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© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. WISSENSCHAFT & DEBATTE DONNERSTAG, 1. OKTOBER 2009 | NR. 189 |9 D ie Zweifel an der Weiblichkeit von Caster Semenya, der Welt- meisterin über 800 Meter, waren be- rechtigt. Tests zufolge besitzt sie ein X- und ein Y-Chromosom, ist also genetisch ein Mann. Der Leicht- athletikverband IAAF hält Semenya für „intersexuell“. Das Geschlecht ist in jeder Hin- sicht etwas Labiles. Das fängt bei den Chromosomen an. Nur wenige Tiere haben überhaupt Ge- schlechts-Chromosomen, wie die Säuger mit den X- und Y-Chromoso- men. Säugetiere mit heterogameti- scher Kombination sind Männchen. Die Weibchen haben zwei gleiche Geschlechts-Chromosomen, also XX. Bei Vögeln ist es umgekehrt: Die Weibchen haben W- und Z-, die Männchen zwei W-Chromosomen. Die meisten Fische haben gar keine Geschlechts-Chromosomen. Bei den allermeisten Arten ist es völlig unbekannt, wie die Geschlechter ge- netisch determiniert sind. Offenbar sind mehrere Mechanismen mög- lich. Echte Zwitter, die sowohl Sa- men als auch Eier entweder gleich- zeitig oder in verschiedenen Le- bensphasen produzieren, sind nicht selten bei Fischen. Bei vielen Repti- lien wiederum entscheidet die Um- welt. Mutter Krokodil kann steuern, wie heiß sie die Eier ausbrütet, und damit, ob mehr Söhne oder Töchter entstehen. Selbst bei einem strikten XY-Ge- schlechtssystem wie beim Men- schen kann sehr viel Variation vor- kommen. Neben den Standard- Chromosomen 46,XX (weiblich) und 46,XY (männlich) gibt es auch die 45,X Variation mit nur einem weiblichen X-Chromosom. Men- schen mit diesem „Turner-Syn- drom“ sind unfruchtbar, haben aber sonst einen normalen weiblichen Körper. Beim Klinefelder-Syndrom 47,XXY handelt es sich um männli- che Phänotypen. Aber es gibt auch Mosaike: mos45,X/46,XX und mos45,X/46,XY sowie den Chime- rismus chi46,XX/46,XY wobei nicht alle Zellen des Körpers die gleiche Chromosomenzahl haben. Vielleicht hat Semenya zwar ein X- und ein Y-Chromosom, aber mit einem defekten Arm des Y-Chromo- soms, auf dem das geschlechtsbe- stimmende Gen (SRY) sitzt. Sie wäre damit eine sterile XY-Frau. Se- menya selbst sagte: „Gott hat mich nun einmal gemacht, wie ich bin.“ [email protected] SUSANNE DONNER | DÜSSELDORF Wenige Chemiker dürften einen so sonnigen Arbeitsplatz haben wie Mi- chael Oelgemöller. Seine Versuche finden nicht im schattigen Labor bei Neonlicht statt, sondern unter der prallen Sonne Australiens, auf dem Dach der James Cook University in Townsville. Nach der Energiewirtschaft könnte bald auch die Chemie die Kraft der Sonne für ihre Zwecke erschließen. Bisher halten Chemiker ihre Reagenz- gläser eher über den Bunsenbrenner als in die Sonne. Die Industrie interes- sierte sich lange Zeit wenig für die Möglichkeiten der Fotochemie, also lichtgetriebene Reaktionen. „Sie wird in der Zukunft mehr Bedeutung ha- ben“, sagt Jochen Mattay von der Uni- versität Bielefeld. Sobald fossile Roh- stoffe und Energiequellen für die che- mische Industrie deutlich teurer wer- den, kann die Sonne als kostenlose Energiequelle punkten. Neue Spezial- chemikalien, vielleicht Arzneien oder Lacke, könnten dann mittels Tages- licht produziert werden. „Wenn das einmal anerkannt ist, könnte man auch Massenchemikalien wie Capro- lactam auf diese Weise herstellen“, sagt Mattay. Er weist auf Untersuchun- gen hin, die belegen, dass die Chemie auch bei bewölktem Himmel in Gang kommt. Auch der führende Schweizer Solartechniker Aldo Steinfeld von der Eidgenössischen Technischen Hoch- schule Zürich ist optimistisch. Im Juli verkündete er, dass man lediglich ei- nen chemischen Reaktor in ein Solar- turm-Kraftwerk einbauen müsse, um die Sonne für chemische Reaktionen zu nutzen. Doch vor den industriellen An- wendungen kommt zunächst die in- tensive Forschung. Einer der führen- den Solarchemiker ist Mattays ehe- maliger Mitarbeiter Michael Oelge- möller, der Deutschland 1999 verließ und heute in Australien eine Gastpro- fessur innehat. „Drei große Trends prägen derzeit die Solarchemie“, sagt Oelgemöller. Das mit Abstand prominenteste Feld ist die solare Her- stellung von Wasserstoff aus Wasser. Wer das schafft, hat die Energiefrage ein für allemal gelöst, weil Wasser- stoff ein ausgezeichneter Treibstoff ist. Doch von diesem Traum ist man noch immer weit entfernt. Die erfor- derlichen Katalysatoren zersetzen sich zu rasch. Deutlich weniger For- scher widmen sich dagegen den ande- ren beiden Bereichen: der Produk- tion von Chemikalien mit Hilfe der Sonne und der solaren Zerlegung von Schadstoffen. In Oelgemöllers Sonnenlabor auf dem Institutsdach hilft das Tages- licht beispielsweise dabei, eine Sub- stanz namens Juglon aufzubauen, die in Walnussschalen vorkommt. Sie sorgt dafür, dass unter Wallnussbäu- men nichts mehr wächst. „Das ist ein natürliches Unkrautbekämpfungs- mittel“, sagt Oelgemöller. Aber auch als Baustein für Antibiotika und Krebsarzneien, für Aromastoffe und Parfums könnte der watteähnliche, orange Stoff taugen. Bei klassisch-chemischer Herstel- lung kosten allerdings fünf Gramm Juglon einige Hundert Euro. Zu teuer, um die Substanz für Anwen- dungen interessant zu machen. Au- ßerdem entsteht dabei das giftige Schwermetall Chrom, das aufwendig entsorgt werden muss. Auf dem Sonnendach der Chemi- ker in Townsville entsteht Juglon da- gegen ohne Gift, preiswert und ein- fach: Isopropanol, ein Alkohol, der in Nagellackentfernern eingesetzt wird, wird in einem Glaskolben mit dem Farbstoff Bengal Rosa versetzt, eine Aquariumpumpe bläst Luft dazu. Dann legt man den Kolben in die Sonne, die den Rest erledigt. Die Lösung färbt sich zusehends tiefrot. Der Alkohol reagiert mit dem einge- brachten Sauerstoff. „Das kann man auch im Labor unter einer Lampe ma- chen. Aber draußen funktioniert es besser“, sagt Oelgemöller. Im Son- nenlicht liegt die Effizienz bei 80 Pro- zent, innerhalb der Institutsmauern sind es nur 60 bis 70 Prozent. Oelgemöller hofft nun, dass ein In- vestor anspringt und eine solarchemi- sche Pilotanlage für Juglon errichtet. Dass das keine aberwitzige Vision ist, demonstriert das Deutsche Zen- trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Dort steht ein gewaltiger So- larreaktor im Freien. Darin kann eine Komponente für die Produktion von Rosenduft gewonnen werden. 100 Tonnen Rosenduft verkaufen Fabriken jährlich. Allerdings nutzen sie teures und energieraubendes Kunstlicht. Die Sonne hat sich nicht durchgesetzt, obwohl sie genauso wirtschaftlich ist wie das Kunstlicht- verfahren. Doch Lampenreaktoren sind der Industrie vertraut; die Inves- titionen und das Risiko sind gering. Sonnenfabriken stehen dagegen nur in wenigen Forschungsstätten. Den Sprung in die Produktion haben sie bisher nicht geschafft. So muss Oel- gemöller weiterhin Überzeugungsar- beit leisten, wenn er Vertreter der Industrie oder öffentliche Geldgeber gewinnen möchte. „Am leichtesten bekommt man heute Geld für die solare Abwasserbehandlung“, sagt er. Forscher um Christian Jung vom DLR-Institut für Technische Thermo- dynamik haben eine solare Wasser- aufbereitungsanlage entwickelt. Im baden-württembergischen Lam- poldshausen entgiftet sie stark belas- tetes Abwasser. Mit Hilfe der Sonne und mit Wasserstoffperoxid werden Arzneimittelrückstände und anorga- nische Stickstoffverbindungen zer- stört. „Das Wasser wird in sehr kur- zer Zeit gereinigt. Das funktioniert besser als mit konventionellen Ver- fahren“, so Jung. Das Sonnenklär- werk arbeitet so gut, dass das Wasser sogar in das umliegende Naturschutz- gebiet eingeleitet werden darf. Die Firma Kaco New Energy in Neckar- sulm will Jungs solare Reinigungs- technik künftig global vermarkten. LONDON. Der berühmte britische Astrophysiker Stephen Hawking geht offiziell in den Ruhestand. Der schwerbehinderte Wissenschaftler werde den renommierten Lucasi- schen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Cambridge nach 30 Jahren heute abgeben, teilte die Uni- versität am Mittwoch mit. Hawking hat mit 67 Jahren die Altersgrenze für den Lehrstuhl erreicht. Er werde aber weiter an der Universi- tät arbeiten. Ein Nachfolger soll in näherer Zukunft bekanntgegeben werden. Der Lucasische Lehrstuhl für Ma- thematik ist einer der angesehensten und ältesten der Welt, ihn hatte schon Isaac Newton inne. Hawking, der wegen der Muskelschwäche ALS fast völlig bewegungsunfähig ist und nur über einen speziell gefertigten Computer kommunizieren kann, ge- hört zu den weltweit bekanntesten Kosmologen. Sein wissenschaftli- cher Ruhm beruht unter anderem auf der 1974 erstmals veröffentlichten Herleitung der „Hawking-Strahlung“ von Schwarzen Löchern. Einem breiten Publikum wurde Hawking 1988 durch sein Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ bekannt, das mit über neun Millionen welt- weit verkauften Exemplaren ein inter- nationaler Bestseller wurde. Darin er- läutert Hawking Fragen zur Kosmolo- gie und dabei insbesondere die Rolle der Zeit. Es enthält Betrachtungen zum Urknall und versucht, Eigen- schaften schwarzer Löcher mit Hilfe der Stringtheorie zu erklären. Hawking wurde durch seine Fähig- keit, sehr komplexe Themen in an- schauliche Bilder zu übertragen, auch weit über die akademische Welt hinaus bekannt. Berühmt ist sein Ver- gleich, dass die Frage nach der Zeit vor dem Urknall so unsinnig sei wie die Frage nach dem, was südlich des Südpols komme. dpa/fk QUANTENSPRUNG Männlich, weiblich oder Zwitter? MO ÖKONOMIE: VWL DI ESSAY MI ÖKONOMIE: BWL & FINANCE DO NATUR UND GEIST FR LITERATUR Professor für Evolutionsbiologie in Konstanz UNSERE THEMEN AXEL MEYER Chemiker nutzen die Kraft der Sonne Solarchemie könnte eine günstige Alternative für viele Prozesse sein Physiker Hawking gibt seinen Lehrstuhl auf Der schwerbehinderte Forscher geht in den Ruhestand In einem solarchemischen Versuchsreaktor des DLR in Köln entsteht der Duftstoff Rosenoxid. Foto: Pressefoto DLR

QUANTENSPRUNG Chemiker nutzen die Kraftder Sonne · Chromosomen 46,XX (weiblich) und 46,XY (männlich) gibt es auch die 45,X Variation mit nur einem weiblichen X-Chromosom. Men-schen

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Page 1: QUANTENSPRUNG Chemiker nutzen die Kraftder Sonne · Chromosomen 46,XX (weiblich) und 46,XY (männlich) gibt es auch die 45,X Variation mit nur einem weiblichen X-Chromosom. Men-schen

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WISSENSCHAFT & DEBATTEDONNERSTAG, 1. OKTOBER 2009 | NR. 189 | 9

D ie Zweifel an der Weiblichkeitvon Caster Semenya, derWelt-

meisterin über 800Meter,warenbe-rechtigt. Tests zufolge besitzt sieein X- und ein Y-Chromosom, istalsogenetisch einMann.Der Leicht-athletikverband IAAF hält Semenyafür „intersexuell“.Das Geschlecht ist in jeder Hin-

sicht etwas Labiles. Das fängt beiden Chromosomen an. Nur wenigeTiere haben überhaupt Ge-schlechts-Chromosomen, wie dieSäugermit denX- undY-Chromoso-men. Säugetiere mit heterogameti-scherKombination sindMännchen.Die Weibchen haben zwei gleicheGeschlechts-Chromosomen, alsoXX. Bei Vögeln ist es umgekehrt:DieWeibchen habenW- und Z-, dieMännchen zwei W-Chromosomen.Die meisten Fische haben gar keineGeschlechts-Chromosomen. Beiden allermeisten Arten ist es völligunbekannt,wie dieGeschlechter ge-netisch determiniert sind. Offenbarsind mehrere Mechanismen mög-lich. Echte Zwitter, die sowohl Sa-men als auch Eier entweder gleich-zeitig oder in verschiedenen Le-bensphasen produzieren, sind nichtselten bei Fischen. Bei vielen Repti-

lien wiederum entscheidet die Um-welt.MutterKrokodil kann steuern,wie heiß sie die Eier ausbrütet, unddamit, obmehr Söhne oderTöchterentstehen.Selbst bei einem strikten XY-Ge-

schlechtssystem wie beim Men-schen kann sehr viel Variation vor-kommen. Neben den Standard-Chromosomen 46,XX (weiblich)und 46,XY (männlich) gibt es auchdie 45,X Variation mit nur einemweiblichen X-Chromosom. Men-schen mit diesem „Turner-Syn-drom“ sind unfruchtbar, haben abersonst einen normalen weiblichenKörper. Beim Klinefelder-Syndrom47,XXY handelt es sich um männli-che Phänotypen. Aber es gibt auchMosaike: mos45,X/46,XX undmos45,X/46,XY sowie den Chime-rismus chi46,XX/46,XY wobeinicht alle Zellen des Körpers diegleiche Chromosomenzahl haben.Vielleicht hat Semenya zwar ein

X- und ein Y-Chromosom, aber miteinemdefektenArmdesY-Chromo-soms, auf dem das geschlechtsbe-stimmende Gen (SRY) sitzt. Siewäre damit eine sterileXY-Frau. Se-menya selbst sagte: „Gott hat michnun einmal gemacht, wie ich bin.“[email protected]

SUSANNEDONNER | DÜSSELDORF

Wenige Chemiker dürften einen sosonnigen Arbeitsplatz habenwieMi-chael Oelgemöller. Seine Versuchefinden nicht im schattigen Labor beiNeonlicht statt, sondern unter derprallen Sonne Australiens, auf demDach der James Cook University inTownsville.Nach der Energiewirtschaft könnte

bald auch die Chemie die Kraft derSonne für ihre Zwecke erschließen.Bisher haltenChemiker ihre Reagenz-gläser eher über den Bunsenbrennerals in die Sonne. Die Industrie interes-sierte sich lange Zeit wenig für dieMöglichkeiten der Fotochemie, alsolichtgetriebene Reaktionen. „Sie wirdin der Zukunft mehr Bedeutung ha-ben“, sagt JochenMattay von der Uni-versität Bielefeld. Sobald fossile Roh-stoffe und Energiequellen für die che-mische Industrie deutlich teurer wer-den, kann die Sonne als kostenloseEnergiequelle punkten. Neue Spezial-chemikalien, vielleicht Arzneien oderLacke, könnten dann mittels Tages-licht produziert werden. „Wenn daseinmal anerkannt ist, könnte manauch Massenchemikalien wie Capro-lactam auf diese Weise herstellen“,sagtMattay. Erweist aufUntersuchun-gen hin, die belegen, dass die Chemieauch bei bewölktem Himmel in Gangkommt. Auch der führende SchweizerSolartechniker Aldo Steinfeld von derEidgenössischen Technischen Hoch-schule Zürich ist optimistisch. Im Juliverkündete er, dass man lediglich ei-nen chemischen Reaktor in ein Solar-turm-Kraftwerk einbauen müsse, umdie Sonne für chemische Reaktionenzu nutzen.Doch vor den industriellen An-

wendungen kommt zunächst die in-tensive Forschung. Einer der führen-den Solarchemiker ist Mattays ehe-maliger Mitarbeiter Michael Oelge-möller, der Deutschland 1999 verließundheute inAustralien eineGastpro-fessur innehat. „Drei große Trendsprägen derzeit die Solarchemie“,sagt Oelgemöller. Das mit Abstandprominenteste Feld ist die solareHer-stellung vonWasserstoff ausWasser.Wer das schafft, hat die Energiefrageein für allemal gelöst, weil Wasser-stoff ein ausgezeichneter Treibstoffist. Doch von diesem Traum ist mannoch immer weit entfernt. Die erfor-derlichen Katalysatoren zersetzensich zu rasch. Deutlich weniger For-scherwidmen sichdagegendenande-ren beiden Bereichen: der Produk-tion von Chemikalien mit Hilfe derSonne und der solaren Zerlegungvon Schadstoffen.In Oelgemöllers Sonnenlabor auf

dem Institutsdach hilft das Tages-licht beispielsweise dabei, eine Sub-stanz namens Juglon aufzubauen, diein Walnussschalen vorkommt. Siesorgt dafür, dass unter Wallnussbäu-men nichts mehr wächst. „Das ist einnatürliches Unkrautbekämpfungs-mittel“, sagt Oelgemöller. Aber auchals Baustein für Antibiotika undKrebsarzneien, für Aromastoffe undParfums könnte der watteähnliche,orange Stoff taugen.Bei klassisch-chemischer Herstel-

lung kosten allerdings fünf GrammJuglon einige Hundert Euro. Zuteuer, um die Substanz für Anwen-

dungen interessant zu machen. Au-ßerdem entsteht dabei das giftigeSchwermetall Chrom, das aufwendigentsorgt werdenmuss.Auf dem Sonnendach der Chemi-

ker in Townsville entsteht Juglon da-gegen ohne Gift, preiswert und ein-fach: Isopropanol, ein Alkohol, der inNagellackentfernern eingesetztwird, wird in einem Glaskolben mitdem Farbstoff Bengal Rosa versetzt,eine Aquariumpumpe bläst Luftdazu. Dann legt man den Kolben indie Sonne, die den Rest erledigt. DieLösung färbt sich zusehends tiefrot.Der Alkohol reagiert mit dem einge-brachten Sauerstoff. „Das kann manauch imLabor unter einer Lampema-chen. Aber draußen funktioniert esbesser“, sagt Oelgemöller. Im Son-nenlicht liegt dieEffizienz bei 80Pro-zent, innerhalb der Institutsmauernsind es nur 60 bis 70 Prozent.

Oelgemöller hofft nun, dass ein In-vestor anspringt undeine solarchemi-sche Pilotanlage für Juglon errichtet.Dass das keine aberwitzige Visionist, demonstriert das Deutsche Zen-trum für Luft- und Raumfahrt (DLR)in Köln. Dort steht ein gewaltiger So-larreaktor im Freien. Darin kann eineKomponente für die Produktion vonRosenduft gewonnenwerden.100 Tonnen Rosenduft verkaufen

Fabriken jährlich. Allerdings nutzensie teures und energieraubendesKunstlicht. Die Sonne hat sich nichtdurchgesetzt, obwohl sie genausowirtschaftlich ist wie das Kunstlicht-verfahren. Doch Lampenreaktorensindder Industrie vertraut; die Inves-titionen und das Risiko sind gering.Sonnenfabriken stehen dagegen nurin wenigen Forschungsstätten. DenSprung in die Produktion haben siebisher nicht geschafft. So muss Oel-

gemöllerweiterhinÜberzeugungsar-beit leisten, wenn er Vertreter derIndustrie oder öffentliche Geldgebergewinnen möchte. „Am leichtestenbekommt man heute Geld für diesolare Abwasserbehandlung“, sagter.Forscher um Christian Jung vom

DLR-Institut fürTechnischeThermo-

dynamik haben eine solare Wasser-aufbereitungsanlage entwickelt. Imbaden-württembergischen Lam-poldshausen entgiftet sie stark belas-tetes Abwasser. Mit Hilfe der Sonneund mit Wasserstoffperoxid werdenArzneimittelrückstände und anorga-nische Stickstoffverbindungen zer-stört. „Das Wasser wird in sehr kur-

zer Zeit gereinigt. Das funktioniertbesser als mit konventionellen Ver-fahren“, so Jung. Das Sonnenklär-werk arbeitet so gut, dass dasWassersogar in das umliegendeNaturschutz-gebiet eingeleitet werden darf. DieFirma Kaco New Energy in Neckar-sulm will Jungs solare Reinigungs-technik künftig global vermarkten.

LONDON. Der berühmte britischeAstrophysiker Stephen Hawkinggeht offiziell in den Ruhestand. Derschwerbehinderte Wissenschaftlerwerde den renommierten Lucasi-schen Lehrstuhl für Mathematik ander Universität Cambridge nach 30Jahrenheute abgeben, teilte dieUni-versität amMittwoch mit. Hawkinghat mit 67 Jahren die Altersgrenzefür den Lehrstuhl erreicht. Erwerde aber weiter an der Universi-tät arbeiten. Ein Nachfolger soll innäherer Zukunft bekanntgegebenwerden.Der Lucasische Lehrstuhl für Ma-

thematik ist einer der angesehenstenund ältesten der Welt, ihn hatteschon Isaac Newton inne. Hawking,der wegen der Muskelschwäche ALSfast völlig bewegungsunfähig ist undnur über einen speziell gefertigtenComputer kommunizieren kann, ge-hört zu den weltweit bekanntestenKosmologen. Sein wissenschaftli-

cherRuhmberuht unter anderem aufder 1974 erstmals veröffentlichtenHerleitung der „Hawking-Strahlung“von Schwarzen Löchern.Einem breiten Publikum wurde

Hawking 1988 durch sein Buch „Einekurze Geschichte der Zeit“ bekannt,das mit über neun Millionen welt-weit verkauftenExemplarenein inter-nationalerBestsellerwurde.Darin er-läutertHawkingFragenzurKosmolo-gie und dabei insbesondere die Rolleder Zeit. Es enthält Betrachtungenzum Urknall und versucht, Eigen-schaften schwarzer Löcher mit Hilfeder Stringtheorie zu erklären.Hawkingwurdedurch seineFähig-

keit, sehr komplexe Themen in an-schauliche Bilder zu übertragen,auchweit über die akademischeWelthinausbekannt. Berühmt ist seinVer-gleich, dass die Frage nach der Zeitvor dem Urknall so unsinnig sei wiedie Frage nach dem, was südlich desSüdpols komme. dpa/fk

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