öffentliche ich meine Nachforschungen über die Geschichte der gefallenen Engel hier als Einführung zum Buch Henoch und zum Buch der Geheimnisse des Henoch.

Ich bin überzeugt, dass die Berichte über Henochs Erlebnis-se mit unserem geliebten Vater entscheidend zum Verständnis der uralten Verschwörung beitragen werden, die noch heute das Leben der Menschheit bestimmt und die fortdauern wird, bis den Kindern des Lichts das wahre Wissen über die Saat des Widersachers und die Saat des Sohn Gottes offenbart werden wird.

In diesem und anderen Werken habe ich versucht, denen die Ohren haben zu hören, klarzumachen, wie die Gefallenen operieren und was der Weg der Gesalbten des Herrn ist. An ihren Früchten sollt ihr jene erkennen, die von »oben« stam-men, und jene, die von »unten« stammen. Und aufgrund ihres freien Willens sollen die Menschen entscheiden, wem sie die-nen wollen: dem Licht oder der Finsternis. Und so werden sie aufgrund ihrer Taten beurteilt werden.

Die Frage, die sich während meiner Nachforschungen im-mer mehr herausgeschält hat, lautet: Wenn die bösen Engel auf Erden lebten und wenn sie, wie die Schrift anzudeuten scheint, wie gewöhnliche Menschen aussahen, warum sollten sie dann heute nicht mehr unter uns sein? Angesichts der

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Zustände auf dem Planeten Erde, wo würden wir sie heute finden? Manipulieren sie unsere Regierungen? Treiben sie unsere Volkswirtschaften in den Ruin?

Wer sind sie überhaupt?Die Menschen des vierten Jahrhunderts kannten einige der

Antworten, die in wenig bekannten, schwer zu beschaffenden Büchern aufbewahrt wurden, von denen viele niemals ins Deut-sche übersetzt wurden. Wenn man aber etwas in den Archiven der christlichen Kirchenväter gräbt, stößt man auf die erstaun-liche Tatsache, dass sie tatsächlich etwas über die Inkarnation von Engeln wussten, dass dieses Wissen aber als so gefährlich angesehen wurde, dass man es als Häresie brandmarkte.

In den ersten Jahrhunderten nach Christus ergingen sich die Kirchenväter in philosophischen Diskussionen über den Ursprung des Bösen in Gottes Universum – besonders auf Erden. Man stimmte darin überein, dass das Böse mit den Engeln begann, die aus dem Himmel verbannt wurden. Dies war die bekannte biblische Darstellung der Rebellion eines Erzengels gegen den Allmächtigen und dessen anschließen-den Verbannung.1

Es war üblich, diese Engel als immaterielle, gef lügelte Ge-schöpfe darzustellen, als dunkle, schattenhafte Dämonen, die die Menschen vom rechten Weg abzubringen suchten und ih-nen unheilvolle Worte ins Ohr f lüsterten. Aber gewisse Stellen in der Heiligen Schrift deuten an, dass die gefallenen Engel mehr Substanz besaßen – und dies im wahrsten Sinne des Wortes.

Dass Engel durchaus physische Wesen sind, scheint eine uralte Überzeugung gewesen zu sein. Da gibt es zum Beispiel den Engel, mit dem Jakob ringt, der immerhin von einer sol-chen Körperlichkeit ist, dass er Jakob vorübergehend, wenn nicht gar lebenslang zum Krüppel machen konnte. Dieser En-gel war so greifbar, dass der Verfasser des Buches Genesis ihn

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einen Mann nannte, obwohl an anderer Stelle enthüllt wurde, dass es sich um einen Engel gehandelt hatte.2 Der Engel sagte zu Jakob: »Lass mich los, denn die Morgenröte ist aufgestie-gen.« Wie hätte Jakob den Engel halten können, wenn der keinen Körper gehabt hätte?

Die Engel, die Sodom besuchten, mussten in Lots Haus ver-steckt werden, um sie vor den Übergriffen der örtlichen Be-völkerung zu schützen, vor den Sodomiten, die mit ihnen ver-kehren wollten.3 Und Manoach bot an, seinem Gast das Essen zuzubereiten, weil er annahm, dass es sich bei diesem um einen gewöhnlichen Menschen handelte, bis dieser in dem Feuer, das Manoach entzündet hatte, gen Himmel fuhr. Erst da begriff Manoach, dass er einen Engel des Herrn gesehen hatte.4

Die bösen gefallenen Engel waren gewissen religiösen Schriften zufolge kaum weniger körperlich.

Zarathustra, der große persische Prophet, zerschmetterte die Körper der Engel, weil sie sie benutzt hatten, um Böses zu wirken. Der Geschichte zufolge hatten die Engel sexuellen Verkehr mit irdischen Frauen, was ohne Körper wohl schwer zu bewerkstelligen gewesen wäre – besonders, da sie dabei Nachkommen zeugten.5

Die Geschichte verkörperter Engel, wirft trotz aller Fragen Licht auf bestimmte Stellen in der Heiligen Schrift und in den Legenden.

Die Geschichte der Wächter: der große Verlust und der große Fund

Und dann war da noch das Buch Henoch. Einst von Juden und Christen gleichermaßen hochgeschätzt fiel es später we-gen seiner umstrittenen Behauptungen über Wesen und Taten der gefallenen Engel bei mächtigen Theologen in Ungnade.

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Das Thema erregte die damaligen Kirchenväter derma-ßen, dass einer von ihnen namens Filastrius von Brescia es als Häresie verdammte.6 Aber auch die Rabbiner beschlossen, den Lehren des Buches in Bezug auf die Engel nicht mehr zu folgen. Rabbi Schimon ben Jochai belegte im zweiten Jahr-hundert all jene, die daran glaubten, mit einem Fluch.7

Also wurde das Buch verleumdet, verbannt, verf lucht, si-cherlich auch verbrannt und in Stücke gerissen, und es galt über tausend Jahre lang als verschollen (und wurde daher be-quemerweise vergessen). Aber auf geheimnisvolle Weise fand das Buch Henoch dennoch vor etwa zweihundert Jahren sei-nen Weg zurück in die Öffentlichkeit.

1773 veranlassten Gerüchte über eine erhalten gebliebene Kopie des Buches den schottischen Forscher James Bruce, eine Reise nach Äthiopien zu unternehmen. Die Gerüchte besagten, dass das Buch Henoch von der äthiopischen Kirche bewahrt worden sei, die es gleichberechtigt mit den anderen Büchern der Bibel verehrte.

Bruce fand nicht eine, sondern gleich drei äthiopische Ko-pien des wertvollen Buches und brachte sie zurück nach Eng-land. Als 1821 Richard Laurence, ein Professor für Hebräisch an der Universität Oxford, die erste englische Übersetzung des Werkes veröffentlichte, konnte die moderne Welt einen ersten Blick auf die bisher unterdrückten Geheimnisse des Henoch werfen.8

Das Buch Henoch handelt von jener geheimnisvollen Zeit, als sich Geschichte und Mythologie überschnitten. Eingeweiht in die tiefgründigen Geheimnisse der alten Texte präsentiert der Verfasser dem Leser eine überquellende Schatztruhe gehei-men Wissens. Im Buch Henoch entfaltet sich das uralte Drama zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkelheit. Im Buch werden Henochs Schritte zurück in eine Zeit vor der Zeit beschrieben – zurück bis zu dem Augenblick, in dem der

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erste Funke der Verderbtheit auf einer unberührten Welt – der Erde – auftauchte.

Dem Buch Henoch zufolge begann das Problem damit, dass die himmlischen Engel und ihr Anführer namens Samjaza unstillbaren Hunger auf die Töchter der Menschen bekamen und eine große Lust verspürten, mit diesen Frauen Kinder zu zeugen. Samjaza hatte Angst, allein zu den Menschentöchtern hinabzufahren, daher verführte er 200 der Wächter genann-ten Engel, mit ihm diese Lustreise zu unternehmen.

Die Engel legten einen Schwur ab und verpf lichteten sich durch gegenseitige Verf luchungen, dieses Unterfangen durch-zuführen. War der Pakt einmal besiegelt, so würde jeder Ver-rat daran auf schrecklichste Weise bestraft werden.

Sich gegenseitig Mut machend fuhren die Engel auf die Erde hinab und nahmen sich Menschentöchter zu Frauen. Sie lehrten die Frauen Hexerei, Beschwörung und Weissagung – alles nur verzerrte Versionen der himmlischen Geheimnisse.

Die Geschichte nimmt wie ein Science-Fiction-Thriller noch an Spannung zu und wird daher von vielen eher als Fanta sie denn als Tatsachenbericht abgetan. Die Frauen ge-bären die Kinder der Engel: böse Riesen. Die Riesen fressen die gesamten Nahrungsvorräte der Menschen auf. Nichts kann ihren Hunger stillen. Sie töten und fressen Vögel, Säugetiere, Repti lien und Fische. Ihr unermesslicher Appetit macht vor nichts Halt. Schon bald werden die Menschen selbst zur Nah-rung. (Henoch 7,1–15)

Einer der boshaftesten Engel mit Namen Azazel lehrt die Frauen, sich mit Wimperntusche und allerlei Ketten zu schmü-cken, um ihren Sexappeal zu steigern. Den Männern bringt Azazel jedes nur mögliche Laster bei, so zeigt er ihnen zum Beispiel wie man Schwerter, Messer, Schilde und Brustpanzer fertigt, also alles, was man für einen Krieg braucht. (8,1–9)

Im Buch Henoch erklärt also jemand schon vor Jahrtausen-

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den, dass der Krieg weder von den Menschen erfunden noch von Gott als Strafe gesandt wurde, sondern die Erfindung eines rachsüchtigen Engels war, weil er aus dem Reich Gottes ver-bannt worden war. Das bedeutet, dass die Menschen aufgrund einer Manipulation auf die Kriegsspiele der gefallenen Engel hereingefallen waren und sich zum willigen Werkzeug des Völkermordes im Dienste ihrer Erzrivalen machen ließen.

Aber es gibt noch mehr in Henochs Bericht über die Wäch-ter. Als die Erde angesichts der auf ihr begangenen Gräu-eltaten aufschrie, erhörte sie der Himmel. Die mächtigen Erzengel Michael, Gabriel, Raphael, Sariel und Uriel kamen als Bittsteller für die Menschen zum Thron des Höchsten der Hohen, des Königs der Könige. (9,1–14)

Der Herr befiehlt Raphael, Azazel an Händen und Füßen zu binden. Gabriel wird ausgesandt, um die »Kinder der Unzucht«, die Nachkommen der Wächter, zu zerstören. Er erreicht dies, indem er sie dazu bringt, sich gegenseitig abzu-schlachten. Michael wird ermächtigt, Samjaza und seine böse Brut für 70 Generationen bis zum Tag des Gerichts unter die Erde zu verbannen.9 Gott selbst schickt die Sintf lut, um die bösen Riesen, die Kinder der Wächter, zu ertränken. (10,12)

Aber in den nachfolgenden Generationen (nach dem Un-tergang von Atlantis) kehrten die Riesen zurück, um die Mensch heit zu quälen. Zudem scheint es so, als ob die Wächter auf nicht näher definierte Weise zunehmend Macht über die Menschen gewonnen haben, die so lange andauern wird, bis die Engel gerichtet werden – was dem Verfasser zufolge längst überfällig ist.

Gegen Ende des Buches gibt es einen bedeutsamen Ab-schnitt, der von den letzten Tage der Erde handelt:

»In jenen Tagen werden die Engel zurückkehren und sich gen Osten wenden, … um die Könige aufzuwiegeln und sie

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zum Aufruhr zu bewegen … Und sie werden aufmarschie-ren und das Land Seines auserwählten Volkes niedertram-peln … Sie werden sich gegenseitig bekämpfen …, bis die Zahl der in ihren Kämpfen getöteten Leichen unermess-liche Ausmaße angenommen hat. Ihre Strafe wird keine geringe sein.«10

Dies hört sich wie eine beklemmende Vorhersage unserer Zeit an, mit all den Kriegen im Nahen Osten und den ungezählten Leichen im Heiligen Land. Die Prophezeiung gibt kein Datum an, aber nimmt man nur ein paar Änderungen an den rich-tigen Stellen vor, so erhält man die Schlagzeilen von heute.

Das Hauptthema des Buches Henoch ist das Gericht über die gefallenen Engel, die Wächter, und über ihre Nachkom-men, die bösen Geister. (15,8) Aber mehrere andere Themen sind ebenfalls sehr beachtenswert.

So spricht der Herr in Kapitel 12 zu Henoch, dem Bewahrer der Rechtschaffenheit:

»Gehe hin und sprich mit den Wächtern des Himmels, die den hohen Himmel und ihre heilige ewige Stellung verlas-sen und sich mit den Frauen verunreinigt haben.11 Wie die Söhne der Menschen haben sie getan, indem sie sich Frauen genommen und sich in großes Verderben auf der Erde ge-stürzt haben. Sie werden auf Erden keinen Frieden und keine Vergebung ihrer Sünden finden. Sie sollen sich ihrer Nachkommenschaft nicht erfreuen, sie sollen die Tötung ihrer geliebten Söhne sehen und über die Vernichtung ihrer Söhne klagen. Sie sollen ewiglich bitten, aber weder Barm-herzigkeit noch Frieden erlangen.« (12,5–7)

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In Kapitel 13 erklärt Henoch Azazel das Urteil des Herrn:

»Henoch ging hin und sagte zu Azazel: Du wirst keinen Frieden finden. Ein großes Urteil ist über dich ergangen, das dich binden wird. Du wirst keine Nachsicht, noch Gnade oder Fürbitte erlangen wegen der Gewalttaten, die du gelehrt hast, und wegen jeglicher Blasphemie, Tyrannei und Sünde, die du den Menschenkindern offenbart hast.« (13,1–3)

In Kapitel 13 wird auch beschrieben, wie die Wächter Angst bekamen und erzitterten, wie sie Henoch baten, eine Bitt-schrift für sie zu verfassen, damit diese zu Gott aufsteigen möge, da sie selbst angesichts ihrer Gräueltaten und ihrer un-ermesslichen Sünden es nicht wagten, Ihn anzusprechen.

Henoch berichtet den Wächtern:

»Ich habe eure Bittschrift geschrieben, und in meiner Vision wurde mir gezeigt, dass das, worum ihr f leht, nicht erfüllt werden wird, solange die Welt besteht. Über euch ist ein Urteil gesprochen worden, eure Bitte wird euch nicht ge-währt werden. Fortan werdet ihr niemals wieder in den Himmel aufsteigen. Er hat befohlen, euch an die Erde zu binden, solange die Welt besteht. Zuvor aber sollt ihr die Vernichtung eurer geliebten Söhne mit ansehen. Es wird keiner von ihnen übrig bleiben, sie werden vor euch durch das Schwert gefällt werden. Weder für sie soll euer Flehen erhört werden noch für euch selbst. Trotz Weinen und Bit-ten sollt ihr nicht die Erfüllung eines Wortes aus der Schrift erlangen, die ich verfasst habe.« (14,2–7)

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In Kapitel 15 spricht Gott, der Herr, der glorreich Strahlende, wiederum zu Henoch, dem Rechtschaffenen:

»Gehe hin und sprich zu den Wächtern des Himmels, die dich gesandt haben, um für sie zu bitten: Ihr solltet für die Menschen bitten, und nicht die Menschen für euch. Ihr, die ihr heilige Geister wart und das ewige Leben besessen habt, habt euch durch die Frauen bef leckt, Kinder in f leischlicher Lust gezeugt, nach dem Blute der Menschen begehrt und all das getan, was jene tun, die aus Fleisch und Blut sind. Jene aber sterben und vergehen. Deshalb habe ich ihnen Frau-en gegeben, damit sie mit ihnen verkehren, und sie ihnen Söhne gebären, auf dass ihnen nichts auf Erden fehle. Ihr aber wurdet von Anfang an als Geister geschaffen und habt das ewige Leben besessen und wart dem Tod nicht unter-worfen. Darum habe ich für euch keine Frauen geschaffen, denn da ihr geistige Wesen seid, ist eure Wohnung im Himmel.12 (15,1; 3–7)

Der Herr erklärt Henoch dann das Wesen der Nachkommen der Wächter und das Böse, das sie über die Erde gebracht haben:

»Aber die Riesen, die aus Geist und Fleisch geboren worden sind, wird man auf Erden böse Geister nennen, und auf der Erde sollen sie ihre Wohnung haben. Böse Geister werden aus ihren Leibern hervorgehen, weil sie von oben geschaf-fen wurden, von den heiligen Wächtern, die ihr Ursprung und ihre Grundlage sind. Böse Geister werden sie auf Erden sein und sie sollen Geister der Bösen genannt werden. Die Geister des Himmels haben im Himmel ihre Wohnung, aber die Geister der Erde, die auf der Erde geboren wurden, haben auf der Erde ihre Wohnung.13

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Die Geister der Riesen sollen wie Wolken sein14, die Un-terdrückung bringen, Verderben stiften, Unheil anrichten und auf Erden allerlei Kummer bereiten. Ihretwegen wird es viele Klagen geben. Sie sollen keine Nahrung essen und sie werden durstig sein. Verborgen sollen sie sein und sie sol-len sich nicht gegen die Söhne der Menschen und gegen die Frauen erheben, denn sie werden in den Tagen der Schlach-ten und der Zerstörung hervortreten.

Und wenn die Riesen sterben und ihre Geister aus den Körpern treten, so soll über den Leib, der vergänglich ist, nicht gerichtet werden. So sollen sie untergehen bis zum Tage des großen Weltuntergangs. Die Wächter und die Gottlosen sollen dann vernichtet werden.« (15,8–10; 16,1)

Weil sie so große Sünden begangen haben, spricht der Herr zu den Wächtern: »Niemals wieder sollt ihr Frieden finden.« Nach dem Buch Henoch gilt das Urteil des Herrn gegen die Wächter damals wie heute.

Der Verfasser des Buches beschreibt in bewegenden Wor-ten und majestätischen Bildern auch die Visionen, die ihm im Himmel gewährt wurden. Er berichtet über die Anweisun-gen, die er von den Erzengeln bezüglich des überwältigenden Urteils gegen die gefallenen Engel erhalten hat. Er ver fasst drei Parabeln oder Gleichnisse, in denen die Glorie des Himmels, der unaussprechliche Hochbetagte und der Menschensohn be-schrieben werden, die – wie es heißt – das letzte Gericht über die Bösen bringen werden. Es gibt zudem einen längeren Ab-schnitt über astronomische Themen sowie eine umfangreiche Prophezeiung in Bezug auf die Zukunft der Auserwählten.

So sieht also das Buch Henoch in der Form aus, die wir heu-te besitzen. Der aufmerksame Leser wird bemerken, dass der hier übersetzte Text stellenweise irgendwie zusammenhanglos erscheint und daher wohl vor langer Zeit lose aus verschiede-

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nen Fragmenten zusammengestellt worden sein muss. Mög-licherweise handelt es sich sogar um die grob bearbeitete Ver-sion eines größeren Werkes, das heute nicht mehr existiert.

Christus erkennt das Buch Henoch an

Viele Gelehrte gehen davon aus, dass diese Version des Buches Henoch im zweiten Jahrhundert vor Christus verfasst wur-de und dass sie 500 Jahre lang ziemlich verbreitet war. Der früheste äthiopische Text war wohl die Übersetzung einer griechischen Abschrift, die wiederum eine Kopie eines noch älteren Textes war. Das Original wurde wohl in einer semi-tischen Sprache verfasst. Heute nimmt man an, dass es sich dabei um Aramäisch gehandelt haben muss.

Obwohl man einmal geglaubt hat, dass es sich um einen christlichen Text handelt, da es verblüffende Übereinstimmun-gen mit der christlichen Terminologie und Lehre gibt, bewei-sen die Funde der Qumran-Schriftrollen vom Toten Meer, dass der Text bereits vor der Geburt von Christus existierte. Jedoch ist das Ursprungsjahr des Originaltextes, von dem im zweiten Jahrhundert vor Christus in Qumran Kopien angefertigt wur-den, ungewiss. Auf jeden Fall ist der Text sehr alt.

Es ist die übereinstimmende Meinung der Historiker, dass das Buch nicht wirklich vom biblischen Patriarch Henoch stammen kann, da dieser dem Buch Genesis zufolge mehrere tausend Jahre früher gelebt haben muss.

Aber natürlich ist der gegenwärtige Wissensstand der His-toriker in Bezug auf die jüdische Bibel keinesfalls vollständig. Im Lauf der Jahre werden möglicherweise neue Entdeckungen neues Licht auf die rabbinische Tradition des Sohar werfen, derzufolge die Schriften des Henoch von Generation zu Ge-neration unverfälscht weitergegeben wurden.15

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Trotz seines ungewissen Ursprungs erkannten die frühen Christen das Buch Henoch als authentisch an, besonders den Teil über die gefallenen Engel und das gegen sie ergangene Urteil. Tatsächlich ist es so, dass viele der Konzepte, die Jesus Christus verwendete, in direktem Zusammenhang mit dem Buch Henoch stehen.

Daher ist es schwer zu glauben, dass Jesus das Buch nicht gekannt haben soll. Es erscheint im Gegenteil wahrscheinlich, dass er es so sehr geschätzt hat, dass er bestimmte Themen übernahm und sie ausschmückte – wie zum Beispiel seine Be-schreibung des kommenden Königreiches und des unvermeid-lichen Gerichts, das über die Bösen kommen würde. Mit dem Begriff »die Bösen« werden im Alten Testament die Wächter meistens beschrieben.16

Es gibt ausreichende Beweise, dass Jesus das Buch Henoch geschätzt hat. Mehr als 100 Stellen im Neuen Testament haben eine Entsprechung im Buch Henoch. Die Segnung unseres Herrn »Selig sind die Duldsamen, denn sie werden das Land erben«17 erinnert an Henoch 6,9, wo es heißt: »Den Auser-wählten wird Licht, Freude und Friede zu teil werden und sie werden das Land erben.«

Und erinnern wir uns an Jesus’ Ermahnung:

»Wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn ver-raten wird. Für ihn wäre es besser gewesen, wenn er nie ge boren wäre.«18

Dies erinnert an Henoch:

»Wo wird dann die Wohnung der Sünder sein? Wo werden jene, die den Herrn der Geister geleugnet haben, dann Ruhe finden? Es wäre besser für sie gewesen, sie wären nie geboren worden.«19

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Das Buch Henoch enthält zudem mehrere Entsprechungen zu den »vielen Wohnungen im Haus des Vaters«. So steht in Henoch 39,4:

»Ich sah die Wohnungen und Ruheplätze der Heiligen. Meine Augen sahen ihre Wohnung bei den Engeln und ihre Ruheplätze bei den Heiligen. Sie baten, f lehten und beteten für die Söhne der Menschen, während Gerechtigkeit vor ihnen f loss wie Wasser, und Gnade wie Tau über die Erde ausgeschüttet wurde.«

Eine weitere Parallele zu Henoch findet sich bei Lukas 18,7:

»Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu Ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?«

In Henoch 47,2 lesen wir:

»An diesem Tag werden sich die Heiligen, die über den Himmeln wohnen, versammeln und mit einer Stimme bit-ten, beten, loben, danken und den Namen des Herrn der Geister preisen ob des Blutes der Gerechten, das vergossen wurde. Sie werden beten, dass das Gebet der Gerechten vor dem Herrn der Geister nicht vergebens sein möge, das Er um ihretwillen das Gericht vollziehen möge und dass Seine Geduld nicht ewig dauern möge.«

Jesus’ »sprudelnde Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt«20 ähnelt Henoch 48,1 vom »Brunnen der Gerechtigkeit, der nie-mals versiegte«. Der im Neuen Testament gebrauchte Ausdruck »Kinder (oder Söhne) des Lichts«21 ist vermutlich eine Variante von Henochs »Generation des Lichts«. In Henoch 105,25 lesen wir:

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»Nun werde ich die Geister der Guten aus der Generation des Lichtes rufen und jene verwandeln, die in Finsternis geboren wurden …«

Jesus’ Beschreibung des Lebens nach dem Tode der Gerechten stimmt fast komplett mit Henoch 50,4 überein: »Die Gerechten werden Engel im Himmel werden.« Matthäus zufolge sagte Je-sus: »Denn nach der Auferstehung werden die Menschen nicht mehr heiraten, sondern sein wie die Engel im Himmel.«22

Und das »Aber weh euch, die ihr reich seid«23 Jesu stimmt praktisch wortwörtlich mit Henoch 93,7 überein, wo es heißt:

»Wehe euch, die ihr reich seid, denn ihr habt auf euren Reichtum vertraut, euer Reichtum aber soll euch genom-men werden, weil ihr in den Tagen eures Wohlstands des Höchsten der Hohen nicht gedacht habt.«

Die Liste der Parallelen ist länger, als hier aufgezählt werden kann, und wird daher im Kapitel »Parallelen zwischen den Büchern der Bibel und dem Buch Henoch« an späterer Stelle aufgeführt. Es gibt allerdings zwei Themen, die sowohl für die Lehre Jesu als auch für das Buch Henoch enorm wichtig sind und die deshalb hier noch näher untersucht werden sollen.

Zunächst einmal wird der Begriff »Menschensohn«, den Jesus häufig gebrauchte, im Buch Henoch ausführlich verwen-det. Man hat lange geglaubt, dass Jesus’ Verwendung des Be-griffs »Menschensohn« als Beschreibung seiner selbst in Daniel 7,13 begründet liegt, aber führende Gelehrte gehen heute da-von aus, dass dieser Begriff aus dem Buch Henoch stammt.24

Obwohl es sich in der Übersetzung von Laurence nicht widerspiegelt, scheint es so, als ob Henoch von Gott als »Men-schensohn« bezeichnet worden wäre. Der Bibelforscher H. H. Rowley wies darauf hin, dass die verschiedenen Übersetzer

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Schwierigkeiten mit diesem Begriff hatten und ihn entweder falsch übersetzten oder sogar versuchten, den Begriff zu ver-fälschen, mit dem Henoch bezeichnet wurde: »Du bist der Sohn der Menschen.«25

Laurence übersetzt diesen Schlüsselbegriff – möglicher-weise aus ideologischen Gründen – mit »Nachkomme der Menschen«. Wird der Begriff »Menschensohn« aber auf Jesus Christus angewandt, dann gebraucht Laurence ihn ohne zu zögern. Laurences Übersetzung von Henoch 70,17 lautet:

»Dann kam der Engel zu mir, grüßte mich und sprach zu mir: Du bist der Nachkomme der Menschen26, der zur Ge-rechtigkeit geboren wurde und Gerechtigkeit ruht auf dir.«

Laurences Wortwahl ist in dieser Ausgabe speziell vermerkt.Das zweite Thema, das sowohl im Buch Henoch als auch

bei Jesus Christus eine wichtige Rolle spielt, ist das Gericht und die große Bestrafung. Jesus beschreibt das Gericht über die Heiden, das der Menschensohn mit den Engeln an seiner Seite halten wird in Matthäus 25,31–32, 41 und 46 folgender-maßen:

»Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken schei-det … Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verf luchten (Gottes Urteil über die Wächter) in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine (gefallenen) Engel bestimmt ist … Und sie werden weggehen und die gerechte Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.«

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Dieselbe Szene wird in Henoch 45,3 und 66,5–7 so darge-stellt:

»An jenem Tage wird der Auserwählte auf dem Thron der Herrlichkeit sitzen und über ihre Umstände und zahlreichen Wohnungen bestimmen. Der Geist in ihnen wird gestärkt werden, wenn sie den Auserwählten sehen. Er wird jene auswählen, die ihre Zuf lucht zu meinem heiligen, herr-lichen Namen genommen haben …«

»Ich sah jenes Tal, in dem eine große Unruhe herrschte und in dem die Gewässer aufgewühlt waren. Und als dies alles geschah, stieg aus der herrschenden Unruhe und dem Flammenmeer ein strenger Schwefelgeruch auf, der sich mit den Wassern verband. Das Tal der Engel, die der Verführung der Menschen schuldig waren, brannte unter ihren Füßen. Durch das Tal f lossen Feuerströme, in die die Engel gewor-fen werden, die die Bewohner der Erde verführt hatten.«

In Matthäus 24,7, 21–22 und 29–30 ist die Prophezeiung Jesu über das große Gericht niedergeschrieben:

»Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere und an vielen Orten wird es Hungersnöte und Erdbeben geben … Denn es wird eine so große Not kommen, wie es noch nie eine gegeben hat, seit die Welt besteht, und wie es auch keine mehr geben wird. Und wenn jene Zeit nicht verkürzt würde, dann würde kein Mensch gerettet, doch um der Auserwählten willen, wird jene Zeit verkürzt werden … Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmel werden erschüt-tert werden. Danach wird das Zeichen des Menschensohnes

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am Himmel erscheinen, dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen.«

Diese Stellen stimmen völlig mit dem großen Gericht überein, das im Buch Henoch beschrieben wird. In Kapitel 79 vermittelt der Erzengel Uriel Henoch eine Vision der Dinge, die auch nach der Vision des Menschensohnes vollbracht werden müssen.

»In jenen Tagen antwortete mir Uriel und sprach: Siehe, ich habe dir alle Dinge gezeigt, o Henoch. Und alle Dinge of-fenbarte ich dir. Du sahst die Sonne, den Mond und jene, die über die Sterne des Himmels gesetzt sind und die ihre Be-wegungen, Jahreszeiten und Auf- und Untergänge regeln.

In den Tagen der Sünder werden die Jahre kürzer werden. Ihr Same soll rückwärts wachsen im fruchtbaren Boden, und alles, was auf Erden getan wird, soll zunichtegemacht werden und zu seiner Zeit verschwinden. Der Regen wird zurückgehalten werden und der Himmel wird stillstehen.

In jenen Tagen werden die Ernten spät ausfallen und die Früchte der Erde nicht zu ihrer Zeit reifen, zur Erntezeit werden die Früchte der Bäume fehlen.

Der Mond wird seinen Lauf ändern und nicht zu seiner Zeit sichtbar sein. Aber in jenen Tagen wird der Himmel sichtbar sein und Unfruchtbarkeit wird sich an den Grenzen der großen Streitwagen im Westen ausbreiten. Der Himmel wird heller strahlen, als wenn er von den Gestirnen des Lichts erhellt wird, und viele Häupter der Sterne der Macht werden freveln und ihre Wege und Werke werden verwirrt sein. Die, die über sie herrschen, werden nicht zur festgeleg-ten Zeit erscheinen, und alle Ordnungen der Sterne werden vor den Sündern verschlossen sein.«

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Interessant ist, dass laut Henoch die Sterne eine Hierarchie der Engel sind, von denen einige irregeleitet sind, während Jesus sagt, dass sie vom Himmel fallen sollen und ihre Macht erschüttert werden wird. Maria, Mutter Gottes, verkündet im Magnifikat, dass ihr Sohn die mächtigen Wächter von ihren Thronen der Macht auf Erden stürzen wird, die sie den Kin-dern des Lichts gestohlen haben.27

Der Gedanke, dass die Lehre Jesu in gewisser Weise auf frü-heren theologischen Lehren aufbaut, statt eine völlig neue und vorher nie verkündete Lehre, die direkt vom Himmel stammt, darzustellen, verursacht manchen Menschen Kopfzerbrechen. 1891 protestierte der Reverend William J. Deane dagegen, die Lehre Jesu mit dem gerade veröffentlichten Buch Henoch in Verbindung zu bringen und bemerkte säuerlich: »Man verlangt von uns zu glauben, dass unser Herr und seine Apostel bewusst oder unbewusst von Henoch entwickelte Ideen und Ausdrü-cke in ihre Reden und Schriften übernommen haben.«28

Aber man kann nur schließen, dass es eine bewusste Ent-scheidung des geliebten Rabbiners (Lehrer) war, Henoch zu den alttestamentarischen Propheten zu zählen, die er so häu-fig zitierte.29 Bereits als Zwölfjähriger bekundete Jesus sein Verständnis der Schriften vor den Gelehrten im Tempel von Jerusalem, die von seinen Fragen und Antworten verblüfft waren. In seiner Bergpredigt verkündet Jesus, dass er selbst sowohl die Vollendung des Gesetzes als auch der Propheten sei: »Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzu-heben, sondern um zu erfüllen.«30

Als Jesus von der Versuchung in der Wüste ausgestattet mit der Macht des Geistes nach Galiläa zurückkehrte, ging er in die Synagoge von Nazareth und verkündete, dass seine geist-liche Lehre die Erfüllung der Prophezeiung des Jesaja bedeute-te. »Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr

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hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbro-chen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe, einen Tag der Vergeltung unseres Gottes, damit ich alle Trauernden tröste …« (Jesaja 61,1–2)

Da der Meister offensichtlich in irgendeiner Weise mit dem Buch Henoch vertraut war, sollte sich sein Hinweis auf das Gesetz und die Propheten nicht auch auf das große Werk des Propheten beziehen, der Methusalems Vater und Noahs Ur-großvater war?

Ich bin überzeugt, dass Jesus den Stab aufnahm, den He-noch als Gesandter des Hochbetagten und als Warner vor den Wächtern zurückgelassen hatte. Ich bin überzeugt, dass der Sohn des David mit der Autorität unseres Vaters Henoch kam, der gesagt hatte: »… so hat Er auch mich geschaffen und mir die Macht verliehen, die Wächter, die Söhne des Himmels, zu rügen.«31 In der Tat: Jesus kam, um das Gesetz und die Prophezeiung des Gerichts durch das f leischgewordene Wort zu erfüllen.

Sowohl in seiner leidenschaftlichen Zurechtweisung der Schriftgelehrten und Pharisäer, die zwar die richtigen Worte im Mund führten, aber nicht den Geist Moses besaßen, als auch in der klaren Beschreibung seiner Mission: »Um zu richten bin ich in diese Welt gekommen …«32, machte Jesus deutlich, dass er vom vorhergesagten Gericht wusste und dass er vorhersah, dass es sowohl zu seinen Lebzeiten als auch am Ende der Zei-ten vollzogen werden würde. Er begriff das Gericht über die gefallenen Engel als Auftrag, den der Sohn vom Vater erhalten hatte.

»Auch richtet der Vater niemand, sondern Er hat das Gericht ganz dem Sohn übertragen, damit alle den Sohn ehren, wie

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sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat. Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.

Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben. Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben. Und er hat ihm Voll-macht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschen-sohn ist.«33

Die Autorität, Gericht zu halten, übertrug Jesus auf seine Apostel (die Auserwählten des Henoch34), weil er der Men-schensohn war.

»Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.«35

»Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken, und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.«36

Außer den bekannten Verweisen auf das Alte Testament hat sich Jesus wahrscheinlich auch auf Prophezeiungen in den apo-kryphen Schriften bezogen, die von den Kirchenvätern und den Rabbinern, die die Bücher auswählten, aus denen un sere heutige christliche Bibel und die jüdischen Schriften bestehen, nicht miteinbezogen wurden. Eine ganze Reihe bisher unbe-kannter Texte, die in Qumran und Nag Hammadi entdeckt

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wurden, weisen darauf hin, dass Jesus in der Tradition alter Weisheitslehrer auch aus anderen Quellen schöpfte.

Professor Charles Cutler Torrey von der Universität Yale zitiert Beispiele, dass Jesus sich auf heute verloren gegangene apokryphe Werke bezogen hat.37 Er verweist dabei auf Lukas 11,49–51, wo steht:

»Deshalb hat auch die Weisheit Gottes gesagt: Ich werde Propheten und Apostel zu ihnen senden, und sie werden ei-nige von ihnen töten und andere verfolgen, damit das Blut aller Propheten, das seit der Erschaffung der Welt vergossen worden ist, an dieser Generation gerächt wird, vom Blut Abels bis zum Blut des Zacharias, der im Vorhof zwischen Altar und Tempel umgebracht wurde. Ja, das sage ich euch: An dieser Generation wird es gerächt werden.«

Obwohl Teile davon im Alten Testament38 zu finden sind, so ist doch diese Aussage Jesus’ nirgendwo in den hebräischen Schriften intakt zu finden. Torrey schließt daraus, dass der ein-führende Satz bei Lukas »Deshalb hat auch die Weisheit Gottes gesagt …« darauf hinweist, dass Jesus sich direkt auf eine Quel-le bezieht, die heute offensichtlich verloren gegangen ist.

Es ist meine Überzeugung, dass Jesus nicht nur Quellen zi-tiert hat, die nicht im Alten Testament enthalten sind, sondern dass er es tat, um das kommende Gericht zu erläutern, das über die Wächter wegen des Mordes an den Lichtträgern kommen wird, den die Gefallenen seit Anbeginn der Welt ständig be-gangen haben.

Zudem weist Torrey darauf hin, dass es im Neuen Testa-ment weitere Hinweise auf Schriften gibt, die heute verloren sind, den Aposteln aber bekannt waren. Ein solcher Hinweis kann bei Matthäus 27,9–10 gefunden werden.

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»So erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Sie nahmen die dreißig Silberstücke – das ist der Preis, den er den Israeliten wert war – und kauften für das Geld den Töpferacker, wie mir der Herr befohlen hatte.«

Der Text, den Matthäus Jeremia zuschreibt, ist aber im heu-tigen Alten Testament nicht zu finden. Der Kirchenvater Hie-ronymus schrieb im vierten Jahrhundert, dass ein Mitglied der Nazarener-Sekte ihm einen apokryphen Text Jeremias gezeigt hatte, in dem das Matthäus-Zitat exakt vorhanden war.39

Der Gedanke, dass Jesus genau so bereitwillig aus einem Buch zitierte, von dem er meinte, dass es vom Geist des Pa-triarchen Henoch erfüllt war, wie aus der Tora Moses, ist nicht so vermessen wie Deane meinte, glauben zu müssen. Warum sonst würde der Apostel Judas, von dem angenom-men wird, dass er Jesus’ Bruder war, eine ganze Epistel der Ge schichte der gefallenen Engel widmen, wie sie bei Henoch erzählt wurde?

Ich glaube, dass er die ausdrückliche Exegese des Werks des Patriarchen durch seinen Herrn zitierte und klarmachen wollte, dass Jesus sich selbst als einen sah, der gekommen war, die Generation der Saat der Bösen (der Wächter) zu entlarven, die er und Johannes der Täufer unter anderem als Vipern40 bezeichnet hatten, und die Nachkommen des Adam durch Set und die Söhne Jereds – die Kinder des Samens des Lichts – vor den Machenschaften der f leischgewordenen Engel zu schüt-zen. Jesus kam, um den Stab aufzuheben, den Henoch fal-lengelassen hatte, und um genau die Lehren fortzuführen, die Schlüsselaussagen der theologischen Debatte, die Henoch unvollendet gelassen hatte.

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Henochs Einf luss auf die Apostel

Der Henoch-Forscher R. H. Charles bemerkte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass »der Einf luss Henochs auf das Neue Tes-tament größer war als der aller anderen apokryphen und pseu-doepigraphen Bücher zusammen.41 Obwohl bis zum heuti gen Tag nur sehr wenige Menschen überhaupt jemals etwas von dem einf lussreichen Werk gehört haben, weist Charles darauf hin, dass »alle Autoren des Neuen Testaments damit ver traut waren und von seinen Gedanken und seiner Ausdrucksweise mehr oder weniger stark beeinf lusst waren«.42

So weist zum Beispiel Charles Francis Potter darauf hin, »dass Paulus gesagt habe, das Buch Henoch sei sein Vademe-kum, wörtlich sein ›geh mit mir‹, sein Handbuch, sein Nach-schlagewerk, von dem er häufig Gebrauch machte«.43 Viel-leicht zitiert Paulus das Buch Henoch indirekt in 1. Timotheus 6,16, wo er seinen Herrn Jesus Christus, den Unsterblichen, so beschreibt:

»… der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugäng-lichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag: Ihm gebührt Ehre und ewige Macht.«

Diese Beschreibung ähnelt der im Buch Henoch 14,23–24:

»Kein Engel konnte in dieses Haus eintreten und das Antlitz des Glorreichen und Strahlenden schauen. Kein Sterblicher konnte ihn sehen. Loderndes Feuer war rings um Ihn. Ein großes Feuer loderte vor Ihm auf, sodass keiner derjenigen, die bei Ihm waren, sich Ihm nähern konnte.«

Das Buch Henoch scheint auch die Quelle der Tadelung der Heiden durch Paulus zu sein. Er sagt: »… aber was man dort

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opfert, opfert man nicht Gott, sondern den Dämonen«.44 Das erinnert an die gottlosen Menschen bei Henoch 19,2:

»Und da ihre Zahl groß war, verführten sie die Menschen zur Gottlosigkeit und brachten sie dazu, allerlei Irrtümer zu begehen, sodass diese den Teufeln wie Göttern opferten.«

Die Aussage des Paulus »Ich kenne jemanden, einen Diener Christi, der vor 14 Jahren bis in den dritten Himmel entrückt wurde …«,45 wobei Paulus nicht sagen konnte, ob dies mit oder ohne Körper geschah, mag sich auf Henochs Hinweis auf die Existenz mehrerer Himmel beziehen, wie sie in He-nochs Hauptbuch und im Buch der Geheimnisse des Henoch beschrieben werden.

Ein anderes apokryphes Werk des Neuen Testaments, die Offenbarung des Paulus, beschreibt die Reise des Paulus durch mehrere Himmel und seine Begegnung mit einem grauhaari-gen, fröhlichen Mann, der – wie sich herausstellt – niemand anderes ist als der Patriarch Henoch selbst.

Der Autor schildert die Geschichte so:

»Und der Engel sprach zu mir: Hast du all diese Dinge ge sehen? Und ich antwortete: Ja, mein Herr. Und wieder sprach er zu mir: Komm, folge mir, ich will dir die Orte der Gerechten zeigen. Und ich folgte ihm und er brachte mich vor die Tore der Stadt. Und ich sah ein goldenes Tor und zwei goldene Säulen davor und darauf zwei goldene Tafeln voller Inschriften. Und der Engel sprach zu mir: Gesegnet ist, wer durch diese Tore geht, weil nicht jeder hindurch-geht, sondern nur die, deren Denken auf ein Ziel gerichtet ist, die ohne Schuld sind und ein reines Herz besitzen … Und sofort wurde das Tor geöffnet und heraus kam ein grauhaariger Mann, um uns zu begrüßen. Und er sprach

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zu mir: Willkommen, Paulus, Geliebter Gottes. Und mit einem fröhlichen Gesicht küsste er mich unter Tränen. Und ich sprach zu ihm: Vater, warum weinst du? Und er sprach zu mir: Gott hat den Menschen viele gute Dinge bereitet und sie folgen nicht Seinem Willen, um sich an ihnen erfreuen zu können. Und ich fragte den Engel: Mein Herr, wer ist das? Und er sprach zu mir: Das ist Henoch, der Zeuge des letzten Tages.«46

Der Apostel Johannes, Autor und Schreiber der biblischen Offenbarung des Jesus Christus, kam in seiner Symbolik, seinem Ton und seinen Beschreibungen Henoch noch näher. Viele seiner Visionen, mit denen die Liebhaber der Bibel ver-traut sind, können auch im Buch Henoch gefunden werden, zum Beispiel »der Herr der Herren und König der Könige«, das Werfen des Teufels in den Feuersee, die Vision der sieben Geister Gottes, der Baum, dessen Frucht für die Auserwählten bestimmt ist, die vier Tiere um den Thron, das Pferd, das bis zur Brust in Blut watet, und das Buch des Lebens.47

Manche glauben, dass die Ähnlichkeit der Offenbarung des Johannes zum apokryphen Buch Henoch beinahe verhindert hätte, dass es überhaupt in den offiziellen Kanon aufgenom-men wurde und dass es dies nur sehr knapp geschafft hatte, denn im dritten Jahrhundert lehnten zum Beispiel Dionysius von Alexandria und viele andere aus den Kirchen Syriens und Kleinasiens die Offenbarung aufgrund des literarischen Stils als nicht authentisch ab.48

In der Apostelgeschichte 10,34 wird Petrus mit den Wor-ten zitiert: »Jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht …« Dieselbe Formulierung, die auch Paulus verwendete, findet sich im Buch Henoch ebenso wie im fünften Buch Mose, dem Deuteronomium, auch in den beiden Chroniken und verstreut überall im Alten Testament. Das Buch Henoch

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ist unter Umständen die Quelle all dieser biblischen Fund-stellen.

Die beiden Petrus-Briefe im Neuen Testament scheinen ebenfalls auf dem Buch Henoch zu beruhen.49 In seinem zweiten Brief beschreibt Petrus das Binden und die Verban-nung der sündigen Engel in die Hölle. Er verurteilt die Bösen in Begriffen, die auch von Henoch stammen könnten.

So schreibt Petrus:

»… ein schmutziger Schandf leck sind sie, wenn sie in ihrer trügerischen Genusssucht mit euch prassen und schwelgen. Sie haben nur Augen für die Ehebrecherin und sind uner-sättlich in der Sünde. Sie locken haltlose Menschen an, deren Sinn nicht gefestigt ist; ihr Herz ist in der Habgier geübt, sie sind Kinder des Fluches.«50

Rendel Harris und M. R. James, zwei Spezialisten für Altgrie-chisch, mutmaßen, dass die erste Epistel des Petrus ursprüng-lich einen eindeutigen Hinweis auf Henoch enthielt, der aus späteren Kopien der Schrift entweder versehentlich oder ab-sichtlich entfernt wurde.51

Aber es gibt noch dramatischere Hinweise auf die früh-christliche Akzeptanz des Buches Henoch. In der Epistel des Judas wird eindeutig der Inhalt des Buches Henoch erörtert. Dort steht:

»Denn es haben sich einige Leute eingeschlichen, die schon seit Langem für das Gericht vorgemerkt sind: gottlose Men-schen, die die Gnade unseres Gottes dazu missbrauchen, ein zügelloses Leben zu führen … Diese Menschen sind ein Schandf leck bei eurem Liebesmahl, an dem sie ohne Scheu teilnehmen und es sich gut gehen lassen; sie sind Hirten, die eine Weide für sich selbst suchen. Wasserlose Wolken

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Elizabeth Clare Prophet

Gefallene Engel und der Ursprung des BösenDas verbotene Buch Henoch und seine erstaunlichenOffenbarungen

Taschenbuch, Broschur, 496 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-453-70234-9

Heyne Spiritualität und Esoterik

Erscheinungstermin: Juli 2013

Vergessenes Wissen und unterdrückte Wahrheit Einst brachten sie das Virus des Bösen auf die Erde – und bis heute nehmen sie unerkanntteil am Ränkespiel der großen Mächte unserer Zeit: Die gefallenen Engel, von denen dasBuch Henoch berichtet, sind immer noch unter uns! Elizabeth Clare Prophet schildert diespannenden Kontroversen um die geheimnisvolle Schrift des Propheten Henoch, die von derKirche jahrhundertelang unterdrückt wurde. Ein kosmisches Drama von Licht und Dunkelheit,das enthüllt, wie das Böse in die Welt kam und warum es noch immer seine unheilvolle Machtausübt.