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Ergänzung V zum Buch Rachel Carson. Pionierin der Umweltbewegung. Eine Biographie, von Dieter Steiner. oekom, München 2014 Rachel Carson lebt weiter … 1 … im Kontext von Organisationen und Institutionen war Briggs Geschäftsleiterin. Ihre Arbeit kul- minierte in der Veröffentlichung des Basic Guide to Pesticides (Briggs und RCC 1992), eines umfangreichen Nachschlagewerks, das um die 750 verschiedene Pestizide mit ihren Wirkungen auflistet und im Anhang Artikel von namhaften Fachleuten enthält (s. Abb. 1). Nach Briggs‘ Rücktritt spielte bis 2013 Diana Post eine führende Rolle als Ge- schäftsleiterin und Präsidentin. Neuerdings ist Roger Christie, Carsons Grossneffe, Prä- sident des Councils. Der RCC sieht sich als Umweltorganisation, die Aufklärungsarbeit über die Gefährlichkeit der synthetischen chemischen Schädlingsbekämpfungsmittel und über umweltfreundliche Alternativen leistet. Eine Zeitlang diente das Carson- Haus in Silver Spring, MD (vgl. pp. 200, 236), als Sitz der Geschäftsstelle. Heute ist dieses im Privatbesitz von Diana Post und ihrem Gatten Cliff; diese haben vor, es in ein Abb. 1: Die von Shirley Briggs, Geschäſtsleite- rin des Rachel Carson Council, kompilierte und 1992 publizierte Enzyklopädie der Pestizide. Einem Wunsch von Carson entsprechend, sorgte Marie Rodell dafür, dass sich unter der Führung von Shirley Briggs und Ruth Scott aus dem Freundes- und Bekanntenkreis ein Ko- mitee bildete, das sich Gedanken darüber machte, wie das Werk Carsons weiter geführt wer- den könnte. Scott war eine engagierte Naturkundlerin, die aktiv bei der Garden Club Fede- ration und der Audubon Society von Pennsylvania mitwirkte, sich allgemein in vielfältiger Weise für Naturschutzanliegen einsetzte und ebenfalls mit Carson befreundet gewesen war. Viele der Biologen, mit denen Carson Kontakt gehabt hatte, machten mit. Daraus entstand der Rachel Carson Trust for the Living Environment, später, ab 1980, Rachel Carson Coun- cil (RCC) genannt. Die offizielle Gründung fand im Dezember 1965 statt. Von 1970 bis 1992

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Ergänzung V zum Buch Rachel Carson. Pionierin der Umweltbewegung. Eine Biographie, von Dieter Steiner. oekom, München 2014

Rachel Carson lebt weiter …

1 … im Kontext von Organisationen und Institutionen

war Briggs Geschäftsleiterin. Ihre Arbeit kul-

minierte in der Veröffentlichung des Basic

Guide to Pesticides (Briggs und RCC 1992),

eines umfangreichen Nachschlagewerks,

das um die 750 verschiedene Pestizide mit

ihren Wirkungen auflistet und im Anhang

Artikel von namhaften Fachleuten enthält

(s. Abb. 1). Nach Briggs‘ Rücktritt spielte bis

2013 Diana Post eine führende Rolle als Ge-

schäftsleiterin und Präsidentin. Neuerdings

ist Roger Christie, Carsons Grossneffe, Prä-

sident des Councils. Der RCC sieht sich als

Umweltorganisation, die Aufklärungsarbeit

über die Gefährlichkeit der synthetischen

chemischen Schädlingsbekämpfungsmittel

und über umweltfreundliche Alternativen

leistet. Eine Zeitlang diente das Carson-

Haus in Silver Spring, MD (vgl. pp. 200,

236), als Sitz der Geschäftsstelle. Heute ist

dieses im Privatbesitz von Diana Post und

ihrem Gatten Cliff; diese haben vor, es in ein

Abb. 1: Die von Shirley Briggs, Geschäftsleite-rin des Rachel Carson Council, kompilierte und

1992 publizierte Enzyklopädie der Pestizide.

Einem Wunsch von Carson entsprechend, sorgte Marie Rodell dafür, dass sich unter der

Führung von Shirley Briggs und Ruth Scott aus dem Freundes- und Bekanntenkreis ein Ko-

mitee bildete, das sich Gedanken darüber machte, wie das Werk Carsons weiter geführt wer-

den könnte. Scott war eine engagierte Naturkundlerin, die aktiv bei der Garden Club Fede-

ration und der Audubon Society von Pennsylvania mitwirkte, sich allgemein in vielfältiger

Weise für Naturschutzanliegen einsetzte und ebenfalls mit Carson befreundet gewesen war.

Viele der Biologen, mit denen Carson Kontakt gehabt hatte, machten mit. Daraus entstand

der Rachel Carson Trust for the Living Environment, später, ab 1980, Rachel Carson Coun-

cil (RCC) genannt. Die offizielle Gründung fand im Dezember 1965 statt. Von 1970 bis 1992

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Abb. 2 (links): Gedenktafel am Rachel Carson House in Silver Spring, MD, die zeigt, dass der Na-tional Park Service 1991 das Gebäude als »National Historic Landmark« registriert hat. Foto: D.S.

14.09.2013. Abb. 3 (rechts): Gedenktafel am Geburtshaus von Rachel Carson in Springdale, PA, die das Gebäude als von der Pittsburgh History and Landmarks Foundation (1975) anerkannte »Historic Landmark«

identifiziert. Quelle: Wikimedia Commons (20.12.2014).

Abb. 4: Zeichnung des rekonstruierten ursprünglichen Zustandes des Carson-Geburtshauses. Das kleine Gebäude links ist das »Springhouse«, in dem Quellwasser gefasst werden konnte und das auch zur Kühlung von Lebensmitteln diente. Beim kleinen Gebäude rechts dürfte es sich um einen Hühner-

oder Schweinestall handeln. Foto: D.S., 17.9.2013 nach Vorlage im Geburtshaus.

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Carson-Museum umzuwandeln. 1991 ist es vom National Park Service zur National Histo-

ric Landmark erklärt worden (s. Abb. 2).

Rachel Carsons Geburtshaus in Springdale, PA, ist, außer einem Anbau auf einer Sei-

te, bis heute relativ unverändert geblieben. Nachdem die Carsons 1930 ausgezogen waren

(vgl. p. 65) wechselte das Haus ein paar Mal den Besitzer. 1975 entstand die Rachel Carson

Homestead Association, die in der Folge die bewahrende Betreuung des Gebäudes über-

nahm. Im gleichen Jahr designierte die Pittsburgh History and Landmarks Foundation

(PHLF) das Haus als »Historic Landmark« (s. Abb. 3). Inzwischen ist das Haus auch im

National Register of Historic Places des National Park Service eingetragen. Damit ist es

unter Schutz gestellt und die betreuende Organisation genießt Steuererleichterungen. Die

Homestead Association hat den Plan, das Gebäude wieder in den ursprünglichen Zustand

zurückzuversetzen (s. Abb. 4).

Am Chatham College (dem früheren Pennsylvania College for Women, an dem Carson

in den späten 1920er Jahren studierte, s. p. 31 ff.), entstand 1989 das Rachel Carson Institute

(RCI). Dieses ist heute Teil der Falk School of Sustainability der Chatham University, die

sich dem Thema nachhaltiger Alternativen zu den heutigen Wirtschafts- und Lebenswei-

sen widmet. In diesem Rahmen versucht das RCI Anliegen des Umweltschutzes im Sinne

von Carson in Forschung, Lehre und öffentlicher Beratung zu vermitteln. Die Chatham

Abb. 5: The Sense of Wonder in der Ausgabe von 1998.

University unterhält seit 1990 auch ein »Ra-

chel Carson Book Award«-Programm, in

dem sich Studentinnen in den Natur- und

Umweltwissenschaften um ein Stipendium

bewerben können. Gewinnerinnen erhalten

auch eine Kopie von Silent Spring.

2009 entstand als kooperatives Projekt

der Universität München und des Deut-

schen Museums das Rachel Carson Center

for Environment and Society. Es wird unter-

stützt vom Bundesministerium für Bildung

und Forschung (BMBF). Sein Ziel ist die

Förderung von Forschung und Informati-

onsaustausch auf dem Gebiet internationa-

ler Umweltstudien sowie die Stärkung der

Humanwissenschaften in den gegenwärti-

gen politischen und wissenschaftlichen um-

weltbezogenen Debatten.

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Abb. 6: Feuchtgebiet in der Rachel Carson National Wildlife Refuge. Foto: D.S. 29.09.2013.

2 … in Form von posthumen Ehrungen

Rodell setzte sich auch dafür ein, dass Carsons Artikel »Help Your Child to Wonder« (Carson

1956c, s.d.), versehen mit Fotos von Charles Pratt und Roger Christie gewidmet, 1965 bei

Harper & Row als Buch mit dem Titel The Sense of Wonder (Carson 1965) herauskam. Eine

Neuauflage dieses Buches, nun mit Fotos von Nick Kelsh, erschien 1998 (Carson 1998a) (s.

Abb. 5)

1966 richtete der FWS in Kooperation mit dem Staat Maine an der Atlantikküste zwi-

schen Portsmouth, New Hampshire, und Portland, Maine, ein Naturschutzgebiet ein und

nannte es zunächst »Coastal Maine National Wildlife Refuge.« 1969 wurde es in »Rachel

Carson National Wildlife Refuge« umgetauft. Es umfasst im Moment 37 Quadratkilometer,

soll aber durch weiteren Landerwerb auf 59 Quadratkilometer ausgedehnt werden (s. Abb. 6).

Am 9. Juni 1980 wurde Rachel Carson vom damaligen Präsidenten Jimmy Carter post-

hum die »Presidential Medal of Freedom«, die höchstmögliche Auszeichnung für eine Zivil-

person, verliehen. Roger Christie nahm sie in Empfang (Gartner 1983, 28).

Als 2001 das Hauptquartier der EPA in das heute nach dem früheren Präsidenten Bill Clin-

ton benannte Gebäude – damals noch als »Ariel Rios Building« bekannt – einzog, erhielt ein

Konferenzraum im zweiten Stock die Bezeichnung »Rachel L. Carson Great Hall« (s. Abb. 7).

In ihm werden Medienkonferenzen und andere umweltbezogene Veranstaltungen abgehalten.

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2006 wurde Silent Spring von den Herausgebern des Magazins Discover auf die Liste

der 25 bedeutendsten wissenschaftlichen Werke aller Zeiten gesetzt. Rachel Carson findet

sich dort in der Gesellschaft von zum Beispiel Charles Darwin, Isaac Newton, Galileo Gali-

lei, Niklaus Kopernikus, Aristoteles, Albert Einstein, Erwin Schrödinger, Edward O. Wilson,

Stephen Jay Gould, Dian Fossey und James Lovelock wieder.

Am als Earth Day gefeierten 22. April 2006 wurde in Pittsburgh die über den Allegheny

führende Ninth Street Bridge in »Rachel Carson Bridge« umbenannt (s. Abb. 10). Damit

es so weit kam, brauchte es aber ein jahrelanges Lobbying von Esther Barazzone, seit 1992

Präsidentin der Chatham University.

Im Mai 2008 erhielt auf Beschluss des Kongresses ein Postgebäude in Springdale, Car-

sons Geburtsort, den Namen »Rachel Carson Post Office Building.«

Als Ergebnis des Projektes eines in Falmouth, MA, ansäßigen Komitees wurde in Woods

Hole, MA, wo Carson sich in mehreren Sommern am Marine Biological Laboratory (MBL)

aufgehalten hatte, zum Gedenken an sie am 14. Juli 2013 im Waterfront Park in der Water

Street eine lebensgroße Bronzestatue eingeweiht (s. Abb. 11).

Rachel Carson ist auch in verschiedenen Ländern durch Briefmarken geehrt worden:

USA 1982, Palau 1999, Marshall-Inseln und Sambia 2000 (s. Abb. 12).

Viele Dinge sind nach Rachel Carson benannt worden, zum Beispiel Naturpfade außer-

halb von Pittsburgh und nördlich von Washington, ein Bürogebäude des Staates Pennsyl-

vania in Harrisburg, Schulen in Herndon, VA, Gaithersburg, MD, Beaverton, OR, Queens,

NY, San Jose, CA, Sammamish, WA, Chicago, IL usw. – ich nehme an, die Liste könnte

Abb. 7: Gedenktafel im Konferenzraum der Envi-ronmental Protection Agency (EPA) in Washing-ton, DC, der nach Rachel Carson benannt ist.

Foto: D.S. 10.09.2013.

Aus Anlass des 30. und dann des 40. Ju-

biläums von Silent Spring wurde das Buch

1992 und 2002 mit Text und Zeichnungen

in Originalfassung von Houghton Mifflin

in Boston neu aufgelegt (Carson 1992 bzw.

2002). Im ersteren Fall war es mit einem

Einleitung von Al Gore, im letzteren mit ei-

ner Einführung von Linda Lear und einem

Nachwort von Edward O. Wilson versehen

(s. Abb. 8).

2007, zum 100-jährigen Geburtstag von

Carson, gab es auch eine bei C.H. Beck in

München erscheinende Neuausgabe von

Der stumme Frühling, der deutschen Über-

setzung von Silent Spring, versehen mit ei-

nem Vorwort des Technik- und Umwelthis-

torikers Joachim Radkau (s. Abb. 9).

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Abb. 8 (links): Neuausgabe von Silent Spring in Originalfassung bei Houghton Mifflin, Boston 2002, anlässlich des 40. Geburtstages des Buches.

Abb. 9 (rechts): Neuausgabe von Der stumme Frühling bei C.H. Beck, München, 2007, anlässlich des 100. Geburtstages von Rachel Carson.

Abb. 10: Die am Earth Day 2006 (22. April) von »Ninth Street Bridge« in »Rachel Carson Bridge« umbenannt Brücke in Pittsburgh, PA. Quelle: Wikimedia Commons (20.12.2014).

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Abb. 11: Einweihung einer Rachel-Carson-Statue von David Lewis in Woods Hole am 14. Juli 2013. Foto: Bernhard Glaeser, Berlin (gleiches Bild wie auf der Widmungsseite im Buch, aber in Farbe).

Abb. 12: Briefmarken mit Rachel Carson: USA 1982, Palau (Mikronesi-en) 1998, Marshall-Inseln (ebenfalls Mikronesien) 2000 und Sambia 2000. Quelle: Rachel Carson Postage Stamps (http://www.planetpatriot.net/stamps2/carson_rachel_stamps.html, 01.03.2015)

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fortgesetzt werden – und Forschungsschiffe des National Marine Fisheries Service und der

University of California (Gartner 1983, 27 u.a.).

Äußerst bemerkenswert ist schließlich dies: 1992 lancierte die American Chemical So-

ciety (ACS) ein »National Historic Chemical Landmarks« genanntes Programm, das an

bahnbrechende Ereignisse im Bereich der Chemie erinnern soll. 2012 sprang die ACS über

ihren Schatten und würdigte Rachel Carsons Silent Spring (s. Abb. 13; ACS 2012).

Abb. 13: Rachel Carson gewidmete »Na-tional Historic Chemical Landmark“ der American Chemical Society (ACS) an der Chatham University, Pittsburgh, PA. Foto:

D.S. 17.09.2013.

Abb. 14: Bronze-Medaillon mit Rachel Carson im Rah-men von „The Extra Mile« an der G Street in Washing-

ton, DC. Foto: D.S. 10.09.2013.

berühmten Personen, die sich in den Bürgersteig eingelassenen schwarzen Granitblöcken

befinden. Da ist auch Rachel Carson dabei (s. Abb. 14).

3 … im Namen von verschiedenen Auszeichnungen

Es gibt eine ganze Reihe von Organisationen, die hervorragende ökologisch motivierte Ar-

beiten mit einem «Rachel Carson Award« honorieren. So vergibt seit 2004 die National

Audubon Society jedes Jahr im Mai den »Rachel Carson Award« an Frauen, die sich mit

Talent, Wissen und Tatkraft für den Naturschutz und die Umweltbewegung einsetzen. 2011

Schließlich sei noch die G Street in Washing-

ton erwähnt, östlich vom White House gelegen,

an der entlang sich »The Extra Mile – Points of

Light Volunteer Pathway“ erstreckt. Dieser be-

steht aus einer Reihe von Bronze-Medaillons von

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gehörte zum Beispiel Sigourney Weaver, bekannt als Schauspielerin1 und Umweltaktivistin,

zu den Ausgezeichneten.

Die Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC) würdigt seit 1987

(25-jähriges Jubliäum von Silent Spring) mit einer Auszeichnung gleichen Namens Perso-

nen, die im Rahmen einer ökologischen Sichtweise wissenschaftliche Befunde so darzustel-

len vermögen, dass sie für die Politik bedeutsam und für ein breites Publikum verständlich

sind. 2003 erhielt Theo Colborn (vgl. xx) den Preis, 2004 Edward O. Wilson, um zwei Bei-

spiele zu nennen.

Ein »Rachel Carson Award for Integrity in Science« wird vom Center for Science in the

Public Interest, einer gemeinnützigen Konsumentenanwaltschaft in Washington, DC, verge-

ben. Sie setzt sich für Nahrungssicherheit, gesündere Nahrung und korrekte Deklarationen

ein. 2004 erhielt Theo Colborn diesen Preis.

Die alte Arbeitsstätte von Rachel Carson, der US Fish and Wildlife Service, zeichnet mit

dem »Rachel Carson Award for Scientific Excellence« Individuen oder Gruppen aus, die

wichtige wissenschaftliche Unterstützung für Naturschutzprojekte staatlicher oder privater

Organisationen geleistet haben.

Das Chatham College (früher das Pennsylvania College for Women, an dem Carson

studierte) in Pittsburgh, PA, honoriert alle zwei Jahre wegweisende Arbeiten von Frauen mit

dem »Rachel Carson Leadership Award«. 1997 kam Theo Colborn, 2001 Sandra Steingraber

in den Genuss dieser Auszeichnung.

Die Society of Environmental Journalism (SEJ) zeichnet seit 2008 Bücher mit dem »Ra-

chel Carson Environment Book Award« aus, die über bedeutsame Umweltthemen berich-

ten. Zum Beispiel gewann 2009 Andrew Nikiforuk den Preis mit seinem Buch Tar Sands:

Dirty Oil and the Future of a Continent, in dem er die absolut schockierende und grauenvolle

Weise beschreibt, mit der in Alberta großflächige Landschaftszerstörung und -vergiftung

betrieben wird, um die Ölsande ausbeuten zu können.2

Seit 1998 vergibt die Society for Social Studies of Science (4S) den »Rachel Carson Prize«

für ein akademisches Buch von gesellschaftlicher und/oder politischer Bedeutung. Preis-

träger 2012 war Stefan Helmreich mit seinem 2009 erschienenen Buch Alien Ocean. An-

thropological Voyages in Microbial Seas, in dem er die kleinsten Lebewesen der Tiefsee als

Schlüsselelemente in der Debatte um die Entstehung des Lebens darstellt.

Mit einem Preis gleichen Namens werden von einer 1991 in Stavanger, Norwegen gegrün-

deten Organisation alle zwei Jahre Frauen gewürdigt, die sich im Geiste von Rachel Carson für

Umweltbelange eingesetzt haben. Auch hier erscheint Theo Colborn als Preisträgerin (1999).

Seit 1993 vergibt die American Society for Environmental History (ASEH) den »Rachel

Carson Prize for Best Dissertation.« 1995 gewann eine Arbeit über Insektizide den Preis,

1 Sie war z.B. 1988 Hauptdarstellerin im Film Gorillas in the Mist: The Story of Dian Fossey.2 Wer den Film Petropolis von Greenpeace Canada gesehen hat, weiß wovon hier die Rede ist.

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nämlich War on Insects: Warfare, Insecticides and Environmental Changes in the US, 1870-

1945 von Edmund P. Russell, III, an der University of Michigan.

Kathy Sykes von der Environmental Protection Agency (EPA) ist Organisatorin des

»Sense of Wonder Contest,« den die EPA zusammen mit dem Rachel Carson Council und

weiteren Organisationen seit 2007 jährlich ausschreibt. Er ist an intergenerationelle Teams

gerichtet, d.h. Gruppen von mindestens zwei Leuten unterschiedlichen Alters, die im Aus-

tausch miteinander ihre aus Naturerlebnissen entstehenden Sinneseindrücke und Gefühle

festzuhalten versuchen. Dies kann in den Kategorien Foto, Essay, Lied, Gedicht, Tanz und

gemischte Medien geschehen. Es gibt keine Geldpreise, aber die gewinnenden Beiträge wer-

den öffentlich bekannt gegeben.

4 … im Zusammenhang mit sachlicher bis unsachlicher Kritik

Neben den Stimmen, die im Rückblick Rachel Carson für ihr Engagement für eine mög-

lichst giftfreie Umwelt preisen, gibt es auch kritische Äußerungen, die bezüglich Tenor das

ganze Spektrum von sachlicher Auseinandersetzung bis üble Verunglimpfung umfassen.

Eher am »anständigen« Ende der Skala befindet sich z.B. ein Artikel des Wissenschaftsjour-

nalisten Ronald Bailey (2002). Zwar bezichtigt er Carson und die ihr nachfolgende Umwelt-

bewegung eines unnötigen Alarmismus, aber er gibt zu, dass DDT für Wildtiere schädliche

Folgen haben konnte, und er anerkennt Carsons Engagement in dieser Hinsicht. Ansonsten

aber ist er auf der Suche nach Schwachstellen, und die findet er in ihrer Darstellung des

mit dem DDT und anderen Pestiziden verbundenen Krebsrisikos für den Menschen. Zwei-

fellos hatten die Äußerungen der Gewährsleute, auf die sich Carson damals stützte, zum

Teil einen spekulativen Charakter. Und der Umgang mit statistischen Angaben birgt immer

Gefahrenmomente. So hakt Bailey dort ein, wo Carson (1963, 224) davon spricht, dass der

Prozentsatz der Kinder, die an Krebs stürben, in letzter Zeit gestiegen sei. Mit Recht moniert

Bailey, eine solche Aussage könne irreführend sein, wenn sie nicht in einen weiteren Zusam-

menhang gestellt werde. Der Prozentsatz, so Bailey, sei gestiegen, weil die Häufigkeit anderer

Todesursachen, etwa infolge Infektionskrankheiten, drastisch abgenommen habe.

Im »Mittelfeld« bewegen sich Denkfabriken wie das Competitive Enterprise Insti-

tute (CEI) und das Cato Institute, beide in Washington, DC. Sie versuchen, seriös und

rechtschaffen aufzutreten, tun dies allerdings durchwegs auf dem Hintergrund einer ex-

tremen neoliberal-libertären Ideologie. Maximale Freiheit ist erstes Gebot: Jeder Mensch

soll machen können, was er machen will, solange er anderen nicht auf die Zehen tritt.

Das bedingt ein Minimum an Staat, volle Marktfreiheit und lückenlose Eigentumsrech-

te. Dazu gehört die Vorstellung, das kapitalistische System sei die einzige Möglichkeit,

den Menschen ein gutes Leben zu gewährleisten, und ständige technische Innovationen

dazu eine wichtige Voraussetzung. Zwar mögen diese mit Risiken verbunden sein, aber

diese können im Zaum gehalten werden. So gesehen stellt ein Buch wie Silent Spring und

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eine darauf sich beziehende Umweltbewegung, die einen technischen Stillstand – also

etwa ein Verbot von Pestiziden – predigt, eine enorme Gefahr dar. Dieser muss begegnet

werden; Umweltprobleme können nur mit den Prinzipien des freien Marktes vernünftig

gelöst werden.

Das CEI unterhält eine Website »RachelWasWrong.org«, auf der Informationen gesam-

melt werden, die gegen Carson sprechen. Das Cato Institute hat letztes Jahr ein Buch mit

dem Titel Silent Spring at 50 (Meiners u.a. 2012) herausgegeben, dessen Untertitel – The

False Crises of Rachel Carson – klar macht, auf was es abzielt. Ich erwähne hier nur zwei in

diesem Buch angesprochene Punkte und beziehe mich dabei auf das erste Kapitel, in dem

die Herausgeber eine Zusammenfassung präsentieren. Vielleicht Carson‘s »größte Unter-

lassungssünde«, so sagen sie, sei der Umstand, dass sie fast ausschließlich auf die Verwen-

dung von Pestiziden in der Landwirtschaft fokussiert gewesen sei und deren Nutzen für die

Volksgesundheit, speziell zur Kontrolle der Malaria und andere Krankheiten übertragenden

Insekten mittels DDT, außer Acht gelassen habe (Meiners u.a. 2012, 4). Klar, das war für

Carson ein Nebenthema, aber sie hat sich schon dazu geäußert: »Kein verantwortungsbe-

wusster Mensch wird behaupten, dass man sich um Krankheiten, deren Träger Insekten

sind, nicht zu kümmern brauche. Heute drängt sich aber die Frage auf, ob es klug oder

verantwortungsvoll ist, an das Problem mit Methoden heranzugehen, die es bald nur noch

schwieriger machen werden« (Carson 1963, 267-268). Carson denkt hier an den Umstand,

dass durch Giftbehandlungen von Schadinsekten auch deren natürliche Feinde ausgelöscht

werden, dass sie auch Resistenzen entwickeln und schließlich stärker auftreten als je zuvor.

Der zweite angesprochene Punkt betrifft Carsons Eintreten für eine Nulltoleranz, ein

Anliegen, das man später als Vorsorgeprinzip bezeichnet hat. Es bedeutet, dass zuerst nach-

gewiesen werden muss, dass eine neue Chemikalie keinen Schaden stiftet – außer dem

beabsichtigten natürlich, bevor sie auf dem Markt erscheinen darf. Das sei absolut inno-

vationsfeindlich und behindere den Fortschritt, sagen die Cato-Leute, und damit sei das

Wohlergehen sowohl der Menschheit wie auch der Umwelt in Gefahr! (Meiners u.a. 2012, 5).

Nach diesem Verständnis sind nicht die herkömmlichen Umweltorganisationen, sondern

die Propheten des freien Marktes und einer uneingeschränkten Technologieentwicklung die

wahren Bewahrer der Umwelt! Ein zusätzliches Licht auf die hier zum Ausdruck gelangende

Geistesverfassung wirft der Umstand, dass das Cato Institute von Charles G. und David H.

Koch, unterstützt wird, die ihr Geld auch der Tea-Party-Bewegung zufließen lassen. Die

»Koch Brothers« sind Haupteigentümer des multinationalen Konzerns »Koch Industries«,

der in den Sparten Erdöl, Erdgas, Chemie, Kunstdünger, Nahrungsmittel, Kunststoffe etc.

tätig, in der Vergangenheit durch fragwürdige Geschäftsmethoden aufgefallen und »einer

der größten Umweltverschmutzer in Texas« (Kennedy 2005, 24) ist.

J. Gordon Edwards (1992) – ja, das ist derselbe der von sich behauptete, er esse jede

Woche mal einen Esslöffel voll DDT-Pulver ohne negative Folgen (vgl. p. 262) – geht einen

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Schritt weiter, in dem er Carson nicht nur unsorgfältige Arbeit oder Ignoranz vorwirft, son-

dern sie in einer Publikation mit dem Titel The Lies of Rachel Carson der vorsätzlichen und

bewussten Irreführung des Publikums bezichtigt. Er redet von Silent Spring, als dem »Buch,

das die öffentliche Meinung gegenüber dem DDT und anderen Pestiziden vergiftete« (Ed-

wards 1992, 41).

Am »unanständigen« Ende des kritischen Spektrums wird Carson richtiggehend durch

den Dreck gezogen; in gewissen Kreisen ist ein vehementes »Carson Bashing« geradezu zu

einer Art Volkssport geworden. In ausfälligen Tiraden wird Carson der »junk science«, zu

deutsch etwa der »Pfuschwissenschaft“ bezichtigt. Da wird rundweg geleugnet, dass Wild-

tiere durch Pestizide jemals zu Schaden gekommen seien; die rapportierten Fälle wären

auf andere Ursachen zurückzuführen. Den Gipfel erreichen solche Ausbrüche, wenn sie be-

haupten, wegen Carson sei DDT verteufelt und nicht mehr eingesetzt worden, und deshalb

sei sie für 500 Millionen Malariatote verantwortlich. Um nur ein Beispiel zu nennen: »Ra-

chel Carson war eine ›Massenmörderin,‹ die es mit Stalin und Pol Pot aufnehmen kann,«

schreibt der Journalist James Delingpole (2009). In einem von einem kalifornischen Arzt

namens D. Rutledge Taylor 2010 präsentierten Dokumentarfilm über die Malariaproble-

matik mit dem Titel 3 Billion and Counting wird das Verbot des »lebensspendenden« DDT

von 1972 als katastrophaler Fehler gebrandmarkt, der zum größten ökologischen Genozid

in der Geschichte der Menschheit geführt habe.

Es gibt auch Politiker, die sich nicht zu schade sind, hier mitzumischen, wie ein Vor-

kommnis im Senat im Mai 2007 zeigte. Der demokratische Senator Benjamin L. Cardin von

Maryland hatte vor, dem Senat einen gesetzlichen Beschluss vorzuschlagen, der aus Anlass

des 100. Geburtstages von Carson deren Arbeit rund um Silent Spring würdigen würde.

Dazu musste aber in der zuständigen Kommission Einstimmigkeit herrschen, und dies war

nicht der Fall. Senator Tom Coburn von Oklahoma, Republikaner, blockierte die Eingabe.

Seine Begründung: Carsons Arbeit sei ein reiner Schwindel gewesen und überdies sei sie

wegen ihrer Opposition gegen den Einsatz von DDT für die Kalamität an der Malariafront

verantwortlich (Fahrenthold 2007).