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55 Unser Ratseltier - Vor iiber zwei Jahrzehnten, im Jahre 1972, trat in einem kleinen Ort im US-Bundesstaat Connec- ticut bei vielen Bewohnern eine Krankheit auf, die Schrecken einflogte: Manche starben, an- dere litten an Herzrhythmus- storungen, Hirnhautentziindung, arthritischen und grippeahnli- chen Symptomen. 1982 war das unheimliche Ratsel gelost: Man hatte, so die verbrei- tete Ansicht, eine neue Krankheit entdeckt, und das auslosende Agens erhielt - im Linntschen Sinne - einen Namen, bestehend aus Gattungsnamen und Epithe- ton. Das Epitheton ist aus dem Familiennamen der Person abge- leitet, die das Agens entdeckte. Bald jedoch fand man heraus, da8 die Symptome dieser Krank- heit in Europa, zum Beispiel in Deutschland, seit etwa 70 Jahren bekannt waren, allerdings unter Bezeichnungen, die Unkenntnis widerspiegelten, was das erregen- de Agens betrifft. Vielfach geht die Krankheit mit einem ringfor- migen Hautausschlag einher, der sich zentrifugal ausbreitet. Heute werden fur diese Krankheit auch bei uns zwei Namen verwendet. Einer leitet sich von dem kleinen Ort in Connecticut ab, der ande- re von dem Erreger der Krank- heit, gegen den bei uns sehr viele Menschen Antikorper entwickelt haben. Bei zahlreichen Krankheiten hat man zu unterscheiden zwischen dem Erreger und dem Ubertrager (Vektor). Denken Sie an die Ma- laria, die haufigste von Tieren hervorgerufene Krankheit des Menschen. 300 Millionen Men- schen leiden an ihr, 3 Millionen sterben pro Jahr. Malaria bezeich- net die Krankheit, Plasmodium den Erreger, Anopheles den Ubertrager. In der Tat ist die Angelegenheit in Wirklichkeit ein wenig komplizierter: Es gibt mehrere Plasmodium-Arten sowie viele Species von Anophe- les. So wie hier ist es im Prinzip auch bei jener Krankheit, die in Connecticut auftrat. Sie wird durch einen Erreger hervorgeru- fen, den wir jedoch nicht nennen wollen. Dieser gelangt durch Ubertrager in den Menschen, und nach dem in Deutschland wichtigsten und haufigsten fragen wir in unserem Ratsel. kein Plasier Der gesuchte Vektor ist ein ,,pool feeder": Mit einem im Rasterelek- tronenmikroskop beeindruckend aussehenden Apparat, den wir auf den Photographien dargestellt haben (A von dorsal, B von ven- tral) wird die Haut des Menschen angebohrt. Dann wird Speichel injiziert, der gerinnungshemmen- de, betaubende und neurotoxi- sche Substanzen enthalt, und es wird Blut gesaugt, welches sich in der Umgebung der Mundwerk- zeuge im Gewebe (einem ,,pool") sammelt. Ubrigens saugen nur weibliche Tiere in nennenswerten Mengen Blut und schwellen dabei um ein Vielfaches ihrer urspriinglichen Korpergroge an. Es mui3 jedoch nicht dauernd Blut getrunken werden, vielmehr konnen langere Perioden der Abstinenz iiberstanden werden, sicher mehrere Monate. Verwandte unseres Ratseltieres kommen sogar jahrelang ohne Nahrung aus. Jetzt wollen Sie wissen, wie viele Beine der Blut- sauger hat? Mit der Zahl6 liegen Sie - unter gewissen Pramissen - richtig, wobei das erste Paar bei der Wirtsfindung eine wichtige Rolle spielt. Unser Ratseltier ist sehr produktiv: Bis 3000 Eier kann ein Weibchen ablegen. Die eingangs erwahnte Krankheit ist nicht die einzige, die von dem gesuchten Tier iibertragen wer- den kann. In manchen Gebieten Mitteleuropas wird zum Beispiel Studenten der Biologie, die auf Exkursionen vie1 Zeit draugen verbringen, dringend empfohlen, sich gegen eine andere Krankheit, die ebenfalls von unserem Ratsel- tier iibertragen wird, irnpfen zu lassen. Und weltweit, so schatzt man, sind es etwa 50 Krankhei- ten, die von unserem Ratseltier und seinen nahen Verwandten iibertragen werden. Hinzu kom- men zahlreiche Tierseuchen. Sie rneinen, man sollte sich gegen die Vektoren impfen lassen? Guter Gedanke, aber ob es klappt, ist schlecht zu beurteilen. VoLker Storch und Gerd Alberti, Heidelberg Auflosung des Ratsels aus Heft 6/95 In Heft 6 suchten wir folgende drei Begriffe: 1. Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) 2. Secale cornutum 3. Ergotismus (von franz. ergot = Hahnensporn) Gewonnen haben: Uwe Sudaszewski, Berlin 0 Ulrike Johnsen, Kiel Dankwart Rauscher, Senden. Die Redaktion gratuliert den Gewinnern! Die Losung des aktuellen Ratsels schicken Sie bitte bis zum 15. Februar 1996 an Iris Lasch, Redaktion BIUZ, Handschuhsheimer Landstr. 37, 69121 Heidelberg. Der Rechtsweg ist ausgeschlos- sen. Verlost wird dreimal das Buch ,,Experimente aus der Biologie" von B. P. Kremer und M. Keil. Biologie in unserer Zeit / 26. ]ahrg. 1996 / Nr. 1

Rätsel

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Unser Ratseltier - Vor iiber zwei Jahrzehnten, im Jahre 1972, trat in einem kleinen O r t im US-Bundesstaat Connec- ticut bei vielen Bewohnern eine Krankheit auf, die Schrecken einflogte: Manche starben, an- dere litten an Herzrhythmus- storungen, Hirnhautentziindung, arthritischen und grippeahnli- chen Symptomen.

1982 war das unheimliche Ratsel gelost: Man hatte, so die verbrei- tete Ansicht, eine neue Krankheit entdeckt, und das auslosende Agens erhielt - im Linntschen Sinne - einen Namen, bestehend aus Gattungsnamen und Epithe- ton. Das Epitheton ist aus dem Familiennamen der Person abge- leitet, die das Agens entdeckte. Bald jedoch fand man heraus, da8 die Symptome dieser Krank- heit in Europa, zum Beispiel in Deutschland, seit etwa 70 Jahren bekannt waren, allerdings unter Bezeichnungen, die Unkenntnis widerspiegelten, was das erregen- de Agens betrifft. Vielfach geht die Krankheit mit einem ringfor- migen Hautausschlag einher, der sich zentrifugal ausbreitet. Heute werden fur diese Krankheit auch bei uns zwei Namen verwendet. Einer leitet sich von dem kleinen Or t in Connecticut ab, der ande- re von dem Erreger der Krank- heit, gegen den bei uns sehr viele Menschen Antikorper entwickelt haben.

Bei zahlreichen Krankheiten hat man zu unterscheiden zwischen dem Erreger und dem Ubertrager (Vektor). Denken Sie an die Ma- laria, die haufigste von Tieren hervorgerufene Krankheit des Menschen. 300 Millionen Men- schen leiden an ihr, 3 Millionen sterben pro Jahr. Malaria bezeich- net die Krankheit, Plasmodium den Erreger, Anopheles den Ubertrager. In der Tat ist die Angelegenheit in Wirklichkeit ein wenig komplizierter: Es gibt mehrere Plasmodium-Arten sowie viele Species von Anophe- les. So wie hier ist es im Prinzip auch bei jener Krankheit, die in Connecticut auftrat. Sie wird durch einen Erreger hervorgeru- fen, den wir jedoch nicht nennen wollen. Dieser gelangt durch Ubertrager in den Menschen, und nach dem in Deutschland wichtigsten und haufigsten fragen wir in unserem Ratsel.

kein Plasier Der gesuchte Vektor ist ein ,,pool feeder": Mit einem im Rasterelek- tronenmikroskop beeindruckend aussehenden Apparat, den wir auf den Photographien dargestellt haben (A von dorsal, B von ven- tral) wird die Haut des Menschen angebohrt. Dann wird Speichel

injiziert, der gerinnungshemmen- de, betaubende und neurotoxi- sche Substanzen enthalt, und es wird Blut gesaugt, welches sich in der Umgebung der Mundwerk- zeuge im Gewebe (einem ,,pool") sammelt. Ubrigens saugen nur

weibliche Tiere in nennenswerten Mengen Blut und schwellen dabei um ein Vielfaches ihrer urspriinglichen Korpergroge an. Es mui3 jedoch nicht dauernd Blut getrunken werden, vielmehr konnen langere Perioden der Abstinenz iiberstanden werden,

sicher mehrere Monate. Verwandte unseres Ratseltieres kommen sogar jahrelang ohne Nahrung aus. Jetzt wollen Sie wissen, wie viele Beine der Blut- sauger hat? Mit der Zahl6 liegen Sie - unter gewissen Pramissen -

richtig, wobei das erste Paar bei der Wirtsfindung eine wichtige Rolle spielt. Unser Ratseltier ist sehr produktiv: Bis 3000 Eier kann ein Weibchen ablegen.

Die eingangs erwahnte Krankheit ist nicht die einzige, die von dem gesuchten Tier iibertragen wer- den kann. In manchen Gebieten Mitteleuropas wird zum Beispiel Studenten der Biologie, die auf Exkursionen vie1 Zeit draugen verbringen, dringend empfohlen, sich gegen eine andere Krankheit, die ebenfalls von unserem Ratsel- tier iibertragen wird, irnpfen zu lassen. Und weltweit, so schatzt man, sind es etwa 50 Krankhei- ten, die von unserem Ratseltier und seinen nahen Verwandten iibertragen werden. Hinzu kom- men zahlreiche Tierseuchen. Sie rneinen, man sollte sich gegen die Vektoren impfen lassen? Guter Gedanke, aber ob es klappt, ist schlecht zu beurteilen.

VoLker Storch und Gerd Alberti, Heidelberg

Auflosung des Ratsels aus Heft 6/95

In Heft 6 suchten wir folgende drei Begriffe:

1. Mutterkornpilz (Claviceps purpurea)

2. Secale cornutum

3. Ergotismus (von franz. ergot = Hahnensporn)

Gewonnen haben:

Uwe Sudaszewski, Berlin

0 Ulrike Johnsen, Kiel

Dankwart Rauscher, Senden.

Die Redaktion gratuliert den Gewinnern!

Die Losung des aktuellen Ratsels schicken Sie bitte bis zum 15. Februar 1996 an Iris Lasch, Redaktion BIUZ, Handschuhsheimer Landstr. 37, 69121 Heidelberg. Der Rechtsweg ist ausgeschlos- sen. Verlost wird dreimal das Buch ,,Experimente aus der Biologie" von B. P. Kremer und M. Keil.

Biologie in unserer Zeit / 26. ]ahrg. 1996 / Nr. 1