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Querbeet und dwarsdör för elk wat in lütters (hochdeutsch) un platt von und van Manfred Brants

Querbeet und dwarsdör - ostfriesland-erinnerungen.de · Van well hest Du dat? 151 't word all' minner 152 7. VIII Oorlogsenne un Kluttentied Stunde Null 154 ... Haßlinghausen (NW)

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Querbeet und dwarsdör

f ö r e l k w a t

i n l ü t t e r s ( h o c h d e u t s c h )

u n p l a t t

v o n u n d v a n

M a n f r e d B r a n t s

Alle Rechte, insbesondere des Nachdrucks und der auch teilweisen Veröffentlichungen, vorbehalten!

Die einheitliche Schreibweise der plattdeutschen Sprache beruht auf dem "Oostfreesk Woordenbook" von Dr. Jürgen Byl/ Elke Brückmann,

herausgegeben von der ostfriesischen Landschaft,Schuster-Verlag.

M a n f r e d B r a n t s

q u e r b e e t u n d d w a r s d ö r

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite:IVorangestellt

Gedanken zur Titelseite 12

IIVertellsels

Een Mark sünd tein Grosken! - Of neet? 17Auto mit Spaarbürs 18't is hum rein mall to, freei to fragen 19Heel arm Swien 20Dwarsdör 22Nudels un Krummbeersalat 25Dat malle "Sch" 27Bi d' Haarofsnieder 29Man wat butt 31Lüttje Fent 32Susen in de Mür 33Neet blot Malls in Kopp hebben 35Ollerwelske Namen 36Mien Dank an Kaatjetant' 40Bohnen 42Naproot 48

4

IIIGedanken

a) zur ostfriesisch-plattdeutschen Sprache 50b) Uns Modertaal sall leven 60c) Standesamtliche Trauung auf ostfriesisch-plattdeutsch 61

IVMit een lüttje Knippoog

Bartje 68Gedichts-Wettbewerb von Radio Bremen 69Kuuskellen 70Na Kanaan 71Lüstige Halfmallen 72Neet blot mit Tahlen tellen 73Kalennerkeerl 75Meta's Mallör 76Beim Karneval in Nöten 77Pantoffelheld 78Ropperg un sünner Schamte 79

5

VFeuerwehrfeste

Hinni Klaassen 821959 831960 851961 861962 88Fier un Füür 90Der Lehnstuhl und das Feuerwehrfest 91

VIRiemsels van dit un dat

up Klumpen 95Reaktion auf eine Verleumdung Ostfrieslands 96Mignon 98Mit Skateboard up Schoolhoff 99Die Zeit rast 101Ein Gästebuch 102Neet hangen laten! 104Chemo 106Chemo II 107und doch, es wird 108Arbeitsfreude 109't is raar 111De Kark kraakt! 112Toflücht 113

6

Up en schofel Maneer 114Nix blifft as 't is 115Verannern 116Sull ik? 117De Ball 118Rechtsstaat mit Macke 119

VIIErinnerungen

Von Neermoor bis zum Ende der Welt 122Tant' Ditzum 125Radtour zum Ende der Welt 129Mein Vater und der Krieg 134Das Paradies 139Aus Kindermund 142Mesters 144Perlenhochzeit 146Van well hest Du dat? 151't word all' minner 152

7

VIIIOorlogsenne un Kluttentied

Stunde Null 154Brunnenstraße 158Villenstraße 160Birnenernte 163Verbotene Früchte 164Liesel 165Ein Kalb 167Waschfrau 168Wo sind die Schuhe? 169Hunger und Not 171Wertvolle Hilfe 173Ein Jeep 174

IXDurch Nacht und Jahr

Gute Nacht 176Sücht de Maan ok all Verdarven? 178Holzauge sei wachsam 180De swart-witte "rode Dook" 181Jank na d' Vörjahr 183Vörjahr 184Weidekätzchen 186

8

Kopern Spiekers worden Bladen 188Harvst 189Sturm 191Unweer 192Winter domaals 194Winter nu 196

XHeimatfestspiele in Leer

auch hinter den Kulissen 198Heimatfestspiele 205Stönpahl 208Naproot - Heimatspill 209

XIRund um Weihnachten

De Wiehnachtsgeschicht 222Elke Jahr van Neeisen 226Van Hemel hoog 227Knecht Ruprecht 228Wiehnachtsgeschenk 231Nu is dat weer eenmaal sowied 233Weihnachtsfeier für Kinder städtischer Bediensteter in Leer 235O Dannenboom, o Dannenboom 240

9

XII

Kleine Hilfe für ungeübte Plattdeutsch-Leser 242

10

I

Vorangestellt:

Gedanken zur Titelseite

11

Gedanken zur Titelseite

"Q u e r b e e t und d w a r s d ö r"

för elk watin lütters (hochdeutsch) un platt

Die Wörter "querbeet und dwarsdör" sollen deutlich machen, daß dieserVeröffentlichung kein Schwerpunktthema zugrunde liegt. Es handelt sich hiervielmehr um eine Sammlung verschiedenartiger Beiträge, die in Prosa- oderGedichtform völlig unterschiedliche Themen behandeln.

Außerdem erkennt man schon an dem Haupttitel, daß der Inhalt des Buchessowohl in hochdeutscher als auch in plattdeutscher Sprache aufbereitetwurde.

Die Interessensgebiete der Leser sind von Natur aus selbstverständlich nichtgleich. Gerade deshalb habe ich die Hoffnung, daß die Mehrschichtigkeit derThemenstellung und -behandlung für jeden wenigstens etwas bringt, nämlich"för elk wat".

Damit es wirklich ganz klar herauskommt, in welcher Sprache das Buchverfaßt wurde, heißt es im Untertitel weiter "in lütters (hochdeutsch) unplatt."

Warum habe ich die hochdeutsche Sprache im Untertitel mit "lütters"bezeichnet?

12

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, daß mein Vater diesen Ausdruck sehroft für die hochdeutsche Sprache gebrauchte. Dabei war ich dann immer derMeinung, daß dieser hierfür verwandte Ausdruck eine Wortschöpfung vonihm war.

Mein Vater war ein sehr geselliger und humorvoller Mensch, dessenAnwesenheit bei jeder Feier eine Garantie für "Bombenstimmung" bedeutete.Er hatte sehr vieles "drauf", wie man so sagt. Deshalb lag es für mich nahe,daß die Bezeichnung "lütters" für die hochdeutsche Sprache seinemhumorigen Wesen entsprungen war.

Später habe ich dann verwundert festgestellt, daß dieser Ausdruck auchanderweitig bekannt war. Selbst meinen Freunden aus Emden, die ich inHaßlinghausen (NW) kennengelernt habe, war dieser nicht fremd!

Ich habe mir nun Gedanken darüber gemacht, wie dieses Wort für diehochdeutsche Sprache wohl zustandegekommen sein mag.

Dabei bin ich zu folgender Überlegung gekommen:

Etwa Mitte des 17. Jahrhunderts wurde vorübergehend im westlichen TeilOstfrieslands als Kanzelsprache der reformierten Kirchengemeindenniederländisch, was praktisch eine Dialektform des Niederdeutschen war,gesprochen, während in den lutherischen Kirchen in hochdeutscher Sprachegepredigt wurde.

13

Die niederländische Sprache hat dann natürlich von den Kirchen ausgehendauch in den Bürgerhäusern und Schulen Eingang gefunden. So sollen noch1874 in den Kreisen Leer und Emden mehr niederländische als deutsche Schulbücher benutzt worden sein.Nach Auffassung von Dr. Marschalleck (OZ 4/53) erklärt sich dieserVorgang so, daß die reformierten Gemeinden schon aus Opposition zu denlutherischen streng an der Verbindung mit der reformierten Kirche Hollandsfesthielten und auch deren Sprache benutzten.

Aus der Stadtgeschichte von Leer ist bekannt, daß die dortige reformierteGemeinde die Vorherrschaft hatte. Diese ging soweit, daß der lutherischenGemeinde in Leer lange Zeit der Bau eines Kirchturms trotz Gestattung durchden Landesherrn im Jahre 1674 wegen Widerstandes der reformierten Kircheverwehrt wurde! Nachdem es dieserhalb wie schon vorher fast wieder zueiner kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den beidenKirchengemeinden gekommen wäre, setzte Friedrich der Große von Preußenerst nach dem 7-jährigen Krieg einen Schlußpunkt unter diesen Streit underlaubte den Lutheranern endlich den Turmbau!

Man sieht, die Gegensätze zwischen den Kirchengemeinden waren -abgesehen von den unterschiedlichen religiösen Lehren sehr groß, was sichsogar auf die Sprache der Kirchenmitglieder auswirkte!

Da also zu der damaligen Zeit die Lutheraner hochdeutsch sprachen, ist esnaheliegend, daß der Ausdruck "he proot lütters" der reformierten Traditionentstammt. Ich habe an diesem Ausdruck Gefallen gefunden und schriebdeshalb also auch in „lütters“!

14

mein Vater

15

II

Vertellsels . . .

16

Een Mark sünd tein Grosken! Of neet?

"Opa Jüchter, hest Du Mark sehn?""Seker hebb ik al 'maal een Mark sehn!""Ik meen aber doch m i e n Mark!""Wieso, hest Du een Mark verloren?""Ja, ik hebb Mark ut de Ogen verloren un will doch mit hum spölen!""Fent, Di fehlen wall negenunnegentig Pennings an een Mark! Mit Geld spöltman doch neet!""Och, Opa Jüchter, dat hett doch nix mit Geld to doon!""Nu word all leper! Froher hete dat: Well de Pennings neet ehrt, is de Dalersneet wert ! Nu sall een hele Mark al nix mehr bedüden?! Schaam Di wat!""Opa Jüchter, Du brengst 't ja all dörnanner! Ik sök doch Mark, mien Fründ!""So, nu tomaal sall een Mark sogaar Dien Fründ wesen? Jung, stell dat Geldblot neet so boven an! Mit Geld kannst Du kien rechtschapen Fründskuppwinnen!""Oh, Opa Jüchter, wat büst Du en Schüvkemaker! Du weest heel wiß, dat ikkien Markstück meen un doch Mark Janssen ut de Diekstraat sök! Is de nuhier vörbigahn of neet?""Wat seggst Du daar? Mark sall en Naam wesen?! Nee, wat is dat doch enWerelt worden! De Minsken hebben vandaag blot Geld in d' Kopp! Nunömen se al hör Kinner daarna!!!"

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17

Auto mit Spaarbürs

As mien Brör vör en Sett of wat sien Auto schoon mook, satt sien lüttjeKindskind in de Fahrtüg, dreihte de Stür hen un her un spölde Autofahren."Laat hum", doch mien Brör, "daar kann ja nix geböhren, um dat deZündslödel neet in d' Slött sitt."

Man wat hett he sük verfehrt, as de lüttje Fent naderhand tegen hum see:"Opa, ik hebb all Dien Pennings in d' Spaarbürs doon."

Wat harr he anstellt?

In en Fack van de Wagen harr mien Brör wat Kleengeld liggen, um för 'tParken un ok in en Notgefall för 't Telefoneeren futt wat to d' Hand to hebben.

Nu harr de lüttje Fent dat hele Geld verraftig in de Lüftungsslitz smeten unmeent, dat was en Spaardös!

Junge, wat hett mien Brör do en Wark hatt, dat daar weer ruttokriegen! Undoch kunn he hum neet düll wesen un muß noch smüstern!

So is nu maal en Opa!

18

't is hum rein mall to, freei to fragen!

Harm Ihnen stunn vör de Schrievdisk un dreihde sien Pool tüsken de smeerigeHannen."Baas, ik wull Di even Bescheed seggen, - eh - ik meen, eh - dat heet ...""Man, Ihnen, wat is los? Nun 'maal rut daarmit! Wat wullt Du mi seggen?""Ja, dat is man, also - van token Weke of an kann ik seß Maand lang neetarbeiden komen.""Wat is dat? Seß Maand? Büst mall worden? Sovöl Urlaub hest Du doch heelneet to verwachten! Wat wullt Du overhopt so lang?""Nee, Urlaub neet. Man - also freei herut geseggt: ik mutt sitten.""Wat? Seß Maand in d' Backje?! Wat hest Du denn utfreten?""Egentlik neet völ. Weest, ik hebb mi in Weertskupp 'maal vör 'n Sett of watfix en antittjet, dat ik neet mehr fahren kunn. Do hebb ik mi midden up deStraat stellt un wacht, bit en Auto kweem. De hebb ik dann anhollen un tegende Fahrer seggt: "Breng mi even na Huus. Ik wohn in de Diekstraat." Do seede Keerl verraftig to mi: "Wo koom ik daarto? Dat fallt mi ja heel neet in.Maak Bott un gah mi ut de Padd!"Wat meenst Du wall, Baas, de Unnösel hebb ik 't wesen! Ik hebb hum to sienWagen ruttült un hum en verpötert, dat he ok neet mehr fahren kunn! Wenn dedüvelse Fent mi naderhand neet bi d' Schandarm ankleit harr, brukde ik nuneet achter de iesdeern Dör un hövte mi nu ok neet daarför freeitofragen. Süh,so kann en 't gahn in disse nare Werelt!"

- - - - - - - -

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Heel arm Swien

Dat muß nettakkraat so veer Weke her wesen, do harr de BauunnernehmerPeerboom hier vör Inspekter Veerkant in Radhuus seten, wall he mit de fast-settde Stratengeld neet inverstahn was.

"Waar sall dat dann all herkomen", harr he flutert, "daar kann man ja heelneet tegen verdenen!" Un dann harr he up de "Dickpansen" schullen, de sük soallmachteg hoge Diäten inböhrten un ok anners noch 'n bülte tostoken kregen,waar man heel neet achterkeek.

"Waar wat is, kummt alltied noch wat bi. Löven S' mi, Veerkant,", harr hemeent, "daar sünd wi beide heel arm Swienen tegen."

"Ja, ik mit mien lüttje Inkomen heel wiß", harr Veerkant do noch docht, "manDu, Peerboom, sallst ok wall kien Smachtlapp wesen, wenn Du Di al mitDien egen Jagdreveer neet tofree giffst un ok noch na Kanada flüggst, um upBarenjagd to gahn!"

"Unsereen mutt al blied wesen, wenn he sük blot en brukde Wagen kopenkann", harr Peerboom dann wieder reselveerd.

"Wat, Se?", harr Veerkant noch heel baff fraagt.

"Ja, kieken S' man even ut de Fenster", harr Peerboom do seggt, "daar steihtmien Wagen. De hebb ik mi nu eerst köfft. Daar bün ik sotoseggen mit Handup fallen. De hett noch kien 20.000 up Tacho, köst neei 250.000,-

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Mark un nu hollen Se sük fast: ik hebb daar blot 130.000,- Mark förhenbladern bruukt! So en gadelke Koop kunn ik ja neet slumpen laten, waarso en Wagen al alltied mien Dröm was."

"Dat kann ja wall neet wahr wesen!", harr Veerkant noch heel verbaastinwennt. Man Peerboom harr hum noch vertellt: "De Vörbesitter stunn datWater bit an de Hals. He brukte dat Geld. So was uns beide hulpen."

Vandage nu, also ruugweg veer Weke later, sitt Peerboom weer vör deSchrievdisk van Veerkant un versöcht, hum doch noch week to kloppen: "Ikkann dat Stratengeld wiß neet betahlen, waar ik doch so en Malör hatt hebb!Mien moje Wagen, de ik Hör doch noch wesen hebb, hett man mi weerweghalt. De Lumpsack van Verkoper hett mi rinleggt! Dat was heel neet sienWagen, de harr he klaut! Un wall man an klaute Reev kien Egendom winnenkann, bün ik nu mien hele Geld un de moje Wagen quiet! Wat hebb ik nudaarvan, dat de Keerl in d' Backje kummt? Nix! Wenn tominnsten noch wat bide Schubiak to halen was! Man de hett all's up d' Kopp hauen, so dat ik mitmien hele Schaa sitten bliev! Wat bün ik doch för en arme Swien!"

"Of he dat wiß is?", sinneert Veerkant, "flüggt man denn as arme Swien alweer na Kanada, um bi Barenjagd sien Verdreet gauer to vergeten? Mi köntsükse Grappen neet 'maal in Dröm infallen! Nee, wenn een en arm Swien is,dann bün ik dat wall!"

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Dwarsdör

Nee, so en naar Weer harr'n wi al lang' neet mehr. Wat 'n Strunt! Dat gootstüttig vör 't Störten. Un jüst nu harr uns Vereen to 't Wannern nögt! Mi wasdat klaar: so kunnen wi neet gahn. Ditmaal muß uns Wannern in 't Waterfallen.

Man as Vörstandslidd muß ik tominnsten even na de Stee henfahren, van waarut dat losgahn sull.

Hier trode ik mien Ogen neet: ok bi dit malle Weer wassen fieftein Lü,deelwies mit Gummistefels un Regenkleer an, komen. Se wullen sük dat neetnehmen laten un ok nu lopen!So hebben wi uns dann verraftig overwunnen un up d' Padd maakt.

Dat heet, up de egentlike Padd sünd wi neet bleven. Wi sünd eenfach dwarsdör Holt un Busken gahn. Sünd over Sloden sprungen un over Bomen klautert,de bi d' lesde Störm over Kopp gahn wassen. Daarbi mussen wi gooduppassen, dat wi neet utgleden, denn bi de Regen was de Grund mudderg unschitterg worden.

Na en Sett of wat hörde dat up to regen, wenn de Wulken ok swaart un leegover uns hungen, as wenn 't futt weer losgahn sull. Man uns Plünnen wassenok so al messnatt un uns Schoh sogen sük all mehr vull, wall ok dat hogeGräs, dör dat wi smaals gungen, schietnatt was.

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Tegen elf Ühr, so was dat ofmaakt, sullen wi bi de olle Bahnhoff wesen. Umdat wi unnerwegens völ rumkökelt harren, wassen wi nu so laat dran, dat wiuns uplesd beielen mussen.

Daarbi schoot mi en Döntje in, de ik in anner Sellskupp wall al 'maal vertelltharr. Nu vertellde ik de hier:

En Ielige froog insmaal en Buur: "Of ik de Zug um elf Ühr wall noch krieg,wenn ik hier over de Weide gah?"Do harr de Buur nickkoppt un seggt: "Ja, un wenn ik mien Bull löslaat, dannkriggst Du de Zug um Karteer vör elf Ühr ok noch!" Disse Döntje kwammgood an. All lachten.

Na ruugweg dree Stünn gung uns Wannertour to Enn'. Man vörher mussen winoch dör en lüttje Holt un stunnen do miteens vör en grode Weide, de mitStiekelwier un bovenhen ok noch mit en Schrickwier ofrichelt weer. Wennwi neet de hele Padd weer torügg gahn wullen, mussen wi hier nu rover, dörde Weide gahn un up Güntsied over en Wring'. Sodann kwammen wi bi deStee weer rut, waar wi uns Fahrtügen ofstellt harren.

So hulp dat neet: en na anner muß hier nu over de Schütt klautern, wat wallstuur full, man doch sünner Beseren slumpte. As wi daarna allmitnanner overde grode Weide gungen, kregen wi miteens en Bull in 't Vermick, de up unsdaalstoov! Benaut hebben wi uns Been unner de Arms nomen un sünd hannigutneiht! Dat scheelte neet völ, dann harr he uns beet! Man Gott loff sünd winoch all uptied an de seker Kante achter de Wring' raakt!

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Noch achter Aam see dann en Wannerfründ heel drög tegen mi: "Du hest rechthat: de Bull hett verraftig daarför sörgt, dat wi en Karteerührs froher na Huushenkomen!"

En paar Daag later hebb ik in en lüttje Kring disse Beleevsel vertellt. Daarbischoot uns Vörsitter in, wat en Bekennde van uns as hennige Fent van so twalfJahr sülvst beleevt hett.Sien Ollen harren bito ok en Koh up Stall. Enes Daags muß de Jung mit disseKoh na en Buurkereei, de en heel besünners gode Bull harr. De Koh sull daardeckt worden.

So stefelte he nu mit de Koh an Tau los. Um de lange Padd wat oftokörten,gung he künnig over en frömde Weide. Tomaal kreeg he nu in Luur, dat enBull up hör anstoov! Verfehrt leet he de Tau lös, leet de Koh stahn un brochsük achter en Schleehenbusk in Sekerheit!

Dat harr he heel neet bruukt. De Bull wull hum nix, de harr blot de Koh in 'tVermick! In vulle Fahrt stoov he up de Koh an, dat de Pulten blot so flogen,besprung hör futt up Stee un besörgte dat, wat en heel anner Bull doon sull!Daarna stunn he ofmaragd un heel mack achter de Koh un leet dat geböhren,dat de Jung de Koh weer an Tau namm un mit hör na Huus torügg gung. Datleepste för de lüttje Fent was, dat de Bull neet weer bi de Koh weg wull unbit na hör Huus d'rachter ankwamm!

Ik bün leep blied, dat uns Vörsitter mi disse Beleevsel vertellt hett, wall ikhierut nu wat lehrt hebb: Wenn ik insmaal weer over en Weide gahn mutt, waar en Bull upsteiht, is overhopt kien Gefohr to verwachten: ik höv dannblot en Koh an Tau daarbi hebben!

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Nudels un Krummbeersalat

Mien Unkel is daamaals, in de malle Tied, ok ut Pommern verdreven un naOostfreesland raakt. Man ik mutt seggen, he hett sük hier al good inleevt un entwede Heimat funnen. Un wat kann he di al moi platt proten! 't is rein 'nOrigkeit! Blot sien "Nudelwirtschaft" hett he noch neet upgeven.

In de eerste Tied hebben wi mennigmaal schüddkoppt, dat he elke DagNudels vertehrte. Mien Unkel holt leep völ van Eten un Drinken. Daarumvertellde he uns ok alltied, wat he d'r all achterbrocht harr. "Hüt hebben wiNudels mit Fleeß un Rotkohl hat", see he dann of "Vandaag gaff't Nudels mitgröne Salat."

Wi kunnen d'r heel neet over, dat he so dadelk völ van Nudels hull. Seker, datgaff Hörns, waar Mehlspiesen alltied up de Kökenzedel stunnen; ik harr daarman noch noit wat van hört, dat in Pommern sovöl Nudels eten wurren. Mandat muß ja wall so wesen. Soltnudels, Braatnudels, Salatnudels, un watmoken se d'r neet all van!

Enes Daags lehnte mien Unkel en Spaa van uns ut. "Ik will mi en paar Nudelsut Tuun buddeln!" see he. "Jäket nee", hull mien Vader hum to'n Gügel, "hestDu nu ok al Nudels utseit?" "Ja, wenn ik ok wall kien grode Tuun hebb,Nudels hebb'k mi doch sett", gaff he torügg un slörte na sien Land.

As he na en Sett of wat de Spaa weerbroch, keken wi neeisgierig in sienWierkörv. "Wat meenst daarvan, sünd dat neet al moje Nudels?" froog he

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stolt. Wi wassen platt! He harr Tuffels rütt! Dat wassen sien Nudels! Nuwussen wi ok, waarum he sovöl Nudels att: he harr alltied Tuffels meent!

Nu ja, in Pommern seggen se schients Nudels tegen Tuffels, in anner Streken"Abern" of "Eerdappels". So hett elke Land sien Wetenskupp un besünnerTaal.

Annerlesdens was ik in Rheinland-Pfalz. Daar see en olle, schüvkehaft'geMaler tegen mi: "Bei uns in der Pfalz wird das reinste und einwandfreiesteDeutsch gesprochen!" Wenn he dat see, muß dat ja wall so wesen! Man miwurmte dat leep, dat ik disse "reine Dütsk" neet proten kunn! Ik kwamm mirecht dudderg vör, wenn de Pfälzer's over "Bacheltipsche", "Gumschen" unso `n Kraam proten, un mien oostfreeske Brägenkasten dat neet verstunn.

As de Lü mi eenmal frogen, of ik wall "Krummbeersalat" much, se ik van"allemal"! Wat dat vör Goodje was, wuß ik neet. Man dat dürs ik ja neetseggen! Dann harr'k mi blameert! So de ik, as wenn ik de "reine Dütsk" okkennde un kreeg nu ok "allemal" Krummbeersalat vörsett!

Mi hett dat good smeckt, dat mutt ik seggen. Man ens hebb'k doch faststellt:De dütske Taal is wisse en sture Taal. Ik harr noit wußt, dat Tuffelsalat"Krummbeersalat" weer . . .

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Dat malle " S c h "

Uns' plattdütske Sprake kennt kien weeke "Sch".Wi proten dat mehr as "sk" ut.So seggen wi neet "schellen" (wat man anners mit "klingeln" verwesselnkunn), bi uns heet dat "skellen", un deit ok je wall maal nödig, jonum mit lelkeKinner.

Wenn man nu alltied plattdütsk proot un mutt tomaal up hoogdütsk umstellen,dann kann dat wall geböhren, dat man mit de Fent "skimpft" statt "schimpft".För anner Lü hört sük dat dann raar an, wenn man an "skimpfen", "skießen" of "skreiben" is! Un well wull de Lü dat quaad nehmen, wenn sedann stillkens smüsterlaggen?

Sünner dat ik dat wull, kunn ik annerlesdens ok dat Gniffeln daarover neetlaten un dat kwamm so:An en van de natte Wekendagen satt ik in en Weertskupp van Läär. Ik plierdedör belopene Fensters up de do so düster Möhlenstraat. Dat goot maal weervör Störten! Man dat sach ik heelneet! Ik was mit mien Gedachten heel waaranners.

Of de Weertin meende, dat ik Langwiel kreeg, weet ik neet. Se settde sük anmien Tafel un fung en Prootje an. "Was ist das doch wieder für sklechtesWetter, nich?" - Ja, dat was wisse wahr. "Man das muß ja auch wohl so sein",meende se wieder, "nun machen die "Regenskirmgeskäfte" auch mal gute"Geskäfte" ! "

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Dat klung so orig, dat mi dat leep stuur full, an Laggen to verkniepen! As ikdann weer up de Straat gung, kwamm mi en bekennde Heerenregenskirmtomöt. Uns Rfd - Referendar - was 't.

He lövte ok, dat de "Regenskirmgeskäfte gode Geskäfte" moken. Sien Otje, sovertellde he mi, harr ok noit dat "sch" utproten kunnt. Hör was besünners stuurfallen, dat Woord "Tschechoslowakei" uttoproten. Man Otje wull sük neetblameeren un utlaggen laten. Se leet sük dat Woord alltied weer vörproten unversöchte, dat natoseggen. Se prövte un prövte un broch dat na 'n Settje okverraftig klaar! Daarover was se leep blied, wenn hör Meite ok wall umsünstwest was:

Dat Land Tschechoslowakei harr intüsken de Naam "Böhmen un Mähren"kregen!

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Bi d' Haarofsnieder

So mennigeen seggt: "Oostfresen sünd stuur!" Dat is en malle Wark, wenndaar so proot word, jonum, wenn dat ok so meent is!Man daar gifft 't ok annern, de dat völ beter weten! Un dat is ok heel good so!

As ik vör en Sett of wat in so 'n lüttje Loog in Schwarzwald was, muß ik okmaal na d' Haarofsnieder. Hier satt ik nu up en lange Kiste, un wachte daarup,dat ik bedeent wurr. Man so gau gung dat neet. Good, dat ik Urlaub un en heelbülte Tied mitbrocht harr!

Ut malle Künn' froog ik de Haarofsnieder tüskendör, of ik hum neet mithelpensull, daarmit dat hanniger gung."Ach, wenn Sie so freundlich sein wollen", meende he bliede, "wäre ichIhnen sehr dankbar!" Nu, ik wull wall so frünnelk wesen, truck mi en witte Kittel over, kreeg mi enKamm un Scheer un see trankiel: "Der Nächste bitte!"

En Bremer, de in sülvige Huus unerbrocht weer as ik un mackelk wuß, dat ikkien Haarofsnieder was, leet sük verraftig van mi bedenen!"Wie soll es denn sein", froog ik hum, "kurz, lang, mittelmäßig?"Mittelmäßig wull he 't hebben. Dann man to!

Ik hebb neet lang overleggt. Toeerst hebb'k hum de Scheitel liek trucken, datHaar over de Ohren schräg ofsneden un hum dann mit de Maschin ördentlikwat van de Kopp ofkarvt!

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Junge, dat was heel neet so licht! Al bi de eerste Ansetten karvte ik humerbarmelk grode Buchels in't Haar!

Man waarför was de Maschin daar? Dat man daarmit snee! Un so settde iknoch 'maal an un snee hum all mehr van sien Bremer Achterkopp of!

"Um Gottes Willen, halten Sie ein! Halten Sie ein!", bölkde de Baas tomaaltegen mi. Nu ist 't ut un ik fleeg achtkantig to d' Dör ruut, doch ik mit enbaldadig slecht Geweten! Man dat kwamm heel anners!

Na de eerste Verfehren lachte de Baas luuthals un meende, so en Pläseerkunnen ok ja wall blot Oostfresen maken! As he sük utlaggt harr meende henadenkelk:

"Die Ostfriesen sind humorvolle Menschen. Ich freue mich immer wieder,wenn hier welche auftauchen. Sie bringen Leben und Abwechslung mit.Welch' Wunder, daß sie immer gern gesehene Gäste sind! Aber auch ihrLand, Ihre Heimat, muß sehr schön sein! Das gewaltige Meer, die Inseln!Passen Sie auf, ich komme Sie noch 'mal besuchen!"

Ik was stolt un blied, sowat to hören, bedurte de Baas, wall he nu noch mehrto doon harr, mien Gekarvsel weer enigermaten uttoglieken, man mienGeweten was tein Pund lichter worden!

30

Man wat butt!

Güstern wurr en lüttje Fent van seß Jahr in't Krankenhuus inlevert. Hekwamm stuuv tegen mi to liggen un heet Jürgen. He wohnt enerwaars up 'nFehn un proot blot plattdütsk. Dat is so en rechte, oostfreeske Jung! Ik maghum wall lieden.

Vanmörgens, as de Swester bi d' Bedden langs gung, um Febers to meten unna ditjes un datjes to fragen, spölde sük dat an Jürgens Bedd so of:

Swester gung an sien rode Spöltelefon, de tegen hum stunn, un prote daarin:"Hallo, Jürgen, bist Du da?" "Ja", kwamm't van hum torügg, "wie geht es Dirheute?" - "Good". - "Hast Du gut geschlafen?" - "Ja". "Das freut mich. HastDu auch noch Schmerzen?" "Wat?" "Of Du noch Pien hest, froog Swester",smeet ik d'rtüsken. "Nee, hebb ik neet." "Prima! Hast Du denn schonStuhlgang gehabt?" "Wat?" "Ich mein', hast Du schon groß gemacht?" KienAntwort! "Of Du al puupt hest!", bölkt en van tegenan. Man murkrechtschapen, wo hum de Klör verschoot! Wo kunn man hum sowat wallfragen! Heel sacht kwamm nu en "Ja". "Dann ist's ja gut. Spiel nur schön mitDeinem Telefon und sei weiter schön brav!"

"Und wie sieht`s mit Ihnen aus?" dreihte se sük nu an de Nahber van d' annerSied, "Haben Sie auch gut geschlafen?" "Priemstens!" "Hatten Sie denn auchschon Stuhlgang?" "Ja, Schwester, sieben Pfund ohne Knochen!" Nee,Kinners, in en Krankenhuus kannst smetts wat beleven!

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Lüttje Fent

Wisse, Ji mussen hum kennenlehren! He is leep nüdelk, tellt dree Jahr un ikbün sien stolte Unkel! He brengt ok elk völ Bliedskupp, dat muß al nett wesenvan neet!

Verleden Sönndag was ik bi sien Ollen up Visit komen. Toeerst muß ik mithum up Footdeel rumkrupen un mit sien Peerstall spölen. Man bold verdroothum un ok mi dat. Hum truck dat na buten! Mit en lüttje Hamerke gung heachter't Huus un vermook sük wat bi d' Hohnerhuck. Ik was blied d'rum, dathe mi in Free leet un ik mi nu mit sien Ollen unnerhollen kunn.

Man daar wurr neet völ van! De lüttje Rietenspliet was neet bi d' Hohnerhuckbleven. He was weglopen! Man waarhen? Wi hebben't all na hum ofsöcht! InTuun was he neet! Up Straat harr hum nüms sehn! Ok de Nahbers wussen vannix! All uns Ropen was umsünst! He was nargends to finnen!

Junge, Junge, wat för Sörg' hett de lüttje Fent uns maakt! Dat kwamm uns asStünnen vör, waar wi na hum söcht un ropen hebben! All Nahbers wassen inUpregen un hebben mitsöcht! As de Sörgen höchste Bulgen sloogen un wi alna d' Schandarm gahn wullen, kwamm he vansülvst weer antroiden! Heelstolt vertellte he uns: "Ik bün in mien Kark west! Weest ja wall, waar sovölPlastoren wassen, as Papa un ik de inweeiht hebben!"Wi wassen baff! - "In Kark büst Du west?""Ja! Man dat was neet moi. Daarwas blot e e n Plastor!"

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Susen in de Mür

"Wat suust daar blot stüttig in de Mür? Dat kann man ja in de Kopp neetuthollen!"

Mien Frau stunn alltied weer vör de Mür van uns lüttje Kamer un kunn neetutmaken, waar dat ununnerbrokene Susen herkweem.

Ok ik wuß d'r kien Raad up. Sülvst mien Brör Edje, de anners neet up d'Kopp fallen is, bleev unkünnig. "Wenn daar en Waterröhr broken weer, mußdoch irgendwaar Water ut de Mür komen un en Waterfleck entstahn. Mannargends is wat to sehn", meende he.

As nu tofällig uns Architekt bi uns rinkeek, kregen wi Hopen, dat he d'rachterkwamm, waar dat an mankeerde. Man ok he kunn sük daar kien Riemup maken, nadeem he toeerst meende, dat Gesuus kunn wall mit de Lüftungvan uns Badekamer tosammenhangen. Man daar harren wi ok al an docht unruutfunnen, dat dat daaran neet lagg. Ok van de Lüftung in de Wohnung vanuns Nahbers kwamm dat neet. Uns Nahber harr al daarna keken un datfaststellt. So stunnen wi allmitnanner vör en Raadsel.

Raar weer ja ok, dat dat Susen smörgens ok al 'maal ut de tegenoverliggendeMür komen was! Uns befull en nare Unrüst. Dat suusde de hele Dag allmantowieder. Wat much blot noch up uns tokomen?

Savends kwamm mien Swager. He unnersöchde mit Ohr an Mür de heleKamer. Miteens namm he uns grode Taske, de an de Mür stunn, bisiet unfroog: "Wat is daarin?"

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Du leve Tied! De Ogen fullen uns haast ut de Kopp: Uns Radio, de wi utUrlaub mitbrocht harren! De was in de Taske angahn un harr engaalwegsuust! Umdat de Taske tüskendör ok 'maal an de anner Kant van d' Kamerstunn, harren wi meent, dat ok ut de anner Mür en Susen to hören west was!

Wenn uplesd mien Swager dat Raadsel neet upklaart harr, was dat wiß nochso lang wiedergahn, bit de Batterie leeg west weer!

Man nu kunnen wi weer upaamen un van Harten over de hele Spijök laggen!

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Neet blot Malls in Kopp hebben!

"Moin, Focko, wo geiht Di dat?""Good sowied un sülvst?""Nu hör maal, Di kann 't heel neet goodgahn! Ik ""Wat sall 't, laat uns neet wieder daarvan proten.""Mi kannst Du dat doch vertellen. Ik weet ja, dat Du wat heel Malls in deKnaken hest.""Nehm mi dat neet ovel, ik bün nu wall labeet, will daar aber neet stüttigover proten. Dat is neet good för mi.""Dat is neet recht. Daar mutt man doch over proten un mi . . . ""Verstah doch: ik will sowied dat noch mögelk is up anner Gedachten komen.Dat is beter.""Nee, dat seh ik anners. Ik meen 't doch good mit Di. Jüst . . . ""Nu, wenn Du dat good mit mi meenst, dann laat uns nu van wat annersproten! Büs D' ok al na Gallmarkt west?"

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Ollerwelske Namen?

Bi Buur was wat Lüttjes upstahn. Wat för'n Bliedskupp was dat! Buur wasrein ut Rand un Band. He gaff sien Dennsten ut Freide recht en dübbeldeWekenlohn; dat was sien Leven noch neet vörkomen. Waar he anners dochalltied as de knittergste Buur in Loog gull un man hum nasee, dat he leper wasas dree Beesten! Un nu harr he sien Dennsten so good bedocht! Ja, so'n lüttjeKind kunn al so'n halve Weltgeschichte anhollen!

Buur harr dree grode Söhns. De jungste was seßtein Jahr old. Un nu was naseßtein Jahr noch en lüttje Wicht komen! De harr Buurinske sük ok alltiedwünskt. Buur meende vörher "'t is mi nettgliek, wat d'rvan word. Ist't 'n Jung,dann hebb ik up mien Oller en Hülpe mehr. Ist 'n Wicht, dann ist't ok so."Man nu, wor't en Wicht worden was, scheent, as wenn nüms heerelker weeras Buur.

De Jungse harren eerst vergrellt ut de Waske keken, as se sachen, dat 't mitModer noch 'maal weer so wied was. Nu wassen se ok bliede, dat't all goodoverstahn was un se noch en lüttje Süsterke kregen harren.

Buur kummt nett van d' Gemeenbüro. He hett dat lüttje Ding standesamtlikanmeld. "'n Naam för mien Dochter kann'k Di noch neet angeven", harr hetegen Buurmester seggt, "de mutt ik mit mien Ollske un mien Kinner nochoverleggen. Kannst de Stee ja man in Book freeilaten un naast utfüllen".

Un nu sitt he mit sien Familje an d' Tafel un beratslagt over de Naam. Vaderückert sük: "Wenn't na mi geiht, kriggt se de Naam Maike".

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"Wi mutten hör egentlik na Otje nömen, anners is se weer anstoken; Mareka isok ja 'n moi Naam", meent Moder. Man daarvan wölen de Jungse nix weten."Dat sünd ja heel ollerwelske Namen", protesteeren se. "Nettakkraat sooldmoodsk, as unse Namen: Jan, Harm, Hinnerk.

Wi düren in Stadt ja bold neet seggen, wo wi heten. Dann trecken se futt mitSchullers un denken, dat is en van't Land. Uns Süsterke sall't neet so gahn.Nömt hör man driest Sylvia. Dat is en heel feine Naam. So heten ok 'n Bültmoje Wichter in Stadt".

Man mit de Instellen komen se bi hör Vader slecht an: "Ji Snöttlepels könt jaheel neet mitproten. De Namen sünd neet oldmoodsk! De sünd in uns Volknoch nettakkraat so lebennig, as vör fieftig Jahr. Wi könt uns ja neet mit deStadtjers verglieken, de de hele Dagen in Buud sitten to schrieven of in deFabriken van Maschinenskandaal kien Ohr an Kopp hollen könt. De mutten jaduddig worden. Wenn de hör Kinner so verdreihde Namen geven, is dat nochlang kien Grund, hör dat natomaken. Un mutten Ji Jo dann schamen, dat Ji vanLand sünd un dat Jo Vörfahren Jo so'n grode, schuldenfreje Plaatse hierhensett hebben?"

"Och Vader, reeg Di man neet up. Nee, wiel wi van Land sünd, bruken wi unsneet to schamen. Man de verdreihde Namen könt uns mall maken. Dat Du datneet insehn wullt!" "Ja, Vader, dat is al so as Hinnerk seggt. Mien Mester vande Landwirtschaftlike Hoogschoole see annerlesdens ok, dat de Sprake enlebennig Sake is un dat de sük alltied verannert. So is dat ok mit de Namen.De blieven neet alltied gliek."

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"Un ik segg Di, dat de Namen neet overhalt to worden bruken. Elk un eendragt de noch. Dat is doch de beste Bewies, dat se neet ut olle Kiste sünd.Undann hett man dat al faak genug unnerfunnen: En Naam is so moi, as de, dehum dragt".

"Man Vader, mutt uns Süsterke dann nett so heten as annern? Nee, se sall enheel besünner Naam hebben! Pastor's Dochter is Sönndag up Ute döpt. DeNaam is nu maal moodsk. Dat is heel neet utsloten, dat uns Süster UtesFründin word. Sall se hör dann nastahn un noch so'n ollerwelske Naamhebben? Ik slaa vör: nömt hör Sylvia. Dat is en heel moi Naam un de hett oknoch nüms in Dörp".

So geiht dat hen un her. Bit Vader mall daarbi word un düll meent: "Doot,wat Ji wölen! Ji mutten't ja doch alltied beter weten! Hiske!"

"Ja, Buur?" Se kummt gau answeten. Buur is en Luus over de Lever lopen, dathett se futt an sien Stemme murken. "Gah even na Buurmester, un segg hum,dat mien Dochter Sylvia heten sall. Jungse mutten ja alltied boven Waterblieven!"

Herje, wat is dat'n Naam! Hiske kann d'r heel neet over. Dat Buur dat tolett!Man seker, de Knevels wurden oller un wullen ok al wat to seggen hebben.

"Moin, Buurmester!" "Hiske?" "Ik sall even van Buur Claassen bestellen, datsien Dochter Siewillja heten sall. Se muchen dat even to Hör standesamtlikeIndragen vermarken." "Daar versüchst Du Di, Hiske, so en Naam gifft ja gaarneet". "Nee, dat meen ik ok, man Buur hett seggt, so sall dat Kind nömtworden." "Hm, wo kann Jan blot so en Boedel maken,

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Siewillja, dat is ja kien Naam! - Segg hum man, dat dat kien Naam is. Dat dürik na mien Dienstanwiesen neet indragen.

Süh, daar an de Dör hangt en Plakaat: Gebt Euren Kindern OstfriesischeNamen! Dat segg hum man. Un dann much he even sülvst komen, umdat henoch wat unnerschrieven mutt."

Buur smüsterlaggt, as Hiske hum dat vertellt. "Süh, ik hebb Jo dat ja futtseggt, dat dat kien Naam is. Man Ji wölen 't all beter weten. Proot neet, prootneet, dat is so! Waar is mien Keierhake? Ik gah nu sülvst na d' Büro. Se wordMareka nömt un daarmit basta!

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Mien Dank an Kaatjetant'

Erklärung zu nachstehendem Gedicht

Die erste Probe des Spölerklottjes des Heimatvereins Leer für dasHeimatfestspiel 1954 ("Kaatje" von S. Siefkes) fanden im Eingangsbereichdes Heimatmuseums statt. Soweit die Spieler im Augenblick keine Rolleproben mußten, hielten sich diese derweil in der Bibliothek auf.

Almut Westmark, die die Hauptrolle "Kaatje" spielen sollte, nahm sich in soeiner Pause eine Ostfriesland-Zeitschrift zur Hand und las darin.

Sie amüsierte sich köstlich und erzählte uns anschließend in allen Einzel-heiten, was sie gerade so begeistert gelesen hatte: "Ollerwelske Namen!"Dabei hatte sie nicht darauf geachtet, wer Verfasser dieses Vertellsels war.

Ich habe mich natürlich riesig gefreut, auf diese Weise eine ganz unbe-fangene und ehrliche Beurteilung meiner Veröffentlichung zu bekommen!

Ja, und sie war sprachlos, als sie erfuhr, daß sie dem Verfasser seine eigeneGeschichte lang und breit erzählt hatte!

Am nächsten Probeabend war sie dann wiederum sprachlos. Jetzt, weil ichihr als Dank folgendes Gedicht geschrieben hatte:

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Mien Dank!

Oh Kaatjetante, Du leve Wicht!Wat hebb ik dat güstern good raakt!To Dank nu maak ik Di en Gedicht.Du hest mi grode Freide maakt!

As Du so troo van en Geschichte,de Du nett lesen harrst, vertellst,do mook ik en heel blied' Gesichte wuß'k doch, dat Du di neet verstellst!

Du harrst blot de Geschichte lesen,neet henkeken, van well de was.Nu fungst Du an vertell'n un resen,un ik was blied un harr mien Spaß!

Ja, Kaatjetante, dat harrst neet docht,un dat was Di ok neet bekennt,dat ik dat weer up Pampier hebb brochtneet wahr? Ik olle Sleef van Fent!

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Bohnen,

wat fallt mi bi de Woord neet alle in!

So hör ik mien Moder vandage noch seggen: "Dat nömst Du wasken? Hest Dija blot mit en dröge Waskelapp dört Gesicht grämt! Kiek ins Dien Ohren an,daar kannst ja Bohnen in poten!"

Un wenn ik neet futt pareerte, wenn Vader reep, dann se he faak: "Hest DuBohnen in Ohren?"

"Du büst ja wall heel un dall in Bohnen", kreeg ik daartegen smaals to hören,wenn ik mit mien Gedachten waaranners was, as ik wesen sull.

Ja, un wenn Moder in de drocke Bohnentied savends möi un of weer, kunnman hör wall seggen hören: "Nu bün ik kien Bohn' mehr wert!"

"Well grot Bohnen will eten, dürt Määrt neet vergeten", hete dat un daarmitfung dat Tuuntjen an. Wenn de meesde Saderejen as Spinaat, Rapen,Wuddels, Arvten, Grönt un Ziepels al lang seit weren, wurr so in Aprilmaandde eerste Dann Buskbohnen poot. Bi uns was dat Seien un Poten ModersUpgave, waartegen Graven un Weden van Vader overnomen wurr.

Wo faak hebb ik Moder bi'd Bohnenpoten hulpen. Se mook in lieke Riegenmit de Hacke lüttje Dobben, waar ik dann smaals veer bit fief witte Bohntjesinsmeet. Wenn Moder bi de anner Rieg anfung, drückde se de Bohntjes mit deHacke fast an un smeet se mit de Eer van de neje Dobben

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weer to. So gung dat Rieg um Rieg. Daarbi muß se smaals uppassen, dat deBohntjes neet to deep in de Grund raakden. En olle Proot heetde, se dürssenblot so minn Eer over sük kriegen, dat se noch dat Klockenlüden hörenkunnen.

Na un na wurden so bit in Julimaand rin alltied weer neje Bohnendannen an-leggt. Daarmit wurr sekerstellt, dat neet alle Bohnen up eenmal arnt wordenmussen.

Man vör dat de eerste Bohnen plückt worden kunnen, dürte dat noch wat.Sodraa de Bohntjes ut de Eer broken un man de Riegen genau sehn kunn, gungdat dann stüttig mit Weden un Hacken los. Dat hörde up, wenn de Plantengrode Bladen kregen un innanner wussen, dat bold kien Eer mehr tüsken deenkelte Busken to sehn wer. Wenn de Bohnenplanten bleihten, dürs mansowieso neet mehr mit Hacke daardör, um nix to vernelen.

Na de Blössem kwammen mit leeverla lüttje gröne Bohnen an d' Stamm. Watheerelk weer Moder, wenn se de eerste Mahltied gröne Bohntjes plückenkunn! Na un na gaff't dann all faker Bohnen to eten, so dat dat bold nix Neeismehr weer! Uplesd kwammen se ene haast to de Ohren weer ruut!

So gau, as se nu ins wussen, kunn man daar heel neet tegen eten. Man sesullen ok neet alltomaal eten worden. Nu gung dat los: Bohnen plücken,Bohnen ströpen, Bohnen inkoken!

Wenn de Glasen full weren, kwamm de Bohnenmöhlen vandag. Ok förInsettbohnen brukte man gröne Bohnen. Weer muß plückt un ströpt worden!De Duum dee en van d' völe Ströpen haast seer. Un dann dat Dreihen! Eerst

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was dat ja pläseerelk, man de Bohnen, so scheent, wurden heel neet minner,man de Arms all lahmer! En Bohn' na d' anner wurr in de twee Möhlengatenstoppt un kwamm an anner Sied weer as Snippels ruut.

Vör dat de grode Flintpott mit de Snippelbohnen un Solt full was (up fieftigPund Bohnen kwamm tein Pund Solt), wussen uns Arms mackelk, wat se daanharren un de Ogen kunnen haast kien Bohnen mehr sehn!

Man wenn't Maanten later ant eten van Insettbohnen mit lecker dörwussenSpeck gung, wassen wi allmitnanner blied un harren de Drockde weervergeten. Good, dat dat do noch kien hoge Blootdrück gaff! Tominnsten wasdaar noit maal Proot van, nett so minn, as van "Cholesterin".

Nu lövt blot neet, dat mit dat Snippeln van de Bohnen de Bohnentied vörbiweer! Nee, nu wurr ofwacht, dat de Bohnen, de in Tuun noch an Stammsatten, moi riep wurden. Sodraa dat so wied weer, wurren de hele Planten tod' Grund utreten. Elke Kind wurr to`t Plücken indeelt un kreeg, je na Oller, engrote of lüttjede Bült Bohnenplanten towesen, van de de riepe Bohnenofplückt worden mussen.

Daarna muß weer ströpt worden!

Wenn dat geböhrt was, wurr Bohnenband dör en Ös van en grode Nadeltrucken un de Bohnen uprejt. De uprejte Bohnen wurden dann van Balk toBalk to Drögen an de Kökenbön hangen.

En Deel van de Updrögtbohnen wurr as Saadgood för't token Jahr van Vaderupburgen. De meesden Bohnenbannen kwammen later in d' Pott.

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Wat denk ik vandage noch geern an Updrögtbohnen mit Speck! Dat Waterlöppt mi daarbi in Beck tosamen! Un ok Sluntjesopp, de daarvan kookt wurr,was alltied wat heel besünners! Daarbi wurden de Bohnen tosamen mit dePuhlen kookt. Wat hebb ik de Sopp geern eten! Wi nömten de ok wall "Puhlkeof Slubbersopp".

Vandage kann man daarvan blot noch drömen. Daar wi sülvst kien Land mehrhebben, is an Updrögtbohnen haast neet mehr rantokomen.

Waaran liggt dat? Worden nu sovöl minner Bohnen in Oostfreesland anpootun up de olle Aart un Wies torechtmaakt? Of weet man nu neet recht, waarman de Bohnenbannen to Drögen uphangen sall, waar de Kökens nu allPlafond un kien Holtböns mehr hebben?

Sull mi maal ene noch ins een Band tokomen laten, kunn ik neet blieder maaktworden!

Mit Grusen denk ik daartegen noch an Peerbohnensopp! In de malle Tied futtna de Oorlog, hebben wi düchtig Smacht leden. Do muß man sogaar bliedwesen, wenn man enerwaars dicke Peerbohnen ofstuven kunn. Ok Moderkwammt hoch, wenn se daar Sopp van kokte un dicke Schuum un kien eenzigeFettoog daarup kwamm!

"Ettst Du al weer mit lange Tannen?", see mien Vader dann wall, wenn mi deSopp verdreiht dör d' Hals gung. "Denk daaran: in elke Bohn' sitten dreeDrüpp Bloot! De Bohnen sörgen ok daarför, dat Dien Achterportje open blifftun Dien Darms dörpuust worden. 'tis nix gesunner as Peerbohnen!"Ik löv, he wull mi blot Moot maken, dat malle Goodje to eten.

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Wenn ik daar so over nasiemeleer, wurden bi uns blot Buskbohnen anpoot.Bohnen, de an lange Stelen wussen, gaff dat bi uns neet. Ok bruun ofsprenkelte Soppenbohnen harren wi noit in Tuun. De kregen wi alltied vanmien Tant' ut Rheiderland. Buskbohnen dürssen ja ok neet so dicht anHartschillbohnen up d' Land stahn, wall se anners to d' Aart ut schoten.

As Jung harr ik noit völ Smeet an Tuuntjen. Amenne lagg dat daaran, dat ikdaarto dwungen wurr. Heel anners sagg dat ut, as ik traut weer un mien eersteHürwohnung mit en grode Tuun kreeg. Nu harr ik daaran sovöl Vermaak, datik smaals elke Mörgen eerst dör d' Tuun muß to kieken, vör dat ik na mienDennst gung.

As ik mi later en egen Huus köfft harr un somit umtrecken muß, is mi de grodeTuun, waar weer all's so moi an greihen was, leep stuur ofgahn. Bi mien neeiHuus harr ik blot en Bleek mit Buskwark un Blömen drumto.Besünners de grote Bohnen stunnen al so moi up Land, dat mi dat stuur full,de stahn to laten. So see ik tegen mien Ollske: "De plant ik um!" All' hebbens' mi för mall hollen. "Kannst doch kien grot Bohnen umplanten! Wo sall datwall gahn?"

Nu, ik hebb hör d' all' wesen! Vörsichtig hebb ik elke Plant mit Eer ut d' Tuunnohmen un in en halve Eierschill daan. Daarna hebb ik de Planten in Kistenmit Fahrrad na de Tuun van mien Tant Anni brocht. Daar ankomen hebb ik dePlanten mit köttdrückte Eierschill weer in d' Grund sett.

Junge, wat hebben wi in de Jahr en bülte moje grot Bohnen kregen! Dat wasrein en Origkeit!

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Jung eten, as se noch kien dicke leren Büxens harren, hebben uns de baldadiggood smeckt! Un wo mennig Glas hett mien Ollske daarvan noch inmaakt! Ja,un mien Stolt, dat mi dat Umpoten so good slumpt is, klingt noch bit vandagena!

Overhopt, wenn man't recht nimmt, maken Bohnen dat Leven neet eerst riek?

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Naproot

As ik mien Fründ Heiko vörlesen harr, wat ik over Bohnen schreven hebb,schoot hum ok noch wat in. So vertellte he mi dann, wat he bie't Boh-nenpoten beleevt hett:

As Heiko dree Jahr old weer, keek he sien Vader to, as de insmaal bie'tBohnenpoten was. Heiko harr en Schuut vör mit en grode Taske drup. Heleep achter sien Vader an un hool de Bohnen weer to de Dobben ruut, de sienVader drinsmeten harr. Sien Vader was wall so in Gedachten, dat he dat neetmitkreeg.

As se naderhand weer in Huus wassen, see Heiko tegen sien Moder: "Papahett heel völ Bohnen verstoppt, man ik hebb se all weerfunnen!"

Sien Schudentaske was Bewies: se was vull van Bohnen!

Heikos Vader muß dann ofwachten, wat van sien Poteree wurr. As de Bohnenupgungen, de drin bleven wassen, sach he an de freei Steden, wovöl henapoten muß.

Ik funn de Beleevsel so nüdelk, dat ik de hier ins navertellen mutt.

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III

Gedanken

a) zur ostfriesisch-plattdeutschen Spracheb) Uns Modertaal sall leven!c)Standesamtliche Trauung auf ostfriesisch-

plattdeutsch

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Gedanken zur ostfriesisch-plattdeutschen Sprache

Im Juli 1959 habe ich mit Wilhelmine Siefkes zusammen einen Klottje-Abenddes Vereins für Heimatschutz und Heimatgeschichte e. V. Leer/Ostfrieslandgestaltet. Während Wilhelmine Siefkes den 1. Teil des Abends mit einerLesung aus eigenen Werken bestritt, habe ich im 2. Teil der Veranstaltungeinen Vortrag über die plattdeutsche Sprache gehalten. Da ich das Konzeptfür diesen Vortrag verwahrt habe, kann ich den damals gehaltenen Vortragnachstehend wiedergeben:

Nadem uns Wilhelmintje, wenn ik dat so seggen dür, nett so herelkeVertellsels vördragen hett, is mi nu vör de 2. Deel van uns Klottje-Avend deUpgav' stellt, over uns plattdütske Sprake to proten. As ik disse Vördragoverdragen kreeg, hebb ik de geern overnomen, wall ik mi mit de Fragen, deene hierbi upkomen, al faak utenannersett hebb. Ik weet wiss', dat wi all am leevsten noch mehr van de moje un heerelkeVertellsels hören muchen, de uns Wilhelmintje so besünners nüdelk vör-dragen kann. Un doch geböhrt d'r wat anners: ik stah hier nu mit en Upgave,de uns van Döntjes un Staaltjes wegföhrt.

Van uns ostfreeske Plattdütsk sall ik wat seggen. Over dat Proten proten. "Soherrlich klingt uns kien Musik un singt kien Nachtigall", seggt Klaus Groth.Un wi mit hum!

Uns moje Plattdütsk gifft un bedütt uns as Modertaal sovöl, dat wi dat neetmissen muchen! Un wenn uns Wilhelmine Siefkes as Biespöl hör Vertellselsvördragt, dann hebben wi uns Vermaak neet blot an dat, waarvan se

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vertellt, nee, besünners ok daaran, wo se dat vertellt! Up de Aart un Wies,mit de se de Vertellsels in sprakelke Plünnen kledd'!

Klopstock hett de Sprake 'maal as en "Behältnis" betekend, waarmit he namien Dünken en heel moje un betekende Vergliek wesen hett. Ut enwunnerbaar, künstvull förmte Pott of Koppke hett uns Dichterske unsvanavend en paar smakelke Drüppen utschunken! Daarför hartelke Dank! Manlaat uns en spierke daarover nadenken, wat mit unse Pott is!

Enkelten priesen hum as nüdelk un good, annern menen, he is al wat mör,welke weten, dat he neet "echt" is un dann gifft dat ok noch all, de menen, heis neet süver un bruken lever en anner Pott, wenn de ok leck is. Ja, so is dat. Uns Taal smitt uns en Bült Fragen up, over de wi nadenkenmutten. För mennigeen sünd enkelt' Fragen ok "Probleme", as de Dütsderseggt. Man dat kummt, meen ik, heel un dall daarup an, wo man daar sülvst tosteiht.

Waarum proten de Oostfresen kien freesk? Waar wi uns doch as Fresen föh-len un uns ok stolt Fresen nömen? Um mi disse Frag to beantworden, hebb ik'maal en spier in olle Boken grabbelt un daar bliede funnen, dat wi ok sünnerfreeske Taal Fresen sünd.

In fröher Jahren - al to de Römertieden - hebben an de Nordseekant (vanDänemarks Küste bit Neederlands Strand, as dat in en Lied heet) Fresenleevt, de en egen Taal, freesk, harr'n. Of de en of anner Kuntrei (to m BiespölGroningen) ok daarto hörde, is en Fraag, over de man sük in de Wetenskuppvandaag noch stritt. Man fast steiht, dat Oostfreesland daarto hört hett!

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Ut de darteinte Jahrhunnert sünd Handschriften van Gesetzen in freeske Taalerhollen, de Utslüß daarover geven un dat bewiesen. Man in de darteinteJahrhunnert fung dat al an, dat de freeske Sprake in Oostfreesland blot as"Volkssprake" bestunn un dat Plattdütsk sük all wieder to en "Amtssprake"rutschillte.

Van de verteinte Jahrhunnert of an was dat dann so wied: Well mit Kark unde Boversten to doon harr, muß plattdütsk kennen, denn dat was do "Kanzel-un Kanzleisprake".

So kwamm dat, dat van do an de freeske Sprake in Oostfreesland hannig allwieder torüggung un de plattdütske Taal all mehr an Bedüden wunn. Daarbibleev dat neet ut, dat sük enkelte freeske Woorden mit dat Plattdütskvermengten.

Man kann seggen, dat de plattdütske Sprake as "Amtssprake" van 14. bit 16.Jahrhunnert existeert hett. Daarna wurr dat Plattdütsk as "hogede" Sprake vand' Hoogdütske verdreven. As Umgangssprake bleev dat Plattdütsk dann bitvandage in Oostfreesland lebennig.

So sünd wi Oostfresen al siet Jahrhunnerten tweesprakig west un bit vandagebleven! Wo sücht dat vandage nu mit uns Plattdütsk ut? Is uns Pott schört unfallt bold utnanner?

Seker, ok dat Plattdütsk is deelwies torügg gahn. Dat is wall wahr. Man datis neet so leep, as dat faak henstellt word. Kieken wi doch um uns: Overallword noch plattdütsk proot! In unse Tied sünd de Minsken ok nochtweesprakig un blieven dat ok in Tokünft, solang' se sük hör Heimat bewüßt

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sünd. Denn hör Taal is de Wuddelgrund van hör Heimat! Man disse Geföhlwacker to hollen, is unse Upgave! Dat wi daarbi neet klunterg un butt vörgahndüren, sull uns klaar wesen. Mit Förderungen un wiesende Fingers is daarneet deent. Daarmit kweem blot dat Tegendeel rut. Wi mutten versöken, deneje Tied to begriepen un de Jögde verstahn to lehren; denn de Jögde sall jade Taal övernehmen un ok leevwinnen!

Wenn t. B. uns plattdütsk protende Jögde ok för Wichter Teenager seggt, dannsölen wi hör driest daarbi laten. De Taal is lebennig un verannert sük in Loopvan de Tied. Dat hebben wi al daaran sehn, dat in dat Plattdütske en heel Bültfreeske Woorden raakt sünd. Un ok in unse Dagen marken wi, dat völ olleWoorden ut de Umgangssprake verloren gahn, un meestens dör hoogdütskeWoorden ersett worden.

Denken wi t. B. an labeet - krank, betün - knapp, Jögde - Jugend. Man ok vanen Knippke word faak en Portemonnaie. Wenn ok wall elk noch weet, wat enKnippke is, dat Dingerees heet nu Portemonnaie, wall de vandaag - so worddann seggt - ok gaar neet mehr to dichtkniepen is. Vandaag gifft dat ja alwelke mit Reißverschluß. Ja, Reißverschluß, dat is ok weer so en Woord, förde ik kien plattdütske Utdrück kenn. Rieten, ja, dat is plattdütsk. Man"Verschluß" kennen wi in unse Platt neet. Un wenn wi dat plattdütsk seggenwullen, mussen wi al "Rietdichtsluter" seggen, man dann weet nüms, watdaarmit meent is, ofgesehn daarvan, dat dat ok nüms see.

Ok an disse Biespöl sehnt wi, dat ok de plattdütske Taal sük verännert.Dör Automatiseeren, dör Medizin, Politik usw. sünd en Bülte neje Woordenupkomen (wat man ok al an de Woorden in disse Upstellen sücht), för de de

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Volksmund (of harr ik hier "Volksbeck" seggen mußt?) kien plattdütskeWoord funnen hett.Seker, enkelte kann man ok up plattdütsk seggen, so as Steekdös, Stoffsugerun Schrickwier. Man bi de meesten is dat neet so. Denken wi t. B. an Telefon,Operation of in de Politik an Demokratie, Ministerium of Ausschuß. Sölen wi"Utschööt" seggen? "Utschrött" kann't ja wall neet wesen! Un Vergadern paßtok neet alltied.

Man t'is nettgliek drum, an disse Entwickeln könt wi nix doon, de lett sük neetuphollen! Jöseln un trillen helpt uns neet! Wi mutten uns daarmit offinnen!

Anners is dat mit de Woorden, de ut dat Hoogdütske in't Plattdütskeovernomen worden, obwall daarför plattdütske Woorden daar sünd. Datblifft heel neet ut, dat dör Radio, Kiekkist of Bladdje, dör Verkehr manbesünners ok dör de Umgang mit de hoogdütske Taal, sünner de wi ok heelneet to könt, sük en Bülte plattdütsk frömde Woordgood un okGedachtengood inslickt. Wenn wi uns alleen al mien Gequetel vannavendanhören, marken wi, dat ok dat heel un dall kien schier plattdütsk is! Mandenkt bedurelkewies to völ in Hoogdütsk, wat man dann plattdütsk utseggenwill. Un dat geiht mi neet blot allennig so, wat leep bedrövt is!

Hier is dat nu uns Plicht un Upgave, intosetten! Wi mutten uns alltied sülvst inLuur hebben, mit de gode Vörsatz, uns egen Fehlers in Proten to hören unoftostellen! Mit en gode Will is dat neet stuur, ik will mi vörsichtigutdrücken, uns tominnsten to betern! Wichtig is ok, dat wi uns tegensiedigverbetern, wenn dat nödig deit.

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Man ok in uns Familje, in Verwandtenkring, bi Bekennden un de Lü, mit dewi bi d' Arbeit of annerswor to doon hebben, sölen wi driest up Fehlershenwiesen! Dat dat fienföhlig daan worden mutt, versteiht sük van sülvst.

Wenn uns Fietje t. B. alltied seggt: "Nülich was ik daar un daar", dürt manhum driest upmarksam maken, dat dat annerlesdens heet. Nülich? Dat ishoogdütsk docht "neulich" un in platt overdragen, wat hier heel un dallverdreiht is. Ok bi d' Baartschrabber, waar man alltied so lange wachtenmutt, dürt man de Tied wall wahrnehmen, plattdütske Woorden antobrengen,dat de sitten.

Sölen se doch, um lüstig to wesen, "Kraft durch Freude" in't Plattdütskoversetten. Wenn se dann achter "Kamum dör Bliedskupp" komen, is deBliedskupp daar al bi!Alleen al de heel enfache Satz: "Du machst das immer verkehrt" in'tPlattdütsk to overdragen, brengt mennigeen in Sweet. Bi de letzde beideWoorden "immer" un "verkehrt" strumpeln alltied welke. Un dann geiht datall man so wieder. Man vertellt, dat en Verkoper van Karstadt neet wuß, wat"Drackseelen" sünd un sien Kunn' no Sobing stürte. He harr "Tragseile"begrepen!

Och, dat gifft sovöl, wat vandaag faak neet mehr so recht bekennt is,besünners bi jung Lü, un wat doch blieven mutt! Noch en paar Biespölendaarför: bliede Paasken, Klock, Karteer, nettgliek, spietelk, nettakkraat,verleden, sünner, leep, targen, nögen, unklün.

As ik nett al see, is dat heel neet stuur, sük an de rechte Woorden to wennen.Daarum könt wi ok wall van elker wahre Heimatfründ verwachten, dat

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he sük mit uns insett, uns Plattdütsk weer van dat Hoogdütske schier tomaken! Nehmt Jo as lüchtende Biespöl Tant Hanni, de sogaar hör Pastor upd'Mauen kloppde: "Se mutten neet alltied "immer" seggen, Se mutten immeralltied seggen!" He was Tant Hanni dankbaar för de Henwies un belovte,smetts alltied to seggen!

Man nu laat uns noch ins wiedersehn. Daar is noch en Fraag, de wi bekiekenmutten: Wo brengen wi't uns Kinner bi?

"Och, dat Plattdütsk lehren se vansülvst. Mien Jung, weten S' jawall, de sofientjes is un alltied up Rad fahrt, nee, mit de proten wi blot hoogdütsk. Ja,dat hett mien Keerl ok seggt, dat Plattdütsk lehrt he noch fröh genug ." Magwesen, dat he dat Plattdütsk noch lehrt, ens steiht aber fast: för disse Jungblifft de Taal dann en Frömdsprake un kien Modertaal! Um hum en Modertaalun hum daarmit al in de Weeg en Heimat to geven, is dat na mien Dünkennödig, dat mit de Kind tominnsten bit to 't darde of beter noch bit to 't veerdeLevensjahr plattdütsk proot word! "Ja, un dann kummt dat Kind in d' School,waar de oostfreeske Mesters bovenhen noch betün sünd, un kann dann kienWoord dütsk proten. Dann kann't de Mester neet verstahn un dann hebben wi't Spillwark in d' Will!"

So is dat neet! Waar doch vandage overall hoogdütsk proot word, kriggt datKind, wenn d' enigermaten van Begripp is, alltied sovöl mit, dat dat sük in d'School wall helpen kann.

De Mester brengt de Kinner en gode Dütsk bi. Faak is dat doch so, dat deOllen hör Kinner en heel naar Dütsk bibrengen. Un wenn dat Kind dann seßJahr verdreiht proot hett, is dat för Kind un Mester leep stuur, dat daar weer

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ruttokriegen. Ok daarum is dat beter, wenn de Kinner toeerst plattdütsk undann hoogdütsk lehren.

Ik weet, dat dit neet van elk so sehn word. Daarför sünd de Minsken un deMenen to verscheden. Disse Fraag im enkelten to beantwoorden. blifft elksülvst overlaten. Hierbi kummt dat daarup an, wo ene to de Taal steiht un ok,welke Anlagen dat Kind mitkregen hett. Dit to entscheden, fördert de vulleVerantwoorden!

Komen wi nu to en anner Fraag: Mutten wi uns för uns plattdütsk Taalschamen? Nee, dat bruken wi wiss' neet! Wenn wi dat doont, dann verlesenwi uns egen Wesen un brengen uns um dat Wertvullste van dat, wat uns d'Heimat utmaakt. Blot Duddellappen, un dat kann man heel neet düdelk genugseggen, könt sük vör uns' Taal scheneeren, un wenn se sük sülvst noch so fienun as wat Besünners vörkomen. Well Künne hett, natodenken, weet, wat enwahre Modertaal wert is! Un doch gifft dat Minsken, de menen, dat datPlattdütsk wat minnachtegs is! De sünd dat dann ok faken, de an Stee van enmoje, süver Pott en utbuhlte un lecke Pott mit sük rumslepen!

En Biespöl daarför: Dat is bekennt, dat en Bülte Lü, wenn se biespielswiesin 't Raadhuus gahn, menen, dat se hier hoogdütsk proten mutten. Al weet'kneet wo lange vörher hebben se sük al vörproot, wat un wo se hör Anliggenanbrengen wölen. Un tiert un künstelt kummt dat dann vandag. Man wo bliedsüchten se mestens up, wenn se marken, dat ok in't Raadhuus hör Taal prootword!

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Man smetts kann man ok beleven, dat se stuur wieder hoogdütsk proten. Vören Rieg van Jahren bedeente ik 'maal so en Minske. Se keek mi recht fieleinigan, wall ik dat wagte, mit h ö r platt to proten! Man wo hebb ik mi amüseert,as se dann see: "Ja, dann geht das wohl in Ordnung. Nettakkraat so hab' ichmir das auch gedacht!"

Dat sükse Minsken ok hör Kinner kien ördentlike Dütsk bibrengen, kann mansük good vörstellen.

Annerlesdens harr'n sük twee Knevels en Reckscheter maakt, waarmit se he-rumschoten. Miteens stötte en de anner an: "Hier, da sitzt ein Kreih auf Bült!"Man ok dat Wicht, dat ins'maal froog: "Hast Du den Karnmilchbreiwagenschon gesehen?" hett seker kien Schüld. Waarum proten hör Ollen ok kienplattdütsk mit hör?!

"Schaamt Jo neet, Jo Taal to lesen,wor Jo Moder all's in see!Schaamt Jo neet vör'd egen Wesen . . . ",seggt de Groninger Dichtersmann Jan Boer, un dat is en Woord, dat gellt!

Uns plattdütsk Taal mutt weer bi alle Minsken - ok bi de duddigen - to An-seh'n komen! Dat is ok en Upgave, waar wi alle bi helpen könt, eenfachdaardör, dat wi sülvst ok plattdütsk proten!

Laat mi noch up en letzde Fraag ingahn: Is dat Heimattümelei, wenn wi unsModertaal plegen? Mutten wi neet over de Grenzpahlen wegdenken?

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To disse Fragen seggen besünners de Ja, de to unse Oostfreesland kien Be-treck hebben. Un doch - laat uns daarup ingahn un hör antwoorden! En Taal,de in Jahrhunnerten wussen is, de dat Egenwesen van Land un Lü in sükupsogen hett, smitt man neet so eenfach over Boord, um halsoverkoppEsperanto to lehren! Dat kann ok neet Sinn van de "Eurogedanke" wesen!Marie Ulfers hett disse Fraag so beantwoord, as ik't neet beter kann. Daarumwill ik dat hier maal weergeven, wenn se't ok wall up hoogdütsk seggt hett:

"Der Wunsch nach Erhaltung der eigenen Kultur, wozu jede Generation ihrenBeitrag fügte, ist deshalb allen Nationen gemeinsam; denn ihre unver-wechselbaren Lebensformen werden bestimmt durch geologische undklimatische Eigentümlichkeiten, die wirtschaftliche und geschichtlicheEntwicklung des Heimatlandes. Deshalb wurzeln auch alle großen Dich-tungen der Völker im eigenen Mutterboden. Bei einer Gleichschaltung derGesamtkultur würden sich weder ein Gesamtdeutschland noch ein geeintesEuropa als lebensfähig erweisen.

Ein friedliches Miteinander innerhalb des großen Ganzen ist nur möglich,wenn der besondere Charakter eines jeden Volkes gewahrt bleibt und vomandern anerkannt wird."

Wenn elke Land sien Nahberland versteiht un mit hum free holt, so is daardörbeter en Enigkeit mögelk, as dör en noch so good dördochte "Esperanto"!

Un daarum hollen wi ok an uns' moje Modertaal fast!Uns Modertaal sall leven ! !

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Uns Modertaal sall leven!

Nee, uns Modertaal wöl`n wi neet missen,waar de doch moi is un so good!

Wi proten plattdütsk, sünd doch kien Fissen!Sünd leep stolt up uns Fresenbloot!

Dat gifft seker all, de sük haast schamen, plattdütsk to proten in h ö r Stand!

Föhl`n sük as besünner Heer`n un Damen!Hör fehl`n Wuddeln van `n Heimatland!

Wovöl glückelker sünd doch de Wichter,un is ok de oostfreeske Jung

de dat heel wiß en Bült hebben lichter,wenn s`proten mit oostfreeske Tung!

Un vansülvst hör Taal so doont erhollen,dat wieder noch na Jahr un Dag,

de lebennig is as bi de Ollenun elk Bliedskupp noch geven mag!

So doont se ok noch wat för hör Kinner,de för`n heerelk`Taal dankbaar sünd!Un begrepen hebben, dat se sünner

d`Taal kien rechtschapen Fresen bünd!

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Standesamtliche Trauung aufostfriesisch-plattdeutsch

Nebenbei war ich fast 26 Jahre als Standesbeamter in Nordrhein-Westfalentätig, was mir eigentlich durchweg Spaß gemacht hat.

Von den unzähligen Trauungen, die ich während dieser Zeit vollzogen habe,ist mir eine in ganz besonders guter Erinnerung geblieben:

Eine Trauung, die ich fernab der Heimat auf ostfriesisch-plattdeutschdurchgeführt habe.

Nachstehend möchte ich sie hier wiedergeben. Vielleicht kann sie ja beiostfriesischen Standesbeamten als Anregung dienen und dazu beitragen, daßunsere herrliche Muttersprache auch in diesem Bereich mehr gepflegt wird!

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Von mir durchgeführte Eheschließung inSprockhövel-Haßlinghausen

in ostfriesisch-plattdeutscher Sprache:

Leve Annetraut, leve Peter, leve Frünne, Mitnanner!

Nu is de grode Dag also komen, wor Ji, leve Annetraut un Peter, verraftig vörmi in de Traukamer van't Raadhuus in Sprockhövel-Hasselkhusen sitten, umJo dat Ja-Woord to geven!

Ik bün leep bliede, dat Ji de Weg hierher funnen hebben un mutt seggen, dat ikde Upgave, Jo to trauen, geern overnomen hebb.

Wenn Du, leve Peter, vör en Rieg van Jahren hier in Hasselkhusen ok wallmaal för en Sett Dien Pennings verdeent hest, harrst Du disse lüttje Loogdoch mehr of minner in't Vergetelkbook indragen un hierher overhopt kienBetreck mehr. Well harr docht, dat jüst in disse lüttje Kuntrei 'maal en sobedüdende Ogenblick van Dien Leven liggen sull? Un well harr docht, datOostfreesland so dichte bi kwamm?!

Ok ik harr mi dat neet drömen laten, dat ik eenmal wied of van Oostfreeslandleve, nahstahnde Minsken in uns moje Modertaal trauen de, wat wisse neeteenmal in Läär of Emden mögelk west weer.

So bün ik vandage, as geseggt, leep bliede, Jo alltohope in Sprockhövelbegröten to könen mit en hartelke "Moin, Moin!" Ik hoop van Harten, dat Ji deStapp hierher neet beduren!

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Ji beide, leve Annetraut un Peter, wölen Jo Reev' nu binanner smieten un dePadd, de noch vör Jo liggt, tosamen gahn!

Ji hebben bither beide, elk up sien Wies, de Höchden un de Deepen van datLeven kennenlehrnt un in Loop van de Tied völ beleevt. Bit hierto gaff dat enBülte moje Dagen man ok, as dat maal so geiht, en Riege van heel nare Dagenun Stünnen, waarbi jonum in lesde Tied Leed, Sörgen un Verdreet heel bovenanstunnen!

Wat bithierher west hett, kann man neet vergeten, un dat sall man ok heel neet.Dat Sinneeren over verleden Tieden haalt uns alltied maal weer in un kannuns mitunner sogaar en Stönpahl of ok en Wegwieser wesen.

Man dat stüttige rüggels kieken brengt en van de Padd of! Vör Jo liggt deTokünft! De so good un so glückelk as't ins geiht antostüren, mutt nu för Jo aneerste Stee stahn!

Wi alle hebben blot en Leven, un de is man bekrumpen kört. Up anner Lü dürtman neet wachten, dat de wat för uns doon. Wi mutten al sülvst wat ut uns'Leven maken! Wo moi is dat, wenn man neet liefallennig daarvör steiht!

Tosamen kann man en heel Bülte mehr vörnanner kriegen! Mitnanner kannman Pien un Sörgen völ beter dragen! Man ok Bliedskupp lett sük inGemeenskupp völ beter geneten! Daarum kann man ok heel neet dankbaargenug wesen, wenn sük twee Minsken finnen, de förenanner daarwesenwölen!

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Wenn man so daarher seggt: "Nu is de Mark blot noch fieftig Penning wert",so mutt dat neet wahr wesen. För en Paar, dat förenanner daar is, gelt disseProot neet! In Tegendeel, för hör tellt de Mark nu dübbelt - denn delteBliedskupp is dübbelte Bliedskupp!En olle ostfreeske Spreekwoord seggt: "Vör dat man traut, sull man sienBruut eenmaal sehn, wenn se na de Karke geiht, man tominnsten ok eenmaal,wenn se up de Messbült of in Jierdobbe steiht!

Hiermit word utseggt, dat dat neet langt, wenn man sük blot in moje Stünnenversteiht. Nee, jüst an Olldag mit all sien Sörgen un Ruugheiten mutt sükbewiesen, of man wat förnanner over hett!

Ji beide kennen Jo al wat langer. Ji kennen Jo gode Sieden man ok JoSwackheiten. Dat is en faste Unnergrund, up de man bauen kann! An Jo liggtdat nu, up disse Grund so to bauen, dat dat Bauwark in sük Fastigkeit kriggt,stewig is, Störm un Unweer uthollt un bovendrup ok moi un brukbaar word.

Ji beide sünd old genug, to weten, dat elke Bau ok unnerhollen worden mutt.Stüttig mutt daaran klütert un farvt worden, wenn de Wert alltied bestahnblieven sall.

So mutt ok de Keerl sien Wiev, un de hör Keerl, stüttig umsörgen, mit Leevdeverwennen un in Ruug un Fröst alltied förenanner daarwesen! Ene mutt sük upde anner verlaten könen! Jüst in gefahrelke un malle Stünnen wist sük, welkeWert de Trauschien verraftig hett!

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De Wille alleene, sük so en Gemeenskupp uptobauen, is neet genug. Daarhört mehr to! De Harte mutt mitproten! Wi alle weten, dat de Leevde enMester is, de Bomen versetten un de Werelt heel un dall up de Kopp stellenkann. Man de Leevde lett sük neet dwingen, de mutt so daarwesen!

Dat ik mien Trauansprake vandaag in unse moje oostfreeske Modertaal hollenkann, liggt daaran, dat Annetraut dat utdrückelk wünskt hett. Jüst Annetraut,de neet mit unse ostfreeske Modertaal upwussen is un wisse neet alls, wat iksegg, versteiht, hett dat so wullt! Wo is dat mögelk?

Na mien Dünken föhlt se, wo Du, leve Peter, in Binnerste doch dör un dörOostfrees bleven büst. Se will Di blied maken! Wenn se Dien Sprake ok neetrecht kennt, so kennt se doch en anner Sprake, de, de mit Leevde to doon hettun de ok Du versteihst!

Wenn ik Di, Peter, in lesde Tied so beleevt hebb, meen ik, ok bi Di entinkelnde Lücht wahrnomen to hebben! Holl disse Lücht stüttig an't Brannen,dann kann overhopt nix scheef lopen!

Ik kann nu blot hopen un wünsken, dat Ji beide lange gesund, tofree unglückelk blieven! Nehmt Jo Kans wahr un maakt dat Beste ut Jo Leven!

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Ik dür Jo beden, uptostahn, daarmit de Bedüden van de egentlike Trauungunnerstreken word.

Annetraut un Peter, Ji hebben Jo bi't Standesamt Köln upbeden laten un daarangeven, dat Ji hier in Standesamt Sprockhövel Hochtied maken wöl'n. Jihebben hier en entsprekende Schien vörleggt. Daarmit steiht nu nix d'rtegen,dat ik Jo hier nu trau.

Ik fraag Jo daarum nu vör de Trautügeneerst Di, Peter usw., wullt Du A. usw.heiraden un as angetraute Frau hebben, dann segg "Ja"!Auch Dich, A. usw., frage ich: bist auch Du gewillt, den neben Dir stehendenP. usw., zu ehelichen, dann antworte auch Du mit "Ja"!

Nachdem Ihr dann beide meine Frage bejaht habt, seid Ihr nunmehr kraftGesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute!Up plattdütsk kann man nu seggen: "He hett hör kregen!" un "Se is unner deHülle komen! Wat sük hebben sall, dat kriggt sük, denn to elke Pott paßt enDecksel!"

As Teken, dat dat geböhrt is, wesselt nu de Ringen!

So as de Ring nargends anfangt man ok nargends to Enne geiht, hoop ik, datok Jo förenanner daarwesen kien Enne finnen mag!

Wi alle graleeren Jo van Harten, günnen Jo de Bliedskupp un hopen, dat Jodat Glück alltied troo blifft! ! !

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IV

Mit een lüttje Knippoog!

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Bartje

Wie allgemein bekannt, ist der Schriftsteller und Lektor Bruno Loets auch alsÜbersetzer von Büchern sehr rührig gewesen. So hat er ca. 50 Bücher ausdem Holländischen und Flämischen ins Deutsche übersetzt. U. a. auch dasBuch "Bartje" von der Niederländerin Anne de Vries, das in dieserÜbersetzung zigtausendmal aufgelegt und verkauft wurde.

Bartje ist eines von 12 Kindern aus einer holländischen Landarbeiterfamilie,dessen Lebensweg mit dem Hintergrund von Armut, Not und Entbehrung indiesem Buch dargestellt wurde.

Bruno Loets hat mir das Buch in den 50er Jahren einmal geliehen undempfohlen, dieses mit "Keerlke" von Wilhelmine Siefkes zu vergleichen, daes von der Thematik her viele Parallelen aufweist.

In dieser Zeit hatte ich ungeheuer viel um die Ohren, so daß ich nicht gleichdazu kam. Wie Bruno Loets mir später sagte, lag ihm jedoch sehr viel daran,meine Meinung darüber zu erfahren. So erhielt ich von ihm "durch dieBlume" einen "Wink mit dem Zaunpfahl", indem er mir nur dieses schrieb:

"B a a a r t - j e ! - Na Huus komen! Word Tied!"

Dieser feine Anstoß hat mich nicht nur amüsiert, er hat auch gewirkt!

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Gedichts-Wettbewerb von Radio Bremen

Bei einem Gedichts-Wettbewerb anläßlich einer Live-Sendung von RadioBremen mit Carmen Thomas, Mike Krüger u. a. am 23. August 1975 erhieltich für nachstehendes Gedicht, welches bestimmte Bedingungen erfüllenmußte, von den 10 zu vergebenden den 3. Preis (verbunden mit einer Fahrt fürzwei Personen nach Helgoland!):

In der Saison, das ist halt so,schläft der Insulaner frohauf dem harten Chaiselonguein der Ecke vom Salon.Damit der Gast sich wohlig aaltin seinem weichen Bett - und z a h l t !

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Kuuskellen

O Kinners, wat is dat doch en Strunt!Ik sök't un kann't haast neet finnen!Daarbi koom ik noch up de Hund!Krieg nu de Straaf för all mien Sünnen?!

Waarum hebb'k sovöl Söts ok eten?Kusendokter s' Raad in Wind slaan?Tannenputzen faak vergeten,neet stüttig bün to d' Nakieken gahn?

Nu hebb'k kregen en malle Quieten:Kuuskellen, as't leper neet geiht!In Beck 'n erbarmelk naar Rieten!Of nu al mien lesde Stünne sleit?

Sull'k disse Höll' doch noch overstahn,verlesen de moordende Pien,belov'k, dat all's as d' mutt sall gahn,un Dokter faak kriggt mien Krankenschien!

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Na Kanaan

Wi satten mit uns Verwandtskupp an de Bursdagstafel. Tant' Lieske was stoltun an braasken:

"Uns Gesa hett sük ja so ruutmaakt. Elk mag hör geern lieden. Ok de Kinnerin de Sönndagsschool hangen so an hör. Ja, un Pastor Lübben see ok, dat seen heel fixe Wicht is un dat he leep blied is, umdat se in Kark so en grodeHülpe för hum is . . . "

Mi stook ja wall de Hafer, as ik miteens inwennen de: "Man mi gefallt an hörheel un dall neet, dat se lüggt."

Dat was tovöl! Tant' Lieske wull mi am leevsten de Ogen ut de Kopp krab-ben: "Wo kannst Du sowat gemeens seggen! Dat is neet wahr! Du sullst Diwat schamen!"

"Wall is dat wahr", see ik daarup, "Du hest dat doch sülvst mitkregen, asGesa mit de Kinner up de Planwagen satt un bi Gittarrenspöl sung "Wir gehenjetzt nach Kanaan . . .","Un waar f u h r e n se hen? Na Unkel Heini naLogbärm!"

Tant' Lieske kunn mien Proot neet spaßig finnen un hett mi noch lange düllwest!

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Lüstige Halfmallen

Wi sünd en paar lüstige Halfmallen,Ji un ik, laat uns neet klagen!Mit 'n Tick wöl'n wi vandage upfallen!Daarum sünd wi an malljagen!Denn dat is klaar,un wisse wahr,dat wi bedrövt geern swirr'n!Wi sünd neet stuurun blot för Kuur!Wi könt ok sünner fier'n!

Denn wi sünd 'n paar lüstige Halfmallen,Ji un ik, wi all' tosamen!Mit 'n Tick wöl'n wi vandage upfallen,d'rum sünd wi tosamenkomen!Denn dat is wahr,wi sünd neet gaar,man dat is uns nettgliek!Un wenn uns Döstok en Koh köst,wi sünd ja neet so riek!

Man wi sünd en paar lüstige

w a t ?H a l f m a l l e n . . .

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Neet blot mit Tahlen tellen

Sünner Tahlen kann man haast neet utkomen. Good, dat dat sovöl d'rvan gifft.En paar Tahlen hebben en besünner Bedüden. Wenn de nömt worden, falltene futt wat daarto in.

Bi "dree" weet man futt up Stee: "Dree is Oostfresen-Recht!" Well wull ok wall minner as dree Koppkes Tee drinken?

Un bi de Tahl "fief" könt wi doch wiß seggen, dat wi de noch alle binannerhebben. Of neet?

Dat was ok ja heel leep, wenn wi de § "eenunfieftig" todocht kregen! Nee, wihebben uns Künn' noch good binanner.

Ja, un um de Tahl "dreehunnert" ut de BGB höven wi uns ok neet schelen.Daarto fallt blot de Avkaten futt en "Kranzgeld" in. Daar hebben wi nix mitan d' Hoot!

Man de Tahl "hunnertfiefunsöventig" de kennt wall elk un denkt daarbi gliekan en besünner Soort Mannlü.

Un ok de Tahl "tweehunnertachtein" hett jonum in de lesde Jahren wall elk uneen kennenlehrt. Sovöl Hick-Hack as jüst um de Tahl maakt word, brengt okde Minsken in Brass, de nix mit "Ofdrieven" to doon hebben.

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Sullen de, de dat Seggen hebben, wall 'maal weer up de Grund torügg ko-men? Mutt hier neet de Frauminsk an eerste Stee stahn?

Nee, 't is wiß wahr, de Tahl "tweehunnertachtein" kann ik neet mehr of! Ikwill hopen, dat disse Tahl bold ut dat Gesetzbook un ut de Koppen kummt!

Anners hebb ik nix tegen Tahlen intowennen. As ik al see is mien Menenvölmehr, dat wi de bruken. Sünner Tahlen könt wi heel neet utkomen!

As ik mien vörstahnde Gedachten to de Tahlen in en lüttje Kring vördrog,mende well:"Dat fallt mi leep ut Hand, dat Du en heel bedüdende Tahl overgahn hest! IsDi denn neet klaar, dat sünner de "Seß" ok kien 175, 218 un 300 geven de?"

Do hebb ik mi verdeffendeert un daarup henwesen, dat Oostfresen kien malleGedachten nahangen. Wenn se up plattdütsk "seß" seggen, sünd se so mack,dat man hör unner en Pol fangen kann. Well kweem dann wall up dat, wat deHoogdütsken mit de Tahl "sechs" verbinnen?Nee, tüsken "seß" un "Sex" liggen Welten!

Man eens will ik nu doch ins togeven:

Wi Oostfresen sünd neet van Dummsdörp un wölen de Hoogdütske Seßnettakkraat so minn missen, as all de anner Tahlen!

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Kalennerkeerl

Wiehnachten 1 9 7 6

(1. Wiehnachtsdag Saterdag usw.)(1977 = Olljahrsavend an Saterdag!)

De Kalennerkeerl van disse Jahrwas lelk tegen uns, is dat neet wahr?Wo kunn he dat so driest wall wagenFierdagen blot för Arbeitgever intodragen?

Waar bleev de Upstand van 'n Gewerkschaft?Kummt de neet noch, un dat ok in Drafft,so lövt vandaag al an mien Woorden:treckt he token Jahr 't Fell uns noch mehrover d' Ohren!

Stellt sük neet all's tegen de lüttje Mann?,fraag' ik nu heel eernsthachtig bi Jo an!

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Meta's Malör

"Heer Dokter, wat hebb ik so leep Pien!De heele Buuk deit mi seer!Ok was ik doch alltied smaal un fien,man tomaal quellt mien Lief all mehr!

Dat kummt seker van de nare Schapp,de up mien Buuk is fallen,as Fietje, de olle Duddellapp,hum neet fasthull mit sien Krallen!" -

"Dann will ik Di ins unnersöken.Mak Di freei! Sett Di hier her!Wicht, dat was kien Schapp in Jo Köken:was dat amenn' en S e k r e t ä r ? ! ? "

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Beim Karneval in Nöten!

Beim Karneval da war ich 'maleine attraktive F r a u !Doch als ich " m u ß t e " , 's war fatal,wurd' ich aufgeregt und grau!

Wo sollte ich denn jetzt hingeh'n?Zu den "Damen" konnt' ich nicht!Doch s o auch nicht bei Männern steh'nmit gehob'nem Rock im Licht!

Wollte aber ich vermeideneine Überschwemmung gar,mußte ich mich rasch entscheiden:ging d'rum doch zum Pissoir!

Männer hier zusammenzuckten,als ich so nun kam herein.Heftig aber dann aufmuckten:"Das muß wirklich nun nicht sein!"

"Männer, beruhigt Euch! Bitte!",sagte ich und faßte Mut,"ich steh' doch in Eurer Mitteals T o i l e t t e n f r a u gut!"

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Pantoffelheld

Gleichberechtigt sind jetzt Mann und Frau,so steht es im Grundgesetz geschrieben!Das ist schon berechtigt, doch ich traunicht von oben verordnetem Frieden!Wie soll das in der Ehe auch laufen?Das möchte ich wohl einmal wissen!Sollen sich die Eheleute raufen,und anschließend dann wieder küssen?

Bei uns hat meine Frau das Sagen!Wie sollt' ich da auf meinem Recht besteh'n?Könnte ich es denn einfach wagen,zum Schiedsmann oder zum Kadi zu geh'n?Ich kann doch auch nicht dauernd aufmucken,wenn meine Frau mich 'mal unterdrückt!Und ständig nach dem Grundgesetz gucken!Die hält mich dann doch glatt für verrückt!

Lieber werde ich weitermachen,und mich doch einfach unterordnen ihr!Wenn auch die Leute heimlich lachen!Was soll das schon, es ist doch nicht ihr Bier!"Du bist ein richtiger P a n t o f f e l h e l d !",so sagen's mir mitleidig viele!Diese Äußerung mir doch arg mißfällt!Sie verletzt männliche Gefühle!

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Ropperg un sünner Schamte!?

Well dicht an de Trogg sitt, kriggt alltied sien Part. Man hövt blot de Swienbekieken. Se freten un freten. Minsken an Trogg freten neet. Wenn se 't dochdoon, is dat ofstötelk. Minsken d e e t e n .

Well de Kans hett, söcht sük hierto en gode Stee. Heel good verstahn datmennig wählte Minsken, de belovt hebben, sük för Recht un Free intosetten,sük dann futt heel dicht an de Trogg schuven, de eten, dat hör de D i ä t e nfreeiweg in de Hals flegen un daarbi doch de Hals neet vull genug kriegenkönt!

Man dat is ok neet to bestrieden, dat disse Utwählten fix wat daarför doon.Hebben se sük neet alltied mit grode Iver daarför insett, dat all a n n e r n hörReem faster trecken un wat ofgeven an de, de dat noch schofeler geiht?Seggen se neet faak un düdelk genug, dat all an en Tau trecken mutten, um datuns dütske Schipp weer good in Fahrt kummt?

Könt se denn noch mehr doon as proten, proten, proten?Nee, daar gifft dat nix: se doon al hör Fliet!

So sünd se sük ok alltohop eenig: Bi 't Inbören van d' Diäten dürt man neetsünig wesen! Well sull hör dat ok wall neet günnen, wenn se hör Kanswahrnehmen? Dat Volk? Och wat, dat tellt neet. Good, dat se daar neet nagahn mutten!

Man waarum mag wall jüst dat Volk so suur wesen un hör de paar Diätennieden? Blot wall se van annern verwachten, de Sticke torüggtosteken? Of

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wall se sülvst kien Diät inhollen un ofnehmen wölen? Wall se doch ok heelneet ofwinnen bruken bi hör lüttje Inkomen, de se ok noch mit anner Postjesupbetern mutten?

Ok dat se sük eenig sünd, 'maal weer totolangen, kann't doch egentlik neetutmaken? Of sull dat amenne daaran liggen, dat se wat ropperg sluken?

Man kummt daar neet achter!

Dat Volk, un blot dat, blifft wall alltied en Raadsel!

Of sull dat anners sitten?

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V

Feuerwehrfeste

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Einer unserer Vollziehungsbeamten der Stadt Leer, Gallimarktsausrufer (Herold) und allseits beliebter Mann für alle Fälle

Hinrich Klaassen

kurz "Hinni" genannt, mußte bei den jährlich stattfindenden Feuerwehr-festen in Leer/Ostfriesland immer eine launige Begrüßungsansprache halten.

Für die Jahresfeuerwehrfeste 1 9 5 9 bis 1 9 6 2 schrieb ich ihm diesejeweils, die er dann mit markiger Stimme vortrug.

Nach 50-jähriger Mitgliedschaft in der Feuerwehr ist er 1988 im Alter von85 Jahren verstorben.

För uns "streupen Hinni" hebb' ik dat alltied geern daan!

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1 9 5 9

Moin mitnanner! 't is weer so wied,dat ik en Kumpelment waar quiet!Denn to uns moje Fürwehrfierheet ik willkomen Jo nu hier!

En hele Jahr al weer vergung,sied ik do ok 'maal vör Jo stunn!Un wünsken de Jo völ Pläseerbie d' Jahresfier van Fürwehr Läär.

Verleden Jahr, weten Ji 't noch,wat en Pläseer de Fier do broch?Ja, dat harren wi ok verdeent,of is daar well, de dat neet meent?

Bi Dag un Nacht, to elke Tied,deen un doont wi alltied uns Fliet.D'rum düren w' mit'n good Gewetenweer en moje Fier geneten!

To't Löschen gifft hier ok ja wat,un well dann Smacht hett, word ok satt.Swirren könt w' as en Tiddeltopp,Musik daarto maakt Alfred Kropp.

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Mit sien Lü will h' daarför sörgen,dat hoog hergeiht bit to d' Mörgen!

Maakt all' mit! Fangt neet an't frocken!Kiekt neet na Geld un na d' Klocken!Weest blied un lacht man alltied to,un maakt so dör bit mörgen froh ! ! !

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1 9 6 0

Moin Tosamen! Dat Ji 't futt weten,ditmaal hett d'r en Uul inseten!Dat is mi wisse en bietje mallto, dat ik Jo wat seggen sall!

Waarum mögen Ji nu wall fragenhebben w' uns dann slecht bedragen?Ochheer, nu lövt disse Bosheit neetun maakt Jo daarum kien Verdreet!

Nee, nee, Ji hebben heel wiss' kien Schuld!Man lövt mi dat, dat is verdulltneet licht, alltied wat Neeis to finnen,wat 'k Jo hier smaals kann verkünnen!

Daarum segg ik Jo vandage blot,dat unse Bliedskupp is leep grood,wall unse Fürwehr weer fiert en Fier,waar dat gliek hergeiht as en Lier!

Daarbi bruken w' neet völ to denken!Glas un Wievke könt w' ok so swenken!Sünd wi eerstmaal bi disse Saken,könt wi neet na Huus henraken!D'rum Lü, mutten Ji Jo neet tieren,suupt Jo en an! Fangt an t' swirren ! ! !

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1 9 6 1

Moin mitnanner! Ja, nu kiek maal süh,sünd wi neet prachterge Fürwehrlü?Wi hebben doch wiß en good Natürun löschen ok so mennige Für!

Man no, wi wöl'n neet drover proten!Mien leev Kapell', sök gau 'n paar Noten,de wi för d' Stimmung nu 'maal bruken.Rök un Für wöl'n w' vandaag neet ruken!

Wi wöl'n völmehr 'maal rechtschapen fiern!Unse Fraulü söl'n hör Glück utgiern!Denn hör gellt vandaag uns Jahresfest,waarto ik hör wünsk dat Allerbest!

Sitten se neet faak alleen in Huus?Mit Kinner, Eten un mit uns Puus?Ja, ja, dat is heel wisse neet licht,wenn Mannlü nagahn hör Fürwehrplicht!

Man wall wi Mannlü dat good weten,wöl'n w' vannavend uns' Plicht vergeten.Wi wöl'n gliek sülvst en Für anböten,bi unse Fraulü, unse söten!

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To dat Löschen van de Leevde Brandrögt sük vandage kien Fürwehrhand!Elke Mann gütt Ölje noch in't Für!Well kann tegen minskelke Natür?

Weest glückelk, Lü, man bruukt blot Verstand!Dat raa ik Jo nu, denn wat anbranntis neet versekert bi en Kasse!Un Junge, Junge, dat köst 'n Masse!

Man nu Kapell' fang an to spölen!Wi wöl'n nu rin in de Mallmöhlen!Un dat daar nüms fangt an to munkeln,geiht dat nu los, un dat mit Schunkeln ! ! !

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1 9 6 2

Moin mitnanner! Süh an, wo geiht?All' good? Dann is dat ja "ollreit"!Un wo is't anners? All' up Stee?Mit Wiev un Stohlgang good tofree?

Wat wöl'n wi anners noch? Lü seggt,löppt sük't neet alle weer torecht?Ja, ja, dat see mien Otje al,de harr't Oller, de wuß dat wall!

Man wat gifft anners noch för Neeis?Weet Ji dat al, van de Oostfrees?De mit uns Fürwehruniformde Lü mall mook? Dat was enorm!

Waar dat was? Nu, bi d' Heimatspill,daar joog de Keerl dat all in d' Will!Uns Fürwehr wurr daar alarmeertun wurr haast bold daarbi blameert!

Man proten wi neet mehr daarvan.Nu steiht bi uns wat anners an!En neje Huus mit 'n Toorn krieg wi,dat is di wat! Un heel dicht bi

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daar steiht en Weertskupp up de Ness',waar't gifft för uns noch mennig Fleß!Dat heet (de Fraulü sünd ja hier!)wi drinken daar wisse blot 'n spier!

Man för vannavend gev'k Jo mit:wiest, wo in d' Hark' de Steele sitt!Fiert mit Jo Stientje of Jo Tini

Kumpelment van Jo streupen

H i n n i !

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Fier un Für

Füralarm! Van Toorn't gräsig huult!Jan springt gau in sien Fürwehrbüx!Wenn ok nett 'n Fier, he nu neet muult!Kennt nu sien Plicht un anners nix!

Hannig treckt he an sien Jickert,Koppel un Stefels ok in Drafft.De Klock stüttig wieder tickert.Of he't in twee Minüten schafft?

Waar is de Helm? Hung hier an Kett'!Is weg! Verdorri! Jan utflippt!Sien Ollske weet: Kiek unner't Bedd,paß up, dat nix up Footdeel kippt!

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Der Lehnstuhl und das Feuerwehrfest

Obwohl ich damals erst so zwischen drei und fünf Jahre alt gewesen seinmag, sehe ich meinen Vater heute noch auf seinem Lehnstuhl sitzen und essen.

Ich stand vor ihm und wartete nur darauf, daß er mich auf seinen Schoß nahmund mir auch ein paar Happen von seinem Essen abgab, das ihm erst amSpätnachmittag serviert wurde, da er mittags nicht zuhause war.

Der Lehnstuhl, auf dem mein Vater dann immer saß, fand mein ganz beson-deres Interesse. War dieser schwere Eichenstuhl doch mit zahlreichenSchnitzereien und Verzierungen versehen! Ich meine, daß z. B. die Armlehnenals geschnitzte Pferdeköpfe ausliefen. Es können aber auch Löwenköpfegewesen sein. So genau weiß ich das nicht mehr. Der Stuhl ist leider durchKriegseinwirkung - mein Elternhaus ist durch Artelleriebeschuß völligzerstört worden - verloren gegangen.

Wie ich später erfuhr, hatte dieser Stuhl eine ganz besondere Geschichte.

Mein Vater war in seiner Jünglingszeit mit Freunden zusammen, die alleetwas älter waren. Außerdem waren alle Mitglied der Freiwilligen Feu-erwehr in Leer. Abgesehen davon, daß mein Vater keine Ambitionen hatte,auch Mitglied der Feuerwehr zu werden, hätte er dies wegen seinesjugendlichen Alters auch gar nicht können. Er ärgerte sich jedoch oft darüber,daß seine Freunde viel Zeit in die Feuerwehr investierten, die dann natürlichfür gemeinsame Unternehmungen mit ihm fehlten.

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Eines Tages mußten seine Freunde wieder zur Feuerwehr. Sie sagten, eswäre ein Dirigent engagiert worden, der innerhalb der Feuerwehr einenMännerchor aufbauen solle. Singen mochte mein Vater auch gerne und soerklärte er kurzentschlossen: "Ik gah mit!""Nee, dat geiht neet, Du hörst daar doch gaar neet to!", meinten seine Freundeentsetzt.

Mein Vater ließ sich jedoch nicht davon abbringen und ging tatsächlich mit!So wurde er dann auch in den Chor eingegliedert und übte fleißig mit.Erstmalig sollte der Chor dann beim Jahresfeuerwehrfest auftreten.

Nach der Generalprobe eröffnete mein Vater dem Dirigenten dann, daß ernicht zum Fest kommen könne, da er nicht Mitglied der Feuerwehr sei undauch nicht werden wolle. Der Dirigent stürzte aus allen Wolken und wolltekeineswegs auf die stützende Stimme meines Vaters verzichten.

So wurde der Feuerwehrausschuß kurzfristig einberufen, der nacheingehender Beratung schweren Herzens beschloß, daß mein Vater trotz desnichtsatzungsgemäßen Alters und ohne Mitgliedschaft in der Feuerwehrdennoch Mitglied des Feuerwehrchores werden könne.Daraufhin hat mein Vater dann freudig mitgesungen und auf diese Weise auchan der Feuerwehrfeier und später auch an weiteren Veranstaltungenteilnehmen können.

Während der ersten Feuerwehrfeier fand auch eine Tombola statt. Ein Los hatmein Vater sich auch geleistet. Ausgerechnet auf die Nummer seines Losesfiel der Hauptgewinn! Mit einem Tusch der Kapelle mußte mein Vater auf die Bühne kommen, um einen herrlichen Lehnstuhl als Haupt-attraktion des Abends in Empfang zu nehmen!

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Als mein Vater dann später heiratete, konnte er so ein wertvolles Möbel-stück, das für ihn mit einer tollen Erinnerung verbunden war, in die Eheeinbringen!

Damals hätte er sich bestimmt nicht träumen lassen, daß sein jüngster Sohnsich etwa 70 Jahre nach Erhalt des Stuhles hieran wieder erinnern würde!

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VI

Riemsels

van dit un dat

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up Klumpen!

Ik koom in neje Holtklumpenmit pienelke Foten her.Tieden sünd upstünds bekrumpen:Schohwark gifft't neet mehr ut Leer.

Man Klumpen de sünd ok up Stee,mutt mi blot eerst d'ran wennen.Up Tannen bieten bi elk' Tree!Daar helpt mi ok kien Stennen!

Klump'-Inlopen nu 'maal wat dürt,neje Schoh doon ok ja seer,wenn Huud en van de Hacken schürt!Holt is ruger 'maal as Leer.

Man kann'k in Klumpen eerst good stah'n,koom ik wiss' neet mehr alleen!Dann will'k mit Gesa danzen gah'n,un bün weer heel flügg' up Been!

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Meine Reaktion auf eine Verleumdung Ostfrieslands

In der Ausgabe vom 08. Dezember 1960 der Zeitung "die Welt" erschien einArtikel eines in Köln wohnenden Emders, welcher von falschenBehauptungen nur so strotzte und seinem Inhalt nach nichts anderes als übleVerleumdungen Ostfrieslands darstellte.

Natürlich waren viele Ostfriesen auf diesen "Nestbeschmutzer", dessen Namezwar bekannt ist, hier aus bestimmten Gründen jedoch nicht besondershervorgehoben werden soll, stinksauer! Auch ich!

In folgendem Leserbrief in Form eines Gedichtes habe ich mir Luft gemacht:

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Er wurde wirklich rasch bekanntdurch ein paar dumme Zeilen,in die er sich so sehr verrannt'vom Schuß ab viele Meilen.

Es war auch wirklich echter Quatsch!In R(h)einkultur geschrieben.Jetzt sitzt er d'rin in seiner Patsch':es hagelt nur von Hieben!

Die hat er allerdings verdient,der lümmelige Emder!Blamage, wie es sich geziehmt,für ihn, der doch kein Fremder!

Doch hätte er vorher gewußt,was dieser "Kohl" ihm brachte,dann hätte er sich ganz bewußtgehalten doch recht sachte.

Allein - es ist nun 'mal gescheh'n.Den Lohn hat er erhaltenvon der W e l t . (Etwa unbeseh'n?)Berechnet nur nach Spalten?

Auch Denkzettel, so hoffen wir,sind jetzt genug ersonnen.Vielleicht wird später er 'mal fürOstfriesland doch gewonnen?

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Wenn J. W. v. Goethe unse moje oostfreeske Taal künnig west weer, harr sien berühmteMignon amenn' so worden:

Mignon

Blot well dat Lengen kennt,weet, wat ik dörmaak!Allennig un ofsnedenvan elke Bliedskupp

kiek ik an d' Hemelsteltna elke Sied.

Jüst de mi leev hett un versteihtis so wied weg!

Ik worr dusig, dat branntin mien Ingewandten.

Blot well dat Lengen kennt,weet, wat ik dörmaak!

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Mit Skateboard up Schoolhoff

Up unse neje Schoolhoffun roodklör Plaasterstenenworden wi neet möi un ofmit Radbrett unner d' Benen!

Hier könen wi fix rutternmit Raden unner en Brett,wenn de Oll'n ok wall knutternun Verdreet sük in hör frett!

Wi wölen hier nu spölen.Komen daarbi good in Fahrt!Wöl'n't Trillern nu ins föhlenup unse moodske Skateboard!

Wi springen mit de Bredensogaar van de hoge Mür!Wi sök'n vandaag kien Freden,sünd Ollen ok over't Stür!

Wenn wi dann eenmaal laterworden ok insmaal so old,verstahn w' wiß dat Gesnater,man dat sachs noch neet so bold!

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Eerst ruttern wi nu wieder,targen daarbi de Ollen,singen engelse Lieder,wöl'n noch kien Hannen follen!

Wi wölen mit uns Dickkoppnu jüst eenmaal dör de Mür!Noch geiht dat as 'n Tiddeltoppun is ok heelmaal neet dür!

Refrain:

Skateboard-fahren brengt Unrüst,un doch doon wi 't leep geern!Sünd daarbi mit Freid un Lüst,stah'n neet as "Jan van Feern"!Dragen kakelig' Plünnen -nu weest uns dat man günnen!

Mit de upstünds bi uns in Ostfreesland diskuteerte Thema "Plattdütske Lederför Kinner un Jögde in unse neje Tied" hebb'k mi nu ok eenmaal utnannersett.Daarbi is de vörstahnde Leed sünner "Melodie" d'rbi rutkomen. Amenne findsük daar ja maal well, de daarto en mitrietende Wies för torechtkriggt?

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Die Zeit rast!

Schon wieder hab' ich Geburtstag!Die Jahre rasen furchtbar schnell!Obwohl ich das auch gar nicht mag,nützt alles nichts, auch kein Appell

an den wilden Zeitentreiber,der weiter treibt sein arges Spiel!Hört nicht auf mich kleinen Schreiber!Macht stur nur weiter was e r will!

So fliegen rasch die Jahre hin.Eins, zwei, drei sind sie dann mal um.Wo bleibt da nur des Lebens Sinn?Frag ich mich oft - und bleibe dumm!

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Ein Gästebuch

Wird man schon einmal eingeladenbei Freunden oder Frau Meyer,kommt mit Blumen dann leicht beladensonst unbeschwert so zur Feier,

freut sich nun auf recht schöne Stunden,die man möchte jetzt genießen,legt man uns in Leder gebundenbald ein Gästebuch mit Grüßen

vor und bittet uns ganz unschuldigum einen kleinen Eintrag halt!Wir bleiben nun höflich-geduldig,haben trotz Frust uns in Gewalt!

Unser unbeschwertes Herkommenward' unerwartet nun gestört!Die Freude uns so gleich genommen,denn in uns es jetzt mächtig gärt!

Wenn krampfhaft wir jetzt überlegen:was tragen wir in's Buch bloß ein?Die Gastgeber möchten belegen,daß wir`s hier finden toll und fein.

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Doch wer wird's später einmal lesenund benutzen zu einem Tratsch?Auch wir sehen, wer hier gewesenund schrieb ins Buch ein manchen Quatsch!

Gäste sich leicht beschwert doch fühlendurch ein unschuld'ges Gästebuch!Unruhig dann sitzen auf Stühlenund bereuen diesen Besuch!

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Neet hangen laten!

Brannen in Bost,Kluut in Hals,wat is dat blot?Doktor find't nix.

Mutt Seel wall doon.Sall sinniger worden,Verdreet mieden,neet all's so leep nehmen.

Bito word Blootspegel maakt.Routine.All's up Stee, bit up de Witten . . .Blootkrebs!!!

En Welt geiht unner!Neet blot för mi!Waarum? Wo lange noch?Dat dürt neet! Noch neet!

Nu raart neet!Laat de Moot neet sacken!Noch bün ik d'r un beloov Jo:Daar gah ik tegen an!

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Mackelk Wark sall he neet mit mi hebbende Seismann!Dat bün ik Jo schüllig.Ik will, will, ja, ik will

l e v e n - mit Jo!

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Chemo

Drüpp, drüpp, drüpp . . .Tegen mien Bedd steiht en Stännermit dree grode Buddels un een Plastikpüt daaran.Dat Goodje daarin word blot drüppwiesin mien Blootbahn inföhrt.Dat dürt un dürt!

Drüpp, drüpp, drüpp . . .Ik ligg un dös vör mi hen.Tüskendör kies ik up de Tannen.Man dat nützt neet,wat mutt dat mutt.Ik will ja weer benig worden!

Drüpp, drüpp, drüpp . . .Stünnenlang, dagenlang!Ik holl dat al dör.Dat geiht beter mit de grode Hopen,dat dat Goodje ok helpt.Ik hoop un laat de Moodferen neet hangen!

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Chemo II

Ik trill tomaal an 't hele Levend!Mien Bedd schukelt daarvan hen und her.De Galg' over mien Kopp danzt as en Lier,un ik schudder mi all feller.

Daarbi mutt dat Drüppen bold vörbi wesen.Haast negen Stünn hang 'k doch al an de Drüpp."Bedaren Se sük", seggt de Doktor,"wi dreihen de Hahn nu dicht,

dann sall Hör dat Trillen wall weer vergahn.Mörgen hebben Se dat all weer vergeten.Dann maken wi wieder.Sünner de Drüppen löppt nu maal nix!"

Ik seh' dat in,stemm mi ok neet daartegenun bün doch blied, dat 'k eerst weer to Rüst koom.Denken legg 'k bi Sied. Mörgen kummt van sülvst.

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und doch, es wird

Trapp, trapp, trapp . . .Wie genau ich Deine forschen Schritte kenne!Hier, in der Klinik, fehlen sie mir.Dennoch bist Du,soweit irgend möglich,bei mir.Gibst mir Ratschläge,machst mir Mut,stärkst mir den Rücken,obwohl Du bangend in die Zukunft schaust.

Auch heute, an Deinem besonderen,Deinem runden Geburtstag.Doch jetzt schenke ich Dir,was Du so heiß ersehnst:

Neue Hoffnung undbegründete Zuversicht!Wir werden es packen!Nur etwas Geduld!Ganz gewißwerden wir bewußteine herrliche,kostbare Zeit genießen!Freuen wir uns darauf!

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Arbeitsfreude

Vor vielen,. vielen Jahren -wie lange ist das schon her? - war man sich schon im klaren:ist die Arbeit noch so schwer,

entschäd'gen frohe Stundenim netten Kollegenkreis,mit dem man sich verbundenund geborgen in ihm weiß!

Solch' Klima kommt zugutenebenbei der Schaffenskraft.Man nur mit gutem Mutesich zu Leistungen aufrafft!

Ist jeder echt zufriedenweil zudem auch anerkannt,wird so der Frust vertrieben.In's Getriebe kommt kein Sand!

Mög's wieder doch so werden;denn das Leben ist so kurz!Mögen nicht'ge Beschwerdeneinem werden einfach schnurz!

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Hoch an steh' Lebensfreudeund persönlich' Wohlergeh'n!Dabei sollt' ohne Reueauch die Pflichterfüllung steh'n!

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't is raar

Mennigeengelt

in sien egen Loognix

Treckt he wegword he eersth e s ü l v s tis dann wat

Hett dann wattominnsten

Ansehn

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De Kark kraakt!

Een Liddna d' anner

verlett sien Kark.Blot wegen

Karkenstüren?

Of sullde Glov ok

minner worden?Nee, dat kannik neet löven!

Mi dünkt,de Kark is

ok krakerg unmutt fix up-

klütert worden!

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Toflücht

Well gifft mi Stön?Ik waar beduurt,spör Mitgeföhl,

man well kann mi helpen?Nüms!

Wat good, dat ik to elke Tiedna d' Karkhoff gahn kann!

De Doden sünd miupstünds nahder,as all de Minsken

um mi to!Un doch weet ik:

Dat Leven geiht wieder.Mit de Tied sall ok ik wall weer

en anner Padd finnen.

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Up en schofel Maneer?

Elk will na vörnna boven

na heel boven.

Daar is nix tegen intowennen.

Man mutt daarbi all'storüggstahn?

Dat Geweten bisiet leggt,um sük to all's

minnachteg maakt,verneelt,

daaltrappeltworden?

Seker,mit Driest un Lelkigkeitsett sük mennigeen dör.Man um welke Pries?

Elk muttfröher of later

'maal daarför betahlen!

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Nix blifft as't is

He deente de Minsken mit Fliet un völ Künn'.He was wat!He gull wat!Harr'n heel Bülte Frünn.Elk keek bewunnerndbi hum hoog.Wennher?Noch eergüstern.

He deent neet mehr Minsken.Is oldnu un mör.Sien Wetenkreeg Gaten.Nu is h' unnerndör!Elk kickt minnachtegbi hum daal.Wennher?Al sied vandaag!

Waar sien Kracht nuis versleten,hett man hum boldheel vergeten!

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Verannern

Fröherwull he hör

Steerns van d' Hemel halen.Vandaag

neet 'maal mehr'n paar Köhlen ut de Schür.

Man daarum sallnu G a s in't Huus.

Of daar alltiedVerlaat up is?

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Sull ik?

En Kreihpickt de annerkien Ogen ut.

Sull'k daarum oken Kreih worden?

Blot neet!Noit! Ik will ok

sünner Ogennoch bi mi upkieken könen!

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De Ball

De Lüttjen haut mangau in de Pickpann.Se muttenför all's betahlen!

Man de Grootpansenhebb'n beter Kansen:Se könenför all's betahlen,

mackelk ok för de Ball,de se sük tosmieten!

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Rechtsstaat mit Macke

Ordnung muß seinRecht ist gefordertErlasseVerordnungenGesetzeregeln dies

Einzelne verstoßen dagegenumgehenübertretenmißachtensie einfach

Ahndung muß seinDurchsetzung tut notPolizeiStaatsanwaltschaftGerichteschreiten ein

Manche setzennun ganz ohne Scheuverwegenäußerst trickreichzweifelhaft Justiz matt!

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"In dubiopro reo" greift Platzangekratztübertölpeltfragwürdigwird der Staat

Volk entschuldigtdie Macke nichtwird sauerunzufriedenaufgebrachtNährboden . . . ?

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VII

Erinnerungen

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Von Neermoor bis "an d' Endje van de Werelt"!

Meine Großeltern mütterlicherseits hatten insgesamt 13 Kinder, wovon einesallerdings bei der Geburt und weitere 3 im zarten Kindesalter verstarben.Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges lebten noch 7 Kinder, während in denKriegsjahren 1915 und 1916 noch 2 dazukamen, so daß meine Oma vollauf zutun hatte. Da mein Opa zum Kriegsdienst eingezogen war, mußte meine Omamit der Versorgung des Haushaltes und der Kinder alleine zurechtkommen.Was das bedeutet haben mag, kann man sich heute kaum mehr vorstellen,zumal ein Kind (Wilhelmine, Mimi genannt) dazu noch behindert war.

Da die Ehe eines Kriegskameraden meines Opas kinderlos geblieben undseine Frau somit ganz alleine war, bedrängte er meinen Opa, ihm doch einKind abzugeben.

Zu einer Adoption konnten sich meine Großeltern nicht entschließen.Immerhin gaben sie den Leuten ihr sechstes Kind in Pflege. Hier wußten siees in den schweren Kriegszeiten gut versorgt und brauchten sich insoweitkeine Gedanken zu machen.

So kam Alwine (meine Mutter) als elfjähriges Mädchen von Neermoor nachDyksterhusen in einen ganz anderen Lebenskreis und verlebte hier bis zu ihrerSchulentlassung ihre Kinderjahre.

Das Leben direkt hinter dem Deich war auch hier nicht einfach. IhrePflegemutter hatte neben dem Haushalt und Garten nicht nur eine kleineVerkaufsstelle, wovon sie in Anspruch genommen wurde, sondern auch

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noch etwa 40 bis 50 Schafe, die viel Arbeit mit sich brachten. Die Schafemußten geschoren und z. T. gemolken, die Milch zum größten Teil zu Käseverarbeitet und die Schafwolle gesponnen und verkauft werden.Es war ganzselbstverständlich, daß Alwine immer mehr mit eingespannt wurde.

Hinzu kam für sie der endlos lange Schulweg von Dyksterhusen nach Pogumund zurück, der bei jeder Witterung zu Fuß bewältigt werden mußte. Wenn imWinter die Gräben zugefroren und der Hammrich verharscht war, wurde derlange Schulweg insofern erträglich, als sie ihn dann mit Schlittschuhenbezwang.

„hinterm Deich“

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Bei der Schule in Pogum handelte es sich um eine Zwergenschule. Lediglichein Lehrer unterrichtete sämtliche Kinder in einem Klassenraum. Wenn er denKindern einer Jahrgangsstufe etwas beibrachte, mußten die übrigen Kindermit schriftlichen Arbeiten beschäftigt werden.

Meine Mutter war aufgeweckt und brachte diese Arbeiten meist rasch hintersich. So hatte sie dann Gelegenheit, den Unterricht der älteren Kinder mit-zuverfolgen. Auf diese Weise gelang es ihr schließlich, eine Jahrgangs-stufezu überspringen.

Später habe ich in Leer ihren früheren, inzwischen pensionierten, LehrerSonnenberg kennengelernt. Er bestätigte mir dies dann als er sagte: "Alwineis Hör Moder? Ja, dat was en heel fixe Wicht. Se leet all' Kinner achter sük!"

Nach ihrem Tode fiel mir ihr Entlassungszeugnis in die Hände. Das war sohervorragend, daß man es glatt hätte einrahmen können!

Wenn meine Mutter auch wohl keine leichten Kinderjahre verleben durfte, sowurde sie aber doch am "Endje van de Werelt" zu einem lebenstüchtigenMenschen erzogen.

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Tant' Ditzum

Nach ihrer Schulentlassung ging meine Mutter ihren eigenen Weg. Dabeibehielt sie nicht nur zu ihrem Elternhaus in Neermoor, sondern auch stets zuihren Pflegeeltern engen Kontakt. Obwohl ich bei entsprechenden Besuchenmeistens mitfahren durfte, kann ich mich an Dyksterhusen nur ganz vageerinnern. So weiß ich bloß noch, daß über der Küchentür ein kleinerHolzkäfig angebracht war, in welchem sich eine weiße, gurrende Taube be-fand. Außerdem sehe ich hinter dem Haus noch einen ganzen "Wald vonGrünkohlpflanzen", hinter dem sich eine unsagbare Weite "bis zum Himmel"erstreckte!

Ich muß noch sehr klein gewesen sein, als der "Onkel" starb und die "Maria-Tant'", wie meine älteren Brüder die Pflegemutter meiner Mutter nannten, vonDyksterhusen fortzog. An ihren zweiten Ehemann und ihr Haus in Borssumhabe ich keine einzige Erinnerung.

Dagegen habe ich ihren dritten Ehemann und das Haus in Ditzum, in welchemsie fortan bis zu ihrem Lebensende wohnte, in lebhafter Erinnerung! So kannteich sie auch nur als meine "Tant' Ditzum".

Das Haus befand sich im Ortszentrum direkt bei der Kirche, demWahrzeichen Ditzums. Das kleine Grundstück hinter ihrem Haus endete andem Sieltief unmittelbar neben der bekannten Holzbrücke.

In dem Haus habe ich mich immer richtig wohlgefühlt. Die Küche war stetswarm und heimelig. Zu der gemütlichen Atmosphäre trug wahrscheinlich auchbei, daß nicht, wie allgemein üblich, nur die Erwachsenen, sondern auch ich,"de lüttje Fent",ein Koppke Tee vorgesetzt bekam. Was machte es

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da schon aus, daß mein Kluntje dicker ausfiel und ich mehr Milch in den Teebekam?

Neben dem Küchenherd stand "de Sörgstohl". Noch heute sehe ich den Onkel,mit der Sportmütze auf dem Kopf, hier im Sitzen sein Mittagsschläfchenhalten. Unsere Unterhaltung störte ihn dann nicht.

Der Onkel war nicht nur imposant von Statur, offenbar hatte er auch ein"wichtiges Amt" inne. Er war wohl der letzte Gemeindediener von derdamals noch selbständigen Gemeideverwaltung Ditzum. Neben der Küchestand in "sien Kamer" noch ein Schreibstehpult, auf dem nicht nur Papier,Tinte und Feder lagen, sondern auch eine große Glocke stand. Zu der Zeitwurden in Ditzum die amtlichen Bekanntmachungen noch durch Ausrufenvollzogen! Der Onkel ging dann mit der Glocke bimmelnd durch den Ort undverkündete mit markiger Stimme die entsprechenden Verlautbarungen.

Im Anschluß an Onkels Kammer befand sich ein weiteres Zimmer, das mirganz besonders in Erinnerung geblieben ist. Hier habe ich während einesFerienaufenthaltes nämlich 'mal in einer Butze geschlafen! Ich kann mich nichterinnern, vorher oder nachher jemals in einem so molligen Bett geschlafen zuhaben! Sicherlich war es nicht bandscheibengerecht, aber so weich undkuschelig, daß man nur mit Hilfe eines "Lichtertaus", welches von derButzendecke herunterhing, wieder herauskam!

Hinter der Küche war ein "lüttje Schür" mit einer Bakke. Aus ihr holte manmit Hilfe eines an langer Kette befindlichen Eimers aus für mich großer TiefeWasser hervor. Für ein Stadtkind war dies alles ganz besonderseindrucksvoll.

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Tant' Ditzum habe ich nur in schwarzer Kleidung kennengelernt. Lediglichihre stets sauberen Schürzen hatten kleine helle Blumen- oder Stern-chenmuster. Ihre Schwester, Antje-Tant', die ein paar Häuser weiter wohnteund sie täglich besuchte, war genauso gekleidet.

In dem Ort gab es für die beiden alten Damen wenig Abwechslung. Dennochhabe ich sie eigentlich immer fröhlich und zufrieden erlebt. Auf derKommode neben dem zur Dorfstraße hin befindlichen Fenster lag immer ihreBrille. Sobald sich auf der Straße etwas bewegte, wurde die Brilleaufgesetzt. Sie mußte doch sehen, was im Dorf vor sich ging! Noch langekonnte sie darüber rätseln und reden, "well dat wall west hebben mag, dehier mit en Gehrock an vörbigung."

Wenn ich an Tant' Ditzum denke, komme ich an einer Erinnerung auf keinenFall vorbei: unwillkürlich muß ich dann auch an Erbsen denken! Es gab wohlkeinen einzigen Besuch bei ihr, bei dem wir nicht getrocknete grüne Erbsenmit nach Hause nehmen konnten. Meistens bekamen wir auch ein paar graueErbsen mit, die dann, mit Speckfett gegessen, eine deftige, aber leckereMahlzeit abgaben.

Ab und zu erhielten wir auch ein Schlachtpaket mit "Gört- un Blootwurst",Mettwurst und den obligatorischen Erbsen. Derartige Pakete brachte dann einFuhrunternehmer mit, der, wenn ich mich recht erinnere, zweimalwöchentlich mit einem Pferdewagen zwischen Ditzum und Leer verkehrte.Bei der Gastwirtschaft Busboom in der Heisfelder Straße war "Utspann".Von hier mußten wir die Pakete dann jeweils abholen.

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Wie ich später von meinen Eltern erfuhr, erwartete Tant' Ditzum vor meinerGeburt, daß meine Mutter ein Mädchen zur Welt brachte und sie dieses nachihr benennen würde. Doch dann kam ich. Nun wurde von ihr alsselbstverständlich vorausgesetzt, daß ich den Vornamen ihres Ehemannes"Reemt" erhielt. Meinen Eltern war dieser Name jedoch zu altmodisch. Siezogen sich insoweit aus der Affäre, als sie mich "Manfred Reemt" nannten,mit der Begründung, Manfred sei von ihrem Namen "Maria" abgeleitet undnach dem Onkel sei ich mit dem zweiten Namen außerdem noch benannt.

Wenn meine Eltern damals gewußt hätten, welches Faible ich später einmalfür die ostfriesischen Vornamen bekommen würde, hätten sie sich vielleichtnicht so schwer getan und der "Ditzum-Tant'" die letztlich doch aufgekom-mene Enttäuschung erspart.

Doch was soll's, Hauptsache war, das gute Verhältnis zu ihr wurde auchdadurch nicht getrübt!

Ditzum

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Radtour zum Ende der Welt

In Ostfriesland habe ich mit meiner Frau viele herrliche Radtouren unter-nommen. An einem Wochenendtag hatten wir dabei Gesellschaft: MeinBruder Edi, meine Schwägerin Anita und mein kleiner Neffe Wilfried mach-ten sich mit uns auf den Weg zum "Ende der Welt"!

Die Fahrt ging bei herrlichem Wetter durch das Rheiderland über die DörferBingum, Soltborg, Jemgum, Midlum, Critzum, Hatzum, Nendorp undOldendorp zunächst nach Ditzum. Hier verweilten wir etwas länger, sahenuns u. a. eine Aalräucherei am Emsdeich an, schauten zu, wie die Fähreablegte und Kurs auf Petkum nahm und tauschten vor allem vieleErinnerungen aus. Danach fuhren wir über Pogum weiter nach Dyksterhusen,dem "Ende der Welt". Unterwegs besichtigten wir noch eine kleine Nerzfarmund genossen es dann sichtlich, uns am Dollartdeich etwas auszuruhen unduns an mitgebrachten Erfrischungen zu laben. Ach, war das ein Genuß, hierdie frische Luft zu atmen! Und wie klein kam man sich vor, umgeben von derunendlichen Weite!

Hier am Dollartdeich trafen wir dann einen alten Fischer, mit dem wir insGespräch kamen. Mit schelmischen Augen wollte er uns Stadtjers etwas aufden Arm nehmen. Er hatte einen schwarzen Stein bei sich und sagte uns, eshandele sich hierbei um "indische Erde", welche er als wertvolle Beute beimFischfang aus dem Dollart geholt habe. Diese Erde berge geheimnisvolleKräfte in sich! Außerdem wollte er uns weismachen, man könne zuweilen inDyksterhusen, je nach Wetterlage und Windrichtung, noch die Kirchenglockenvon Torum hören!

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Hierzu muß man wissen, daß Torum ein Dorf war, welches bei Sturmflutenim 17. Jahrhundert im Dollart versunken ist!

Wir haben uns köstlich über den alten Mann amüsiert. Gleichzeitig mußtenwir seine Vitalität und Geschmeidigkeit bewundern. Wie er uns sagte, ging erauf "80" zu. In dem hohen Alter demonstrierte er uns, wie man eineStreichholzschachtel mit der Nase vom Boden nehmen konnte, ohne diesen zuberühren. So verschränkte er seine Hände hinter dem Rücken, ging in dieHocke und nahm die Schachtel tatsächlich nur mit seiner Nase vom Bodenauf!Wir machten ihm dieses Kunststück natürlich nicht nach, was ihn zu Rechtstolz machte.

Harm Rand am Dollartdeich in Dyksterhusen

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Im Laufe des Gesprächs wollte er von uns wissen, was uns mit dem Fahrradganz von Leer kommend nach Dyksterhusen geführt habe. Als wir ihm sagten,wir wollten einmal sehen, wo unsere Mutter als Kind gelebt habe, fragte ernach unserem Namen. Brants? Nein, das könne nicht sein. Eine FamilieBrants habe in Dyksterhusen nie gewohnt. Nein, als Kind habe unsere MutterAlwine Bruns geheißen. Jetzt war er wie elektrisiert: "Ji bünd AlwinesKinner?! Dat gifft ja neet! Wat mag mien Ollske Ogen maken, wenn ik WinisKinner in't Huus breng! Ji drinken doch en Koppke Tee bi uns?"

Natürlich haben wir die Einladung gerne angenommen. Und wirklich, auchseine Frau war ganz aus dem Häuschen, als sie Besuch von "Alwines Kinner"bekam! Es stellte sich nämlich heraus, daß meine Mutter mit ihrer Tochterbefreundet und deshalb oft hier im Hause gewesen war.

Nun wollte Familie Rand natürlich wissen, wie es unserer Mutter in all denJahren ergangen war. Das Erzählen nahm kein Ende. Und auch wir inte-ressierten uns für das Leben hinter dem Deich und erhielten bereitwilligAuskunft. So hatten wir beispielsweise von einem Kreier gehört, mit dem dieFischer über das Watt glitten, um Reusen oder Fuken, wie sie auf plattdeutschheißen, zu richten und nach dem Fang zu leeren. Wie unser Gastgeber sagte,legten die Dollartfischer täglich bis zu 40 km mit diesem Gefährt zurück!

Nach dem gemütlichen Teetrinken holte er seinen Kreier hervor und zeigteuns, wie er flott und leicht damit über den glitzernden Schlick glitt.Anschließend durfte auch ich eine Fahrt damit wagen. Doch rasch mußte icherkennen, daß das viel leichter aussah, als es in Wirklichkeit war. Man

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ruhte mit dem rechten Knie auf dem vorderen Brett des Kreiers und stieß sichmit dem linken Bein jeweils ab. Dabei drückte das gesamte Körpergewichtdas rechte Knie auf das harte Brett, was dann so schmerzhaft war, daß ichmeine Fahrt schnell wieder beendete.

ich auf einem Kreier

Harm R a n d , so hieß der Fischer, lachte und meinte, das käme davon, weil"kien Eelt up mien Kneei" war. Wie recht er hatte!

Nachdem er uns noch eine ganze Menge lebendfrischer Buttfische geschenkthatte und uns mit den allerbesten Wünschen und Grüßen auch an unsereMutter entließ, traten wir wieder unsere Rückfahrt an.

Unterwegs kam uns eine Kuhherde, die zum Melken hereingeholt wurde,entgegen. Sie nahm fast die gesamte Straßenbreite ein. Als meine Schwägerindiese sah, sprang sie entsetzt und regelrecht in Panik vom Rad und flüchtetehinter eine Pforte. Dabei flehte sie ängstlich: "Edi, help mi!"

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Diese Situation war so komisch, daß wir noch Jahre später immer wiederdarüber lachen mußten.

Zuhause angekommen, machten wir uns trotz Müdigkeit gemeinsam an dasSchlachten und Ausnehmen der Fische, die dann von meiner SchwägerinAnita in guter Butter gebraten wurden. Mit einem köstlichen Schmaus ließenwir so einen herrlichen und erlebnisreichen Tag ausklingen. Später stelltenwir dann fest, daß es sich bei Harm Rand um den wohl bekanntesten undeinen der letzten Dollartfischer gehandelt hatte, von dem häufig in Zeitungenund anderen Medien berichtet wurde.

Als ich jetzt, 1991, in dem neuen Buch "Im Atem der Gezeiten" von JoostKirchhoff ein Bild von ihm sah und hier wieder von ihm las, wurde ichmotiviert, unsere Erlebnisse schriftlich festzuhalten.

Harm Rand als Gastgeber

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Mein Vater und der Krieg

Als am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, war ich gerade 5 Jahrealt geworden. Obwohl ich damals noch nicht wußte, um was es ging, erinnereich mich noch heute daran.

Mein Opa war mit dem Fahrrad von Neermoor gekommen, um uns zu be-suchen. Er stand mit meiner Mutter zusammen, das Fahrrad haltend, mehrhinter als neben dem Haus. Ich saß auf der Betonabdeckung der Jauchegrubeunseres Plumsklos, als plötzlich unsere Nachbarin, Frau Kruse, ganzaufgeregt aus ihrer Haustür kam und verkündete: "De Krieg is utbroken! 't isnett dörkomen!" Sie hatte dies im Volksempfänger gehört.

Ich wußte damit nichts anzufangen, spürte jedoch sofort, daß hier etwasSchreckliches passiert war. Die Erwachsenen waren alle so entsetzt und ichhörte: "dann mutten uns' Mannlü seker ok all weg!" Die Angst vor etwasunbekannt Bedrohlichem übertrug sich von den Erwachsenen auf mich.

In meiner kindlichen Phantasie stellte ich mir den Krieg derart vor, daß meinVater in den Hühnerstall gesperrt würde und fremde, rohe Feinde von außendurch den Maschendraht auf ihn schießen würden! Mein Vater hetzte dabeivon einer Ecke des Hühnerstalls in die andere, um den Geschossenauszuweichen. Hatte er genug Ausdauer? Wie lange würde es ihm gelingen,nicht getroffen zu werden?

Und ich war dabei so hilflos! Kam gegen die mächtigen und robusten Männernicht an! Wie sollte ich meinem Vater helfen?

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Ängste, die in Angstträume übergingen!

Kurze Zeit später sehe ich meinen Vater mit unserem Nachbarn Meyerhoffdeprimiert von der Musterung kommen. Er war kv (kriegsverwendungsfähig).Jetzt stand es fest: auch er wurde eingezogen!

Für meine Eltern war das schrecklich. Das Leben ging jedoch weiter, so daßmeine kleine Welt rasch wieder in Ordnung schien. Ich hatte mein Spiel-zeugund meine Mutter, die mir ihre Liebe und Geborgenheit gab.

Mein Vater schrieb so oft er konnte und immer war die Freude groß, wennwieder ein Brief, manchmal mit einem Bild darin, von ihm ankam.

Als die Briefe seltener kamen, wuchsen bei meiner Mutter natürlich dieSorgen. Immerhin war mein Vater an der Front!Hin und wieder kam er allerdings auch in seiner grauen Uniform nach Hause.Dann hatte er Urlaub. Schlimm war immer wieder der Abschied.

Einmal, während seines Urlaubs, hatte er auf dem linken Ärmel über denObergefreitenwinkeln eine Krimplakette. Seine Division war auf der Halb-insel Krim in einer äußerst gefährlichen Lage gewesen. Man hatte sie ein-gekesselt und mein Vater war einer der Wenigen gewesen, der mit heilerHaut aus dem Schlamassel herausgekommen war. Dafür hatte er diese Aus-zeichnung bekommen, die ihm allerdings nichts bedeutete. "Dat Eenzigste,wat tellt, is, dat ik daar noch 'maal ruutkomen bün!"

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Mein Bruder sah das anders. Im Familienkreis schimpfte mein Vater dannüber den "Wahnsinnigen", mit dem er Adolf Hitler meinte, der die uner-fahrene Jugend verdarb und rücksichtslos ins Verderben trieb.

Meine Mutter versuchte ihn dann zu beschwichtigen. "Vader, wees still, laatdat nüms hören! Du weest, tegen Backovend kannst Du neet anböten un deGefahr luurt overall!"

Sie hatte noch gut in Erinnerung, in welcher brenzligen Situation sie vor demKrieg gewesen waren, als mein Vater Plakate der Nazis abgerissen hatte,dabei verfolgt worden und den Häschern nur in allerletzter Minuteentkommen war. Was hätte das gegeben, wenn man ihn dabei geschnappthätte! Die Gefahr, in der mein Vater damals gesteckt hatte, klang noch langebei meinen Eltern nach.Auch jetzt war mein Vater nur schwer zu beruhigen. Er hatte schon immer vorden unberechenbaren Nazis gewarnt.

Während seines letzten Heimaturlaubs konnte ich mit meinem Vater keineinziges Wort wechseln. Das war furchtbar! Schon ein paar Wochen vorherwurde ich krank. Meine Mutter war mit mir bei Dr. Rippena in der Kirch-straße gewesen. Er stellte nichts Ernstliches fest, verschrieb "Wurmtoorntjes"und ein Stärkungsmittel und meinte, das wäre wohl mal bei Kindern so undgäbe sich.

Meine Mutter kannte mich und war nach dem Arztbesuch keineswegs beru-higt. Zuhause wieder angekommen zog sie mich aus, weil ich mich gleich insBett legen sollte. Dabei stellte sie an meinem Körper rote Flecken fest undtippte auf Scharlach. Sofort verständigte sie den Arzt, der bald darauf

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per Fahrrad einen Hausbesuch machte und die Vermutung meiner Mutterbestätigte. Daraufhin wurde ich sofort ins Krankenhaus eingewiesen.

Im Krankenhaus gab es dann eine böse Verwechslung, die für mich recht fol-genschwer war: ich kam auf die Isolierstation für Diphtherie! Auf dieseWeise bekam ich jetzt auch noch diese, damals noch nicht so einfach in denGriff zu kriegende Krankheit, dazu! Wochenlang wurde ich hier jetztbehandelt, ohne daß mich wegen der Ansteckungsgefahr irgendjemandbesuchen durfte!

In dieser Zeit bekam mein Vater ein paar Tage Heimaturlaub. Da er so langenicht zuhause war und wieder an die Front mußte, erreichte er bei derKrankenhausleitung eine Ausnahme. Er durfte, zusammen mit meiner Mutter,draußen vor der Glasscheibe stehen und mich so wenigstens von weitemsehen und winken! Das war alles! Anschließend war ich nur noch einheulendes Elend. Das Heimweh war jetzt in voller Wucht wiederausgebrochen. Die Schwestern hatten ihre liebe Not mit mir und tadelten, wasmich nur noch mehr belastete. So habe ich verständlicherweise den letztenBesuch meines Vaters in keiner guten Erinnerung.

Nach dem Krieg warteten wir auf die Rückkehr oder wenigstens ein Lebens-zeichen von ihm. Immer neue Transporte mit entlassenen Kriegsgefangenenkamen in die Heimat zurück. Wir warteten und schwankten zwischen Hof-fenund Bangen.

Eines Tages, war es im August oder September 1945?, saß ich in der Brun-nenstraße auf einer Eisenstange vor dem Schaufenster des früheren CafesMöhlenkamp, in welchem jetzt Tommys einquartiert waren, als ich von

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einem ungepflegten Mann in schmutziger deutscher Uniform angesprochenwurde: "Kannst Du mir sagen, wo hier eine Familie Brants wohnt?" "Ja,direkt nebenan. Hier durch den Gang, dann die erste Tür links." Was wollteder Fremde bei uns? Brachte er eine Nachricht von meinem Vater? In ge-bührendem Abstand folgte ich dem Mann und mußte zusehen, wie dieserschluchzend meiner Mutter in die Arme fiel! Es war mein Vater! Er hattemich und ich ihn nach jahrelanger Abwesenheit nicht erkannt!

Zunächst blieb er für mich ein Fremder. Doch bald änderte sich das. Ichmerkte rasch, daß ich mir keinen besseren und lieberen Vater, der ganz fürseine Familie aufging, wünschen konnte!

Jetzt hatte ich auch wieder einen Vater - und was für einen!

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Das Paradies

Wenn ich früher zur Schule ging, kam ich immer an einem großen Gartenvorbei, an einem Garten, der in meiner kindlichen Vorstellung nichts andereswar, als das Paradies! Es sah aber auch fast so aus! Eine hohe, mit Moosbesetzte Mauer umgab diesen unergründlichen Garten, so daß man nur durchdie Stäbe des großen schmiedeeisernen Tores einen Blick in diesegeheimnisvolle Welt tun konnte. Rechts und links dieser gewaltigen Pfortewachten zwei Sandsteinköpfe, die Adam und Eva darstellten, darüber, daßkein sündiger Mensch diesen heiligen Boden betrat.

Jedesmal, wenn ich an diesem Paradies vorüberging, regten sich in mirbesondere Gefühle, je nachdem, ob ich ein gutes oder ein schlechtes Ge-wissen hatte. Hatte ich 'mal eine besonders gute Note in der Schule ge-schrieben oder war ich von einem Lehrer ordentlich gelobt worden - waswohl 'mal vorkam - dann stellte ich mich stolz in meiner vollen kleinenGröße an das Paradiestor und drückte meine Nase zwischen die kalten Stan-gen. Jetzt sollte der liebe Gott mich doch seh'n! Ob er mich wohl sah? Oderschalt er im Augenblick gerade die Schlange, die Eva zu dem Sündenfallverleitete? Nachdenklich schweifte der Kinderblick durch den Garten überdie vielen Blumen und die reichgesegneten Obstbäume. Seltsamerweisebegehrte ich dann nichts von diesen herrlichen Früchten! Ich achtete nur aufdie geheimnisvollen Geräusche und Laute, die aus dem Paradies zu mirherüberdrangen, auf die vielfältigen, mir hier so himmlisch erscheinendenTierstimmen und auf das geheimnisvoll-melodische Rauschen der Bäume!

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Nur ungern trennte ich mich nach solch einem Augenblick von meiner Stelle.Wehe aber, wenn ich einmal zu spät zur Schule ging oder wenn ich etwasVerbotenes ausgeheckt hatte! Wie graute mir dann, an dem Paradies vorbei-zugehen. Wenn ich es bei solch einer Gelegenheit irgendwie einrichtenkonnte, machte ich einen großen Umweg, damit mich der liebe Gott auf keinenFall sah! Mußte ich dennoch meinen gewohnten Weg einschlagen, so rannteich, was das Zeug halten wollte, an dem Paradies vorbei! Erst bei derSeefahrtsschule hielt ich in meinem Lauf inne. Hier mußte ich mich dannerschöpft auf eine kleine Mauer setzen, um mich von dieser Anstrengung zuerholen!

Eines Tages begab es sich nun, daß ich einem älteren Herrn, der im Krieg fastganz erblindet war, einen kleinen Dienst erwies. Für mich war es ganzselbstverständlich, daß ich einem solchen Menschen half; deshalb wollte ichauch nichts dafür haben. Aber er bestand darauf, daß ich einen kleinen Lohnannahm, und da ich ja auch ganz gerne Nüsse aß, ging ich mit ihm. Er führtemich durch eine große dunkle Scheune, daß mir, ehrlich gesagt, so richtiggruselte. Doch bald gelangten wir durch eine Seitentür ins Freie und standenjetzt in einem Garten. Urwüchsige Obstbäume erfrischten sich hier imMorgentau und senkten ihre schwerbeladenen Zweige auf mein kindlichesGemüt. Neben mir gackerte Geflügel. Ein Hühnervolk fristete unter demBirnbaum sein kümmerliches Leben, denn der Baum nahm ihm Licht undSonne."Pfropf' Deine Taschen nur tüchtig voll Nüsse", forderte der Herr michfreundlich auf, "unter diesem Baum müssen noch welche liegen." Nun, wiegerne ich das tat, brauche ich wohl nicht besonders hervorzuheben. Baldwaren meine Hosentaschen bis oben hin gefüllt. "So ist's recht, mein Junge",meinte der Alte, "Du hast sie dir wohl verdient!"

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Neugierig ging ich nun mit ihm den Gartenpfad entlang. Schade war es, daßder an sich schöne Garten so verkommen war. Überall wucherte Unkraut undWege und Beete waren mit vermodertem Laub besät. Plötzlich fuhr mir einjäher Schreck durch die Glieder! Ich stand vor meiner Paradiespforte!Diesmal aber an der anderen Seite!Wie mir in diesem Moment zumute war, kann ich jetzt gar nicht wiedergeben.Ein heftiges Weh überfiel mich und zutiefst enttäuscht und verzweifelt fragteich mich:

Das ist das Paradies?!?

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Aus Kindermund

Was gibt es doch heute für Möglichkeiten, Stimmen von Kindern auf Tonbandoder Audio-Cassetten zu konservieren, um sie später, eventuell erst nachvielen Jahren, wieder aufleben zu lassen! Darüber hinaus kann man sogar beieinfacher Handhabeung Ton und Bewegung im Videofilm festhalten! Dasfinde ich einfach super!

Als wir noch Kinder waren oder auch bekamen, gab es solche Möglichkeitennicht. Wieviele Aussprüche aus Kindermund wären es aber wert gewesen,festgehalten zu werden. Und wie interessant wäre es heute, dieseKinderstimmen noch einmal zu hören!

Als meine Mutter z. B. gemütlich im Wohnzimmer saß und einen Roman las,während meine damals im Kindergartenalter befindliche Schwester sichintensiv mit ihrer Puppe beschäftigte und plötzlich in die Stille hinein sagte:"Mutti, ich weiß wohl, was l e s e n ist." "Ja?" "In's Buch gucken und nichtssagen!"

Oder ein anderes Beispiel:

Mein kleiner Neffe hatte in seiner Frühzeit große Schwierigkeiten, das "R"auszusprechen. Immer wieder sprach mein Bruder ihm deshalb vor: "Dasheißt nicht Loller, das heißt Roller! Du mußt das "R" besser rollen!"

Eines Tages spielte mein kleiner Neffe nun mit meiner Schwester, seinerTante! Das Mädchen hatte rotes Papier in der Hand und stellte plötzlich fest,das dieses abfärbte und sagte ganz überrascht: "Guck eben, Wilfried,

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ich habe Lippenstift!" Darauf reagierte er belehrend: "Du bist aber dumm!Das heißt nicht Lippenstift! Du mußt das "R" besser rollen! Das heißt R i p p e n stift!"

Das geschriebene Wort kann die Situationskomik und den amüsanten Tonfalloft überhaupt nicht wiedergeben. So denke ich beispielsweise auch daran,wie meine Tochter das Wort "Prestige" erstmalig aussprach und dabei dann"P r e s tige" herauskam! Das war einfach zum Schreien!

Sicher, auch heute hat man die technischen Hilfsmittel zum Aufnehmensolcher Aussprüche im richtigen Augenblick in der Regel nicht verfügbar.Dennoch sollte man diese doch so häufig wie es geht nutzen, will man sichspäter nicht über verpaßte Möglichkeiten ärgern.

Aufzeichnungen von Kinderstimmen können noch nach vielen JahrenGedankenstützen sein und wertvolle Erinnerungen wecken!

meine Tochter Hilke

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Mesters

En is noch lang neet so as de anner. Dat gellt ok för de Mesters. Ik höv blottwee Mesters, de ik in mien Schooltied harr, mitnanner to verglieken. Wat enVerscheel!

Vör Mester "Ulfert", so nömden wi hum mit Spitznaam, trillden wi Kinner.Wenn he mit sien witte Snöttbaart tüsken de Bankriegen hen un her leep unmit uns Koppreken dörnamm, dann kunnen wi al vör Benautheit kien rechteAntwoord finnen. He stellde smaals de Upgav, t. B. 15x3x2:3+20-8:6x7 ,bleev dann stuuv vör en Kind stahn, hull hum sien Wiesfinger vör 't Gesichtun see unverwacht: "Ist?"

Well dann verfehrt upkeek un de rechte Tahl neet futt up Stee seggen kunn,kreeg van Ulfert "Unterstützung auf den Armkasten", as he dat nömde. Manharr dann haast dat Geföhl, dat hum Für ut de Ogen stoov, wenn he nu mit sienFuust as mall up de lüttje Kinnerarms haude, dat dat noch lange seer dee.

Daar gav dat wall kien Kind, dat neet 'maal mit en blaue Arm na Huuskwamm. Dat gung so lang, bit 'maal en Kind daarbi Benüll verlor, ut deSchoolbank full un de Vader hum vergrellt wickde: "Dat geiht wieder! Sehören noch van mi!"

Wi Kinner sünd noit gewahr worden, of un wat för Ulfert daarvan nakomenis, man van de Tied of an sünd uns Arms neet mehr van hum trakteert worden.

Wat anners was doch Mester Hellwig, de wi dann later kregen! Hum lagg datReken wall nettakkraat so minn as uns Kinner. He was en studeerte

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"Biologe". Sien Upgave sach he mehr daarin, uns de Natür natobrengen. Inuns Klassenruum wurren nu Siedenrupen hollen, de wi Kinner mit Bladen vanen Muulbeeiboom fooern mussen. Wi gungen mit hum in d' Hammerk,söchden Planten un Deren för en Terrarium, dat wi dann to plegen harren unleggden uns en Schooltuun an, de wi up Stee hollen mussen.Wo ieverg hebben wi Kinner alle mitwarkt!

Hau gav dat bi hum neet. He wuß uns ok so recht to nehmen. Ok in annerFacken. So stellde he uns alltied weer wat Neeis in Utsicht, wat he mit unsmaken wull, wenn wi uns "hum to Leevde" ok Meite bi Reken, Schrieven unanner Kram geven deen. Dat truck!

Eerst völ later hebb ik murken, wat wi Kinner bi hum mit Lüst man sünnerHau all lehrt hebben! An hum denk ik geern un mit Dankbaarkeit torügg, watik van Ulfert wiß neet seggen kann!

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Perlenhochzeit

Das ist gar nicht zu fassen: Jetzt ist es tatsächlich schon wieder ein ganzesJahr her, seit wir unseren 29. Hochzeitstag hatten! Dabei erinnere ich michnoch daran, als sei es erst vor ein paar Tagen gewesen.

Das Ostfriesland-Journal hatte seine Leser in der Januar-Ausgabe aufge-fordert, Liebesgedichte einzusenden, die dann, bei Eignung, in der Februar-Ausgabe gedruckt werden sollten.

Kurzentschlossen sandte ich auch eins hin, und zwar:

Ich liebe Dich,das weißt Du doch,Du weißt, wie wir uns fanden!Du liebst auch mich,das weiß ich noch,wie Du mir das gestanden!

Du bist von mirso weit, so fern!Ach guck, was muß ich leiden!Doch glaube mirich will Dir gerntreu sein und ewig bleiben!Ich sage Dir,

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bleib Du auch treu,wie Du es augenblicklich!Sag' j a zu mirund bleib dabei,dann sind wir beide glücklich!

Dieses hatte ich zu Beginn unserer Beziehung, also vor mehr als 30 Jahren,geschrieben.

Zusätzlich verfaßte ich nun noch rasch ein neues Gedicht, das sich auf unseren29. Hochzeitstag bezog:

Negentwintig Jahr is't al her,as Du in moje Plünnenin Standesamt do satt'st in Läär,un dat " J a " blied deest verkünnen!

Dann fuhrst Du noch in't Jümme-Landmit Schleier un witte Kleed.Na Neebörg mit mi Hand in Handun seggtest Pastor ok Bescheed!

Wi harren uns baldadig leev!Vull Hopen wassen beide!Of dat alltied nu wall so bleev?Glück un Bliedskupp wieder eide?

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De Jahren flogen so daarhenmit heerelke un sture Stünnen!Ik Di nu dör un dör wall kenn'.Alltied würr'k weer mit Di begünnen!

Dat is nu heel un dall kien Fraag'för mi; - wat ik domaals Di all schreevamenne mehr noch gelt vandaag:ik hebb' Di over all' Maaten leev!!!

Diese beiden Gedichte sandte ich nun ohne Dein Wissen ein. Ob sie wohlgedruckt würden? Wenn ja, wäre das eine Riesenüberraschung für Dich,wenn diese ausgerechnet im Februar 1990, also zu unserem 29. Hochzeitstag,erscheinen würden! Aber es kam ganz anders, als ich es mir ausmalte!

Fünf Tage vor unserem Hochzeitstag warst Du in der Stadt gewesen undhattest Dir etwas Neues zum Anziehen gekauft. Als ich am Feierabend vomDienst nach Hause kam, öffnetest Du mir die Tür, standst in toller neuerKleidung vor mir und deklamiertest etwas abgewandelt das Gedicht:

Negentwintig Jahr is't al her,as i k in neje Plünnen,in Standesamt do s a t t in Läär,dat "Ja" blied d e verkünnen!

Ich war restlos platt! Was war passiert?

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Du warst heilfroh aus der Stadt zurückgekommen, weil Du neue Kleidung ge-funden hattest. In dieser gehobenen Stimmung hattest Du nun zur Hausarbeitnatürlich keine Lust, setztest Dich deshalb entgegen Deiner sonstigenGewohnheit gleich gemütlich bei einem "Koppke Tee" hin und last in demgerade mit der Post eingegangenen Ostfriesland-Journal. Plötzlich fiel DeinBlick auf ein Gedicht:

Ich liebe Dich usw.

Was war das? Das kanntest Du doch! Wie kam das hier rein? Ein Blick nachunten: Manfred Brants! Das durfte doch nicht wahr sein! Und wieder wurdestDu irritiert:

Negentwintig Jahr is't al her . . .

Komisch, wie bei uns! Oder? Fassungslos sahst Du nun auch an dieser Stellemeinen Namen. Nein, war das eine Überraschung!

"Aber warte", dachtest Du,"gleich werde ich Dich auch dabeikriegen! Gut,daß ich ausgerechnet heute neue "Plünnen" gekauft habe, die Du noch nichtgesehen hast."

Als "Schojer", der Du ja schon immer warst, hast Du das Gedicht "Ne-gentwintig Jahr usw." rasch auswendig gelernt und mich dann, wie schonbeschrieben, an der Tür empfangen! Danach fielst Du mir, der jetzt "platt

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wie ein Pfannkuchen" war, mit leuchtenden Augen um den Hals und drücktestmich fast tot!

Ja, so war das letztes Jahr. Und jetzt haben wir schon wieder Hochzeitstag.Unseren dreißigsten! Perlenhochzeit nennt man den.

Perlen? Sollte ich Dir jetzt vielleicht eine Perlenkette zum Hochzeitstagschenken? Wäre das nicht ein beziehungsvolles Geschenk? Aber nein, Dulegst ja keinen besonderen Wert auf Schmuck, Glitzer und Tand. DeinSchmuck besteht aus Deiner Natürlichkeit!

Das ist es ja auch, was ich u. v. a. an Dir so schätze: mit Deiner bescheidenenNatürlichkeit bist Du selber ein Schmuckstück! Meine äußerst wertvolle,nicht ersetzbare

P e r l e !

Nein, ich glaube, ich muß mir doch noch etwas anderes einfallen lassen!

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Van well hest Du dat?

Die Frage, von wem hast Du diese Begabung zumSchreiben, wurde mir von Freunden und Bekannten schonhäufig gestellt. Wenn ich darüber nachdenke, möchte ichmeinen, daß ich diese von meiner Mutter geerbt habe. Beimanchen Gelegenheiten, auch mein Gästebuch zeigt dies,wußte sie Reime zu verfassen. So erinnere ich mich z. B.gut an meinen 21. Geburtstag.

Mein Vater hatte, von mir unbemerkt, eine Gartenbankgefertigt und angestrichen, welche dann alsÜberraschungsgeschenk an meinem 21. Geburtstag in demvon mir angelegten Steingarten stand. Meine Mutter hatteauf diese Bank eine von ihr gebastelte Puppe gesetzt, diemir folgenden von meiner Mutter verfaßten Vierzeilerentgegenhielt:

Bist Du einsam und traurig,und sinkt Dir der Mut,so nimm mich und drück michund alles ist gut!

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't word all' minner!

Wat sünd wi in uns gode Dagendoch alltied fix an Fieren west!Wassen lüstig un an malljagen,kunnen dat wiss' heel allerbest!

In Oller sücht dat wat anners ut,man kann neet mehr so ut sük gahn.De Diskomusik is uns to luut,un Kuur laten wi lever stahn!

Dat is an sük al en grood' Malör,wenn't all minner word un sachter,un wi neet verdragen Kuur un Wöör.Man kummt daar sachtjes nu achter!

Un doch harr'n wi en so moje Tied!Laat uns nu blot neet noch reeren!De Malljageree uns wiss' neet spiet,daar könt wi doch nu van tehren!

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VIII

Oorlogsenne un Kluttentied

"Oorlog" ist die plattdeutsche Bezeichnung für Krieg. Leiderkennen und sprechen heute nur noch wenige Ostfriesen diesesplattdeutsche Wort.

Für die Nachkriegszeit wurde von den Ostfriesen rasch ein neuesWort geprägt: "Kluttentied".

Wie ich als Kind das Ende des 2. Weltkrieges erlebt habe undeinige Erinnerungen aus der "Kluttentied" möchte ich in dennachstehenden Beiträgen wiedergeben.

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Stunde Null

Die Front rückte immer näher. Von jenseits der Ems hörte man in Leer bereitsdas Grollen der Kanonen. Für die Bewohner unserer Siedlung war einSchutzbunker errichtet worden, welcher jeweils bei Alarm benutzt wer-denmußte. Dieser bestand praktisch aus einer großen Bretterbude, die mit einerErdschicht bedeckt war.

Meine Mutter hatte hierzu kein Vertrauen. Sie setzte sich in der sogenanntenStunde Null über die Anordnung des Luftschutzwartes hinweg und flüchtetemit uns Kindern etwa zweihundert Meter von unserem Haus entfernt auf einegroße Weide. Zusammen mit drei Nachbarsfamilien (die Väter und älterenBrüder waren alle eingezogen) gruben wir uns direkt hinter einer großenSchlehenhecke ein Loch, bedeckten dieses mit Pfählen, Erde und Grassoden,so daß nur noch eine kleine Öffnung als Ein- und Ausstieg verblieb, undverkrochen uns mit ca. zehn Personen in diesem Erdloch. Dicht an dichthockten wir nun hier drin und harrten der Dinge, die da kommen würden.

Ganz in unserer Nähe befanden sich zwei Flackgeschütze der deutschenInfanterie. Der befehlshabende Oberst namens Boden hatte meiner Mutterversichert, hier würden wir gut aufgehoben sein. Bald zeigte sich dieseAussage jedoch als Trugschluß. Gerade wegen der Nähe der deutschen Flackwurde diese Gegend ganz besonders von dem Feind unter Beschußgenommen. Entsetzlich war das ca. zweistündige ununterbrochene Trommel-feuer, welches wir hier erlebten.

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Etwa sechs bis sieben Meter von unserem Bunker entfernt hatten sich zweiandere Nachbarsfamilien eingegraben. Dieser Bunker wurde getroffen. Dabeikamen zwei Kinder zu Tode und ein älterer Nachbar verlor sein Bein.

Schreiend suchten die Überlebenden dann auch in unserem kleinen ErdlochSchutz, so daß wir wie die Pökelheringe eingepfercht wurden und uns kaumnoch rühren konnten. Besonders schrecklich war aber das markerschütterndeSchreien und Wimmern der Verletzten und der Nachbarin, die eines ihrertoten Kinder mit in unseren Bunker gebracht hatte. Dabei krachte es ständigweiter. Wir spürten regelrecht die Einschläge in unserer Nähe, zumal dannimmer Erde von unserer provisorischen Überdachung auf uns herabrieselte.

Nach nicht endenwollendem Beschuß trat dann ganz plötzlich eine sagenhafteStille ein. Die Geschütze verstummten total.

Als das eine Weile so blieb, gingen unsere zwei hinzugekommenen Nach-barsfamilien wieder in ihren eigenen Bunker zurück. Ein paar Mutige von unsverließen nun auch kurz die Höhle, um zu schauen, was alles passiert war.Dabei wurde festgestellt, daß das Haus unserer Nachbarin, die mit ihrenKindern bei uns war, voll in Flammen stand und unser Haus weder Dachnoch heile Wände hatte.

Verzweifelt saßen wir in unserem Erdloch, welches nun auch immer feuchterwurde, da das Grundwasser massiv hervortrat und überlegten, was zu tun sei.Auf Vorschlag meiner Mutter machten wir uns alle nachts um zwei Uhr aufden Weg durch den Burfehner Weg, die Edzard- und Heisfelder Straße nachNeermoor-Kolonie zu Verwandten von uns. Unsere wenigen Habseligkeiten, die wir mit in den Bunker genommen hatten, verstauten wirauf einem Handwagen, den wir hinter uns herzogen.

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Unterwegs sahen wir trotz der Dunkelheit überall Glasscherben liegen. Esherrschte eine unheimliche Stille. Keine Menschenseele war zu sehen.Lediglich in der Nähe der Gastwirtschaft Barkei kam uns ein bewaffneterdeutscher Soldat entgegen, der uns fragte, wo der Feind jetzt wohl sei.

In der Nähe von Klostermühle/Veenhusen standen wir plötzlich vor einemriesigen Krater. Hier hatten die Deutschen die Straße gesprengt, um denFeind aufzuhalten. So mußten wir nun unseren Handwagen hier stehenlassenund den Krater weiträumig umgehen, wobei wir auch noch durch's Wasserwaten mußten. Kinder und Gepäck mußten hinübergetragen werden, wasbesonders bei der Dunkelheit ein schwieriges Unterfangen war.

"Wie im Film", sagten die Erwachsenen ganz erstaunt, als an der anderenSeite auch ein Handwagen stand. Dieser hatte zwar keine Deichsel, so daßdas Fahren sich damit als problematisch erwies, immerhin erleichterte er dasMitnehmen des Gepäcks.

Mitten in der Nacht kamen wir dann erschöpft bei meiner Tante in Neermoor-Kolonie an. Nach dem Erzählen, Waschen und Essen konnten meine Mutterund ich erst einmal in richtigen Betten ausschlafen, während unsere Nachbarnsich auf dem Heuboden ausruhen konnten. Welche Wohltat nach denStrapazen!

Aber auch hier mußten wir bei einem Alarm nochmal in den Keller. Auseiniger Entfernung hörten wir zwar Schüsse, konnten aber nichts Näheres

ausmachen. Auch mögliche Schäden waren nach der Entwarnung nicht fest-zustellen.

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Wie lange wir bei meinen Verwandten geblieben sind, weiß ich nicht mehr.Jedenfalls zog es meine Mutter rasch wieder nach Leer, um zu retten, wasnoch zu retten war. Wie enttäuscht und verzweifelt wir dann aber vor denTrümmern unseres Hauses standen, kann ich gar nicht beschreiben. Wir hattenbisher immer noch die Hoffnung, daß die Räume im Erdgeschoß erhaltengeblieben seien. Diese hatte man nämlich wegen davorstehender Hecken undBüsche von unserem Bunker aus nicht sehen können. Jetzt aber standen wirvor einem einzigen Trümmerhaufen. Wir hatten alle unsere Habe und auch einDach über dem Kopf verloren!

Im Nachbarhaus rückte man dann etwas zusammen und nahm uns für's ersteauf. Hier erfuhren wir dann, daß Leer bereits am 28. April 1945 gegen 18Uhr vom Feind eingenommen worden sei. Die Tommys hatten alle unsereNachbarn aus ihren Löchern herausgeholt und zunächst in den offiziellenBunkern eingesperrt. Nur an unserem Erdloch mußten sie so vorbeigegangensein, ohne uns zu entdecken.

Mit anderen Worten sind wir sechs Stunden, nachdem in Leer schon allesvorbei war, noch geflüchtet! Zumindest diese Strapaze hätten wir uns beiKenntnis der Sachlage ersparen können.

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Brunnenstraße

Meine Mutter kam frohgelaunt aus der Stadt zurück. "Ich habe eine neueWohnung gefunden. Wir brauchen die Gastfreundschaft unserer Nachbarnnicht länger in Anspruch zu nehmen!"

Sie hatte unterwegs die Frau unseres Kaufmanns getroffen und ihr von unsererAusbombung erzählt. Frau Klock hatte ihr daraufhin zwei Räume in ihremHaus angeboten.So zogen wir nun zur Brunnenstraße. Frau Klock war es dann auch, die unsmit dem ersten notwendigen Inventar ausstattete, so daß wir nun dochwenigstens wieder einmal einen Anfang zum normalen Leben bekamen.

Durch einen schmalen Gang zwischen den Häusern von Käse-Klock und CaféMöhlenkamp gelangten wir zu einer Außentür, die unmittelbar in unsereKüche führte. Unserer Küchentür gegenüber befand sich ein kleiner Innenhof,der zum Café Möhlenkamp gehörte.

In dem Café Möhlenkamp waren englische Soldaten einquartiert worden. Aufdem Innenhof wurde auf einem Benzinkocher das Essen der Tommys gekocht.

Hier mußten wir nun immer mit ansehen, wie den Soldaten leckere Speisenzubereitet wurden, während wir in der schlechten Nachkriegszeit nichts zumBeißen hatten. Ganz schlimm fanden wir es dann, wenn große MengenEssensreste anschließend vernichtet wurden. Anfangs hatten sowohl meineMutter als auch ich versucht, Essensreste zu erbitten. Der Koch, einregelrechter Deutschenhasser, machte sich dann aber einen Spaß daraus, die

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Essensreste vor unseren Augen mit einem höhnischen Gelächterfortzuschütten. Wir haben nie wieder danach gefragt.

Eines Tages wurden wir durch ein gräßliches Schreien aufgeschreckt. DerKoch hatte sich mächtig an dem Benzinkocher verbrannt. Obwohl der Kochein so schrecklicher Mensch war, eilte meine Mutter sofort hin und leisteteerste Hilfe. Ich konnte das damals nicht verstehen. Doch für meine Mutterwar diese spontane Hilfe eine Selbstverständlichkeit.

Nach diesem Vorfall war der Koch wie umgewandelt. Auch er war offen-sichtlich höchst erstaunt, ausgerechnet von meiner Mutter Hilfe zu bekommen.Aus Dankbarkeit steckte er uns von da an manches Lebensmittel zu, was unsnatürlich sehr zugute kam.

So verbesserte sich unsere Lage immer mehr. Meine Mutter hatte zudemengen Kontakt zu Frau Klock, mit der sie sich besonders gut verstand, so daßwir uns hier rasch einlebten und wohlfühlten.

Doch schlagartig änderte sich unsere Situation wieder. Da Herr Klock zurFührungsriege einer Naziorganisation gehörte, war er nicht nur "eingebuchtet"worden, nun mußte die Familie auch noch das Geschäft und die Wohnräumean einen Halbjuden abgeben.

Dies hatte für uns zur Folge, daß wir unsere neue Wohnung wieder verlorenund erneut nach einer Alternative Ausschau halten mußten.

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Villenstraße

Vom Wohnungsamt bekamen wir nunmehr eine Wohnung im Pastorenhaus ineiner Villenstraße zugewiesen. Den Gang dorthin habe ich noch gut inErinnerung, da ich meine Mutter begleitete.Wir waren ganz enttäuscht, als Frau Pastor uns eröffnete, sie habe leiderkeinen Platz im Hause. Da müßten wir uns schon nach einer anderen Woh-nung umsehen.

Im Wohnungsamt reagierte man sauer. In dieser schwierigen Zeit müßten sichalle etwas einschränken. Dies müsse man auch oder vielleicht gerade voneiner Pastorenfamilie erwarten, zumal diese eine Riesenvilla zur Verfügunghabe. Wir wurden also nochmal dorthin geschickt mit dem Hinweis, wenndas nicht im Guten klappen würde, hätte das Wohnungsamt schon noch andereMöglichkeiten, dies durchzusetzen.

Schweren Herzens gingen wir wieder zurück. Nachdem meine Mutter derFrau Pastor die Auffassung des Wohnungsamtes schonend wiedergegebenhatte, führte diese uns dann in den Keller und zeigte uns zwei Räume, die wirbeziehen könnten. Doch dieses Ansinnen wies meine Mutter ganz resolutzurück. Sie bestand nun konsequent auf drei normale Wohnräume. In denKeller würden wir auf gar keinen Fall einziehen, da das doch wohl nichtzumutbar sei. Wenn Frau Pastor keine andere Möglichkeit sehen würde,müßte halt das Wohnungsamt entscheiden.

Erst danach bequemte sich Frau Pastor dann, uns im ersten Stock drei Räumezu zeigen, mit denen wir auch zufrieden waren. Diese wurden

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allerdings auch von uns benötigt, da mein Vater und mein ältester Bruderinzwischen aus der Gefangenschaft zurückgekehrt waren.

Später stellten wir dann fest, wie groß das Haus tatsächlich war. Es ließ ohnespürbare Einschränkung für die Pastorenfamilie zu, daß anschließend nocheine Ärztin mit zwei Kindern und eine mehrköpfige Flüchtlingsfamilie hiereingewiesen werden konnte. Gleichzeitig verblieben der Pastorenfamilieneben einem "Weihnachtszimmer", das in der Regel nur einmal jährlichbenutzt wurde, noch für den Eigenbedarf ausreichende Räume.

Bevor wir in die neue Wohnung einzogen, wurde sie erst einmal gründlichvon meinen Eltern und meinem ältesten Bruder überholt. Zunächst wurden dieWände mit einer getönten Wandfarbe gestrichen. Danach erhielten die Wändemittels Gummirollen und einer etwas dunkleren Wandfarbe verschiedeneMuster. Den Abschluß der Malerarbeiten bildete dann ein mit einem Linealgezogener dunkler Rand, der die hohen Räume gleichzeitig optisch etwasniedriger erscheinen ließ.

Schwierig war es, die zerstörten Glasscheiben in mehreren Fenstern zuersetzen, zumal kein Fensterglas im Handel erhältlich war. Doch auch diesesProblem lösten Vater und Bruder ideenreich und vorbildlich.Im Café Möhlenkamp lagen noch einige Reklametafeln für Sarotti. Hierbeihandelte es sich jeweils um zwei hauchdünne Glasplatten, zwischen denendie Sarotti-Reklame mit dem Mohr eingefügt war. Im Laufe der Zeit hatte dasGlas bereits Farbe von den Reklametafeln angenommen, die mühsam mitBenzin, welches der Koch von nebenan abtrat, entfernt werden mußte. Da dieFensterrahmen höher als das so gewonnene Glas waren, mußte beim

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Einsetzen des Glases geflickt werden. Mit viel Mühe und Geschick gelangauch das.

Nach gründlicher Reinigung der Räume konnten wir nunmehr einziehen, dochvorher mußten meine Eltern sich noch einmal durchsetzen.Frau Pastor fand unsere Räume nach der Renovierung besser als ihre eigenen.Deshalb versuchte sie nun noch einmal umzudisponieren, und uns andereRäume zuzuweisen. Darauf haben sich meine Eltern jedoch nicht eingelassen.

Da meine Eltern gute nachbarschaftliche Beziehungen anstrebten, schlucktensie manches hinunter und hatten so mit allen Parteien ein gutes Einvernehmen,was uns das Wohnen letztlich sehr erleichterte.

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Birnenernte

Mit dem Pastorenhaus sind für mich viele interessante Erinnerungenverbunden.

An der Südseite der Villa befanden sich Spalierobstbäume. Hier reiftenherrlich große und saftige Weinbirnen. Das Pflücken dieser Birnen warnatürlich nicht einfach und für den Herrn Pastor darüber hinaus unwürdig.

So fragte Frau Pastor meinen größeren Bruder, ob er die Birnen für sie erntenwolle. "Es soll Ihr Schaden nicht sein", versprach sie ihm dabeiunverbindlich.

Mein Bruder hat sich dann an die Arbeit gemacht und das Obst in teilweisemühseliger und halsbrecherischer Weise gepflückt.

Nach getaner Arbeit bedankte sich Frau Pastor dann bei ihm mit Handschlag,nahm aus der Menge der geernteten Birnen eine besonders schöne heraus undsagte: "Diese wunderschöne Birne nehmen Sie doch bitte Ihrer Frau Muttermit. Sie brauchen ja keine. Sie rauchen ja."

Für solch innigen Dank war mein Bruder natürlich "sehr empfänglich".

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Verbotene Früchte

Obst aus dem eigenen Garten schmeckt nie so gut wie aus einem fremden.Das meinte auch Johannes, der Pastorensohn, mit dem ich oft und gernespielte. Ich mochte auch gerne Obst, wobei ich den feinen Unterschiedallerdings nicht kannte, da wir keinerlei Obstbäume besaßen.

So überlegten wir beide dann auch einmal, wie wir wohl an die leckerenWeinbirnen von Oma Hovenga, die zwei Häuser weiter wohnte, heran-kommen könnten. Danach fragen hätte nichts genützt. Ihr Geiz war bei unsKindern allgemein bekannt. Deshalb dachten wir uns folgende List aus:

Ich sollte Oma Hovenga mit einem Gespräch ablenken, während Johanneszwischenzeitlich in den Garten schleichen und Birnen stibitzen wollte.Genauso haben wir es dann auch gehalten.

"Meine Mutter läßt schön grüßen und fragen, ob Sie ihr wohl eben IhreFensterspritze ausleihen würden!", log ich ihr vor. Sie durchschaute das na-türlich: "Nix daarvan, Du wullt daar blot sülvst mit spölen!" Das stritt ichdann entschieden ab und diskutierte so ohne Ergebnis mit ihr weiter. DieFensterspritze habe ich nicht bekommen.

Als ich aber auf die Straße zurückkam, sah ich unser gestecktes Ziel erreicht:Johannes hatte inzwischen gute Arbeit geleistet. Die Birnen waren ganzbesonders köstlich.

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Liesel

In der Nachkriegszeit mußte jeder auf seine Weise sehen, daß er über dieRunden kam. Die Pastors fanden dabei etliche Unterstützung von außen, sodaß sie es in mancher Beziehung leichter hatten.

Dennoch mußte man anerkennen, daß Frau Pastor sich nicht zu schade fühlte,bei Bauer Bonk sogar das Melken zu lernen.

Unsere Wohnstraße galt zu dem Zeitpunkt als eine vornehme Villenstraße.Ausgerechnet an einer solchen Straße stand eines Tages Tücher schwenkenddie gesamte Pastorenfamilie einschließlich Personal "Huhu! Sie kommt! Siekommt! Unsere Liesel kommt!".

Wer kam dort um die Ecke? Eine K u h als Zuwachs im Pastorenhaus!

Man hatte die Kellertür ausgehängt und ein paar Holzstücke daraufgezimmert.Diese Tür wurde nun auf die Kellerstufen, die von draußen in den Kellerführten, gelegt und die Kuh nun hier heruntergetrieben. Im ehemaligenHeizungskeller war Stroh ausgebreitet, so daß die Kuh hier aufgestalltwerden konnte.

In die Wand zum nebenliegenden Waschkeller hatte man übrigens ein Lochgeschlagen. Hierdurch konnte nun die Jauche fließen, um mitten imWaschkeller im Gulli abzulaufen. Bevor man jedoch diese Lösung desJaucheproblems fand, floß die stinkende "Brühe" zunächst unter der Kellertürdurch, nahm einen kurzen Weg über den Kellergang, um dann letztlich auchim Gulli des Waschkellers zu versickern.

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Regelmäßig mußte der "Kuhstall" natürlich auch ausgemistet werden. HerrPastor hatte verständlicherweise wichtigere Aufgaben zu erfüllen. Dochvielleicht . . .

Aber klar. Mein Vater war dazu bereit, zumal dem Herrn Pastor aufgefallenwar, daß ich immer so blaß aussehen und mir richtige Kuhmilch sicherlichguttun würde. "Dann können Sie jeden Tag einen Liter Milch haben." HerrPastor meinte es bestimmt auch so.

Mein Vater hat daher treu und brav seine Pflicht getan und die ihm unge-wohnte Tätigkeit ausgeübt. Den aus dem Keller nach oben durch das kleineKellerfenster gewuchteten Mist karrte er dann in den hinteren Teil desGartens, wo bald ein ansehnlicher Misthaufen heranwuchs.

Wenn meine Eltern jeweils am Ersten eines Monats die Wohnungsmietebezahlten, bekamen sie fortan außerdem -,35 RM pro Liter Milch in Rech-nung gestellt. Die Arbeit blieb unberücksichtigt.

Was meine Eltern jedoch noch mehr ärgerte, war die Tatsache, daß wir nurentrahmte Milch, den sogenannten "blauen Blitz" erhielten.

Von dem Rahm hatte das Dienstmädchen vorher Schlagsahne schlagenmüssen, die ausschließlich für die Pastorenfamilie bestimmt war. Wie dasDienstmädchen uns oft klagte, blieb das Personal außen vor. Es saß jaschließlich auch nicht mit an dem Familientisch, sondern hatte das, was ihmzugedacht war, alleine in der Küche einzunehmen.

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Ein Kalb

Irgendwann kam der Zeitpunkt, daß die Kuh kalben mußte. Ausgerechnet alsdas Kalben losging, waren keine Erwachsenen im Hause. Für den Falljedoch, daß dies eintreten sollte, hatte man den Kindern vorsorglichVerhaltensmaßregeln gegeben. So sollten sie sofort den Bauer Bonk oder denMüller Ahlrich anrufen. Einer der beiden würde bestimmt zu Hause sein undsogleich kommen, um alles Notwendige zu regeln.

In der Aufregung müssen sich die Kinder wohl verwählt haben. Sie schriensofort ins Telefon: "Bitte kommen Sie sofort, es ist soweit, wir kriegen einKälbchen!" Erstaunt hörten sie dann: "Was habe ich denn damit zu tun?"

"Ja, Mutti hat doch gesagt, Sie würden helfen!""Nein, daß muß ein Irrtum sein! Ich kann Euch dabei wirklich nicht helfen."Es stellte sich heraus, daß Amtsgerichtsrat Stendel in der Leitung war.Anschließend erreichte man den richtigen Ansprechpartner doch noch, derunverzüglich kam und half.

Das Kalb fand dann eine Bleibe in der rechten Ecke des Waschkellers, woman es an der Wasserleitung anband.

Wie lange es dort blieb, weiß ich heute nicht mehr.

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Waschfrau

Übrigens zu dem Wort "Waschkeller" fällt mir noch etwas ein.

Neben den zwei Dienstmädchen wurde an bestimmten Tagen auch eineWaschfrau in der Pastorenfamilie gehalten. Frau Fröhlich, eine ältereFlüchtlingsfrau mit Kopftuch, ich sehe sie noch genau vor mir, wohntejenseits der Bahn irgendwo im Osten der Stadt. Wenn sie dann jeweils zumWaschen kam, hatte sie bereits einen weiten Weg hinter sich gebracht.Angekommen schickte Frau Pastor sie dann sofort in den Keller. "Sie wissenja Bescheid."

Nachdem die Frau dann stundenlang in dem Waschkeller, wo die Wäschenoch gekocht wurde und dicke Schwaden in der Luft hingen, gewirkt hatte,kam Frau Pastor dann mittags zu ihr runter mit den Worten: "So, FrauFröhlich, es ist Mittag. Sie wollen ja sicher auch eben essen gehen. Ichwürde sagen, wir sehen uns dann um drei Uhr wieder."

Im Pastorenhaus war kein Teller Suppe oder dergleichen für sie übrig.Genausowenig wurde ihr zwischendurch mal eine Tasse Tee angeboten.

Ich höre meine Eltern heute noch sagen: "Wie im Mittelalter."

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Wo sind die Schuhe?

Im Flur der ersten Etage befanden sich mehrere Wandschränke. Da wir nachder Ausbombung kaum Möbel besaßen, stellte Frau Pastor uns einenbestimmten Wandschrank zur Verfügung.

Mein ältester Bruder war Soldat bei der Marine gewesen und hatte aus derGefangenschaft seinen Seesack mit nach Hause bringen können. Hierin befandsich nun hauptsächlich seine Matrosenkleidung und seine schwarzenSchnürschuhe, die so gut zu seiner blauen Matrosenhose mit dem damalsmodernen weiten Schlag paßten. Vor allen Dingen aber waren die Schuheunentbehrlich als Straßen- und Arbeitsschuhe. Dieser Seesack mit besagtemInhalt wurde nunmehr in dem uns überlassenen Wandschrank verwahrt.

Als mein Bruder eines Tages seine Schuhe aus dem Seesack holen wollte,konnte er sie nicht finden. Obwohl er alles gründlich durchsuchte, bliebendie Schuhe verschwunden.

Während des intensiven Suchens kam Frau Pastor gerade vorbei. "Suchen Sieetwas Bestimmtes?" - Als sie nun hörte, was mein Bruder suchte, wurde sieganz verlegen."Ach, das waren Ihre Schuhe? Das tut mir aber leid. Es könnte sein, daß meinMann die Schuhe, in der Annahme es sind seine, einem armen Manngespendet hat."

Herr Pastor bestätigte später diese Vermutung, entschuldigte sich bei meinemBruder und meinte, er bekäme häufiger mal Care-Pakete, damit er etwas zumVerteilen an hilfsbedürftige Menschen hätte. Sobald in so einem

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Paket mal Schuhe sein sollten, würde er sofort an meinen Bruder denken undso für Ersatz sorgen.Mein Bruder war todunglücklich. Ihm fehlten seine Schuhe an allen Eckenund Kannten. Aber es nützte nichts, die Schuhe waren unwiederbringlichweg.

Nach einiger Zeit waren tatsächlich einPaar braune Halbschuhe in einem Care-Paket, welche Herr Pastor meinemBruder dann auch überließ.Abgesehen davon, daß die Schuhe nichtganz gleichfarbig waren, da sie wohlursprünglich nicht zusammengehörten,paßten sie meinem Bruder auch nichtrichtig. Besonders der rechte Schuh war ihm viel zu eng, so daß er nur mitSchmerzen darin laufen konnte. Dennoch war er froh, auf diese Weisewenigstens einen gewissen Ausgleich für seine abhanden gekommenenSchuhe bekommen zu haben.

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Hunger und Not

Der Pastor erhielt also Care-Pakete, um hilfsbedürftige Menschen damitversorgen zu können. Obwohl wir bei ihm im Hause wohnten, so manchesMal nicht wußten, wie wir satt werden sollten, total ausgebombt waren undso alle Habe verloren hatten, haben wir kein einziges Mal auch nur eineKleinigkeit von ihm bekommen. Wir haben uns damals gefragt, wer in seinenAugen denn wohl hilfsbedürftig war. Allerdings hatte er selber natürlich einegroße Familie zu versorgen. Vielleicht lag hier die Hilfsbedürftigkeitbegründet?

Ich kann mich noch deutlich daran erinnern, wie ich einmal länger als zweiStunden in der Schlange vor dem Bäckerladen ausgeharrt hatte, um einMaisbrot zu ergattern. Ausgerechnet die Frau, die unmittelbar vor mir stand,erhielt das letzte Brot. Dann hieß es "ausverkauft"! Heulend bin ich dann nachHause gegangen und meine Mutter wußte wieder einmal nicht, wie sie unssatt kriegen sollte. Es war schon eine sehr schlimme Zeit!

Im Pastorenhaus erhielt ich das schönste Weihnachtsgeschenk, an das ichmich überhaupt erinnern kann.

Mein Vater hatte mir ein großes Packhaus mit mehreren Etagen und einertollen Giebelfassade gebastelt. Vor dem Haus befand sich eine Rampe undoben an dem Giebel war natürlich eine Takelage angebracht. Meine Mutterhatte das Wunderwerk angestrichen, und zwar das Haus rot, die Fenster weißund die Rampe und Takelage schwarz. Auf der Rückseite des Hauses wareine grüne, zweiflügelige Tür, die über alle Etagen ging, so daß ich diese vonhieraus bestücken konnte. Zu diesem Prachtstück hatten meine

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Eltern mir noch kleine Säcke, Kisten und Fässer gebastelt, damit ich mit derTakelage auch etwas zum Hochziehen hatte. Sogar an eine kleine Sackkarrehatte mein Vater gedacht.

Wer hätte geglaubt, daß ich dieses einmalige Geschenk über kurz oder langwieder hergeben mußte?

Der Hunger und die Not waren so groß, daß wir uns mangels andererTauschobjekte entschlossen, das Packhaus mit allem Drum und Dran fürfünfzig Pfund Kartoffeln und ein kleines Stück Speck einzutauschen. Sokamen wir wieder für eine kurze Zeit über die Runden.

In diesen Notzeiten hat meine Mutter dann oft gesagt: "Wenn uns dat nu ok soschofel geiht un wie alls verloren hebben, so mutten wie trotzdem dankbaarwesen. Wie hebben uns hele Familie gesund dör de Krieg brocht. Dat is dochwall dat Wichtigste!"

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Wertvolle Hilfe

Wenn wir auch oft nichts auf dem Teller hatten, so waren wir inzwischendoch froh, wieder ausreichend Teller und anderes Geschirr zu besitzen.

Meine Mutter war im letzten Kriegsjahr dienstverpflichtet worden. So mußtesie Handschuhe für die Soldaten an der Front nähen. Dabei lernte sie danndie hier ebenfalls eingesetzte Ehefrau des Schokoladenfabrikanten vanDelden kennen. Als meine Mutter sie nach dem Krieg wiedertraf, erfuhr sie,daß in der Schokoladenfabrik Militär einquartiert gewesen war. Beim Ver-lassen dieser Unterkunft hätte es dort eine Menge Geschirr zurückgelassen.Wenn meine Mutter etwas davon gebrauchen könne, solle sie doch ebenkommen.

Dieses Angebot nahm meine Mutter natürlich sehr gerne an. So kamen wirwieder zu kleinen und großen, flachen und tiefen Tellern, zu Schüsseln,Terrinen und Tassen.

Obwohl dieses Geschirr recht derb war, da es aus ganz dickem Porzellanbestand, stellte es in unserer Situation eine enorme Bereicherung dar.

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Ein Jeep

Bei uns hielt hupend ein offener Jeep der Besatzungsmacht. Der Fahrer warjedoch kein Tommy, sondern der Freund meines Bruders. Zugleich befandensich zwei Mädels in dem Fahrzeug. Die drei wollten meinen Bruder zu einerSpritztour abholen.Mein Bruder fuhr aber nicht mit. Im Gegenteil beschwor er seinen Freund,den Jeep wieder zurückzubringen und bloß keinen Blödsinn zu machen. Daskönne nicht gutgehen. Sein Freund schlug die Warnungen aber in den Windund fuhr dann mit den beiden Mädchen alleine fort.Der Freund war bei den im Hotel Erbgroßherzog einquartierten Tommysbeschäftigt. Forsch, wie er war, hatte er sich nach Feierabend einfach einenJeep vom Platz genommen und war damit, ohne einen Führerschein zubesitzen, losgefahren, um eine Spritztour zu unternehmen.Wie er anschließend berichtete, war er dann nach Stickhausen gefahren, umdort die Schwester seiner Freundin zu besuchen. Auf der Rückfahrt war ihmder Wagen stehengeblieben, weil das Benzin ausgegangen war. Daraufhinhatte er sich ein Fahrrad besorgt, war zum Hotel Erbgroßherzog gefahren undhatte sich dort vom Hof einfach einen Kanister Benzin geholt.Nach dem Auftanken hatte er den Jeep wieder zurückgebracht und ihn aufdem Platz abgestellt, ohne daß dies irgendjemandem aufgefallen wäre.Sein Pech war jedoch, daß er dieses Erlebnis nicht für sich behalten konnte.Voll Stolz prahlte er dann überall von seiner Heldentat.So kam es, daß auch die Besatzungsmacht davon erfuhr und ihm zur Strafe 1/2Jahr Gefängnis aufbrummte.Auf diese Weise hat er dann auch noch das Tütenkleben gelernt.

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IX

Durch Nacht und Jahr

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Gute Nacht?

Die Nachterwacht.

Schaltet den Mond an.Ordnet weiter dannalles am Firmament,

so wie man es halt kennt.

Sie setzt fernStern an Stern.

Kein Komet fälltvom Himmelszelt.

Nur ein Flugzeug kreistdurch den Frieden dreist!

Positionslampen anziehen weitere die Bahn!

Ganz harmlos dies scheint,doch die Erde weint.

Lautlos Giftstoffe rieseln,d'rum die Wälder so krieseln?!

Geschieht's doch nicht nur in der Nacht,sondern auch, wenn der Tag erwacht!

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Der vermeintliche Friedenwirkt bös' aus sich hienieden!

D'rum kein Mensch mehr d'rüber lacht,heißt's am Tag auch

" G u t e N a c h t !"

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Sücht de Maan ok al Verdarven?

De Maan de seilt heel lecht an'd Hemelmit düster Flecken an Liev.Un stürt hendaal en lüttje StremelLücht up de Eerdenbedriev!

De Maan de kickt heel fredelk un stoltnadaal nu up unse Eer.Daarbi schient he gaar neet maal so kolt.maakt dat wall de Wulkenmeer?

De stüttig daar bi hum schufft un drifft,dat Bild engal verannert?Hum mit rüstegfarvte Hoff umgifft un alltied wieder wannert?

Daartüsken tinkelt so mennig Steerndaar boven an d' Hemelstelt,steiht fast up en Stee daar heel in Feern,hätt de wall maal en ins tellt?

Och nee, harr ik doch mien Woord man weer!E e n Steern steiht daar neet! He flücht!Dwars dör de dunker Hemel daarher.En Fleeger is't, as man sücht!

De an Hemel hier de Free verneelt,sacht up Planten un Bomenstillkens tünnenwies Strunt nu verdeelt.So wied is d' Minske komen!

Is't so 'n Wunner, dat uns Holt labeet?Waar't Vernelen raakt nadaal,van Fleegers, de ok mit Larm Verdreetmaken! Dat is wiss 'n Skandaal!

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Noch kickt de Maan heel moi un sinnig,is boven doch neet alleen!Maakt de Minsk sük neet bold maal künnig,kannst hum amenn noit mehr sehn! ! !

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Holzauge, sei wachsam!

Politik hat oft einen Wandelin den Alltag hinein gebracht.Vorher gab's meist einen Kuhhandel,über den dann ein Dritter lacht,

der still im Verborgenen drehtebei der Entscheidung etwas mit!Beim and'ren dann scharfer Wind wehte,weil der Gegner unehrlich stritt!

Wenn der Betoffene nun auch kläfft,mit bess'ren Argumenten ringt,Politik ist halt 'n schmutz'ges Geschäft,nicht stets dem Rechten Vorteil bringt!

Da die Hintermänner in der Politik meistensim D u n k e l n agieren, habe ich diesesGedicht unter der Rubrik "Nacht" eingeordnet.

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De swart-witte "rode Dook"

Seker, de Eekster lett heel moi in sien swart-witte Ferenkleed. Un wenn hemit sien sture un unbehulpen Flegen ok wall kien Staat maken kann, sooverspölt he dat doch en spierke mit sien iverge Steertwüppen.

Un doch: Ik kann hum haast neet mehr vör Oden seh'n! So leep dat ok is, ikhebb de Nös d'r vull van!

Wenn de Eekster fröher ok wall as de Dodenvögel gull, hebb ik alltiedsmüstert un docht: Ollwievenproteree. Wat sull dat Deer wall mit en bevör-stahnde Dood van en Minske to doon hebben? Nix! Daarvan bün ik ok van-daag noch overtügt. Man nu seh ik dat anners: De Eekster is de Dodenvögelför anner Deren!

He is nu 'maal kwaad un as Deev all lang' bekennt, neet eerst sied Rossinis"Diebische Elster". Elk weet: He klaut as en Raav, de he ja ok is. Man siet hesük in grode Koppels in elke Loog breet maakt, word he all driester unlelker.

He roovt en Vogelnüst na d' anner ut "und sorgt so für einen vom Schöpfergewollten natürlichen Ausgleich", as mi en "Natürfründ" inschünen wull.Up mien Fraag, waar de "natürlike Utgliek" up de anner Kante blifft, wuß heok nix to seggen.

Man so is dat: Nüms sörgt in de Natür mehr daarför, dat de Eeksters neetoverhand nehmen. Un so blifft dat heel neet ut, dat stüttig all mehr Eeksters inuns Loogen herumflegen un Not un Dood för anner Deren brengen.

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Wat flogen fröher 'n bülte moje Singvögels in uns Tunen herum! De heleLücht was alltied vull van Singen un Trilleeren. En wull de anner overbeden.Nu is dat all daan! Vandaag hört man blot noch dat heesterge Kraken vanEeksters un Kreihen.

Se hebben de Nüsten so good utrümt, dat d'r neet mehr völ van overbleven is.Annnerlesdens wassen se verraftig gaar bi de Swalvkenüsten to gang, dat ikvan de Skandaal heel verfehrt overt Enn komen bün.

Ik fraag mi, waarum dürt de Jager neet utgliekend ingriepen un en Stück ofwat Eeksters scheten? Waarum word de Eekster alltied noch unner "Na-türschütz" stellt, waar he en völ groter un mojer Stück Natür verneelt?

Ik hebb d'r wiß kien Künn van. Hopenlik waken de, de't Seggen hebben, bold'maal up un maken sük künnig!

Dat word nödig Tied!

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Jank na d' Vörjohr

Na 'n gröne Klör ik heel leep jankin disse nare Tied.De gräsig Winter dürt so lang,de Padd versneeit noch wied.De nüdelk Lüntjes, jung un old,hör 'k al so lang neet mehr.Se sünd verdreven ut dat Holt,gahnt d'rum upstünds ok neet to Kehrbi Fröst un Sneei so kolt.

De Winter mook moi Blömkes köttin Holt un overall.Ok Loff un Gräss nu all verrött,he mook all's naar un mall.De hele Bliedskupp is vörbi,de d' Sömmer uns hett günnt.Wi hopen, Vörjahr is dicht bi,maakt all's weer moi, dat bliede sündDeer'n, Planten un ok wi!

De olle hoogdütske Volkswies"Nach grüner Farb' mein Herz verlangt"hebb ik hier in ostfreeske Taal overdragen

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Vörjahr

Dat Vörjahr nu rögt sük,dat will bold komen.Elk un een d'rum högt sük:Minsk, Deer un ok Bomen.

Dat Vörjahr sük ückert:will gau nu an d' Lücht.De Winter al snückert,he al denkt an sien Flücht!

Dat Vörjahr sük nüüt reckt!Kummt all nahder her!En Sünnenstremel breckttüsken de Bomen dör!

Dat Vörjahr rögt fellersük, 'n spier kannst d' al sehn!Dat word ok al heller.He kummt wiss' up sien Been!

Dat Vörjahr maakt flüchtergwat Gröns an Bomen.Dat hett schiens heel klüchtergWinter d' Kracht wegnomen!

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Dat Vörjahr hum nu trecktFell over d' Ohren!Winters Aam nu gau breckt,he hett bold verloren!

Dat Vörjahr heel moi greiht!Vögels blied singen!Mennig Blömke nu bleiht,Winter leet sük dwingen!

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Weidekätzchen

An vielen gräulich-schlanken Zweigenbraune Knospen sich befanden,die in ganz unscheinbarem ReigenWinterhärte überstanden.

Als dann der Frühling kam mit Sonne,zauberte er gleich eins, zwei, drei,für alle nur zur wahren Wonneweiße Kätzchen ganz rasch herbei!

Erst lugten nur'n paar helle Spitzenaus der braunen Schalenhülle.Doch dann in Sonnenstrahlen blitztenseidig Kätzchen bald in Fülle!

Mit herrlichen frisch-weißen Farben,die später wichen trübem Grau.Die dann wiederum ohne Narben- gleich manch' modebewußter Frau -

ins Grünliche überwechselten,was ihnen bald war wieder leid!Sie d'rum nochmal an sich drechselten:nun anzogen ein gelbes Kleid!

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Selbst dieses noch nicht das letzte ist,denn Blattgrün kommt noch an den Baum.Doch auch hierfür gibt's bestimmte Frist:Jahreszeiten löschen den Traum!

Laßt den Baum wie er will nur sprießenund überlaßt ihn seinem Glück!Doch Ihr solltet bewußt genießenden j e w e i l i g e n Augenblick!

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Kopern Spiekers worden Bladen!

De bruun "kopern Spiekers" an Bökenbomensünd maantenlang noch heel fast un ok glatt.Bit dat Vörjahr hör in't Vermick hett nohmenun ut elker "Spieker" maakt en grön' Blatt!

Hannig nu Blatt na Blatt an de Tacken kummt!Bold d'rup is de Kroen van Bladen heel dicht!Tomaal sitt 'n Bülte Leven in d' Boom! Dat summt,dat flutert, dat hamert un flücht!

Unsichtbaar towielen för de minskelke Ogen.Un doch mook de Vörjahr en Levensruum,waar de Minsken hum neet hebben bedrogenmit Gasen, Stoff of vernelende Schuum!

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kopern Spiekers = Blattknospen an Buchen

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Harvst

De Harvst mit 'n grode Farvpott löptdör de Tunen un dör dat Holt.Neet dat he lei is un blot slöpt,he verdeelt 'n Bülte Klören stolt!

Heel prachterg un in Sünnenschienwist sük dann sien heerelke Wark.Man bold kriegen sien Frünnen Pien,wenn he smaals kummt ok grov un stark

mit sien dicke Pustebacken,un blast dat Moje dann weer of.Planten laten Koppen sacken,gahnt nu in sük mit welke Loff!

Ok Vögels neihen heel gau ut,dat gefallt hör hier heel neet mehr.De Harvst word franterg un heel luut,geiht towielen vergrellt to Kehr.

He blarrt ok smaals dicke Tranen,smitt smerige Dook um sük to.Man sünner wi dat ins ahnen,maakt he smetts neet blot natt de Schoh,

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he lett dann ok weer moi riepenAppels, Peeren un völ Plumen!Stuur is 't faak, hum to begriepen,jonum all sien wesselnd' Lunen!

Wi mutten hum nu so nehmenas he is, mal grov un mal leev.He lett sük neet van uns tähmen.Well dat anners meent, de liggt scheef!

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Sturm

Ich kann's einfach nicht begreifen,was hier gestern ist gescheh'n!Der Sturm konnte nicht nur pfeifenund die Winde rasend weh'n,

nein, er tat auch viel zerstörenin der Stadt und auch im Wald.Er war schrecklich nur am röhren,dabei wurd' uns heiß und kalt.

Er entwurzelt' viele Bäume,zerschmetterte teilweis' sie!Verließ verwüstete Räume,nachdem er Verderben spie!

Die Gewalt war übermächtig,die Menschen hilflos und klein,der Sturm äußerst niederträchtig,unbarmherzig und gemein.

Wir hoffen er kehrt nicht wiederwutschnaubend noch zu uns her,kommt kurzatmig nur und bieder,dann gibt's nicht soviel Malheur!

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Unweer

Wat brullt un bruust de Störm so lelkun skandaalt daar pulternd um't Huus,brengt Unrüst mit fileinig Gebölk,in de Schöstein en schrickelk Gesuus ?

Klattert Regen an de Schieven,vör't Störten he blot schier so gütt!Drückt Zoch un Natt dör alle Glieven,de Weermaker sük hier overbütt!

Wat rökelt daar boven up Dack?Of de Pannen wall noch hollen?De Düwel hett daaran sien Gerack,maakt all in d' Will! Bang' Jögd un Ollen!

Böi na Böi schüddelt de Bomen,will hör to de Grund utrieten!Wat is daar för en Unweer komen?Nu kön'n de Lü up See en spieten!

Wat good, dat wi in Huus jüst sünd,buten kann heel völ geböhren!Regen pietsket haast pielliek dör d' Wind,de Hemel schient in alle Klören.

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Van geel bit pickswart is he wiß,daartüsken de Wulken stuven.De hele Werelt an koken is!Störm huult klunterg un is an snuven.

En dicke Boom in Tuun nu brecktas en Rietsticke so dwarsdör!Verdarven un Strunt dör d' Loog nu treckt!De Höll' is lös! Wat steiht uns bevör?!

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Winter domaals

Sachte swajete de witte Sneeiup unse Eer in Haasketied.So draa de Kinner harren schoolfreeiwas dat do dann smaals futt so wied:

Mit wullen Schaals un mit Handsken anun 'n dicke breite Pool up Kopp,stoven se heel gau na buten dann,harren kien Tied för Moders Sopp!

Hannig kwamm nu weer de Slee vandag,de stofferg stunn in'n Hook up Bön.Sien Bedüden was nu sünner Fraag'leep groot un gaff de Bliedskupp Stön!

Meestiets regeerte de Fröst togliek,mook elke Pool Water to Ies!Wat wassen de Kinner nu doch riek,wurden se dat do ok al wies?

Nüms was do an frocken un jöseln,de Kolle hett hör nix andahn!All' wassen s' an schlittern un schöfelnun harren en heerelke Bahn!

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Iesjökels do an Dackgöt hungen,Iesblömen an Fenstes bleihten,de de Kinner smaals mit hör Tungenun heete Aam dann andeihten.

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Winter nu

De Winter sücht nu heel anners ut,daar kannst overhopt nix maken:uns Weer is mall worden, schütt in Kruut!D'rover sünd winterlik' Saken!

Wat is dat raar un upstünds schofel:Winter sünner Fröst, Schneei un Koll!Nimmt man de Minsken wall wat ovel?Is Weermaker neet mehr de Oll?

Man kann dat heel un dall neet faten,wat is nu blot mit hum geböhrt?Maken dat amenn' Ozongaten?Wat anners nu uns Winter schört?

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X

Heimatfestspiele in Leer

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... auch hinter den Kulissen

Der Gallimarkt in Leer wäre nicht vollständig, gäbe es nicht gleichzeitig dasHeimatfestspiel! Dies galt ganz besonders nach dem 2. Weltkrieg. Die Men-schen dürsteten förmlich nach Kultur und Abwechslung. Da waren die Hei-matfestspiele gerade das Richtige! Hier wurde ihre Sprache gesprochen, dagab's nichts Gekünsteltes. Man erkannte sich in den dargestellten Personenwieder und konnte auf herrliche Weise 'mal die Alltagssorgen vergessen.

Außerdem war für diese Aufnahmebereitschaft förderlich, daß es damalsnoch keine Fernsehsklaven gab und natürlich auch nicht - wie heute - in fastjedem Dorf eine Laienspielbühne vorhanden war.

Die Heimatbühne in Leer bildete hier, vielleicht abgesehen von der Friesen-bühne in Emden, eine einzige Ausnahme. Dazu war Leer natürlich prädes-tiniert:

Die Spiele hatten hier nicht nur Tradition, hier boten sich auch, abgesehenvon der örtlichen Lage - weitere ideale Voraussetzungen dafür.

Der Heimatverein Leer hatte in seinen eigenen Reihen hervorragendeSchriftsteller (z. B. Siegfried und Wilhelmine Siefkes) und durchwegSpitzenkräfte unter den Darstellern (z. B. Reinhold Hüser, Anna Saul, JanEggen und Anneliese Hallenga).

An "leckeren Muuskes", die frische Mädchen und "de Leevde" im Spielglaubhaft machen konnten, mangelte es auch nie. Wer dem Ostfriesenwitzaufsitzt, in Ostfriesland seien die Kühe schöner als die Mädchen, paßt nicht

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in die Welt und irrt sich gewaltig! Stellvertretend für viele Mitspielerinnenseien hier in alphabetischer Reihenfolge mehrfach rührend agierende"Spölerkes" genannt: Christa Bartels, Theda Freese, Annegret Hallenga undLuise Lindemann.

Dazu kamen natürlich fähige Spielleiter und weitere zahlreiche Menschen,die ihre jeweilige Aufgabe mit Begeisterung und Idealismus anpackten. Dadachte niemand an Honorare, der Einsatz wurde belohnt durch die Freude amMitmachen und -gestalten. Und wie man erst in späteren Jahren erkann-te,durch unvergeßliche Erinnerungen!

Dem Heimatverein Leer kam im übrigen entgegen, das der "Museumsbaas"Hans Siefkes für die Bühnenausstattung aus dem üppigen Museumsbestandtolle Requisiten und auch Garderoben zur Verfügung stellen konnte.

Die ersten Spiele in der Nachkriegszeit habe ich nur zum Teil alsjugendlicher Zuschauer erleben dürfen. Aber auch dadurch habe ich nocheinen guten Eindruck von den Stücken "Wittensand" und "Petersand", beidevon Siegfried Siefkes verfaßt, bekommen.Wie ich später erfuhr, wurden sie von Siegfried Siefkes gleichzeitig als"Spölbaas" und Hauptdarsteller während des Spielens weiterentwickelt!Siegfried Siefkes lebte die Rollen und brachte während der Vorführungenneue Ideen und Gedanken ins Spiel.

Die Mitspieler kamen dabei ganz schön ins Schwitzen, mußten sie dann dochvon ihren gelernten Texten abweichen und sofort auf das Neue reagieren!Dies muß jedoch immer so gut geklappt haben, daß es den Zu-schauern nieaufgefallen sein soll.

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Wie gesagt, ich bin erst später, zunächst unter der Spielleitung von FritzHallenga, und dann von Bregter Wallenstein, Mitglied des "Spölerklottjes"gewesen. Christa Heuten habe ich nur als Darstellerin, aber nicht mehr alserster weiblicher "Spölbaas" erlebt.

Interessant war natürlich auch das Leben hinter den Kulissen. Die Bühne desSchützengartensaals war recht primitiv. Dort trieben Mäuse mit uns ein bösesSpiel und die einzige von allen zu benutzende Toilette konnte nur mitvorstehender Wache, weil nicht abschließbar, angenommen werden. Unddoch, was haben wir hier, vielleicht gerade darum, viel Spaß gehabt!

Vor dem nächsten Auftritt rasch noch ein Blick ins Rollenbuch.hier: Jan Eggen und Christa Bartels

Durch winzige Löcher in der Bühnenwand konnten wir den Saal übersehenund so beobachten, wie er sich füllte. Auch während des Spiels waren dieseLöcher meistens besetzt, um die Reaktionen des Publikums verfolgen zukönnen.

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Hinter der Bühne war nur ein kleiner Raum vorhanden, in welchem sich allesabspielte: hier zog man sich um, wurde ge- und abgeschminkt, hier wurde Teeund Schnaps getrunken, Fanbesuche empfangen, geplaudert, gelacht, diskutiertund gescherzt.

Wilhelmine Siefkes "kukelurt" in den Zuschauerraum

Manchmal ging es drunter und drüber, so daß man zur Räson gebracht werdenmußte, um die Vorstellung nicht zu übertönen und die Spieler, die gerade ander Reihe waren oder auf ihren Einsatz warteten, nicht zu stören.

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Christa Heuten und Helene Mammen in der "Garderobe"

Links vom Saaleingang befand sich noch ein Clubzimmer. Hier feierten wirdann nach der Premiere - natürlich auch mit Ehrengästen - unseren erstenErfolg.Bei der Premiere des Stückes "Dörpskunzert" schloß ich mit einer Dar-stellerin eine Wette ab. In dem Stück spielte ich den Kapellmeister. "MitSliprock an" und einem "steifen Bibi" auf dem Kopf, dazu einen kleinenSchnurbart unter der Nase, mimte ich einen Musiker aus der Zeit um dieJahrhundertwende. Während unserer Fete fragte mich die Spielerin plötzlich:"Würdest Du in dem Aufzug morgen wohl ins Rathaus gehen?"

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ich als Kapellmeister mit "Sliprock" und "steifem Bibi" auf der Bühne

Mutig habe ich diese Frage bejaht, was von ihr jedoch nicht geglaubt wurde.Daraufhin haben wir um eine Flasche Asbach gewettet.Am nächsten Tag bin ich tatsächlich in diesem Aufzug mit dem Fahrrad zumDienst gefahren. Mein damaliger Amtsleiter war ganz entsetzt, als er mich sosah. "So können Sie im Rathaus doch kein Publikum bedienen!"

Darüber hatte ich vorher natürlich auch schon nachgedacht. Deshalb konnteich ihn sofort beruhigen. Ich schminkte mich ab und zog mir einen Pulloverüber. So konnte ich den Vormittag überstehen!

Es war bei der Wette abgemacht worden, daß die wettende Spielerin beimeinem Dienstbeginn vor dem Rathauseingang stehen sollte. Sie war je

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doch nicht gekommen, was man nach so einer Party ja sicher auch verstehenkann. Doch wie sollte ich die eingelöste Wette beweisen?Mittags zog ich mich wieder entsprechend an und fuhr zusammen mit einemKollegen zu ihrer Wohnung. Sie war sprachlos und bestätigte mir, daß ich dieWette mit Bravour gewonnen hätte. Die Flasche Asbach habe ich allerdingsnie von ihr bekommen.

Viele Jahre später, ich wohnte inzwischen nicht mehr in Leer, besuchte ichmit meiner Frau ein Heimatspiel, welches jetzt in der Osterstegschule auf-geführt wurde.

Von den alten Spielern war nur meine damalige Wettgefährtin noch aktivdabei. Als wir während der großen Pause die Spieler hinter der Bühnebesuchten, gab sie zu, ohne daß wir sie darauf angesprochen hatten, daß es ihrauch jetzt noch peinlich war, ihren Wetteinsatz nicht geleistet zu haben. Wassoll's, auch dies ist inzwischen Erinnerung geworden!

Karoline Günther im Souffleurkasten

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Heimatfestspiele

Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, stand auch ich in früheren Zeiten.Denn bei dem Leeraner Heimatfestspielerreichte nach und nach ich sehr viel!

Bei dem Stück "Broers", aller Anfang ist schwer,gab als Ersatzspieler ich nichts her.Als "Deener" stand ich verloren im Raum;denn was zu sagen hatte ich kaum.

Auch bei "Kaatje" bekam ich leider nur'ne Ersatzrolle, doch nicht Kontur!Nunmehr wirkte ich an der Kasse mit,Karten verkauften wir oft zu Dritt.

Denn Zuschauer kamen gleich in Massen,kaum vom Schützengarten zu fassen!Kam ab und zu unser "Vörsitter" nicht,wurde ich genommen in die Pflicht:

Die Ansprache mußte ich dann haltenauf der Bühne - vor Vorhangsfalten.Spielern überreichen vor vollem HausBlumen und Flaschen mit viel Applaus!

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"Fokko Ukena", der Löwe von Leer,brauchte Gegner, Personal und Heer.Ich wurde eingesetzt als sein "Schildknecht"und fand mich in der Rolle zurecht.

Aber damit war ich noch nicht am Ziel,denn im anderen Heimatfestspieltraf ich nun endlich dann 'mal ins Volleund bekam 'ne tragende Rolle!

Kriegt ohn' Promotion den Doktorgradund wurd' "latienske Buur's Advokaat"!Begab mich schnurstracks auf Freiersfüßen,zog mich zurück, mit Blumengrüßen!

1960 braucht' "Spölbaas" dannauf der Bühne 'nen wichtigen Mann:Für "Dörpskunzert" sucht' er aus der Spielerschar'nen Kapellmeister, der ich dann war.

Mit "Sliprock" an, 'ne tolle Erscheinung,war ich diesmal ganz klar der Meinung,auch wenn 's den Bürgermeister total stört,seine "Gesa" nur zu mir gehört!

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So hab' ich dann wirklich in diesem Spielalles erreicht mit Charme und Gefühl.Fachlich auch von Konkurrenz anerkannt

stand mit Geliebter ich Hand in Handgesiegt, gewonnen im Scheinwerferlicht!Applaus, gute Presse, mehr wollt' ich nicht!

Nach so 'ner Karriere macht man Schluß,bevor sonst Tiefgang kommt und Verdruß.Von Erinnerungen aus dieser Zeitzehre ich noch eine Ewigkeit!

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Stönpahl

Geeske-Tant' hett noch wat in't Fatt:se mutt futt weer mal rin in't Gatt!Wenn dor't ok kolt un zocheg is,se gifft doch Stön un helpt heel wiß!

So draa 'n Spöler neet wieder weetun hum van d' Kopp guust al de Sweet,dann lüstert Geeske-Tant' hum troheel sacht dat rechte Stichwoort to!

Van d' Saal ut kann man hör neet seh'n,wo se mit Deken um de Been,mit Fokk' up Nös un Book up Schootas Stönpahl Spölers helpt in Not,

wenn s' neet weten, wo 't wieder geiht,seggt se hör, wat in Rull'nbook steiht.So 'n Gatt is wiß heel wunnerbaarmit Geeske drin, dat is ja klaar!

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Naproot - Heimatspill

Karoline Günther, pensionierte Lehrerin und Ehrenmitglied des Vereins fürHeimatschutz und Heimatgeschichte Leer e. V., gehörte zu meiner Zeit zumfesten Bestandteil des "Spölerkrings". Als sie noch aktiv mitspielte, hatte siein dem Stück "Stiefkoppen" eine "Tante Geeske" darzustellen. Das machtesie so liebenswürdig, daß sie fortan von uns Spielern immer "Tant' Geeske"genannt wurde, was ihr wohl gefiel.

Als sie dann älter wurde und keine Rolle mehr übernahm, wirkte sie weiterals Souffleuse bei den Heimatspielen mit. Dabei nahm sie alles mit denAugen und Ohren wahr, was hinter den Kulissen und auf der Bühne passierte.

Wilhelmine Siefkes, mit der sie befreundet war, spitzte ebenfalls überall dieOhren und verfolgte, was um sie herum geschah. Anschließend tauschten diebeiden Frauen sich dann aus und Wilhelmine Siefkes setzte allesWahrgenommene in Reime für einen "Naproot des Heimatspills" um. JederSpieler wurde dann darin glossiert.

Nach der Spielsaison wurde in der "Waage" vom Heimatverein ein festlicherAbschlußabend mit einem herrlichen Pökelfleischessen und Rotweinausgerichtet. Höhepunkt dieses Abends, der nach jedem Heimatspiel als Dankfür den ideellen Einsatz der Spieler und Helfer gedacht war, bildete der"Naproot".

Wilhelmine Siefkes und Karoline Günther verschwanden dann hinter einerDecke, so daß nur noch ihre Köpfe zu sehen waren. So trugen sie dann ge

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meinsam ihre humorvollen Reime vor, um nach jedem Abschnitt ganz hinterder Decke zu verschwinden. Mit den regelmäßig abschließenden Worten"dat is um up de Kopp to stah'n!", zeigten sie dann zwei Paar Schuhe, um soihren Kopfstand sichtbar zu machen.

Naproot, gekonnt vorgetragen von K. Günther und W. Siefkes

Im Nachfolgenden möchte ich nun auszugsweise einige Beispiele aus solchenvon Wilhelmine Siefkes mit einem Augenzwinkern verfaßten "Naproots"wiedergeben. Aus ihnen kann man nicht nur die jeweilige Stimmung, sondernzum Teil auch die seinerzeit herrschenden Umweltverhältnisse erahnen:

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1957 begannen die beiden Frauen ihren "Naproot" folgendermaßen:

"Nanner! Ja, dar koom wi weer an,wi sünd noch alltied't olle Spann.Wi worden nu ja old un krumm,man Naproot lassen wir da nicht um!Wat söl'n wi ok in Ruhestand?Heimatschutz deiht ja allerhand.Man of he uns en Rente dee?Wi beiden löven ja van nee!Anners, he swimmt ja nu in Geld!Wenn he dat all binannertellt,wat hum de Minsken alle brochen,das Volk, das war ja wie gestochen!Können tät Heimatschutz das schonun stüren uns beide in Pension.Man dar will wi uns neet up verlaten,drum schreiten wir zu neuen Taten!Wi könen ja neet ruh'n of rasten,dann deen Ji ja vör Neeisgier basten!Un daarum do wi Jo de Will,un vertell'n Jo wat van't Heimatspill.Wi laten Spölers Revue passeern,dann kön' Ji Jo ja drover mokeern.Uns eerste Stremel hev wi daan.Dat is, um up de Kopp to stah'n!"

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In einem weiteren Abschnitt brachte sie zum Ausdruck, daß die Zuschauervon überall herbeiströmten, um das Heimatspiel zu sehen:

"Se kwammen mit lüttje un grode Bussen,de sük vör Schützengorn bargen mussen.Autos, Mopeds un ok Radenwassen mit Minsken overladen.Van't Süder-, Norder-, Osterfehn,van't Wester-, Grote-, Lütjefehn,van Auerk un ut Saterland,van't Güntsied van de Eemsestrand,van Brake, Ollnbörg un Krummhörn,sogaar ut Holland un ut Nörd'n.Un vuller wur't van Maal to Maal,en Rummel was dat in de Saal!O Heer, wat kwamm en Volk to Been,as harrn se noit kien Stiefkoppen seh'n!

Leerders wullen ok Korten kopen,man se kunnen der neet tegen lopen.Panikstimmung mook sük breet:krieg wi Korten nu of neet?!Heimatschutz see: Guttogutt!(Dat'k d'r so'n Woord um seggen mutt).Weest man still un hört ins her:Saterdag spöln wi blot för Leer!No, do wassen de ok tofree,Heimatschutz brocht all up Stee!

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Saal was alltied borevull.Nüms wuß, waar he noch sitten sull.Se satten up Tafels un mussen ok stahn,Höncher harr hör kien Stohlen mehr daan!Der wußt überhaupt nicht was er wollt:maal wast to heet un mal to kolt.'t bleef ok neet alltied moje Weer,man't Volk kwamm ok bi Regen her!"

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Wie immens groß die Nachfrage nach Eintrittskarten damals war, ging eben-falls aus ihrer Darstellung des Kassengeschehens, mit welchem ich als

Schatzmeister des Heimatvereins Leer ja nun auch stark befaßt war, hervor:

"Helpers wassen d'r allerhand:Joke Heuten un sien Traband,welcher hieß von Manfred Brant',draußen an der Kasse stand.Faken was dat'n Malör,sulln Korten verkopen un harrn kien mehr!Dann seen de beiden: Wat maak wi blot?All utverköfft un Andrang grood?!Wenn all de Lü daarin noch sölen,dann mutten se al wieder spölen.Se reten na Telephon in Galoppun hörden sük haast de Ohren van Kopp.Se hebben sük rein in Stücken reten,man hebben de Budel glänzend smeten.All Avend harrn se de Büüs vull Geld,wi lurden blot, daß man sie überfällt!Se stunnen daar in Zog an Dör,man daar kunn Höncher ok nix för.Anners in Saal un up Bühn wast faak kolt,daar sparte Weertsmann Köhlen un Holt."

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1958 spielten wir das Stück "De latienske Buur". Mir wurde die Rolle desRechtsbeistandes Dr. Stamer übertragen, dessen bester Klient natürlich der"latienske Buur" war. Darüber hinaus hatte ich mich in seine Tochter zu ver-lieben, die offensichtlich auch in mich verknallt war, so daß unsere innigeUmarmung im hellen Rampenlicht zwangsläufig stattfand.

Dennoch konnte ich nicht "Ende gut, alles gut!" sagen, weil mir das Mädchenletztendlich von einem Jungbauern weggeschnappt wurde!

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Wilhelmine Siefkes hat mich in ihrem „Na proot" zu diesem Stück wie folgt glossiert:"Gliek in de erste Akt kwamm he an:Dr. Stamer, ein feiner Mann.Na schier Hochdütsk stunn hum de Snuut,un bito söchte he en Bruut.Er war in der Stadt und auf dem LandDirektor Hofmeiers rechte Hand.Un nett as ut en Kuffertje nohmenis he smaals up Plaatze komen.He is overhoop van vörnehm Kant,un geven deit he sük so charmant.Un bovendrin is he noch Rechtsbeistand.Hofmeier hett alltied allerhand:z. B. bedarf die Überwegungseiner reiflichen Überlegung.Prozessen geht er gern aus dem Wege,obgleich sie ihm brächten gute Erträge.Un de Heiweg, de olle Gerechtigkeit,raubt Dr. Stamers kostbare Zeit.Trotz Reden über Gemeinschaftssinnschreibt keiner seinen Namen hin.Über die ganze Dienstbotenblaserümpft Dr. Stamer die feine Nase.Stientje is grov un Rieke daarbi -an den Ton gewöhnt der Dr. sich nie.Un Berend, de ungebildete Buur,de hett Herr Stamer eerst recht in Luur!

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Dat dat sien Rivale wesen kann,daar denkthe mit kien Gedanke an.Doch wurd' er eines Schlimmern belehrt,wat hett he an't Fenster sük verfehrt!As he Dorothee, sien grote Swarm,sehn mutt in Berend Bruns sien Arm!Wie sich sein Herz zusammenzog,als ihn seine Liebste so betrog!Dokter, Du hörst doch to de Slauen,wo leetst Du Di de Wicht so klauen?!Se glitt Di eenfach ut de Hand,un Du kummst neet in Ehestand!Doch zog Dr. Stamer zu seiner Ehresich bewundernswert aus der Affaire.Hei Ji hum wall komen sehn?Neet as Hund mit Steert tüsken Been,mit Blömenstruß, as wer nix passeert,hett he dat Bruutpaar höflich graleert.Marken de hum kieneen wat an,he was un bleef en feine Mann!Ja, ja, so kann't in't Leven gahn!Dat is, um up de Kopp to stahn!"

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Natürlich wurden nicht nur die Spieler in so einem "Naproot"von Wilhelmine Siefkes mit Reimen bedacht, sondern auch dieehrenamtlichen Helfer vor und hinter der Bühne. Auf diese Weisewurde ich z. B. 1959, als ich keine Rolle übertragen bekommenhatte, in folgenden Zeilen von ihr erwähnt:

"Manfred stellt sich an seinen Platzun sörgte en Spierke för Ersatz.Un wenn he en Stimme hörde trillen,dann gung he hen un gaff hum Pillen.Sogaar mit Photoapparatwas he angange froh un laat.Un vör un achter de Kulissenhat er sie auf's Bild geschmissen,und freut sich wie ein Jägersmann,wenn einen Schnappschuß er getan.

Vom Saal zur Bühne schlug die Brück'Vörsitter, unser bestes Stück.All Avend de he en Rede redenof un to muß Manfred vertreden.Van Vörstand de he en Kumpelment,un de, as wenn he alle kennt.All Avend weer he bliededat sovöl kwammen up Vesite.All Avend broch he Lü up Spurvan uns plattdütsk Literatur . . . "

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Der "Naproot" vom Latiensken Buur wurde beispielsweise folgendermaßen abgeschlossen:

"Elke Avend is er durch Vorhang gekrochenund hat zu seinem Volk gesprochen.Kien eenmal fehlte hum dat an Stoff:"Sett man Jo moje Hooden of!"se he an Fraulü, de daar sattenun ihre Bedeckung noch aufhatten.Un he dankte ok de Massen,dat se in Scharen komen wassen.Un daarbi doch he insgeheiman de Geldpüüt van Verein.

De wurr ja weer mal borevull!En Wunner, dat he neet overqull!Ditmaal hebben se Vögel ofschoten,"Stiefkoppen" wurden noch überboten.Wenn Schriever ok wall 'n Ollenbörger waswas tut ihm das!En gode Nahber is ok wat wert,dat hew wi mit dat Stück ja lehrt!25 maal - de Rekord is slahn!Dat is, um up de Kopp to stahn!"

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Wenn die beiden harmonisierenden Stimmen der Frauenverstummten (Karoline Günther hatte eine tiefe und WilhelmineSiefkes eine helle, klare Stimme), und die beiden Schuhpaareüber der Decke erschienen, brauste regelmäßig anhaltenderBeifall eines begeisterten und dankbaren Publikums auf. DieseAbende werden allen Teilnehmern unvergeßlich geblieben sein!

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XI

Rund um Weihnachten

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Mein Vortrag anläßlich des vom Heimat- und Geschichtsverein Sprockhövele. V. in der Aula der Hauptschule Niedersprockhövel am 07. Dezember 1990durchgeführten plattdeutschen Abends:

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich bitte Sie, mich nicht zu steinigen, weil ich Ihnen zunächst eine kurzeEinleitung in hochdeutscher Sprache und Ihnen danach in ungewohnter Weisedie Ihnen allen bekannte Weihnachtsgeschichte auf ostfriesisch-platt-deutschvortrage!

Bei unseren Vorbereitungen zu dieser Veranstaltung wurde mir von unseremVorsitzenden, Herrn Haverkamp, vorgeschlagen, ich solle dieWeihnachtsgeschichte doch einmal ins ostfriesisch-Plattdeutsche über-setzen.

Ganz spontan habe ich zugesagt und mich am vergangenen Samstagdarangesetzt. Dabei habe ich jedoch ganz rasch gemerkt, daß eine wörtlicheÜbersetzung nicht geht, denn plattdeutsches Sprechen setzt auchplattdeutsches Denken voraus. Eine wörtliche Übersetzung würde deshalbnichts Ursprüngliches, sondern nur Gekünsteltes erbringen.

Aus diesem Grunde habe ich dann auch nicht wörtlich übersetzt, sondernversucht, das Ganze frei ins ostfriesisch-Plattdeutsche zu übertragen, was ichIhnen nunmehr zumuten möchte:

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De Wiehnachtsgeschicht

De Wiehnachtsgeschicht, de ik Jo nu vertellen will, könt Ji ok nalesen. Se isin de Hillge Schrift uptekent unner Lukas twee bi de Tallen en bit twintig.Man daar steiht dat in en för uns frömde, ollerwelske Hoogdütsk. Ik will Jodat daartegen up mien Maneer in oostfreeske Taal vertellen. Hört ins to:

Dat was jüst to de Tied, as Kaiser Augustus noch dat Seggen un sien Mackersupgeven harr, eenmaal sien hele Volk to tellen.

Domaals was de "Volkszählung" un "Datenschutz", as wi dat vandage kennen,noch kien Wennst un Moode. Nee, in disse Tied, van de ik nu vertell, do deCyrenius noch Landpleger in Syrien was, wurr dat Volk to't allereerste Maaltellt! Bit hierto hett man noch neet rechtschapen oversehn kunnt, wovölMinsken overhopt in de Werelt levten. Elk un een muß sük daarum nu in sienanstammte Kuntrei tellen laten.

Un so mook sük ok Josef mit sien Ollske Maria van Galiläa ut up de Padd indat jödske Land na de Stadt Bethlehem. Disse Kuntrei hörte to David un hierlaggen ok hör Wuddels; denn dit was hör anstammte Heimat un van hier washör Herkomen.

För Maria was disse Gedo wisse wat stuur, wall se wat Lüttjes verwachteun nu jüst upt Lesde gung.

Un as se nettakkraat mit hör Keerl Josef in Bethlehem ankomen was, weer datverraftig sowied: Maria kwamm to liggen un kreeg daar nu en lüttje Jung!

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Waar nu hen mit de Kind in de Kolle? Good, dat se wat Dooken bi sük harr!So packte se de lüttje Fent in Windeldooken un leggte hum in en Krübb, wallse anners kien Rüümte un Bott in hör bekrumpen Unnerkomen harr.

To glieker Tied wassen in desülvige Kuntrei Heerders up de Weide, desnachts up hör Deren uppaßten, as dat miteens heel lecht um hör to wurr un enEngel na hör daalswefte! Ha, wat hebben de Heerders sük do verjaagd!

Man de Engel bedorte hör un se: "Verfehrt Jo neet! Ji bruken kien Not vör mihebben! Ik breng Jo doch en grode Bliedskupp, de ok de hele Volk nochtokomen sall! Man Ji sölen dat toeerst gewahr worden: Vandage is in deStadt Davids de Heiland upstahn, he is Christus, de Heer! Um dat Ji Jodaarvan overtügen könt, geev ik Jo en Teken: Ji finnen dat besünner Kind blotschofel in Windeldooken packt in en Krübb' liggen."

As de Engel so mit de Heerders prootde, wurr dat um hör noch all heerelke!De Hemel stürte hum noch en heel bülte Sellskupp un allmitnanner wassen sean juchheien un preesen de Heer! Daarbi sloten se in hör Wünsken ok datEerdenvolk mit in, de se all Goods un Free günnten! Daarna swajeten seweer na de Hemel to un leten de Heerders bi hör Deren torügg.

De wassen, as man sük denken kann, nu heel upwöhlt un neeisgierig! Sowassen se sük ok futt enig: wi gahnt up Stee na Bethlehem, um to kieken, ofdat all so is, as uns dat up so besünner Wies van de Heer mitdeelt worden is!

Un verraftig: se funnen beide, Maria un Josef un ok de lüttje Fent, de blot inWindeldooken packt in de Krübb' lagg! Do wassen de Heerders so vull vandat, wat se sehn un beleevt harrn, dat se alle Minsken, mit de se in Proot

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kwammen, daarvan vertellten! Un all de Lü, de dat hörten, wunnerten sük unvertellten dat dann ok wieder. Up disse Maneer wurden all mehr Mins-kengewahr, wat hier geböhrt was!

Ok Maria kreeg dat alle mit un namm dat in hör Hart up. Se was neet van deSoort Minsken, de völ Woorden maken. Man daarför brochen de Heerders deNeeigkeit um so mehr bi Padd, waarbi se neet versümten, de Heer to priesen,för alls, wat se sehn un hört harren!

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Nachstehendes wurde 1955 in der ÖTV-Zeitung "die jungen" veröffentlicht.1989 lebte es dann wieder auf, als ich es beim plattdeutschen Abend desHeimat- und Geschichtsvereins Sprockhövel vortrug und die 80 Teilnehmer(Westfalen) damit zum Singen brachte!

Dat Glockenspölliedje "Alle Jahre wieder . . . " van mi in 't Plattdütseoverdragen:

Elke Jahr van Neeisen

Elke Jahr van Neeisenkummt bi Wind un Weerok na uns OostfresenWiehnachtsmanntje her.

Kummt in elke Köken,geiht na elke Kaat,will uns maal besökenschenken wat mit Maat.

Löppt up Freeslands Padensünner völ Gedo,mutt sien Wark ofladennoch vör mörgens froh!

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Van Hemel hoog

Van Hemel hoog, daar koom ik wegun Jo nu hier wat Mojes segg:En Bliedskupp ik Jo brengen will,d'rum hört ins to un west 'maal still!

Jo is wat Lüttjes nett upstahn,dat will up unse Eer nu gahn,en Jüfferke hett dat gebor'n,dat will för Jo nu Bliedskupp wor'n!

Dat is Jo Gott, de Heere Christ!En Padd ut Not he Jo nu wist.Van Sünnen will h' Jo maken schier,as Heiland is he bi Jo hier!

Brengt Salv för d' Seel Jo up de Eerun van Gott Vader 'n gode Lehr!Dat Ji ok in de Hemelrieksöl'n leven nu un ewiglik!

Gaht mit de Heerders man driest rin!Hebb d' grode Bliedskupp blot in d' Sinn,un kiekt, wat Gott Jo schunken hett:sien leve Söhn, de Jo all rett'!

Dat Wiehnachtslied "Vom Himmel hoch da komm ich her" van Martin Luther hebb ik in oostfreeske Taal overdragen.

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Knecht Ruprecht

Süh, daar bünd Ji ja all binannerold un ok jung! Moin, moin mitnanner!Ik koom van buten nett ut dat Holtun mutt seggen, Wiehnachten is bold!Overall hört man daarvan snacken,Lüchtschien sach 'k up all Dannentacken.Un heel boven ut de Hemelsdörkeek mit grood Ogen Christkindje vör!Un as 'k dör de düster Dannen leep,Christkindje mit 'n klaar Stemme reep:"He, Ruprecht, reep 't, Du gode Gesell,nu till Dien Beene un loop 'maal fell!De Keersen fangen to brannen an,de Hemelstelt is nu opengahn.Ollen un Jungen sölen rüsten,Schofftied maken un dat mit Lüsten.Mörgen koom ik runner up de Eer,denn nu sall worden Wiehnachten weer!Na elke Huus gah nu gau 'maal ruut,un sök mi de gode Kinner ut!Ik will hör doch eenmaal bedenkenun moje Reve hör dann schenken."Ik see: "O, Du leve Heere Christ,mien Reis haast bold to Enne nu is,na disse Loog sall ik blot noch hen,waar ik en bült leve Kinner kenn."

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"Hest Du dann ok 'n grode Sack bi Di?"Ik see: "En grode Sack hebb 'k bi mi,denn Appels, Nöten un wiß ok Peern,de eten fromme Kinner geern.""Hest Du dann en Büngel ok bi Di?"Ik see: "En Büngel hebb 'k ok bi mi.Man de is för lelke Kinner blot,hör Achterdeel word daarvan smaals rood!" Christkindje see do: "So is dat recht,dann gah man mit Gott, mien gode Knecht!"Van buten ut 't Holt koom ik nu her,un mutt seggen, wiehnachtlik is 't weer!Nu seggt mi, finn ik achter Jo Dörgode of ok lelke Kinner vör?

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Vader: Uns Kinner sünd all heel wiß up Stee. Maken blot of un to 'n spier Unfree.Ruprecht: Süh an, för unfreedelk Kinnermood is heel wiß mien dicke Büngel good! Heet dat neet bi Jo mitunner Kopp andaaal un de Büxen runner?Vader: Well lelk 'maal is, kriggt wat mit en Sleef, man uns Kinner sünd wiß alle leev!Ruprecht: Steken s' hör Nös ok düchtig in 't Book? Lesen, schrieven un reken se klook?Vader: Se lehr'n heel flietig all sied Jahren, wöl'n hopen, dat se 't ok maal klaaren!Ruprecht: Beden se ok wall, so as dat mutt in Bedde hör Avendsprökje futt?Vader: Ja, eerst güstern hebb ik 't vernomen, as 'k sachtjes an hör Dör bün komen. En Stemmke heel alleen de beden un söchde ok för annern Freden!Ruprecht: So will 'k hör dann van 't Christkind gröten un hör hierlaten en paar Nöten, daarto Koken, ok Appels un Peern. Mi dünkt, dat mögen de Kinner geern. Mörgen gifft 't seker noch Mojes mehr, wall dann kummt Christkindje sülvst noch her. Vandaage noch waakt dat in Hemel, nu slaapt man eerst en lüttje Stremel!

Theodor Storm (overdragen van Manfred Brants)

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Wiehnachtsgeschenk

Nee, an de Wiehnachtsmann lövte Habbo neet mehr. Ut de Oller was he mitsien negen Jahr rut. He wuß ok wall, dat all's, wat smaals för hum unner deWiehnachtsboom lag, van sien Ollen kwamm.

Waarum was Vader ok vör Wiehnachten achter versloten Dör an timmern unsagen? Anners dürs Habbo ja ok alltied tokieken. Un Moder? Waarumverstoppte se gau hör Breitüg, wenn Habbo unverwachts in Köken kweem?

Moder harr dat dann ok futt murken, dat man hum nix mehr vörmaken kunn. Unso harr se hum dann ok seggt: "Hier, in disse Schapp hebben wi wat liggen,wat Du eerst Wiehnachten seh'n sallt. Un ok wat tegen de Kleerschapp unneren Wulldeken verstoppt is, dürst Du Di noch neet ankieken! Wenn Du de Tiedaber neet ofwachten kannst un doch luurst, bedrügst Du Di sülvst, wall Dudann Wiehnachten nix Neeis mehr kriggst, waarup Du Di freien kannst.Overlegg Di dat daarum good! -Man wi weten ja, dat Du nu groot büst un wiuns up Di verlaten könt! Dat könt wi doch?"

Do harr Habbo nickoppt un dat fast belovt. Wenn hum dat nu ok stuur full, hewull sien Ollen neet achtergahn. Man stolt weer he doch: sien Ollen wussennu, dat he groot un up hum Verlaat weer! Nu wull he dat ok bewiesen!

Man ok sien Ollen sullen vör Wiehnachten neet gewahr worden, wat he förhör an Geschenken harr. So was he fix an't Malen west un harr sogaar förVader un Moder en Kleenigkeit köfft.

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"Mien Geschenken för Jo hebb ik in disse Schuuvlaa leggt. Daar düren Ji okneet biegahn!", harr he tegen hör seggt un wuß, dat se dat ok neet deen.

Faak lepen sien Ogen ja doch na de Hook tegen de Kleerschapp. Wat muchdaar wall för hum stahn? Nee, wenn he dat ok to geern wuß, so verkneep hesük dat Luuren un keek neet daarachter! Man Vörfreide kweem doch bi humup! Daar muß wall wat heel Besünners unner verstoppt wesen!

"Ik hebb Di ok heel wat Mois för Wiehnachten köfft", harr he tegen sien Mo-der seggt, "man wat dat is, verraa ik Di ok neet! As ik dat Geschenk, dat ik Diköfft hebb, bi Koopmann Schüren in Fenster liggen sach, do hebb ik mi docht,so moi un billig H a n d s k e n krieg ik noit weer!"

Süh, un nu kunn Wiehnachten driest komen, denn elk kunn moje Geschenkenverwachten, van de he noch heel un dall nix wuß!

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Nu is dat weer eenmaal sowied!

Süh, nu is dat weer eenmaal sowied:de Wiehnachtsmann will bi uns rin!Wo moi is doch ok de Wiehnachtstied,man föhlt in Binnerst depe Sinn.

Man och, wo gau is dat all vörbi,Dann word dat al weer gräsig luut.Olljahrsavend steiht heel dichte bi:De Boom mutt weer to 't Kamer ruut!

Man daaran wölen w' noch neet denken,geneten eerst de Ogenblick!Un wölen uns eerst 'n spierke schenken,un wünsken uns völ Freid un Glück!

Gesundheit, Leevde, daarto ok Free,dat ist't, waarup wi blot hopen!Fehlt dat uns neet, dann ist't all up Stee,all's anner kann man ja kopen.

Un doch sünd wisse leep blied wi all,wenn wi bi Boom un Keersenlüchtmoi singen un spannend dann as mallan't Uttopacken sünd in flücht!

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Upregen un Juchden spölt dann mit,daar kann man 'maal nix an maken.In Geschenken sovöl Leevde sitt,daar freit man sük to all' Saken!

Un is dat later insmaal so wied,dat wi uns nix mehr könt schenken,wall eene dann fallt ut disse Tied

kön w' an Mois torügg wi denken!

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Weihnachtsfeier für Kinder städtischer Bediensteter in Leer

Ob derartige Weihnachtsfeiern bereits vor der Währungsreform stattfanden,kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall habe auch ich einmal als Schuljunge anso einer Feier teilgenommen, zumal mein Vater auch bei der Stadt Leerbeschäftigt war. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, muß das 1947oder 1948 gewesen sein, denn 1949 war ich 15 Jahre alt und hatte damitwohl die "Altersgrenze" für eine Teilnahme überschritten.

Die Feier fand in dem großen Rathaussaal statt. Wir saßen an langen Tisch-reihen, bekamen Kakao, Butterkuchen und sangen einige Weihnachtslieder.

Dann kam der Weihnachtsmann herein und verteilte mit Hilfe anderer Kräftekleine Tüten mit einem Apfel, Keksen von der Leeraner Honigkuchen-fabrikWarsing und Bonbons. In späteren Jahren beinhaltete die Tüte auch jeweilseine Tafel leckere Vollmilch-Schokolade mit ganzen Haselnüssen von derLeeraner Schokoladen-Fabrik van Delden. Das weiß ich noch, weil künftigmeine Schwester eine solche Tüte bekam, denn ich war, wie schon gesagt, jaaus dem Alter heraus.

1950 begann ich bei der Stadt Leer meine Lehrzeit. In dieser Zeit habe ich alsBeschäftigter bei der Stadtverwaltung im Zusammenhang mit diesen Weih-nachtsfeiern zwei Ereignisse miterlebt, die ich nie wieder vergessen konnte.

Über den Rathausboden konnte man zu einem kleinen Balkon gelangen, vonwo aus man den gesamten Kaisersaal, wie der Saal genannt wurde, über-sehen konnte.

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Hier weilte ich dann auch einmal kurz während so einer Weihnachtsfeier undbeobachtete von dort aus das Geschehen im Saal. Ganz vorne vor dem Podestbefand sich der Tisch mit den Ehrengästen, zu denen natürlich derBürgermeister, Stadtdirektor, verschiedene Ratsherren und der Betriebsratgehörten.

Auf dem Podest befand sich der Kakao- und Kuchenstand und hier lagen auchdie vielen Tüten. Ein Arbeiter des Bauhofes war zum Verteilen von Kakaoeingesetzt. Er schöpfte dieses köstliche Getränk mit einer Kelle inbereitstehende Kaffeekannen, mit denen weibliche Bedienstete dann die Kin-der im Saal versorgten.

Irgendwann war bei den Kindern natürlich ein Sättigungsgrad erreicht. DerArbeiter hatte seine riesige "Melkbumm" noch lange nicht leer. Deshalb"bölkte" er plötzlich in das Stimmengewirr der Kinder hinein:

"Kinner, hört ins to! Wi hebben noch sovöl Kakaogoedje, dat dürt neet um-komen! Daarum suupt as Kalver, dann könt Ji ok beter miegen!"Das war ein "Hammer". Die Ehrengäste sahen sich betreten an. Aber dieKinder lachten zum Teil nur und ließen ihn trotzdem "auf seinem Getränk sit-zen"!

Das zweite Ereignis, von dem ich hier berichten möchte, bekam ich im Ge-halts- und Lohnbüro mit, in welchem ich zu der Zeit gerade zur Ausbildungwar.Der Leiter des Büros war gleichzeitig Betriebsratsvositzender undfederführend mit der Organisation der Weihnachtsfeier befaßt. Im Vorfeld

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einer solchen Feier bekam er einen Telefonanruf, welcher sinngemäß wiefolgt ablief:

"Hier ist Pastor Knoche. Ich habe gehört, daß Sie in diesem Jahr wieder eineWeihnachtsfeier für die Kinder der städtischen Bediensteten ausrichtenwollen. Hierzu möchte ich Ihnen meine Hilfe als Pastor anbieten. Ich bingerne bereit, die Feier als Pastor entsprechend feierlich und würdigmitzugestalten!"

Herr Roy reagierte zurückhaltend: "Ich darf mich für Ihr Anerbieten herzlichbedanken, kann Ihr Angebot jedoch leider nicht annehmen. Die Ausgestaltungdes Programms hat sich der Betriebsrat vorbehalten!"

Pastor Knoche: "Da ist der Betriebsrat aber sicherlich überfordert. Hier han-delt es sich doch um ein christliches Fest, was gerade bei so einer Feierseinen Ausdruck finden muß. Außerdem stelle ich Ihnen meine Hilfe selbst-verständlich kostenlos zur Verfügung!"

Herr Roy wand sich am Telefon und sagte letztlich zu, das Thema in der Be-triebsratssitzung zur Sprache zu bringen.

Als er den Hörer auflegte, war er ganz entsetzt. "Das können wir doch un-möglich machen! Das soll doch eine interne Feier sein und kein Gottesdienst!Und wie würden dann die übrigen Religionsgemeinschaften in Leerreagieren. Die könnten dann doch auch kommen!"

Ich weiß nicht mehr, ob bereits am nächsten oder einem der folgenden Tagedas Telefon wieder schellte:

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"Ja, hier ist Pastor Knoche. Darf ich erfahren, ob sie das besprochene Themamit Ihren übrigen Betriebsratsmitgliedern inzwischen beraten und eineEntscheidung getroffen haben?"

"Ja, Herr Pastor, es tut mir leid, aber der Betriebrat hat, wie ich bereits ver-mutete, entschieden, Ihre Hilfe nicht in Anspruch zu nehmen. Er bedankt sichaber ausdrücklich für Ihr Anerbieten und bittet um Ihr Verständnis!"

"Aber nein, Herr Roy, das verstehe ich aber nun wirklich nicht! Haben Siesich denn auch genügend für meinen Vorschlag eingesetzt? Wie wäre es, kannich nicht persönlich an einer Sitzung teilnehmen, damit ich nachdrücklich aufdie Vorteile und die Wichtigkeit meiner Mitwirkung hinweisen kann?"

"Nein, Herr Pastor, es tut mir wirklich leid, aber die Entscheidung istendgültig gefallen. Auch im Hinblick auf die noch zur Verfügung stehendeZeit kann vor der Weihnachtsfeier keine weitere Sitzung mehr stattfinden. Ichmuß Sie deshalb bitten, die Entscheidung des Gremiums zu akzeptieren!"

Herr Roy war echt aufgebracht. Nach dem Telefonat meinte er: "Diese Hart-näckigkeit des Pastors grenzt schon richtig an Frechheit!"

Kurze Zeit später kam unser Amtsleiter des Ordnungsamtes, Herr Günther, ins Zimmer. "Sag' mal, Walter, hat Pastor Knoche eben beiDir angerufen?"

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Er konnte jedoch nicht lange ernst bleiben und prustete schallend lachendheraus, daß e r doch der Pastor gewesen sei!Pastor Knoche hatte eine leicht näselnde Stimme, die Herr Günther wohl soecht imitiert hatte, daß Herr Roy das nicht bemerkte.

Wenn einer jetzt stinksauer war, dann er! Dazu hatte er natürlich auch allenGrund, denn diese Episode ging wie ein Lauffeuer durch's Haus.

Na, und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht mehr zu sorgen.

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O Dannenboom

O Dannenboom, o Dannenboom,ik hebb daarvan nu wiß kien Künn!Wat stundst Du moi un grön in Holt,vör dat Di schloog de schrickelk Stünn,as do Wiehnachten kwamm so bold!

O Dannenboom, o Dannenbomm,ik bün heel un dall over't Stür!De Keerl was lelk to Di un grov,verneelte en moi Stück Natür,as he Di eenfach sagte of!

O Dannenboom, o Dannenboom,Du kwammst nu to de Kolle ruut.Wurst hannig do in't Warmte brocht,hörtest moi Liedjes sacht un luut,wat hest Du Di daar wall bi docht?

O Dannenboom, o Dannenbomm,Du harrst Boombloot noch in Tacken,un sachst ok hier heel staatsk noch ut!Leetst Dien Hopen noch neet sacken,wast updönnert as en moi Bruut!

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O Dannenboom, o Dannenboom,De Hoffahrt dürte en paar Daag!Dann leetst still Du Nadels fallen!Nu wast Du d'rover, sünner Fraag'!Fredelk Lü wurden nu mallen!

O Dannenboom, o Dannenboom,miteens wurr dat dann gräsig luut.Olljahrsavend stunn al vör d' Dör!Du floogst nu futt to d' Kamer ruut,un verlorst Dien moi Staat un Klör!

O Dannenboom, o Dannenboom,ik Di haast nu gaar neet weerkenn!So minn un schofel liggst Du daar!Dien Plantenleven is nu hen!Wat spiet mi dat! - Wat is dat naar!

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Kleine Hilfefür ungeübte Plattdeutsch-Leser

amenne am Ende, auch vielleichtanböten anzünden, anheizenandeiht antauenanstoken beleidigtBakke Zisterne zum Auffangen von

Regenwasserbeet kriegen, einholenbekrumpen ärmlich, karg, kümmerlichBleek Bleiche, RasenBott PlatzBrägen, -kasten Hirn, VerstandskastenBreitüg StrickzeugBuchels AusbuchtungenDobben kleine Vertiefungen, GrubenDrüppen Tropfendwarsdör querdurchEelt HornhautFokk BrilleGatt Loch, auch SouffleurkastenGrönt PetersilieGrootpansen KapitalistenGügel, to Gügel hollen veräppelnGüntsied jenseits, gegenüberl. SeiteHalfmallen NarrenHeerders Hirtenhögt freutinmaakt eingeweckt, konserviertInsettbohnen Salzbohnen, SchnippelbohnenJickert JackeJierdobbe Jauchegrubejonum besondersKans Chance, GelegenheitKeierhake Spazierstockklattert prasseltklüchterg geschickt

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kopern kupfernKünne VerstandKuntrei Umgebung, GegendKuur SchnapsKuuskellen Zahnschmerzenlabeet kranklelk böseliefallennig mutterseelenalleinmackelk bequemmalljagen Unsinn verzapfenMallmöhlen KarussellMauen ÄrmelMessbült MisthaufenMester Lehrernaar elend, mißlich, schäbigOrigkeit etwas BesonderesPannen DachziegelPickpann' PechpfannePien, pienelke Schmerzen, schmerzendeRapen Schnittkohlreeren weinenSchör, schört Sprung, gesprungenSchrickwier elektrischer Weidezaunschürt scheuertSchür Scheune, SchuppenSchütt ZaunSmeet Lust, NeigungSpiekers NägelStiekelwier StacheldrahtStön, Stönpahl Stütze, SouffleuseStreup, streupen Sirup, i. S. v. Süßerströpen Fäden abziehentrankiel forsch, entschlossentrillen zitternückert sük räuspert sichunklün ungeschicktUpdrögtbohnen getrocknete Bohnen,

ostfr. SpezialitätVermaak VergnügenVermick Visier

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Wierkörv Drahtkorbweden jätenWöör, auch Wöörde Unruhe, LärmWring Gattertor zur WeideZiepels Zwiebelnzocheg zugig

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