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Delivered by Publishing Technology Harvard University 128.103.149.52 Thu, 19 Jun 2014 23:48:19 Copyright Mohr Siebeck JZ 21/2009 Wolfgang Fleck Begriff und Funktion der Billigkeitbei § 284 BGB 1053 eller und konsumptiver Aufwendungen ist nach der Renta- bilitätsvermutung schon per definitionem ausgeschlossen nach § 284 BGB sind demgegenüber solche Aufwendungen prinzipiell ebenso ersatzfähig wie erwerbswirtschaftliche. 69 Es ist vielmehr die abstrakte Gewichtung der Interessen von Gläubiger und Schuldner, die zu diesen Vermutungs- regeln führt. Selbstverständlich wird man in vielen Fällen die eine wie die andere Vermutung widerlegen können. Wenn der Gläubiger geltend macht, er habe ein zu privaten Zwe- cken gekauftes Zubehörteil besonders günstig nur vor dem Erfüllungstermin erwerben können, ist dies ein Interesse, das in die Abwägung einzustellen und grundsätzlich geeignet ist, das Kriterium rationalen Verhaltens zu erfüllen. Da der Schuldner in aller Regel nichts über die Handlungs- möglichkeiten des Gläubigers weiß, wird man ihm mit einem abgestuften System der Darlegungslast entgegenkommen müs- sen. Zwar trägt er die Beweislast, dass der Gläubiger eine Ob- liegenheit verletzt hat. Die konkreten Umstände wird jedoch der Gläubiger viel besser kennen; aufgrund dieser Informati- onsasymmetrie wird diesem die Darlegungslast aufzuerlegen sein. Der Gläubiger muss darlegen, welchen Zweck er mit der Aufwendung verfolgte und welches Interesse er hatte, die Auf- wendung vor Erhalt der Leistung zu machen. Der Schuldner hat so die Möglichkeit, den Sachvortrag des Gläubigers zu überprüfen und gegebenenfalls anzugreifen. Er kann dann ins- besondere auch klären, ob der Gläubiger gegen eine Informa- tionsobliegenheit verstoßen hat. Wenn das Gericht nach Abwägung der konkreten Inte- ressen im Einzelfall weder davon überzeugt ist, dass der Gläubiger ein Interesse hatte, die Aufwendung vor dem Er- halt der Leistung zu tätigen, noch davon überzeugt ist, dass eine solches Interesse bestand, besteht ein, wenn man so will, normatives non liquet. Es müssen folglich Regeln der Ab- wägungslast eingreifen. 70 Auch hier gelten die gleichen Überlegungen wie zur Beweislast: Es greifen die oben ge- nannten Vermutungen ein, die somit auch als Regeln der Abwägungslast fungieren. V. Fazit Ziel des Billigkeitskriteriums des § 284 BGB ist eine ange- messene Berücksichtigung der Interessen des Gläubigers, die Aufwendung vor Erhalt der Leistung zu machen. Typischer- weise treffen den Gläubiger bei der Aufwendung vor Erhalt der Leistung zwei Obliegenheiten: zum ersten, mit der Auf- wendung nach Möglichkeit zuzuwarten, zum zweiten, sich über die geplante Aufwendung zu informieren. Auch wenn dem Richter nach wie vor ein weiter Spielraum bleibt, er- möglicht das hier zur Diskussion gestellte Modell eine dog- matisch konsistente und in aller Regel auch präzisere Bestim- mung der Angemessenheit einer Aufwendung als Billigkeits- überlegungen ohne Verhaltensbezug. Das Gericht muss so auch nicht festlegen, ob die Höhe einer bestimmten Aufwen- dung per se angemessenist oder nicht. Der Ansatz erlaubt zudem eine sachgerechte Bestimmung der Beweis- und Dar- legungslast sowie die Antwort auf die Frage, ob bei einer überteuerten Aufwendung der Ersatzanspruch ganz aus- geschlossen oder anteilig zu kürzen ist. Privatdozent Dr. Georg Steinberg, Hannover* Psychische Verletzung mit Todesfolge Die psychische Integrität erfährt strafrechtlichen Schutz derzeit nur fragmentarisch, nicht als eigenständiges strafrechtliches Rechtsgut. Anknüpfend an die Rechtsprechung wird gezeigt, dass im Bereich des deliktsspezifischen Gefahrzusammenhangs die kaum überzeugenden Ansätze, psychisch vermittelte Todesfolgen als körperverletzungsspezifisch zu interpretieren, letztlich auf das sachlich verfehlte Aussparen der psychischen Verletzung als dogmatischer Größe zurückzuführen sind. I. Der aktuelle Messerstich-Fallund die Tradition der Rechtsprechung In einem Urteil vom 10. 1. 2008 hatte der BGH über einen Fall zu entscheiden, in dem der Täter seiner Ehefrau im Verlauf einer erhitzten verbalen Auseinandersetzung mittels eines zwanzig Zentimeter langen Küchenmessers einen etwa vier Zentimeter tief in den Rücken eindringenden Stich bei- brachte. Die Frau floh daraufhin in ein anderes Zimmer. „‚In einer Kurzschlussreaktion[. . .] stieg sie mit Schwungauf das Fensterbrett, [. . .] fand keinen Halt auf dem schmalen Fensterbrett, rutschte aus und fiel etwa 25 Meter in die Tiefe in ein Gebüsch. Durch den Sturz erlitt sie tödliche Verlet- zungen.1 Der BGH sah, entgegen der Vorinstanz, nicht nur eine gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung verwirklicht, sondern eine (gefährliche) Körperver- letzung mit Todesfolge nach § 227 StGB. Der BGH führt aus, es genüge zwar zu einer Verursachung im Sinne von § 18 StGB ein lediglich kausaler Zusammenhang zwischen Körperverletzung und Tod der verletzten Person nicht, viel- mehr ist eine engere Beziehung vorausgesetzt, nämlich eine spezifische Gefahr, die sich im tödlichen Ausgang nieder- geschlagenhaben müsse: Diese deliktsspezifische Gefahr kann aber auch von der Körper- verletzungshandlung ausgehen, einer Kausalität zwischen Körperver- 69 Stoppel spricht in seiner Dissertation (Fn. 1), S. 20 sogar von einer ungerechtfertigten Diskriminierung des Gläubigers, der mit der Leistung [gemeint ist die Aufwendung] keine kommerziellen Ziele verfolgt. 70 Zur Abwägungslast grundlegend Riehm (Fn. 5), S. 105 ff. * Der Autor vertritt derzeit einen Lehrstuhl für Straf- und Strafprozess- recht an der Universität Münster. Der Beitrag stellt die überarbeitete Fas- sung des Habilitationsvortrags vom 16. 7. 2008 an der Juristischen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover dar. 1 BGH, Urteil v. 10. 1. 2008 5 StR 435/07, Rn. 5 = NStZ 2008, 278 = JA 2008, 547 ff. mit instruktiver Auswertung von Bosch. Aufsätze

Psychische Verletzung mit Todesfolge

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JZ 212009 Wolfgang Fleck Begriff und Funktion der bdquoBilligkeitldquo bei sect 284 BGB 1053

eller und konsumptiver Aufwendungen ist nach der Renta-bilitaumltsvermutung schon per definitionem ausgeschlossen ndash

nach sect 284 BGB sind demgegenuumlber solche Aufwendungenprinzipiell ebenso ersatzfaumlhig wie erwerbswirtschaftliche69Es ist vielmehr die abstrakte Gewichtung der Interessenvon Glaumlubiger und Schuldner die zu diesen Vermutungs-regeln fuumlhrt Selbstverstaumlndlich wird man in vielen Faumlllendie eine wie die andere Vermutung widerlegen koumlnnen Wennder Glaumlubiger geltend macht er habe ein zu privaten Zwe-cken gekauftes Zubehoumlrteil besonders guumlnstig nur vor demErfuumlllungstermin erwerben koumlnnen ist dies ein Interesse dasin die Abwaumlgung einzustellen und grundsaumltzlich geeignet istdas Kriterium rationalen Verhaltens zu erfuumlllen

Da der Schuldner in aller Regel nichts uumlber die Handlungs-moumlglichkeiten des Glaumlubigers weiszlig wird man ihm mit einemabgestuften System der Darlegungslast entgegenkommen muumls-sen Zwar traumlgt er die Beweislast dass der Glaumlubiger eine Ob-liegenheit verletzt hat Die konkreten Umstaumlnde wird jedochder Glaumlubiger viel besser kennen aufgrund dieser Informati-onsasymmetrie wird diesem die Darlegungslast aufzuerlegensein Der Glaumlubiger muss darlegen welchen Zweck er mit derAufwendung verfolgte und welches Interesse er hatte die Auf-wendung vor Erhalt der Leistung zu machen Der Schuldnerhat so die Moumlglichkeit den Sachvortrag des Glaumlubigers zuuumlberpruumlfen und gegebenenfalls anzugreifen Er kann dann ins-besondere auch klaumlren ob der Glaumlubiger gegen eine Informa-tionsobliegenheit verstoszligen hat

Wenn das Gericht nach Abwaumlgung der konkreten Inte-ressen im Einzelfall weder davon uumlberzeugt ist dass der

Glaumlubiger ein Interesse hatte die Aufwendung vor dem Er-halt der Leistung zu taumltigen noch davon uumlberzeugt ist dasseine solches Interesse bestand besteht ein wenn man so willnormatives bdquonon liquetldquo Es muumlssen folglich Regeln der Ab-waumlgungslast eingreifen70 Auch hier gelten die gleichenUumlberlegungen wie zur Beweislast Es greifen die oben ge-nannten Vermutungen ein die somit auch als Regeln derAbwaumlgungslast fungieren

V Fazit

Ziel des Billigkeitskriteriums des sect 284 BGB ist eine ange-messene Beruumlcksichtigung der Interessen des Glaumlubigers dieAufwendung vor Erhalt der Leistung zu machen Typischer-weise treffen den Glaumlubiger bei der Aufwendung vor Erhaltder Leistung zwei Obliegenheiten zum ersten mit der Auf-wendung nach Moumlglichkeit zuzuwarten zum zweiten sichuumlber die geplante Aufwendung zu informieren Auch wenndem Richter nach wie vor ein weiter Spielraum bleibt er-moumlglicht das hier zur Diskussion gestellte Modell eine dog-matisch konsistente und in aller Regel auch praumlzisere Bestim-mung der Angemessenheit einer Aufwendung als Billigkeits-uumlberlegungen ohne Verhaltensbezug Das Gericht muss soauch nicht festlegen ob die Houmlhe einer bestimmten Aufwen-dung per se bdquoangemessenldquo ist oder nicht Der Ansatz erlaubtzudem eine sachgerechte Bestimmung der Beweis- und Dar-legungslast sowie die Antwort auf die Frage ob bei eineruumlberteuerten Aufwendung der Ersatzanspruch ganz aus-geschlossen oder anteilig zu kuumlrzen ist

Privatdozent Dr Georg Steinberg Hannover

Psychische Verletzung mit Todesfolge

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt strafrechtlichen Schutz derzeitnur fragmentarisch nicht als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut Anknuumlpfend an die Rechtsprechung wird gezeigtdass im Bereich des deliktsspezifischen Gefahrzusammenhangsdie kaum uumlberzeugenden Ansaumltze psychisch vermittelteTodesfolgen als koumlrperverletzungsspezifisch zu interpretierenletztlich auf das sachlich verfehlte Aussparen der psychischenVerletzung als dogmatischer Groumlszlige zuruumlckzufuumlhren sind

I Der aktuelle bdquoMesserstich-Fallldquo und dieTradition der Rechtsprechung

In einem Urteil vom 10 1 2008 hatte der BGH uumlber einenFall zu entscheiden in dem der Taumlter seiner Ehefrau imVerlauf einer erhitzten verbalen Auseinandersetzung mittelseines zwanzig Zentimeter langen Kuumlchenmessers einen etwa

vier Zentimeter tief in den Ruumlcken eindringenden Stich bei-brachte Die Frau floh daraufhin in ein anderes Zimmer bdquosbquoIneiner Kurzschlussreaktionlsquo [ ] stieg sie mit sbquoSchwunglsquo aufdas Fensterbrett [ ] fand keinen Halt auf dem schmalenFensterbrett rutschte aus und fiel etwa 25 Meter in die Tiefein ein Gebuumlsch Durch den Sturz erlitt sie toumldliche Verlet-zungenldquo1

Der BGH sah entgegen der Vorinstanz nicht nur einegefaumlhrliche Koumlrperverletzung in Tateinheit mit fahrlaumlssigerToumltung verwirklicht sondern eine (gefaumlhrliche) Koumlrperver-letzung mit Todesfolge nach sect 227 StGB Der BGH fuumlhrtaus es genuumlge zwar zu einer Verursachung im Sinne vonsect 18 StGB bdquoein lediglich kausaler Zusammenhang zwischenKoumlrperverletzung und Tod der verletzten Person nicht viel-mehr ist eine engere Beziehung vorausgesetztldquo naumlmlich einebdquospezifische Gefahrldquo die sich bdquoim toumldlichen Ausgang nieder-geschlagenldquo haben muumlsse

bdquoDiese deliktsspezifische Gefahr kann aber auch von der Koumlrper-verletzungshandlung ausgehen einer Kausalitaumlt zwischen Koumlrperver-

69 Stoppel spricht in seiner Dissertation (Fn 1) S 20 sogar von einerbdquoungerechtfertigten Diskriminierung des Glaumlubigers der mit der Leistung[gemeint ist die Aufwendung] keine kommerziellen Ziele verfolgtldquo 70 Zur Abwaumlgungslast grundlegend Riehm (Fn 5) S 105 ff

Der Autor vertritt derzeit einen Lehrstuhl fuumlr Straf- und Strafprozess-recht an der Universitaumlt Muumlnster Der Beitrag stellt die uumlberarbeitete Fas-sung des Habilitationsvortrags vom 16 7 2008 an der Juristischen Fakultaumltder Leibniz-Universitaumlt Hannover dar

1 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 5 = NStZ 2008 278 = JA2008 547 ff mit instruktiver Auswertung von Bosch

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letzungserfolg und dem Tod des Opfers bedarf es nicht [ ] Eine solchetatbestandstypische Gefahr kann sich auch dann im Tod des Opfersverwirklicht haben wenn die unmittelbar zum Tod fuumlhrende Ursacheein Verhalten des Opfers war sofern dieses selbstschaumldigende Verhaltensich als naheliegende und deliktstypische Reaktion darstellt wie diesbei Fluchtversuchen in Panik und Todesangst der Fall ist [ ]ldquo2

Sodann subsumiert der BGHbdquoDanach hat sich der Angeklagte der Koumlrperverletzung mit Todes-

folge schuldig gemacht Denn von seinem Verhalten [ ] ging auch dieGefahr aus dass Frau G die um ihr Leben fuumlrchten musste in Panikgeriet und bei riskanten Fluchtversuchen zu Tode kommt Der erfor-derliche Zurechnungszusammenhang wurde [ ] auch nicht durch dasOpferverhalten unterbrochen Denn angesichts der konkreten Bedro-hungssituation war das ndash wenngleich kopflose ndash Fluchtverhalten vonFrau G eine typische dem Schutzzweck des sect 227 StGB unterfallendeunmittelbare (Kurzschluss-)Reaktion auf die lebensgefaumlhrliche Koumlrper-verletzungshandlung mit dem Messer [ ] Dass Frau G sich zu demfestgestellten Fluchtverhalten gedraumlngt sah war allein auf die Koumlrper-verletzungshandlung des Angeklagten zuruumlckzufuumlhren und nicht mehrdurch einen autonomen mit diesem Geschehen nur durch die bloszligeKausalitaumlt verbundenen Willensbildungsprozess beeinflusstldquo3

Das Urteil dieses bdquoMesserstich-Fallsldquo schlieszligt sich expli-zit4 an die Rechtsprechung im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anin welchem nach einer versuchten schweren Koumlrperverlet-zung das Opfer in Panik floh eine Glastuumlr eintrat durchdiese hindurchstieg und sich dabei toumldliche Schnittverletzun-gen zuzog wofuumlr der BGH das Vorliegen eines spezifischenGefahrzusammenhangs bejahte und wegen versuchter Koumlr-perverletzung mit Todesfolge bestrafte5 Die aumlltere restrikti-vere Linie hat der BGH damit ebenfalls explizit6 aufgege-ben In dem der juumlngsten Entscheidung sachlich uumlberausaumlhnlich gelagerten bdquoRoumltzel-Fallldquo aus dem Jahr 1970 in demder Taumlter dem Opfer im Obergeschoss eines Hauses bdquoeinetiefe Oberarmwunde und einen Nasenbeinbruchldquo zufuumlgteversuchte dieses bdquovor den fortdauernden Angriffenldquo veraumlngs-tigt durch das Fenster auf den Balkon zu fluumlchten stuumlrztedabei ab und verletzte sich toumldlich Das Gericht verneinte dieUnmittelbarkeit der Todesfolge mangels Verwirklichung derbdquodem Grundtatbestand (sect 223 StGB) eigentuumlmliche[n]ldquobdquospezifischen Gefahrldquo und lehnte damals eine Bestrafungnach sect 226 StGB aF (entspricht sect 227 StGB nF) noch ab7

Dieses Umschwenken der Rechtsprechung ist rechtspoli-tisch zu begruumlszligen da es sachlich uumlberzeugend das Ausloumlsenschwerer Schocks und Panikreaktionen beim Opfer ver-schaumlrft sanktioniert An der dogmatischen Konsistenz derArgumentation verbleiben allerdings erhebliche Zweifel

II bdquoFluchtfaumllleldquo und objektive Zurechnung

Als weitgehend konsentierter Ausgangspunkt kann zunaumlchstfestgehalten werden dass kausale Erfolge dem Taumlter dannunter Umstaumlnden nicht objektiv zuzurechnen sind wennandere Personen in den Geschehensablauf eingegriffen ha-ben es ist nach Verantwortungsbereichen abzugrenzen Ei-nen Zurechnungsausschluss kann insbesondere die freiver-antwortliche Selbstgefaumlhrdung des (spaumlteren) Opfers bewir-ken wobei vor allem der Begriff der bdquoFreiverantwortlich-keitldquo im Fokus der Diskussion steht8 Eingehender als in

der vorliegenden Konstellation der bdquoFluchtfaumllleldquo9 haben sichRechtsprechung und Literatur damit bereits in den bdquoRetter-faumlllenldquo10 befasst so dass der Blick auf diese Parallelproble-matik (man koumlnnte die Parallelitaumlt hervorhebend auch vonbdquoSelbst-ldquo und bdquoFremdrettungsfaumlllenldquo sprechen) den rasches-ten Zugriff auf das hiesige Problem bildet Charakteristikumder bdquoRetterfaumllleldquo ist dass im Anschluss an eine vorsaumltzlichoder fahrlaumlssig herbeigefuumlhrte Gefahrensituation Dritte Ret-tungsmaszlignahmen ergreifen und dabei zu Schaden kommenohne dass dies vom Vorsatz des Taumlters umfasst ist Der BGHbejahte die objektive Zurechnung des Schaumldigungserfolgsmithin eine Bestrafung nach sect 222 StGB als das Opfer sichveranlasst sah zwecks Rettung eigener Sachwerte ndash und wasjedoch tatsaumlchlich unklar blieb des Lebens seines juumlngerenBruders ndash in die zweite Etage des durch den Taumlter in Brandgesetzten Hauses einzudringen wobei es erstickte Der BGHfuumlhrte aus dass hier zuzurechnen sei da der Taumlter ein ein-sichtiges Motiv fuumlr die Rettungshandlung gesetzt hat und diezur Selbstschaumldigung des Retters fuumlhrenden Rettungsver-suche nicht offensichtlich sinnlos oder unverhaumlltnismaumlszligigwaren11

In der Literatur wird diskutiert wie sich (insbesonderestrafrechtliche) Handlungspflichten des Retters ndash aus sect 323cStGB aufgrund persoumlnlicher Garantenstellung oder beruf-licher Sonderpflichten (etwa eines Feuerwehrmannes) ndash aufseine Freiverantwortlichkeit auswirken Kaum zu uumlberzeu-gen vermag die Erwaumlgung dass das Gesetz hinsichtlich desTaumlters zurechnungsunterbrechend dem Retter mit solchenPflichten auch die Verantwortung fuumlr das Geschehen zuwei-se12 Sie missachtet dass der Taumlter die Handlungspflicht desRetters in der konkreten Situation erst ausloumlst und deshalbdessen Handeln mitverantwortet so dass im Gegenteil des-sen Handeln aufgrund der Rettungspflicht unfreiwillig ist13Demgemaumlszlig sollten Rettungspflichten nicht typisierend bdquosta-tusbezogenldquo verstanden werden sondern ndash wie insbesonde-re RadtkeHoffmann ausfuumlhren ndash bdquohandlungsbezogenldquo Be-steht situativ eine Handlungspflicht des Retters handelt die-ser nicht freiverantwortlich so dass dem Taumlter auch dessenSchaumldigung zuzurechnen ist14

Auch wenn keine Handlungspflicht des Retters bestehtist eine Zurechnung zu Lasten des Taumlters zumindest fuumlrSchaumlden durch solche Rettungshandlungen moumlglich die mitBlick auf Chancen und Risiken objektiv ex ante bdquovernuumlnftigldquo

1054 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

2 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 9 Hervorhebungen nurhier3 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 104 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 9 am Ende5 BGHSt 48 34 ff = NStZ 2003 149 ff Naumlheres zu diesem und demfolgenden Fall unter III 26 BGH Urteil v 10 01 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 117 BGH NJW 1971 152 f8 Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil (AT) I 4 Aufl 2006 sect 11Rn 106 ndash 145 vor allem Rn 107 ndash 120 Kuumlhl Strafrecht Allgemeiner Teil

(AT) 6 Aufl 2008 sect 4 Rn 50 ndash 52 67 ndash 72 sowie vor allem Rn 83 ndash 98 desWeiteren etwa Frisch NStZ 1992 1 ff 62 ff Zaczyk Strafrechtliches Un-recht und die Selbstverantwortung des Verletzten 1993 S 49 ndash 629 So der Terminus beispielsweise bei Paeffgen in Nomos-Kommentar(NK) StGB 2 Aufl 2005 sect 18 Rn 6710 So der Terminus beispielsweise bei Kuumlhl (Fn 8) sect 4 Rn 9611 BGHSt 39 322 ff 324 ndash 326 = NJW 1994 205 f = NStZ 1994 83 f mitAnm Alwart vgl auch bereits RGSt 5 202 ff (von 1881) wonach beifahrlaumlssiger Brandstiftung der Tod desjenigen der verbrennende Gegen-staumlnde retten will als Fahrlaumlssigkeitserfolg zugerechnet werden kann man-gels Verhaumlltnismaumlszligigkeit des Risikos ex ante eine Zurechnung des Todeszweier Feuerwehrmaumlnner verneinend jetzt OLG Stuttgart StraFo 2008176 ff12 So aber Roxin (Fn 8) sect 11 Rn 139 f bezogen auf berufliche Rettungs-pflichten vergleiche bereits ders in Festschrift Honig 1970 S 133 ff142 f ders in Festschrift Gallas 1973 S 241 ff 246 ndash 248 aumlhnlich Ottoin Festschrift E A Wolff 1998 S 395 ff 411 im Ergebnis auch Schuumlne-mann GA 1999 207 ff 222 f13 Wolter Objektive und personale Zurechnung von Verhalten Gefahrund Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem 1981 S 344 f Derk-sen Handeln auf eigene Gefahr 1992 S 233 Sowada JZ 1994 663 ff 665Frisch in Festschrift Nishihara 1998 S 66 ff 80 f Puppe JURA 199821 ff 30 Walter in Leipziger Kommentar (LK) zum StGB 12 Aufl 2007Vor sect 13 Rn 11814 RadtkeHoffmann GA 2007 201 ff

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waren15 Ein anderer Freiwilligkeits- beziehungsweise Zu-rechnungsmaszligstab muss dann gelten wenn sich der Retterin einer bdquomenschlich nachvollziehbaren psychischen Aus-nahmensituationldquo befindet16 also beispielsweise die Mutterndash nahezu aussichtslos also ohne Handlungspflicht und auchnicht bdquovernuumlnftigerweiseldquo ndash ihr Kind zu retten versucht unddabei umkommt Auf die Vernuumlnftigkeit der Rettungshand-lung ex ante kann es hier nicht ankommen weil diese nichtmehr den Verhaltensmaszligstab des Retters bildet ein bdquounver-nuumlnftigesldquo Verhalten desselben vielmehr geradezu typisch imSinne der objektiven Zurechnung ist Sich in diesen Fallkon-stellationen fuumlr die Bestimmung der zurechnungsunterbre-chenden Freiverantwortlichkeit am Maszligstab der Einwil-ligung (sect 228 StGB) zu orientieren liegt insofern nahe alsdieses Institut (wenn auch technisch als Rechtfertigungs-grund) die strafrechtliche Verantwortung des Taumlters fuumlr dieVerletzung der Rechtsguumlter des eigenverantwortlich handeln-den Opfers selbst reduziert17 Gleichwohl ist es uumlberzeugen-der als Maszligstab sect 35 StGB heranzuziehen auch wenn dieseNorm insofern nicht parallel laufend entschuldigend bezuumlg-lich der Verletzung fremder Rechtsguumlter durch den Retterwirkt Im Gegensatz zu sect 228 StGB bietet sect 35 StGB abereinen Maszligstab fuumlr Situationen in denen typischerweise dieErhaltung unterschiedlicher Rechtsguumlter in einen Konfliktgeraumlt der durch die Rettung des einen mittels Beeintraumlchti-gung des anderen entschieden wird wobei dies bdquoin einergegenwaumlrtigen [ ] Gefahr fuumlr Leib Leben oder Freiheitldquodes Handelnden selbst bdquooder einer anderen ihm nahestehen-den Personldquo erfolgt also in einer akuten psychisch schwieri-gen Krisensituation Eben diese Charakteristika zeigen auchdie bdquoRetterfaumllleldquo In Anwendung des Maszligstabs des sect 35StGB ist demnach dann die strafrechtliche Verantwortungfuumlr eine Schaumldigung des Retters nicht diesem selbst sonderndem die betreffende Situation herbeifuumlhrenden Taumlter auf-zubuumlrden wenn der Retter im Falle der Beeintraumlchtigungfremder Rechtsguumlter entschuldigt waumlre18

Dass in den bdquoFluchtfaumlllenldquo keine freiverantwortlicheSelbstgefaumlhrdung vorliegt die den allgemeinen Zurech-nungszusammenhang unterbrechen koumlnnte ist mit Blick aufdie parallelen bdquoRetterfaumllleldquo in notstandsaumlhnlicher Lage ein-sichtig19 Wenn selbst aumluszligerst risiko- und dabei kaum aus-sichtsreiche Rettungsmaszlignahmen zur Abwendung einer Ge-fahr fuumlr Leib Leben oder Freiheit einer nahestehenden Per-son aufgrund der psychischen Sondersituation des Rettersdem Taumlter zuzurechnen sind so muss dies erst recht geltenwenn diese Rechtsguumlter des Betreffenden selbst in Gefahrsind bdquoVeraumlngstigungldquo bdquoAngst- und Panikgefuumlhleldquo und einedaraus resultierende bdquo(Kurzschluss-)Reaktionldquo des Opfers20schlieszligen dessen Freiverantwortlichkeit aus und fuumlhren zurZurechnung zu Lasten des Taumlters Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo stehtdenn auch die objektive Zurechenbarkeit als solche in der

Lehre weitestgehend auszliger Streit und entspricht der staumlndi-gen Rechtsprechung21 ndash anders als die nun zu diskutierendeFrage der Zurechnung des Todes als besonderer Folge derTat im Sinne von sect 18 StGB

III bdquoFluchtfaumllleldquo und spezifischer Gefahr-zusammenhang im Sinne von sect 18 StGB

1 Typik des Todeserfolgs riskanter Fluchtversuche

sect 18 StGB steht in der Tradition des kanonischen Gedankensversari in re illicita Der deliktisch Handelnde der bdquoin einerunerlaubten Sache verweiltldquo haftete im Widerspruch zumSchuldprinzip nach deutscher Gesetzeslage vor 1953 fuumlr allekausal herbeigefuumlhrten deliktischen Erfolge22 Mit Einfuumlh-rung der dem heutigen sect 18 StGB entsprechenden Regelungin jenem Jahr ist die Strafbarkeit auf solche Faumllle reduziertworden in denen den Taumlter individuelle strafrechtliche Ver-antwortung (mindestens Fahrlaumlssigkeit) trifft Aber auch dergeltenden Regelung wird ein Verstoszlig gegen das Schuldprin-zip vorgeworfen naumlmlich aufgrund des teils ganz erheblicherhoumlhten Strafrahmens der jeweiligen Erfolgsqualifikationim Vergleich zu dem sich bei tateinheitlicher Begehung desGrunddelikts und der schweren Folge isoliert ergebendenJedenfalls liegt eine deutlich restriktive Auslegung der betref-fenden Normen nahe wobei vor allem das Erfordernis einesspezifischen Gefahrzusammenhangs zwischen Grunddeliktund schwerer Folge fruchtbar zu machen ist Sachgerecht istes dabei bezogen auf das betreffende Grunddelikt die typi-sche Gefahr des Eintritts der entsprechenden schweren Folgezu fordern denn nur diese kann es rechtfertigen dass (alsfahrlaumlssig) zurechenbare Folgen bei Verwirklichung dieserDelikte besonders gravierende Sanktionierungen bewirkenaus diesem Ansatz folgt bereits zwingend dass die Gefahr-spezifik fuumlr jedes betroffene Grunddelikt separat zu bestim-men ist23 Bei mehraktigen Delikten ist dabei zu praumlzisierenwelchem Tatbestandsmerkmal des Grunddelikts die typischeund damit sanktionsschaumlrfende Gefaumlhrlichkeit innewohntob also beispielsweise bei lebensgefaumlhrlicher Wegnahme le-benswichtiger Medikamente sect 251 StGB erfuumlllt sein kannoder ob die Norm nur den aus der Noumltigung resultierendenTod verschaumlrft sanktioniert24 Des Weiteren wird wiederumdifferenzierend fuumlr die einzelnen Erfolgsqualifikationen dis-kutiert ob an die Gefaumlhrlichkeit des grunddeliktischen Er-folgs anzuknuumlpfen ist oder ob auch die Handlungsgefaumlhr-lichkeit Bezugspunkt sein kann (wonach dann auch der bdquoer-folgsqualifizierte Versuchldquo moumlglich wird)25

Im vorliegenden Kontext ist derjenige Restriktionsansatzzu diskutieren der eine ndash uumlber die fuumlr die allgemeine objek-tive Zurechnung postulierte hinausgehende ndash spezifische

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1055

15 Wolter (Fn 13) S 345 f Sowada JZ 1994 663 ff 665 f Derksen NJW1995 240 ff 241 Frisch in Festschrift Nishihara S 66 ff 82 f mit Blickauf Art 103 Abs 2 GG das Kriterium der bdquoUnvernuumlnftigkeitldquo ablehnendDiel Das Regreszligverbot als allgemeine Tatbestandsgrenze im Strafrecht1997 S 238 ndash 25516 Formulierung bei RadtkeHoffmann GA 2007 201 ff 21717 Vergleiche Amelung NStZ 1994 338 zum weiteren Kontext der bdquoFrei-heit und Freiwilligkeit auf Opferseiteldquo ders GA 1999 182 ff 19718 BernsmannZieschang JuS 1995 775 ff 778 f Otto in Festschrift EA Wolff 1998 S 395 ff 411 f Radtke ZStW 110 (1998) 848 ff 879 fRadtkeHoffmann GA 2007 201 ff 217 f19 Zu dieser Parallele auch Otto in Festschrift E A Wolff 1998S 395 ff 411 f20 So die Formulierungen in den eingangs referierten EntscheidungenBGH NJW 1971 152 f 152 BGHSt 48 34 ff 36 BGH Urteil v 10 1 2008ndash 5 StR 43507 Rn 10

21 Vergleiche auch bereits RGSt 40 321 ff 324 (von 1907) Zurechnungdes Todes des Opfers das sich mittels Sprung aus dem Fenster eines fahr-laumlssig in Brand gesetzten Hauses zu retten versuchte22 Zum geschichtlichen Zusammenhang Kuumlpper Der bdquounmittelbareldquo Zu-sammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsquali-fizierten Delikt 1982 S 14 ndash 25 Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte undverwandte Erscheinungsformen 1986 S 11 ndash 7523 Vergleiche etwa Wolter GA 1984 443 ff 443 Altenhain GA 199619 ff 19 f Radtke ZStW 110 (1998) 848 ff 878 ndash 880 bezogen auf sect 306cStGB Bussmann GA 1999 21 ff Laue JuS 2003 743 ff 744 ausfuumlhrlichPaeffgen in NK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 16 ndash 107 aktuelle Uumlberblicke beiKuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 14 ndash 17 Vogel in LK-StGB 12 Aufl 2007 sect 18Rn 31 ndash 3524 Dazu nur (im letzteren Sinne) Paeffgen in NK-StGB (Fn 9) sect 18Rn 8125 Dazu Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 19 ndash 23a Paeffgen in NK-StGB (Fn 9)sect 18 Rn 28 ndash 34

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Unmittelbarkeit zwischen Grundtatbestand und schwererFolge fordert Geilen hat 1974 nach Analyse der wechselhaf-ten Rechtsprechung in striktem Sinne formuliert

bdquoDie Formel von einer dem Grundtatbestand eigentuumlmlichen spe-zifischen Gefahrverwirklichung bedeutet letztlich daszlig eine Isolierungauf die Tatbestandsmerkmale des Grunddelikts vorgenommen und dieGefahrentwicklung unter Ausschaltung auszligertatbestandlicher Gefaumlhr-dungsmomente beurteilt werden muszligldquo26

Der spezifische Gefahrzusammenhang waumlre demnach inallen bdquoRetter-ldquo und bdquoFluchtfaumlllenldquo zu verneinen Dem fol-gend hat Hirsch noch 1985 das bdquowillentliche Eingreifen einesDritten oder des Opfers selbstldquo als bdquoanerkanntermaszligen aus-zuscheidende Faumllleldquo bezeichnet27 Einer solchen Restriktionhat mittlerweile der Gesetzgeber selbst eine Absage erteiltindem er den Tatbestand des Nachstellens mit Todesfolgesect 238 Abs 3 StGB geschaffen hat und dabei die suizidaleSelbstschaumldigung des Opfers als deliktstypische Gefahr be-greift28 ndash in der Tat entfalten ohne eine solche dazwischen-tretende Handlung des Opfers weder Tathandlungen wie dasbeharrliche Zusenden von Briefen vergleiche Absatz 1 Nr 2noch der Erfolg des Grundtatbestands die schwerwiegendeBeeintraumlchtigung der Lebensgestaltung toumldliche WirkungWenn aber sogar die suizidale Selbstschaumldigung zurechenbarsein kann muss dies erst recht fuumlr die lebensgefaumlhrlicheSelbstgefaumlhrdung des Opfers gelten29

Auch im Uumlbrigen ist der skizzierte Restriktionsansatzsachlich nicht uumlberzeugend weil ein selbstgefaumlhrdendes Ein-greifen des Dritten oder des Opfers in den Geschehensablaufnicht gleichermaszligen der Verwirklichung aller oder vieler De-likte als Gefahr anhaftet sondern im Gegenteil eine typischeGefahr einiger weniger Delikte darstellt Was das EingreifenDritter betrifft fordern bestimmte Delikte die beispielsweiseLeib und Leben beeintraumlchtigen gefaumlhrliche Rettungshand-lungen eher heraus als andere Insbesondere die Bezeichnungder Brandstiftung als gemeingefaumlhrlich (Uumlberschrift desAchtundzwanzigsten Abschnitts des Besonderen Teils) deu-tet darauf hin dass sich hier typischerweise Dritte als Retterselbst gefaumlhrden30 Selbst eine Deliktstypizitaumlt fuumlr die Ge-faumlhrdung von Rechtsguumltern des bdquoVerfolgersldquo ist zumindestdiskutabel beispielsweise bezogen auf das typischerweisegefaumlhrliche Wiederabjagen der geraubten Beute und sect 251StGB31 Sachgerecht ist es jedenfalls als Kriterium des spezi-fischen Gefahrzusammenhangs weniger an die Unmittelbar-keit des Erfolgseintritts im Sinne Geilens anzuknuumlpfen als andie Typik desselben

Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo ergibt dies Eine panikartige Fluchtwird typischerweise nicht ausgeloumlst bei Beeintraumlchtigungkollektiver Rechtsguumlter oder solcher individueller Rechts-guumlter deren Beeintraumlchtigung per se nicht mittels Flucht ver-hindert werden kann (zum Beispiel des Hausrechts sect 123StGB) schlieszliglich solcher die ihrer Bedeutung nach deutlichuntergeordnet sind (zum Beispiel der Ehre sect 185 StGB) DieGefahr dass das Opfer typischerweise auf der Flucht zu

Schaden kommt besteht also anders formuliert nur bei De-likten die bedeutsame individuelle Rechtsguumlter schuumltzenwobei wiederum an die Trias des sect 35 StGB bdquoLeib Lebenoder Freiheitldquo angeknuumlpft werden kann Vor diesem Hinter-grund uumlberzeugt es wenn der Tod des Opfers das sich ausdem fahrenden Auto wirft um seine Freiheit wiederzuerlan-gen als schwere Folge im Sinne von sect 239 Abs 4 StGB inter-pretiert wird (bdquoAuto-Fallldquo)32 Dass demgegenuumlber die To-desgefahr waghalsiger Fluchtversuche bdquobei anderen Strafta-ten in gleicher Weiseldquo bestehe mithin der gefahrspezifischeZusammenhang mit der Freiheitsberaubung entfalle33 istsachlich unzutreffend Zustimmung verdient auch die Auf-fassung dass der Tod des Opfers beim Sprung aus demFenster eines in Brand gesetzten Hauses eine ndash deliktstypi-sche ndash schwere Folge im Sinne von sect 306c StGB ist34 Ebensoist eine Strafbarkeit wegen versuchter Vergewaltigung mitTodesfolge (zunaumlchst) uumlberzeugend bejaht worden fuumlr denFall dass das Opfer um der Vergewaltigung zu entgehenuumlber Bahngleise floh und dabei von einem Zug erfasst wurde(bdquoGuumlterzug-Fallldquo)35 Bezogen auf die letzte Konstellationmuumlsste man allerdings von einem erweiterten Freiheitsbegriffdes sect 35 StGB ausgehen36 oder sich mit einer indiziellenWirkung dieser Norm hinsichtlich des Kreises der betreffen-den Rechtsguumlter begnuumlgen

2 Typik panikartiger Flucht bei gravierendenKoumlrperverletzungen

Aus dem Gesagten scheint zu folgen dass auch bei der Koumlr-perverletzung der spezifische Gefahrzusammenhang im Sin-ne von sect 227 StGB bei toumldlichen Fluchtversuchen des Opfersvorliegt da auch hier das Grunddelikt ein gewichtiges indi-viduelles Rechtsgut schuumltzt naumlmlich in der Diktion des sect 35Abs 1 StGB den bdquoLeibldquo und die panikartige Flucht desOpfers vor Verletzung desselben als bdquotypischldquo erscheintGleichwohl stellt sich die Problematik bezogen auf sect 227StGB anders dar Nur weil die Freiheitsberaubung ein Dau-erdelikt eine Perpetuierung des Erfolgs also moumlglich ist istdie Flucht des Opfers zwecks Beendigung desselben typischfuumlr sect 306c StGB kann man zumindest die Gefahr des Ein-

1056 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

26 Geilen in Festschrift Welzel 1974 S 655 ff 68127 Hirsch in Festschrift Oehler 1985 S 111 ff 129 ndash 132 Zitat S 13128 BT-Drs 163641 S 14 kritisch dazu KinzigZander JA 2007 481 ff48529 So schon Rengier (Fn 22) S 196 f der S 192 f den nicht freiverant-wortlichen Suizid des der Freiheit beraubten Opfers mit BGH Urteil v30 4 1952 ndash 5 StR 2152 als deliktsspezifisch sieht30 Entgegen Rengier JuS 1998 397 ff 400 bdquokeine gerade den sectsect 306 306aanhaftende sbquotatbestandsspezifischelsquo Besonderheitldquo dagegen schon GeppertJURA 1998 597 ff 602 60431 Dazu (allerdings jeweils ablehnend) Guumlnther in Festschrift Hirsch1999 S 543 ff 544 f 549 f Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV 2000S 237 ff 261 ndash 265 Puppe Die Erfolgszurechnung im Strafrecht 2000S 239 ndash 241

32 BGHSt 19 382 ff 386 f allerdings negiert der BGH hier offenbar dasErfordernis eines spezifischen Gefahrzusammenhangs generell bdquoDer Begriffder Verursachung ist hier kein anderer als er allgemein fuumlr die Herbeifuumlh-rung eines Erfolges von der strafrechtlichen Rechtsprechung vertreten wird(Bedingungstheorie) Der Tod ist also auch dann durch die Freiheitsberau-bung verursacht wenn das Opfer unmittelbar bei dem Versuch ihr zuentrinnen toumldliche Verletzungen erleidetldquo In diesem letzteren Ergebniszustimmend Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil 2 Aufl 1993 Abschn 6Rn 36 Rengier (Fn 22) S 198 Puppe (Fn 31) S 237 ndash 239 Hardtung inMuumlnchKommStGB 2003 sect 18 Rn 48 LacknerKuumlhl StGB 26 Aufl 2007sect 239 Rn 9 Fischer StGB 56 Aufl 2009 sect 239 Rn 16 der auch den Suiziderfasst wissen will Bussmann GA 1999 21 ff 32 will bdquogrob fahrlaumlssigeUnternehmungen des Opfers bzw von Drittenldquo ausschlieszligen nach Vogelin LK-StGB (Fn 23) sect 18 Rn 38 kann die Todesfolge bei bdquonicht geradezugrob unvernuumlnftig gefaumlhrliche[r] Fluchtldquo zurechenbar sein33 Widmann MDR 1967 972 f 97334 Geppert JURA 1998 597 ff 602 604 Stein in DenckerStruenseeNellesStein Einfuumlhrung in das 6 Strafrechtsreformgesetz 1998 1998S 177 Wrage JuS 2003 985 ff 990 dagegen etwa Altenhain GA 1996 19 ff3235 BGH Urteil v 28 6 1960 ndash 1 StR 20360 nach PfeifferMaulSchulteStGB 1969 sect 178 Rn 2 zustimmend Rengier (Fn 22) S 198 Puppe(Fn 31) S 238 f ndash Die (vorsaumltzliche) Toumltung des Opfers durch Messerstichenach Beendigung der Vergewaltigung bei noch andauernder bdquoGewaltlageldquosoll hingegen nach BGH NStZ-RR 1999 170 ff 170 f keine schwere Folgeim Sinne von sect 178 StGB sein dem zustimmend Renzikowski NStZ 1999377 ff 384 Der Tod muumlsse bdquounmittelbar auf dem Noumltigungsakt oder dersexuellen Handlung beruhenldquo36 Zur Diskussion dies selbst ablehnend nur Kuumlhl (Fn 8) sect 12 Rn 30mw Nachw

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tritts der besonderen Tatfolge als (in der konkreten Situation)dauerhaft bezeichnen und auch sect 238 StGB (Suizid als uumlber-steigertes Fluchtverhalten) weist indem grundtatbestandlichein bdquobeharrlichesldquo Handeln verlangt wird einen Dauercha-rakter auf Die Flucht des Opfers vor einer bereits vollende-ten Koumlrperverletzung ist hingegen nicht nur atypisch son-dern sogar sachlich ausgeschlossen schlicht da sie den Er-folgseintritt nicht mehr zu verhindern vermag Moumlglich undauch deliktstypisch ist demgegenuumlber die Flucht vor einerversuchten (gravierenden) Koumlrperverletzung (wie auch voreiner versuchten Vergewaltigung) Auf der Basis der vonder neueren Rechtsprechung und in der Literatur uumlberwie-gend vertretenen Auffassung nach der im Rahmen des sect 227StGB fuumlr den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht not-wendig an den Erfolg anzuknuumlpfen ist sondern auch an dieHandlung angeknuumlpft werden kann mithin der bdquoLetalitaumlts-theseldquo nicht zu folgen ist37 spricht daher vieles dafuumlr denTod im Rahmen eines Fluchtversuchs des Opfers vor einerversuchten Koumlrperverletzung als Verwirklichung einergrunddeliktstypischen Gefahr zu interpretieren wie diesder BGH insbesondere im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo auchgetan hat38

Dieser Weg zur Begruumlndung einer Verwirklichung dessect 227 StGB war dem Gericht aber im juumlngsten bdquoMesser-stich-Fallldquo sachlich ebenso versperrt wie im bdquoRoumltzel-FallldquoJeweils hatte naumlmlich der Taumlter nachdem er die Zufuumlgungerheblicher Koumlrperverletzungen vollendet hatte zu erneutenKoumlrperverletzungshandlungen noch nicht wieder unmittel-bar angesetzt (sect 22 StGB) Das Opfer floh vielmehr jeweilsin der Zwischenzeit zwischen Vollendung der einen und un-mittelbarem Ansetzen zur ndash befuumlrchteten ndash naumlchsten Koumlrper-verletzung Rengier meint im Falle bdquonicht endender Miszlig-handlungenldquo wie im bdquoRoumltzel-Fallldquo stelle sich die Koumlrperver-letzung als bdquoFortsetzungstatldquo dar so dass vor diesem Hinter-grund der spezifische Gefahrzusammenhang vorliege39Paeffgen hat demgegenuumlber analysiert

bdquoWas sich in derartigen Kostellationen auswirkt ist die durch dievorangegangenen Untaten begruumlndete Drohung der Fortsetzung Solan-ge es jedoch an einem Tatbestand sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo fehlterscheint es systematisch nicht zulaumlssig die Punkt- in Dauer-Delikteumzufunktionieren so nahe jene Tatbilder diesen kriminologisch ver-wandt sein moumlgenldquo40

Aumlhnlich Mitsch

bdquoAusloumlser der Furcht war also eine seelische Bedraumlngnis des O diefuumlr Tatbestaumlnde mit Noumltigungselement und fuumlr sect 241 typisch im Rah-men der Koumlrperverletzungsdelikte aber eher ein Fremdkoumlrper ist [ ]Zwar mag es sein daszlig die bereits erlittenen koumlrperlichen Miszlighandlun-gen die Furcht des O vor den drohenden Qualen verstaumlrkt haben Diesaumlndert aber nichts daran daszlig die Verbindung zwischen Koumlrperverlet-zung und Todesfolge hier psychischer Natur ist Im Uumlbrigen laumlszligt sichein psychischer Druck von gleicher Staumlrke auch ohne Einwirkung aufden Koumlrper des Opfers erzeugen [ ] Der Sache nach liegt hier alsoeine sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo vorldquo41

Einwenden kann man immerhin dass allein die Moumlglich-keit auf andere Weise als mittels Koumlrperverletzungen ebensointensiven psychischen Druck zu erzeugen noch nicht gegendie Typik solchen Drucks aufgrund schwerer Koumlrperverlet-zungen spricht Weniger dieser Gesichtspunkt als die Los-loumlsung vom Grundtatbestand sect 223 StGB der in der Tat (ins-besondere im Gegensatz zu sect 231 StGB) deutlich punktuellformuliert ist muss mit Blick auf die den spezifischen Ge-fahrzusammenhang tragende Tatbestandstypik bedenklichstimmen Es ist in diesem Sinne auch durchaus aufschluss-reich dass die (der Vorinstanz gegenlaumlufige) Annahme desBGH im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo die Taumlter seien ins Ver-suchsstadium eingetreten sachlich angreifbar war und dieTaumlter uumlberdies wenn man von einem Versuch ausgeht diesenjedenfalls aufgegeben hatten bevor das Opfer selbstschaumldi-gend handelte42 Wenn der BGH im bdquoMesserstich-Fallldquo ex-plizit an den bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anknuumlpft obwohl erim ersteren einen Versuch verneinen musste so deutet auchdies darauf hin dass das unmittelbare Ansetzen fuumlr das Ge-richt argumentativ offenbar zweitrangig ist was wiederumdie dogmatisch bedenkliche Losloumlsung des spezifischen Ge-fahrzusammenhangs vom Tatbestand demonstriert

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten Was das Opfer zurisikoreichen im aumluszligersten Fall suizidalen Fluchtversuchenveranlasst ist eine psychische Ausnahmesituation die der insect 35 StGB skizzierten deutlich aumlhnelt da houmlchste houmlchstper-soumlnliche Rechtsguumlter (bdquoLeib Leben Freiheitldquo) des Opfers inakuter Gefahr sind Dass sich die Gefahrspezifik hinsichtlicheines fahrlaumlssigen Todeserfolgs bei der Freiheitsberaubung(als Dauerdelikt) leichter begruumlnden laumlsst als bei der Koumlrper-

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1057

37 Dazu Englaumlnder GA 2008 669 ff 673 ndash 679 Uumlberblicke mw Nachwbei WesselsHettinger Strafrecht BT 1 32 Aufl 2008 Rn 298 Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 22 f Rechtsprechungsauswertung bis 2000 bei Kuumlhl in FestgabeBGH Bd IV S 237 ff 253 ndash 25638 BGHSt 48 34 ff 38 f zustimmend Kostuch Versuch und Ruumlcktrittbeim erfolgsqualifizierten Delikt 2004 S 258 ndash 260 WesselsHettinger(Fn 37) Rn 301 Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 25 f Rengier Strafrecht BT II9 Aufl 2008 sect 16 Rn 17 ndash 21 ablehnend hingegen etwa Hardtung NStZ2003 261 ff 262 f Laue JuS 2003 743 ff 764 f Englaumlnder GA 2008 669 ff679 ndash 684 will die durch eine (versuchte) Koumlrperverletzung verursachte Pa-nik des daraufhin selbstschaumldigend handelnden Opfers nur dann unter sect 227StGB subsumieren wenn die (versuchte) Koumlrperverletzung objektiv undsubjektiv lebensgefaumlhrlich war (sect 224 Abs 1 Nr 5 StGB) Das uumlberzeugtnicht weil sich in diesen Konstellationen die Lebensgefaumlhrlichkeit desPanikzustands nicht die der (versuchten) Koumlrperverletzung realisiert sodass es auf die letztere nicht ankommen kann im bdquoMesserstich-Fallldquo kannes zum Beispiel sachgerechterweise nicht darauf ankommen ob der Taumlterdie Panik des Opfers durch einen Stich in den Oberkoumlrper oder ins Beinausloumlst39 Rengier (Fn 22) S 199 sowie S 192 ndash 195 Auch der nicht freiverant-wortliche Suizid sei Todesfolge einer Koumlrperverletzung wenn dieser aus derbdquoFurcht vor jederzeit moumlglichen neuen Torturen (Fortsetzungstat)ldquo herauserfolgt40 Paeffgen JZ 1989 220 ff 227 (Hervorhebung dort) mithin der nega-tiven Entscheidung des bdquoRoumltzel-Fallesldquo zustimmend ebenso argumentie-rend Sowada JURA 1994 643 ff 649 f Kuumlpper in Festschrift Hirsch 1999S 615 ff 622 f die Dauerhaftigkeit der Freiheitsberaubung als Unterschiedzur Koumlrperverletzung hervorhebend bereits Kuumlpper (Fn 22) S 105 f so

auch Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV S 237 ff 265 ndash 267 Paeffgen inNK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 70 ndash 74 Hardtung in MuumlnchKommStGB(Fn 32) sect 18 Rn 4941 Mitsch JURA 1993 18 ff 21 Hervorhebung dort vergleiche auchLaue JuS 2003 743 ff 747 bezogen auf den bdquoGubener Hetzjagd-FallldquobdquoDie Begruumlndung des BGH deutet gerade nicht auf eine koumlrperverletzungs-spezifische Gefahrverwirklichung hin sondern auf eine noumltigungsspezi-fischeldquo Puppe JR 2003 122 ff 125 fasst die Aussage des bdquoGuber Hetz-jagd-Fallesldquo in diesem Sinn zugespitzt-kritisch zusammen bdquoEineKoumlrperverletzung mit Todesfolge ist auch die bloszlige Demonstration vonGewaltbereitschaft wenn sie auf irgend einem vorhersehbaren Wege zumTod des Bedrohten fuumlhrtldquo Kritisch im selben Sinne auch Sowada JURA2003 549 ff 555 Heger JA 2003 455 ff 458 Aumlhnlich hatte schon der BGHim bdquoKapo-Fallldquo Urteil vom 3 12 1953 ndash 4 StR 37853 = bei Dallinger MDR1954 149 ff 150 f argumentiert In einem Konzentrationslager hatte einsogenannter Kapo einen Mithaumlftling mehrfach schwer misshandelt bdquoUmweiteren Misshandlungen zu entgehen ergriff dieser verfolgt von A dieFlucht und rannte in die Postenkette Die Wachmannschaften schossen ihnohne Anruf niederldquo Der BGH verneinte hier eine Koumlrperverletzung mitTodesfolge mangels erfolgter Koumlrperverletzung seitens des A Der toumldlicheSchuss des Wachpostens auf den in die Postenkette fliehenden Haumlftlingstehe zwar im Zusammenhang mit einer aumluszligerlich erkennbar beabsichtigtenweiteren Koumlrperverletzung des Kapo Diese konnte aber da sie nicht mehrvollzogen wurde (und die versuchte Koumlrperverletzung nach damaligemRecht nicht strafbar war) bdquostrafrechtlich nur als Vergehen gegen sect 240 odersect 241 StGB gewertet werden Gegenuumlber diesen Straftaten kommt die Er-schwerung des sect 226 [a F = sect 227 StGB n F] nicht zum Zugeldquo42 Vergleiche Puppe JR 2003 122 ff 125 das unmittelbare Ansetzenbejahend aber kritisch zum letzteren Aspekt Sowada JURA 2003 549 ff551 554 f

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verletzung (als bdquoPunktdeliktldquo) stellt sich aus dieser Sicht alsdogmatisch-technische Zufaumllligkeit dar insofern sind dieEntscheidungen im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo und im bdquoMes-serstich-Fallldquo rechtspolitisch erfreulich ndash bleiben argumenta-tiv aber unzulaumlnglich Dogmatisch konsistent kann eine all-gemeine Loumlsung der bdquoFluchtfaumllleldquo jenseits solcher Zufaumlllig-keit nur sein wenn sie fuumlr die Begruumlndung der Gefahrspezi-fik das allen bdquoFluchtfaumlllenldquo eigenartige Charakteristikumdogmatisch umsetzt naumlmlich die durch den Taumlter geschaffe-ne psychische Ausnahme- und Konfliktsituation des Opfers

3 Noumltigung Bedrohung Nachstellen oder Aussetzungbdquomit Todesfolgeldquo

Es liegt in der Tat nahe nach Paeffgen und Mitsch die Schaf-fung dieser Konfliktsituation als Angriff auf die bdquopersoumlnlicheFreiheitldquo also im Zusammenhang der sectsect 232-241a StGB zuinterpretieren Ein Tatbestand bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo delege ferenda wuumlrde allerdings bereits deshalb keine adaumlquateRegelung bezogen auf die bdquoFluchtfaumllleldquo darstellen weil diesenicht tatbestandlich waumlren Zwar schuumltzt sect 240 StGB dieFreiheit der Willensentschlieszligung und -betaumltigung des Op-fers43 die der Taumlter in den Fluchtfaumlllen durch Schaffung derKrisensituation beeintraumlchtigt sect 240 StGB setzt jedoch tat-bestandlich neben der Noumltigungshandlung einen Noumltigungs-erfolg voraus naumlmlich dass der Taumlter dem Opfer ein dessenWillen widerstrebendes Verhalten (Handeln Tun oder Un-terlassen) aufzwingt das uumlber das bloszlige Erleiden derZwangshandlung hinausgeht44 Als ein solcher Noumltigungs-erfolg kommt aber in den bdquoFluchtfaumlllenldquo lediglich das selbst-gefaumlhrdende oder -schaumldigende Fluchtverhalten des Opfersin Betracht hinsichtlich dessen der Taumlter typischerweise kei-nen Vorsatz hat In den Faumlllen selbstschaumldigenden (suizi-dalen) Opferverhaltens liegt dies auf der Hand da andern-falls bereits wegen vorsaumltzlicher Toumltung sect 212 StGB zubestrafen waumlre Auch bezogen auf selbstgefaumlhrdendes Opfer-verhalten ist der Taumlter aber zumeist vorsatzlos Weder dassdas Opfer bei Herannahen eines Zuges uumlber Bahngleise flie-hen wuumlrde (bdquoGuumlterzug-Fallldquo) noch sich aus dem fahrendenAuto auf die Straszlige werfen (bdquoAuto-Fallldquo) noch durch eineGlastuumlr springen (bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo) noch einschmales Fensterbrett bei 25 Metern Auszligenhoumlhe erklimmenwuumlrde (bdquoMesserstich-Fallldquo) beabsichtigte oder erkannte derjeweilige Taumlter und auch ein Eventualvorsatz bestand hierallenfalls bezogen auf irgendein Fluchtverhalten aber nichtwie erforderlich fuumlr eine bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo bezo-gen auf das jeweilige konkrete risikoreiche FluchtverhaltenDas mag in anderen Einzelfaumlllen anders sein jedenfalls abersind die bdquoFluchtfaumllleldquo im Allgemeinen nicht durch ein vor-saumltzlich erzwungenes selbstgefaumlhrdendes Opferverhalten alsNoumltigungserfolg charakterisiert

Ist es vor diesem Hintergrund zielfuumlhrender an die Be-drohlichkeit der Situation fuumlr das Opfer als allgemeines Cha-rakteristikum der bdquoFluchtfaumllleldquo anzuknuumlpfen letztere also delege ferenda als bdquoBedrohung mit Todesfolgeldquo zu sanktionie-ren Korrespondieren wuumlrde dies jedenfalls mit dem Rechts-gut des sect 241 StGB das nach herrschender Auffassung nichtdas des angedrohten Delikts ist sondern im individuellensubjektiven Rechtsfrieden besteht45 konkreter (und korres-

pondierend mit der Abschnittsuumlberschrift) in der bdquoFreiheitdes einzelnen von Furchtldquo46 Allerdings verlangt sect 241 StGBals abstraktes Gefaumlhrdungsdelikt47 keine Beeintraumlchtigungdieses Rechtsguts als tatbestandlichen Erfolg sondern laumlsstdie Bedrohungshandlung ausreichen ist mit anderen Wor-ten ein bdquoschlichtes Taumltigkeitsdeliktldquo48 Dies allein waumlre zwarnoch kein schlagendes Argument gegen eine bdquoBedrohung mitTodesfolgeldquo naumlmlich vor dem Hintergrund dass das (dannallein moumlgliche) Anknuumlpfen an die Gefaumlhrlichkeit der Hand-lung zur Begruumlndung des spezifischen Gefahrzusammen-hangs nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zulaumlssigist Hingegen waumlre eine solche Erfolgsqualifikation deshalbproblematisch weil sie dasjenige Element tatbestandlich aus-spart das ndash allein ndash den spezifischen Gefahrzusammenhangherstellen kann naumlmlich den Bedrohungserfolg also die Un-freiheit des Opfers von Furcht die Bedrohungshandlung fuumlrsich ist ungefaumlhrlich Die Ausgestaltung des sect 241 StGB alsabstraktes Gefaumlhrdungsdelikt verhindert also dass diebdquoFluchtfaumllleldquo auch wenn sie tatbestandlich darunter sub-sumierbar waumlren in ihrem entscheidenden Charakteristikumdes erfolgreichen Versetzens in Panik von einer (Todes-)Er-folgsqualifikation adaumlquat erfasst werden koumlnnten

Aufschlussreich ist der Vergleich zu sect 238 Abs 3 StGBdem durch beharrliche Bedrohung (als einer der moumlglichenTathandlungen sect 238 Abs 1 Nr 4 StGB) begangenen Nach-stellen mit Todesfolge Anders als sect 241 Abs 1 StGB setztsect 238 Abs 1 StGB einen tatbestandlichen Erfolg der Bedro-hungen voraus naumlmlich die schwerwiegende Beeintraumlchti-gung der Lebensgestaltung des Opfers Ist damit das fuumlrsect 241 StGB konstatierte Defizit im Rahmen des sect 238 StGBbeseitigt mithin eine dogmatisch konsistente Einfuumlgung derBedrohung mit Todesfolge gelungen Das Gegenteil ist derFall Die schwerwiegende Beeintraumlchtigung der Lebens-gestaltung erfordert nach dem Willen des Gesetzgebers einebdquoobjektivierbare Beeintraumlchtigungldquo eine erzwungene bdquoVer-aumlnderung der Lebensumstaumlndeldquo dass also das Opfer bdquonichtmehr so leben kann wie zuvorldquo Als schwerwiegend sollendabei zum Beispiel das Verlassen der Wohnung nur noch inBegleitung oder der Wechsel von Arbeitsplatz oder Woh-nung anzusehen sein49 Es liegt auf der Hand dass ein solcherTaterfolg nicht spezifisch lebensgefaumlhrlich ist ja dass esschwerfaumlllt uumlberhaupt Fallkonstellationen zu bilden in de-nen aus diesem Nachstellungserfolg ein Todeserfolg resul-tiert Die seitens des Gesetzgebers als typisch angeseheneKonstellation des Nachstellens mit Todesfolge in der naumlm-lich der Taumlter das Opfer in den Suizid treibt knuumlpft geradenicht an der Gefaumlhrlichkeit des Nachstellungserfolgs son-dern der -handlung an Diese birgt die Gefahr selbstschaumldi-genden bzw -gefaumlhrdenden Opferverhaltens als typischepsychische Reaktion Dass das bdquoversuchte Nachstellen mitTodesfolgeldquo mangels Versuchsstrafbarkeit des Grundtat-bestands nicht strafbar ist50 stellt mithin nicht nur eine deut-liche dogmatische Inkonsistenz dar sondern fuumlhrt vor allemauch zu unsachgemaumlszligen Ergebnissen Wenn der Stalker seinOpfer in den unfreiverantwortlichen Suizid treibt wird ernur dann als Verbrecher (sectsect 238 Abs 3 12 Abs 1 StGB)bestraft wenn polemisch zugespitzt das Opfer vorher sei-

1058 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

43 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 1 KreyHeinrich Strafrecht BT 1 14 Aufl2008 Rn 329 eingehend Lesch in Festschrift Rudolphi 2004 S 483 ff44 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 54 ndash 56 Eisele Strafrecht BT I 2008Rn 458 f Kuumlper Strafrecht BT 7 Aufl 2008 S 243 f45 Kindhaumluser Strafrecht BT I 3 Aufl 2007 sect 14 Rn 1 WesselsHettin-ger (Fn 37) Rn 434a Eisele (Fn 44) Rn 477 BVerfG NJW 1995 2776 f

46 Schroeder in Festschrift Lackner 1987 S 665 ff 670 f47 Dazu die Nachweise in Fn 4548 Zum Begriff nur Roxin (Fn 8) sect 10 Rn 103 f49 BT-Drs 16575 S 8 vgl auch Eisele (Fn 44) Rn 502 f WesselsHet-tinger (Fn 37) Rn 369h Das AG Loumlbau StV 2008 646 f stellt uumlberaus hoheAnforderungen50 Zur Problematik dieser Konstellation im Allgemeinen nur Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 45 ndash 47

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netwegen umgezogen ist ansonsten verbleibt neben demstraflosen versuchten Nachstellen nur eine Sanktionierungnach sect 222 StGB51

Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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letzungserfolg und dem Tod des Opfers bedarf es nicht [ ] Eine solchetatbestandstypische Gefahr kann sich auch dann im Tod des Opfersverwirklicht haben wenn die unmittelbar zum Tod fuumlhrende Ursacheein Verhalten des Opfers war sofern dieses selbstschaumldigende Verhaltensich als naheliegende und deliktstypische Reaktion darstellt wie diesbei Fluchtversuchen in Panik und Todesangst der Fall ist [ ]ldquo2

Sodann subsumiert der BGHbdquoDanach hat sich der Angeklagte der Koumlrperverletzung mit Todes-

folge schuldig gemacht Denn von seinem Verhalten [ ] ging auch dieGefahr aus dass Frau G die um ihr Leben fuumlrchten musste in Panikgeriet und bei riskanten Fluchtversuchen zu Tode kommt Der erfor-derliche Zurechnungszusammenhang wurde [ ] auch nicht durch dasOpferverhalten unterbrochen Denn angesichts der konkreten Bedro-hungssituation war das ndash wenngleich kopflose ndash Fluchtverhalten vonFrau G eine typische dem Schutzzweck des sect 227 StGB unterfallendeunmittelbare (Kurzschluss-)Reaktion auf die lebensgefaumlhrliche Koumlrper-verletzungshandlung mit dem Messer [ ] Dass Frau G sich zu demfestgestellten Fluchtverhalten gedraumlngt sah war allein auf die Koumlrper-verletzungshandlung des Angeklagten zuruumlckzufuumlhren und nicht mehrdurch einen autonomen mit diesem Geschehen nur durch die bloszligeKausalitaumlt verbundenen Willensbildungsprozess beeinflusstldquo3

Das Urteil dieses bdquoMesserstich-Fallsldquo schlieszligt sich expli-zit4 an die Rechtsprechung im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anin welchem nach einer versuchten schweren Koumlrperverlet-zung das Opfer in Panik floh eine Glastuumlr eintrat durchdiese hindurchstieg und sich dabei toumldliche Schnittverletzun-gen zuzog wofuumlr der BGH das Vorliegen eines spezifischenGefahrzusammenhangs bejahte und wegen versuchter Koumlr-perverletzung mit Todesfolge bestrafte5 Die aumlltere restrikti-vere Linie hat der BGH damit ebenfalls explizit6 aufgege-ben In dem der juumlngsten Entscheidung sachlich uumlberausaumlhnlich gelagerten bdquoRoumltzel-Fallldquo aus dem Jahr 1970 in demder Taumlter dem Opfer im Obergeschoss eines Hauses bdquoeinetiefe Oberarmwunde und einen Nasenbeinbruchldquo zufuumlgteversuchte dieses bdquovor den fortdauernden Angriffenldquo veraumlngs-tigt durch das Fenster auf den Balkon zu fluumlchten stuumlrztedabei ab und verletzte sich toumldlich Das Gericht verneinte dieUnmittelbarkeit der Todesfolge mangels Verwirklichung derbdquodem Grundtatbestand (sect 223 StGB) eigentuumlmliche[n]ldquobdquospezifischen Gefahrldquo und lehnte damals eine Bestrafungnach sect 226 StGB aF (entspricht sect 227 StGB nF) noch ab7

Dieses Umschwenken der Rechtsprechung ist rechtspoli-tisch zu begruumlszligen da es sachlich uumlberzeugend das Ausloumlsenschwerer Schocks und Panikreaktionen beim Opfer ver-schaumlrft sanktioniert An der dogmatischen Konsistenz derArgumentation verbleiben allerdings erhebliche Zweifel

II bdquoFluchtfaumllleldquo und objektive Zurechnung

Als weitgehend konsentierter Ausgangspunkt kann zunaumlchstfestgehalten werden dass kausale Erfolge dem Taumlter dannunter Umstaumlnden nicht objektiv zuzurechnen sind wennandere Personen in den Geschehensablauf eingegriffen ha-ben es ist nach Verantwortungsbereichen abzugrenzen Ei-nen Zurechnungsausschluss kann insbesondere die freiver-antwortliche Selbstgefaumlhrdung des (spaumlteren) Opfers bewir-ken wobei vor allem der Begriff der bdquoFreiverantwortlich-keitldquo im Fokus der Diskussion steht8 Eingehender als in

der vorliegenden Konstellation der bdquoFluchtfaumllleldquo9 haben sichRechtsprechung und Literatur damit bereits in den bdquoRetter-faumlllenldquo10 befasst so dass der Blick auf diese Parallelproble-matik (man koumlnnte die Parallelitaumlt hervorhebend auch vonbdquoSelbst-ldquo und bdquoFremdrettungsfaumlllenldquo sprechen) den rasches-ten Zugriff auf das hiesige Problem bildet Charakteristikumder bdquoRetterfaumllleldquo ist dass im Anschluss an eine vorsaumltzlichoder fahrlaumlssig herbeigefuumlhrte Gefahrensituation Dritte Ret-tungsmaszlignahmen ergreifen und dabei zu Schaden kommenohne dass dies vom Vorsatz des Taumlters umfasst ist Der BGHbejahte die objektive Zurechnung des Schaumldigungserfolgsmithin eine Bestrafung nach sect 222 StGB als das Opfer sichveranlasst sah zwecks Rettung eigener Sachwerte ndash und wasjedoch tatsaumlchlich unklar blieb des Lebens seines juumlngerenBruders ndash in die zweite Etage des durch den Taumlter in Brandgesetzten Hauses einzudringen wobei es erstickte Der BGHfuumlhrte aus dass hier zuzurechnen sei da der Taumlter ein ein-sichtiges Motiv fuumlr die Rettungshandlung gesetzt hat und diezur Selbstschaumldigung des Retters fuumlhrenden Rettungsver-suche nicht offensichtlich sinnlos oder unverhaumlltnismaumlszligigwaren11

In der Literatur wird diskutiert wie sich (insbesonderestrafrechtliche) Handlungspflichten des Retters ndash aus sect 323cStGB aufgrund persoumlnlicher Garantenstellung oder beruf-licher Sonderpflichten (etwa eines Feuerwehrmannes) ndash aufseine Freiverantwortlichkeit auswirken Kaum zu uumlberzeu-gen vermag die Erwaumlgung dass das Gesetz hinsichtlich desTaumlters zurechnungsunterbrechend dem Retter mit solchenPflichten auch die Verantwortung fuumlr das Geschehen zuwei-se12 Sie missachtet dass der Taumlter die Handlungspflicht desRetters in der konkreten Situation erst ausloumlst und deshalbdessen Handeln mitverantwortet so dass im Gegenteil des-sen Handeln aufgrund der Rettungspflicht unfreiwillig ist13Demgemaumlszlig sollten Rettungspflichten nicht typisierend bdquosta-tusbezogenldquo verstanden werden sondern ndash wie insbesonde-re RadtkeHoffmann ausfuumlhren ndash bdquohandlungsbezogenldquo Be-steht situativ eine Handlungspflicht des Retters handelt die-ser nicht freiverantwortlich so dass dem Taumlter auch dessenSchaumldigung zuzurechnen ist14

Auch wenn keine Handlungspflicht des Retters bestehtist eine Zurechnung zu Lasten des Taumlters zumindest fuumlrSchaumlden durch solche Rettungshandlungen moumlglich die mitBlick auf Chancen und Risiken objektiv ex ante bdquovernuumlnftigldquo

1054 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

2 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 9 Hervorhebungen nurhier3 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 104 BGH Urteil v 10 1 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 9 am Ende5 BGHSt 48 34 ff = NStZ 2003 149 ff Naumlheres zu diesem und demfolgenden Fall unter III 26 BGH Urteil v 10 01 2008 ndash 5 StR 43507 Rn 117 BGH NJW 1971 152 f8 Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil (AT) I 4 Aufl 2006 sect 11Rn 106 ndash 145 vor allem Rn 107 ndash 120 Kuumlhl Strafrecht Allgemeiner Teil

(AT) 6 Aufl 2008 sect 4 Rn 50 ndash 52 67 ndash 72 sowie vor allem Rn 83 ndash 98 desWeiteren etwa Frisch NStZ 1992 1 ff 62 ff Zaczyk Strafrechtliches Un-recht und die Selbstverantwortung des Verletzten 1993 S 49 ndash 629 So der Terminus beispielsweise bei Paeffgen in Nomos-Kommentar(NK) StGB 2 Aufl 2005 sect 18 Rn 6710 So der Terminus beispielsweise bei Kuumlhl (Fn 8) sect 4 Rn 9611 BGHSt 39 322 ff 324 ndash 326 = NJW 1994 205 f = NStZ 1994 83 f mitAnm Alwart vgl auch bereits RGSt 5 202 ff (von 1881) wonach beifahrlaumlssiger Brandstiftung der Tod desjenigen der verbrennende Gegen-staumlnde retten will als Fahrlaumlssigkeitserfolg zugerechnet werden kann man-gels Verhaumlltnismaumlszligigkeit des Risikos ex ante eine Zurechnung des Todeszweier Feuerwehrmaumlnner verneinend jetzt OLG Stuttgart StraFo 2008176 ff12 So aber Roxin (Fn 8) sect 11 Rn 139 f bezogen auf berufliche Rettungs-pflichten vergleiche bereits ders in Festschrift Honig 1970 S 133 ff142 f ders in Festschrift Gallas 1973 S 241 ff 246 ndash 248 aumlhnlich Ottoin Festschrift E A Wolff 1998 S 395 ff 411 im Ergebnis auch Schuumlne-mann GA 1999 207 ff 222 f13 Wolter Objektive und personale Zurechnung von Verhalten Gefahrund Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem 1981 S 344 f Derk-sen Handeln auf eigene Gefahr 1992 S 233 Sowada JZ 1994 663 ff 665Frisch in Festschrift Nishihara 1998 S 66 ff 80 f Puppe JURA 199821 ff 30 Walter in Leipziger Kommentar (LK) zum StGB 12 Aufl 2007Vor sect 13 Rn 11814 RadtkeHoffmann GA 2007 201 ff

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waren15 Ein anderer Freiwilligkeits- beziehungsweise Zu-rechnungsmaszligstab muss dann gelten wenn sich der Retterin einer bdquomenschlich nachvollziehbaren psychischen Aus-nahmensituationldquo befindet16 also beispielsweise die Mutterndash nahezu aussichtslos also ohne Handlungspflicht und auchnicht bdquovernuumlnftigerweiseldquo ndash ihr Kind zu retten versucht unddabei umkommt Auf die Vernuumlnftigkeit der Rettungshand-lung ex ante kann es hier nicht ankommen weil diese nichtmehr den Verhaltensmaszligstab des Retters bildet ein bdquounver-nuumlnftigesldquo Verhalten desselben vielmehr geradezu typisch imSinne der objektiven Zurechnung ist Sich in diesen Fallkon-stellationen fuumlr die Bestimmung der zurechnungsunterbre-chenden Freiverantwortlichkeit am Maszligstab der Einwil-ligung (sect 228 StGB) zu orientieren liegt insofern nahe alsdieses Institut (wenn auch technisch als Rechtfertigungs-grund) die strafrechtliche Verantwortung des Taumlters fuumlr dieVerletzung der Rechtsguumlter des eigenverantwortlich handeln-den Opfers selbst reduziert17 Gleichwohl ist es uumlberzeugen-der als Maszligstab sect 35 StGB heranzuziehen auch wenn dieseNorm insofern nicht parallel laufend entschuldigend bezuumlg-lich der Verletzung fremder Rechtsguumlter durch den Retterwirkt Im Gegensatz zu sect 228 StGB bietet sect 35 StGB abereinen Maszligstab fuumlr Situationen in denen typischerweise dieErhaltung unterschiedlicher Rechtsguumlter in einen Konfliktgeraumlt der durch die Rettung des einen mittels Beeintraumlchti-gung des anderen entschieden wird wobei dies bdquoin einergegenwaumlrtigen [ ] Gefahr fuumlr Leib Leben oder Freiheitldquodes Handelnden selbst bdquooder einer anderen ihm nahestehen-den Personldquo erfolgt also in einer akuten psychisch schwieri-gen Krisensituation Eben diese Charakteristika zeigen auchdie bdquoRetterfaumllleldquo In Anwendung des Maszligstabs des sect 35StGB ist demnach dann die strafrechtliche Verantwortungfuumlr eine Schaumldigung des Retters nicht diesem selbst sonderndem die betreffende Situation herbeifuumlhrenden Taumlter auf-zubuumlrden wenn der Retter im Falle der Beeintraumlchtigungfremder Rechtsguumlter entschuldigt waumlre18

Dass in den bdquoFluchtfaumlllenldquo keine freiverantwortlicheSelbstgefaumlhrdung vorliegt die den allgemeinen Zurech-nungszusammenhang unterbrechen koumlnnte ist mit Blick aufdie parallelen bdquoRetterfaumllleldquo in notstandsaumlhnlicher Lage ein-sichtig19 Wenn selbst aumluszligerst risiko- und dabei kaum aus-sichtsreiche Rettungsmaszlignahmen zur Abwendung einer Ge-fahr fuumlr Leib Leben oder Freiheit einer nahestehenden Per-son aufgrund der psychischen Sondersituation des Rettersdem Taumlter zuzurechnen sind so muss dies erst recht geltenwenn diese Rechtsguumlter des Betreffenden selbst in Gefahrsind bdquoVeraumlngstigungldquo bdquoAngst- und Panikgefuumlhleldquo und einedaraus resultierende bdquo(Kurzschluss-)Reaktionldquo des Opfers20schlieszligen dessen Freiverantwortlichkeit aus und fuumlhren zurZurechnung zu Lasten des Taumlters Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo stehtdenn auch die objektive Zurechenbarkeit als solche in der

Lehre weitestgehend auszliger Streit und entspricht der staumlndi-gen Rechtsprechung21 ndash anders als die nun zu diskutierendeFrage der Zurechnung des Todes als besonderer Folge derTat im Sinne von sect 18 StGB

III bdquoFluchtfaumllleldquo und spezifischer Gefahr-zusammenhang im Sinne von sect 18 StGB

1 Typik des Todeserfolgs riskanter Fluchtversuche

sect 18 StGB steht in der Tradition des kanonischen Gedankensversari in re illicita Der deliktisch Handelnde der bdquoin einerunerlaubten Sache verweiltldquo haftete im Widerspruch zumSchuldprinzip nach deutscher Gesetzeslage vor 1953 fuumlr allekausal herbeigefuumlhrten deliktischen Erfolge22 Mit Einfuumlh-rung der dem heutigen sect 18 StGB entsprechenden Regelungin jenem Jahr ist die Strafbarkeit auf solche Faumllle reduziertworden in denen den Taumlter individuelle strafrechtliche Ver-antwortung (mindestens Fahrlaumlssigkeit) trifft Aber auch dergeltenden Regelung wird ein Verstoszlig gegen das Schuldprin-zip vorgeworfen naumlmlich aufgrund des teils ganz erheblicherhoumlhten Strafrahmens der jeweiligen Erfolgsqualifikationim Vergleich zu dem sich bei tateinheitlicher Begehung desGrunddelikts und der schweren Folge isoliert ergebendenJedenfalls liegt eine deutlich restriktive Auslegung der betref-fenden Normen nahe wobei vor allem das Erfordernis einesspezifischen Gefahrzusammenhangs zwischen Grunddeliktund schwerer Folge fruchtbar zu machen ist Sachgerecht istes dabei bezogen auf das betreffende Grunddelikt die typi-sche Gefahr des Eintritts der entsprechenden schweren Folgezu fordern denn nur diese kann es rechtfertigen dass (alsfahrlaumlssig) zurechenbare Folgen bei Verwirklichung dieserDelikte besonders gravierende Sanktionierungen bewirkenaus diesem Ansatz folgt bereits zwingend dass die Gefahr-spezifik fuumlr jedes betroffene Grunddelikt separat zu bestim-men ist23 Bei mehraktigen Delikten ist dabei zu praumlzisierenwelchem Tatbestandsmerkmal des Grunddelikts die typischeund damit sanktionsschaumlrfende Gefaumlhrlichkeit innewohntob also beispielsweise bei lebensgefaumlhrlicher Wegnahme le-benswichtiger Medikamente sect 251 StGB erfuumlllt sein kannoder ob die Norm nur den aus der Noumltigung resultierendenTod verschaumlrft sanktioniert24 Des Weiteren wird wiederumdifferenzierend fuumlr die einzelnen Erfolgsqualifikationen dis-kutiert ob an die Gefaumlhrlichkeit des grunddeliktischen Er-folgs anzuknuumlpfen ist oder ob auch die Handlungsgefaumlhr-lichkeit Bezugspunkt sein kann (wonach dann auch der bdquoer-folgsqualifizierte Versuchldquo moumlglich wird)25

Im vorliegenden Kontext ist derjenige Restriktionsansatzzu diskutieren der eine ndash uumlber die fuumlr die allgemeine objek-tive Zurechnung postulierte hinausgehende ndash spezifische

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1055

15 Wolter (Fn 13) S 345 f Sowada JZ 1994 663 ff 665 f Derksen NJW1995 240 ff 241 Frisch in Festschrift Nishihara S 66 ff 82 f mit Blickauf Art 103 Abs 2 GG das Kriterium der bdquoUnvernuumlnftigkeitldquo ablehnendDiel Das Regreszligverbot als allgemeine Tatbestandsgrenze im Strafrecht1997 S 238 ndash 25516 Formulierung bei RadtkeHoffmann GA 2007 201 ff 21717 Vergleiche Amelung NStZ 1994 338 zum weiteren Kontext der bdquoFrei-heit und Freiwilligkeit auf Opferseiteldquo ders GA 1999 182 ff 19718 BernsmannZieschang JuS 1995 775 ff 778 f Otto in Festschrift EA Wolff 1998 S 395 ff 411 f Radtke ZStW 110 (1998) 848 ff 879 fRadtkeHoffmann GA 2007 201 ff 217 f19 Zu dieser Parallele auch Otto in Festschrift E A Wolff 1998S 395 ff 411 f20 So die Formulierungen in den eingangs referierten EntscheidungenBGH NJW 1971 152 f 152 BGHSt 48 34 ff 36 BGH Urteil v 10 1 2008ndash 5 StR 43507 Rn 10

21 Vergleiche auch bereits RGSt 40 321 ff 324 (von 1907) Zurechnungdes Todes des Opfers das sich mittels Sprung aus dem Fenster eines fahr-laumlssig in Brand gesetzten Hauses zu retten versuchte22 Zum geschichtlichen Zusammenhang Kuumlpper Der bdquounmittelbareldquo Zu-sammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsquali-fizierten Delikt 1982 S 14 ndash 25 Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte undverwandte Erscheinungsformen 1986 S 11 ndash 7523 Vergleiche etwa Wolter GA 1984 443 ff 443 Altenhain GA 199619 ff 19 f Radtke ZStW 110 (1998) 848 ff 878 ndash 880 bezogen auf sect 306cStGB Bussmann GA 1999 21 ff Laue JuS 2003 743 ff 744 ausfuumlhrlichPaeffgen in NK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 16 ndash 107 aktuelle Uumlberblicke beiKuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 14 ndash 17 Vogel in LK-StGB 12 Aufl 2007 sect 18Rn 31 ndash 3524 Dazu nur (im letzteren Sinne) Paeffgen in NK-StGB (Fn 9) sect 18Rn 8125 Dazu Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 19 ndash 23a Paeffgen in NK-StGB (Fn 9)sect 18 Rn 28 ndash 34

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Unmittelbarkeit zwischen Grundtatbestand und schwererFolge fordert Geilen hat 1974 nach Analyse der wechselhaf-ten Rechtsprechung in striktem Sinne formuliert

bdquoDie Formel von einer dem Grundtatbestand eigentuumlmlichen spe-zifischen Gefahrverwirklichung bedeutet letztlich daszlig eine Isolierungauf die Tatbestandsmerkmale des Grunddelikts vorgenommen und dieGefahrentwicklung unter Ausschaltung auszligertatbestandlicher Gefaumlhr-dungsmomente beurteilt werden muszligldquo26

Der spezifische Gefahrzusammenhang waumlre demnach inallen bdquoRetter-ldquo und bdquoFluchtfaumlllenldquo zu verneinen Dem fol-gend hat Hirsch noch 1985 das bdquowillentliche Eingreifen einesDritten oder des Opfers selbstldquo als bdquoanerkanntermaszligen aus-zuscheidende Faumllleldquo bezeichnet27 Einer solchen Restriktionhat mittlerweile der Gesetzgeber selbst eine Absage erteiltindem er den Tatbestand des Nachstellens mit Todesfolgesect 238 Abs 3 StGB geschaffen hat und dabei die suizidaleSelbstschaumldigung des Opfers als deliktstypische Gefahr be-greift28 ndash in der Tat entfalten ohne eine solche dazwischen-tretende Handlung des Opfers weder Tathandlungen wie dasbeharrliche Zusenden von Briefen vergleiche Absatz 1 Nr 2noch der Erfolg des Grundtatbestands die schwerwiegendeBeeintraumlchtigung der Lebensgestaltung toumldliche WirkungWenn aber sogar die suizidale Selbstschaumldigung zurechenbarsein kann muss dies erst recht fuumlr die lebensgefaumlhrlicheSelbstgefaumlhrdung des Opfers gelten29

Auch im Uumlbrigen ist der skizzierte Restriktionsansatzsachlich nicht uumlberzeugend weil ein selbstgefaumlhrdendes Ein-greifen des Dritten oder des Opfers in den Geschehensablaufnicht gleichermaszligen der Verwirklichung aller oder vieler De-likte als Gefahr anhaftet sondern im Gegenteil eine typischeGefahr einiger weniger Delikte darstellt Was das EingreifenDritter betrifft fordern bestimmte Delikte die beispielsweiseLeib und Leben beeintraumlchtigen gefaumlhrliche Rettungshand-lungen eher heraus als andere Insbesondere die Bezeichnungder Brandstiftung als gemeingefaumlhrlich (Uumlberschrift desAchtundzwanzigsten Abschnitts des Besonderen Teils) deu-tet darauf hin dass sich hier typischerweise Dritte als Retterselbst gefaumlhrden30 Selbst eine Deliktstypizitaumlt fuumlr die Ge-faumlhrdung von Rechtsguumltern des bdquoVerfolgersldquo ist zumindestdiskutabel beispielsweise bezogen auf das typischerweisegefaumlhrliche Wiederabjagen der geraubten Beute und sect 251StGB31 Sachgerecht ist es jedenfalls als Kriterium des spezi-fischen Gefahrzusammenhangs weniger an die Unmittelbar-keit des Erfolgseintritts im Sinne Geilens anzuknuumlpfen als andie Typik desselben

Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo ergibt dies Eine panikartige Fluchtwird typischerweise nicht ausgeloumlst bei Beeintraumlchtigungkollektiver Rechtsguumlter oder solcher individueller Rechts-guumlter deren Beeintraumlchtigung per se nicht mittels Flucht ver-hindert werden kann (zum Beispiel des Hausrechts sect 123StGB) schlieszliglich solcher die ihrer Bedeutung nach deutlichuntergeordnet sind (zum Beispiel der Ehre sect 185 StGB) DieGefahr dass das Opfer typischerweise auf der Flucht zu

Schaden kommt besteht also anders formuliert nur bei De-likten die bedeutsame individuelle Rechtsguumlter schuumltzenwobei wiederum an die Trias des sect 35 StGB bdquoLeib Lebenoder Freiheitldquo angeknuumlpft werden kann Vor diesem Hinter-grund uumlberzeugt es wenn der Tod des Opfers das sich ausdem fahrenden Auto wirft um seine Freiheit wiederzuerlan-gen als schwere Folge im Sinne von sect 239 Abs 4 StGB inter-pretiert wird (bdquoAuto-Fallldquo)32 Dass demgegenuumlber die To-desgefahr waghalsiger Fluchtversuche bdquobei anderen Strafta-ten in gleicher Weiseldquo bestehe mithin der gefahrspezifischeZusammenhang mit der Freiheitsberaubung entfalle33 istsachlich unzutreffend Zustimmung verdient auch die Auf-fassung dass der Tod des Opfers beim Sprung aus demFenster eines in Brand gesetzten Hauses eine ndash deliktstypi-sche ndash schwere Folge im Sinne von sect 306c StGB ist34 Ebensoist eine Strafbarkeit wegen versuchter Vergewaltigung mitTodesfolge (zunaumlchst) uumlberzeugend bejaht worden fuumlr denFall dass das Opfer um der Vergewaltigung zu entgehenuumlber Bahngleise floh und dabei von einem Zug erfasst wurde(bdquoGuumlterzug-Fallldquo)35 Bezogen auf die letzte Konstellationmuumlsste man allerdings von einem erweiterten Freiheitsbegriffdes sect 35 StGB ausgehen36 oder sich mit einer indiziellenWirkung dieser Norm hinsichtlich des Kreises der betreffen-den Rechtsguumlter begnuumlgen

2 Typik panikartiger Flucht bei gravierendenKoumlrperverletzungen

Aus dem Gesagten scheint zu folgen dass auch bei der Koumlr-perverletzung der spezifische Gefahrzusammenhang im Sin-ne von sect 227 StGB bei toumldlichen Fluchtversuchen des Opfersvorliegt da auch hier das Grunddelikt ein gewichtiges indi-viduelles Rechtsgut schuumltzt naumlmlich in der Diktion des sect 35Abs 1 StGB den bdquoLeibldquo und die panikartige Flucht desOpfers vor Verletzung desselben als bdquotypischldquo erscheintGleichwohl stellt sich die Problematik bezogen auf sect 227StGB anders dar Nur weil die Freiheitsberaubung ein Dau-erdelikt eine Perpetuierung des Erfolgs also moumlglich ist istdie Flucht des Opfers zwecks Beendigung desselben typischfuumlr sect 306c StGB kann man zumindest die Gefahr des Ein-

1056 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

26 Geilen in Festschrift Welzel 1974 S 655 ff 68127 Hirsch in Festschrift Oehler 1985 S 111 ff 129 ndash 132 Zitat S 13128 BT-Drs 163641 S 14 kritisch dazu KinzigZander JA 2007 481 ff48529 So schon Rengier (Fn 22) S 196 f der S 192 f den nicht freiverant-wortlichen Suizid des der Freiheit beraubten Opfers mit BGH Urteil v30 4 1952 ndash 5 StR 2152 als deliktsspezifisch sieht30 Entgegen Rengier JuS 1998 397 ff 400 bdquokeine gerade den sectsect 306 306aanhaftende sbquotatbestandsspezifischelsquo Besonderheitldquo dagegen schon GeppertJURA 1998 597 ff 602 60431 Dazu (allerdings jeweils ablehnend) Guumlnther in Festschrift Hirsch1999 S 543 ff 544 f 549 f Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV 2000S 237 ff 261 ndash 265 Puppe Die Erfolgszurechnung im Strafrecht 2000S 239 ndash 241

32 BGHSt 19 382 ff 386 f allerdings negiert der BGH hier offenbar dasErfordernis eines spezifischen Gefahrzusammenhangs generell bdquoDer Begriffder Verursachung ist hier kein anderer als er allgemein fuumlr die Herbeifuumlh-rung eines Erfolges von der strafrechtlichen Rechtsprechung vertreten wird(Bedingungstheorie) Der Tod ist also auch dann durch die Freiheitsberau-bung verursacht wenn das Opfer unmittelbar bei dem Versuch ihr zuentrinnen toumldliche Verletzungen erleidetldquo In diesem letzteren Ergebniszustimmend Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil 2 Aufl 1993 Abschn 6Rn 36 Rengier (Fn 22) S 198 Puppe (Fn 31) S 237 ndash 239 Hardtung inMuumlnchKommStGB 2003 sect 18 Rn 48 LacknerKuumlhl StGB 26 Aufl 2007sect 239 Rn 9 Fischer StGB 56 Aufl 2009 sect 239 Rn 16 der auch den Suiziderfasst wissen will Bussmann GA 1999 21 ff 32 will bdquogrob fahrlaumlssigeUnternehmungen des Opfers bzw von Drittenldquo ausschlieszligen nach Vogelin LK-StGB (Fn 23) sect 18 Rn 38 kann die Todesfolge bei bdquonicht geradezugrob unvernuumlnftig gefaumlhrliche[r] Fluchtldquo zurechenbar sein33 Widmann MDR 1967 972 f 97334 Geppert JURA 1998 597 ff 602 604 Stein in DenckerStruenseeNellesStein Einfuumlhrung in das 6 Strafrechtsreformgesetz 1998 1998S 177 Wrage JuS 2003 985 ff 990 dagegen etwa Altenhain GA 1996 19 ff3235 BGH Urteil v 28 6 1960 ndash 1 StR 20360 nach PfeifferMaulSchulteStGB 1969 sect 178 Rn 2 zustimmend Rengier (Fn 22) S 198 Puppe(Fn 31) S 238 f ndash Die (vorsaumltzliche) Toumltung des Opfers durch Messerstichenach Beendigung der Vergewaltigung bei noch andauernder bdquoGewaltlageldquosoll hingegen nach BGH NStZ-RR 1999 170 ff 170 f keine schwere Folgeim Sinne von sect 178 StGB sein dem zustimmend Renzikowski NStZ 1999377 ff 384 Der Tod muumlsse bdquounmittelbar auf dem Noumltigungsakt oder dersexuellen Handlung beruhenldquo36 Zur Diskussion dies selbst ablehnend nur Kuumlhl (Fn 8) sect 12 Rn 30mw Nachw

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tritts der besonderen Tatfolge als (in der konkreten Situation)dauerhaft bezeichnen und auch sect 238 StGB (Suizid als uumlber-steigertes Fluchtverhalten) weist indem grundtatbestandlichein bdquobeharrlichesldquo Handeln verlangt wird einen Dauercha-rakter auf Die Flucht des Opfers vor einer bereits vollende-ten Koumlrperverletzung ist hingegen nicht nur atypisch son-dern sogar sachlich ausgeschlossen schlicht da sie den Er-folgseintritt nicht mehr zu verhindern vermag Moumlglich undauch deliktstypisch ist demgegenuumlber die Flucht vor einerversuchten (gravierenden) Koumlrperverletzung (wie auch voreiner versuchten Vergewaltigung) Auf der Basis der vonder neueren Rechtsprechung und in der Literatur uumlberwie-gend vertretenen Auffassung nach der im Rahmen des sect 227StGB fuumlr den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht not-wendig an den Erfolg anzuknuumlpfen ist sondern auch an dieHandlung angeknuumlpft werden kann mithin der bdquoLetalitaumlts-theseldquo nicht zu folgen ist37 spricht daher vieles dafuumlr denTod im Rahmen eines Fluchtversuchs des Opfers vor einerversuchten Koumlrperverletzung als Verwirklichung einergrunddeliktstypischen Gefahr zu interpretieren wie diesder BGH insbesondere im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo auchgetan hat38

Dieser Weg zur Begruumlndung einer Verwirklichung dessect 227 StGB war dem Gericht aber im juumlngsten bdquoMesser-stich-Fallldquo sachlich ebenso versperrt wie im bdquoRoumltzel-FallldquoJeweils hatte naumlmlich der Taumlter nachdem er die Zufuumlgungerheblicher Koumlrperverletzungen vollendet hatte zu erneutenKoumlrperverletzungshandlungen noch nicht wieder unmittel-bar angesetzt (sect 22 StGB) Das Opfer floh vielmehr jeweilsin der Zwischenzeit zwischen Vollendung der einen und un-mittelbarem Ansetzen zur ndash befuumlrchteten ndash naumlchsten Koumlrper-verletzung Rengier meint im Falle bdquonicht endender Miszlig-handlungenldquo wie im bdquoRoumltzel-Fallldquo stelle sich die Koumlrperver-letzung als bdquoFortsetzungstatldquo dar so dass vor diesem Hinter-grund der spezifische Gefahrzusammenhang vorliege39Paeffgen hat demgegenuumlber analysiert

bdquoWas sich in derartigen Kostellationen auswirkt ist die durch dievorangegangenen Untaten begruumlndete Drohung der Fortsetzung Solan-ge es jedoch an einem Tatbestand sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo fehlterscheint es systematisch nicht zulaumlssig die Punkt- in Dauer-Delikteumzufunktionieren so nahe jene Tatbilder diesen kriminologisch ver-wandt sein moumlgenldquo40

Aumlhnlich Mitsch

bdquoAusloumlser der Furcht war also eine seelische Bedraumlngnis des O diefuumlr Tatbestaumlnde mit Noumltigungselement und fuumlr sect 241 typisch im Rah-men der Koumlrperverletzungsdelikte aber eher ein Fremdkoumlrper ist [ ]Zwar mag es sein daszlig die bereits erlittenen koumlrperlichen Miszlighandlun-gen die Furcht des O vor den drohenden Qualen verstaumlrkt haben Diesaumlndert aber nichts daran daszlig die Verbindung zwischen Koumlrperverlet-zung und Todesfolge hier psychischer Natur ist Im Uumlbrigen laumlszligt sichein psychischer Druck von gleicher Staumlrke auch ohne Einwirkung aufden Koumlrper des Opfers erzeugen [ ] Der Sache nach liegt hier alsoeine sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo vorldquo41

Einwenden kann man immerhin dass allein die Moumlglich-keit auf andere Weise als mittels Koumlrperverletzungen ebensointensiven psychischen Druck zu erzeugen noch nicht gegendie Typik solchen Drucks aufgrund schwerer Koumlrperverlet-zungen spricht Weniger dieser Gesichtspunkt als die Los-loumlsung vom Grundtatbestand sect 223 StGB der in der Tat (ins-besondere im Gegensatz zu sect 231 StGB) deutlich punktuellformuliert ist muss mit Blick auf die den spezifischen Ge-fahrzusammenhang tragende Tatbestandstypik bedenklichstimmen Es ist in diesem Sinne auch durchaus aufschluss-reich dass die (der Vorinstanz gegenlaumlufige) Annahme desBGH im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo die Taumlter seien ins Ver-suchsstadium eingetreten sachlich angreifbar war und dieTaumlter uumlberdies wenn man von einem Versuch ausgeht diesenjedenfalls aufgegeben hatten bevor das Opfer selbstschaumldi-gend handelte42 Wenn der BGH im bdquoMesserstich-Fallldquo ex-plizit an den bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anknuumlpft obwohl erim ersteren einen Versuch verneinen musste so deutet auchdies darauf hin dass das unmittelbare Ansetzen fuumlr das Ge-richt argumentativ offenbar zweitrangig ist was wiederumdie dogmatisch bedenkliche Losloumlsung des spezifischen Ge-fahrzusammenhangs vom Tatbestand demonstriert

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten Was das Opfer zurisikoreichen im aumluszligersten Fall suizidalen Fluchtversuchenveranlasst ist eine psychische Ausnahmesituation die der insect 35 StGB skizzierten deutlich aumlhnelt da houmlchste houmlchstper-soumlnliche Rechtsguumlter (bdquoLeib Leben Freiheitldquo) des Opfers inakuter Gefahr sind Dass sich die Gefahrspezifik hinsichtlicheines fahrlaumlssigen Todeserfolgs bei der Freiheitsberaubung(als Dauerdelikt) leichter begruumlnden laumlsst als bei der Koumlrper-

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1057

37 Dazu Englaumlnder GA 2008 669 ff 673 ndash 679 Uumlberblicke mw Nachwbei WesselsHettinger Strafrecht BT 1 32 Aufl 2008 Rn 298 Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 22 f Rechtsprechungsauswertung bis 2000 bei Kuumlhl in FestgabeBGH Bd IV S 237 ff 253 ndash 25638 BGHSt 48 34 ff 38 f zustimmend Kostuch Versuch und Ruumlcktrittbeim erfolgsqualifizierten Delikt 2004 S 258 ndash 260 WesselsHettinger(Fn 37) Rn 301 Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 25 f Rengier Strafrecht BT II9 Aufl 2008 sect 16 Rn 17 ndash 21 ablehnend hingegen etwa Hardtung NStZ2003 261 ff 262 f Laue JuS 2003 743 ff 764 f Englaumlnder GA 2008 669 ff679 ndash 684 will die durch eine (versuchte) Koumlrperverletzung verursachte Pa-nik des daraufhin selbstschaumldigend handelnden Opfers nur dann unter sect 227StGB subsumieren wenn die (versuchte) Koumlrperverletzung objektiv undsubjektiv lebensgefaumlhrlich war (sect 224 Abs 1 Nr 5 StGB) Das uumlberzeugtnicht weil sich in diesen Konstellationen die Lebensgefaumlhrlichkeit desPanikzustands nicht die der (versuchten) Koumlrperverletzung realisiert sodass es auf die letztere nicht ankommen kann im bdquoMesserstich-Fallldquo kannes zum Beispiel sachgerechterweise nicht darauf ankommen ob der Taumlterdie Panik des Opfers durch einen Stich in den Oberkoumlrper oder ins Beinausloumlst39 Rengier (Fn 22) S 199 sowie S 192 ndash 195 Auch der nicht freiverant-wortliche Suizid sei Todesfolge einer Koumlrperverletzung wenn dieser aus derbdquoFurcht vor jederzeit moumlglichen neuen Torturen (Fortsetzungstat)ldquo herauserfolgt40 Paeffgen JZ 1989 220 ff 227 (Hervorhebung dort) mithin der nega-tiven Entscheidung des bdquoRoumltzel-Fallesldquo zustimmend ebenso argumentie-rend Sowada JURA 1994 643 ff 649 f Kuumlpper in Festschrift Hirsch 1999S 615 ff 622 f die Dauerhaftigkeit der Freiheitsberaubung als Unterschiedzur Koumlrperverletzung hervorhebend bereits Kuumlpper (Fn 22) S 105 f so

auch Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV S 237 ff 265 ndash 267 Paeffgen inNK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 70 ndash 74 Hardtung in MuumlnchKommStGB(Fn 32) sect 18 Rn 4941 Mitsch JURA 1993 18 ff 21 Hervorhebung dort vergleiche auchLaue JuS 2003 743 ff 747 bezogen auf den bdquoGubener Hetzjagd-FallldquobdquoDie Begruumlndung des BGH deutet gerade nicht auf eine koumlrperverletzungs-spezifische Gefahrverwirklichung hin sondern auf eine noumltigungsspezi-fischeldquo Puppe JR 2003 122 ff 125 fasst die Aussage des bdquoGuber Hetz-jagd-Fallesldquo in diesem Sinn zugespitzt-kritisch zusammen bdquoEineKoumlrperverletzung mit Todesfolge ist auch die bloszlige Demonstration vonGewaltbereitschaft wenn sie auf irgend einem vorhersehbaren Wege zumTod des Bedrohten fuumlhrtldquo Kritisch im selben Sinne auch Sowada JURA2003 549 ff 555 Heger JA 2003 455 ff 458 Aumlhnlich hatte schon der BGHim bdquoKapo-Fallldquo Urteil vom 3 12 1953 ndash 4 StR 37853 = bei Dallinger MDR1954 149 ff 150 f argumentiert In einem Konzentrationslager hatte einsogenannter Kapo einen Mithaumlftling mehrfach schwer misshandelt bdquoUmweiteren Misshandlungen zu entgehen ergriff dieser verfolgt von A dieFlucht und rannte in die Postenkette Die Wachmannschaften schossen ihnohne Anruf niederldquo Der BGH verneinte hier eine Koumlrperverletzung mitTodesfolge mangels erfolgter Koumlrperverletzung seitens des A Der toumldlicheSchuss des Wachpostens auf den in die Postenkette fliehenden Haumlftlingstehe zwar im Zusammenhang mit einer aumluszligerlich erkennbar beabsichtigtenweiteren Koumlrperverletzung des Kapo Diese konnte aber da sie nicht mehrvollzogen wurde (und die versuchte Koumlrperverletzung nach damaligemRecht nicht strafbar war) bdquostrafrechtlich nur als Vergehen gegen sect 240 odersect 241 StGB gewertet werden Gegenuumlber diesen Straftaten kommt die Er-schwerung des sect 226 [a F = sect 227 StGB n F] nicht zum Zugeldquo42 Vergleiche Puppe JR 2003 122 ff 125 das unmittelbare Ansetzenbejahend aber kritisch zum letzteren Aspekt Sowada JURA 2003 549 ff551 554 f

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verletzung (als bdquoPunktdeliktldquo) stellt sich aus dieser Sicht alsdogmatisch-technische Zufaumllligkeit dar insofern sind dieEntscheidungen im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo und im bdquoMes-serstich-Fallldquo rechtspolitisch erfreulich ndash bleiben argumenta-tiv aber unzulaumlnglich Dogmatisch konsistent kann eine all-gemeine Loumlsung der bdquoFluchtfaumllleldquo jenseits solcher Zufaumlllig-keit nur sein wenn sie fuumlr die Begruumlndung der Gefahrspezi-fik das allen bdquoFluchtfaumlllenldquo eigenartige Charakteristikumdogmatisch umsetzt naumlmlich die durch den Taumlter geschaffe-ne psychische Ausnahme- und Konfliktsituation des Opfers

3 Noumltigung Bedrohung Nachstellen oder Aussetzungbdquomit Todesfolgeldquo

Es liegt in der Tat nahe nach Paeffgen und Mitsch die Schaf-fung dieser Konfliktsituation als Angriff auf die bdquopersoumlnlicheFreiheitldquo also im Zusammenhang der sectsect 232-241a StGB zuinterpretieren Ein Tatbestand bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo delege ferenda wuumlrde allerdings bereits deshalb keine adaumlquateRegelung bezogen auf die bdquoFluchtfaumllleldquo darstellen weil diesenicht tatbestandlich waumlren Zwar schuumltzt sect 240 StGB dieFreiheit der Willensentschlieszligung und -betaumltigung des Op-fers43 die der Taumlter in den Fluchtfaumlllen durch Schaffung derKrisensituation beeintraumlchtigt sect 240 StGB setzt jedoch tat-bestandlich neben der Noumltigungshandlung einen Noumltigungs-erfolg voraus naumlmlich dass der Taumlter dem Opfer ein dessenWillen widerstrebendes Verhalten (Handeln Tun oder Un-terlassen) aufzwingt das uumlber das bloszlige Erleiden derZwangshandlung hinausgeht44 Als ein solcher Noumltigungs-erfolg kommt aber in den bdquoFluchtfaumlllenldquo lediglich das selbst-gefaumlhrdende oder -schaumldigende Fluchtverhalten des Opfersin Betracht hinsichtlich dessen der Taumlter typischerweise kei-nen Vorsatz hat In den Faumlllen selbstschaumldigenden (suizi-dalen) Opferverhaltens liegt dies auf der Hand da andern-falls bereits wegen vorsaumltzlicher Toumltung sect 212 StGB zubestrafen waumlre Auch bezogen auf selbstgefaumlhrdendes Opfer-verhalten ist der Taumlter aber zumeist vorsatzlos Weder dassdas Opfer bei Herannahen eines Zuges uumlber Bahngleise flie-hen wuumlrde (bdquoGuumlterzug-Fallldquo) noch sich aus dem fahrendenAuto auf die Straszlige werfen (bdquoAuto-Fallldquo) noch durch eineGlastuumlr springen (bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo) noch einschmales Fensterbrett bei 25 Metern Auszligenhoumlhe erklimmenwuumlrde (bdquoMesserstich-Fallldquo) beabsichtigte oder erkannte derjeweilige Taumlter und auch ein Eventualvorsatz bestand hierallenfalls bezogen auf irgendein Fluchtverhalten aber nichtwie erforderlich fuumlr eine bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo bezo-gen auf das jeweilige konkrete risikoreiche FluchtverhaltenDas mag in anderen Einzelfaumlllen anders sein jedenfalls abersind die bdquoFluchtfaumllleldquo im Allgemeinen nicht durch ein vor-saumltzlich erzwungenes selbstgefaumlhrdendes Opferverhalten alsNoumltigungserfolg charakterisiert

Ist es vor diesem Hintergrund zielfuumlhrender an die Be-drohlichkeit der Situation fuumlr das Opfer als allgemeines Cha-rakteristikum der bdquoFluchtfaumllleldquo anzuknuumlpfen letztere also delege ferenda als bdquoBedrohung mit Todesfolgeldquo zu sanktionie-ren Korrespondieren wuumlrde dies jedenfalls mit dem Rechts-gut des sect 241 StGB das nach herrschender Auffassung nichtdas des angedrohten Delikts ist sondern im individuellensubjektiven Rechtsfrieden besteht45 konkreter (und korres-

pondierend mit der Abschnittsuumlberschrift) in der bdquoFreiheitdes einzelnen von Furchtldquo46 Allerdings verlangt sect 241 StGBals abstraktes Gefaumlhrdungsdelikt47 keine Beeintraumlchtigungdieses Rechtsguts als tatbestandlichen Erfolg sondern laumlsstdie Bedrohungshandlung ausreichen ist mit anderen Wor-ten ein bdquoschlichtes Taumltigkeitsdeliktldquo48 Dies allein waumlre zwarnoch kein schlagendes Argument gegen eine bdquoBedrohung mitTodesfolgeldquo naumlmlich vor dem Hintergrund dass das (dannallein moumlgliche) Anknuumlpfen an die Gefaumlhrlichkeit der Hand-lung zur Begruumlndung des spezifischen Gefahrzusammen-hangs nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zulaumlssigist Hingegen waumlre eine solche Erfolgsqualifikation deshalbproblematisch weil sie dasjenige Element tatbestandlich aus-spart das ndash allein ndash den spezifischen Gefahrzusammenhangherstellen kann naumlmlich den Bedrohungserfolg also die Un-freiheit des Opfers von Furcht die Bedrohungshandlung fuumlrsich ist ungefaumlhrlich Die Ausgestaltung des sect 241 StGB alsabstraktes Gefaumlhrdungsdelikt verhindert also dass diebdquoFluchtfaumllleldquo auch wenn sie tatbestandlich darunter sub-sumierbar waumlren in ihrem entscheidenden Charakteristikumdes erfolgreichen Versetzens in Panik von einer (Todes-)Er-folgsqualifikation adaumlquat erfasst werden koumlnnten

Aufschlussreich ist der Vergleich zu sect 238 Abs 3 StGBdem durch beharrliche Bedrohung (als einer der moumlglichenTathandlungen sect 238 Abs 1 Nr 4 StGB) begangenen Nach-stellen mit Todesfolge Anders als sect 241 Abs 1 StGB setztsect 238 Abs 1 StGB einen tatbestandlichen Erfolg der Bedro-hungen voraus naumlmlich die schwerwiegende Beeintraumlchti-gung der Lebensgestaltung des Opfers Ist damit das fuumlrsect 241 StGB konstatierte Defizit im Rahmen des sect 238 StGBbeseitigt mithin eine dogmatisch konsistente Einfuumlgung derBedrohung mit Todesfolge gelungen Das Gegenteil ist derFall Die schwerwiegende Beeintraumlchtigung der Lebens-gestaltung erfordert nach dem Willen des Gesetzgebers einebdquoobjektivierbare Beeintraumlchtigungldquo eine erzwungene bdquoVer-aumlnderung der Lebensumstaumlndeldquo dass also das Opfer bdquonichtmehr so leben kann wie zuvorldquo Als schwerwiegend sollendabei zum Beispiel das Verlassen der Wohnung nur noch inBegleitung oder der Wechsel von Arbeitsplatz oder Woh-nung anzusehen sein49 Es liegt auf der Hand dass ein solcherTaterfolg nicht spezifisch lebensgefaumlhrlich ist ja dass esschwerfaumlllt uumlberhaupt Fallkonstellationen zu bilden in de-nen aus diesem Nachstellungserfolg ein Todeserfolg resul-tiert Die seitens des Gesetzgebers als typisch angeseheneKonstellation des Nachstellens mit Todesfolge in der naumlm-lich der Taumlter das Opfer in den Suizid treibt knuumlpft geradenicht an der Gefaumlhrlichkeit des Nachstellungserfolgs son-dern der -handlung an Diese birgt die Gefahr selbstschaumldi-genden bzw -gefaumlhrdenden Opferverhaltens als typischepsychische Reaktion Dass das bdquoversuchte Nachstellen mitTodesfolgeldquo mangels Versuchsstrafbarkeit des Grundtat-bestands nicht strafbar ist50 stellt mithin nicht nur eine deut-liche dogmatische Inkonsistenz dar sondern fuumlhrt vor allemauch zu unsachgemaumlszligen Ergebnissen Wenn der Stalker seinOpfer in den unfreiverantwortlichen Suizid treibt wird ernur dann als Verbrecher (sectsect 238 Abs 3 12 Abs 1 StGB)bestraft wenn polemisch zugespitzt das Opfer vorher sei-

1058 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

43 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 1 KreyHeinrich Strafrecht BT 1 14 Aufl2008 Rn 329 eingehend Lesch in Festschrift Rudolphi 2004 S 483 ff44 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 54 ndash 56 Eisele Strafrecht BT I 2008Rn 458 f Kuumlper Strafrecht BT 7 Aufl 2008 S 243 f45 Kindhaumluser Strafrecht BT I 3 Aufl 2007 sect 14 Rn 1 WesselsHettin-ger (Fn 37) Rn 434a Eisele (Fn 44) Rn 477 BVerfG NJW 1995 2776 f

46 Schroeder in Festschrift Lackner 1987 S 665 ff 670 f47 Dazu die Nachweise in Fn 4548 Zum Begriff nur Roxin (Fn 8) sect 10 Rn 103 f49 BT-Drs 16575 S 8 vgl auch Eisele (Fn 44) Rn 502 f WesselsHet-tinger (Fn 37) Rn 369h Das AG Loumlbau StV 2008 646 f stellt uumlberaus hoheAnforderungen50 Zur Problematik dieser Konstellation im Allgemeinen nur Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 45 ndash 47

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netwegen umgezogen ist ansonsten verbleibt neben demstraflosen versuchten Nachstellen nur eine Sanktionierungnach sect 222 StGB51

Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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1060 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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waren15 Ein anderer Freiwilligkeits- beziehungsweise Zu-rechnungsmaszligstab muss dann gelten wenn sich der Retterin einer bdquomenschlich nachvollziehbaren psychischen Aus-nahmensituationldquo befindet16 also beispielsweise die Mutterndash nahezu aussichtslos also ohne Handlungspflicht und auchnicht bdquovernuumlnftigerweiseldquo ndash ihr Kind zu retten versucht unddabei umkommt Auf die Vernuumlnftigkeit der Rettungshand-lung ex ante kann es hier nicht ankommen weil diese nichtmehr den Verhaltensmaszligstab des Retters bildet ein bdquounver-nuumlnftigesldquo Verhalten desselben vielmehr geradezu typisch imSinne der objektiven Zurechnung ist Sich in diesen Fallkon-stellationen fuumlr die Bestimmung der zurechnungsunterbre-chenden Freiverantwortlichkeit am Maszligstab der Einwil-ligung (sect 228 StGB) zu orientieren liegt insofern nahe alsdieses Institut (wenn auch technisch als Rechtfertigungs-grund) die strafrechtliche Verantwortung des Taumlters fuumlr dieVerletzung der Rechtsguumlter des eigenverantwortlich handeln-den Opfers selbst reduziert17 Gleichwohl ist es uumlberzeugen-der als Maszligstab sect 35 StGB heranzuziehen auch wenn dieseNorm insofern nicht parallel laufend entschuldigend bezuumlg-lich der Verletzung fremder Rechtsguumlter durch den Retterwirkt Im Gegensatz zu sect 228 StGB bietet sect 35 StGB abereinen Maszligstab fuumlr Situationen in denen typischerweise dieErhaltung unterschiedlicher Rechtsguumlter in einen Konfliktgeraumlt der durch die Rettung des einen mittels Beeintraumlchti-gung des anderen entschieden wird wobei dies bdquoin einergegenwaumlrtigen [ ] Gefahr fuumlr Leib Leben oder Freiheitldquodes Handelnden selbst bdquooder einer anderen ihm nahestehen-den Personldquo erfolgt also in einer akuten psychisch schwieri-gen Krisensituation Eben diese Charakteristika zeigen auchdie bdquoRetterfaumllleldquo In Anwendung des Maszligstabs des sect 35StGB ist demnach dann die strafrechtliche Verantwortungfuumlr eine Schaumldigung des Retters nicht diesem selbst sonderndem die betreffende Situation herbeifuumlhrenden Taumlter auf-zubuumlrden wenn der Retter im Falle der Beeintraumlchtigungfremder Rechtsguumlter entschuldigt waumlre18

Dass in den bdquoFluchtfaumlllenldquo keine freiverantwortlicheSelbstgefaumlhrdung vorliegt die den allgemeinen Zurech-nungszusammenhang unterbrechen koumlnnte ist mit Blick aufdie parallelen bdquoRetterfaumllleldquo in notstandsaumlhnlicher Lage ein-sichtig19 Wenn selbst aumluszligerst risiko- und dabei kaum aus-sichtsreiche Rettungsmaszlignahmen zur Abwendung einer Ge-fahr fuumlr Leib Leben oder Freiheit einer nahestehenden Per-son aufgrund der psychischen Sondersituation des Rettersdem Taumlter zuzurechnen sind so muss dies erst recht geltenwenn diese Rechtsguumlter des Betreffenden selbst in Gefahrsind bdquoVeraumlngstigungldquo bdquoAngst- und Panikgefuumlhleldquo und einedaraus resultierende bdquo(Kurzschluss-)Reaktionldquo des Opfers20schlieszligen dessen Freiverantwortlichkeit aus und fuumlhren zurZurechnung zu Lasten des Taumlters Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo stehtdenn auch die objektive Zurechenbarkeit als solche in der

Lehre weitestgehend auszliger Streit und entspricht der staumlndi-gen Rechtsprechung21 ndash anders als die nun zu diskutierendeFrage der Zurechnung des Todes als besonderer Folge derTat im Sinne von sect 18 StGB

III bdquoFluchtfaumllleldquo und spezifischer Gefahr-zusammenhang im Sinne von sect 18 StGB

1 Typik des Todeserfolgs riskanter Fluchtversuche

sect 18 StGB steht in der Tradition des kanonischen Gedankensversari in re illicita Der deliktisch Handelnde der bdquoin einerunerlaubten Sache verweiltldquo haftete im Widerspruch zumSchuldprinzip nach deutscher Gesetzeslage vor 1953 fuumlr allekausal herbeigefuumlhrten deliktischen Erfolge22 Mit Einfuumlh-rung der dem heutigen sect 18 StGB entsprechenden Regelungin jenem Jahr ist die Strafbarkeit auf solche Faumllle reduziertworden in denen den Taumlter individuelle strafrechtliche Ver-antwortung (mindestens Fahrlaumlssigkeit) trifft Aber auch dergeltenden Regelung wird ein Verstoszlig gegen das Schuldprin-zip vorgeworfen naumlmlich aufgrund des teils ganz erheblicherhoumlhten Strafrahmens der jeweiligen Erfolgsqualifikationim Vergleich zu dem sich bei tateinheitlicher Begehung desGrunddelikts und der schweren Folge isoliert ergebendenJedenfalls liegt eine deutlich restriktive Auslegung der betref-fenden Normen nahe wobei vor allem das Erfordernis einesspezifischen Gefahrzusammenhangs zwischen Grunddeliktund schwerer Folge fruchtbar zu machen ist Sachgerecht istes dabei bezogen auf das betreffende Grunddelikt die typi-sche Gefahr des Eintritts der entsprechenden schweren Folgezu fordern denn nur diese kann es rechtfertigen dass (alsfahrlaumlssig) zurechenbare Folgen bei Verwirklichung dieserDelikte besonders gravierende Sanktionierungen bewirkenaus diesem Ansatz folgt bereits zwingend dass die Gefahr-spezifik fuumlr jedes betroffene Grunddelikt separat zu bestim-men ist23 Bei mehraktigen Delikten ist dabei zu praumlzisierenwelchem Tatbestandsmerkmal des Grunddelikts die typischeund damit sanktionsschaumlrfende Gefaumlhrlichkeit innewohntob also beispielsweise bei lebensgefaumlhrlicher Wegnahme le-benswichtiger Medikamente sect 251 StGB erfuumlllt sein kannoder ob die Norm nur den aus der Noumltigung resultierendenTod verschaumlrft sanktioniert24 Des Weiteren wird wiederumdifferenzierend fuumlr die einzelnen Erfolgsqualifikationen dis-kutiert ob an die Gefaumlhrlichkeit des grunddeliktischen Er-folgs anzuknuumlpfen ist oder ob auch die Handlungsgefaumlhr-lichkeit Bezugspunkt sein kann (wonach dann auch der bdquoer-folgsqualifizierte Versuchldquo moumlglich wird)25

Im vorliegenden Kontext ist derjenige Restriktionsansatzzu diskutieren der eine ndash uumlber die fuumlr die allgemeine objek-tive Zurechnung postulierte hinausgehende ndash spezifische

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1055

15 Wolter (Fn 13) S 345 f Sowada JZ 1994 663 ff 665 f Derksen NJW1995 240 ff 241 Frisch in Festschrift Nishihara S 66 ff 82 f mit Blickauf Art 103 Abs 2 GG das Kriterium der bdquoUnvernuumlnftigkeitldquo ablehnendDiel Das Regreszligverbot als allgemeine Tatbestandsgrenze im Strafrecht1997 S 238 ndash 25516 Formulierung bei RadtkeHoffmann GA 2007 201 ff 21717 Vergleiche Amelung NStZ 1994 338 zum weiteren Kontext der bdquoFrei-heit und Freiwilligkeit auf Opferseiteldquo ders GA 1999 182 ff 19718 BernsmannZieschang JuS 1995 775 ff 778 f Otto in Festschrift EA Wolff 1998 S 395 ff 411 f Radtke ZStW 110 (1998) 848 ff 879 fRadtkeHoffmann GA 2007 201 ff 217 f19 Zu dieser Parallele auch Otto in Festschrift E A Wolff 1998S 395 ff 411 f20 So die Formulierungen in den eingangs referierten EntscheidungenBGH NJW 1971 152 f 152 BGHSt 48 34 ff 36 BGH Urteil v 10 1 2008ndash 5 StR 43507 Rn 10

21 Vergleiche auch bereits RGSt 40 321 ff 324 (von 1907) Zurechnungdes Todes des Opfers das sich mittels Sprung aus dem Fenster eines fahr-laumlssig in Brand gesetzten Hauses zu retten versuchte22 Zum geschichtlichen Zusammenhang Kuumlpper Der bdquounmittelbareldquo Zu-sammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge beim erfolgsquali-fizierten Delikt 1982 S 14 ndash 25 Rengier Erfolgsqualifizierte Delikte undverwandte Erscheinungsformen 1986 S 11 ndash 7523 Vergleiche etwa Wolter GA 1984 443 ff 443 Altenhain GA 199619 ff 19 f Radtke ZStW 110 (1998) 848 ff 878 ndash 880 bezogen auf sect 306cStGB Bussmann GA 1999 21 ff Laue JuS 2003 743 ff 744 ausfuumlhrlichPaeffgen in NK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 16 ndash 107 aktuelle Uumlberblicke beiKuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 14 ndash 17 Vogel in LK-StGB 12 Aufl 2007 sect 18Rn 31 ndash 3524 Dazu nur (im letzteren Sinne) Paeffgen in NK-StGB (Fn 9) sect 18Rn 8125 Dazu Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 19 ndash 23a Paeffgen in NK-StGB (Fn 9)sect 18 Rn 28 ndash 34

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Unmittelbarkeit zwischen Grundtatbestand und schwererFolge fordert Geilen hat 1974 nach Analyse der wechselhaf-ten Rechtsprechung in striktem Sinne formuliert

bdquoDie Formel von einer dem Grundtatbestand eigentuumlmlichen spe-zifischen Gefahrverwirklichung bedeutet letztlich daszlig eine Isolierungauf die Tatbestandsmerkmale des Grunddelikts vorgenommen und dieGefahrentwicklung unter Ausschaltung auszligertatbestandlicher Gefaumlhr-dungsmomente beurteilt werden muszligldquo26

Der spezifische Gefahrzusammenhang waumlre demnach inallen bdquoRetter-ldquo und bdquoFluchtfaumlllenldquo zu verneinen Dem fol-gend hat Hirsch noch 1985 das bdquowillentliche Eingreifen einesDritten oder des Opfers selbstldquo als bdquoanerkanntermaszligen aus-zuscheidende Faumllleldquo bezeichnet27 Einer solchen Restriktionhat mittlerweile der Gesetzgeber selbst eine Absage erteiltindem er den Tatbestand des Nachstellens mit Todesfolgesect 238 Abs 3 StGB geschaffen hat und dabei die suizidaleSelbstschaumldigung des Opfers als deliktstypische Gefahr be-greift28 ndash in der Tat entfalten ohne eine solche dazwischen-tretende Handlung des Opfers weder Tathandlungen wie dasbeharrliche Zusenden von Briefen vergleiche Absatz 1 Nr 2noch der Erfolg des Grundtatbestands die schwerwiegendeBeeintraumlchtigung der Lebensgestaltung toumldliche WirkungWenn aber sogar die suizidale Selbstschaumldigung zurechenbarsein kann muss dies erst recht fuumlr die lebensgefaumlhrlicheSelbstgefaumlhrdung des Opfers gelten29

Auch im Uumlbrigen ist der skizzierte Restriktionsansatzsachlich nicht uumlberzeugend weil ein selbstgefaumlhrdendes Ein-greifen des Dritten oder des Opfers in den Geschehensablaufnicht gleichermaszligen der Verwirklichung aller oder vieler De-likte als Gefahr anhaftet sondern im Gegenteil eine typischeGefahr einiger weniger Delikte darstellt Was das EingreifenDritter betrifft fordern bestimmte Delikte die beispielsweiseLeib und Leben beeintraumlchtigen gefaumlhrliche Rettungshand-lungen eher heraus als andere Insbesondere die Bezeichnungder Brandstiftung als gemeingefaumlhrlich (Uumlberschrift desAchtundzwanzigsten Abschnitts des Besonderen Teils) deu-tet darauf hin dass sich hier typischerweise Dritte als Retterselbst gefaumlhrden30 Selbst eine Deliktstypizitaumlt fuumlr die Ge-faumlhrdung von Rechtsguumltern des bdquoVerfolgersldquo ist zumindestdiskutabel beispielsweise bezogen auf das typischerweisegefaumlhrliche Wiederabjagen der geraubten Beute und sect 251StGB31 Sachgerecht ist es jedenfalls als Kriterium des spezi-fischen Gefahrzusammenhangs weniger an die Unmittelbar-keit des Erfolgseintritts im Sinne Geilens anzuknuumlpfen als andie Typik desselben

Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo ergibt dies Eine panikartige Fluchtwird typischerweise nicht ausgeloumlst bei Beeintraumlchtigungkollektiver Rechtsguumlter oder solcher individueller Rechts-guumlter deren Beeintraumlchtigung per se nicht mittels Flucht ver-hindert werden kann (zum Beispiel des Hausrechts sect 123StGB) schlieszliglich solcher die ihrer Bedeutung nach deutlichuntergeordnet sind (zum Beispiel der Ehre sect 185 StGB) DieGefahr dass das Opfer typischerweise auf der Flucht zu

Schaden kommt besteht also anders formuliert nur bei De-likten die bedeutsame individuelle Rechtsguumlter schuumltzenwobei wiederum an die Trias des sect 35 StGB bdquoLeib Lebenoder Freiheitldquo angeknuumlpft werden kann Vor diesem Hinter-grund uumlberzeugt es wenn der Tod des Opfers das sich ausdem fahrenden Auto wirft um seine Freiheit wiederzuerlan-gen als schwere Folge im Sinne von sect 239 Abs 4 StGB inter-pretiert wird (bdquoAuto-Fallldquo)32 Dass demgegenuumlber die To-desgefahr waghalsiger Fluchtversuche bdquobei anderen Strafta-ten in gleicher Weiseldquo bestehe mithin der gefahrspezifischeZusammenhang mit der Freiheitsberaubung entfalle33 istsachlich unzutreffend Zustimmung verdient auch die Auf-fassung dass der Tod des Opfers beim Sprung aus demFenster eines in Brand gesetzten Hauses eine ndash deliktstypi-sche ndash schwere Folge im Sinne von sect 306c StGB ist34 Ebensoist eine Strafbarkeit wegen versuchter Vergewaltigung mitTodesfolge (zunaumlchst) uumlberzeugend bejaht worden fuumlr denFall dass das Opfer um der Vergewaltigung zu entgehenuumlber Bahngleise floh und dabei von einem Zug erfasst wurde(bdquoGuumlterzug-Fallldquo)35 Bezogen auf die letzte Konstellationmuumlsste man allerdings von einem erweiterten Freiheitsbegriffdes sect 35 StGB ausgehen36 oder sich mit einer indiziellenWirkung dieser Norm hinsichtlich des Kreises der betreffen-den Rechtsguumlter begnuumlgen

2 Typik panikartiger Flucht bei gravierendenKoumlrperverletzungen

Aus dem Gesagten scheint zu folgen dass auch bei der Koumlr-perverletzung der spezifische Gefahrzusammenhang im Sin-ne von sect 227 StGB bei toumldlichen Fluchtversuchen des Opfersvorliegt da auch hier das Grunddelikt ein gewichtiges indi-viduelles Rechtsgut schuumltzt naumlmlich in der Diktion des sect 35Abs 1 StGB den bdquoLeibldquo und die panikartige Flucht desOpfers vor Verletzung desselben als bdquotypischldquo erscheintGleichwohl stellt sich die Problematik bezogen auf sect 227StGB anders dar Nur weil die Freiheitsberaubung ein Dau-erdelikt eine Perpetuierung des Erfolgs also moumlglich ist istdie Flucht des Opfers zwecks Beendigung desselben typischfuumlr sect 306c StGB kann man zumindest die Gefahr des Ein-

1056 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

26 Geilen in Festschrift Welzel 1974 S 655 ff 68127 Hirsch in Festschrift Oehler 1985 S 111 ff 129 ndash 132 Zitat S 13128 BT-Drs 163641 S 14 kritisch dazu KinzigZander JA 2007 481 ff48529 So schon Rengier (Fn 22) S 196 f der S 192 f den nicht freiverant-wortlichen Suizid des der Freiheit beraubten Opfers mit BGH Urteil v30 4 1952 ndash 5 StR 2152 als deliktsspezifisch sieht30 Entgegen Rengier JuS 1998 397 ff 400 bdquokeine gerade den sectsect 306 306aanhaftende sbquotatbestandsspezifischelsquo Besonderheitldquo dagegen schon GeppertJURA 1998 597 ff 602 60431 Dazu (allerdings jeweils ablehnend) Guumlnther in Festschrift Hirsch1999 S 543 ff 544 f 549 f Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV 2000S 237 ff 261 ndash 265 Puppe Die Erfolgszurechnung im Strafrecht 2000S 239 ndash 241

32 BGHSt 19 382 ff 386 f allerdings negiert der BGH hier offenbar dasErfordernis eines spezifischen Gefahrzusammenhangs generell bdquoDer Begriffder Verursachung ist hier kein anderer als er allgemein fuumlr die Herbeifuumlh-rung eines Erfolges von der strafrechtlichen Rechtsprechung vertreten wird(Bedingungstheorie) Der Tod ist also auch dann durch die Freiheitsberau-bung verursacht wenn das Opfer unmittelbar bei dem Versuch ihr zuentrinnen toumldliche Verletzungen erleidetldquo In diesem letzteren Ergebniszustimmend Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil 2 Aufl 1993 Abschn 6Rn 36 Rengier (Fn 22) S 198 Puppe (Fn 31) S 237 ndash 239 Hardtung inMuumlnchKommStGB 2003 sect 18 Rn 48 LacknerKuumlhl StGB 26 Aufl 2007sect 239 Rn 9 Fischer StGB 56 Aufl 2009 sect 239 Rn 16 der auch den Suiziderfasst wissen will Bussmann GA 1999 21 ff 32 will bdquogrob fahrlaumlssigeUnternehmungen des Opfers bzw von Drittenldquo ausschlieszligen nach Vogelin LK-StGB (Fn 23) sect 18 Rn 38 kann die Todesfolge bei bdquonicht geradezugrob unvernuumlnftig gefaumlhrliche[r] Fluchtldquo zurechenbar sein33 Widmann MDR 1967 972 f 97334 Geppert JURA 1998 597 ff 602 604 Stein in DenckerStruenseeNellesStein Einfuumlhrung in das 6 Strafrechtsreformgesetz 1998 1998S 177 Wrage JuS 2003 985 ff 990 dagegen etwa Altenhain GA 1996 19 ff3235 BGH Urteil v 28 6 1960 ndash 1 StR 20360 nach PfeifferMaulSchulteStGB 1969 sect 178 Rn 2 zustimmend Rengier (Fn 22) S 198 Puppe(Fn 31) S 238 f ndash Die (vorsaumltzliche) Toumltung des Opfers durch Messerstichenach Beendigung der Vergewaltigung bei noch andauernder bdquoGewaltlageldquosoll hingegen nach BGH NStZ-RR 1999 170 ff 170 f keine schwere Folgeim Sinne von sect 178 StGB sein dem zustimmend Renzikowski NStZ 1999377 ff 384 Der Tod muumlsse bdquounmittelbar auf dem Noumltigungsakt oder dersexuellen Handlung beruhenldquo36 Zur Diskussion dies selbst ablehnend nur Kuumlhl (Fn 8) sect 12 Rn 30mw Nachw

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tritts der besonderen Tatfolge als (in der konkreten Situation)dauerhaft bezeichnen und auch sect 238 StGB (Suizid als uumlber-steigertes Fluchtverhalten) weist indem grundtatbestandlichein bdquobeharrlichesldquo Handeln verlangt wird einen Dauercha-rakter auf Die Flucht des Opfers vor einer bereits vollende-ten Koumlrperverletzung ist hingegen nicht nur atypisch son-dern sogar sachlich ausgeschlossen schlicht da sie den Er-folgseintritt nicht mehr zu verhindern vermag Moumlglich undauch deliktstypisch ist demgegenuumlber die Flucht vor einerversuchten (gravierenden) Koumlrperverletzung (wie auch voreiner versuchten Vergewaltigung) Auf der Basis der vonder neueren Rechtsprechung und in der Literatur uumlberwie-gend vertretenen Auffassung nach der im Rahmen des sect 227StGB fuumlr den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht not-wendig an den Erfolg anzuknuumlpfen ist sondern auch an dieHandlung angeknuumlpft werden kann mithin der bdquoLetalitaumlts-theseldquo nicht zu folgen ist37 spricht daher vieles dafuumlr denTod im Rahmen eines Fluchtversuchs des Opfers vor einerversuchten Koumlrperverletzung als Verwirklichung einergrunddeliktstypischen Gefahr zu interpretieren wie diesder BGH insbesondere im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo auchgetan hat38

Dieser Weg zur Begruumlndung einer Verwirklichung dessect 227 StGB war dem Gericht aber im juumlngsten bdquoMesser-stich-Fallldquo sachlich ebenso versperrt wie im bdquoRoumltzel-FallldquoJeweils hatte naumlmlich der Taumlter nachdem er die Zufuumlgungerheblicher Koumlrperverletzungen vollendet hatte zu erneutenKoumlrperverletzungshandlungen noch nicht wieder unmittel-bar angesetzt (sect 22 StGB) Das Opfer floh vielmehr jeweilsin der Zwischenzeit zwischen Vollendung der einen und un-mittelbarem Ansetzen zur ndash befuumlrchteten ndash naumlchsten Koumlrper-verletzung Rengier meint im Falle bdquonicht endender Miszlig-handlungenldquo wie im bdquoRoumltzel-Fallldquo stelle sich die Koumlrperver-letzung als bdquoFortsetzungstatldquo dar so dass vor diesem Hinter-grund der spezifische Gefahrzusammenhang vorliege39Paeffgen hat demgegenuumlber analysiert

bdquoWas sich in derartigen Kostellationen auswirkt ist die durch dievorangegangenen Untaten begruumlndete Drohung der Fortsetzung Solan-ge es jedoch an einem Tatbestand sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo fehlterscheint es systematisch nicht zulaumlssig die Punkt- in Dauer-Delikteumzufunktionieren so nahe jene Tatbilder diesen kriminologisch ver-wandt sein moumlgenldquo40

Aumlhnlich Mitsch

bdquoAusloumlser der Furcht war also eine seelische Bedraumlngnis des O diefuumlr Tatbestaumlnde mit Noumltigungselement und fuumlr sect 241 typisch im Rah-men der Koumlrperverletzungsdelikte aber eher ein Fremdkoumlrper ist [ ]Zwar mag es sein daszlig die bereits erlittenen koumlrperlichen Miszlighandlun-gen die Furcht des O vor den drohenden Qualen verstaumlrkt haben Diesaumlndert aber nichts daran daszlig die Verbindung zwischen Koumlrperverlet-zung und Todesfolge hier psychischer Natur ist Im Uumlbrigen laumlszligt sichein psychischer Druck von gleicher Staumlrke auch ohne Einwirkung aufden Koumlrper des Opfers erzeugen [ ] Der Sache nach liegt hier alsoeine sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo vorldquo41

Einwenden kann man immerhin dass allein die Moumlglich-keit auf andere Weise als mittels Koumlrperverletzungen ebensointensiven psychischen Druck zu erzeugen noch nicht gegendie Typik solchen Drucks aufgrund schwerer Koumlrperverlet-zungen spricht Weniger dieser Gesichtspunkt als die Los-loumlsung vom Grundtatbestand sect 223 StGB der in der Tat (ins-besondere im Gegensatz zu sect 231 StGB) deutlich punktuellformuliert ist muss mit Blick auf die den spezifischen Ge-fahrzusammenhang tragende Tatbestandstypik bedenklichstimmen Es ist in diesem Sinne auch durchaus aufschluss-reich dass die (der Vorinstanz gegenlaumlufige) Annahme desBGH im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo die Taumlter seien ins Ver-suchsstadium eingetreten sachlich angreifbar war und dieTaumlter uumlberdies wenn man von einem Versuch ausgeht diesenjedenfalls aufgegeben hatten bevor das Opfer selbstschaumldi-gend handelte42 Wenn der BGH im bdquoMesserstich-Fallldquo ex-plizit an den bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anknuumlpft obwohl erim ersteren einen Versuch verneinen musste so deutet auchdies darauf hin dass das unmittelbare Ansetzen fuumlr das Ge-richt argumentativ offenbar zweitrangig ist was wiederumdie dogmatisch bedenkliche Losloumlsung des spezifischen Ge-fahrzusammenhangs vom Tatbestand demonstriert

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten Was das Opfer zurisikoreichen im aumluszligersten Fall suizidalen Fluchtversuchenveranlasst ist eine psychische Ausnahmesituation die der insect 35 StGB skizzierten deutlich aumlhnelt da houmlchste houmlchstper-soumlnliche Rechtsguumlter (bdquoLeib Leben Freiheitldquo) des Opfers inakuter Gefahr sind Dass sich die Gefahrspezifik hinsichtlicheines fahrlaumlssigen Todeserfolgs bei der Freiheitsberaubung(als Dauerdelikt) leichter begruumlnden laumlsst als bei der Koumlrper-

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37 Dazu Englaumlnder GA 2008 669 ff 673 ndash 679 Uumlberblicke mw Nachwbei WesselsHettinger Strafrecht BT 1 32 Aufl 2008 Rn 298 Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 22 f Rechtsprechungsauswertung bis 2000 bei Kuumlhl in FestgabeBGH Bd IV S 237 ff 253 ndash 25638 BGHSt 48 34 ff 38 f zustimmend Kostuch Versuch und Ruumlcktrittbeim erfolgsqualifizierten Delikt 2004 S 258 ndash 260 WesselsHettinger(Fn 37) Rn 301 Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 25 f Rengier Strafrecht BT II9 Aufl 2008 sect 16 Rn 17 ndash 21 ablehnend hingegen etwa Hardtung NStZ2003 261 ff 262 f Laue JuS 2003 743 ff 764 f Englaumlnder GA 2008 669 ff679 ndash 684 will die durch eine (versuchte) Koumlrperverletzung verursachte Pa-nik des daraufhin selbstschaumldigend handelnden Opfers nur dann unter sect 227StGB subsumieren wenn die (versuchte) Koumlrperverletzung objektiv undsubjektiv lebensgefaumlhrlich war (sect 224 Abs 1 Nr 5 StGB) Das uumlberzeugtnicht weil sich in diesen Konstellationen die Lebensgefaumlhrlichkeit desPanikzustands nicht die der (versuchten) Koumlrperverletzung realisiert sodass es auf die letztere nicht ankommen kann im bdquoMesserstich-Fallldquo kannes zum Beispiel sachgerechterweise nicht darauf ankommen ob der Taumlterdie Panik des Opfers durch einen Stich in den Oberkoumlrper oder ins Beinausloumlst39 Rengier (Fn 22) S 199 sowie S 192 ndash 195 Auch der nicht freiverant-wortliche Suizid sei Todesfolge einer Koumlrperverletzung wenn dieser aus derbdquoFurcht vor jederzeit moumlglichen neuen Torturen (Fortsetzungstat)ldquo herauserfolgt40 Paeffgen JZ 1989 220 ff 227 (Hervorhebung dort) mithin der nega-tiven Entscheidung des bdquoRoumltzel-Fallesldquo zustimmend ebenso argumentie-rend Sowada JURA 1994 643 ff 649 f Kuumlpper in Festschrift Hirsch 1999S 615 ff 622 f die Dauerhaftigkeit der Freiheitsberaubung als Unterschiedzur Koumlrperverletzung hervorhebend bereits Kuumlpper (Fn 22) S 105 f so

auch Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV S 237 ff 265 ndash 267 Paeffgen inNK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 70 ndash 74 Hardtung in MuumlnchKommStGB(Fn 32) sect 18 Rn 4941 Mitsch JURA 1993 18 ff 21 Hervorhebung dort vergleiche auchLaue JuS 2003 743 ff 747 bezogen auf den bdquoGubener Hetzjagd-FallldquobdquoDie Begruumlndung des BGH deutet gerade nicht auf eine koumlrperverletzungs-spezifische Gefahrverwirklichung hin sondern auf eine noumltigungsspezi-fischeldquo Puppe JR 2003 122 ff 125 fasst die Aussage des bdquoGuber Hetz-jagd-Fallesldquo in diesem Sinn zugespitzt-kritisch zusammen bdquoEineKoumlrperverletzung mit Todesfolge ist auch die bloszlige Demonstration vonGewaltbereitschaft wenn sie auf irgend einem vorhersehbaren Wege zumTod des Bedrohten fuumlhrtldquo Kritisch im selben Sinne auch Sowada JURA2003 549 ff 555 Heger JA 2003 455 ff 458 Aumlhnlich hatte schon der BGHim bdquoKapo-Fallldquo Urteil vom 3 12 1953 ndash 4 StR 37853 = bei Dallinger MDR1954 149 ff 150 f argumentiert In einem Konzentrationslager hatte einsogenannter Kapo einen Mithaumlftling mehrfach schwer misshandelt bdquoUmweiteren Misshandlungen zu entgehen ergriff dieser verfolgt von A dieFlucht und rannte in die Postenkette Die Wachmannschaften schossen ihnohne Anruf niederldquo Der BGH verneinte hier eine Koumlrperverletzung mitTodesfolge mangels erfolgter Koumlrperverletzung seitens des A Der toumldlicheSchuss des Wachpostens auf den in die Postenkette fliehenden Haumlftlingstehe zwar im Zusammenhang mit einer aumluszligerlich erkennbar beabsichtigtenweiteren Koumlrperverletzung des Kapo Diese konnte aber da sie nicht mehrvollzogen wurde (und die versuchte Koumlrperverletzung nach damaligemRecht nicht strafbar war) bdquostrafrechtlich nur als Vergehen gegen sect 240 odersect 241 StGB gewertet werden Gegenuumlber diesen Straftaten kommt die Er-schwerung des sect 226 [a F = sect 227 StGB n F] nicht zum Zugeldquo42 Vergleiche Puppe JR 2003 122 ff 125 das unmittelbare Ansetzenbejahend aber kritisch zum letzteren Aspekt Sowada JURA 2003 549 ff551 554 f

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verletzung (als bdquoPunktdeliktldquo) stellt sich aus dieser Sicht alsdogmatisch-technische Zufaumllligkeit dar insofern sind dieEntscheidungen im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo und im bdquoMes-serstich-Fallldquo rechtspolitisch erfreulich ndash bleiben argumenta-tiv aber unzulaumlnglich Dogmatisch konsistent kann eine all-gemeine Loumlsung der bdquoFluchtfaumllleldquo jenseits solcher Zufaumlllig-keit nur sein wenn sie fuumlr die Begruumlndung der Gefahrspezi-fik das allen bdquoFluchtfaumlllenldquo eigenartige Charakteristikumdogmatisch umsetzt naumlmlich die durch den Taumlter geschaffe-ne psychische Ausnahme- und Konfliktsituation des Opfers

3 Noumltigung Bedrohung Nachstellen oder Aussetzungbdquomit Todesfolgeldquo

Es liegt in der Tat nahe nach Paeffgen und Mitsch die Schaf-fung dieser Konfliktsituation als Angriff auf die bdquopersoumlnlicheFreiheitldquo also im Zusammenhang der sectsect 232-241a StGB zuinterpretieren Ein Tatbestand bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo delege ferenda wuumlrde allerdings bereits deshalb keine adaumlquateRegelung bezogen auf die bdquoFluchtfaumllleldquo darstellen weil diesenicht tatbestandlich waumlren Zwar schuumltzt sect 240 StGB dieFreiheit der Willensentschlieszligung und -betaumltigung des Op-fers43 die der Taumlter in den Fluchtfaumlllen durch Schaffung derKrisensituation beeintraumlchtigt sect 240 StGB setzt jedoch tat-bestandlich neben der Noumltigungshandlung einen Noumltigungs-erfolg voraus naumlmlich dass der Taumlter dem Opfer ein dessenWillen widerstrebendes Verhalten (Handeln Tun oder Un-terlassen) aufzwingt das uumlber das bloszlige Erleiden derZwangshandlung hinausgeht44 Als ein solcher Noumltigungs-erfolg kommt aber in den bdquoFluchtfaumlllenldquo lediglich das selbst-gefaumlhrdende oder -schaumldigende Fluchtverhalten des Opfersin Betracht hinsichtlich dessen der Taumlter typischerweise kei-nen Vorsatz hat In den Faumlllen selbstschaumldigenden (suizi-dalen) Opferverhaltens liegt dies auf der Hand da andern-falls bereits wegen vorsaumltzlicher Toumltung sect 212 StGB zubestrafen waumlre Auch bezogen auf selbstgefaumlhrdendes Opfer-verhalten ist der Taumlter aber zumeist vorsatzlos Weder dassdas Opfer bei Herannahen eines Zuges uumlber Bahngleise flie-hen wuumlrde (bdquoGuumlterzug-Fallldquo) noch sich aus dem fahrendenAuto auf die Straszlige werfen (bdquoAuto-Fallldquo) noch durch eineGlastuumlr springen (bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo) noch einschmales Fensterbrett bei 25 Metern Auszligenhoumlhe erklimmenwuumlrde (bdquoMesserstich-Fallldquo) beabsichtigte oder erkannte derjeweilige Taumlter und auch ein Eventualvorsatz bestand hierallenfalls bezogen auf irgendein Fluchtverhalten aber nichtwie erforderlich fuumlr eine bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo bezo-gen auf das jeweilige konkrete risikoreiche FluchtverhaltenDas mag in anderen Einzelfaumlllen anders sein jedenfalls abersind die bdquoFluchtfaumllleldquo im Allgemeinen nicht durch ein vor-saumltzlich erzwungenes selbstgefaumlhrdendes Opferverhalten alsNoumltigungserfolg charakterisiert

Ist es vor diesem Hintergrund zielfuumlhrender an die Be-drohlichkeit der Situation fuumlr das Opfer als allgemeines Cha-rakteristikum der bdquoFluchtfaumllleldquo anzuknuumlpfen letztere also delege ferenda als bdquoBedrohung mit Todesfolgeldquo zu sanktionie-ren Korrespondieren wuumlrde dies jedenfalls mit dem Rechts-gut des sect 241 StGB das nach herrschender Auffassung nichtdas des angedrohten Delikts ist sondern im individuellensubjektiven Rechtsfrieden besteht45 konkreter (und korres-

pondierend mit der Abschnittsuumlberschrift) in der bdquoFreiheitdes einzelnen von Furchtldquo46 Allerdings verlangt sect 241 StGBals abstraktes Gefaumlhrdungsdelikt47 keine Beeintraumlchtigungdieses Rechtsguts als tatbestandlichen Erfolg sondern laumlsstdie Bedrohungshandlung ausreichen ist mit anderen Wor-ten ein bdquoschlichtes Taumltigkeitsdeliktldquo48 Dies allein waumlre zwarnoch kein schlagendes Argument gegen eine bdquoBedrohung mitTodesfolgeldquo naumlmlich vor dem Hintergrund dass das (dannallein moumlgliche) Anknuumlpfen an die Gefaumlhrlichkeit der Hand-lung zur Begruumlndung des spezifischen Gefahrzusammen-hangs nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zulaumlssigist Hingegen waumlre eine solche Erfolgsqualifikation deshalbproblematisch weil sie dasjenige Element tatbestandlich aus-spart das ndash allein ndash den spezifischen Gefahrzusammenhangherstellen kann naumlmlich den Bedrohungserfolg also die Un-freiheit des Opfers von Furcht die Bedrohungshandlung fuumlrsich ist ungefaumlhrlich Die Ausgestaltung des sect 241 StGB alsabstraktes Gefaumlhrdungsdelikt verhindert also dass diebdquoFluchtfaumllleldquo auch wenn sie tatbestandlich darunter sub-sumierbar waumlren in ihrem entscheidenden Charakteristikumdes erfolgreichen Versetzens in Panik von einer (Todes-)Er-folgsqualifikation adaumlquat erfasst werden koumlnnten

Aufschlussreich ist der Vergleich zu sect 238 Abs 3 StGBdem durch beharrliche Bedrohung (als einer der moumlglichenTathandlungen sect 238 Abs 1 Nr 4 StGB) begangenen Nach-stellen mit Todesfolge Anders als sect 241 Abs 1 StGB setztsect 238 Abs 1 StGB einen tatbestandlichen Erfolg der Bedro-hungen voraus naumlmlich die schwerwiegende Beeintraumlchti-gung der Lebensgestaltung des Opfers Ist damit das fuumlrsect 241 StGB konstatierte Defizit im Rahmen des sect 238 StGBbeseitigt mithin eine dogmatisch konsistente Einfuumlgung derBedrohung mit Todesfolge gelungen Das Gegenteil ist derFall Die schwerwiegende Beeintraumlchtigung der Lebens-gestaltung erfordert nach dem Willen des Gesetzgebers einebdquoobjektivierbare Beeintraumlchtigungldquo eine erzwungene bdquoVer-aumlnderung der Lebensumstaumlndeldquo dass also das Opfer bdquonichtmehr so leben kann wie zuvorldquo Als schwerwiegend sollendabei zum Beispiel das Verlassen der Wohnung nur noch inBegleitung oder der Wechsel von Arbeitsplatz oder Woh-nung anzusehen sein49 Es liegt auf der Hand dass ein solcherTaterfolg nicht spezifisch lebensgefaumlhrlich ist ja dass esschwerfaumlllt uumlberhaupt Fallkonstellationen zu bilden in de-nen aus diesem Nachstellungserfolg ein Todeserfolg resul-tiert Die seitens des Gesetzgebers als typisch angeseheneKonstellation des Nachstellens mit Todesfolge in der naumlm-lich der Taumlter das Opfer in den Suizid treibt knuumlpft geradenicht an der Gefaumlhrlichkeit des Nachstellungserfolgs son-dern der -handlung an Diese birgt die Gefahr selbstschaumldi-genden bzw -gefaumlhrdenden Opferverhaltens als typischepsychische Reaktion Dass das bdquoversuchte Nachstellen mitTodesfolgeldquo mangels Versuchsstrafbarkeit des Grundtat-bestands nicht strafbar ist50 stellt mithin nicht nur eine deut-liche dogmatische Inkonsistenz dar sondern fuumlhrt vor allemauch zu unsachgemaumlszligen Ergebnissen Wenn der Stalker seinOpfer in den unfreiverantwortlichen Suizid treibt wird ernur dann als Verbrecher (sectsect 238 Abs 3 12 Abs 1 StGB)bestraft wenn polemisch zugespitzt das Opfer vorher sei-

1058 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

43 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 1 KreyHeinrich Strafrecht BT 1 14 Aufl2008 Rn 329 eingehend Lesch in Festschrift Rudolphi 2004 S 483 ff44 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 54 ndash 56 Eisele Strafrecht BT I 2008Rn 458 f Kuumlper Strafrecht BT 7 Aufl 2008 S 243 f45 Kindhaumluser Strafrecht BT I 3 Aufl 2007 sect 14 Rn 1 WesselsHettin-ger (Fn 37) Rn 434a Eisele (Fn 44) Rn 477 BVerfG NJW 1995 2776 f

46 Schroeder in Festschrift Lackner 1987 S 665 ff 670 f47 Dazu die Nachweise in Fn 4548 Zum Begriff nur Roxin (Fn 8) sect 10 Rn 103 f49 BT-Drs 16575 S 8 vgl auch Eisele (Fn 44) Rn 502 f WesselsHet-tinger (Fn 37) Rn 369h Das AG Loumlbau StV 2008 646 f stellt uumlberaus hoheAnforderungen50 Zur Problematik dieser Konstellation im Allgemeinen nur Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 45 ndash 47

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netwegen umgezogen ist ansonsten verbleibt neben demstraflosen versuchten Nachstellen nur eine Sanktionierungnach sect 222 StGB51

Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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Unmittelbarkeit zwischen Grundtatbestand und schwererFolge fordert Geilen hat 1974 nach Analyse der wechselhaf-ten Rechtsprechung in striktem Sinne formuliert

bdquoDie Formel von einer dem Grundtatbestand eigentuumlmlichen spe-zifischen Gefahrverwirklichung bedeutet letztlich daszlig eine Isolierungauf die Tatbestandsmerkmale des Grunddelikts vorgenommen und dieGefahrentwicklung unter Ausschaltung auszligertatbestandlicher Gefaumlhr-dungsmomente beurteilt werden muszligldquo26

Der spezifische Gefahrzusammenhang waumlre demnach inallen bdquoRetter-ldquo und bdquoFluchtfaumlllenldquo zu verneinen Dem fol-gend hat Hirsch noch 1985 das bdquowillentliche Eingreifen einesDritten oder des Opfers selbstldquo als bdquoanerkanntermaszligen aus-zuscheidende Faumllleldquo bezeichnet27 Einer solchen Restriktionhat mittlerweile der Gesetzgeber selbst eine Absage erteiltindem er den Tatbestand des Nachstellens mit Todesfolgesect 238 Abs 3 StGB geschaffen hat und dabei die suizidaleSelbstschaumldigung des Opfers als deliktstypische Gefahr be-greift28 ndash in der Tat entfalten ohne eine solche dazwischen-tretende Handlung des Opfers weder Tathandlungen wie dasbeharrliche Zusenden von Briefen vergleiche Absatz 1 Nr 2noch der Erfolg des Grundtatbestands die schwerwiegendeBeeintraumlchtigung der Lebensgestaltung toumldliche WirkungWenn aber sogar die suizidale Selbstschaumldigung zurechenbarsein kann muss dies erst recht fuumlr die lebensgefaumlhrlicheSelbstgefaumlhrdung des Opfers gelten29

Auch im Uumlbrigen ist der skizzierte Restriktionsansatzsachlich nicht uumlberzeugend weil ein selbstgefaumlhrdendes Ein-greifen des Dritten oder des Opfers in den Geschehensablaufnicht gleichermaszligen der Verwirklichung aller oder vieler De-likte als Gefahr anhaftet sondern im Gegenteil eine typischeGefahr einiger weniger Delikte darstellt Was das EingreifenDritter betrifft fordern bestimmte Delikte die beispielsweiseLeib und Leben beeintraumlchtigen gefaumlhrliche Rettungshand-lungen eher heraus als andere Insbesondere die Bezeichnungder Brandstiftung als gemeingefaumlhrlich (Uumlberschrift desAchtundzwanzigsten Abschnitts des Besonderen Teils) deu-tet darauf hin dass sich hier typischerweise Dritte als Retterselbst gefaumlhrden30 Selbst eine Deliktstypizitaumlt fuumlr die Ge-faumlhrdung von Rechtsguumltern des bdquoVerfolgersldquo ist zumindestdiskutabel beispielsweise bezogen auf das typischerweisegefaumlhrliche Wiederabjagen der geraubten Beute und sect 251StGB31 Sachgerecht ist es jedenfalls als Kriterium des spezi-fischen Gefahrzusammenhangs weniger an die Unmittelbar-keit des Erfolgseintritts im Sinne Geilens anzuknuumlpfen als andie Typik desselben

Fuumlr die bdquoFluchtfaumllleldquo ergibt dies Eine panikartige Fluchtwird typischerweise nicht ausgeloumlst bei Beeintraumlchtigungkollektiver Rechtsguumlter oder solcher individueller Rechts-guumlter deren Beeintraumlchtigung per se nicht mittels Flucht ver-hindert werden kann (zum Beispiel des Hausrechts sect 123StGB) schlieszliglich solcher die ihrer Bedeutung nach deutlichuntergeordnet sind (zum Beispiel der Ehre sect 185 StGB) DieGefahr dass das Opfer typischerweise auf der Flucht zu

Schaden kommt besteht also anders formuliert nur bei De-likten die bedeutsame individuelle Rechtsguumlter schuumltzenwobei wiederum an die Trias des sect 35 StGB bdquoLeib Lebenoder Freiheitldquo angeknuumlpft werden kann Vor diesem Hinter-grund uumlberzeugt es wenn der Tod des Opfers das sich ausdem fahrenden Auto wirft um seine Freiheit wiederzuerlan-gen als schwere Folge im Sinne von sect 239 Abs 4 StGB inter-pretiert wird (bdquoAuto-Fallldquo)32 Dass demgegenuumlber die To-desgefahr waghalsiger Fluchtversuche bdquobei anderen Strafta-ten in gleicher Weiseldquo bestehe mithin der gefahrspezifischeZusammenhang mit der Freiheitsberaubung entfalle33 istsachlich unzutreffend Zustimmung verdient auch die Auf-fassung dass der Tod des Opfers beim Sprung aus demFenster eines in Brand gesetzten Hauses eine ndash deliktstypi-sche ndash schwere Folge im Sinne von sect 306c StGB ist34 Ebensoist eine Strafbarkeit wegen versuchter Vergewaltigung mitTodesfolge (zunaumlchst) uumlberzeugend bejaht worden fuumlr denFall dass das Opfer um der Vergewaltigung zu entgehenuumlber Bahngleise floh und dabei von einem Zug erfasst wurde(bdquoGuumlterzug-Fallldquo)35 Bezogen auf die letzte Konstellationmuumlsste man allerdings von einem erweiterten Freiheitsbegriffdes sect 35 StGB ausgehen36 oder sich mit einer indiziellenWirkung dieser Norm hinsichtlich des Kreises der betreffen-den Rechtsguumlter begnuumlgen

2 Typik panikartiger Flucht bei gravierendenKoumlrperverletzungen

Aus dem Gesagten scheint zu folgen dass auch bei der Koumlr-perverletzung der spezifische Gefahrzusammenhang im Sin-ne von sect 227 StGB bei toumldlichen Fluchtversuchen des Opfersvorliegt da auch hier das Grunddelikt ein gewichtiges indi-viduelles Rechtsgut schuumltzt naumlmlich in der Diktion des sect 35Abs 1 StGB den bdquoLeibldquo und die panikartige Flucht desOpfers vor Verletzung desselben als bdquotypischldquo erscheintGleichwohl stellt sich die Problematik bezogen auf sect 227StGB anders dar Nur weil die Freiheitsberaubung ein Dau-erdelikt eine Perpetuierung des Erfolgs also moumlglich ist istdie Flucht des Opfers zwecks Beendigung desselben typischfuumlr sect 306c StGB kann man zumindest die Gefahr des Ein-

1056 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

26 Geilen in Festschrift Welzel 1974 S 655 ff 68127 Hirsch in Festschrift Oehler 1985 S 111 ff 129 ndash 132 Zitat S 13128 BT-Drs 163641 S 14 kritisch dazu KinzigZander JA 2007 481 ff48529 So schon Rengier (Fn 22) S 196 f der S 192 f den nicht freiverant-wortlichen Suizid des der Freiheit beraubten Opfers mit BGH Urteil v30 4 1952 ndash 5 StR 2152 als deliktsspezifisch sieht30 Entgegen Rengier JuS 1998 397 ff 400 bdquokeine gerade den sectsect 306 306aanhaftende sbquotatbestandsspezifischelsquo Besonderheitldquo dagegen schon GeppertJURA 1998 597 ff 602 60431 Dazu (allerdings jeweils ablehnend) Guumlnther in Festschrift Hirsch1999 S 543 ff 544 f 549 f Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV 2000S 237 ff 261 ndash 265 Puppe Die Erfolgszurechnung im Strafrecht 2000S 239 ndash 241

32 BGHSt 19 382 ff 386 f allerdings negiert der BGH hier offenbar dasErfordernis eines spezifischen Gefahrzusammenhangs generell bdquoDer Begriffder Verursachung ist hier kein anderer als er allgemein fuumlr die Herbeifuumlh-rung eines Erfolges von der strafrechtlichen Rechtsprechung vertreten wird(Bedingungstheorie) Der Tod ist also auch dann durch die Freiheitsberau-bung verursacht wenn das Opfer unmittelbar bei dem Versuch ihr zuentrinnen toumldliche Verletzungen erleidetldquo In diesem letzteren Ergebniszustimmend Jakobs Strafrecht Allgemeiner Teil 2 Aufl 1993 Abschn 6Rn 36 Rengier (Fn 22) S 198 Puppe (Fn 31) S 237 ndash 239 Hardtung inMuumlnchKommStGB 2003 sect 18 Rn 48 LacknerKuumlhl StGB 26 Aufl 2007sect 239 Rn 9 Fischer StGB 56 Aufl 2009 sect 239 Rn 16 der auch den Suiziderfasst wissen will Bussmann GA 1999 21 ff 32 will bdquogrob fahrlaumlssigeUnternehmungen des Opfers bzw von Drittenldquo ausschlieszligen nach Vogelin LK-StGB (Fn 23) sect 18 Rn 38 kann die Todesfolge bei bdquonicht geradezugrob unvernuumlnftig gefaumlhrliche[r] Fluchtldquo zurechenbar sein33 Widmann MDR 1967 972 f 97334 Geppert JURA 1998 597 ff 602 604 Stein in DenckerStruenseeNellesStein Einfuumlhrung in das 6 Strafrechtsreformgesetz 1998 1998S 177 Wrage JuS 2003 985 ff 990 dagegen etwa Altenhain GA 1996 19 ff3235 BGH Urteil v 28 6 1960 ndash 1 StR 20360 nach PfeifferMaulSchulteStGB 1969 sect 178 Rn 2 zustimmend Rengier (Fn 22) S 198 Puppe(Fn 31) S 238 f ndash Die (vorsaumltzliche) Toumltung des Opfers durch Messerstichenach Beendigung der Vergewaltigung bei noch andauernder bdquoGewaltlageldquosoll hingegen nach BGH NStZ-RR 1999 170 ff 170 f keine schwere Folgeim Sinne von sect 178 StGB sein dem zustimmend Renzikowski NStZ 1999377 ff 384 Der Tod muumlsse bdquounmittelbar auf dem Noumltigungsakt oder dersexuellen Handlung beruhenldquo36 Zur Diskussion dies selbst ablehnend nur Kuumlhl (Fn 8) sect 12 Rn 30mw Nachw

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tritts der besonderen Tatfolge als (in der konkreten Situation)dauerhaft bezeichnen und auch sect 238 StGB (Suizid als uumlber-steigertes Fluchtverhalten) weist indem grundtatbestandlichein bdquobeharrlichesldquo Handeln verlangt wird einen Dauercha-rakter auf Die Flucht des Opfers vor einer bereits vollende-ten Koumlrperverletzung ist hingegen nicht nur atypisch son-dern sogar sachlich ausgeschlossen schlicht da sie den Er-folgseintritt nicht mehr zu verhindern vermag Moumlglich undauch deliktstypisch ist demgegenuumlber die Flucht vor einerversuchten (gravierenden) Koumlrperverletzung (wie auch voreiner versuchten Vergewaltigung) Auf der Basis der vonder neueren Rechtsprechung und in der Literatur uumlberwie-gend vertretenen Auffassung nach der im Rahmen des sect 227StGB fuumlr den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht not-wendig an den Erfolg anzuknuumlpfen ist sondern auch an dieHandlung angeknuumlpft werden kann mithin der bdquoLetalitaumlts-theseldquo nicht zu folgen ist37 spricht daher vieles dafuumlr denTod im Rahmen eines Fluchtversuchs des Opfers vor einerversuchten Koumlrperverletzung als Verwirklichung einergrunddeliktstypischen Gefahr zu interpretieren wie diesder BGH insbesondere im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo auchgetan hat38

Dieser Weg zur Begruumlndung einer Verwirklichung dessect 227 StGB war dem Gericht aber im juumlngsten bdquoMesser-stich-Fallldquo sachlich ebenso versperrt wie im bdquoRoumltzel-FallldquoJeweils hatte naumlmlich der Taumlter nachdem er die Zufuumlgungerheblicher Koumlrperverletzungen vollendet hatte zu erneutenKoumlrperverletzungshandlungen noch nicht wieder unmittel-bar angesetzt (sect 22 StGB) Das Opfer floh vielmehr jeweilsin der Zwischenzeit zwischen Vollendung der einen und un-mittelbarem Ansetzen zur ndash befuumlrchteten ndash naumlchsten Koumlrper-verletzung Rengier meint im Falle bdquonicht endender Miszlig-handlungenldquo wie im bdquoRoumltzel-Fallldquo stelle sich die Koumlrperver-letzung als bdquoFortsetzungstatldquo dar so dass vor diesem Hinter-grund der spezifische Gefahrzusammenhang vorliege39Paeffgen hat demgegenuumlber analysiert

bdquoWas sich in derartigen Kostellationen auswirkt ist die durch dievorangegangenen Untaten begruumlndete Drohung der Fortsetzung Solan-ge es jedoch an einem Tatbestand sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo fehlterscheint es systematisch nicht zulaumlssig die Punkt- in Dauer-Delikteumzufunktionieren so nahe jene Tatbilder diesen kriminologisch ver-wandt sein moumlgenldquo40

Aumlhnlich Mitsch

bdquoAusloumlser der Furcht war also eine seelische Bedraumlngnis des O diefuumlr Tatbestaumlnde mit Noumltigungselement und fuumlr sect 241 typisch im Rah-men der Koumlrperverletzungsdelikte aber eher ein Fremdkoumlrper ist [ ]Zwar mag es sein daszlig die bereits erlittenen koumlrperlichen Miszlighandlun-gen die Furcht des O vor den drohenden Qualen verstaumlrkt haben Diesaumlndert aber nichts daran daszlig die Verbindung zwischen Koumlrperverlet-zung und Todesfolge hier psychischer Natur ist Im Uumlbrigen laumlszligt sichein psychischer Druck von gleicher Staumlrke auch ohne Einwirkung aufden Koumlrper des Opfers erzeugen [ ] Der Sache nach liegt hier alsoeine sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo vorldquo41

Einwenden kann man immerhin dass allein die Moumlglich-keit auf andere Weise als mittels Koumlrperverletzungen ebensointensiven psychischen Druck zu erzeugen noch nicht gegendie Typik solchen Drucks aufgrund schwerer Koumlrperverlet-zungen spricht Weniger dieser Gesichtspunkt als die Los-loumlsung vom Grundtatbestand sect 223 StGB der in der Tat (ins-besondere im Gegensatz zu sect 231 StGB) deutlich punktuellformuliert ist muss mit Blick auf die den spezifischen Ge-fahrzusammenhang tragende Tatbestandstypik bedenklichstimmen Es ist in diesem Sinne auch durchaus aufschluss-reich dass die (der Vorinstanz gegenlaumlufige) Annahme desBGH im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo die Taumlter seien ins Ver-suchsstadium eingetreten sachlich angreifbar war und dieTaumlter uumlberdies wenn man von einem Versuch ausgeht diesenjedenfalls aufgegeben hatten bevor das Opfer selbstschaumldi-gend handelte42 Wenn der BGH im bdquoMesserstich-Fallldquo ex-plizit an den bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anknuumlpft obwohl erim ersteren einen Versuch verneinen musste so deutet auchdies darauf hin dass das unmittelbare Ansetzen fuumlr das Ge-richt argumentativ offenbar zweitrangig ist was wiederumdie dogmatisch bedenkliche Losloumlsung des spezifischen Ge-fahrzusammenhangs vom Tatbestand demonstriert

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten Was das Opfer zurisikoreichen im aumluszligersten Fall suizidalen Fluchtversuchenveranlasst ist eine psychische Ausnahmesituation die der insect 35 StGB skizzierten deutlich aumlhnelt da houmlchste houmlchstper-soumlnliche Rechtsguumlter (bdquoLeib Leben Freiheitldquo) des Opfers inakuter Gefahr sind Dass sich die Gefahrspezifik hinsichtlicheines fahrlaumlssigen Todeserfolgs bei der Freiheitsberaubung(als Dauerdelikt) leichter begruumlnden laumlsst als bei der Koumlrper-

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1057

37 Dazu Englaumlnder GA 2008 669 ff 673 ndash 679 Uumlberblicke mw Nachwbei WesselsHettinger Strafrecht BT 1 32 Aufl 2008 Rn 298 Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 22 f Rechtsprechungsauswertung bis 2000 bei Kuumlhl in FestgabeBGH Bd IV S 237 ff 253 ndash 25638 BGHSt 48 34 ff 38 f zustimmend Kostuch Versuch und Ruumlcktrittbeim erfolgsqualifizierten Delikt 2004 S 258 ndash 260 WesselsHettinger(Fn 37) Rn 301 Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 25 f Rengier Strafrecht BT II9 Aufl 2008 sect 16 Rn 17 ndash 21 ablehnend hingegen etwa Hardtung NStZ2003 261 ff 262 f Laue JuS 2003 743 ff 764 f Englaumlnder GA 2008 669 ff679 ndash 684 will die durch eine (versuchte) Koumlrperverletzung verursachte Pa-nik des daraufhin selbstschaumldigend handelnden Opfers nur dann unter sect 227StGB subsumieren wenn die (versuchte) Koumlrperverletzung objektiv undsubjektiv lebensgefaumlhrlich war (sect 224 Abs 1 Nr 5 StGB) Das uumlberzeugtnicht weil sich in diesen Konstellationen die Lebensgefaumlhrlichkeit desPanikzustands nicht die der (versuchten) Koumlrperverletzung realisiert sodass es auf die letztere nicht ankommen kann im bdquoMesserstich-Fallldquo kannes zum Beispiel sachgerechterweise nicht darauf ankommen ob der Taumlterdie Panik des Opfers durch einen Stich in den Oberkoumlrper oder ins Beinausloumlst39 Rengier (Fn 22) S 199 sowie S 192 ndash 195 Auch der nicht freiverant-wortliche Suizid sei Todesfolge einer Koumlrperverletzung wenn dieser aus derbdquoFurcht vor jederzeit moumlglichen neuen Torturen (Fortsetzungstat)ldquo herauserfolgt40 Paeffgen JZ 1989 220 ff 227 (Hervorhebung dort) mithin der nega-tiven Entscheidung des bdquoRoumltzel-Fallesldquo zustimmend ebenso argumentie-rend Sowada JURA 1994 643 ff 649 f Kuumlpper in Festschrift Hirsch 1999S 615 ff 622 f die Dauerhaftigkeit der Freiheitsberaubung als Unterschiedzur Koumlrperverletzung hervorhebend bereits Kuumlpper (Fn 22) S 105 f so

auch Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV S 237 ff 265 ndash 267 Paeffgen inNK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 70 ndash 74 Hardtung in MuumlnchKommStGB(Fn 32) sect 18 Rn 4941 Mitsch JURA 1993 18 ff 21 Hervorhebung dort vergleiche auchLaue JuS 2003 743 ff 747 bezogen auf den bdquoGubener Hetzjagd-FallldquobdquoDie Begruumlndung des BGH deutet gerade nicht auf eine koumlrperverletzungs-spezifische Gefahrverwirklichung hin sondern auf eine noumltigungsspezi-fischeldquo Puppe JR 2003 122 ff 125 fasst die Aussage des bdquoGuber Hetz-jagd-Fallesldquo in diesem Sinn zugespitzt-kritisch zusammen bdquoEineKoumlrperverletzung mit Todesfolge ist auch die bloszlige Demonstration vonGewaltbereitschaft wenn sie auf irgend einem vorhersehbaren Wege zumTod des Bedrohten fuumlhrtldquo Kritisch im selben Sinne auch Sowada JURA2003 549 ff 555 Heger JA 2003 455 ff 458 Aumlhnlich hatte schon der BGHim bdquoKapo-Fallldquo Urteil vom 3 12 1953 ndash 4 StR 37853 = bei Dallinger MDR1954 149 ff 150 f argumentiert In einem Konzentrationslager hatte einsogenannter Kapo einen Mithaumlftling mehrfach schwer misshandelt bdquoUmweiteren Misshandlungen zu entgehen ergriff dieser verfolgt von A dieFlucht und rannte in die Postenkette Die Wachmannschaften schossen ihnohne Anruf niederldquo Der BGH verneinte hier eine Koumlrperverletzung mitTodesfolge mangels erfolgter Koumlrperverletzung seitens des A Der toumldlicheSchuss des Wachpostens auf den in die Postenkette fliehenden Haumlftlingstehe zwar im Zusammenhang mit einer aumluszligerlich erkennbar beabsichtigtenweiteren Koumlrperverletzung des Kapo Diese konnte aber da sie nicht mehrvollzogen wurde (und die versuchte Koumlrperverletzung nach damaligemRecht nicht strafbar war) bdquostrafrechtlich nur als Vergehen gegen sect 240 odersect 241 StGB gewertet werden Gegenuumlber diesen Straftaten kommt die Er-schwerung des sect 226 [a F = sect 227 StGB n F] nicht zum Zugeldquo42 Vergleiche Puppe JR 2003 122 ff 125 das unmittelbare Ansetzenbejahend aber kritisch zum letzteren Aspekt Sowada JURA 2003 549 ff551 554 f

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verletzung (als bdquoPunktdeliktldquo) stellt sich aus dieser Sicht alsdogmatisch-technische Zufaumllligkeit dar insofern sind dieEntscheidungen im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo und im bdquoMes-serstich-Fallldquo rechtspolitisch erfreulich ndash bleiben argumenta-tiv aber unzulaumlnglich Dogmatisch konsistent kann eine all-gemeine Loumlsung der bdquoFluchtfaumllleldquo jenseits solcher Zufaumlllig-keit nur sein wenn sie fuumlr die Begruumlndung der Gefahrspezi-fik das allen bdquoFluchtfaumlllenldquo eigenartige Charakteristikumdogmatisch umsetzt naumlmlich die durch den Taumlter geschaffe-ne psychische Ausnahme- und Konfliktsituation des Opfers

3 Noumltigung Bedrohung Nachstellen oder Aussetzungbdquomit Todesfolgeldquo

Es liegt in der Tat nahe nach Paeffgen und Mitsch die Schaf-fung dieser Konfliktsituation als Angriff auf die bdquopersoumlnlicheFreiheitldquo also im Zusammenhang der sectsect 232-241a StGB zuinterpretieren Ein Tatbestand bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo delege ferenda wuumlrde allerdings bereits deshalb keine adaumlquateRegelung bezogen auf die bdquoFluchtfaumllleldquo darstellen weil diesenicht tatbestandlich waumlren Zwar schuumltzt sect 240 StGB dieFreiheit der Willensentschlieszligung und -betaumltigung des Op-fers43 die der Taumlter in den Fluchtfaumlllen durch Schaffung derKrisensituation beeintraumlchtigt sect 240 StGB setzt jedoch tat-bestandlich neben der Noumltigungshandlung einen Noumltigungs-erfolg voraus naumlmlich dass der Taumlter dem Opfer ein dessenWillen widerstrebendes Verhalten (Handeln Tun oder Un-terlassen) aufzwingt das uumlber das bloszlige Erleiden derZwangshandlung hinausgeht44 Als ein solcher Noumltigungs-erfolg kommt aber in den bdquoFluchtfaumlllenldquo lediglich das selbst-gefaumlhrdende oder -schaumldigende Fluchtverhalten des Opfersin Betracht hinsichtlich dessen der Taumlter typischerweise kei-nen Vorsatz hat In den Faumlllen selbstschaumldigenden (suizi-dalen) Opferverhaltens liegt dies auf der Hand da andern-falls bereits wegen vorsaumltzlicher Toumltung sect 212 StGB zubestrafen waumlre Auch bezogen auf selbstgefaumlhrdendes Opfer-verhalten ist der Taumlter aber zumeist vorsatzlos Weder dassdas Opfer bei Herannahen eines Zuges uumlber Bahngleise flie-hen wuumlrde (bdquoGuumlterzug-Fallldquo) noch sich aus dem fahrendenAuto auf die Straszlige werfen (bdquoAuto-Fallldquo) noch durch eineGlastuumlr springen (bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo) noch einschmales Fensterbrett bei 25 Metern Auszligenhoumlhe erklimmenwuumlrde (bdquoMesserstich-Fallldquo) beabsichtigte oder erkannte derjeweilige Taumlter und auch ein Eventualvorsatz bestand hierallenfalls bezogen auf irgendein Fluchtverhalten aber nichtwie erforderlich fuumlr eine bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo bezo-gen auf das jeweilige konkrete risikoreiche FluchtverhaltenDas mag in anderen Einzelfaumlllen anders sein jedenfalls abersind die bdquoFluchtfaumllleldquo im Allgemeinen nicht durch ein vor-saumltzlich erzwungenes selbstgefaumlhrdendes Opferverhalten alsNoumltigungserfolg charakterisiert

Ist es vor diesem Hintergrund zielfuumlhrender an die Be-drohlichkeit der Situation fuumlr das Opfer als allgemeines Cha-rakteristikum der bdquoFluchtfaumllleldquo anzuknuumlpfen letztere also delege ferenda als bdquoBedrohung mit Todesfolgeldquo zu sanktionie-ren Korrespondieren wuumlrde dies jedenfalls mit dem Rechts-gut des sect 241 StGB das nach herrschender Auffassung nichtdas des angedrohten Delikts ist sondern im individuellensubjektiven Rechtsfrieden besteht45 konkreter (und korres-

pondierend mit der Abschnittsuumlberschrift) in der bdquoFreiheitdes einzelnen von Furchtldquo46 Allerdings verlangt sect 241 StGBals abstraktes Gefaumlhrdungsdelikt47 keine Beeintraumlchtigungdieses Rechtsguts als tatbestandlichen Erfolg sondern laumlsstdie Bedrohungshandlung ausreichen ist mit anderen Wor-ten ein bdquoschlichtes Taumltigkeitsdeliktldquo48 Dies allein waumlre zwarnoch kein schlagendes Argument gegen eine bdquoBedrohung mitTodesfolgeldquo naumlmlich vor dem Hintergrund dass das (dannallein moumlgliche) Anknuumlpfen an die Gefaumlhrlichkeit der Hand-lung zur Begruumlndung des spezifischen Gefahrzusammen-hangs nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zulaumlssigist Hingegen waumlre eine solche Erfolgsqualifikation deshalbproblematisch weil sie dasjenige Element tatbestandlich aus-spart das ndash allein ndash den spezifischen Gefahrzusammenhangherstellen kann naumlmlich den Bedrohungserfolg also die Un-freiheit des Opfers von Furcht die Bedrohungshandlung fuumlrsich ist ungefaumlhrlich Die Ausgestaltung des sect 241 StGB alsabstraktes Gefaumlhrdungsdelikt verhindert also dass diebdquoFluchtfaumllleldquo auch wenn sie tatbestandlich darunter sub-sumierbar waumlren in ihrem entscheidenden Charakteristikumdes erfolgreichen Versetzens in Panik von einer (Todes-)Er-folgsqualifikation adaumlquat erfasst werden koumlnnten

Aufschlussreich ist der Vergleich zu sect 238 Abs 3 StGBdem durch beharrliche Bedrohung (als einer der moumlglichenTathandlungen sect 238 Abs 1 Nr 4 StGB) begangenen Nach-stellen mit Todesfolge Anders als sect 241 Abs 1 StGB setztsect 238 Abs 1 StGB einen tatbestandlichen Erfolg der Bedro-hungen voraus naumlmlich die schwerwiegende Beeintraumlchti-gung der Lebensgestaltung des Opfers Ist damit das fuumlrsect 241 StGB konstatierte Defizit im Rahmen des sect 238 StGBbeseitigt mithin eine dogmatisch konsistente Einfuumlgung derBedrohung mit Todesfolge gelungen Das Gegenteil ist derFall Die schwerwiegende Beeintraumlchtigung der Lebens-gestaltung erfordert nach dem Willen des Gesetzgebers einebdquoobjektivierbare Beeintraumlchtigungldquo eine erzwungene bdquoVer-aumlnderung der Lebensumstaumlndeldquo dass also das Opfer bdquonichtmehr so leben kann wie zuvorldquo Als schwerwiegend sollendabei zum Beispiel das Verlassen der Wohnung nur noch inBegleitung oder der Wechsel von Arbeitsplatz oder Woh-nung anzusehen sein49 Es liegt auf der Hand dass ein solcherTaterfolg nicht spezifisch lebensgefaumlhrlich ist ja dass esschwerfaumlllt uumlberhaupt Fallkonstellationen zu bilden in de-nen aus diesem Nachstellungserfolg ein Todeserfolg resul-tiert Die seitens des Gesetzgebers als typisch angeseheneKonstellation des Nachstellens mit Todesfolge in der naumlm-lich der Taumlter das Opfer in den Suizid treibt knuumlpft geradenicht an der Gefaumlhrlichkeit des Nachstellungserfolgs son-dern der -handlung an Diese birgt die Gefahr selbstschaumldi-genden bzw -gefaumlhrdenden Opferverhaltens als typischepsychische Reaktion Dass das bdquoversuchte Nachstellen mitTodesfolgeldquo mangels Versuchsstrafbarkeit des Grundtat-bestands nicht strafbar ist50 stellt mithin nicht nur eine deut-liche dogmatische Inkonsistenz dar sondern fuumlhrt vor allemauch zu unsachgemaumlszligen Ergebnissen Wenn der Stalker seinOpfer in den unfreiverantwortlichen Suizid treibt wird ernur dann als Verbrecher (sectsect 238 Abs 3 12 Abs 1 StGB)bestraft wenn polemisch zugespitzt das Opfer vorher sei-

1058 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

43 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 1 KreyHeinrich Strafrecht BT 1 14 Aufl2008 Rn 329 eingehend Lesch in Festschrift Rudolphi 2004 S 483 ff44 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 54 ndash 56 Eisele Strafrecht BT I 2008Rn 458 f Kuumlper Strafrecht BT 7 Aufl 2008 S 243 f45 Kindhaumluser Strafrecht BT I 3 Aufl 2007 sect 14 Rn 1 WesselsHettin-ger (Fn 37) Rn 434a Eisele (Fn 44) Rn 477 BVerfG NJW 1995 2776 f

46 Schroeder in Festschrift Lackner 1987 S 665 ff 670 f47 Dazu die Nachweise in Fn 4548 Zum Begriff nur Roxin (Fn 8) sect 10 Rn 103 f49 BT-Drs 16575 S 8 vgl auch Eisele (Fn 44) Rn 502 f WesselsHet-tinger (Fn 37) Rn 369h Das AG Loumlbau StV 2008 646 f stellt uumlberaus hoheAnforderungen50 Zur Problematik dieser Konstellation im Allgemeinen nur Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 45 ndash 47

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netwegen umgezogen ist ansonsten verbleibt neben demstraflosen versuchten Nachstellen nur eine Sanktionierungnach sect 222 StGB51

Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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tritts der besonderen Tatfolge als (in der konkreten Situation)dauerhaft bezeichnen und auch sect 238 StGB (Suizid als uumlber-steigertes Fluchtverhalten) weist indem grundtatbestandlichein bdquobeharrlichesldquo Handeln verlangt wird einen Dauercha-rakter auf Die Flucht des Opfers vor einer bereits vollende-ten Koumlrperverletzung ist hingegen nicht nur atypisch son-dern sogar sachlich ausgeschlossen schlicht da sie den Er-folgseintritt nicht mehr zu verhindern vermag Moumlglich undauch deliktstypisch ist demgegenuumlber die Flucht vor einerversuchten (gravierenden) Koumlrperverletzung (wie auch voreiner versuchten Vergewaltigung) Auf der Basis der vonder neueren Rechtsprechung und in der Literatur uumlberwie-gend vertretenen Auffassung nach der im Rahmen des sect 227StGB fuumlr den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht not-wendig an den Erfolg anzuknuumlpfen ist sondern auch an dieHandlung angeknuumlpft werden kann mithin der bdquoLetalitaumlts-theseldquo nicht zu folgen ist37 spricht daher vieles dafuumlr denTod im Rahmen eines Fluchtversuchs des Opfers vor einerversuchten Koumlrperverletzung als Verwirklichung einergrunddeliktstypischen Gefahr zu interpretieren wie diesder BGH insbesondere im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo auchgetan hat38

Dieser Weg zur Begruumlndung einer Verwirklichung dessect 227 StGB war dem Gericht aber im juumlngsten bdquoMesser-stich-Fallldquo sachlich ebenso versperrt wie im bdquoRoumltzel-FallldquoJeweils hatte naumlmlich der Taumlter nachdem er die Zufuumlgungerheblicher Koumlrperverletzungen vollendet hatte zu erneutenKoumlrperverletzungshandlungen noch nicht wieder unmittel-bar angesetzt (sect 22 StGB) Das Opfer floh vielmehr jeweilsin der Zwischenzeit zwischen Vollendung der einen und un-mittelbarem Ansetzen zur ndash befuumlrchteten ndash naumlchsten Koumlrper-verletzung Rengier meint im Falle bdquonicht endender Miszlig-handlungenldquo wie im bdquoRoumltzel-Fallldquo stelle sich die Koumlrperver-letzung als bdquoFortsetzungstatldquo dar so dass vor diesem Hinter-grund der spezifische Gefahrzusammenhang vorliege39Paeffgen hat demgegenuumlber analysiert

bdquoWas sich in derartigen Kostellationen auswirkt ist die durch dievorangegangenen Untaten begruumlndete Drohung der Fortsetzung Solan-ge es jedoch an einem Tatbestand sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo fehlterscheint es systematisch nicht zulaumlssig die Punkt- in Dauer-Delikteumzufunktionieren so nahe jene Tatbilder diesen kriminologisch ver-wandt sein moumlgenldquo40

Aumlhnlich Mitsch

bdquoAusloumlser der Furcht war also eine seelische Bedraumlngnis des O diefuumlr Tatbestaumlnde mit Noumltigungselement und fuumlr sect 241 typisch im Rah-men der Koumlrperverletzungsdelikte aber eher ein Fremdkoumlrper ist [ ]Zwar mag es sein daszlig die bereits erlittenen koumlrperlichen Miszlighandlun-gen die Furcht des O vor den drohenden Qualen verstaumlrkt haben Diesaumlndert aber nichts daran daszlig die Verbindung zwischen Koumlrperverlet-zung und Todesfolge hier psychischer Natur ist Im Uumlbrigen laumlszligt sichein psychischer Druck von gleicher Staumlrke auch ohne Einwirkung aufden Koumlrper des Opfers erzeugen [ ] Der Sache nach liegt hier alsoeine sbquoNoumltigung mit Todesfolgelsquo vorldquo41

Einwenden kann man immerhin dass allein die Moumlglich-keit auf andere Weise als mittels Koumlrperverletzungen ebensointensiven psychischen Druck zu erzeugen noch nicht gegendie Typik solchen Drucks aufgrund schwerer Koumlrperverlet-zungen spricht Weniger dieser Gesichtspunkt als die Los-loumlsung vom Grundtatbestand sect 223 StGB der in der Tat (ins-besondere im Gegensatz zu sect 231 StGB) deutlich punktuellformuliert ist muss mit Blick auf die den spezifischen Ge-fahrzusammenhang tragende Tatbestandstypik bedenklichstimmen Es ist in diesem Sinne auch durchaus aufschluss-reich dass die (der Vorinstanz gegenlaumlufige) Annahme desBGH im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo die Taumlter seien ins Ver-suchsstadium eingetreten sachlich angreifbar war und dieTaumlter uumlberdies wenn man von einem Versuch ausgeht diesenjedenfalls aufgegeben hatten bevor das Opfer selbstschaumldi-gend handelte42 Wenn der BGH im bdquoMesserstich-Fallldquo ex-plizit an den bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo anknuumlpft obwohl erim ersteren einen Versuch verneinen musste so deutet auchdies darauf hin dass das unmittelbare Ansetzen fuumlr das Ge-richt argumentativ offenbar zweitrangig ist was wiederumdie dogmatisch bedenkliche Losloumlsung des spezifischen Ge-fahrzusammenhangs vom Tatbestand demonstriert

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten Was das Opfer zurisikoreichen im aumluszligersten Fall suizidalen Fluchtversuchenveranlasst ist eine psychische Ausnahmesituation die der insect 35 StGB skizzierten deutlich aumlhnelt da houmlchste houmlchstper-soumlnliche Rechtsguumlter (bdquoLeib Leben Freiheitldquo) des Opfers inakuter Gefahr sind Dass sich die Gefahrspezifik hinsichtlicheines fahrlaumlssigen Todeserfolgs bei der Freiheitsberaubung(als Dauerdelikt) leichter begruumlnden laumlsst als bei der Koumlrper-

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1057

37 Dazu Englaumlnder GA 2008 669 ff 673 ndash 679 Uumlberblicke mw Nachwbei WesselsHettinger Strafrecht BT 1 32 Aufl 2008 Rn 298 Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 22 f Rechtsprechungsauswertung bis 2000 bei Kuumlhl in FestgabeBGH Bd IV S 237 ff 253 ndash 25638 BGHSt 48 34 ff 38 f zustimmend Kostuch Versuch und Ruumlcktrittbeim erfolgsqualifizierten Delikt 2004 S 258 ndash 260 WesselsHettinger(Fn 37) Rn 301 Kuumlhl (Fn 8) sect 17a Rn 25 f Rengier Strafrecht BT II9 Aufl 2008 sect 16 Rn 17 ndash 21 ablehnend hingegen etwa Hardtung NStZ2003 261 ff 262 f Laue JuS 2003 743 ff 764 f Englaumlnder GA 2008 669 ff679 ndash 684 will die durch eine (versuchte) Koumlrperverletzung verursachte Pa-nik des daraufhin selbstschaumldigend handelnden Opfers nur dann unter sect 227StGB subsumieren wenn die (versuchte) Koumlrperverletzung objektiv undsubjektiv lebensgefaumlhrlich war (sect 224 Abs 1 Nr 5 StGB) Das uumlberzeugtnicht weil sich in diesen Konstellationen die Lebensgefaumlhrlichkeit desPanikzustands nicht die der (versuchten) Koumlrperverletzung realisiert sodass es auf die letztere nicht ankommen kann im bdquoMesserstich-Fallldquo kannes zum Beispiel sachgerechterweise nicht darauf ankommen ob der Taumlterdie Panik des Opfers durch einen Stich in den Oberkoumlrper oder ins Beinausloumlst39 Rengier (Fn 22) S 199 sowie S 192 ndash 195 Auch der nicht freiverant-wortliche Suizid sei Todesfolge einer Koumlrperverletzung wenn dieser aus derbdquoFurcht vor jederzeit moumlglichen neuen Torturen (Fortsetzungstat)ldquo herauserfolgt40 Paeffgen JZ 1989 220 ff 227 (Hervorhebung dort) mithin der nega-tiven Entscheidung des bdquoRoumltzel-Fallesldquo zustimmend ebenso argumentie-rend Sowada JURA 1994 643 ff 649 f Kuumlpper in Festschrift Hirsch 1999S 615 ff 622 f die Dauerhaftigkeit der Freiheitsberaubung als Unterschiedzur Koumlrperverletzung hervorhebend bereits Kuumlpper (Fn 22) S 105 f so

auch Kuumlhl in Festgabe BGH Bd IV S 237 ff 265 ndash 267 Paeffgen inNK-StGB (Fn 9) sect 18 Rn 70 ndash 74 Hardtung in MuumlnchKommStGB(Fn 32) sect 18 Rn 4941 Mitsch JURA 1993 18 ff 21 Hervorhebung dort vergleiche auchLaue JuS 2003 743 ff 747 bezogen auf den bdquoGubener Hetzjagd-FallldquobdquoDie Begruumlndung des BGH deutet gerade nicht auf eine koumlrperverletzungs-spezifische Gefahrverwirklichung hin sondern auf eine noumltigungsspezi-fischeldquo Puppe JR 2003 122 ff 125 fasst die Aussage des bdquoGuber Hetz-jagd-Fallesldquo in diesem Sinn zugespitzt-kritisch zusammen bdquoEineKoumlrperverletzung mit Todesfolge ist auch die bloszlige Demonstration vonGewaltbereitschaft wenn sie auf irgend einem vorhersehbaren Wege zumTod des Bedrohten fuumlhrtldquo Kritisch im selben Sinne auch Sowada JURA2003 549 ff 555 Heger JA 2003 455 ff 458 Aumlhnlich hatte schon der BGHim bdquoKapo-Fallldquo Urteil vom 3 12 1953 ndash 4 StR 37853 = bei Dallinger MDR1954 149 ff 150 f argumentiert In einem Konzentrationslager hatte einsogenannter Kapo einen Mithaumlftling mehrfach schwer misshandelt bdquoUmweiteren Misshandlungen zu entgehen ergriff dieser verfolgt von A dieFlucht und rannte in die Postenkette Die Wachmannschaften schossen ihnohne Anruf niederldquo Der BGH verneinte hier eine Koumlrperverletzung mitTodesfolge mangels erfolgter Koumlrperverletzung seitens des A Der toumldlicheSchuss des Wachpostens auf den in die Postenkette fliehenden Haumlftlingstehe zwar im Zusammenhang mit einer aumluszligerlich erkennbar beabsichtigtenweiteren Koumlrperverletzung des Kapo Diese konnte aber da sie nicht mehrvollzogen wurde (und die versuchte Koumlrperverletzung nach damaligemRecht nicht strafbar war) bdquostrafrechtlich nur als Vergehen gegen sect 240 odersect 241 StGB gewertet werden Gegenuumlber diesen Straftaten kommt die Er-schwerung des sect 226 [a F = sect 227 StGB n F] nicht zum Zugeldquo42 Vergleiche Puppe JR 2003 122 ff 125 das unmittelbare Ansetzenbejahend aber kritisch zum letzteren Aspekt Sowada JURA 2003 549 ff551 554 f

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verletzung (als bdquoPunktdeliktldquo) stellt sich aus dieser Sicht alsdogmatisch-technische Zufaumllligkeit dar insofern sind dieEntscheidungen im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo und im bdquoMes-serstich-Fallldquo rechtspolitisch erfreulich ndash bleiben argumenta-tiv aber unzulaumlnglich Dogmatisch konsistent kann eine all-gemeine Loumlsung der bdquoFluchtfaumllleldquo jenseits solcher Zufaumlllig-keit nur sein wenn sie fuumlr die Begruumlndung der Gefahrspezi-fik das allen bdquoFluchtfaumlllenldquo eigenartige Charakteristikumdogmatisch umsetzt naumlmlich die durch den Taumlter geschaffe-ne psychische Ausnahme- und Konfliktsituation des Opfers

3 Noumltigung Bedrohung Nachstellen oder Aussetzungbdquomit Todesfolgeldquo

Es liegt in der Tat nahe nach Paeffgen und Mitsch die Schaf-fung dieser Konfliktsituation als Angriff auf die bdquopersoumlnlicheFreiheitldquo also im Zusammenhang der sectsect 232-241a StGB zuinterpretieren Ein Tatbestand bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo delege ferenda wuumlrde allerdings bereits deshalb keine adaumlquateRegelung bezogen auf die bdquoFluchtfaumllleldquo darstellen weil diesenicht tatbestandlich waumlren Zwar schuumltzt sect 240 StGB dieFreiheit der Willensentschlieszligung und -betaumltigung des Op-fers43 die der Taumlter in den Fluchtfaumlllen durch Schaffung derKrisensituation beeintraumlchtigt sect 240 StGB setzt jedoch tat-bestandlich neben der Noumltigungshandlung einen Noumltigungs-erfolg voraus naumlmlich dass der Taumlter dem Opfer ein dessenWillen widerstrebendes Verhalten (Handeln Tun oder Un-terlassen) aufzwingt das uumlber das bloszlige Erleiden derZwangshandlung hinausgeht44 Als ein solcher Noumltigungs-erfolg kommt aber in den bdquoFluchtfaumlllenldquo lediglich das selbst-gefaumlhrdende oder -schaumldigende Fluchtverhalten des Opfersin Betracht hinsichtlich dessen der Taumlter typischerweise kei-nen Vorsatz hat In den Faumlllen selbstschaumldigenden (suizi-dalen) Opferverhaltens liegt dies auf der Hand da andern-falls bereits wegen vorsaumltzlicher Toumltung sect 212 StGB zubestrafen waumlre Auch bezogen auf selbstgefaumlhrdendes Opfer-verhalten ist der Taumlter aber zumeist vorsatzlos Weder dassdas Opfer bei Herannahen eines Zuges uumlber Bahngleise flie-hen wuumlrde (bdquoGuumlterzug-Fallldquo) noch sich aus dem fahrendenAuto auf die Straszlige werfen (bdquoAuto-Fallldquo) noch durch eineGlastuumlr springen (bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo) noch einschmales Fensterbrett bei 25 Metern Auszligenhoumlhe erklimmenwuumlrde (bdquoMesserstich-Fallldquo) beabsichtigte oder erkannte derjeweilige Taumlter und auch ein Eventualvorsatz bestand hierallenfalls bezogen auf irgendein Fluchtverhalten aber nichtwie erforderlich fuumlr eine bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo bezo-gen auf das jeweilige konkrete risikoreiche FluchtverhaltenDas mag in anderen Einzelfaumlllen anders sein jedenfalls abersind die bdquoFluchtfaumllleldquo im Allgemeinen nicht durch ein vor-saumltzlich erzwungenes selbstgefaumlhrdendes Opferverhalten alsNoumltigungserfolg charakterisiert

Ist es vor diesem Hintergrund zielfuumlhrender an die Be-drohlichkeit der Situation fuumlr das Opfer als allgemeines Cha-rakteristikum der bdquoFluchtfaumllleldquo anzuknuumlpfen letztere also delege ferenda als bdquoBedrohung mit Todesfolgeldquo zu sanktionie-ren Korrespondieren wuumlrde dies jedenfalls mit dem Rechts-gut des sect 241 StGB das nach herrschender Auffassung nichtdas des angedrohten Delikts ist sondern im individuellensubjektiven Rechtsfrieden besteht45 konkreter (und korres-

pondierend mit der Abschnittsuumlberschrift) in der bdquoFreiheitdes einzelnen von Furchtldquo46 Allerdings verlangt sect 241 StGBals abstraktes Gefaumlhrdungsdelikt47 keine Beeintraumlchtigungdieses Rechtsguts als tatbestandlichen Erfolg sondern laumlsstdie Bedrohungshandlung ausreichen ist mit anderen Wor-ten ein bdquoschlichtes Taumltigkeitsdeliktldquo48 Dies allein waumlre zwarnoch kein schlagendes Argument gegen eine bdquoBedrohung mitTodesfolgeldquo naumlmlich vor dem Hintergrund dass das (dannallein moumlgliche) Anknuumlpfen an die Gefaumlhrlichkeit der Hand-lung zur Begruumlndung des spezifischen Gefahrzusammen-hangs nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zulaumlssigist Hingegen waumlre eine solche Erfolgsqualifikation deshalbproblematisch weil sie dasjenige Element tatbestandlich aus-spart das ndash allein ndash den spezifischen Gefahrzusammenhangherstellen kann naumlmlich den Bedrohungserfolg also die Un-freiheit des Opfers von Furcht die Bedrohungshandlung fuumlrsich ist ungefaumlhrlich Die Ausgestaltung des sect 241 StGB alsabstraktes Gefaumlhrdungsdelikt verhindert also dass diebdquoFluchtfaumllleldquo auch wenn sie tatbestandlich darunter sub-sumierbar waumlren in ihrem entscheidenden Charakteristikumdes erfolgreichen Versetzens in Panik von einer (Todes-)Er-folgsqualifikation adaumlquat erfasst werden koumlnnten

Aufschlussreich ist der Vergleich zu sect 238 Abs 3 StGBdem durch beharrliche Bedrohung (als einer der moumlglichenTathandlungen sect 238 Abs 1 Nr 4 StGB) begangenen Nach-stellen mit Todesfolge Anders als sect 241 Abs 1 StGB setztsect 238 Abs 1 StGB einen tatbestandlichen Erfolg der Bedro-hungen voraus naumlmlich die schwerwiegende Beeintraumlchti-gung der Lebensgestaltung des Opfers Ist damit das fuumlrsect 241 StGB konstatierte Defizit im Rahmen des sect 238 StGBbeseitigt mithin eine dogmatisch konsistente Einfuumlgung derBedrohung mit Todesfolge gelungen Das Gegenteil ist derFall Die schwerwiegende Beeintraumlchtigung der Lebens-gestaltung erfordert nach dem Willen des Gesetzgebers einebdquoobjektivierbare Beeintraumlchtigungldquo eine erzwungene bdquoVer-aumlnderung der Lebensumstaumlndeldquo dass also das Opfer bdquonichtmehr so leben kann wie zuvorldquo Als schwerwiegend sollendabei zum Beispiel das Verlassen der Wohnung nur noch inBegleitung oder der Wechsel von Arbeitsplatz oder Woh-nung anzusehen sein49 Es liegt auf der Hand dass ein solcherTaterfolg nicht spezifisch lebensgefaumlhrlich ist ja dass esschwerfaumlllt uumlberhaupt Fallkonstellationen zu bilden in de-nen aus diesem Nachstellungserfolg ein Todeserfolg resul-tiert Die seitens des Gesetzgebers als typisch angeseheneKonstellation des Nachstellens mit Todesfolge in der naumlm-lich der Taumlter das Opfer in den Suizid treibt knuumlpft geradenicht an der Gefaumlhrlichkeit des Nachstellungserfolgs son-dern der -handlung an Diese birgt die Gefahr selbstschaumldi-genden bzw -gefaumlhrdenden Opferverhaltens als typischepsychische Reaktion Dass das bdquoversuchte Nachstellen mitTodesfolgeldquo mangels Versuchsstrafbarkeit des Grundtat-bestands nicht strafbar ist50 stellt mithin nicht nur eine deut-liche dogmatische Inkonsistenz dar sondern fuumlhrt vor allemauch zu unsachgemaumlszligen Ergebnissen Wenn der Stalker seinOpfer in den unfreiverantwortlichen Suizid treibt wird ernur dann als Verbrecher (sectsect 238 Abs 3 12 Abs 1 StGB)bestraft wenn polemisch zugespitzt das Opfer vorher sei-

1058 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

43 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 1 KreyHeinrich Strafrecht BT 1 14 Aufl2008 Rn 329 eingehend Lesch in Festschrift Rudolphi 2004 S 483 ff44 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 54 ndash 56 Eisele Strafrecht BT I 2008Rn 458 f Kuumlper Strafrecht BT 7 Aufl 2008 S 243 f45 Kindhaumluser Strafrecht BT I 3 Aufl 2007 sect 14 Rn 1 WesselsHettin-ger (Fn 37) Rn 434a Eisele (Fn 44) Rn 477 BVerfG NJW 1995 2776 f

46 Schroeder in Festschrift Lackner 1987 S 665 ff 670 f47 Dazu die Nachweise in Fn 4548 Zum Begriff nur Roxin (Fn 8) sect 10 Rn 103 f49 BT-Drs 16575 S 8 vgl auch Eisele (Fn 44) Rn 502 f WesselsHet-tinger (Fn 37) Rn 369h Das AG Loumlbau StV 2008 646 f stellt uumlberaus hoheAnforderungen50 Zur Problematik dieser Konstellation im Allgemeinen nur Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 45 ndash 47

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netwegen umgezogen ist ansonsten verbleibt neben demstraflosen versuchten Nachstellen nur eine Sanktionierungnach sect 222 StGB51

Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

Umschau

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verletzung (als bdquoPunktdeliktldquo) stellt sich aus dieser Sicht alsdogmatisch-technische Zufaumllligkeit dar insofern sind dieEntscheidungen im bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo und im bdquoMes-serstich-Fallldquo rechtspolitisch erfreulich ndash bleiben argumenta-tiv aber unzulaumlnglich Dogmatisch konsistent kann eine all-gemeine Loumlsung der bdquoFluchtfaumllleldquo jenseits solcher Zufaumlllig-keit nur sein wenn sie fuumlr die Begruumlndung der Gefahrspezi-fik das allen bdquoFluchtfaumlllenldquo eigenartige Charakteristikumdogmatisch umsetzt naumlmlich die durch den Taumlter geschaffe-ne psychische Ausnahme- und Konfliktsituation des Opfers

3 Noumltigung Bedrohung Nachstellen oder Aussetzungbdquomit Todesfolgeldquo

Es liegt in der Tat nahe nach Paeffgen und Mitsch die Schaf-fung dieser Konfliktsituation als Angriff auf die bdquopersoumlnlicheFreiheitldquo also im Zusammenhang der sectsect 232-241a StGB zuinterpretieren Ein Tatbestand bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo delege ferenda wuumlrde allerdings bereits deshalb keine adaumlquateRegelung bezogen auf die bdquoFluchtfaumllleldquo darstellen weil diesenicht tatbestandlich waumlren Zwar schuumltzt sect 240 StGB dieFreiheit der Willensentschlieszligung und -betaumltigung des Op-fers43 die der Taumlter in den Fluchtfaumlllen durch Schaffung derKrisensituation beeintraumlchtigt sect 240 StGB setzt jedoch tat-bestandlich neben der Noumltigungshandlung einen Noumltigungs-erfolg voraus naumlmlich dass der Taumlter dem Opfer ein dessenWillen widerstrebendes Verhalten (Handeln Tun oder Un-terlassen) aufzwingt das uumlber das bloszlige Erleiden derZwangshandlung hinausgeht44 Als ein solcher Noumltigungs-erfolg kommt aber in den bdquoFluchtfaumlllenldquo lediglich das selbst-gefaumlhrdende oder -schaumldigende Fluchtverhalten des Opfersin Betracht hinsichtlich dessen der Taumlter typischerweise kei-nen Vorsatz hat In den Faumlllen selbstschaumldigenden (suizi-dalen) Opferverhaltens liegt dies auf der Hand da andern-falls bereits wegen vorsaumltzlicher Toumltung sect 212 StGB zubestrafen waumlre Auch bezogen auf selbstgefaumlhrdendes Opfer-verhalten ist der Taumlter aber zumeist vorsatzlos Weder dassdas Opfer bei Herannahen eines Zuges uumlber Bahngleise flie-hen wuumlrde (bdquoGuumlterzug-Fallldquo) noch sich aus dem fahrendenAuto auf die Straszlige werfen (bdquoAuto-Fallldquo) noch durch eineGlastuumlr springen (bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo) noch einschmales Fensterbrett bei 25 Metern Auszligenhoumlhe erklimmenwuumlrde (bdquoMesserstich-Fallldquo) beabsichtigte oder erkannte derjeweilige Taumlter und auch ein Eventualvorsatz bestand hierallenfalls bezogen auf irgendein Fluchtverhalten aber nichtwie erforderlich fuumlr eine bdquoNoumltigung mit Todesfolgeldquo bezo-gen auf das jeweilige konkrete risikoreiche FluchtverhaltenDas mag in anderen Einzelfaumlllen anders sein jedenfalls abersind die bdquoFluchtfaumllleldquo im Allgemeinen nicht durch ein vor-saumltzlich erzwungenes selbstgefaumlhrdendes Opferverhalten alsNoumltigungserfolg charakterisiert

Ist es vor diesem Hintergrund zielfuumlhrender an die Be-drohlichkeit der Situation fuumlr das Opfer als allgemeines Cha-rakteristikum der bdquoFluchtfaumllleldquo anzuknuumlpfen letztere also delege ferenda als bdquoBedrohung mit Todesfolgeldquo zu sanktionie-ren Korrespondieren wuumlrde dies jedenfalls mit dem Rechts-gut des sect 241 StGB das nach herrschender Auffassung nichtdas des angedrohten Delikts ist sondern im individuellensubjektiven Rechtsfrieden besteht45 konkreter (und korres-

pondierend mit der Abschnittsuumlberschrift) in der bdquoFreiheitdes einzelnen von Furchtldquo46 Allerdings verlangt sect 241 StGBals abstraktes Gefaumlhrdungsdelikt47 keine Beeintraumlchtigungdieses Rechtsguts als tatbestandlichen Erfolg sondern laumlsstdie Bedrohungshandlung ausreichen ist mit anderen Wor-ten ein bdquoschlichtes Taumltigkeitsdeliktldquo48 Dies allein waumlre zwarnoch kein schlagendes Argument gegen eine bdquoBedrohung mitTodesfolgeldquo naumlmlich vor dem Hintergrund dass das (dannallein moumlgliche) Anknuumlpfen an die Gefaumlhrlichkeit der Hand-lung zur Begruumlndung des spezifischen Gefahrzusammen-hangs nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zulaumlssigist Hingegen waumlre eine solche Erfolgsqualifikation deshalbproblematisch weil sie dasjenige Element tatbestandlich aus-spart das ndash allein ndash den spezifischen Gefahrzusammenhangherstellen kann naumlmlich den Bedrohungserfolg also die Un-freiheit des Opfers von Furcht die Bedrohungshandlung fuumlrsich ist ungefaumlhrlich Die Ausgestaltung des sect 241 StGB alsabstraktes Gefaumlhrdungsdelikt verhindert also dass diebdquoFluchtfaumllleldquo auch wenn sie tatbestandlich darunter sub-sumierbar waumlren in ihrem entscheidenden Charakteristikumdes erfolgreichen Versetzens in Panik von einer (Todes-)Er-folgsqualifikation adaumlquat erfasst werden koumlnnten

Aufschlussreich ist der Vergleich zu sect 238 Abs 3 StGBdem durch beharrliche Bedrohung (als einer der moumlglichenTathandlungen sect 238 Abs 1 Nr 4 StGB) begangenen Nach-stellen mit Todesfolge Anders als sect 241 Abs 1 StGB setztsect 238 Abs 1 StGB einen tatbestandlichen Erfolg der Bedro-hungen voraus naumlmlich die schwerwiegende Beeintraumlchti-gung der Lebensgestaltung des Opfers Ist damit das fuumlrsect 241 StGB konstatierte Defizit im Rahmen des sect 238 StGBbeseitigt mithin eine dogmatisch konsistente Einfuumlgung derBedrohung mit Todesfolge gelungen Das Gegenteil ist derFall Die schwerwiegende Beeintraumlchtigung der Lebens-gestaltung erfordert nach dem Willen des Gesetzgebers einebdquoobjektivierbare Beeintraumlchtigungldquo eine erzwungene bdquoVer-aumlnderung der Lebensumstaumlndeldquo dass also das Opfer bdquonichtmehr so leben kann wie zuvorldquo Als schwerwiegend sollendabei zum Beispiel das Verlassen der Wohnung nur noch inBegleitung oder der Wechsel von Arbeitsplatz oder Woh-nung anzusehen sein49 Es liegt auf der Hand dass ein solcherTaterfolg nicht spezifisch lebensgefaumlhrlich ist ja dass esschwerfaumlllt uumlberhaupt Fallkonstellationen zu bilden in de-nen aus diesem Nachstellungserfolg ein Todeserfolg resul-tiert Die seitens des Gesetzgebers als typisch angeseheneKonstellation des Nachstellens mit Todesfolge in der naumlm-lich der Taumlter das Opfer in den Suizid treibt knuumlpft geradenicht an der Gefaumlhrlichkeit des Nachstellungserfolgs son-dern der -handlung an Diese birgt die Gefahr selbstschaumldi-genden bzw -gefaumlhrdenden Opferverhaltens als typischepsychische Reaktion Dass das bdquoversuchte Nachstellen mitTodesfolgeldquo mangels Versuchsstrafbarkeit des Grundtat-bestands nicht strafbar ist50 stellt mithin nicht nur eine deut-liche dogmatische Inkonsistenz dar sondern fuumlhrt vor allemauch zu unsachgemaumlszligen Ergebnissen Wenn der Stalker seinOpfer in den unfreiverantwortlichen Suizid treibt wird ernur dann als Verbrecher (sectsect 238 Abs 3 12 Abs 1 StGB)bestraft wenn polemisch zugespitzt das Opfer vorher sei-

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43 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 1 KreyHeinrich Strafrecht BT 1 14 Aufl2008 Rn 329 eingehend Lesch in Festschrift Rudolphi 2004 S 483 ff44 Rengier (Fn 38) sect 23 Rn 54 ndash 56 Eisele Strafrecht BT I 2008Rn 458 f Kuumlper Strafrecht BT 7 Aufl 2008 S 243 f45 Kindhaumluser Strafrecht BT I 3 Aufl 2007 sect 14 Rn 1 WesselsHettin-ger (Fn 37) Rn 434a Eisele (Fn 44) Rn 477 BVerfG NJW 1995 2776 f

46 Schroeder in Festschrift Lackner 1987 S 665 ff 670 f47 Dazu die Nachweise in Fn 4548 Zum Begriff nur Roxin (Fn 8) sect 10 Rn 103 f49 BT-Drs 16575 S 8 vgl auch Eisele (Fn 44) Rn 502 f WesselsHet-tinger (Fn 37) Rn 369h Das AG Loumlbau StV 2008 646 f stellt uumlberaus hoheAnforderungen50 Zur Problematik dieser Konstellation im Allgemeinen nur Kuumlhl (Fn 8)sect 17a Rn 45 ndash 47

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Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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1060 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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netwegen umgezogen ist ansonsten verbleibt neben demstraflosen versuchten Nachstellen nur eine Sanktionierungnach sect 222 StGB51

Wie sect 241 StGB die Furcht des Opfers als Bedrohungs-erfolg ausspart versaumlumt sect 238 StGB den eigentlichenNachstellungserfolg der zugleich das fuumlr den spezifischenGefahrzusammenhang unerlaumlssliche Bindeglied darstelltdogmatisch einzubinden naumlmlich die psychische Beeintraumlch-tigung des Stalkingopfers Resultat bezogen auf sect 238 StGBist das Ausweichen auf die bdquoLebensgestaltungldquo einen in sei-ner Unbestimmtheit mit Blick auf Art 103 Abs 2 GG frag-wuumlrdigen Platzhalter52 wobei das Schutzgut der Norm un-klar bleibt53 Fuumlr den vorliegenden Zusammenhang wirddeutlich dass keine der bdquoStraftaten gegen die persoumlnlicheFreiheitldquo eine hinreichende sachliche Erfassung der fuumlr diebdquoFluchtfaumllleldquo typischen Opfersituation leistet was denSchluss zulaumlsst dass sich diese Situation letztlich nicht durchein Defizit an bdquoFreiheitldquo im Sinne der sectsect 232 ff StGB aus-zeichnet In den bdquoFluchtfaumlllenldquo wird nicht etwa nur der freieHandlungsspielraum des Opfers reduziert sondern das Op-fer verliert aufgrund seiner Panik und existenziellen Angstsituativ die konstitutive Faumlhigkeit zu freiverantwortlichemHandeln als solche

Es liegt nicht fern die Herbeifuumlhrung dieses Zustands alsdas Versetzen in eine hilflose Lage im Sinne von sect 221 Abs 1Nr 1 StGB zu interpretieren fuumlr den Letztere definiert wirdals Situation in der sich das Opfer gegen eine Gefahr fuumlrLeben oder Gesundheit ohne fremde Hilfe nicht zu schuumltzenvermag und solche Hilfe nicht verfuumlgbar ist54 Dass die Hilf-losigkeit hier nicht in der mangelnden Faumlhigkeit des Opfersliegt sich gegen potentielle Gefahren bdquovon auszligenldquo zu ver-teidigen sondern gegen solche des eigenen panikartig unge-steuerten Verhaltens laumlsst den Tatbestand jedenfalls nochnicht zwingend entfallen (es sei denn man wuumlrde den Panik-zustand des Opfers als nicht hinreichend dauerhaft fuumlr dieBejahung einer bdquoLageldquo ansehen55) Auch resultiert in denbdquoFluchtfaumlllenldquo aus der hilflosen Lage des Opfers wie essect 221 Abs 1 StGB fordert eine konkrete Gefahr indemnaumlmlich das Opfer unfreiwillig aufgrund seiner Hilflosigkeiteine akute Krisensituation herbeifuumlhrt Gleichwohl sind diebdquoFluchtfaumllleldquo nicht als Aussetzungen mit Todesfolge (sect 221Abs 1 Nr 1 Abs 3 StGB) zu subsumieren weil diese NormVorsatz bezuumlglich der konkreten Gefaumlhrdung des Opfersvoraussetzt der bei den bdquoFluchtfaumlllenldquo typischerweise nichtvorliegt (siehe oben zum Noumltigungserfolg) Im Uumlbrigenmacht die Unkonturiertheit des Merkmals bdquohilflose Lageldquodas Erfordernis konkreten Gefaumlhrdungsvorsatzes auchrechtspolitisch plausibel

4 Psychische Verletzung mit Todesfolge

Wenn nach alledem der bdquoMesserstich-Fallldquo nicht dogmatischuumlberzeugend als Koumlrperverletzung mit Todesfolge interpre-tiert werden kann wenn auch das Anknuumlpfen an den Noumlti-gungs- oder Bedrohungscharakter des Taumlterverhaltens de le-ge ferenda nicht zielfuumlhrend waumlre wenn das Ausweichen aufPlatzhalter wie die bdquoLebensgestaltungldquo sect 238 StGB zu ver-

meiden ist und wenn der vorsaumltzlich herbeigefuumlhrte charak-teristische Verletzungserfolg der bdquoFluchtfaumllleldquo der dieschwere Folge ausloumlst konkreter beschrieben sein soll dennals bdquohilflose Lageldquo sect 221 StGB dann als bdquopsychische Verlet-zung mit Todesfolgeldquo bdquoFluchtfaumllleldquo zeichnen sich dadurchaus dass der Taumlter das Opfer in einen psychopathologischenPanikzustand versetzt aufgrund dessen das Opfer sich un-freiwillig selbst gefaumlhrdet (oder schaumldigt) wodurch typi-scherweise der Todeserfolg verursacht wird

Genau hierauf hatte der BGH im bisher unerwaumlhntenbdquoFenstersturz-Fallldquo abstellen koumlnnen Nachdem das Opferneben anderen massiven Koumlrperverletzungen durch einenSchlag mit dem Besenstiel auf die Stirn bdquoBewusstseinsstoumlrun-genldquo erlitt sprang es im Sinne selbstschaumldigenden Panikver-haltens vom zehnten Stock aus dem Fenster in den sicherenTod

bdquoIm vorliegenden Fall sind [ ] Koumlrperverletzung und Todesfolgedurch die Beeintraumlchtigung des psychischen Zustandes des Opfers derauf der Koumlrperverletzung beruht so eng miteinander verknuumlpft dasssich im Tode des Opfers jene Gefahr verwirklicht hat die bereits derHandlung anhafteteldquo56

Uumlberzeugend grenzt der BGH damit allerdings dieseKonstellation auch (explizit) von der des bdquoRoumltzel-Fallesldquoab weil dort die psychische Beeintraumlchtigung nicht aus derSpezifik des konkreten Koumlrperverletzungserfolgs resultier-te57 Dass ein per Schlag auf den Kopf herbeigefuumlhrter psy-chopathologischer Zustand der das Opfer zu unfreiwilligerSelbstgefaumlhrdung oder -schaumldigung veranlasst mit Freiheits-strafe nicht unter drei Jahren sect 227 StGB ein mittels tieferOberarmwunde und Nasenbeinbruch (bdquoRoumltzel-Fallldquo) bzwmittels Messerstich in den Ruumlcken (bdquoMesserstich-Fallldquo) ver-ursachter eben solcher Zustand jedoch nur nach sectsect 224Abs 1 222 52 StGB zu bestrafen sein soll ist im Ergebnisallerdings nicht sachgerecht Dem hat der BGH im bdquoMesser-stich-Fallldquo eine angreifbare Argumentation in Kauf neh-mend Rechnung getragen der Sache nach knuumlpft er hieram bdquoFenstersturz-Fallldquo an nicht am bdquoGubener Hetzjagd-Fallldquo

Die Rechtsprechung im bdquoMesserstich-Fallldquo ist mithinsymptomatisch erstens fuumlr das in der Tat zeitangemessenerechtspolitische Bestreben die psychische Verletzung (mitschwerer Folge) strafrechtlich massiv zu sanktionieren zwei-tens aber auch fuumlr den Versuch die derzeitige Nichtexistenzder psychischen Integritaumlt als eigenstaumlndiges strafrechtlichesRechtsgut zu kompensieren durch dogmatisch verfehltesAnknuumlpfen an Platzhalter wie die Koumlrperverletzung oderlegislativ an Symptome wie das Aumlndern der aumluszligeren Lebens-umstaumlnde (sect 238 StGB)

IV Schluss bdquoPsychische Verletzungldquo alsStraftatbestand de lege ferenda

Die psychische Integritaumlt erfaumlhrt nach geltendem Recht kei-nen dogmatisch eigenstaumlndigen Schutz aber fragmentari-schen als Rechtsgutskomponente verschiedener Normenwie vor allem der Straftaten gegen die persoumlnliche Freiheitdes Weiteren etwa der sectsect 177 ff 249 ff sowie der sectsect 183 f

JZ 212009 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge 1059

51 Vergleiche auch Rackow GA 2008 552 ff 566 f m w N52 Steinberg JZ 2006 30 ff 32 f53 Zur Diskussion Rackow GA 2008 552 ff 557 f Eisele (Fn 44)Rn 48854 Kuumlper (Fn 44) S 35 vertiefend ders ZStW 111 (1999) 30 ff 44 ndash 49Heger ZStW 119 (2007) 593 ff 601 ndash 61255 Zur Diskussion um das Kriterium der Dauerhaftigkeit Hardtung JZ2008 953 ff 955 mw Nachw

56 BGH JR 1992 342 ff 34357 So in ihrer Anmerkung schon Graul JR 1992 344 ff aumlhnlich Hard-tung in MuumlnchKommStGB (Fn 32) sect 18 Rn 46 f das Opfer muumlsse aufGrund der Koumlrperverletzung (psychisch) unfrei geworden sein einen nor-mativ relevanten Unterschied der Konstellationen verneinend Bartholme JA1993 127 f 128 Englaumlnder GA 2008 669 ff 680 f bdquoder Unterschied liegtallenfalls im graduellen Bereichldquo

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1060 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

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Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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1060 Georg Steinberg Psychische Verletzung mit Todesfolge JZ 212009

und (diskutabel) der sectsect 185 ff StGB58 Zentral ist das Ver-haumlltnis zu den Koumlrperverletzungsdelikten Innerhalb desSiebzehnten Abschnitts des Besonderen Teils wird die psy-chische Integritaumlt nur in Ausnahmekonstellationen eigen-staumlndig geschuumltzt (sectsect 225 Abs 3 Nr 2 226 Abs 1 Nr 3 ver-gleiche auch sectsect 171 176a Abs 2 Nr 3 StGB) ansonsten sindpsychische Verletzungen nach Rechtsprechung und wohlherrschender Lehre nur dann eine bdquoGesundheitsschaumldigungldquo(sect 223 Abs 1 Alt 2 StGB) wenn sie somatischen Krankheits-wert aufweisen also als psychisch vermittelte Koumlrperverlet-zung59 Fuumlr die bdquoschwere Gesundheitsschaumldigungldquo die zu-meist als Qualifikationstatbestand erscheint (zum Beispielnach sectsect 177 Abs 3 Nr 3 239 Abs 3 Nr 2 StGB) ist dieEinbeziehung der bdquonurldquo psychischen Verletzung hingegenanerkannt60

Die Forderung eines Straftatbestands bdquoPsychische Verlet-zungldquo kann sich zunaumlchst auf dogmatische Inkohaumlrenzenstuumltzen die das derzeitige Anknuumlpfen an die Somatik mitsich bringt Sie liegen (wie das hier entwickelte Problem derdeliktstypischen Todesfolge) insbesondere im Bereich vonKausalitaumlt und objektiver Zurechnung Wenig einleuchtendwurde um das Problem anhand von Beispielen zuzuspitzendie Kausalitaumlt fuumlnfwoumlchiger regelmaumlszligiger Stoumlrung derNachtruhe fuumlr die gesteigerten Magenbeschwerden des Op-fers in diesem Zeitraum mit Hinweis darauf verneint dasshier nicht moumlglich ein Kausalzusammenhang zwischen einerkonkreten Einzelhandlung und dem Erfolg erwiesen seinmuumlsse61 Auch die Gehirnblutung die das Opfer nach einerheftigen verbalen Auseinandersetzung erlitt hat der BGHzwar als psychisch vermittelte Gesundheitsschaumldigung qua-lifiziert jedoch die Kausalitaumlt einer bestimmten Aumluszligerungdes Taumlters (bdquokleiner Scheiszligerldquo) fuumlr diesen Erfolg verneint62Gravierender noch sind Ungereimtheiten bei der Qualifizie-rung des jeweiligen Erfolgs als tatbestandlich mithin straf-wuumlrdig oder nicht Dass die Strafbarkeit des Vaters dereinen Foumlhn in die Badewanne wirft in dem seine Toumlchtersitzen davon abhaumlngt ob diese koumlrperliche Symptome ihrer

(erwiesenen) Jahre anhaltenden schweren Traumatisierungzeigen63 ist ebenso wenig einsichtig wie das Abhaumlngen derStrafbarkeit des Stalkers (vor Einfuumlhrung des sect 238 StGB)davon ob seine naumlchtlichen bedrohenden bzw beleidigendenTelefonanrufe neben panischer Angst nur leichten Durch-fall64 oder aber die Verstaumlrkung eines Schilddruumlsenleidensverursachen65 Solche punktuellen Ungereimtheiten sindSymptom dafuumlr dass Strafgesetzgeber und Rechtsprechungden gesellschaftlichen Vorstellungswandel noch nicht mit-vollzogen haben nach dem ein rein somatisches Verstaumlndnisvon Gesundheit unzureichend und die Zufuumlgung psy-chischer Verletzungen nicht weniger sanktionswuumlrdig ist alsdie Koumlrperverletzung

Daneben uumlberzeugen auch die geaumluszligerten Bedenken66

gegen die Einfuumlhrung eines Straftatbestands der psychischenVerletzung nicht Vom Standpunkt der Rechtsguumlterlehre herist wenn man diese uumlberhaupt als legislative Schranke inter-pretiert gegen den strafrechtlichen Schutz der psychischenIntegritaumlt nichts einzuwenden sobald man diese nicht mehrals Ansammlung angenehmer bdquoGefuumlhleldquo sondern zutreffendals integrativen Teil der menschlichen Gesundheit versteht67Dies erfordert auf dogmatischer Ebene eine ndash sukzessiv ndash zubestimmende Erheblichkeitsschwelle und auch die spezi-fischen Kausalitaumltsbeziehungen psychischer Vorgaumlnge (undderen herausfordernd mindere Punktualitaumlt) wird man dog-matisch reflektieren muumlssen ebenso die Grenzen der objek-tiven Zurechenbarkeit insbesondere vor dem Hintergrundpsychisch verletzenden gleichwohl sozial adaumlquaten Verhal-tens Fuumlr die sowohl verfassungsrechtlich als auch dog-matisch-tatbestandlich erforderliche Bestimmbarkeit derpsychischen Verletzung muumlssen die moderne Psychopatho-logie und Diagnostik dogmatisch umgesetzt werden Fuumlr dieMoumlglichkeit eines sinnvollen prozessualen Umgangs mit demTatbestand psychischer Verletzung sei nur auf die bereitsjetzt (wenn auch selbstverstaumlndlich nicht problemlose sojedenfalls) unentbehrliche Begutachtung psychischer Groumlszligen(nicht nur) im Strafprozess verwiesen der Schuldfaumlhig-keit Fahrtuumlchtigkeit Verhandlungsfaumlhigkeit HaftfaumlhigkeitGlaubwuumlrdigkeit als Zeuge etc68

Tagungsbericht

Recht und Markt ndash Wechselbeziehungenzweier Ordnungen

49 Assistententagung Oumlffentliches Recht in Bonn vom10 bis 13 Maumlrz 2009

Der groszlige Weltendeuter aus Bielefeld Niklas Luhmann wares auf dessen Erkenntnisse auf der 49 AssistententagungOumlffentliches Recht in Bonn zum Thema bdquoRecht und Marktldquoimmer wieder Bezug genommen wurde Bereits der Festvor-trag vom Richter des BVerfG Professor Dr Dr Udo Di Fabio

zur bdquoFreiheit des Geldesldquo hob die bisweilen nahezu hellsehe-rischen Faumlhigkeiten des Soziologen hervor Dieser hatteschon 1988 in seiner Wirtschaft der Gesellschaft einen totalenWirtschaftskollaps fuumlr moumlglich wenn auch fuumlr unwahr-scheinlich gehalten ndash als vorlaumlufigen Endpunkt einer Ent-wicklung die mit der Freiheit des Geldes eingesetzt hattedas heiszligt der Eigenschaft des Geldes nicht mehr bloszligerTauschwert zu sein sondern durch das Instrument der Zinsenselbst zur Ware zu werden

Ob die beiden Systeme Recht und Markt mit ihren jeweilsunterschiedlichen Rationalitaumlten kompatibel seien diese Fragestellte gleich zu Beginn das Eroumlffnungsreferat von Dr Stefan

58 Im Einzelnen mw Nachw Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ffder mit der hM den status quo beibehalten will59 BGHSt 48 34 ff 36 f Uumlberblick mw Nachw bei Kuumlper (Fn 44)S 168 f 234 aA Eser in SchoumlnkeSchroumlder StGB 27 Aufl 2006 sect 223Rn 4 6 schon Wolfslast Psychotherapie in den Grenzen des Rechts 1985S 5 ndash 20 Hoffmann GA 2002 385 ff 396 f60 Kuumlper (Fn 44) S 169 ndash 171 mw Nachw61 AG Dieburg NStZ-RR 1998 7362 BGH(Z) NJW 1976 1143 ff 1144 Dies konnte allerdings im konkre-ten Fall offen bleiben da die (hier relevante zivilrechtliche) Zurechenbarkeitjedenfalls mangels Adaumlquanz scheiterte

63 BGH NStZ 1997 123 f 12364 OLG Koumlln NJW 1997 2191 f65 BayObLG JZ 1974 39366 Bloy in Festschrift Eser 2005 S 233 ff67 Vgl zum Ganzen Roxin (Fn 8) sect 2 insbesondere Rn 26 ndash 3168 Vgl nur SchneiderFristerOlzen Begutachtung psychischer Stoumlrun-gen 2006

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