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Münchner Merkur Nr. 77 | Mittwoch, 4. April 2018 17 Leben im Alter Telefon: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 AKTUELLE TIPPS FÜR SENIOREN Bezahlte Pflegezeit für Angehörige? Die Bundesarbeitsgemein- schaft der Senioren-Orga- nisationen (BAGSO) set- zen sich für eine mehrmo- natige Pflegezeit nach dem Modell der Elternzeit ein. Der Vorsitzende Franz Müntefering betont am heutigen Tag der älteren Generation: „In Deutsch- land werden die meisten Pflegebedürftigen zuhause von ihren Angehörigen ge- pflegt. Viele der pflegen- den Angehörigen sind be- rufstätig. Sie brauchen Un- terstützung, um diese wichtige und verantwor- tungsvolle Aufgabe leisten zu können.“ Weiterhin sagte Müntefering: „Was uns für Eltern heute als selbstverständlich er- scheint, muss auch für pflegende Angehörige gel- ten. Sie brauchen eine staatlich finanzierte Lohn- ersatzleistung – mindes- tens für einige Monate.“ Die aktuellen Regelungen des Pflegezeitgesetzes, die zur Vereinbarkeit von be- ruflichen und pflegeri- schen Aufgaben beitragen sollen, reichten nicht aus. Siegel helfen nicht bei Pflegeeinrichtungen Wer eine Pflegeeinrich- tung sucht, sollte sich nicht auf Siegel oder Zerti- fikate verlassen. Der Markt für solche Siegel sei nur schwer zu durch- schauen, heißt es beim Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Für die Auszeichnungen werden zwar Bereiche wie Hygie- nestandards oder Medika- mentenmanagement von externen Stellen überprüft. Die Kriterien und Prüfver- fahren seien aber von Sie- gel zu Siegel unterschied- lich. Insofern sage ein Zer- tifikat kaum etwas über die tatsächliche Pflegequa- lität aus. Es könne ledig- lich Hinweise auf be- stimmte Strukturen oder Schwerpunkte eines An- gebots geben. Eine aktuel- le Übersicht über die Sie- gel finden Interessierte auf der Seite www.zqp.de. Wer ein Pflegeheim sucht, sollte sich vor Ort selbst ein Bild machen, erläutert Ralf Suhr, Vorstandsvor- sitzender des ZQP. Auf Folgendes können Interes- sierte achten: Wie viele Pflegekräfte sind im Dienst? Wie freundlich begegnen sie den Bewoh- nern? Und passt das Ange- bot zu den Bedürfnissen des künftigen Bewohners? Ein Gespräch mit der Heimleitung kann zusätz- lich für Klarheit sorgen. Augenkontrollen für Diabetiker wichtig Ein zu hoher Blutzucker- spiegel kann die Augen nachhaltig schädigen. Auch deshalb sei eine gute Blutzucker-Einstellung bei Diabetes-Patienten wich- tig, erläutert der Augenarzt Tim Behme in der Zeit- schrift „Diabetes Extra“ der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerver- bände. Zudem seien regel- mäßige Kontrollen beim Augenarzt sinnvoll. Ist der Blutzucker dauerhaft zu hoch, wird die Durchblu- tung der kleinen Gefäße im Auge eingeschränkt. Der Körper steuert gegen und bildet neue Blutgefä- ße, die jedoch Schaden anrichten können. Nur wenn solche Veränderun- gen im Auge frühzeitig er- kannt werden, lassen sie sich behandeln. Und: Dia- betiker sollten keinesfalls rauchen. Denn auch das tut der Netzhaut nicht gut. heilbar. Wir können also nur noch die Symptome lindern. In der Regel bedeutet das: Obwohl sie komplett beschwerdefrei sind, können Sie trotzdem ein Prostatakarzinom haben oder eines bekommen. 4. „Ich fühle mich pudelwohl, also besteht keinerlei Gefahr.“ Allgemeines Wohlbefinden ist ebenfalls kein Ausschlusskriterium für eine Erkrankung. Wenn Sie sich topfit fühlen, kann es trotz- dem sein, dass Sie erkrankt sind und mit einer Diagnose böse aus dem Leben geris- sen werden. Oft hört man das auch aus dem Bekanntenkreis: „Der sah doch super aus. Es kann doch nicht sein, dass ausge- rechnet er Krebs hat.“ Zusammengefasst von Angelika Mayr. er daher, weil viele Herren denken, ihr Vater hatte das nicht – also bekommen sie das auch nicht. Das ist Unsinn. Auch sie haben ein Risiko. Aber wenn der Vater oder der Bruder Krebs hatte, ist das eigene Risiko noch mal erhöht: um das Zweifache. Wenn dann ein Verwandter zweiten Grades, wie ein Onkel, ebenfalls erkrankt ist, ist das Risiko bereits um ein Achtfaches erhöht. 3. „Ich spüre schon, wenn etwas nicht stimmt.“ Das denken viele Männer und das sagen mir auch viele, wenn sie erstmals in meine Sprechstunde kommen. Das ist aber ein großer Trugschluss, denn das Karzinom spürt man erst dann, wenn es zu spät ist. Tun der Rücken oder auch die Wirbelkörper weh, ist oft schon nichts mehr zu machen. Dann gibt es sehr oft bereits Metastasen im Knochensystem – der Krebs ist nicht mehr Privatdozent Michael Seitz wird mit vielen Ausflüchten und Mythen, warum Männer nicht zur Vorsorge gehen wollen, in der UroClinic Bogenhausen täglich konfron- tiert. Hier erklärt er, was an den Sätzen wahr oder falsch ist: 1. „Man braucht nur bis 65 Jahren jährlich zur Vorsorge gehen. Danach reicht es alle zwei Jahre.“ Nein, es gibt von mehreren Fachgesellschaften festgesetzte Leitlinien. Dort heißt es explizit, dass Mann ab dem 45. Lebensjahr jährlich zur Vorsorge gehen sollte – ohne Einschränkungen. Außerdem zahlt die Krankenkasse die Untersuchung jährlich. Es gibt auch keine Staffelung. 2. „Prostata-Krebs bekomme ich nicht.“ Diesen Satz höre ich öfter. Vielleicht kommt Mythen und beliebte Verweigerungssprüche im Arztcheck Viele Männer beißen lieber die Zähne zusammen, als zum Arzt zu gehen. Die Krebsvorsorge empfinden dabei so einige als überflüs- sig. Das ist fatal. Die Kassen bezahlen schon ab 45 Vor- sorgeuntersuchungen. Wir sprachen mit Privatdozent Michael Seitz von der Urocli- nic Bogenhausen, wie er mit männlichen „Vorsorgemuf- feln“ umgeht – und warum kein Mann Angst haben muss. - Treffen Sie in Ihrer urologischen Praxis oft auf Vorsorgemuffel? Oh ja, ich höre am Tag be- stimmt zwei bis drei Mal den Satz: „Mich hat meine Frau geschickt.“ Frauen sind, was die Vorsorge betrifft, einfach versierter: Sie fangen ja schon ab Anfang 20 mit ent- sprechenden Untersuchun- gen an. Deshalb sind sie auch bei ihren Ehemännern so da- hinter. Zugleich muss ich aber auch betonen, dass die Herren, die dann auf Geheiß ihrer Partnerinnen zu mir kommen, meist später wieder nach Hause gehen und sa- gen: „Hätte ich gewusst, dass diese Vorsorgeuntersuchung so wenig unangenehm ist, hätte ich damit schon viel früher angefangen.“ - Warum ist die Vorsor- ge so wichtig? Der Prostatakrebs ist mit et- wa 70 000 Neuerkrankungen im Jahr in Deutschland die häufigste Tumorerkrankung bei Männern – besonders be- troffen sind ältere. Blasen- und Nierenzellkarzinome kommen an vierter oder sieb- ter Stelle laut der Statistik des Robert-Koch-Instituts. Das bedeutet, dass die Urolo- gie drei wichtige Tumoren abdeckt, die ein Mann im Laufe seines Lebens bekom- men kann. Und je früher eine Diagnose gestellt wird, desto günstiger sind die Heilungs- chancen. - Wie läuft eine Vorsor- geuntersuchung ab, die von den Krankenkassen bezahlt wird? Es gibt ein kurzes Gespräch und dann eine Untersuchung der lokalen Lymphknoten und der Schleimhäute des so- genannten Urogenitalsys- tems sowie die Tastuntersu- chung über den Enddarm. Dieses Tasten ist für viele Männer wohl das größte Hemmnis: Die meisten wol- len dem Arzt nicht das nack- te Hinterteil entgegenstre- cken. Dabei dauert das Gan- ze maximal 15 Sekunden. Zwar ist die Untersuchung selbst unangenehm. Aber sie tut in der Regel nicht weh. Letzten Endes spürt der Mann dabei nicht mehr, als würde er beim Stuhlgang auf der Toilette sitzen. - Können Sie uns bitte Ihr Vorgehen erklären? Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten einer Tastun- tersuchung. Bei mir liegt der Patient in der Links-Seitenla- ge in einer Embryo-Stellung, die Beine sind angezogen, die Knie zeigen in Richtung Kinn. Dann ziehe ich Plastik- handschuhe an und benetze meinen Zeigefinger mit Vase- line. Bei der Untersuchung wird der Schließmuskel mi- nimal erweitert, damit ich in den Enddarm komme. So kann ich die Prostata sehr gut ertasten. Ich fahre sie ab und schaue, ob es höckrige Ver- änderungen oder harte, auf- fällige Areale gibt. Diese Ver- änderungen können auf Krebs hinweisen. Außerdem fühle ich die Größe. Dann übe ich Druck aus und teste, ob das für den Patienten schmerzhaft ist. Wenn ja, UNTERSUCHUNGEN AB 45 ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Prostatakrebs: Vorsorgemuffel Mann Urologe Dr. Michael Seitz spricht über die gefährliche Zurückhaltung von Männern – und darüber, wie es anders geht - Welche zusätzliche Untersuchung sollte sich jeder Mann leisten? Neben eines Ultraschalls der Nieren, sollte er auf jeden Fall den PSA-Wert (Prostata- spezifisches Antigen) bestim- men lassen. Das übernimmt die Kasse nicht; es kostet beim Urologen zwischen 25 und 35 Euro. Wenn der Wert erhöht ist, ist das zwar keine Diagnose für einen Prostata- krebs, aber der Arzt und der Patient wissen dann, dass hier Kontrollen folgen soll- ten. In den folgenden Jahren beobachtet man, wie sich dieser Wert entwickelt. Steigt er an, kann das ein Indiz für Prostatakrebs sein. - Der PSA-Wert ist aber umstritten, oder? Er ist tatsächlich lange Zeit in der Kritik gestanden. Es hieß, dass er nicht zur Ver- ringerung der Sterblichkeit beiträgt. Zudem seien über- mäßig viele Krebsdiagnosen bei Patienten, die keiner The- rapie bedürfen, gestellt wor- den. Inzwischen gibt es aber sehr gute Studien aus Europa und den USA: Diese zeigen, dass für jedes Jahr, die ein Prostatakarzinom durch die Früherkennung tatsächlich früher entdeckt wurde, es zu einem Rückgang der prosta- takrebsspezifischen Sterb- lichkeit um sieben bis neun Prozent kam. Das ist be- trächtlich und deswegen ist der PSA-Wert wichtig. Ob man den Test jährlich ma- chen sollte, hängt vom Alter des Mannes und vom Wert des Tests ab. - Was empfehlen Sie Vorsorgemuffeln noch? Heute wird der Großteil der Nierentumoren als Zufalls- befund im Ultraschall ent- deckt. Meist handelt es sich dabei um kleine Tumoren, die sehr gut operiert werden können. Auch hier gilt: je frü- her diagnostiziert, desto bes- ser sind die Heilungschan- cen. Der Ultraschall der Nie- ren ist absolut schmerzlos und stellt keinen Luxus dar, wenngleich er auch von der Kasse nicht bezahlt wird. Ferner kann ein Tumormar- ker aus dem Urin bestimmt werden, um einen Blasen- krebs frühzeitig zu erkennen. Ein solcher Test ist nicht bil- lig – er liegt bei etwa 50 Euro. Er sollte nicht wahllos ange- boten werden, macht aber bei bestimmten Risikokon- stellationen Sinn – wie bei Rauchern, Friseuren, Lackie- rern, Arbeitern in der chemi- schen Industrie und wenn je- mand aus der Familie einen Blasentumor hatte. - Wenn all das einen Mann trotzdem nicht zur Vorsorge bewegt: Haben Sie einen finalen Trick? Das wichtigste Argument für Vorsorgemuffel lautet wohl: Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Vorsorge hinaus- zuzögern. Bestenfalls weiß der Mann früher, dass „alles in Ordnung“ ist, schlechtes- tenfalls steigen bei früherer Diagnose die Heilungsaus- sichten – also warum war- ten? Ich sehe es in der Praxis viel zu häufig, dass Patienten – zu spät – mit Metastasen kommen, dann ist eine dau- erhafte Heilung in der Regel nicht mehr möglich. Gerade beim Prostata-Karzinom ist das urologischer Alltag. Interview: Angelika Mayr Linken-Politiker Oskar Lafontaine (74) erkrankte 2009 an Krebs. Ihm wurde bei einer OP die Prostata entfernt. Kabarettist Dieter Hildebrandt (1927–2013) starb am Tag nach Bekannt- machung seiner Krebserkrankung. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920–2013) kämpfte ebenfalls gegen Prostatakrebs – ohne Erfolg. Unser Experte Michael Seitz von der UroClinic Bogenhausen ren. Und eine Heilung ist im frühen Stadium des Prostata- krebses die Regel. Mit dem alleinigen Tasten über den Enddarm kann ich aber häu- fig nur ein fortgeschrittenes Karzinom erkennen, in der Tiefe der Prostata liegende Karzinome können oft nicht oder zu spät getastet werden. Ergo: Das, was der Mann un- ter dem Begriff „Vorsorgeun- tersuchung“ gesetzlich be- kommt, ist das Wort nicht wert. Als Arzt sitzt man also zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite darf ich dem Patienten nicht das Gefühl geben, dass ich ihm weitere Untersuchungen, die Geld kosten, aus Eigeninteresse empfehle. Auf der anderen könnte das ein Hinweis auf eine Entzündung sein. - Danach findet ein wei- teres Gespräch statt ... Hier berichte ich dem Patien- ten über die Untersuchungs- ergebnisse, zum Beispiel, dass nach dem Tastbefund die Prostata in Ordnung ist – oder eben nicht. Selbst wenn ich keine Auffälligkeiten er- tastet habe, sollte der Patient nach einem Jahr wiederkom- men – auch das zahlt die Kas- se. Oft erläutere ich noch, was es für zusätzliche Mög- lichkeiten zur Vorsorgeun- tersuchung gibt, die nicht Be- standteil der Leistungen der Krankenkassen sind. So be- kommt der Patient einen Ein- druck davon, was ihm noch zur Verfügung steht. Denn die vorher erwähnten Er- krankungen wie Nieren- oder Blasenkrebs können mit diesen Untersuchungen nicht erfasst werden. Das muss der Patient wissen! - Warum sind Ihrer Mei- nung nach zusätzliche Leistungen wichtig? Es gibt ein riesiges Problem mit der klassischen Vorsor- geuntersuchung: Sie ist keine Vorsorgeuntersuchung im Sinne einer Früherkennung. Früherkennung würde be- deuten, dass wir den Krebs zum frühestmöglichen Zeit- punkt feststellen, um die Hei- lungschancen zu maximie- Seite erwartet er, dass ich ihn mit den Worten „Alles ist gut bei Ihnen“ nach Hause schi- cke. Aber das kann ich nicht. - Was empfehlen Sie? Eines ist klar: Es ist besser, die Tastuntersuchung in An- spruch zu nehmen, als gar nichts zu machen. Aber man sollte sich überlegen, ob man nicht doch etwas investieren möchte. Unter bestimmten Voraussetzungen und in Ab- sprache mit dem Arzt kön- nen Zusatzuntersuchungen auch „nur“ alle zwei Jahre ge- macht werden. Damit erhö- hen sich die Chancen erheb- lich, dass der Mann zum Zeitpunkt der Untersuchung auch wirklich tumorfrei ist. Schauspieler Ben Stiller (52) erzählte, dass 2014 ein PSA-Test den Krebs verriet. Heute gilt er als geheilt. Sänger Frank Zander (76) geht oft zur Vorsorge. 2017 war ein PSA-Wert zu hoch. Der Tumor wurde entfernt. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach (65) ist seit dem Jahr 2010 unheilbar an Prostatakrebs erkrankt. DPA (8), REUTERS Schauspieler Robert de Niro (74) konnte 2002 eine Wucherung an der Prostata entfernt werden. Die brasilianische Legende Pelé (77) musste sich im Jahr 2015 einer Prostata-Operation unterziehen. Fußballtrainer Otto Rehhagel (79) ließ sich 2010 an der Prostata operieren. Kurz darauf konnte er zur WM reisen.

Prostatakrebs: Vorsorgemuffel Mann FÜR SENIOREN...2018/04/04  · Kinn. Dann ziehe ich Plastik-handschuhe an und benetze meinen Zeigefinger mit Vase-line. Bei der Untersuchung wird

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Page 1: Prostatakrebs: Vorsorgemuffel Mann FÜR SENIOREN...2018/04/04  · Kinn. Dann ziehe ich Plastik-handschuhe an und benetze meinen Zeigefinger mit Vase-line. Bei der Untersuchung wird

Münchner Merkur Nr. 77 | Mittwoch, 4. April 2018 17Leben im AlterTelefon: (089) 53 [email protected]

Telefax: (089) 53 06-86 61

AKTUELLE TIPPSFÜR SENIOREN

Bezahlte Pflegezeitfür Angehörige?Die Bundesarbeitsgemein-schaft der Senioren-Orga-nisationen (BAGSO) set-zen sich für eine mehrmo-natige Pflegezeit nach demModell der Elternzeit ein.Der Vorsitzende FranzMüntefering betont amheutigen Tag der älterenGeneration: „In Deutsch-land werden die meistenPflegebedürftigen zuhausevon ihren Angehörigen ge-pflegt. Viele der pflegen-den Angehörigen sind be-rufstätig. Sie brauchen Un-terstützung, um diesewichtige und verantwor-tungsvolle Aufgabe leistenzu können.“ Weiterhinsagte Müntefering: „Wasuns für Eltern heute alsselbstverständlich er-scheint, muss auch fürpflegende Angehörige gel-ten. Sie brauchen einestaatlich finanzierte Lohn-ersatzleistung – mindes-tens für einige Monate.“Die aktuellen Regelungendes Pflegezeitgesetzes, diezur Vereinbarkeit von be-ruflichen und pflegeri-schen Aufgaben beitragensollen, reichten nicht aus.

Siegel helfen nicht beiPflegeeinrichtungenWer eine Pflegeeinrich-tung sucht, sollte sichnicht auf Siegel oder Zerti-fikate verlassen. DerMarkt für solche Siegel seinur schwer zu durch-schauen, heißt es beimZentrum für Qualität inder Pflege (ZQP). Für dieAuszeichnungen werdenzwar Bereiche wie Hygie-nestandards oder Medika-mentenmanagement vonexternen Stellen überprüft.Die Kriterien und Prüfver-fahren seien aber von Sie-gel zu Siegel unterschied-lich. Insofern sage ein Zer-tifikat kaum etwas überdie tatsächliche Pflegequa-lität aus. Es könne ledig-lich Hinweise auf be-stimmte Strukturen oderSchwerpunkte eines An-gebots geben. Eine aktuel-le Übersicht über die Sie-gel finden Interessierte aufder Seite www.zqp.de.Wer ein Pflegeheim sucht,sollte sich vor Ort selbstein Bild machen, erläutertRalf Suhr, Vorstandsvor-sitzender des ZQP. AufFolgendes können Interes-sierte achten: Wie vielePflegekräfte sind imDienst? Wie freundlichbegegnen sie den Bewoh-nern? Und passt das Ange-bot zu den Bedürfnissendes künftigen Bewohners?Ein Gespräch mit derHeimleitung kann zusätz-lich für Klarheit sorgen.

Augenkontrollen fürDiabetiker wichtigEin zu hoher Blutzucker-spiegel kann die Augennachhaltig schädigen.Auch deshalb sei eine guteBlutzucker-Einstellung beiDiabetes-Patienten wich-tig, erläutert der AugenarztTim Behme in der Zeit-schrift „Diabetes Extra“der BundesvereinigungDeutscher Apothekerver-bände. Zudem seien regel-mäßige Kontrollen beimAugenarzt sinnvoll. Ist derBlutzucker dauerhaft zuhoch, wird die Durchblu-tung der kleinen Gefäßeim Auge eingeschränkt.Der Körper steuert gegenund bildet neue Blutgefä-ße, die jedoch Schadenanrichten können. Nurwenn solche Veränderun-gen im Auge frühzeitig er-kannt werden, lassen siesich behandeln. Und: Dia-betiker sollten keinesfallsrauchen. Denn auch dastut der Netzhaut nicht gut.

heilbar. Wir können also nur noch dieSymptome lindern. In der Regel bedeutetdas: Obwohl sie komplett beschwerdefreisind, können Sie trotzdem einProstatakarzinom haben oder einesbekommen.

4. „Ich fühle mich pudelwohl, alsobesteht keinerlei Gefahr.“ AllgemeinesWohlbefinden ist ebenfalls keinAusschlusskriterium für eine Erkrankung.Wenn Sie sich topfit fühlen, kann es trotz-dem sein, dass Sie erkrankt sind und miteiner Diagnose böse aus dem Leben geris-sen werden. Oft hört man das auch ausdem Bekanntenkreis: „Der sah doch superaus. Es kann doch nicht sein, dass ausge-rechnet er Krebs hat.“

Zusammengefasst von Angelika Mayr.

er daher, weil viele Herren denken, ihr Vaterhatte das nicht – also bekommen sie dasauch nicht. Das ist Unsinn. Auch sie habenein Risiko. Aber wenn der Vater oder derBruder Krebs hatte, ist das eigene Risikonoch mal erhöht: um das Zweifache. Wenndann ein Verwandter zweiten Grades, wieein Onkel, ebenfalls erkrankt ist, ist dasRisiko bereits um ein Achtfaches erhöht.

3. „Ich spüre schon, wenn etwas nichtstimmt.“ Das denken viele Männer und dassagen mir auch viele, wenn sie erstmals inmeine Sprechstunde kommen. Das ist aberein großer Trugschluss, denn das Karzinomspürt man erst dann, wenn es zu spät ist.Tun der Rücken oder auch die Wirbelkörperweh, ist oft schon nichts mehr zu machen.Dann gibt es sehr oft bereits Metastasen imKnochensystem – der Krebs ist nicht mehr

Privatdozent Michael Seitz wird mit vielenAusflüchten und Mythen, warum Männernicht zur Vorsorge gehen wollen, in derUroClinic Bogenhausen täglich konfron-tiert. Hier erklärt er, was an den Sätzenwahr oder falsch ist:

1. „Man braucht nur bis 65 Jahren jährlichzur Vorsorge gehen. Danach reicht es allezwei Jahre.“ Nein, es gibt von mehrerenFachgesellschaften festgesetzte Leitlinien.Dort heißt es explizit, dass Mann ab dem45. Lebensjahr jährlich zur Vorsorge gehensollte – ohne Einschränkungen. Außerdemzahlt die Krankenkasse die Untersuchungjährlich. Es gibt auch keine Staffelung.

2. „Prostata-Krebs bekomme ich nicht.“Diesen Satz höre ich öfter. Vielleicht kommt

Mythen und beliebte Verweigerungssprüche im Arztcheck

Viele Männer beißen lieberdie Zähne zusammen, alszum Arzt zu gehen. DieKrebsvorsorge empfindendabei so einige als überflüs-sig. Das ist fatal. Die Kassenbezahlen schon ab 45 Vor-sorgeuntersuchungen. Wirsprachen mit PrivatdozentMichael Seitz von der Urocli-nic Bogenhausen, wie er mitmännlichen „Vorsorgemuf-feln“ umgeht – und warumkein Mann Angst habenmuss.

-Treffen Sie in Ihrer

urologischen Praxis oft aufVorsorgemuffel?

Oh ja, ich höre am Tag be-stimmt zwei bis drei Mal denSatz: „Mich hat meine Fraugeschickt.“ Frauen sind, wasdie Vorsorge betrifft, einfachversierter: Sie fangen jaschon ab Anfang 20 mit ent-sprechenden Untersuchun-gen an. Deshalb sind sie auchbei ihren Ehemännern so da-hinter. Zugleich muss ichaber auch betonen, dass dieHerren, die dann auf Geheißihrer Partnerinnen zu mirkommen, meist später wiedernach Hause gehen und sa-gen: „Hätte ich gewusst, dassdiese Vorsorgeuntersuchungso wenig unangenehm ist,hätte ich damit schon vielfrüher angefangen.“

-Warum ist die Vorsor-

ge so wichtig?Der Prostatakrebs ist mit et-wa 70 000 Neuerkrankungenim Jahr in Deutschland diehäufigste Tumorerkrankungbei Männern – besonders be-troffen sind ältere. Blasen-und Nierenzellkarzinomekommen an vierter oder sieb-ter Stelle laut der Statistikdes Robert-Koch-Instituts.Das bedeutet, dass die Urolo-gie drei wichtige Tumorenabdeckt, die ein Mann imLaufe seines Lebens bekom-men kann. Und je früher eineDiagnose gestellt wird, destogünstiger sind die Heilungs-chancen.

-Wie läuft eine Vorsor-

geuntersuchung ab, dievon den Krankenkassenbezahlt wird?

Es gibt ein kurzes Gesprächund dann eine Untersuchungder lokalen Lymphknotenund der Schleimhäute des so-genannten Urogenitalsys-tems sowie die Tastuntersu-chung über den Enddarm.Dieses Tasten ist für vieleMänner wohl das größteHemmnis: Die meisten wol-len dem Arzt nicht das nack-te Hinterteil entgegenstre-cken. Dabei dauert das Gan-ze maximal 15 Sekunden.Zwar ist die Untersuchungselbst unangenehm. Aber sietut in der Regel nicht weh.Letzten Endes spürt derMann dabei nicht mehr, alswürde er beim Stuhlgang aufder Toilette sitzen.

-Können Sie uns bitte

Ihr Vorgehen erklären?Es gibt unterschiedlicheMöglichkeiten einer Tastun-tersuchung. Bei mir liegt derPatient in der Links-Seitenla-ge in einer Embryo-Stellung,die Beine sind angezogen, dieKnie zeigen in RichtungKinn. Dann ziehe ich Plastik-handschuhe an und benetzemeinen Zeigefinger mit Vase-line. Bei der Untersuchungwird der Schließmuskel mi-nimal erweitert, damit ich inden Enddarm komme. Sokann ich die Prostata sehr gutertasten. Ich fahre sie ab undschaue, ob es höckrige Ver-änderungen oder harte, auf-fällige Areale gibt. Diese Ver-änderungen können aufKrebs hinweisen. Außerdemfühle ich die Größe. Dannübe ich Druck aus und teste,ob das für den Patientenschmerzhaft ist. Wenn ja,

UNTERSUCHUNGEN AB 45 .............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Prostatakrebs: Vorsorgemuffel MannUrologe Dr. Michael Seitz spricht über die gefährliche Zurückhaltung von Männern – und darüber, wie es anders geht

-Welche zusätzliche

Untersuchung sollte sichjeder Mann leisten?

Neben eines Ultraschalls derNieren, sollte er auf jedenFall den PSA-Wert (Prostata-spezifisches Antigen) bestim-men lassen. Das übernimmtdie Kasse nicht; es kostetbeim Urologen zwischen 25und 35 Euro. Wenn der Werterhöht ist, ist das zwar keineDiagnose für einen Prostata-krebs, aber der Arzt und derPatient wissen dann, dasshier Kontrollen folgen soll-ten. In den folgenden Jahrenbeobachtet man, wie sichdieser Wert entwickelt. Steigter an, kann das ein Indiz fürProstatakrebs sein.

-Der PSA-Wert ist aber

umstritten, oder?Er ist tatsächlich lange Zeitin der Kritik gestanden. Eshieß, dass er nicht zur Ver-ringerung der Sterblichkeitbeiträgt. Zudem seien über-mäßig viele Krebsdiagnosenbei Patienten, die keiner The-rapie bedürfen, gestellt wor-den. Inzwischen gibt es abersehr gute Studien aus Europaund den USA: Diese zeigen,dass für jedes Jahr, die einProstatakarzinom durch dieFrüherkennung tatsächlichfrüher entdeckt wurde, es zueinem Rückgang der prosta-takrebsspezifischen Sterb-lichkeit um sieben bis neunProzent kam. Das ist be-trächtlich und deswegen istder PSA-Wert wichtig. Obman den Test jährlich ma-chen sollte, hängt vom Alterdes Mannes und vom Wertdes Tests ab.

-Was empfehlen Sie

Vorsorgemuffeln noch?Heute wird der Großteil derNierentumoren als Zufalls-befund im Ultraschall ent-deckt. Meist handelt es sichdabei um kleine Tumoren,die sehr gut operiert werdenkönnen. Auch hier gilt: je frü-her diagnostiziert, desto bes-ser sind die Heilungschan-cen. Der Ultraschall der Nie-ren ist absolut schmerzlosund stellt keinen Luxus dar,wenngleich er auch von derKasse nicht bezahlt wird.Ferner kann ein Tumormar-ker aus dem Urin bestimmtwerden, um einen Blasen-krebs frühzeitig zu erkennen.Ein solcher Test ist nicht bil-lig – er liegt bei etwa 50 Euro.Er sollte nicht wahllos ange-boten werden, macht aberbei bestimmten Risikokon-stellationen Sinn – wie beiRauchern, Friseuren, Lackie-rern, Arbeitern in der chemi-schen Industrie und wenn je-mand aus der Familie einenBlasentumor hatte.

-Wenn all das einen

Mann trotzdem nicht zurVorsorge bewegt: HabenSie einen finalen Trick?

Das wichtigste Argument fürVorsorgemuffel lautet wohl:Es gibt keinen vernünftigenGrund, die Vorsorge hinaus-zuzögern. Bestenfalls weißder Mann früher, dass „allesin Ordnung“ ist, schlechtes-tenfalls steigen bei frühererDiagnose die Heilungsaus-sichten – also warum war-ten? Ich sehe es in der Praxisviel zu häufig, dass Patienten– zu spät – mit Metastasenkommen, dann ist eine dau-erhafte Heilung in der Regelnicht mehr möglich. Geradebeim Prostata-Karzinom istdas urologischer Alltag.

Interview: Angelika Mayr

Linken-Politiker Oskar Lafontaine (74)erkrankte 2009 an Krebs. Ihm wurdebei einer OP die Prostata entfernt.

Kabarettist Dieter Hildebrandt(1927–2013) starb am Tag nach Bekannt-machung seiner Krebserkrankung.

Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki(1920–2013) kämpfte ebenfallsgegen Prostatakrebs – ohne Erfolg.

UnserExperteMichael Seitzvon derUroClinicBogenhausen

ren. Und eine Heilung ist imfrühen Stadium des Prostata-krebses die Regel. Mit demalleinigen Tasten über denEnddarm kann ich aber häu-fig nur ein fortgeschrittenesKarzinom erkennen, in derTiefe der Prostata liegendeKarzinome können oft nichtoder zu spät getastet werden.Ergo: Das, was der Mann un-ter dem Begriff „Vorsorgeun-tersuchung“ gesetzlich be-kommt, ist das Wort nichtwert. Als Arzt sitzt man alsozwischen den Stühlen: Aufder einen Seite darf ich demPatienten nicht das Gefühlgeben, dass ich ihm weitereUntersuchungen, die Geldkosten, aus Eigeninteresseempfehle. Auf der anderen

könnte das ein Hinweis aufeine Entzündung sein.

-Danach findet ein wei-

teres Gespräch statt ...Hier berichte ich dem Patien-ten über die Untersuchungs-ergebnisse, zum Beispiel,dass nach dem Tastbefunddie Prostata in Ordnung ist –oder eben nicht. Selbst wennich keine Auffälligkeiten er-tastet habe, sollte der Patientnach einem Jahr wiederkom-men – auch das zahlt die Kas-se. Oft erläutere ich noch,was es für zusätzliche Mög-lichkeiten zur Vorsorgeun-tersuchung gibt, die nicht Be-standteil der Leistungen derKrankenkassen sind. So be-kommt der Patient einen Ein-

druck davon, was ihm nochzur Verfügung steht. Denndie vorher erwähnten Er-krankungen wie Nieren-oder Blasenkrebs können mitdiesen Untersuchungen nichterfasst werden. Das muss derPatient wissen!

-Warum sind Ihrer Mei-

nung nach zusätzlicheLeistungen wichtig?

Es gibt ein riesiges Problemmit der klassischen Vorsor-geuntersuchung: Sie ist keineVorsorgeuntersuchung imSinne einer Früherkennung.Früherkennung würde be-deuten, dass wir den Krebszum frühestmöglichen Zeit-punkt feststellen, um die Hei-lungschancen zu maximie-

Seite erwartet er, dass ich ihnmit den Worten „Alles ist gutbei Ihnen“ nach Hause schi-cke. Aber das kann ich nicht.

-Was empfehlen Sie?

Eines ist klar: Es ist besser,die Tastuntersuchung in An-spruch zu nehmen, als garnichts zu machen. Aber mansollte sich überlegen, ob mannicht doch etwas investierenmöchte. Unter bestimmtenVoraussetzungen und in Ab-sprache mit dem Arzt kön-nen Zusatzuntersuchungenauch „nur“ alle zwei Jahre ge-macht werden. Damit erhö-hen sich die Chancen erheb-lich, dass der Mann zumZeitpunkt der Untersuchungauch wirklich tumorfrei ist.

Schauspieler Ben Stiller (52) erzählte,dass 2014 ein PSA-Test den Krebsverriet. Heute gilt er als geheilt.

Sänger Frank Zander (76) geht oft zurVorsorge. 2017 war ein PSA-Wert zuhoch. Der Tumor wurde entfernt.

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach (65)ist seit dem Jahr 2010 unheilbar anProstatakrebs erkrankt. DPA (8), REUTERS

Schauspieler Robert de Niro (74)konnte 2002 eine Wucherung an derProstata entfernt werden.

Die brasilianische Legende Pelé (77)musste sich im Jahr 2015 einerProstata-Operation unterziehen.

Fußballtrainer Otto Rehhagel (79) ließsich 2010 an der Prostata operieren.Kurz darauf konnte er zur WM reisen.