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Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 1
KGNW-Forum 2001Zukunft Krankenhaus – Der Qualität verpflichtet
Qualität und Wettbewerb –Herausforderungen an das
Gesundheitssystem
Prof. Dr. Jürgen WasemLehrstuhl für Allgemeine BWLund Gesundheitsmanagement
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 2
Qualität und Wettbewerbs –Herausforderungen an das Gesundheitssystem
Überblick:
1. Krankenhäuser zwischen Versorgungsbedarf, Zukunftsbranche und Beitragssatzstabilität
2. Wettbewerb als Steuerungsinstrument der Gesundheitsversorgung
3. Weiterentwicklung der Entgeltregelungen in der Krankenhausversorgung, Wettbewerb und Qualitätssicherung
4. Fazit
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 3
1. Krankenhäuser zwischen Versorgungs-bedarf, Zukunftsbranche und
Beitragssatzstabilität
! Beitragssatzstabilität seit 25 Jahren zentraler Maßstab für gesundheitspolitischen Erfolg
! Krankenhaus als vermeintlich größter Ausgabenbereich bei Defiziten der GKV-Haushalte oftmals „Hauptschuldiger“
! aus ökonomischer Perspektive wären Ausgabenniveau und Dynamik an den Präferenzen der Betroffenen zu orientieren
! Präferenzen der Betroffenen können allerdings im Nicht-Markt-System „Gesundheit“ nicht direkt zur Geltung kommen
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 4
� in Befragungen bei Abwägung zwischen „weniger Leistungen“ und „mehr Beiträgen“ deutliche Präferenz der Befragten für „mehr Beiträge“
� uneinheitliche Befunde zur Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses in der GKV
� individuelle Kassenwahlentscheidung beitrags-satzgünstiger Kassen (durch Gesunde) bei gleichzeitiger Bekundung der Notwendigkeit solidarischer Finanzierung des Systems (durch nahezu alle)
ambivalente Befunde zur Bewertung der Beitragssätze in der GKV durch die
Bevölkerung
� in politischen Wahlen Zustimmung zu Programmen mit Beitragssatzstabilität ?
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 5
im internationalen Vergleich relativ hoher Ressourceneinsatz in Deutschland (1997)
(Quelle: OECD Health Data File, Paris 2000)
8,4 %Australien8,5 %Niederlande8,6 %Griechenland8,6 %Schweden9,2 %Kanada9,6 %Frankreich10,3 %Schweiz10,7 %Deutschland13,7 %USA
GesundheitsquoteLand
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 6
international hohe Gesundheitsquote Deutschlands wesentlich auch auf
die Wiedervereinigung zurückzuführen
Quelle: eigene Berechnungen nach BMG, Statistisches Bundesamt, versch. Jahrgänge
Vereinigungseffekt
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 7
Finanzprobleme der GKV wesentlich Resul-tat der Abkoppelung der Einnahmenseite
von der allg. Wirtschaftsentwicklung
Quelle: eigene Berechnungen, nach Stat. Bundesamt, BMG, verschiedene Jahrgänge
Beitragssatz-
anstieg
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 8
Legitimation für Politik der Beitragssatzstabilisierung ?
! sparsamer Umgang mit umverteilenden Zwangsabgaben geboten
� Vergleiche mit marktgetriebenen Wachstumsbranchen wie Tourismus, Informationstechnologien etc. führen insoweit in die Irre
� Über- und Fehlversorgungen sowie Maßnahmen ohne nachgewiesenen Nutzen sollten in der Regelversorgung nicht zu Lasten des Pflichtsystems finanziert werden
� soweit Lebenserwartung und gesundheitsbezogene Lebensqualität dem Gesundheitssystem zugerechnet werden können, ist Deutschland auf der Outcome-Seite nur „Mittelmaß " insoweit bestehen Effizienzreserven im deutschen System
Total population
1 Japan 74,5 21,6 21.3 - 22.4 7,3 8,42 Australia 73,2 20,2 19.9 - 20.9 7,8 8,13 France 73,1 21,7 21.4 - 22.7 7,5 8,04 Sweden 73,0 19,6 19.4 - 20.5 7,7 8,55 Spain 72,8 20,1 19.8 - 21.0 7,3 7,76 Italy 72,7 19,9 19.6 - 20.7 7,1 8,27 Greece 72,5 18,8 18.6 - 19.5 6,7 7,48 Switzerland 72,5 20,6 20.3 - 21.6 8,1 9,19 Monaco 72,4 21,5 21.1 - 22.5 8,3 8,7
10 Andorra 72,3 20,0 19.6 - 20.9 8,0 8,511 San Marino 72,3 19,6 19.2 - 20.5 7,7 8,612 Canada 72,0 18,9 18.6 - 19.8 8,1 9,613 Netherlands 72,0 19,7 19.4 - 20.6 7,2 8,214 United Kingdom 71,7 18,6 18.3 - 19.2 6,7 7,515 Norway 71,7 19,7 19.4 - 20.6 8,4 9,216 Belgium 71,6 19,6 19.3 - 20.4 7,8 8,217 Austria 71,6 18,7 18.4 - 19.4 7,5 7,418 Luxembourg 71,1 19,7 19.0 - 21.0 8,7 8,819 Iceland 70,8 17,0 16.4 - 18.3 9,0 10,020 Finland 70,5 18,5 18.3 - 19.3 8,4 8,621 Malta 70,5 17,3 17.0 - 18.2 9,6 10,322 Germany 70,4 18,5 18.2 - 19.1 8,6 8,323 Israel 70,4 16,9 16.7 - 17.8 9,3 10,424 United States of Am 70,0 18,4 18.1 - 19.2 8,6 8,825 Cyprus 69,8 17,3 17.0 - 18.1 8,2 10,0
Disability-adjusted life expectancy Percentage of lifespan lived with disability
LEVEL of Health (gemessen mit dem DALE-Konzept)
Uncertainty interval Males FemalesRank Member State At birth At age 60
Auszug aus: WHO 2000
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 10
�unterdurchschnittlichen Produktivität im Gesundheitswesen als Ausgangspunkt
Land Produktivität i. Vergl. zu Gesamtwirt.Österreich 86 %Belgien 57 %Deutschland 62 %Dänemark 64 %Finnland 57 %Italien 78 %
Quelle: OECD 2001, BASYS 2001
gesamtwirtschaftliche Effekte steigender Gesundheits-, insbesondere
Krankenhausausgaben
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 11
�mögliche negative gesamtwirtschaftliche Auswirkungen steigender Gesundheitsausgaben?
� bei Vollbeschäftigung: Wohlfahrtsverluste aufgrund der unterdurchschnittlichen Produktivität im Gesundheitswesen
� bei Unterbeschäftigung: steigende Beitragssätze erhöhen die Arbeitskosten und gefährden Arbeitsplätze außerhalb des Gesundheitswesens
� aber: ob in offener Volkswirtschaft der positive Beschäftigungseffekt im Gesundheitswesen die negativen Effekte in den übrigen Bereichen überwiegt, ist offen
gesamtwirtschaftliche Effekte steigender Gesundheits-, insbesondere
Krankenhausausgaben
� positiver Beschäftigungseffekt im Krankenhaus aufgrund überdurchschnittlicher Beschäftigungsintensität und hohem Anteilinländischer Verwendung besonders stark
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 12
Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Beitragssätze in der GKV
26,0 %20402001Buchner
31,2 %20401998Oberdieck
18,1 %+42 %20301997Wasem
25,0 %20301995Knappe
19,8 %+ 46 %20301995Birg
+2,5 bis 4 %-Punkte
20401995Erbsland/Wille
+ 19 %20301994Erbsland
26,4 %20301993Dudey
Beitrags-satzeffekt
Pro-Kopf-Aus-gaben (in %)
Progno-seziel
JahrAutor
Quelle: Buchner / Hessel / Greß /Wasem (2001)
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 13
0
197919821985198819911994 0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Tarif STATIONÄR Geschlecht Männer 1979-1996
Aus ga be n
AltersgruppeJahr
Versteilerung der Ausgabenprofile (zumindest bislang) im Krankenhaus
besonders stark
Quelle: Buchner / Wasem (2000)
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 14
TARIF: STATIONÄR Geschlecht: Männer 1979-1996
JAHR
19961995
19941993
19921991
19901989
19881987
19861985
19841983
19821981
19801979
Quo
tient
der
Alte
rscu
t-Met
hode
7,0
6,5
6,0
5,5
5,0
4,5
4,0
Pro-Kopf-Ausgaben der über 65-jährigen in Relation zu den Pro-Kopf-
Ausgaben der unter 65-jährigen
Quelle: Buchner / Wasem (2000)
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 15
! einzelwirtschaftliche Akteure bereits heute – trotz Effizienzreserven aus Systemebene – teilweise in der Notwendigkeit der grauen Rationierung
! gefordert ist eine explizite gesundheitspolitische Diskussion über das Setzen von Prioritäten und Posterioritäten
! unterschiedliche Kriterien zur Priorisierung denkbar: medizinische Dringlichkeit, Effektivität, Kosten-Effektivität, Kosten, Eigenverantwortung,...
! die Rationierungsentscheidung sollte nicht auf die Ebene der Selbstverwaltung und darf nicht auf die Ebene der einzelwirtschaftlichen Akteure verlagert werden
Beitragssatzstabilität zwingt bereits auf mittlere Sicht zur Priorisierung
und Posteriorisierung
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 16
Bei einer Abkehr vom Dogma der Beitragssatzstabilität sind
Orientierungskritererien zu entwickeln
! angebotsseitige Effekte (Innovationen) als Anpassungskriterium?
! (potentielle) Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung als Anpassungskriterium
! demographische Effekte als Anpassungskriterium?
! Morbiditätsentwicklung als Anpassungskriterium?
! MIX-Projekt der KBV: Entwicklung eines Morbiditätsindex
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2. Wettbewerb als Steuerungsinstrument der Gesundheitsversorgung
! Gesundheitssystem mit guten Gründen (externe Effekte, asymmetrische Informationen, Verteilungsaspekte) als Nicht-Markt-System organisiert
! Einführung / Ausbau wettbewerblicher Elemente, um vermuteten Effizienzhemmnissen der Nicht-Markt-Lösung entgegenzuwirken:
! zwischen den Kassen (im Verh. zum Versicherten)
! zw. den Leistungserbringern (in den Beziehungen zu Kassen und Versicherten)
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 18
Wettbewerb und Risikoselektionen
! Wettbewerbsvorteile können am leichtesten durch Risikoselektionen (der Kasse, des Leistungserbringers) erzielt werden
!gesamtwirtschaftlich bestenfalls Nullsummenspiel
!versorgungspolitisch problematisch
!Ausschaltung nicht nur durch Gebote/Verbote (Annahme- und Behandlungszwang etc.), sondern durch Anreize: hinreichend differenzierte Vergütungen, RSA, gezielte Förderung etc.
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 19
! beiderseitige Auswahl des Vertragspartners oder Kontrahierungszwang?
! Umfang und Tiefe des Angebotes als Ergebnis von Vertragsvereinbarungen oder von staatl. Bedarfsplänen?
! gemeinsam und einheitliche oder vertragsspezifische Preise?
! Einheitsqualität oder vertraglich differenzierte Qualitäten?
! Ist Wettbewerb über die Sektorengrenzen des Gesund-heitswesens hinweg mit dualer Investitionsfinanzierung bei Krankenhäusern und Pflegeheimen vereinbar?
Welche Parameter sollen im Wettbewerb freigegeben werden?
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 20
3. Weiterentwicklung der Entgeltrege-lungen in der Krankenhausversorgung, Wettbewerb und Qualitätssicherung
! Vorbemerkung: DRG-Einführung sollte mit einem realistischen Zeitplan betrieben werden; „falsche Relativgewichte“ im Ausgangsjahr zwar nicht budgetrelevant, setzen aber problematische Anreize
! DRGs intensivieren den Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern in doppelter Weise:
! ineffiziente Anbieter scheiden aus dem Markt aus
! ökonomisch sinnvolle Spezialisierung führt zu wett-bewerblich nutzbaren Qualitätsverbesserungen (die „andere Seite“ der „Industrialisierung der Patienten-versorgung“ (Jonitz))
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 21
(kurzfristige) Wettbewerbsvorteilelassen sich auch durch
Qualitätsverschlechterungen erzielen
! Studienergebnisse zur Veränderung der Outcomes bei DRG-Einführung uneinheitlich
! Notwendigkeit der zügigen Weiterentwicklung externer Qualitätssicherungsmaßnahmen; Konsequenzen aus schlechten Ergebnissen im Benchmark?
! brauchen wir administrative Mindestverweildauer-kontrollen als Instrument der Qualitätssicherung?
! Verbesserung der Transparenz über (Ergebnis-)Qualität auch für die Kunden wünschenswert
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 22
Schnittstellenmanagment zur ambulanten ärztlichen und pflegerischen Versorgung sowie
zur Rehabilitation wird noch mehr an Bedeutung gewinnen
! ein weiterer Grund, Integrationsversorgung (unter Einschluß des Krankenhauses) zügig anzugehen
! sektorübergreifende pauschalierende Vergütungen könnten die Anreize für Optimierung der Schnittstellen verbessern
! isolierte DRG-Einführung ohne Veränderungen in den Rahmenbedingungen der anderen Sektoren kann Versorgung beeinträchtigen
Prof. Dr. Wasem - Referat auf dem KGNW-Forum 2001 in Oberhausen - Folie 23
! auf welcher Ebene (einzelnes Krankenhaus, Bund, Land) und mit welchem Instrument (Punktzahl, Punktwert) erfolgt eine Reaktion auf Mengenveränderungen? wie stringent ist der Zwang zur Anpassung?
! wie wird die Krankenhausplanung mit den wirtschaftlichen Realitäten unter DRG-Bedingungen kongruent gemacht?
Wirkung der Einführung der DRGs hängt auch vom ordnungspolitischen Rahmen ab
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4. Schlußüberlegungen
! das Gesundheitswesen steht dauerhaft vor der Herausforderung, wachsende Anforderungen und Finanzierbarkeit miteinander zu vereinbaren; Beitragssatzstabilität bedürfte auf Dauer einer klaren Priorisierungspolitik
! Wettbewerb im Gesundheitswesen vermag die Versorgung stärker in Richtung WIrtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung zu lenken – erforderlich ist aber ein differenzierter ordnungspolitischer Rahmen, der den Risiken, die Wettbewerb auch birgt entgegentritt.