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Psz~lliodes affimis Pmgk., der Karfoffelerdfloh. Morphologie und Bionomie der Imago. 11. Teil. Von Franz Heikertinger, Wen. (Mit 11 Textabbildungen.) Der Kart.offe1, Solanum tuberosum, die eine Solanacee neotro- pischer Provenienz ist, durften in jenen Landern, in denen sie heute in Kultur genommen ist, ernstliche Feinde wohl nur aus jenen in dem bezuglichen Kulturlande heimischen Tierarten erstehen, die an und fur sich schon Nachtschattengewachsen angepasst, die also normal o 1i g o - phag an Solanaceen sind. Ein solches Tier ist die Psylliodes affinis Payk., ein typischer Gast von Freiland-Solanaceen Mitteleuropas. Es erscheint mir nicht ohne Wert, auch hier wieder meiner Ober- zeugung von der ausgepragten Spezi$lisation der Insekten, speziell der Kafer, unterstrichenen Ausdruck zu verleihen. Diese Spezialisation t.ritt beispielsweise plastisch hervor, wenn wir einen Blick uber die an Solanaceen oligophagen Halticinenarten Mitteleuropas werfen. Es sind dies Epithrix atropae, Epithrix pubescens, Psylliodes affinis, Psyll. hyoscyami und Psy11. dulcamarae. Samtliche Genannte leben n u r an Nachtschattengewachsen. Wahrend aber Epithrix atropae vorwiegend an Atropa und Lycium, seltener an Hyoscyamus lebt, wahrend Epithrix pubeseens das Solanum nigrum l) bevorzugt (daneben wohl auch a u e 1) Mein Freund Prof. Dr. T 5 1 g fing diese Art bei Konstantinopel in schadlichen Mengen auch auf der kultivierten Eierpflanze, Solanum melongena; Prof. Dr. F a h r i n g e r fing sie in Anatolien auf der gleichen Pflanze. - Die Literatur der angewandten Ento- mologie Nordamerikas verzeichnet etliche Epithriz-Arten als polyphag. Ich vermag nicht zu beurteilen, inwieweit dies einwandfrei zutrifft. Dass eich aber auch in der Nearktis die Epithriz-Arten bei kritischer Untersuchung als typische Solanaceengaste entpuppen konnen, beweist neuerlich die griindliche Arbeit 0. A. J o h a n n 6 en s iiber Epithrlz nrcumerls Harris, die nicht mehr als ,,Cucumber-Flea-Beetle", als ,,Gurkenerdfloh", sondern direkt als ,,Potato-Flea-Beetle", als ,,Kartoffelerdfloh" bezeichnet wird (Maine Agricultural Experiment Station, Orono, Bull. Nr. 211, Marz 1913, p. 37-50). Der Arbeit J o h a n n s e n 8 angefiigt ist eine von E d i t h M. P a t c h zusammengestellte reiche Liste jener Tierarten, die in Nordamerika als Kartoffelschadlinge angegeben wurden. Ob die dort zitierte Psylliodes punctulata, Phyllotreto deciptens usw. sich bei kritischer priifung als wirkliche Kartoffelschadlinge erweisen, bleibt allerdings fraglich.

Psylliodes affinis Payk., der Kartoffelerdfloh. II. Teil : Morphologie und Bionomie der Imago

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Page 1: Psylliodes affinis Payk., der Kartoffelerdfloh. II. Teil : Morphologie und Bionomie der Imago

Psz~lliodes affimis Pmgk., der Karfoffelerdfloh.

Morphologie und Bionomie der Imago. 11. Tei l .

Von

Franz Heikertinger, Wen. (Mit 11 Textabbildungen.)

Der Kart.offe1, Solanum tuberosum, die eine Solanacee neotro- pischer Provenienz ist, durften in jenen Landern, in denen sie heute in Kultur genommen ist, ernstliche Feinde wohl nur aus jenen in dem bezuglichen Kulturlande heimischen Tierarten erstehen, die a n und fur sich schon Nachtschattengewachsen angepasst, die also normal o 1 i g o - p h a g a n S o l a n a c e e n sind. Ein solches Tier ist die Psylliodes affinis Payk., ein typischer Gast von Freiland-Solanaceen Mitteleuropas.

Es erscheint mir nicht ohne Wert, auch hier wieder meiner Ober- zeugung von der ausgepragten Spezi$lisation der Insekten, speziell der Kafer, unterstrichenen Ausdruck zu verleihen. Diese Spezialisation t.ritt beispielsweise plastisch hervor, wenn wir einen Blick uber die an Solanaceen oligophagen Halticinenarten Mitteleuropas werfen. Es sind dies Epithrix atropae, Epithrix pubescens, Psylliodes affinis, Psyll. hyoscyami und Psy11. dulcamarae. Samtliche Genannte leben n u r an Nachtschattengewachsen. Wahrend aber Epithrix atropae vorwiegend an Atropa und Lycium, seltener an Hyoscyamus lebt, wahrend Epithrix pubeseens das Solanum nigrum l) bevorzugt (daneben wohl auch a u e

1) Mein Freund Prof. Dr. T 5 1 g fing diese Art bei Konstantinopel in schadlichen Mengen auch auf der kultivierten Eierpflanze, Solanum melongena; Prof. Dr. F a h r i n g e r fing sie in Anatolien auf der gleichen Pflanze. - Die Literatur der angewandten Ento- mologie Nordamerikas verzeichnet etliche Epithriz-Arten als polyphag. Ich vermag nicht zu beurteilen, inwieweit dies einwandfrei zutrifft. Dass eich aber auch in der Nearktis die Epithriz-Arten bei kritischer Untersuchung als typische Solanaceengaste entpuppen konnen, beweist neuerlich die griindliche Arbeit 0. A. J o h a n n 6 e n s iiber Epithrlz nrcumerls Harris, die nicht mehr als ,,Cucumber-Flea-Beetle", als ,,Gurkenerdfloh", sondern direkt als ,,Potato-Flea-Beetle", als ,,Kartoffelerdfloh" bezeichnet wird (Maine Agricultural Experiment Station, Orono, Bull. Nr. 211, Marz 1913, p. 37-50). Der Arbeit J o h a n n s e n 8 angefiigt ist eine von E d i t h M. P a t c h zusammengestellte reiche Liste jener Tierarten, die in Nordamerika als Kartoffelschadlinge angegeben wurden. Ob die dort zitierte Psylliodes punctulata, Phyllotreto deciptens usw. sich bei kritischer priifung als wirkliche Kartoffelschadlinge erweisen, bleibt allerdings fraglich.

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Psylliodes affiiris Pnyk. . der K;irtoffeleldfloh (11. Tril). 11

nahmsweise eininal Lyciunz und Hyoscyanius bewohnt), ist die Psyllio- des hyoscyami ausgepragt monophag an Hyoscyamus niger, die ihr nahe Verwandte Psyl l . dulcamarae dagegen ausgepragt monophag an Sola- num dulcamara. Die Psyll. affinis zeigt eine etwas reichere Speisekarte: ich fand sie auf Solanum, Lycium und Hyoscyamus (siehe unter ,,Stand- pflanzen"), und sie ist auch die eirizige mitteleuropaische Halticine, die auf die Kartoffel ubergegangen und an ihr schadlich geworden ist.

Um ein klares Bild der Gefahrlichkeit eines Schadlings zu er- halten, mussen wir daher unbedingt stets die experimentell gewonnene klare Kenntnis seiner spezifischen Detailgeschmacksrichtung als Grund- lage nehmen.

Obgleich aber nun die Psyll . affinis sicher ein spezifischer Kartoffelfeind ist, reicht ihre Bedeutung nicht im entferntesten an jene des Kolorado-Kafers heran. Dies ist ohne weiteres verstandlich durch die geringere Grosse des Tieres, die verschiedene Frassweise der Larve usw. Immerhin aber ist auch die Psyll . affinis bereits als ernster Kartoffelschadling gemeldet worden und verdient agrikulturelle Berucksichtigung.

Die bereits in der vorangehenden Darstellung der Praimaginal- stande betonten gemeinsamen Zuge mit Psyll . attenuata treten auch im Leben der Imago von Psyll . affinis hervor, weshalb ich mich auch hier ab und zu hinweisend auf meine ausfuhrlichere Arbeit uber die erstgenannte Art l) beziehen will.

Allgemeine Kennzeichnung der Art fiir praktische Zwecke. Kennzeichen der H a 1 t i c i n e n - G a t t u n g Psylliodes: Fuhler 1 O g l i e d r i g , das zweite Glied fast ebenso lang als das

erste. - Halsschild ohne Langsfaltchen an der Basis und ohne Quer- eindruck. - Flugeldecken mit regelmassigen Punktstreifen. - Tarsen der Hinterbeine nicht am Schienenende, sondern am Schienenrucken, e i n S t u c k v o r d e r S p i t z e eingefugt. - Das erste Tarsenglied (Fersenglied) der Hinterbeine ungefahr so lang wie die halbe Schiene, im Tode an die Schiene emporgeklappt..

Rennzeichen der A r t affinis: z, Grosse : 2-2,8 mm. - Oberseite rotlich-braungelb bis strohgelb ;

Ropf meist pechbraun, seltener braungelb ; Halsschild nie pechbraun ;

1) P s y l l i o d e s a t t e n u a t a K o c h , d e r H o p f e n - o d e r H a n f e r d - f 1 oh. 11. Morphologie und Bionomie der Imago. Mit 20 Fig. Verh. zoo1.-botan. Ges. Wien, 63. Bd., S. 98-136; 1913.

2) Ausfiihrliche Beschreibungen der Art finden sich bei C. F o u d r a s , Altisides (Mulsant, Hist. nat. ColBopt. de France, p. 68-70; Paris, 1860). - F. K u t s c h e r a, Beitrage z. Kenntn. d. europ. Halticinen (Wien. Ent. Monatschr. VIII., S. 403, Sep. S 373; 1864). - J. We i s e, C h r y s o m e 1 i d a e (E r i c h s o n , Naturg. Ins. Deutschl.

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12 H e i k e r t i n g e r :

Flugeldecken mi t pechbraunem, schmalem Nahtsaum ; Flugeldecken- spitze nie dunkler als die ubrigen Decken. Unterseite grosstenteils peclibraun. Fuhler und Beine braunlich-gelb, Hinterschenkel peclibraim. - Kopf nicht punktiert, nur ausserst fein chagriniert. Stirnlinien vorn zwischen den Augen nur als verloschene Spuren eines X formigen Ein- drucks kenntlich. - Halsschild auf chagriniertem Grunde massig stark gleichmassig punktiert. - Hinterschenkel am Unterrande ungefahr in der Mitte mit einer verrundeten Ecke; Unterrand der Schiene (besonders beim Mannchen) im basalen Drittel ziemlich stark gernndet, in den zwei Enddritteln fast gerade (vgl. Fig. 8).

Ahnliche mitteleuropaische Arten sind: Psyll. luteola M u l l . Von gleicher Grosse und Korperform, doch

oberseits stets einfarbig rotlich-braungelb bis strohgelb ; der Kopf, der

Fig. 1. PeyUWdca aftinis. Links nnten n a t i l . CtroBe.

Nahtsaum der Flugeldecken und die Hinter- schenkel n i c h t dunkler. Vorderstirn mit einem queren Griibchen zwischen den Augen, von dessen oberem und unterem Rande schwach ausgepragte Stirnlinien ziemlich wagerecht ausgehen. Oberstirn auf glattem Grunde zerstreut punktiert. Hinterschienen kurz und unterseits stark gekriimmt. Haufig auf Eichen und anderen Baumen, sowie auf Buschwerk ; doch auch auf niedrigen Pflan- Zen. Nahrpflanze nicht sicher bekannt. - Der Psyll . luteola ahnlich ist die etwas seltenere Psyll. picina Marsh., von hell oder dunkel kastanienbrauner Farbung, die an

feuchten Orten lebt und fur eine Verwechslung mit affinis praktisch wohl nicht in Betracht komrnt.

Psyll. circumdata Redtb. Der affinis zuweilen ausserst ahnlich, doch der Kopf gedrangt und fein punktiert, die Stirn vorn zwischen den Augen ohne Spur von Stirnlinien, die Spitze der Flugeldecken an- gedunkelt. Vorwiegend Siideuropa, in Usterreich selten, in Deutsch- land wohl uberhaupt nicht mehr vorkommend.

Die iibrigen gelben Psyllioden Mit.teleuropas - Ps. marcida 111. und helle Formen der Ps. chrysocephala L. - sind grosse, auf Cruci-

Auf Cruciferen.

~ ~~

Col. VI., S. 816; Berlin 1888). - Abbildungen der Art finden sich in den weiter unten zitierten Arbeiten von C u r t i s , T h e o b a l d , C a r p e n t e r . Ohne hervorragende Leistungen zu sein, durften sie genugen, das fur eine Psylliodes charakteristisch gefarbte Tier ,wiederzuerkennen. Da indes ahnliche Farbungen in anderen Halticinengattungen hiiufig ~ind, ist bei praktischer Bestimmung sorgfaltig auf die Gattungsmerkmale, speziell auf die Zahl der Faerglieder und die Art der Tarseneinlenkung an den Hinterbeinen (vergl. die Figuren) zu achten.

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Psylliodes affi#iis Payk., der Kartoffelerdfloh (11. Teil). 13

feren in Kiistengegenden lebende Tiere, niit deneii affinis wohl nie ver- wechselt werden kann. Auch die siidlicheren gelben Arten Ps. pallidi- pennis Rosh., P s . puneticollis Rosh. und P s . alyiriea All. bediirfen keiner weiteren Erwahnung.

Zur Untersuchung der oben angefiihrten Merkmale ist eine starke Lupe von niindestens zwanzigfacher Vergrosserung erforderlicli.

Spezielle Morphologie. Nit Riicksicht darauf, dass icli bereits an anderen Orten ziemlich

detaillierte morpliologische Darstellungen von Halticinen gegeben habe,l) und in Anbetracht des Umstandes, dass der feinere Bau dieser Tiere rda t iv geringe Uiiterschiede aufweist, kann ich midi im folgenden einer wesentlich gekiirzten, vergleichenden Darstellungsart bedienen.

Der Bau des in Fig. 2 schematisch wiedergegebenen K o p f e s ist durch die der Abbildung beigegcbene Legende geniigend erklart. Die Furchen iiber den Stirnhockern sind schwach ausgebildet ; die Furche, die vom Hinterrande der Augen herabzieht, lauft zur Fiihlerwurzel und verbindet sich daher mit der furchigen Senkung uber der Fiihlerpfanne (Supraan tennalfurche) .2)

Die 0 b e r 1 i p p e (labrum, Fig. 3) ist ungefahr l'/, ma1 so breit als lang, in der Anlage rechteckig mit verrundeten Ecken, in der Mitte des Vorderrandes ausgerandet. Die Abbildung zeigt das durch- scheinende Geriist starkerer. Chitinbogen, die Sinneszapfchen der Unter- seite, die sechs Tastborsten mit ihrer bei den Halticinen charakteristi- when relativen Lange und Stellung (die Mittelborste jederseits ist die kiirzeste und schwachste, die zwei innersten Borsten stehen in einer grossen, die zwei nachsten, kiirzesten, in einer kleineren fIachen Grube usw.), ferner die iiber die gerunzelte Chitinoberflache verstreuten Sinneskegel. *)

Die 0 b e r k i e f e r (mandibulae, Fig. 4) sind kraftig entwickelt, nach innen und unten etwas ausgehohlt und tragen fiinf Zahne, deren Grossenverhaltnis die Abbildung zeigt ; unter der inneren (oberen) Kante, zwischen dem innersten Zahn und dem dorsalen Basalgelenk der Mandibel zieht sich eine fein behaarte Membran hin, die an der Innen- flache der Mandibel angeheftet ist. Die Mandibelbasis t rag t oben eine Gelenkgrube, unten einen Gelenkkopf ; beide sind im gewulsteten Chitin- rand der Mundoffnung (Pleurostom und Hypostom) artikulierend ein- gefiigt und ermoglichen die seitliche Bewegung der Mandibeln.

1) Psylliodes attenuata, 1. c. - M o n o g r a p h i e d e r C o l e o p t e r e n -

2) Vergl. Psyll. punctulata, im Aufsatze uber Psyll. attenuata (1. c. p. 105, Fig. 5). 3, Vergl. meine Monographie der Gatt. Derocrepis 0. c.).

g a t t u n g D e r o c r e p i s. Munch. Kol. Zeitschr. Bd. IV.

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14 B e i k e r t i n g e r :

Die U n t e r k i e f e r (maxillae, Fig. 5 ) zeigen ein gedrehtes Angelglied, einen starken Stamm und Tastertrager, einen viergliederigen Taster mit konischem Endglied, eine walzige Aussenlade, die am distalen Ende mit einer Gruppe von ziemlich zylindrischen Sinneszapfchen armiert ist, und eine breite, flachere Innenlade, die am Distalrande einen breiten Sanni einwiirts gekriimmter, dichtstehender Haar- gebilde tragt.

u t flf

Fig. 3. Labrnm von Psyll. affinis, Dorsal- ansicht, diaphan. Vergr.

Fig. 2. Kopf von Psyll. affinis, Stinansicht (schematisch).

v vertex, Scheitel; pfpostfrons, Oberstirn; t tuber- cnlnm frontale, Stirnhocker; prfpraefrons, Vorder- stirn; j o Juxtaokularfurche; st Supratuberkular- furche !obere ,,StirnlinieY); sa Supraantennal- furche; sc Supracarinalfurche; oc Auge; aa aceta- bnlum antennale, Fiihlergelenkspfanne; cf carina frontalis, Stirnkiel; pg praegena, Vorderwange j pel postclipens, hinterer Kopfschild; ac anteclipens, vorderer Kopfschild; 2 labrum, Oberlippe (mit den

Girnben, in denen die 6 Tastborsten stehenl; md mandibula, Oberkiefer.

Fig. 4. Mandibeln von Psyll. affinis, Ventral- ansicht. Vergr.

Die U n t e r l i p p e (labium, Fig. 6) ist mit einem kurzen, drei- gliederigen Taster versehen; die Ligula ist vorne abgerundet und tragt etliche Borstenpaare.

Das K i n n (mentum) stellt eine die Basis der Unterlippe um- greifende trapezformige Platte dar.

Die F u h 1 e r sind von jenen der Psgll. attenuata I) nicht wesent- lich verschieden; die relative Lange ihrer einzelnen Glieder ist aus Fig. 1 zu entnehmen.

Hinsichtlich des Baues der Brustabschnitte, des Abdomens und der Elytren verweise ich auf das bei Psyll. attenuata Dargelegte.

Die H a u t f 1 u g e 1 der Psyll. affinis (Fig. 7) sind verkiirzt, etwa urn ein Fiinftel kurzer als die Flugeldecken; das Geador ist sehr schwach

l) 1. c. p:109, Fig. 10. -

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Psylliodes uffiriis Puyli.. der Kurtoffrlertlfloli (11. Teil). 15

ausgebildet und der ganze Apparat wohl fluguntuchtig. Seltsamerweise i a t dieser verkiimmerte Fliigel aber nicht (wie beispielsweise der von Derocrepis rufipes) I) apikal verjunpt, sondern erreicht. im Gegenteile

Za - 9 a JF st

- -ca

Fig. 5. Rechte Xaxille von PsylZ. affliiis, Ventralansicht. Vergr.

ca cardo, Angelglied ; st stipes, Stamm j

palpns, Taster; ga palea, Adenlade j sga subgalea, Grundglied der Aden-

lade; ZG lacinia, Innenlade.

ppf palpifer, Tastertrdger; plr por P,, P,

Fig. G. Labium von PsyZl. aftinis (auf einem Ans- schnitte des Hypopharynx), Ventralansicht. Vergr. lip Hypopharynx; Zi Ligula; p p f Palpifer; plr pn, p , Lippcntaster. (Durch Druck auf das Deckgliichen des Praparats ist das erste Tasterglied p , etwas aus

seiner PPanne im Palpifer herausgetreten.)

seine grosste Breite im Endteil. alle Halticinen charakteristische.

(Fig. 8).

Der Typus des Geaders ist der fur

Ein Charakteristikum der Art ist der Bau der H i n t e r b e i n e Abgesehen von den fiir die ganze Gattung typischen Zugen

@ I 16 Fig. 7. HauWigel von PsyZl. aftnnis.

c Costa; 8c Subcosta; r Radins; cu Cubitas; a Analis; ab Lange der Fliigeldecke im V e r h d W zum Fliigel.

(vgl. das unter ,,Allgemeine Kennzeichnung" Gesagte) fallt unterseits an dem sehr stark verdickten Schenkel eine Erweiterung (z in Fig. 8) auf. Diese Erweiterung liegt aussenseits uber einer Aushohlung der Schenkelunterseite, in die die Unterseite der einklappbaren Schiene passt. Entsprechend dieser besonderen Form der Schenkelunterseite zeigt auch die Unterseite der Schiene eine eigentumliche Form (flache Knickung). Form und relative Lage der sonstigen Bestandteile des Beins sind aus

1) Vgl. die bereits erwahnte Monographie der Gattung Derocrepis.

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16 11 e i k e r t i n g e I':

der Figur zu ersehen. Beim Laufen bleibt die Schierie (des Hinter. beins) eingeklappt, das erste Tarsenglied steht annaliernd wagrecht, das zweite steht steil abwarts, die Biirstensohle des dritten Gliedes beriihrt den Boden, das Klauenglied steht wieder ein wenig anfgericlitet frei weg. Diese Gangart bedingt, dass der Sprung in jedein Angenblickc ohne Tor-

Die Klaue selbst beriihrt iiacli Bedarf den Bodrn.

X

r'i w I'J . ./

Fig. 8, Hinterbein von Psyll. affinis. A Adenseite, B Innenseite.

c Hiilfte; b. Trochanter; f Schenkel; ti Schiene (In- sertionsstelle des Tarsus) ; t, Metatarsus (erstes Tarsen- glied); &, tn ts zweites bis funftes Tarsenglied (Glied 4 verborgen in Glied 3); u Klaue; z Erweitemg der Schenkelunterseite (typisch fur die Art); y Knickung der Schienenunterseite ; z Aushohlung der Schenkel- nnterseite (Innenseite,, in welche die Untenkante der

Schiene pafit.

bereitrung ausgefuhrt mertleii kann.

Das 1Iannchen der Art ist ausserlich gekennzeichnet durch folgende ex tragenit ale Sexualcharaktere:

Das erste Tarsenglied der Vor derbeine is t betr acht lic h erweitert, fast so breit wie das dritte (lappige) Glied; an

Fig. 9. cr" Kopulationsapparat von PsyU. offinis, links 1ateral;rechts ventral gesehen. b Basaliifiung; p Parameren; u ventral;

d dorsal; a Apikalofiung.

den Mittelbeinen ist die Erweiterung des ersten Gliedes schwacher aus- gepragt. Das Hinterleibsende ist vie1 weniger zugespitzt als beim Weibchen, kiirzer abgerundet, das letzte freiliegende Abdominalsternit ist etwas abgestutzt (seitlich kaum merklich ausgerandet) verrundet..

Ein wichtiges systematisches Merkmal in der Halticinengruppe . ist der Penis, der als ,,genitaler subsidiarer" Sexualcharakter qualifi- siert wird. Der Penis der Psyll. upfinis (Fig. 9) stellt eine etwas flach- gedriickte Chitinrohre dar, die unterseits am kopfwarts gelegenen Ende eine grosse Eintrittsoffnung und oberseits am hinteren Ende eine kleine Austrittsoffnung (fiir den Ductus ejaculatorius) besitzt. Von oben (unten) betrachtet ist der Penis parallelseitig, am Ende annahernd halbkreisformig verrundet, mit einem sehr kleinen, vortretenden Mittel- spitzchen. Die Unterseite ist breit und flach rinnenformig, die Seiten- rander erhaben, ausgebildet. Im Profil ist der Penis (nach oben konvex)

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Psylliodes aff i j r is Payk.. der Iiartoffclcrdfloli (11. Teil). 17

leicht gekruninit, die niclit blechartig verflachte Spitze zienilich gerade- aus gerichtet. Der Penis besitzt zwei Paranieren; die basalwarts ge- legenen liegen der Penisunterseite im basalen Penisdrittel fcst an (vgl. p in Fig. 9) und bestehen aus einer ziemlicli kurzen, am distalen Ende weit auseinanderklaffend, aber nur kurz gegabelten Chitingrate ; die distal gelegenen liegen in situ den zwei Enddritteln des Penis 6ehr lose an (bezw. liegen in deren Nalie) und bestehen aus einem Paar leicht gebogener, ansonsten ziemlich parallel liegender, sehr dunner Chitin- griiten, die zumindest zwei Drittel der Penislange erreichen.

Chromologie. Die weiter oben angegebene Farbung ist individuellen Schwan-

kungen unterworfen. Die hellsten Formen - und die unreifen Stucke - sind oben hell braunlich-gelb oder rotlich-gelb, die Flugeldecken mehr strohgelb, die Hinterschenkel an der Spitze angedunkelt ; doch zeigt fast immer der schmale Nahtsaum ein dunkleres Kolorit. An den dunkelsten Stucken ist der Kopf pechschwarz, ebenso der Naht- saum der Flugeldecken (der jederseits die Breite eines Punktstreifen- interval16 besitzt), dann auch Mittel- und Hinterbrust, sowie Bauch und Hinterschenkel ; die Vorder- und Mittelschenkel sind stark gebraunt.

Diese Farbungsanlage - Oberseite gelb mit dunklem Kopf und Nahtsaum - ist selten in der Gattung Psylliodes, dagegen haufig in anderen Halticinengattungen, z. B. bei Longitarsus, bei der sie einen Hauptfarbungstyp darstellt.

W e i s e l) erwahnt, dass St.ucke aus Suddeutschland, Oster- reich und Sudeuropa durchschnittlich grosser und kraftiger seien und oberseits einen gesattigteren Farbenton besassen als solche aus der norddeutschen Ebene.

Systematik und Synonymie. Der heute gebrauchliche Artname affinis ruhrt von P a y k u 11

her, der die Art in seiner Fauna Suecica (11, p. 109; 1799) als Galleruca affinis beschreibt. Spatere Autoren, wie die Verfasser der E n t o - m o l o g i s c h e n H e f t e , 2 ) D u f t s c h m i d ' ) u. a., fiihren sie untor dem Gattungsnamen Haltica, bis durch L a t r e i 11 e 4, die Gattung Psylliodes aufgestdlt wurde.

1) W-eise, 1. c. p. 817. s, E n t o m. H e f t e z. Aufkl. der Insektengesch. Heft 11, p. 35; 1803. *) C a s p a r D u f t s c h m i d , F a u n a A u s t r i a e 111, p. 285; 1825. 4) C u v i e r , L e r h g n e a n i m a l , 2. d., tome V, par M. L a t r e i l l e . Paris

1829. - Streng nomenklatorisch genommen ist allerdings B e r t h o 1 d , der L a t r e i 1 1 e B

erste Arbeit (1825) im Jahre 1827 iibersetzte und dabei den urspriinglich in franzosischer Form gegebenen Gattungsnamen ,,Psylltode" in das lateimische ,,PBylliodes" iibertrug, der Autor des N a m e n s der Gattung.

Zeitsehrift f. angewandte Entomologie II, 1. 2

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18 H e i k e r t i n g e r :

Wenige Jahre spater stellte S t e p h e 11 s I) die mit Psylliodes identische Gattung Macroenema auf und brachte die Beschreibung der gegenstandlichen Ar t unter dem Namen Macrocnema exoleta, indem er die L i n n Q sche Chrysomela exoleta ') darauf bezog. Er folgte bei der Wahl des Artnamens I 1 1 i g e r ,*) der den Kafer als Haltica exoleta auffuhrt. Spater wurde der Halticinenname ,,exoleta" noch anders gedeutet, bis er nunmehr, hoffentlich endgultig, in der Gattung Longitarsus untergekommen ist.

Noch ein zweiter L i n n 6 scher Name taucht vorubergehend als Bezeichnung fur unsere Art auf ; es ist der Name ~ t r i c i l l a . ~ ) P a n z e r 5,

verwendete ihn in diesem Sinne; nach den von W a t e r h o u s e? ge- machten Mitteilungen uber die L i n n Q sche Sammlung in London sol1 sich dortselbst als Type tatsachlich unsere Ar t unter diesem Namen finden. Indessen haben die spateren Autoren den Namen affinis vor- gezogen, bezw. beibehalten und ich sehe keinen Grund ein, warum durch eine neue Namensanderung, selbst wenn sie diirftig motiviert ware, wieder Verwirrung geschaffen werden sollte. Die Chrysomela atri- eilla L. ist heute als ein Longitarsus aufgefasst.

Unter dem Namen Macronema exoleta berichtet C u r t i s ') uber unseren Kafer als Schadling ; als Haltica atricilla bezeichnet ihn K a 1 t e n b a c h. 8,

Fur phytopathologische Zwecke genugen diese Angaben ; hervor- gehoben sei, dass jedoch nur die eben genannten Meldungen von C u r t i s und K a l t e n b a c h sicher hierher zu beziehen sind. Alle anderen Angaben uber die Halticinenarten ,,exoleta" und ,,atricilla" bleiben ihrer Mehrdeutigkeit halber in der angewandten Entomologie am besten ganz unberucksichtigt.

Chorologie. Die geographische Verbreitung der gegenstandlichen Ar t ist eine

sehr weite; sie umfasst fast das ganze Europa und schliesst auch den Norden nicht aus, ja die Ar t muss geradezu als ein typisch mittel- und nordeuropaisches Tier, als ein ausgesprochenes Glied der baltischen Fauna - als Analogon zur baltischen Flora gefasst - angesprochen werden.

l) S t e p h e n s , Illust. of Brit. Entomol. IV, 321. a) L i n n 6 , Syst. Nat. 11, 594, 59; 4 X, I, 373, 1758. *) K. I1 1 i g e r , Magaz. f. Insektenkunde VI, p. 78 u. 176; 1807. 4, L i n n 8 , Faun. Suec. 11, 166.

P a n z e r , Faun. German. XXI, 8. Vide: K u t s c h e r a , Wien. Ent. Monatsschr. VIII, 1864, p. 403 (373 Sep.). -

B e d e l , Fame Col. d. Bassin d. 1. Seine 8, p. 310 (Note 2). ') C u r t i s , Farm Insects. p. 440. ') K a 1 t e n b a c h , Pflanzenfeinde p. 148, 453.

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Psylliodes affittis Payk.. (lei- Kartoffelcrdfloh (11. Teil). 19

Nachstehend das ungefahre Bild des mir bekannt gewordenen Areals. ')

Schweden (P a y k 11 11, G y 11 e n h a 11, T h o m s o n). Norwegen ( S i e b k e ; Christiania: M u n s ter!). Finnland (J. S a h 1 b e r g). England ( F o w l e r , W. E. S h a r p ! ) . Niederlande ( L e e s b e r g , E v e r t 6).

Deutschland (nach S c h i 1 s k y s Zusammenstellung der deutschen Kafer im ganzen Gebiete).

Schweiz (H e r m a n n!). Frankreich ( F o u d r a s , B e d e l u. a.; z. B. Pas de Calais:

Pyrenaen (C o ye!). Osterreich (von zahlreichen Orten des ganzen Gebietes !), Ungarn (von zahlreichen Orten, z. B. Neusiedlersee!, Mehadia !,

Dalmatien (Cattaro : E p p e 1s h e i m!, Meleda: G o b a n z). Nord-Italien (Piemont und Genua: D o d e r o ! ) . Corsica (Ajaccio : V o d o z !). Sardinien (Oristano !, Aritzo: D o d e r o !). Sizilien (Palermo : L e o n h a r d t). Bulgarien (R a m b o u s e k !). Dobrudscha (M o n t a n d o n!). Russland (Samara : F a u s t !). Kaukasus (Helenendorf : S c h n e i d e r).

L. D u f our! , Montpellier: L a v a g n e ! ) .

Croatia: S p a e t h!).

Aus Spanien, Suditalien, Griechenland und seinen Inseln sah ich die Art nicht, obwohl reiches Material aus diesen Landern durch meine Hand ging. gibt den Kafer unter Anfuhrung des gerade fur diese Art charakteristischen Hinterschenkelbaues allerdings von Coimbra in Portugal an. Doch ist er im sudlichsten Europa jeden- falls nur sparlich und zerstreut vorhanden.

Auch aus Nordafrika und Asien sah ich das Tier nicht und fand auch keine -4ngabe daruber.

Nach alledem sagt das kuhlfeuchtere Waldklima Europas dem Insekt am besten zu und dieses scheint die derartigen Anforderungen entsprechenden Gebiete ziemlich luckenlos zu besetzen. ')

I l l i g e r

I) Die Namen der Autoren oder Sarnmler sind durch Sperrdruck gekennzeichnet;

2, Portugiesische Kafer: Haltica.

schadlings Psyll. uttenwatu (1. c. p. 119-120).

Stucke, die mir selbst vorlagen, sind mit dem Zeichen der Autopfie (!) versehen. Magaz. f. I n s e k t e h d e VI, 1807, p. 78.

Vgl. hiermit die Verbreitung des vorwiegend steppenliebenden Hopfen- und Hanf-

2*

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20 H e i k e r t i n g e r :

Okologie. a) S t a n d p f 1 a n z en .

Die Psyll . affinis ist o 1 i g o p h a g ' 1 a n S o 1 a n a c e e n , Nacht- schattengewachsen. Mir ist wenigstens nicht bekannt, dass sie je mit Sicherheit von einer Pflanze, die einer anderen Familie angehiirte, nach- gewiesen worden ware. Die giftigen Glykoside, die fur die (;lieder dieser Pflanzenfamilie charakteristisch sind, scheinen ein notwendiger Bestandteil ihrer Nahrung zu sein, und sie erkennt die Gewaichse dieser Familie mit dem botanischen Instinkt des oligophytophagen Tieres auch dann, wenn sie hinsichtlich der Tracht kaum mehr aneinander erinnern, wie dies beispielsweise bei Lycium halimifolium (barbarum auct.), dem Bocksdorn, und Hyoscyamus niger L., dem schwarzen Bilsenkraut, der Fall ist.')

In der ersten Halfte des vorigen Jahrhunderts waren die Nahr- pflanzen noch unbekannt. Aber schon der Altmeister der Halticinen- forschung, C. F o u d r a s 3 ) sagt von dieser Erdflohart, man finde sie wahrend des ganzen Jahres auf verschiedenen Pflanzen der Familie der Solanaceen, besonders auf Solanum dulcamara L4) Durch C u r t i s wird sie von Solanum dulcamara und Solanum tuberosum gemeldet ; K a 1 t e n b a c h nennt sie (unter dem Namen Haltica atricilla E . H.) von Solanum dulcamara und - seltener - von Solanum nigruna.') Der bekannte Biologe P e r r i s 6, erwahnt sie gleichfalls von Solanum __

l) Uber den Begriff ,,oligophag" siehe: D i e S t a n d p f 1 a n z e (Artikel 111 der Serie ,,Zur Praxis des Kaferfanges mit dem Katscher". Wien. Ent. Zeitg. XXXI, S. 207 bis 209; 1912). - Psylliodes attenuata (1. c. p. 120-121). - Zoologische Fragen im im Pflanzenschqtz (Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. etc. 40. Bd., S. 298; 1914).

*) Ein Analogon unter den europaischen Halticinen sind die bereits eingangs er- wahnten kleinen behaarten Epithriz-Arten. Etwas anders verhalten sich die Psylliodes- Arten hyoscyami L. und dulcamarae Roch, welche ihren namengebenden Nahrpflanzen, gleichfalls Solanaceen, so eng angepasst sind, dass sie normal nicht auf andere Gewachse der gleichen Familie ubergehen (oligophag, Spezialfall : monophag).

a) F o u d r a s , 1. c. p. 70. ') Leider bezog F o u d r a s diese nur fur die Psyll. affinis zutreffenden Be-

obachtungen - wahrscheinlich infolge einer Verwechslung - auch auf die zweite gelbe Psylliodes, die luteola Mal l . , und gibt auch dime von ,,Pflanzen der Familie der Solanaceen", speziell von den ,,Sbengeln und Blattern der Kartoffel" an. Letzterer Irrtum hat spater weite Verbreituhg gefunden.

') Haltica atn'cilla (Chrysomela atricilla L.) wurde, wie bereits erwahnt, von den Autoren verschieden gedeutet. So z. B. ist die von G y 11 e n h a 11 unter dem Namen H. atricilla - der dort ein ganz anderes Tier bezeichnet - publizierte und von K a 1 t e n - b a c h und B a r g a g 1 i auf unsere Psylliodes bezogene Standpflanzennotiz ,,in Lathyro heterophyllo" ohne weiteres zu loschen. - Die Verfasser der E n t o m o 1 o g i s c h e n H e f t e (11, 1803) verfielen in den entgegengeEetzten Fehler, a16 sie (p. 35) die richtige affinis brachten, die- zugehorige Standpflanze ,,Kartoffeln" aber zu atricilla (p. 86), die bei h e n nnter den Longitarsen steht, setzten.

') E. P e r r i 6 , Rbultats de quelques promenades entomologiques. Annal. SOC. Entom. de France, 1873, p. 88.

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Psylliodes affirris Pccyk.. (lor K;urtoffelertlfloli (11. Teil). d l

dulcaniura. J. S a i n t e - C 1 a i r e - D c r i 11 (> ') und M. R u p e r t s - b e r g e r ') f t i n d ~ n sie auf Atropa belladonna 1,.

Ich selbst habe im Verlaufe der letzten acht Jahre Gelegenheit zii Standpflanzenuntersuchungen uber die Art gehabt ; nachstehend eine t'bersicht uber dieselben :

L y c i u m h a 1 i m i f o 1 i u m Mill. (barbarum auct., vulgare Dun.). - Meines Wissens bis jetzt nie als Standpflanze genannt. - Kafer melirfach urn Wien, im Mai und Juni, auf Bocksdornhecken:') Das Tier befrass in Gefangenschaft die Blatter der Pflanze; der Frass be- stelit in kafergrossen oder kleineren Fensterchen (die Epidermis der Gegenseite bleibt intakt, bezw. wird nur selten durchbrochen). Die Fresslust eines am 19. Mai gefangenen Weibchens, das eine Anzahl von Eiern ablegte, war enorm: binnen 24 Stunden (des ersten Tages) 18 soldier Fensterchen. In einem anderen Falle (4. Juli) befrass das Ver- suchstier Blatter dieser Standpflanze jedoch nicht. - Im allgemeinen ist die Art selten auf Lyeium anzutreffen.

H y o s c y a m u s n i g e r L. - Meines Wissens bis jetzt noch nicht als Standpflanze publiziert. - Einmal, Anfang Juli, bei F i s c h a u im Steinfelde (Wiener Becken) in Menge auf Gruppen des Hyoseyamus, an Reingartenrandern ; in einiger Entfernung ein Kartoffelfeld, das den Kafer jedoch nur sehr sparlich beherbergte. Trotz der grossen Anzahl darauf vorhandener Tiere wiesen die hohen Pflanzen des Bilsen- krauts keinen Frass auf, und es wurden auch weder Bluten noch Hat ter oder Stengel derselben von den mehrere Tage in Gefangenschaft ge- haltenen Kafern beruhrt. - Ein zweitesmal, Mitte Mai, in S t i l l - f r i e d an der March (Marchfeld in Nieder-Osterreich), Unland an der Ortsstrasse ; die Kafer - neben vereinzelten Psylliodes hyoseyami L. und Epithriz pubeseens Koeh - in Menge auf den jungen Bilsenkraut- pflanzen. Die in zwei Versuchsglasern gehaltenen Tiere befrassen vorgelegte Blatter der Pflanze nicht merklich. - Ich weiss keine Er- klarung fur dieses standhaft ablehnende Verhalten gegenuber dem Hyoseyamus. Moglich ist, dass dessen Wurzel der Larve noch zusagt, wahrend die klebrig-haarigen oberirdischen Teile dem Kafer nicht mehr zusagen ; dieser musste sodann allerdings eine andere Solanacee als Imaginalfrasspflanze aufsuchen. Indessen geniigen die beiden Versuche noch keineswegs zur Fallung eines Urteils.

S o 1 a n u m t u b e r o s u m L. - Siehe unter ,,Schadlichkeit".

*) L. B e d e l , Faune Col. Bass. Seine V, p. 325, Note. *) Laut freundlicher brieflicher Mitteilung : ,,Gemein auf Atropo, Nieder-Rana

3, Auch Herr Dr. E d. H i 1 1 e , Wien, fing laut einer mir in liebenswiirdiger Weise (Niederoeterreich) ; trotz vielfacher Bemuhung keine Entwicklung."

uberlassenen Sammelliste die Art um Wien auf dieser Pflanze.

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II e i k e 1’ t i 11 g e r : 22

S o l a n u m d u l c a m a r a L. - Yielfach uni Wien untcr feuchterem Buschwerk auf Bittersuss gefangen (z. B. Rekawinkel, in einem Quellsumpf ; Rodaun, Bachufer ; Oberweiden, Buschwerk an Graben, usw. ; zuweilen in Gesellschaft von Psylliodes dul- eamarae Koeh; auch in den Salzburger Kalkalpen); Mai und Augnst. Mehrfache Frassproben, bei denen gefangene Kafer die Pflanze mekt sehr stark befrassen. Der Frass (Fig. 10) besteht bei den dunnen Blattern derselben seltener in Fenstern, sondern zumeist in durch- gehenden Lochern, die in den Versuchsglasern einzeln zumeist ungefiihr

Fig. 10. EYa5 von PsyU. afflnis an SoZanum dulcamara. Photographischer Selbstdrnck eines Herbarexemplars. Etwas verkleinert. (Der Fra5 ruhrt von einer Reinzncht der Kafer her.)

kafergross oder kleiner sind. Die Pflanzen im Freien zeigen indes manchmal auch vie1 grossere, glattrandige, rundliche Frasslocher, die wohl gleichfalls dieser Art zuzuschreiben sind, und die vielleicht gleich- seitig mit dem Wachstum der Blatter an Grosse zugenommen haben. Emiihnenswert erscheint mir ein ausnahmsweiser Fall von Frassver- weigerung: Golling in Salzburg, 13. August 1912. Die Pflanze mit obengeschilderten grosseren Frasslochern ubersat ; Tiere nicht gerade &dig, frisch entwickelt (Fliigeldecken noch durchscheinend) ; in Ge- fangenschaft wurden frische Blatter und Bluten vom 13.--16. August nicht im geringsten beruhrt. - Dennoch ist das Bittersuss sicherlich eine der bevorzugten Nahrpflanzen der Art.

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Psylfiodes affiitis Payk.. der Kartoffclcrdfloh (11. Teil). 23

Bezuglich anderer Nahrpflanzen als der angefuhrten ist inir keinerlei sichere Angabe bekannt geworden, obwohl anzunehmen ist, dass das Tier gegebenenfalls auch andere Solanaceen befallt.' )

Die Angabe dieser Art von R h a b a r b e r (einer Polygonacee) iind A r t i s c h o c k e (einer Komposite) durch T h e o b a 1 d z, ist wohl nur auf eine 1-erwechslung mit anderen Kafern zuriickzufuhren.

dass Psyll. affinis massenhaft und schiidigend im Juli und August in Yiederosterreich auf Quercus pedun- czilata aufgetreten sei, bezieht sich - insoweit uberhaupt eine Halti- cine hicrbei in Betracht konimt - zweifelfrei auf Psyll. luteola, die in den angegebenen Monaten hier auf Eichen und deren Unterholz (auch auf anderen Laubholzern) zahlreich zu finden ist. ')

Dass die Ps. affinis ubrigens gelegentlich einen Busch oder Baum besteigt, zu dem sie zuverlassig in keinem direkten Abhangigkeits- verhaltnis steht, findet nach eigenen Beobachtungen weiter unten Er- wahnung.

b) D i r e k t e S t a n d o r t s a b h a n g i y k e i t . Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Stand-

pflanze wohl die unerlassliche, doch nicht die alleinige Bedingung fur das Vorkommen einer Ar t ist. Bestimmte Bedingungen des Standortes treten als zweiter Faktor hinzu, je nach dem Existenzoptimum der gegebenen Art.

Die Psyll. affinis ist, wie bereits erwahnt, vorwiegend ein Tier des kuhlfeuchteren Klimas des mittleren und nordlichen Europa. Die im grossen in der geographischen Verbreitung zutage tretende Eigenheit der Art kehrt im kleinen wieder in der Wahl der Standorte: ein ge- wisser Feuchtigkeitsgrad, ein Fehlen des Bedurfnisses nach besonders warmer Lage zeichnet sie fast immer aus. Hierzulande (Nieder-Oster- reich) ist sie speziell in den baltischen Waldern des Wiener Waldes, in den Auen der Donau den Kartoffelackern in besonders grosser Zahl

Die Meldung B 1 ii m m 1

1) In meiner Sammlung befindet sich ein einer alten Sammlung entstammendea, mit keiner Fundortsbezeichnung versehenes Exemplar, das einen Zettel mit der Angabe ,,Hyoscyamus oriental"'' tragt. Mir ist ein Hyoscycsmus dieses Namens indewen nicht bekannt.

2) F. V. T h e o b a 1 d, Injurious Flea-Beetles. Reports of the South-Eastere Agricultural College Wye, 1903, p. 15.

3, Illust. Zeitschr. f. Entom. IV, 1899, p. 75-76. ') Die Schilderung des Schadens, die B 1 ii m m 1 gibt (,, , . . im Fuchsenholz . . .

dessen Laub ganzlich bis auf die Rippen kahl abgefressen war; bei jedem Tritt, den man machte, rauschte es von den Baumen herunter: das waren die kleinen Kgfer, die von den Baumen fielen. Die befallenen Bauqe schienen ganz kahl . . ."), deutet unbedingt auf R a u p e n f r a B 8. Der Kahlfrass an harten Eichenblattern wBre ffir eine Halticine dieser Grosse ein Ding der Unmoglichkeit; an den weichsbn Blgttern kommt nie Kahl- frass, sondern hochstens sehr stark ausgebreiteter Lochfrass vor.

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Ii t' i k CI' t i n g e r : 24

eigen. Und auch das Solanuni dulcaniura, das ausser der Kartoffel ihre bevorzugteste Staiidpflanze ist, zeigt sich als eiii Gewiichs typiscli feuchter, buschgedeckter Orte.

Dieses in Areal und Standorten angedeutete Optimum des Tieres t r i t t scharf hervor, wenn wir dies hinsichtlich des an anderer Stelle charakterisierten Hopfenerdflohes Psyll. attenuata vergleichen, der einen wesentlich anderen Geschmack, ein Bevorzngen trockener Orte zeigt.

Phaenologie. Massgebend fur die Erscheinungszeiten einer Art sind lediglich

die Daten ihrer Entwicklung. Der fertige Kafer ist, wie schon F o u d r a s erwahnt, ziemlich das ganze Jahr uber erhaltlich.

Das uberwinterte Tier erscheint im Fruhlinge, in der Regel etwa im Mai, unter Umstanden schon im April (z. B. 18. April 1907, Perchtolds- dorfer Heide bei Wien, im vorjahrigen Grase von mir gefangen). Um diese Zeit traf ich es ofters auch auf Gestrauch, z. B. Rhamnus, Populus nigra usw., an, mit denen es aber sicher in keiner nutritiven Beziehung steht. Zu dieser Zeit beginnt die Paarung und Eiablage. Im Juni ist der Kafer seltener anzutreffen, besonders gegen Ende des Monates, bis vom Juli ab wieder die Massen der neuen Generation erscheinen. Doch fing ich noch spa t im August mehrfach nicht vollstandig ausgereifte und noch nicht allzulang geschlupfte Stucke.l) Vom Juli ab findet sich der Kafer bis Ende September und daruber auf den Pflamen, ehe ihn die Witterung veranlassen durfte, Winterverstecke aufzusuchen.

Es liegt zurzeit kein Anlass vor, etwas anderes als e i n e e i n z i g e Jahresgeneration anzunehmen, die sich wohl in ungefahr den gleichen Phasen abspielt wie die bei Psyll. attenuata geschilderte.

Ethologie. Das Wesen und die Gewohnheiten der Ps. affinis sind im all-

gemeinen die gleichen, wie ich sie bereits bei Besprechung der Ps. atte- nuata erwahnte.

Auch sie ist agil im warmen Sonnenschein, triibe gest,immt bei schlechtem Wetter, an dem sie regungslos a n geschutzter Stelle auf oder nahe der Pflanze sitzt. Auch sie zeigt positiven Heliotropismus, zeigt das Bestreben, auszubrechen, und ist friedfertig gegen ihresgleichen. Nach einem missgluckten Sprunge oder von der Wandung des Sammel-

l) Ich mochte hier nicht unerwahnt lassen, dass ich auch im Friihlinge Stucke 'fillg, mir ihrem ausseren Bilde nach (durchscheinende, noch wenig pigmentierte Flugel- deckan nSW.) noch ziemlich frisch entwickelt schienen, die jedenfalls nicht danach aus- 68h- ak . h&tten sie bereits ein mehrmonatliches Spatsommerleben und einen ganzen Winter hinter sich.

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Psylliodes affittis Payk.. tlw Kartoffelrrtlfloli (11. Teil). 25

streifsackcs suf dessen Boden geschuttelt, bleibt sie oft Moniente lang unheweglich liegen, doch ohne sich langere Zeit totzustellen.

Im Fruhlinge traf ich sie, wie erwahnt, zuweilen auf Busch und Raum an. Ob sie zufallig, von ihrem Winterversteck auskriechend, auf diese geriit, oder ob solche erhohte Orte zu irgend einem bestiinmten Zwecke von ihr aufgesucht werden, ist iinbekannt. Jedenfalls ist dieses ,,-1ufbaumen" bei ihr geringer ausgepragt als bei manchen anderen Halticinen (z. H. Haltica oleracea L., Phyllotreta nigripes F . u. a.).

\ion ihren verkurz ten, ansclieinend in Ruckbildung begriffenen Hautflugeln vermag sie wohl keinen Gebrauch zu machen, jedenfalls sah ich sie niemals fliegen.

Schadlichkeit. Fur eine Kulturschadigung kommen nach dem Vorgesagten nur

Kultnrpflanzen der Nachtschattenfamilie in Betracht. Gebaute Sola- nateen sind : Nicotiana sp. sp., Tabak, Solanum tuberosum, Kartoffel, und Solanum Lycopersicum, Paradiesapfel, nebst etlichen anderen Arten von geringem Belang.

Hiervon ist nur die wichtigste, die Kartoffel, als befallen nach- gewiesen.

Die Kartoffel ist eine ,,Hackfrucht", der in Europa von tierischer Seite weniger Gefahr droht als von seiten pflanzlicher Parasiten ; die Verheerungen durch die Peronospora sind ja bekannt genug. Diesen gegenuber ist die Tatigkeit unserer Psylliodes harmlos zu nennen.

Schon C u r t i s ') berichtet aus England von einer Schadlichkeit des Kafers, der im Jahre 1846 in Menge a n Kartoffeln auft ra t und frass, bis das Blattwerk einging. Die Tiere erschienen um die Mitte Juni; den ganzen August hindurch fand er sie in Massen auf Solanum dulcamara, dessen Blatter sie durchlocherten. Er bezeichnet den Kafer mit dem Namen, unter dem ihn der britische Entornologe S t e p h e n s 2, fuhrt : Macrocnema exoleta.

Spater erwahnen ihn G o u r e a u u. a. als Schadling ; doch ist diese Erwahnung im allgemeinen wenig verbreitet. B a r g a g 1 i ') sagt u. a. von ihm: ,,. . . I1 sig. Baudi di Selve la riscontrb nelle Alpi Piemontesi dannosa a1 Solanum tuberosum massime in esposizionk non molto soleggiate ed in prossim6tB dei boschi . . . (was vollig mit meinen Be- obachtungen stimmt). . . . NB osservb le larve e gli insetti perfetti,

l) J. c u r t i 6, F a r m I n s e c t 8. Insects injurious to the Field Crops of

s, S t e p h e n s , Illust. of Brit. Entom. IV, p. 321. - Id., Manual of Brit.

Bullett.

Great-Britain and Ireland.

Coleopt. 201.

della Societh Entomologica Italiana X, 1 u. 2, p. 48; Firenze 1878.

Edinburgh, London 1860, p. 440, P1. 0, Fig. 33, 34.

P i e r o B a r g a g l i , L a F l o r a d e l l e A l t i c h e i n E u r o p a .

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26 H e i k e r t i n g e r :

per i cui danni le piante non sviluppavano tuberi o questi rimanevano piccolissimi." Noch am meisten scheint England von einer Schadigung betroffen. In letzter Zeit berichten uber ihn T h e o b a 1 d I) und C a r p e n t e r ,2) docli ohne ubcr sein Leben etwas Nennenswertes an- geben zu konnen. Aus Luxemburg fuhrt ihn F e r r a n t 73) aus Deutscb- land F r a n k 4, an. Letztcrer sagt : ,,Dieser Erdfloh koinmt an ver- tichiedenen Pflanzen vor; in der Rheinpfalz befrass er 1892 auf einigen Ackern das Kartoffellaub so stark, dass Blatt fur Blatt verdarb wid abfiel." Die Anschauung von dcr Verschiedenlieit der Nalirpflanzen

Fig. 11. Ya8ig starker FraD von Psyll. af/inis an der Kartoffelpflanze. Photographischer Selbstdrnck eines Herbarexemplars. Etwa *Ir nat. GroBe.

und der Mehrheit der Generationen in einem Jahre ist ein in der Literatur verbreiteter Irrtum.

Die iiberwinterten Kafer befallen die junge Kartoffelpflanze. Sei es nun, dass der kraftige Keimling der Kartoffel dem Frass der Kafer ohne Lebensgefahr standhalt, sei es, dass sich eine Schadigung desselben

F. V. T h e o b a l d , 1. c. p. 15. *) G. H. C a r p e n t e r , Injurious Insects and other Animals observed in Ireland Econ. Proceed. of Royal Dublin Society I, 1904, p. 254. 3 V. F e r r a n t , D i e s c h a d l i c h e n I n s e k t e n d e r l a n d - u n d F o r s t -

') Dr. A. B. F r a n k , D i e t i e r p a r a s i t a r e n K r a n k h e i t e n d e r

1903.

m i r t s c h a f t . Luxemburg 1911, p. 94.

P f 1 a n z en. Breslau 1896, p. 263.

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Psylliodes uffiiris Puyk., dc.r Kartuffelcrdfloh (11. Teil). 27

bib: jetzt der Aufmerksamkeit der Photopathologen entzog - was aller- dings bei der Ar t der Aussaat der Kartoffel minder wahrscheinlich ist - jedenfalls ist uber eine namhafte Schadigung der Keimpflanzen durch unsere Psylliodes nichts bekannt geworden. Erst der Frass am Blatt- werk findet Erwahnung.

Von diesem Frasse aber, der Locher im Ulattwerk betrifft, sah ich in den Vorsoinniermonaten relativ wenig. Erst mit den Kafermassen der neuen Jahresgeneration, etwa vom Juli ab, t r i t t der Frass auffalliger hervor. Die Blatter der befallenen Pflanzen zeigen sich mehr oder minder durchlochert (vgl. Fig. ll), doch selten durfte dieser Frass die Pflanze ernstlich schadigen, d. h. in ihrer Ertragsfahigkeit wesentlich beeintrachtigen. Gegen den Spatsommer traf ich allerdings geradezu Verheerungen des Blattwerks an. So war ein Kartoffelacker in der Donauau nachst Wien am 1. September von Tausenden dieses Tieres belebt, die Blatter vollig zerfressen und im Verdorren begriffen.

Alles in allem halte ich den durch die Imago der besprochenen Ar t angerichteten effektiven Ernteschaden fur wenig bedeutend.

Die Schadlichkeit is t in jedem Falle keine ,,technische", sondern nur eine ,,physiologische", indem nicht das Verkaufsprodukt direkt be- schadigt, sondern lediglich die ganze Pflanze durch Zerstorung eines Teiles der Assimilationsflache der Blatter als Organismus geschwacht und hierdurch der Zuwachs an Knollen vielleicht mittelbar nachteilig beeinflusst wird.

Moglich, dass die nicht zutage liegende Beschadigung durch die Larve die Pflanze starker schwacht als der Frass der Imago. - An- gaben dariiber liegen nicht vor und bei der Kleinheit des Tieres steht zu vermuten, dass die robuste Kartoffelpflanze eine ziemliche Zahl solcher Gaste auszuhalten vermag.

Ich mochte diese Darlegung der Schadlichkeit unserer Psylliodes nicht schliessen ohne die ausdriickliche Feststellung, dass die hier g s nannten Halticinen d i e e i n z i g e n sind, die zurzeit mit Sicherheit von Solanaceen festgestellt sind und daher die einzigen, die fiir eine Bedrohung der Kartoffel in Betracht kommen. Wenn wir in der L i b ratur eine ,,Haltica oleracea", eine ,,Haltica nemorum" u. dgl. als Kartoffelschadlinge aufgefiihrt finden, so haben wir es unbedingt mit glatten Irrtumern, mit Fehlbestimmungen oder Verwechsluigen l) zu

l) Solche Verwechslungen drangen sich beispielsweise auch dann ein, wenn alte, heute nicht mehr giiltige Namen auf mechanischem Wege (durch Nachschlagen in einem neuen, die Synonyme anfuhrenden Katalog) modernisiert werden. So finden wir bei K i r c h n e r , K o 1 b e u. a. eine , ,El~ltica ferrugfnea" als Kartoffelsch&dling genannt. Die H a l t f ~ a (richtig Crepidodera) ferruginea war indes nie ein solcher Sdhadling und die Anfiihrung ihres Namens riihrt lediglich daher, dass die alte ,$acrocnema ezoleta" dea S t e p h e n 13 nach einem der Synonyme fehlerhaft a d die Crepidodera fermgfnea anstatt richtig auf die Psyll. atfinis bezogen wurde.

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tun. Denn jede Ar t der heutigen Gattungen Haltica, Plzyllotreta usw. is t ganz beatinimten Pflanzen angeyasst und greift Solanaceen normal nicht an.

Pathologie und Abwehr. Uber Krankheiten und natiirliche Feinde der Art fehlt jede An-

gabe. Welche Tierarten fur ein Vertilgen der Imagines in Betracht kommen, wissen wir nicht ; sicher sind riiuberische Kaferlarven Foinde der Larve. Nach neueren ornithologisch-entomologischen Cnter- suchungen I ) werden die Imagines der Halticirien von kleineren insekten- fressenden Vogeln (vorwiegend Meisen und Sangern) eifrig gejagt.

Eine landwirtschaftliche Abwehr grosseren Stiles gegen unsere Ar t ist wohl nie erforderlich gewesen. Als solche ware wohl die von C a r p e n t e r angeratene Bordelaiser Briihe, das ohnehin gegen die Peronospora allgemein in Anwendung stehende Mittel, ferner die ublichen Erdflohfang- und -Abwehrmethoden ausreichend.

Denn mit der gefiirchteten Leptinotarsa, dem vielmals grosseren Tier, das samt seiner Larve sein ganzes Leben mit Blattfrass grossen Stiles verbringt, wird unser kleiner bescheidener Erdfloh niemals zu parallelisieren sein.

') As mustergiiltig auch in entornologkcher Hinsicht nenne ich die interessanten Untersuchungen einer ausserordentlich grossen Anzahl von Mageninhalten ungarischer Vogel, dieder Entomologe E. C s i k i unter dem Titel , , P o s i t i v e D a t e n u b e r d i e N a h r u n g u n s e r er V 6 g e 1" in der ornithologischen Zeitschrift ,,Aquila" (XI. bie XIX. Bd., 1904-1912) veroffentlicht hat.