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25 JAHRE KOOPERATIONSVERTRAG IHK AACHEN RWTH AACHEN

Publikation '25 Jahre Kooperationsvertrag IHK Aachen RWTH … · tionaler Technologiekonzerne wie Microsoft, Ericsson und Ford. ... fallbezogene Problem-stellungen in die Institute

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25 JAHREKOOPERATIONSVERTRAG IHK AACHENRWTH AACHEN

6819 IHK&RWTH Umschlag 23.11.2006 10:56 Uhr Seite 1

6819 IHK&RWTH Umschlag 23.11.2006 10:56 Uhr Seite 2

25 JAHRE KOOPERATIONSVERTRAG IHK AACHEN – RWTH AACHEN

Aachen ist heute der Inbegriff einer Region, die aus eigener Kraft erfolgreichen

Strukturwandel gestaltet und sich mit rasanter Dynamik zu einer Technologieregion

von europaweiter Strahlkraft entwickelt hat. Die Bilanz der letzten 25 Jahre ist beein-

druckend: über 1 000 technologieorientierte Unternehmensgründungen, Aufbau von

13 Technologie- und Servicezentren und Ansiedlung von Forschungseinheiten interna-

tionaler Technologiekonzerne wie Microsoft, Ericsson und Ford. Jüngstes prominentes

Beispiel ist der gemeinsame Aufbau eines Spitzenforschungsinstituts im Bereich

Energie der RWTH mit dem Unternehmen E.ON. Dies ist das bisher größte Public Private

Partnership-Projekt einer deutschen Hochschule mit einem Unternehmen. Viele haben

daran Anteil, dass die Region Aachen heute ein Synonym für wissenschaftliche

Exzellenz gepaart mit wirtschaftlicher und technologischer Stärke ist. Aber es gibt

zwei, die dazu besonders beitragen: die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule

Aachen und die Industrie- und Handelskammer Aachen. Beide haben 1981 eine bis

dahin einmalige Zusammenarbeit vertraglich beschlossen und seitdem konsequent mit

Leben erfüllt.

Ein wichtiges Ziel der Innovationspolitik der Landesregierung ist es, die Bedingungen

für solche wegweisenden Partnerschaften von Wissenschaft und Wirtschaft signifikant

zu verbessern - durch eine Innovationspolitik aus einem Guss, die alle Akteure einbe-

zieht und auch alle Schritte im Innovationsprozess, von der Idee bis zum marktreifen

Produkt. Wir setzen mit unserer Strategie bei den Hochschulen an, denen das geplante

Hochschulfreiheitsgesetz ganz neuen Gestaltungsspielraum eröffnen wird. Gerade so

transferstarke Hochschulen wie die RWTH Aachen werden davon profitieren, dass das

neue Hochschulrecht ihnen Chancen eröffnet, als unternehmerische Hochschule mit

Partnern in der Wirtschaft zu kooperieren.

Weitere Kernpunkte unserer Innovationsstrategie sind die Stärkung der Spitzen-

forschung, gezielte Förderung des Technologietransfers, strategische Clusterbildung

und national wie international schlagkräftiges Marketing für den Innovationsstandort.

Ich begrüße Ihr regionales Engagement zu einer „TransferAllianzAachen“ unter dem

Dach der „Innovations-Allianz der NRW-Hochschulen“. Sie helfen auf diese Weise mit,

dass der Transfer landesweit deutlich verstärkt und professionalisiert werden kann. Es

ist gut für alle, dass so erfahrene und erfolgreiche Partner wie die RWTH und die IHK

Aachen ihr Wissen und ihre Erfahrungen in NRW einbringen. Sie sind der „lebende“

Beweis dafür, dass bei klug definierter Rollenverteilung Wissenschaft und Wirtschaft

gleichermaßen gewinnen. Sie können auch andere motivieren und mitziehen.

Die Partner nutzen das Jubiläum, um nach vorne zu schauen. So arbeiten sie Hand in

Hand an dem großen Zukunftsprojekt „RWTH Aachen Campus“, das die Hochschule

noch stärker mit unternehmerischer Forschung verzahnen soll – zum Nutzen regionaler

GRUßWORT

Unternehmen, aber auch, um über die Region hinaus Unternehmen dafür zu gewinnen,

Forschungsniederlassungen auf dem Campus anzusiedeln. Zudem wollen RWTH

Aachen und IHK Aachen ihren Kooperationsvertrag erweitern und künftig Partner aus

der Provinz Limburg in den benachbarten Niederlanden einbeziehen. Ein ambitionier-

tes Vorhaben, für das ich Ihnen gutes Gelingen wünsche.

Der Industrie- und Handelskammer Aachen und der Rheinisch-Westfälischen

Technischen Hochschule Aachen gratuliere ich herzlich zu ihrer bisher schon so ertrag-

reichen Partnerschaft. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart,

Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie

des Landes Nordrhein-Westfalen

1. WEGBEREITER DER TECHNOLOGIEREGION AACHEN

Anfang der 80er Jahre beginnt im Wirtschaftsraum Aachen ein gewaltigerUmbruch

2. TRANSFERANFÄNGE

Kooperationsvertrag schiebt Strukturwandel an

3. TRANSFER DURCH SPIN-OFFS UND ANSIEDLUNGEN

Dialego AG - Von der Diplomarbeit zur Aktiengesellschaft

inno-shape GmbH - Laufen gelernt mit großen Partnern

Europäisches Microsoft Innovations Center GmbH - FliegendeTeddybären und intelligente Golfbälle wecken Technikneugier

4. TRANSFER ALS WACHSTUMSINSTRUMENT

Deutsche Mechatronics GmbH - Das Ohr an der Forschung

AIXTRON AG - Der Weg zum Weltbürger

5. METAMORPHOSEN DES TRANSFERS

Kooperation als Erfolgsmodell

6. ZUKUNFT

Die Vision vom größten europäischen Wissenszentrum

Blick nach Westen richten

INHALTSVERZEICHNIS

6

12

20

28

34

38

1. WEGBEREITER DERTECHNOLOGIEREGION

AACHEN

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ANFANG DER 80ER JAHRE BEGINNT IM WIRTSCHAFTSRAUMAACHEN EIN GEWALTIGER UMBRUCH

Im Februar 1979 treffen sich in der Presse- und Informationsstelle der Rheinisch-West-

fälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen zwei Männer zu einem Gespräch. Es

sind die Diplom-Ingenieure Walter Schlebusch von der RWTH Aachen und Volker

Hepple, seit 1977 Innovationsberater bei der Industrie- und Handelskammer Aachen (IHK).

Thema des Treffens ist der Technologietransfer zwischen der RWTH Aachen und der

Wirtschaft in der Aachener Region. Dabei erklärt Walter Schlebusch, „die RWTH

Aachen muss sich auch auf dem Gebiete des Technologietransfers besser verkaufen“. So

steht es in einem Aktenvermerk der Kammer vom 9. Februar 1979. Weiter heißt es

darin, es seien Überlegungen im Gange, eine Art

Technologiebörse einzurichten. Der nordrhein-

westfälische Wissenschaftsminister Reimut

Jochimsen habe „nicht ausgeschlossen, dass

eine bezuschusste Modellmaßnahme an der

RWTH Aachen eingerichtet werden könne“. Dem Berater-Gremium sollten neben

Rektor, Kanzler und Institutsleiter als Vertreter der Hochschule auch Persönlichkeiten

außerhalb der RWTH Aachen angehören. Beispielsweise der Präsident oder Haupt-

geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer sowie führende Vertreter der

Industrie.

Nach dem Gespräch bringt Volker Hepple seine Vorstellungen eines Technologie-

transfers zu Papier. Darin beschreibt er ein bekanntes Problem: Ergebnisse staatlich

geförderter Großforschung kommen erfahrungsgemäß nur den Industriezweigen zugute,

mit denen einzelne Hochschulinstitute stark anwendungsbezogen zusammenarbeiten.

„Bei großen Projekten fallen aber auch Erkenntnisse an, die zwar für die Industrie rele-

vant, meist aber nicht am Bedarf von kleinen und mittleren Unternehmen orientiert

sind“, liest man dort. Er fordert deshalb - und das ist ganz im Sinne der Strukturpolitik

der IHK - die Einrichtung einer Technologie-Transfer-Agentur an der RWTH Aachen, die

Ansprechpartner für Außenstehende ist und damit aktuelle, fallbezogene Problem-

stellungen in die Institute hineinbringt. Die Hochschule soll also ihr technologisches

Know-how an die Wirtschaft weitergeben und andererseits durch einen intensiveren

Dialog die Probleme der Betriebe kennenlernen.

Diese Forderungen hat ein Vordenker des regionalen Technologietransfers schon früher

gestellt: Prof. Dr. Otto Eschweiler1 war in seiner Doktorarbeit bereits 1957 zu der

Erkenntnis gekommen, dass der Bergbau in der Aachener Region keine Überlebens-

chance haben werde und damit die Wirtschaftsregion insgesamt bedroht sei. Über

Jahrzehnte galten Textilindustrie und Bergbau als krisensicher. Und dem Bergbau hatte

die Region nicht nur Arbeitsplätze, Wirtschafts- und Steuerkraft zu verdanken.

Schließlich war der Bergbau auch ausschlaggebend für die Gründung der Technischen

DIE RWTH AACHEN MUSS SICH AUCH AUF DEMGEBIETE DES TECHNOLOGIETRANSFERS BESSERVERKAUFEN

Walter Schlebusch

1 Im Folgenden werden bei der ersten Nennung der Personen die akademischen Titel berücksich-

tigt und im Anschluss werden sie zugunsten der Lesbarkeit nur mit Vor- und Zuname benannt.

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Hochschule Aachen, die im 19. Jahrhundert mit Finanzmitteln der Industrie errichtet

wurde. Ziel war die Ausbildung von Ingenieuren für den Bergbau. Kaum jemand machte

sich bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts Gedanken über die möglichen Folgen

dieser Monostruktur, die dann deutlich zu bröckeln begann. Aber Otto Eschweiler, seit

1971 Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, forderte folgerichtig die

Schaffung neuer wirtschaftlicher Standbeine, um langfristig einen Strukturwandel ein-

zuläuten und neue Arbeitsplätze zu schaffen

oder bestehende Betriebe zu sichern. „Danach

ging ein Aufschrei durch die Bergbauindustrie“,

erinnert er sich. Die mächtigen Vorstände

fürchteten offenbar um ihren politischen Einfluss, der ihnen als Hauptsteuerzahler von

den Kommunen auch gerne gewährt wurde. Die Forderung, den Strukturwandel einzu-

leiten, hatte die Unternehmensvertreter an einer empfindlichen Stelle getroffen. Sie

verlangten vom damaligen IHK-Präsidenten Hermann Heusch sogar Otto Eschweilers

Rücktritt.

Schließlich hatte Hermann Heusch schon früher - beim traditionellen Jahresempfang

der Kammer 1968 - für damalige Verhältnisse „Revolutionäres“ gefordert, nämlich den

regionalen Technologietransfer. In dem Buch „Wirtschaftsgeschichte der Region

Aachen“ erinnern Otto Eschweiler und sein Mitautor Hans-Dieter Indetzki an den

denkwürdigen, zunächst aber folgenlos verhallenden Appell des Kammerpräsidenten.

Dieser hatte sich an die Repräsentanten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und

Verwaltung mit dem Aufruf gewandt, den „ideellen Standortvorteil, den das

Vorhandensein der Technischen Hochschule in Aachen und der Kernforschungsanlage

in Jülich bietet, dadurch zu nutzen, dass mehr noch als bisher versucht wird, technisch-

wirtschaftliche Forschungserkenntnisse in marktgängige Produkte oder höherwertige

Erzeugnisse umzusetzen. Das hat allerdings zur Voraussetzung, dass die Wissenschaft

ihrerseits bereit ist, praxisnah zu forschen und die erzielten Forschungsergebnisse zu

präsentieren, und zwar so, dass sie für die Wirtschaft verwertbar sind.“ 1972 wieder-

holte er seinen Appell noch eindringlicher. Die Kammer selbst hatte, als eine der ersten

in Deutschland, mit Volker Hepple einen Diplom-Wirtschaftsingenieur eingestellt, der

durch seine Bemühungen um den Technologietransfer bereits 1977 eine Innovations-

beratungsstelle für die Kammer unterhielt und schließlich ab 1984, als einer der

Geschäftsführer der IHK Aachen, die mit drei Ingenieuren besetzte Abteilung

„Industrie- und Innovation“ leitete. Heute stellt die IHK Aachen bundesweit ein

Musterbeispiel für die Unterstützung des regionalen Technologietransfers dar: im

Geschäftsfeld „Industrie, Technologie und Umweltschutz“ arbeiten zwischenzeitlich

unter anderem fünf Ingenieure.

In der Wirtschaftsgeschichte heißt es weiter: „Vor Anfang der siebziger Jahre hat groß-

räumig organisierter regionaler Technologietransfer so gut wie nicht stattgefunden.“

Zwar hätten einzelne Unternehmen mit Instituten der Hochschule kooperiert, aber es

DANACH GING EIN AUFSCHREI DURCH DIEBERGBAUINDUSTRIE

Otto Eschweiler

blieben Ausnahmen. Hätte niemand etwas unternommen, die Region hätte den dra-

matischen Strukturwandel von einer Textil- und Bergbauregion zu einem europaweit,

vielleicht sogar weltweit einmaligen Technologiestandort nicht bewältigt.

Aber was konnte die Lösung sein? Hilfe von außen war kaum zu erwarten. Man hatte

den Eindruck, dass die Aachener Region von der Landesregierung lange wie ein

Stiefkind behandelt wurde. Der damalige Ministerpräsident Johannes Rau hatte vor-

rangig das Ruhrgebiet im Blick. So wurden 1979 an Hochschulen im Ruhrgebiet so-

genannte „Innovationsförderungs- und Technologietransfer-Zentren“ (ITZ) eingerichtet.

In Aachen hatte das Land ein solches nicht vorgesehen. Die IHK Aachen schrieb einen

eindringlichen Brief an den damaligen Wissenschaftsminister Reimut Jochimsen, in

dem sie ihr Bedauern über die Entscheidung ausdrückte: „Nicht zuletzt die seit vielen

Jahren stets überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote in den Arbeitsamtsbezirken

der Region Aachen erfordert daher geradezu, das neuartige Instrumentarium eines ITZ

für Transfer und Technologie und Know-how von den Forschungsinstituten in die

Betriebe der Wirtschaft zu nutzen. Dabei kann der Raum Aachen mit der RWTH

Aachen, der Kernforschungsanlage Jülich und der Fachhochschule (FH) Aachen auf

einer hervorragenden technologischen Ausgangslage aufbauen, die geradezu einen

organisierten Technologietransfer und damit neuen Beratungsservice herausfordert.“

In dem eingangs erwähnten Treffen der Herren Volker Hepple und Walter Schlebusch

zeichnete sich bereits ab, dass Reimut Jochimsen einlenken wollte. Am 27. November

1979 titelte die Aachener Volkszeitung: „Minister-Zusage für TH, Verbesserung des

Technologie-Transfers in Aachen“. Und am 2. Dezember 1980 eröffnete die Technische

Hochschule Aachen ihr „Büro Technologietransfer“, heute das Dezernat für

Technologietransfer und Forschungsförderung.

Hiermit bot sich eine Möglichkeit, innovative

Ideen aus der RWTH Aachen in die Industrie zu

bringen und umgekehrt die Probleme aus der

regionalen Wirtschaft an die Forscher heranzutragen. Die Aufgaben waren so skizziert:

Beratung von Unternehmen bei der Aufnahme von Kontakten zu Einrichtungen der

RWTH Aachen, die Organisation von Informationsveranstaltungen über den Stand der

Forschung an der RWTH Aachen, Verbreiten von Informationsmaterial über

Forschungsvorhaben der RWTH Aachen, die sich für eine Kooperation mit der

Wirtschaft eignen könnten. Schließlich auch die Vermittlung von Dienstleistungen der

RWTH-Institute für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Die Arbeit des Büros

Technologietransfer war bereits in den Anfängen so erfolgreich, dass es die

Landesregierung zum Modell für gleichartige Einrichtungen an anderen Hochschulen

machte.

Prof. Dr. Walter Eversheim, langjähriger Institutsleiter des Werkzeugmaschinenlabors

(WZL) der RWTH Aachen und Senatsbeauftragter für Technologietransfer, gehörte dem

MINISTER-ZUSAGE FÜR TH, VERBESSERUNGDES TECHNOLOGIE-TRANSFERS IN AACHEN

Aachener Volkszeitung

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Anfang der 80er Jahre neu gegründeten Technologiebeirat der Hochschule an. Das

Rektorat benannte aus jeder Fakultät je einen Vertreter. Der Beirat sollte aktuelle

Forschungsergebnisse aus den Fakultäten

sammeln, um sie kleinen und mittelstän-

dischen Unternehmen anzubieten. „Das war

aktiver Technologietransfer, wie es ihn vorher

nicht gab. Es galt eher die Devise: Kommen lassen“, erinnert sich Walter Eversheim. Der

Beirat sollte auch dazu beitragen, das Bild vom „Elfenbeinturm“, in dem die

Wissenschaft aus Sicht der Unternehmen saß, zu ändern. „Professoren galten als un-

nahbar, die Hochschule als unübersichtliche Einrichtung“, fasst Walter Eversheim die

damals geltende Meinung zusammen. Ein aus seiner Sicht falsches Bild.

Es war dem IHK-Präsidenten Hermann Heusch und seinem Hauptgeschäftsführer Otto

Eschweiler ein Anliegen, die Hochschule in die Aachener Region hinein zu öffnen, nach

dem Motto: „Nur in einer gesunden Umwelt kann auch eine Hochschule gesund ge-

deihen.“ Schließlich bot Prof. Dr. Georg Menges, Leiter des renommierten und weltweit

anerkannten Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV), Otto Eschweiler an, er könne

mit Unternehmern aus der Region das Institut besuchen. Das IKV war 1950 im Rahmen

des 1. Kolloquiums „Kunststoffverarbeitung“ unter dem Motto: „Forschung für die

Praxis“ gegründet und 1951 als Institut an der RWTH Aachen anerkannt worden. Die

Verbindung des IKV zur Wirtschaft war also bereits begründet. 100 Unternehmer aus

der gesamten Region nutzten die Gelegenheit, sich über die Arbeit der Wissenschaftler

zu informieren. Georg Menges zeigte sich offen für alle Fragen. „Er sprach die Sprache

der Unternehmer. Er konnte zum Beispiel sagen,

wenn Sie eine meiner Maschinen nutzen, dann

kostet das so viel“, erinnert sich Otto

Eschweiler heute. Die Begegnung mit Georg

Menges erwies sich als sprichwörtliches Schlüsselerlebnis, denn daraufhin öffneten

sich plötzlich die Türen zu vielen anderen RWTH-Instituten.

Nun galt es aber auch, die Vorbehalte bei den Unternehmen auszuräumen. Als

Innovationsberater bei der Industrie- und Handelskammer musste Volker Hepple als

Diplom-Ingenieur hier immer wieder Überzeugungsarbeit leisten. Häufig argumentierten

die Firmen, „mit ihren kleinen Problemen könnten sie die Professoren doch nicht be-

lästigen“. Volker Hepple hielt dagegen, bei der Hochschule werde niemand abgewiesen.

Aber wenn dort die Probleme der Betriebe nicht bekannt seien, könnten sie auch nicht

gelöst werden. Die Firmen flüchteten sich in Ausreden: Sie hätten keine Zeit, keine

Kapazitäten und keine Leute für neue Produkte. Durch die ersten erfolgreichen

Veranstaltungen zwischen den Unternehmen des Bezirks und der RWTH Aachen konnten

diese Bedenken zumindest bei den Unternehmen, die daran teilgenommen hatten,

durch adäquate Lösungen für ihre Probleme ausgeräumt werden.

DAS WAR AKTIVER TECHNOLOGIETRANSFER,WIE ES IHN VORHER NICHT GAB

Walter Eversheim

NUR IN EINER GESUNDEN UMWELT KANNAUCH EINE HOCHSCHULE GESUND GEDEIHENHermann Heusch

Hochschule und Wirtschaft in der Aachener Region waren sich ohne Zweifel näher

gekommen. Die Zusammenarbeit sollte nun auch in einem Kooperationsvertrag schrift-

lich geregelt werden. Insbesondere Kanzler Prof. Burkhart Müller hatte als Vertreter der

RWTH Aachen bereits gute Vorarbeit geleistet. Folgerichtig war der nächste Schritt:

Vertreter der Kammer und der RWTH Aachen formulierten 1981 in sieben Paragraphen,

was die Kooperation beinhalten sollte. In seinem Buch „Aus Trümmern zur

Europastadt“ erinnert sich der Nachfolger von Hermann Heusch, Dr. Heinz Malangré:

„Der Vertrag sah die Heranführung der gewaltigen Ressourcen der Hochschule an die

regionale, überwiegend mittelständische Wirtschaft vor. Der Austausch von

Informationen sollte in von der IHK moderierten Arbeitskreisen erfolgen. Junge

Wissenschaftler und Erfinder sollten bei der Umsetzung ihrer wissenschaftlichen Ideen

in unternehmerisches Handeln aktiv begleitet werden.“ Am 11. November 1981 unter-

zeichneten IHK-Präsident Heinz Malangré, Hauptgeschäftsführer Otto Eschweiler und

RWTH-Rektor Prof. Dr. Günter Urban den „Vertrag zur Zusammenarbeit zwischen der

RWTH Aachen und der IHK zu Aachen“.

Heute steht fest: Der Kooperationsvertrag schuf die Grundlage für eine langfristige und

zukunftsweisende Zusammenarbeit, deren Bedeutung in den folgenden Jahren noch

wuchs. Otto Eschweiler ist heute überzeugt, „dass sich zur richtigen Zeit die richtigen

Leute fanden“.

Unterzeichung des Kooperations-

vertrages 11. November 1981

Otto Eschweiler, Heinz Malangré,

Günter Urban, Burkhart Müller

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2. TRANSFERANFÄNGE

KOOPERATIONSVERTRAG SCHIEBT STRUKTURWANDEL AN

Der Kooperationsvertrag war ein Novum. Auf der einen Seite stand die Technische

Hochschule mit ihren weltweiten Kontakten und ihrem Renommee in der Ingenieur-

ausbildung. Auf der anderen Seite die Industrie- und Handelskammer als Vertreterin

der regionalen Wirtschaft, vor allem des Mittelstandes. Im ganzen Land gab es nun

plötzlich ein reges Interesse an dem Aachener Projekt. Universitäten forderten Infor-

mationen an. Das Institut der Deutschen Wirtschaft wollte unterrichtet werden. Und

der damalige Bundesforschungsminister Andreas von Bülow bat darum, über die wei-

tere Entwicklung informiert zu werden.

Aber Paragrafen alleine bewirken noch nichts. Der Vertrag musste nun mit Leben

gefüllt werden. Ein erster Baustein des Projektes war die Gründung eines „Arbeits-

kreises Technologietransfer“, dem Vertreter von Hochschule und Wirtschaft an-

gehörten. Er tagte fortan gemeinsam mit dem Beirat des Büros Technologietransfer der

RWTH Aachen. Die erste Sitzung fand am 8. Juli 1982 im Gästehaus der RWTH Aachen

statt. Den Vorsitz übernahm Walter Eversheim, Leiter des WZL. Er blieb in dieser

Funktion bis zur 36. und letzten Sitzung des Arbeitskreises am 5. Juli 2002.

In der ersten Sitzung stellte zunächst das Büro Technologietransfer seine Arbeit vor. Es

wurde vereinbart, das Weiterbildungsangebot

der Hochschuleinrichtungen zu erfassen und

den Unternehmen als Übersicht zur Verfügung

zu stellen. IHK-Hauptgeschäftsführer Otto

Eschweiler und der Beauftragte für Tech-

nologiekooperation bei der IHK, Volker Hepple,

legten in der Sitzung ein Konzept für ein

„Verfügungszentrum für innovative Existenz-

gründungen“ vor. Die Idee lautete, Absolventen

eines technisch-wissenschaftlichen Studiums

und Forschern von RWTH Aachen oder der KFA

Jülich die Möglichkeit einzuräumen, „eigene,

neue technologisch-wissenschaftliche Erkenntnisse selbst zur Produktions- und Mark-

treife zu entwickeln und sich so über eine Betriebsgründung eine Existenz aufzubauen.“

Diese könne Grundlage sein für neue wachstumsorientierte Industriebetriebe, „die

traditionelle Branchen ergänzen oder sogar ersetzen“, lautete das Konzept.

Diese Existenzgründer sollten wegen des erhöhten technisch-wirtschaftlichen Risikos

besondere Beratungs-, Organisations- und Finanzierungshilfen erhalten. Sinnvoll sei es,

Existenzgründungen in der Nähe von Forschungseinrichtungen anzusiedeln, schlugen

die IHK-Vertreter vor. Als Standorte für ein Verfügungszentrum wurden das bereits

erschlossene Erweiterungsgelände der Hochschule im Aachener Stadtteil Seffent oder

VERFÜGUNGSZENTRUM FÜR INNOVATIVEEXISTENZGRÜNDUNGEN:

EIGENE NEUE TECHNOLOGISCH-WISSEN-SCHAFTLICHE ERKENNTNISSE SELBST ZURPRODUKTIONS- UND MARKTREIFE ZU ENT-WICKELN UND SICH SO ÜBER EINE BETRIEBS-GRÜNDUNG EINE EXISTENZ AUFZUBAUEN,DIE TRADITIONELLE BRANCHEN ERGÄNZENODER SOGAR ERSETZEN

Volker Hepple

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das alte Klinikum an der Goethestraße vorgeschlagen. Träger des Verfügungszentrums

sollte eine Gesellschaft sein, bestehend aus Banken, IHK und Handwerkskammer, RWTH

Aachen, Stadt Aachen, Unternehmen und Forschungsinstituten.

Die IHK legte sogar einen ersten groben Plan des Verfügungszentrums vor, der neben

einem Lager, einem Gemeinschafts- sowie einem Empfangsraum sieben Räume für

Firmen vorsah. „Das war zwar gut gedacht, aber viel zu klein“, sagt Volker Hepple heute

im Rückblick. Gemeinsam mit dem damaligen Leiter des Büros Technologietransfer an

der Hochschule, Reinhart Roericht, wurde Volker Hepple Gründungsgeschäftsführer der

am 16. September 1983 gegründeten Aachener Gesellschaft für Innovation und

Technologietransfer (AGIT). Die rechtliche Ausgestaltung der Vertragswerke für eine

solche Gesellschaft, die bis dato noch keine Vorbilder in Deutschland hatte, wurde von

Jürgen Drewes, heutiger Hauptgeschäftsführer der IHK, erarbeitet. Weitere Beteiligte

waren die Stadt Aachen, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Aachen

sowie der erst im Juni 1983 gegründete Verein „Rheinische Gesellschaft zur Förderung

innovativer Existenzgründungen sowie des Technologietransfers RHEGIT“. Besonders

wertvoll für die Anerkennung des Vorhabens war übrigens, dass in der RHEGIT nicht nur

öffentliche Einrichtungen, sondern auch Unternehmen wie die Aachener und

Münchener Versicherung AG, die Bauunternehmung Derichs u. Konertz GmbH u. Co. KG

und die Aachener Bank e.G. vertreten waren. Diese Partner gründeten die heutige

regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaft AGIT.

Hauptaufgabe der AGIT sollte der Betrieb

eines „Verfügungszentrums für innova-

tive Existenzgründer“ sein. Daraus wurde

das „Technologiezentrum Aachen TZA“,

das schließlich in einer modernisierten

ehemaligen Lederfabrik an der Jülicher

Straße eingerichtet wurde. Zur Eröff-

nung am 1. Juni 1984 kam unter ande-

rem NRW-Minister Reimut Jochimsen,

der den Strukturwandel in Aachen nun

mit nachhaltigem politischen und per-

sönlichem Engagement begleitete.

Die Region Aachen hatte erneut ein

Vorzeigeprojekt, das nach dem Kooperationsvertrag zwischen IHK und RWTH Aachen

wieder die Aufmerksamkeit ganz Deutschlands auf sich zog: Das erste

Technologiezentrum in Westdeutschland, in dem sich zu Beginn sieben Firmen ansie-

delten. Sie bestehen übrigens heute noch alle und arbeiten in ihren eigenen

Immobilien, wie zum Beispiel die AIXTRON AG und die Parsytec AG.

Technologie Zentrum Aachen

1. Juni 1984

„Im ersten Jahr nach der Eröffnung kamen rund 1 000 Bürgermeister und verantwort-

liche Wirtschaftsförderer aus ganz Deutschland nach Aachen, die von uns wissen wollten,

wie wir das gemacht haben“, erinnert sich Otto

Eschweiler. Die „Macher“ von einst geben

heute zu, dass in den Anfängen recht unkon-

ventionell, aber auch mit mutigem Vorgehen

gearbeitet wurde. Der damalige Vorstand der

Sparkasse Aachen, in persona Paul Rosen, legte

mit Eröffnung des Zentrums ein „Innovations-

kreditprogramm“ auf. Es enthielt aufgrund

eines weitgehenden Verzichts auf Sicherheiten und Rückzahlungsverpflichtungen beim

Scheitern des Unternehmens einen eigenkapitalähnlichen Charakter. Das wurde aller-

dings von Minister Reimut Jochimsen kritisiert,

weil eine solche Kreditpolitik nur schwer mit

dem Sparkassengesetz vereinbar sei. Paul

Rosen erklärte daraufhin dem Minister, dies sei

die beste Möglichkeit, die wirtschaftliche

Entwicklung in der Region voranzutreiben. Der Minister ließ sich überzeugen und ver-

sprach Stillhalten in dem Fall, dass Paul Rosen Erfolg hätte. Andernfalls müsse er die

volle Verantwortung übernehmen.

Heute existieren in der gesamten Region Aachen 13 Technologie- und Gründerzentren

mit 520 Unternehmen. Rund 5 500 Menschen sind dort beschäftigt. Und noch eine

Erfolgsbilanz: Seit den 80er Jahren sind in der Region Aachen 1 024 technologieorien-

tierte Unternehmen gegründet worden, die heute noch existieren. Sie beschäftigen

28 500 Mitarbeiter und haben damit rein zahlenmäßig die Arbeitsplatzverluste im

Bergbau mehr als aufgewogen.

Kontakte waren in der Zusammenarbeit aller Gremien von besonderer Bedeutung.

Diese Philosophie unterstützte auch der Aachener Honorarkonsul Hugo Cadenbach, als

er gebeten wurde, als Mentor die Begegnung von Wissenschaftlern der RWTH Aachen

mit Unternehmerpersönlichkeiten aus der Region zu fördern. Am 8. Januar 1988 lud

Konsul Hugo Cadenbach in sein Privathaus Gut Höfchen ein, was schließlich den

Namen „Cadenbach-Forum“ begründete. Bis in das Jahr 2003 fanden diese Treffen

statt, die in privater Atmosphäre, später auch in renommierten Unternehmen der

Region, das gesellschaftliche Miteinander und eine emotionale Bindung der

Wissenschaftler an die Region fördern sollten.

Zu diesem kleinen Baustein kamen immer weitere hinzu, die das große Projekt

Strukturwandel allmählich formten. Dazu gehörte auch die Erstellung eines

Forschungshandbuchs. In Kooperation mit Volker Hepple arbeitete 1982 hieran der

damalige Leiter des Dezernats Technologietransfer und Forschungsförderung der RWTH

IM ERSTEN JAHR NACH DER ERÖFFNUNGKAMEN RUND 1 000 BÜRGERMEISTER UNDVERANTWORTLICHE WIRTSCHAFTS-FÖRDERER AUS GANZ DEUTSCHLAND NACHAACHEN, DIE VON UNS WISSEN WOLLTEN,WIE WIR DAS GEMACHT HABEN

Otto Eschweiler

DIES IST DIE BESTE MÖGLICHKEIT, DIEWIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG IN DERREGION VORANZUTREIBEN

Paul Rosen

16 17

Aachen, Reinhart Roericht. Mit dem Handbuch sollten Unternehmen über Arbeits-

gebiete und Forschungsschwerpunkte der Institute informiert werden. So war ein

direkter Zugang zu den Einrichtungen von Forschung, Entwicklung und Beratung der

RWTH Aachen möglich.2 Mehr als 80 Prozent aller Lehrstühle und Institute wurden im

Forschungshandbuch aufgeführt.

Das Buch war laut Jürgen Terbrüggen, später Leiter des Dezernates, Basis für die elek-

tronische Kooperationsdatenbank DACOR (DAtabase for COoperation in Research), die

heute noch wertvolle Informationen liefert. Auch in diesem Projekt zeigte sich die

immer stärker werdende Achse zwischen der IHK und der RWTH Aachen. Denn für eine

möglichst schnelle Umsetzung der Idee sorgte auf der Arbeitsebene eine von der IHK

finanzierte wissenschaftliche Hilfskraft im Team von Jürgen Terbrüggen. Unter der

Internetadresse www.dacor.rwth-aachen.de können die laufend aktualisierten

Angaben abgefragt werden.

Ein anderer Baustein, für den ebenfalls das Dezernat von Jürgen Terbrüggen verant-

wortlich zeichnete, waren die Transferaußenstellen von RWTH Aachen und FH Aachen.

Sie wurden mit Hilfe von Landesmitteln eingerichtet und sollten den Strukturwandel

in der Region durch direkte Beratung vor Ort vorantreiben. Vor allem sollten

Absolventen der Hochschulen betreut werden. „Unser Ziel war insbesondere die

Schaffung neuer Arbeitsplätze, damit die Region nicht ausdünnt und die Kinder der

arbeitslosen Bergleute in der Region eine Beschäftigung finden“, beschreibt Jürgen

Terbrüggen das damalige Ziel. Das Programm lief zunächst von 1990 bis 1993 und

wurde bis zur Aufgabe der Transferstellen 1999 mehrmals verlängert. Bereits in den

80er Jahren hatte die IHK mehrere Innovationsberater eingestellt. Sie begleiteten die

Aufgaben der Außenstellen und sind bis heute Ansprechpartner für Innovationsfragen

in der Region.

Bei Firmengründungen aus dem Hochschulbereich halfen nicht nur RWTH Aachen und

IHK mit ihrem technischen und kaufmännischen Know-how, sondern auch Förder-

programme des Landes wie zum Beispiel PFAU, das „Programm zur finanziellen

Absicherung von Unternehmensgründern aus Hochschulen“. Das Programm sichert laut

Terbrüggen nicht nur die Existenz der Gründer.

Es gibt darüber hinaus auch Geld für die

Institute, die die Gründer mit ihrer Infra-

struktur unterstützen. PFAU ist ein landeswei-

tes Programm, doch die meisten Gelder wurden über die Jahre aufgrund der hohen

Qualität der Geschäftsideen Existenzgründern in Aachen gewährt. „Hier gab es einer-

seits die besten Absolventen, aber auch die beste Betreuung“, so Terbrüggen.

Nicht nur die beiden Technologieabteilungen der RWTH Aachen und IHK sorgten mit

ihren vielen Transferbausteinen für einen lebendigen Strukturwandel. Nachdem das

HIER GAB ES EINERSEITS DIE BESTEN ABSOL-VENTEN, ABER AUCH DIE BESTE BETREUUNGJürgen Terbrüggen

2 Später wurde das Forschungshandbuch auch auf die Fachhochschule Aachen und die

Forschungszentrum Jülich GmbH erweitert und unter dem Titel „Forschungshandbuch Teil II“

veröffentlicht.

Rad einmal in Schwung gekommen war, gab es auch eine Reihe von weiteren

Initiativen. Spiegelbildlich zu den Interdisziplinären Foren3 der RWTH Aachen, in denen

Professoren fakultätsübergreifend Forschungsfragen in unterschiedlichen Themen-

feldern bearbeiten, entstanden nach und nach die regionalen Branchennetzwerke. Die

Forscher suchten den Kontakt zur regionalen Wirtschaft, z.B. zu Unternehmen der boo-

menden Fachrichtung Informatik. Durch die direkte Zusammenarbeit mit Firmen sollte

in der Forschung noch stärker auf die Anforderungen der Industrie reagiert werden

können.

Das erste Netzwerk dieser Art, der Regionale Industrie-Club Informatik Aachen (REGINA)

e.V., formierte sich 1991. Initiator war Prof. Otto Spaniol vom Institut für Informatik

der RWTH Aachen. Was fehlte, waren Firmen, die ihre Ideen einbringen sollten. Dafür

sorgte die IHK mit ihren Verbindungen, die genau wie das Dezernat für Techno-

logietransfer und Forschungsförderung noch heute über den Vorstand des Vereins

Impulse setzen. 65 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen

Informatik, Informationsverarbeitung und Informationstechnologien schlossen sich zu

einem Netzwerk zusammen. Heute hat der REGINA e.V. über 100 Mitglieder.

Der Verein fördert die Zusammenarbeit regional ansässiger Firmen und den Dialog zwi-

schen der IT-Wirtschaft sowie den Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Region.

Regelmäßig finden Informationsveranstaltungen statt, es gibt Management-Treffs,

Fachtagungen, Arbeitskreise sowie Kaminabende und Social Events, die vor allem den

Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern fördern sollen.

Nach dem Vorbild von REGINA arbeiten noch weitere Netzwerke in der Region. Etwa

car e.V. (Competence center automotive region Aachen/Euregio Maas-Rhein) als

Katalysator für Innovationspartnerschaften mit der Automobilindustrie und LifeTec

Aachen-Jülich e.V. im Zukunftsfeld „Life Sciences“. Das Aachener Kompetenzzentrum

3 Es gibt aktuell sechs Interdisziplinäre Foren an der RWTH zu den Themenfeldern: Werkstoffe,

Informatik, Umwelt, Mobilität und Verkehr, Life Sciences sowie Technik und Gesellschaft.

Gründungsvorstand REGINA e. V. 1991

Andreas Schmitz, Jürgen Terbrüggen,

Otto Spaniol, Volker Hepple, Adalbert

Kellner, Wolfgang Rhoeder

18 19

Medizintechnik (AKM) ist ein Verbund von Partnern aus Forschung, Klinik und

Industrie. Hier werden gemeinsam medizintechnische Lösungen entwickelt. INTRA, die

Interessengemeinschaft innovativer Aachener Unternehmen der Kunststoffbranche,

hat sich zum Ziel gesetzt, das besondere Potenzial der Aachener Region transparent

und dadurch für den industriellen Anwender nutzbar zu machen. PhotonAix e.V. will

die internationale Spitzenposition der deutschen und europäischen Industrie im

Bereich Optischer Technologien sichern. PROTECA ist das Kompetenznetz im Bereich

der Produktionstechnik. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit stehen die gesamte

Kette von der Planung, Organisation über Fertigungsprozesse und die dafür verwendeten

Maschinen bis hin zum Qualitätsmanagement.

Industrie- und Handelskammer AachenTheaterstraße 6 –10, 52062 AachenTelefon 0241 4460-0 | Internet www.aachen.ihk.de

Existenzgründungmit der IHK

3. TRANSFER DURCH SPIN-OFFSUND ANSIEDLUNGEN

20 21

Derzeit fordern Politiker überall im Land, die Innovationskraft müsse gestärkt werden,

um Deutschland zukunftsfähig zu machen und im globalen Wettbewerb bestehen zu

können. Hierzu gehören auch die technologieorientierten Existenzgründungen als

Spin-offs der Hochschulen. Die Rahmenbedingungen sind für diesen „Transfer über

Köpfe“ in der Region Aachen gut. Es gibt dafür eine Reihe positiver Beispiele.

DIALEGO AGVON DER DIPLOMARBEIT ZUR AKTIENGESELLSCHAFT

„Dialego AG“ steht auf einem schlichten Firmenschild. Dahinter verbirgt sich ein

Dienstleistungsunternehmen der ganz besonderen Art. Andera Gadeib bietet mit 30

Mitarbeitern Komplett-Lösungen in der Online-Marktforschung an. Dieser Bereich war

1999, als die Dialego AG gegründet wurde, noch weitgehend Neuland. Die großen

Marktforschungsinstitute, die traditionell auf der Straße oder am Telefon ihre Fragen

an Kunden stellten, konnten sich damals nicht vorstellen, dass die Online-Markt-

forschung eine Chance haben würde.

Diese Chance wurde aber bereits von der Beratung für technologieorientierte Unter-

nehmensgründungen (TOU) der IHK Aachen erkannt. Schon beim Aufbau des Vor-

gängerunternehmens advertising ‘n’ more wurde Andera Gadeib begleitet und Förder-

mittel konnten gemeinsam akquiriert werden. Ein Beispiel von vielen TOUs, die aus der

Hochschule auch mit Hilfe der IHK ihren Weg in die Selbstständigkeit gefunden haben.

Andera Gadeib kann heute, sieben Jahre später,

beweisen, dass Online-Marktforschung eine

Zukunft hat. Ihr Unternehmen gehört zu den

führenden Anbietern der Online-Markt-

forschung. Pro Jahr wächst der Umsatz um rund 20 Prozent, in diesem Jahr soll er erst-

mals zwei Millionen Euro erreichen. „Profitabel sind wir bereits seit vier Jahren“, sagt

die Vorstandsvorsitzende.

Doch sie will noch mehr erreichen. Immerhin ist bekannt, dass die europäische

Marktforschung mit einem Volumen von über 6,5 Milliarden Euro (2003) weltweit an

der Spitze steht. Deutschland ist hier der zweitgrößte Markt. Immerhin 17,44 Euro

werden jährlich pro Einwohner für die Marktforschung aufgewendet. Daran wird nach

Meinung von Andera Gadeib die Online-Marktforschung einen wachsenden Anteil

haben. Ersetzen wird sie die klassische Marktforschung nicht vollständig, aber sie wird

zu einer immer wichtigeren Alternative zu den Befragungen per Telefon oder Brief.

Dafür hat Andera Gadeib Gründe: „Mit keinem anderen Medium lassen sich

Befragungsteilnehmer exakter ansprechen und zu verschiedenen Themen befragen als

dem Internet.“ Das Online-Verfahren ist schneller und effizienter. Die Befragten und

potenziellen Kunden sehen auf dem Bildschirm die jeweiligen Testprodukte.

PROFITABEL SIND WIR BEREITS SEITVIER JAHREN

Andera Gadeib

22 23

Die Dialego AG verwendet verschiedene Instrumente, um das typische Konsumenten-

verhalten zu erkunden und Fragen der Hersteller zu beantworten: Wird ein neues Produkt

ein Erfolg? Wie groß ist der Markt dafür? Wie glaubwürdig kommt es an bei den Kunden?

Zunächst braucht man dafür Menschen, die sich an Tests beteiligen wollen. In dem

so genannten „Dialego Access Panel“ werden zurzeit fast 90 000 Mitglieder geführt.

Sie kommen aus Deutschland, Großbritannien, Österreich, Frankreich und der

Schweiz und zunehmend auch aus Osteuropa. Die Mitglieder repräsentieren ganz

unterschiedliche Zielgruppen, beispielsweise Mütter mit Kindern oder Singles oder

ältere Menschen mit sportlichen Ambitionen. Mit dieser breiten demographischen

Struktur können Umfragen zuverlässig und mit hohem Aussagewert erstellt werden.

Und es werden immer neue Interviewpartner gesucht, um die Auswahl zu verbessern.

Das geschieht teilweise über Telefoninterviews, aber auch online über bestimmte

Sites.

Andera Gadeib hat sich bereits während ihres Studiums an der RWTH Aachen mit dem

Thema Marktforschung beschäftigt. Das Thema ihrer Diplomarbeit lautete: „Kaufver-

halten im World Wide Web“. Ihr Wissen wollte die Betriebswirtin nicht als Angestellte

an ihre Arbeitgeber weitergeben. Daraus könnte man mehr machen, sagte sie sich und

startete ihr Unternehmen als Eine-Frau-Betrieb mit einem studentischen Mitarbeiter.

Inzwischen betreut Dialego namhafte Kunden, darunter Unternehmen wie Heinz,

Unilever, Lufthansa, Coca-Cola und Nestlé.

Neben Komplettdienstleistungen spielt vor allem die hausinterne Entwicklung

weiterer Anwendungen eine wichtige Rolle. Dazu wurde das Dialego Research Center

gegründet. Die Entwickler arbeiten eng mit der RWTH Aachen zusammen, um

Forschungsansätze in Projekten zu überprüfen und marktfähig zu machen. Eine der

bislang erfolgreichsten Eigenentwicklungen ist das „Virtuelle Regal“, das auf dem

Kongress der Deutschen Marktforschung (BVM) als „Tool des Jahres“ ausgezeichnet

wurde. Damit lässt sich die Reaktion auf neue Produkte nicht nur gezielt, sondern

auch extrem treffgenau testen, erklärt Andera Gadeib. Soll beispielsweise eine neue

Schokoladen-Sorte auf dem Markt eingeführt werden, sieht der Testkunde auf dem

Bildschirm ein Regal mit mehreren Sorten Schokolade verschiedener Hersteller und

wird zum Kauf aufgefordert. Danach wird das neue Produkt vorgestellt und der

Kunde dazu befragt. Schließlich folgt ein zweiter Einkauf. Der Vergleich des

Kaufverhaltens am virtuellen Regal mit den realen Marktanteilen hat gezeigt, dass

die Übereinstimmung sehr groß ist. Diese Methode kann mit hoher Genauigkeit den

Erfolg des Produktes im realen Markt prognostizieren – und das zu einem Zeitpunkt,

wo es lediglich Entwürfe der Produktalternativen gibt. Auf diese Weise können

Hersteller frühzeitig entscheiden, ob sich die Entwicklung eines marktreifen

Produktes lohnt oder nicht.

Die Konkurrenz ist groß unter den Marktforschern. Aber als kleines Unternehmen mit

hohem Innovationspotenzial hat Dialego gute Wachstumschancen. „Wir sind das

Schnellboot unter den großen Dampfern“, sagt

die Unternehmerin selbstbewusst. Und bestä-

tigt wird sie vom Aufsichtsratsvorsitzenden

Hans-Willi Schroiff, Leiter der internationalen Marktforschung bei Henkel in

Düsseldorf: „Wo Dialego ist, ist vorne.“ „Wir haben in Deutschland viel bewegt“, resü-

miert Andera Gadeib. Deshalb soll Dialego jetzt internationaler werden. Das

„Schnellboot“ gibt also weiter Gas.

INNO-SHAPE GMBHLAUFEN GELERNT MIT GROßEN PARTNERN

Dr. Christoph Over ist Spezialist für knifflige Aufgaben. Und er hat Geduld. Eine wich-

tige Voraussetzung zur Entwicklung des neuen Verfahrens, an dem Over schon als

Student am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) entscheidend mitgearbeitet hat.

Inzwischen hat der 33-Jährige sein eigenes Unternehmen, die inno-shape GmbH. Dort

werden seit der Gründung 2004 die Fertigung mit dem „Direkten Laserformen“ sowie

Weiterentwicklungen des Verfahrens am Markt angeboten. Wer verstehen will, worum

es dabei geht, muss Christoph Over zunächst in die Halle es ILT folgen. Hier im

Untergeschoss schlägt gewissermaßen das Herz der Firma: eine Maschine mit einem

sogenannten Festkörperlaser im Wert von etwa einer halben Million Euro. In dem Gerät

entstehen aus pulverförmigem Metall Bauteile in jeder nur denkbaren geometrischen

Form. Vieleckige Hohlkörper mit kompliziertem „Innenleben“ wie filigranen

Verstrebungen oder Gitternetzen.

Die Bauteile entstehen nicht wie bei anderen, herkömmlichen Verfahren durch form-

gebende Werkzeuge. Als Vorlage dienen dreidimensionale CAD-Daten, die zuvor am

Computer errechnet wurden. Die eigentliche Fertigung könnte man ganz laienhaft mit

dem Sandburgenbau am Strand vergleichen. Zunächst wird aber statt Sand Metall-

pulver - Stahl, Aluminium, Titan oder Nickellegierungen - auf eine Bauplattform

geschichtet. Der Laser beginnt dann damit, das Pulver schichtweise zu verschmelzen.

Aber nur in den Bereichen, die später einmal als festes Material vorliegen sollen. Die

Bauplattform wird danach um die eingestellte Schichtdicke abgesenkt und die näch-

ste Schicht kann bearbeitet werden.

So entstehen einzelne Bauteile oder Kleinserien, etwa Spritzgussformen für jede beliebi-

ge Anwendung. Die Firma Gardena, Spezialist für Gartengeräte, fertigt etwa mit einem

Bauteil von inno-shape Seitenteile für Gartenschlauch-Wagen. Zu den Kunden des

jungen Unternehmens zählen unter anderem die Konsumgüter- oder Kunststoffindustrie

und Automobilzulieferer. Ein Zukunftsmarkt ist nach Ansicht von Firmengründer

WO DIALEGO IST, IST VORNEAndera Gadeib

24 25

Christoph Over auch die Medizintechnik. So könnten mit dem Direkten Laserformen

beispielsweise Gesichtsimplantate für Patienten mit schweren Unfallschäden oder

nach Krebsoperationen individuell hergestellt werden. Neben der Medizintechnik sieht

inno-shape künftig aber auch Potenziale für zwei weitere Geschäftsfelder: den

Werkzeugbau und die Kleinserienfertigung.

„Eine neue Technologie wie das „Direkte Laserformen“ lässt sich nur über einen sach-

kundigen Zugang auf den Markt bringen“, ist Christoph Over überzeugt. So profitierte

er vom guten Ruf und dem Know-how des renommierten ILT und darüber hinaus auch

von der GründerStart-GmbH4. 50 000 Euro wurde inno-shape als Gesellschafterkredit

von der GründerStart-GmbH zur Verfügung gestellt. „Das ist ein wichtiger finanzieller

Puffer“, sagt Christoph Over. Geld, das der Existenzsicherung in der Gründungsphase

dient. Außerdem verbessert die Kooperation mit der GründerStart-GmbH auch die

Verhandlungsposition des jungen Unternehmens gegenüber den Banken, und bei

Auskunfteien wird das Ranking deutlich angehoben, wenn namhafte Institutionen wie

die Fraunhofer-Gesellschaft, die RWTH Aachen oder die IHK beteiligt sind.

Für Firmenchef Christoph Over war auch die

persönliche Erfahrung in den vergangenen

zwei Jahren ein wichtiger Reifungsprozess.

„Ich habe in der Zeit vermutlich mehr gelernt,

als in den ganzen Jahren im Studium“, stellt

Christoph Over fest. Und meint damit die

Auseinandersetzung mit betriebswirtschaftlichen Problemen wie dem Erstellen einer

Bilanz oder eines Business-Plans. Geholfen habe ihm dabei auch IHK-Präsident

Michael Wirtz als persönlicher Pate und Berater. In Abständen treffen sich die beiden

zum Gespräch, reden über typische Alltagsprobleme und über die Chancen neuer

Produkte auf dem Markt. „Das gibt Sicherheit und die Chance, Perspektiven besser zu

erkennen, wenn sie von unabhängiger Seite bewertet werden“, betont er.

Die Zukunft des Unternehmens hat er fest im Blick. So sollen in den nächsten zwölf

Monaten weitere Mitarbeiter eingestellt werden, und mittelfristig will Christoph Over

auch das ILT verlassen, um dann an einem neuen Standort komplett auf eigenen Füßen

zu stehen.

EUROPÄISCHES MICROSOFT INNOVATIONS CENTER GMBHFLIEGENDE TEDDYBÄREN UND INTELLIGENTE GOLFBÄLLEWECKEN TECHNIKNEUGIER

Es ist eine Tatsache: In Deutschland fehlt der wissenschaftliche Nachwuchs. Natur-

wissenschaftliche Fächer sind wenig beliebt, und Spaß an Technik mündet nur selten

DAS GIBT SICHERHEIT UND DIE CHANCE,PERSPEKTIVEN BESSER ZU ERKENNEN, WENN

SIE VON UNABHÄNGIGER SEITE BEWERTETWERDEN

Christoph Over

4 Die GründerStart GmbH ist ein Joint Venture, das im Zuge eines Memorandums zum

Kooperationsvertrag entstand. Auf diese Initiative von IHK und RWTH wird in Kapitel 5 näher

eingegangen.

in einem Studium. Prof. Petri Mähönen will das ändern. Der Leiter des Lehrstuhls

Mobilfunknetze an der RWTH Aachen hat dazu ehrgeizige Pläne. In 20 Jahren soll die

Zahl der Jungen und Mädchen, die in Aachen ein Technikstudium beginnen, deutlich

angestiegen sein. „Dazu muss man früh Nachwuchs werben“, sagt der gebürtige Finne.

Mit 16, 17 Jahren seien Jugendliche nur noch schwer zu prägen. Deshalb setzt er auf

die Zielgruppe der Zehn- bis 15-Jährigen. In diesem Alter seien die Schüler noch unvor-

eingenommen, gingen mit kindlicher Neugier an Probleme heran. „Und es fehlt ihnen

die Vorkenntnis, was technisch geht und was nicht.“

Soweit ein RWTH Aachen Professor, der sich nicht nur mit Spitzentechnologie aus-

kennt, sondern auch noch Engagement für den wissenschaftlichen Nachwuchs zeigt.

Die Kombination von ausgezeichneter Spitzentechnologie und Nachwuchsförderung

durch Lehre und Projekte wie die von Petri Mähönen ist es, die Forschungs- und

Entwicklungsniederlassungen von Technologiekonzernen wie Microsoft, Ford oder Ericsson

zur Ansiedlung in Aachen bewogen hat. Die Europäische Microsoft Innovations Center

GmbH (EMIC) ist das jüngste erfolgreiche Beispiel. 2003 ist man mit 10 Mitarbeitern

gestartet und heute mit 35 Mitarbeitern überzeugt von den Vorteilen der Technologie-

region Aachen. Mit eingangs erwähntem, eher amerikanischen Konzept stieß Petri

Mähönen bei der Europäischen Microsoft Inno-

vations Center GmbH auf offene Ohren und die

Bereitschaft, ein solches Lehrkonzept finanziell

zu unterstützen. Im Fordergrund steht weniger

ein konkretes Forschungsprojekt. „Es geht um

Innovation und Ausbildung in Schulen und Uni-

versitäten“, betont Petri Mähönen. Zwei Projekt-

partner gibt es derzeit: Die Liebfrauenschule in Eschweiler und die Internationale

Schule in Maastricht. Dabei lasse das EMIC ihm als Projektleiter weitgehend freie

Hand. In den Verträgen sei keine konkrete Strategie festgelegt. „Die RWTH Aachen und

Microsoft ermöglichen den Zugang zu Technologien, ohne den Schulen Vorschriften

aufzuerlegen oder kurzfristige Ergebnisse zu erwarten“, so der Institutsleiter.

Durch Experimente sollen die Schülerinnen und Schüler herauszufinden, dass Techno-

logie Spaß macht und zu Lösungen führt. Die Kinder arbeiten dabei als „Modellkunden“

für die Studierenden. Deren Aufgabe ist es, die von den Kindern erarbeiteten Vor-

schläge technisch umzusetzen. Und wie es im „richtigen Leben“ auch geht: Kunden

ändern schon mal ihre Meinung, haben mitten in der Entwicklung plötzlich neue Ideen.

Die Studierenden müssen also nicht nur Vorschläge praktisch umsetzen, sondern auch

äußerst flexibel arbeiten. Anforderungen, die später im Job eine wichtige Rolle spielen,

erklärt Petri Mähönen.

Inzwischen kann das Projekt schon „bärenstarke“ Ergebnisse vorweisen. Ausgangsfrage

war: Wie funktioniert eigentlich ein Fallschirm? Die Kinder entwickelten verschiedene

DIE RWTH AACHEN UND MICROSOFTERMÖGLICHEN DEN ZUGANG ZUTECHNOLOGIEN, OHNE DEN SCHULENVORSCHRIFTEN AUFZUERLEGEN ODERKURZFRISTIGE ERGEBNISSE ZU ERWARTEN

Petri Mähönen

26 27

Typen von Fallschirmen, befestigten daran einen kuscheligen Teddy und ließen ihn aus

dem Fenster des Schulhauses segeln. Doch alleine die Beobachtung, wie der „Parabear“

fällt, sagte wenig aus über den Nutzen der verschiedenen Fallschirme. Deshalb wurde

der Bär mit Sensoren ausgestattet. Während des „Fallschirm-Sprungs“ sandten sie per

Funk Daten wie Fallgeschwindigkeit, Fallhöhe oder den Fallwinkel. In Echtzeit konnte

das Ergebnis auf einem Computerbildschirm abgelesen werden.

Bei der Vorstellung der Initiative kommentierte

der damalige Direktor des EMIC, Pierre-Yves

Saintoyant: „Microsoft fördert Innovationen,

unterstützt die Bildung auf allen Ebenen und

engagiert sich stark für die Zusammenarbeit

zwischen privaten und öffentlichen Partnern.

Dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel

dafür.“ Als erstes Innovationszentrum in Kontinentaleuropa freue sich das EMIC vor

allem über den internationalen Charakter der Zusammenarbeit.

Das Projekt hat inzwischen auch zu einem Spin-off geführt: Pierre-Yves Saintoyant

und Antony Jamin, der bei Petri Mähönen studiert hat, haben Ende August 2006 die

SenzAthlon GmbH gegründet. Das Spin-off aus der Kooperation der beiden befasst sich

unter anderem mit der Entwicklung und Herstellung von elektronischen oder software-

betriebenen Systemen für Sport- und Trainingsgeräte. Anstoß dazu gab die im Rahmen

des Schul-Projektes entwickelte „Golf Club Demonstration“ – ein Ensemble aus Golf-

schläger und präpariertem Ball, das unter anderem die Geschwindigkeit des Schlages

sowie des Balls misst und allgemeine Witterungsbedingungen in seine Berechnungen

einbezieht.

MICROSOFT FÖRDERT INNOVATIONEN,UNTERSTÜTZT DIE BILDUNG AUF ALLEN

EBENEN UND ENGAGIERT SICH STARK FÜR DIEZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN PRIVATEN UND

ÖFFENTLICHEN PARTNERN. DIESES PROJEKTIST EIN HERVORRAGENDES BEISPIEL DAFÜR

Pierre-Yves Saintoyant

We transform ideas into technology.Hand in hand with our partners.

Aus Ideen machen wir Technologie.Hand in Hand mit unseren Partnern.

European Microsoft Innovation Center GmbH Ritterstraße 23, 52072 Aachen (Germany)

www.microsoft.com/emic

4. TRANSFER ALSWACHSTUMSINSTRUMENT

28 29

Ziel des Kooperationsvertrages zwischen RWTH und IHK war von Anfang an die enge

Zusammenarbeit zwischen den Forschungseinrichtungen und den bestehenden

Unternehmen der Region. Es gibt beeindruckende Beispiele dafür, wie wissenschaftliche

Forschung auch in diesen Unternehmen zu praktischen Anwendungen führt und

Wachstumsprozesse der Unternehmen unterstützt.

DEUTSCHE MECHATRONICS GMBHDAS OHR AN DER FORSCHUNG

Die Geschichte der Deutsche Mechatronics GmbH in Mechernich beginnt im Jahr 1947,

als die „Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co.“ eine Reparatur-

werkstatt für Transformatoren erwirbt. 50 Mitarbeiter erwirtschafteten damals einen

Jahresumsatz von umgerechnet 500 000 Euro. In den 60er Jahren werden kompakte

Transformatorstationen entwickelt und gefertigt. 50 000 Stück werden bis zum Jahr

2000 ausgeliefert. Sie sind bis heute weltweit im Einsatz.

1985 kommt die Technische Dienstleistung hinzu. Außerdem spezialisiert sich das

Unternehmen auf Automatisierungs- und Steuerungstechnik. Zehn Jahre später mar-

kiert der Einstieg in die Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt auf strahlungs- und

strömungstechnische Anwendungen ein neues Kapitel der Firmengeschichte. In fast 60

Jahren ist das Unternehmen in der Eifel nicht nur zu einem der größten industriellen

Arbeitgeber der Region mit 550 Beschäftigten herangewachsen. Auch als System-

partner für weltweit tätige Industrieunternehmen kann die Deutsche Mechatronics aus

einem reichhaltigen technischen Fundus schöpfen. Die Ergebnisse sind in Systemen

bedeutender Anbieter der Offset- und digitalen

Drucktechnik, Verpackungstechnik, Elektro-

medizin, Energietechnik und des Werkzeug-

sowie Spezialmaschinenbaus zu finden.

Nicht nur das in mehr als 50 Jahren entwickelte

eigene Wissen ist entscheidend für die Ent-

wicklung neuer und die Weiterentwicklung

vorhandener Produkte. Auch von der inten-

siven Zusammenarbeit mit mehreren Instituten der RWTH Aachen profitiert das

Unternehmen - und damit auch jeder Kunde. „Für die Deutsche Mechatronics GmbH ist

Technologietransfer zur Verbesserung von Produkten und somit zur Verbesserung des

Kundennutzens der entscheidende Erfolgsfaktor. Denn wir müssen als Systempartner

über alle technischen Innovationen Bescheid wissen und die neuesten Entwicklungen

in der Verfahrenstechnik kennen. Dabei hilft uns das Know-how der RWTH Aachen“,

berichtet Richard Zinken, Leiter der Teilefertigung.

FÜR DIE DEUTSCHE MECHATRONICS GMBHIST TECHNOLOGIETRANSFER ZUR VER-BESSERUNG VON PRODUKTEN UND SOMITZUR VERBESSERUNG DES KUNDENNUTZENSDER ENTSCHEIDENDE ERFOLGSFAKTOR. […]DABEI HILFT UNS DAS KNOW-HOW DERRWTH AACHEN

Richard Zinken

30 31

So wird zunehmend an den Stellen das Laserschweißen eingesetzt, wo mit klassischen

Fertigungsverfahren die Herstellung nicht wirtschaftlich oder nicht realisierbar ist.

Beispielsweise bei designgeprägten Geometrien oder zu fügenden exotischen

Materialkombinationen ist die Anwendung von innovativen Schweißverfahren unum-

gänglich.

Das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen setzt dafür Faser-Laser ein.

Eine Technologie, die eine große Zukunft im Maschinen- und Anlagenbau hat, urteilen

die Wissenschaftler.

Bei Neuentwicklungen setzt das Unternehmen in Mechernich unter anderem auf

weiteren Rat der Aachener Wissenschaftler. So wurden in Zusammenarbeit mit dem

Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF) Patente im schweißtechnischen

Bereich entwickelt. Das Institut übernahm dabei die Recherche und half bei der Lösung

technischer Probleme. Erstmals hat die Deutsche Mechatronics jetzt auch ein

Kooperationsprojekt mit dem ISF und einem großen Kunden gestartet. Dabei wird das

Aachener Institut nicht nur Know-how einbringen, sondern sich als aktiver Partner an

der Entwicklung eines Produktes beteiligen.

Als ehemaliger Absolvent der RWTH Aachen hat der Ingenieur Richard Zinken noch

gute Kontakte zu früheren Studienkollegen. So kam die Zusammenarbeit mit dem ILT

und dem ISF zustande. Neuerdings gibt es auch eine Verbindung zum Werkzeug-

maschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen.

Beide Seiten sollten noch stärker aufeinander zugehen, meint Richard Zinken, um den

Technologietransfer zu verbessern. Einen Beitrag in dieser Richtung leistete bereits das

Aachener Kolloquium Lasertechnik der RWTH Aachen. Über die Transferveranstaltung

„Potenziale“ der IHK Aachen wurde auch die Deutsche Mechatronics GmbH dorthin

eingeladen. So konnten das Unternehmen und die beteiligten Institute Erfahrungen

austauschen und aktuelle Probleme erörtern. Dabei sind schon Ideen für neue Produkte

entstanden, die nun in Mechernich hergestellt werden.

AIXTRON AGDER WEG ZUM WELTBÜRGER

Was verbindet das Mars-Mobil mit der AIXTRON AG in Aachen? Es sind Solarzellen, die

den Strom für das Gefährt lieferten, damit es über den roten Planeten rollen konnte.

Diese Solarzellen wurden auf AIXTRON-Maschinen hergestellt. Das Unternehmen

gehört zu den weltweit größten Herstellern von Depositions-Anlagen für die

Halbleiter-Industrie. Auf den Maschinen werden leistungsstarke Bauelemente für elek-

tronische und opto-elektronische Anwendungen hergestellt. Wichtige Endabnehmer

sind unter anderem die Märkte für Leuchtdioden, Hochleistungselektronik im Bereich

des Mobilfunks, Laser für Glasfasernetze, optische Datenspeicherung sowie die Solar-

technologie.

Die Anfänge liegen 23 Jahre zurück. Holger Jürgensen und Meino Heyen, Doktorand

und wissenschaftlicher Mitarbeiter am RWTH-Institut für Halbleitertechnik, hatten

1983 die Geschäftsidee, Anlagen zur Herstellung von Verbindungshalbleitern zu bauen.

Das war einerseits unternehmerisches Neuland, andererseits aber versprachen ultra-

helle Leuchtdioden und superschnelle Elektronikchips eine sprichwörtlich leuchtende

Zukunft. AIXTRON konzentrierte sich auf ein Beschichtungsverfahren, das unter dem

Fachbegriff „Metal Organic Chemical Vapor Depostition (MOCVD)“ bekannt war. Um

aber perfekte Kristallschichten in großen Serien produzieren zu können, musste das

Verfahren weiterentwickelt werden. Der Durchbruch gelang AIXTRON in den 90er

Jahren mit der Produktlinie „Planetary Reactor“. Ein hoch automatisches Produktions-

system, mit dem Leuchtdioden in verschiedenen Farben, aber auch Bauteile für die

Solartechnik oder andere elektronische Bauteile hergestellt werden können.

Die Erfolgsgeschichte hat ihre Wurzeln im bereits erwähnten Technologiezentrum

Aachen an der Jülicher Straße. Unterstützt durch die dort bereitgestellte Infrastruktur

für Existenzgründer standen die beiden Geschäftsführer Holger Jürgensen und Meino

Heyen vor der Aufgabe, ihren unternehmerischen Traum zu verwirklichen. Schon bald

hatte AIXTRON renommierte Kunden, der US-Markt wurde auf die Aachener Firma auf-

merksam, die 1997 den Gang zur Börse wagte.

Längst ist das Unternehmen zum „Weltbürger“

avanciert. Doch von den Wurzeln spricht auch

Paul Hyland, seit 2002 Vorstandsvorsitzender

des Unternehmens, noch gerne. Bei der Haupt-

versammlung der AIXTRON AG am 11. Mai

DIE RWTH AACHEN IST WOHL EINE DERBESTEN TECHNISCHEN UNIVERSITÄTEN INDEUTSCHLAND, UND DAHER WAR DIEQUALITÄT UNSERER TECHNOLOGIE VONANFANG AN EINES UNSERER LEITPRINZIPIEN

Paul Hyland

Technologietransferpreis Aixtron 1986

Dieter Balk, Holger Jürgensen, Meino

Heyen, Dorothée Wilms

32 33

2006 erläuterte Paul Hyland, wie AIXTRON aus einer akademischen Forschungs-

gemeinschaft entstand. „Die RWTH Aachen ist wohl eine der besten technischen

Universitäten in Deutschland, und daher war die Qualität unserer Technologie von

Anfang an eines unserer Leitprinzipien.“ Die in der Anfangszeit auch auf Basis einer

exklusiven Lizenz von Philips erreichte technologische Führungsposition „wandelte sich

schnell zu einer kommerziellen Führungsposition“, so Paul Hyland.

Die Zahlen von 2005 belegen das eindrucksvoll: Der Marktanteil bei MOCVD-Anlagen

stieg auf 63 Prozent, der Umsatz lag bei mehr als 139 Millionen Euro. 570 Mitarbeiter

wurden 2005 beschäftigt.

Mit Neuentwicklungen will AIXTRON seine Marktposition als etablierter Unternehmer

weiter festigen. So forscht das Unternehmen an der Herstellung organischer

Leuchtdioden (OLED). Um solche OLEDs großflächig herstellen zu können, werden neue

Produktionsanlagen benötigt. Sie werden von AIXTRON interdisziplinär auf internatio-

naler Ebene in Europa, Asien und den USA gemeinsam mit Kunden und verschiedenen

Universitäten und hier einmal mehr auch in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen zur

Serienreife entwickelt.

5. METAMORPHOSEN DESTRANSFERS

34 35

KOOPERATION ALS ERFOLGSMODELL

„Die Hochschulen sind für die Region Aachen wichtig, aber die Region ist auch für die

Hochschulen wichtig.“ So fasste der damalige Kanzler der RWTH Aachen, Dr. Michael

Stückradt, heute Staatssekretär im NRW-Minis-

terium für Innovation, Wissenschaft, Forschung

und Technologie, anlässlich einer Präsentation

der GründerStart-Initiative die Kooperation der

RWTH Aachen mit der IHK zusammen. Das

Gemeinschaftsprojekt GründerStart-Initiative ist ein konkretes Ergebnis der Überlegungen,

den Kooperationsvertrag zwischen IHK und RWTH Aachen noch intensiver zu gestalten.

Anlässe dazu waren der zwanzigste Jahrestag des Vertrages 2001 und das 200-jährige

Bestehen der Industrie- und Handelskammer 2004. Zwar war in den über zwanzig Jahren

zuvor bereits viel erreicht worden. Doch Strukturwandel und Technologietransfer sind

Prozesse, die immer wieder neue Impulse brauchen. Deshalb unterzeichneten im Januar

2004 der Rektor der RWTH Aachen, Burkhard Rauhut, der damalige Kanzler der RWTH

Aachen, Michael Stückradt, IHK-Präsident Michael Wirtz und IHK-Hauptgeschäftsführer

Jürgen Drewes ein ergänzendes Memorandum zum Zusammenarbeitsvertrag zwischen

beiden Institutionen. In der Präambel wird ausdrücklich festgehalten, dass der am

11. November 1981 geschlossene Kooperationsvertrag „in hohem Maße erfolgreich ist und

die Erwartungen beider Seiten sowie der Region mehr als erfüllt hat“.

Impulsgeber zur weiteren Nutzung der Innovationspotenziale der RWTH Aachen sollte

die GründerStart-Initiative werden. Sie wurde unmittelbar nach dem Abschluss des

Memorandums ins Leben gerufen.

Hintergrund ist ein zweiter Umstrukturierungsprozess in der Region. IHK-Haupt-

geschäftsführer Jürgen Drewes beobachtet, dass es in der Region immer mehr kleine

DIE HOCHSCHULEN SIND FÜR DIE REGIONAACHEN WICHTIG, ABER DIE REGION ISTAUCH FÜR DIE HOCHSCHULEN WICHTIG

Michael Stückradt

Unterzeichung des Memorandums,

29. Januar 2004

Michael Stückradt, Burkhard Rauhut,

Hartmut Krebs, Michael Wirtz, Jürgen

Drewes

36 37

Unternehmen statt großer Konzerne gibt. Dadurch würden die Risiken besser verteilt

und eine nachhaltige Entwicklung in Gang

gesetzt. Außerdem weiß Jürgen Drewes: „Was

bei uns in der Region entsteht, ist ein Mittel

gegen den Globalisierungstrend mit seinen

weltweit verzweigten, regional nicht veranker-

ten Leitungsstrukturen. Hier aber wird

Hochtechnologie hergestellt in Unternehmen,

die von den Eigentümern geführt werden.“

Die IHK sei nicht zufällig in der Rolle des

Motors bei der Umstrukturierung, sagt der Hauptgeschäftsführer. Seit 1999 ist die IHK

Aachen im Bereich der Existenzgründungsberatung mit der Bildung der Dachmarke

GründerRegion Aachen zunächst mit vier, und seit 2004 mit zwölf weiteren Partnern

aktiv. Die Region Aachen, Düren, Euskirchen und Heinsberg hat es damit geschafft, sich

zu einer Modellregion im Gründungsgeschehen zu entwickeln. Neben der IHK Aachen

ist die RWTH Aachen einer der wichtigsten inhaltlichen Partner im Netzwerk. Aber für

den langfristigen Erfolg braucht man Geduld sowie ideelles und finanzielles

Engagement. Das ist auch nötig, um gerade die rund 70 Prozent der RWTH-

Absolventen, die in der Region bleiben wollten, zu fördern. „Wir müssen die

Studierenden früher abholen und ihnen die Selbstständigkeit als spannende Alternative

verdeutlichen“, betont Jürgen Drewes. Speziell für diese Klientel finanzieren die

Sparkassen Aachen und Heinsberg gemeinsam mit der IHK Aachen ebenfalls seit 1999

das „günderkolleg“ an der RWTH Aachen. Dieses berufsorientierte Kolleg ist Ursprung

des zwischenzeitlich durch die RWTH Aachen selbst finanzierten Instituts für

Wirtschaftswissenschaften für Ingenieure und Naturwissenschaftler (WIN) – ein

Beispiel mehr für gelebte Kooperation.

Nach Auffassung des Rektors der RWTH

Aachen, Burkhard Rauhut, gehören zu einem

erfolgreichen Technologietransfer drei Dinge:

„Wichtig sind zunächst die Köpfe, die das

Wissen mitnehmen. Dann muss es Projekte

geben, in denen das Wissen verwertet wird

und schließlich gibt es einen Transfer über

Firmengründungen und Beratungen von klei-

nen und mittelständischen Unternehmen.“

Doch Firmengründer benötigen Risikokapital, das in nicht ausreichendem Maße zur

Verfügung steht. Diese Lücke wollen die Kooperationspartner schließen. In Form der

GründerStart-Stiftung stellt die IHK Kapital für die operative GründerStart-GmbH

bereit. Die RWTH Aachen bringt die Gründerpotenziale und technische Expertise ein.

WAS BEI UNS IN DER REGION ENTSTEHT, IST EINMITTEL GEGEN DEN GLOBALISIERUNGSTRENDMIT SEINEN WELTWEIT VERZWEIGTEN, REGIO-

NAL NICHT VERANKERTEN LEITUNGS-STRUKTUREN. HIER ABER WIRD HOCHTECHNO-

LOGIE HERGESTELLT IN UNTERNEHMEN, DIEVON DEN EIGENTÜMERN GEFÜHRT WERDEN

Jürgen Drewes

WICHTIG SIND ZUNÄCHST DIE KÖPFE, DIE DASWISSEN MITNEHMEN. DANN MUSS ES

PROJEKTE GEBEN, IN DENEN DAS WISSEN VER-WERTET WIRD UND SCHLIEßLICH GIBT ES

EINEN TRANSFER ÜBER FIRMENGRÜNDUNGENUND BERATUNGEN VON KLEINEN UNDMITTELSTÄNDISCHEN UNTERNEHMEN

Burkhard Rauhut

RWTH Aachen und IHK haben jeweils einen Gesellschafteranteil von 50 Prozent. Die

GründerStart-GmbH hält nicht nur Anteile am Unternehmen, sondern bietet eine

intensive Managementbetreuung. So kann im Erfolgsfall nach einer Veräußerung der

Geschäftsanteile das Kapital in neue Gründungen investiert werden.

Mit dieser Gesellschaft ist deutschlandweit Neuland betreten worden. Beim

Spitzengespräch von RWTH Aachen und IHK am

30. Januar 2006 berichtete der Präsident der

Industrie- und Handelskammer, Michael Wirtz,

über die ersten Erfolge der Initiative. Er

bezeichnete die GründerStart-Stiftung als

Meilenstein „vor dem Hintergrund einer zöger-

lichen Finanzierung von innovativen Grün-

dungsideen“. „Wir unterstützen derzeit intensiv

sechs Unternehmen mit technologischen Gründungsideen und überregionalem Wert-

schöpfungspotenzial. Die meisten von ihnen sind Spin-offs aus der RWTH Aachen.“

Staatssekretär Michael Stückradt bezeichnet die GründerStart-Initiative als zukunfts-

weisende Idee. Sie sei nicht nur eine gute Chance, Unternehmensgründungen in der

Region voranzutreiben. Die RWTH Aachen könne dadurch auch ihre Spitzenstellung

behaupten und die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft stärken.

IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Drewes ist zudem stolz darauf, dass nach dem

Wechsel an der Spitze der Kammer vor acht Jahren kein Bruch entstand, sondern die

Aktivitäten bezüglich des Strukturwandels und Technologietransfers sogar noch ver-

stärkt wurden. Jürgen Drewes und IHK-Präsident Michael Wirtz haben es verstanden,

die Themen weiterhin als Schwerpunkte zu etablieren und im Sinne der

Gründungsväter fortzuführen.

WIR UNTERSTÜTZEN DERZEIT INTENSIV SECHSUNTERNEHMEN MIT TECHNOLOGISCHENGRÜNDUNGSIDEEN UND ÜBERREGIONALEMWERTSCHÖPFUNGSPOTENZIAL. DIE MEISTENVON IHNEN SIND SPIN-OFFS AUS DER RWTHAACHEN

Michael Wirtz

6. ZUKUNFT

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DIE VISION VOM GRÖßTEN EUROPÄISCHEN WISSENSZENTRUM

Die Region Aachen hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder mit neuartigen

Ideen überrascht und zahlreiche Rekorde aufgestellt. So vermerkt der „Innovations-

indikator Deutschland 2005“, dass es nirgendwo in der Republik „so viele Ingenieur-

büros, Spin-offs und Ausgründungen aus Hochschulen wie in Aachen und seiner

Region“ gibt. Nun soll mit dem Projekt „RWTH Aachen Campus“ ein neuer Benchmark

gesetzt werden. Der „RWTH Aachen Campus“ soll ein eigenständiger lebendiger

Stadtraum werden. Neben Forschungszentren, Produktionsanlagen und Büros sollen

sich auf dem Campus An-Institute der RWTH Aachen, nationale und internationale

Unternehmen, Spin-offs, Fraunhoferinstitute und Transfereinrichtungen ansiedeln.

Noch sei der Aufbau des größten europäischen Wissens- und Forschungszentrums auf

dem RWTH-Gelände eine Vision, sagt Prof. Dr. Günther Schuh. Der Leiter des Werk-

zeugmaschinenlabors (WZL) ist der geistige Vater des Projektes, das von mehreren

Partnern getragen wird. In einem Bericht der

Aachener Zeitung vom 6. Juni 2006 begründet

Günther Schuh das Campus-Projekt: „Kein anderer

Standort in Europa verfügt über eine derartige

Vielzahl großer anwendungsorientierter Institute.

Diese Chance wollen wir nutzen.“ Der Plan sieht

vor, ab 2008 auf einem Gelände von 2,5 Quadratkilometern so genannte „Kompetenz-

Cluster“ aufzubauen. Das Investitionsvolumen soll rund eine Milliarde Euro betragen. Die

Unternehmen, die sich direkt auf dem Campus-Gelände ansiedeln sollen, können sich

unmittelbar an Forschungsprogrammen, Kompetenzzentren oder Benchmarking-

Projekten beteiligen. Das Ziel ist eine langfristig angelegte gemeinsame Forschungs-

arbeit, um neue innovative Produkte zu entwickeln. Zugleich können die Firmen früh-

zeitig qualifizierten Nachwuchs finden und an sich binden.

Das Campus-Projekt soll fortsetzen, was an der RWTH Aachen bereits im Kleinformat

existiert. So gibt es zwischen der Hochschule und dem Forschungszentrum der Ford

Motor Company bereits eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Verbrennungs-

motoren, Fahrzeugtechnik und Materialkunde. Zudem gab die Forschungsexzellenz der

Region bei den Firmen Philips, Ericsson und

Microsoft den Ausschlag, ihre zum Teil europäi-

schen Entwicklungszentren in Aachen anzusie-

deln. Das Campus-Projekt sei dazu geeignet,

die Stellung der RWTH Aachen als Spitzen-

universität zu stärken, betont IHK-Haupt-

geschäftsführer Jürgen Drewes, und wird durch

die Feststellung des Rektors der RWTH Aachen,

Burkhard Rauhut, darin bestätigt indem dieser feststellt: „Das Campus-Projekt ist eine

KEIN ANDERER STANDORT IN EUROPA VERFÜGTÜBER EINE DERARTIGE VIELZAHL GROßERANWENDUNGSORIENTIERTER INSTITUTE. DIESECHANCE WOLLEN WIR NUTZEN

Günther Schuh

DAS CAMPUS-PROJEKT IST EINE CHANCE, DIEZUKUNFT ENTSCHEIDEND ZU GESTALTEN. DIESIST NICHT NUR DIE GELEGENHEIT, DEN RUF ALSTECHNOLOGIEREGION ZU FESTIGEN. AUCHINTERNATIONALE KONTAKTE KÖNNEN ENT-SCHEIDEND AUSGEBAUT WERDEN

Burkhard Rauhut

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Chance, die Zukunft entscheidend zu gestalten. Dies ist nicht nur die Gelegenheit, den Ruf

als Technologieregion zu festigen. Auch internationale Kontakte können entscheidend

ausgebaut werden.“

BLICK NACH WESTEN RICHTEN

Internationalität beginnt nicht zuletzt vor der Haustür: Die Technologieregion Euregio

Maas-Rhein ist ein weiterer Zukunftspfad der Kooperation zwischen RWTH Aachen

und IHK.

Bereits 1999 unterzeichneten die Kamer van Koophandel Maastricht und die Industrie-

und Handelskammer Aachen eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit auch auf diesem

Felde. Ziel ist es, eine gemeinsame Interessenvertretung beider Regionen zu schaffen und

damit verbundene Synergieeffekte zu nutzen. Auch die im November 2005 von der

Staatssekretärin des niederländischen Wirtschaftsministeriums, Karien van Gennip, und

der NRW-Ministerin für Wirtschaft, Christa Thoben, unterzeichnete Absichtserklärung zur

Zusammenarbeit der beiden Länder belegt den Bedarf nach Kooperationen.

Immer wieder hat sich IHK-Präsident Michael Wirtz für eine Intensivierung der Zus-

ammenarbeit mit Unternehmen in Süd-Limburg stark gemacht. Dies kommt auch im

schon zitierten Memorandum zum Kooperationsvertrag zwischen IHK und RWTH Aachen

zum Ausdruck: Beide Institutionen erklärten, ihre Potenziale „gemeinsam zur wechsel-

seitigen Stärkung einzusetzen in dem Sinne, (...) dass die Wirtschaftsregion Aachen zu

einer europäisch orientierten Technologieregion im Herzen Westeuropas heranwächst.“

Wirtz verdeutlichte seine Überzeugung erneut beim Spitzengespräch zwischen RWTH

Aachen und IHK am 30. Januar 2006, bei dem es um die Erweiterung des Kooperations-

vertrages um Partner in Süd-Limburg ging. Dabei wurden niederländische Unter-

nehmen eingeladen, sich an der Kooperation zu beteiligen, um am Technologie-

potenzial der Region Aachen, vor allem der

RWTH Aachen, teilhaben zu können. Bei dem

Spitzengespräch sagte der IHK-Präsident: „Ich

bin der festen Überzeugung, dass die aktuell

geführte Diskussion um die Innovations-

fähigkeit süd-limburgischer Unternehmen

beste Voraussetzungen für einen Beitritt zu

diesem Kooperationsvertrag bietet.“ Auf diese

Weise, so Michael Wirtz weiter, würden deutliche Mehrwerte geschaffen.

In dieser Einschätzung sind sich die beiden Kooperationspartner einig. Auch Rektor

Burkhard Rauhut setzt auf eine stärkere Öffnung der Region über die Grenzen hinweg.

ICH BIN DER FESTEN ÜBERZEUGUNG, DASS DIEAKTUELL GEFÜHRTE DISKUSSION UM DIEINNOVATIONSFÄHIGKEIT SÜD-LIMBURGI-

SCHER UNTERNEHMEN BESTE VORAUS-SETZUNGEN FÜR EINEN BEITRITT ZU DIESEM

KOOPERATIONSVERTRAG BIETETMichael Wirtz

Nicht nur geographisch befinde sich die RWTH Aachen in einer Randlage, sondern auch

forschungspolitisch. Um das zu ändern, sei es

nötig, die RWTH Aachen noch bekannter zu

machen, übrigens auch in Belgien und den

Niederlanden. „Die Hochschule ist dort leider

nicht so bekannt wie die Alemannia“, gibt

Burkhard Rauhut zu. Aber die Erfolge bei den Rankings, bei denen regelmäßig

Universitäten miteinander verglichen werden, würden helfen, die RWTH Aachen stärker ins

Bewusstsein zu rücken. Und die Bewilligung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft

und den Wissenschaftsrat Deutschland für zwei Exzellenzcluster und eine Graduierten-

schule ist auch ein international sichtbares Zeichen für die Exzellenz der Hochschule.

Bereits im Oktober 1991 boten die großen Forschungseinrichtungen der Aachener

Region den Unternehmen Niederländisch-Limburgs auf einer Veranstaltung in

Maastricht ihre Kooperation an. Leider ebbte die Nachfrage auf niederländischer Seite

trotz Nachfassens bei verschiedenen süd-limburgischen Unternehmen wieder ab.

Es gibt nach Meinung der Partner des um die Region Limburg erweiterten Ko-

operationsvertrages drei gute Gründe, jetzt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit

neu aufzubauen:

Erstens könne man davon ausgehen, dass das besondere Technologiepotenzial in

Aachen für süd-limburgische Unternehmen besser zugänglich und auch das spezielle

Know-how an der Universität Maastricht für die Aachener Wissenschaft und

Unternehmen transparenter ist.

Zweitens würde die „Versnellings-Agenda“, ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der Wett-

bewerbsfähigkeit süd-limburgischer Unternehmen, einen konkreten Umsetzungsschritt

DIE HOCHSCHULE IST DORT (BELGIEN, NIEDER-LANDE) LEIDER NICHT SO BEKANNT WIE DIEALEMANNIA

Burkhard Rauhut

Angebot zum grenzüberschreitenden

Technologietransfer, Oktober 1991

Otto Eschweiler, Klaus Habetha, Rolf

Theenhaus, Hermann-Josef Buchkremer

42 43

mehr aufweisen. Dazu gehört auch die grenzüberschreitende Innovationsberatung, auf

Niederländisch „kennismakelaar“ genannt. In Kooperation mit der IHK Aachen be-

suchen Ingenieure die süd-limburgischen Unternehmen und informieren über

Möglichkeiten des Technologietransfers aus der RWTH Aachen. Die IHK liefert hierzu

das Know-how und die Konzeption und schult die niederländischen Ingenieure für ihre

Aufgabe. Die RWTH Aachen stellt ihre technischen Kompetenzen zur Verfügung, die

Finanzierung übernehmen die Niederlande.

Drittens würde man den Wirtschaftsministerien in Den Haag und Düsseldorf zeigen,

dass die verschiedenen Absichtserklärungen zur Verstärkung der wirtschaftlichen

Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen auf der Achse

Maastricht-Aachen mit Leben erfüllt werden.

Stellvertretend für die Provinz Limburg sieht Martin Eurlings als Gedeputeerde große

Chancen in der Kooperation mit der RWTH Aachen und der IHK Aachen: „Wir arbeiten

schon seit langen Jahren daran, die Regionen enger aneinander zu binden und die

Bedingungen dafür zu schaffen, dass wir mehr

voneinander profitieren können. Ich bin opti-

mistisch, dass wir das schon in naher Zukunft

schaffen!“

WIR ARBEITEN SCHON SEIT LANGEN JAHRENDARAN, DIE REGIONEN ENGER ANEINANDERZU BINDEN UND DIE BEDINGUNGEN DAFÜRZU SCHAFFEN, DASS WIR MEHR VONEINAN-

DER PROFITIEREN KÖNNEN. ICH BIN OPTI-MISTISCH, DASS WIR DAS SCHON IN NAHER

ZUKUNFT SCHAFFEN!Martin Eurlings

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HERAUSGEBER: Industrie- und Handelskammer Aachen (IHK)

Theaterstr. 6 – 10, 52062 Aachen

Telefon: 0241 4460-0

Internet: www.aachen.ihk.de

Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule

Aachen (RWTH)

Templergraben 55, 52056 Aachen

Telefon: 0241 80-1

Internet: www.rwth-aachen.de

VERANTWORTLICH: Dipl.-Ing. Michael F. Bayer

IHK Aachen

Dr. Regina Oertel

RWTH Aachen

REDAKTION: Helga Hermanns

Bluebox-Media GmbH

Ina Weyerts

IHK Aachen

LAYOUT: THOUET Werbeagentur, Aachen

SATZ UND DRUCK: FotoCom GmbH, Aachen

MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON:

- Europäisches Microsoft Innovations Center GmbH, Aachen

- FEV Motorentechnik GmbH, Aachen

- proRWTH - Freunde und Förderer der RWTH Aachen e. V. (Mitveranstalter des

Festaktes zum Jubiläum)

- Provincie Limburg, NL (PRVL)

IMPRESSUM

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25 JAHREKOOPERATIONSVERTRAG IHK AACHENRWTH AACHEN

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