19
Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ALBERT RAFFELT Rahner und Blondel Originalbeitrag erschienen in: Was den Glauben in Bewegung bringt / Hrsg. von Andreas R. BATLOGG ; Mariano DELGADO und Roman A. SIEBENROCK. Freiburg : Herder, 2004, S. 17-33

RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Embed Size (px)

DESCRIPTION

drthtrh drthjtg dfgjhfgh dfghfg sfghfg srfthfggh dfghgfg

Citation preview

Page 1: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

ALBERT RAFFELT Rahner und Blondel Originalbeitrag erschienen in: Was den Glauben in Bewegung bringt / Hrsg. von Andreas R. BATLOGG ; Mariano DELGADO und Roman A. SIEBENROCK. Freiburg : Herder, 2004, S. 17-33

Page 2: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Was den Glad in Bewegung br

Fundamentaltheologie in der Spur

>en . mgt Jesu Christi

Festschriftfür Kar/ H. Neiifeld SJ

Herausgegeben von Andreas R. Batlogg SJ, Mariano Delgado

und Roman A. Siebenrock

SONDERDRUCK 2004

Page 3: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Albert Ra@

Rahner und Blondel

Die Nähe mancher Positionen Kar1 Rahners zum Denken von Maurice Blondel ist schon öfter bemerkt worden. Das betrifft zum einen den philosophischen Versuch, die Iiantische Transzendentalphilosophie und das Denken des Deutschen Idealis- mus positiv für ein christliches Denken aufzunehmen, es betrifft ferner die Über- windung des gnadentheologischen Extrinsezismus („&tat transnaturel" ~ „über- natürliches Existential"). Ein Ansatz einer „transzendentalen Theologie" findet sich zudem im fünften Teil der „Action"'. Verblüffend ist, daß der ,,anonyme Christ" als Denkfigur bei Blondel ausführlich vorliomint2. Dazu kommen andere theologische Übereinstimmungen, etwa die Bevorzugung einer „sliotistischen" Christologie, die die Inkarnation als Ziel der Schöpfung, nicht als „I<orrelitiv" sieht. Weitere Parallelen ließen sich nennen (z.B. die Frage der „option").

Das Thema verbindet zwei Arheitsfelder im Werk von Kar1 H. Neufeld, und seine Behandlung entnimmt ilir Material den Arbeiten an der von ihm initheraus- gegebenen l<arl-Rahner-Gesamtausgabe, so daß diese kurzen eher philologischen Beobachtungen als Festgruß geeignet sein iiiögen.

Zu Lebzeiten Kar1 Rahuers lag es nahe, ihn seihst nach möglichen Ahhängig- Iieiten zu befragen. Am Beginn meiner Studien über Maurice Bloiidel, die ich als Promotionsvorhaben bei Rahner in Münster begonnen habe3, habe ich selbst diese Frage gestellt. Die Antwort war nach meiner Erinnerung, daR Kar1 Rahner sich an keine Lektüre erinnern konnte, wohl aber angab, daß er bei der Zeit.schrift für kotholische Theologie die Arbeit von Walter Warnach „Sein und Freiheit Blondels Entwurf einer normativen On t~ log ie"~ betreut habe und daß er auf die Freund-

' Vgl. hierzu die Bernei-kungcn in A. Ralfelt. Spiritualität und Philosophie (Freiburg 1978) (= FThSt 110) 199f. und 311, digitale Version: http://www.freidok.uiii-frciburg.de/vollt~~t~/S.

Wenn auch nicht unter diesem exakten Etikett, vgl. vor allem den Briefwechsel mit Joannes Wehrl6, zum Stichwort „aiioiiyiii" z.B. M. Blondel/J. Wehrle. Correspondance, Bd. 1 (Paris 1969) 169, 185 uiid passim sowie die Quellen in Au C ~ U T de la crise rnoderiiiste, hg. v. R. Marle (Paris 1960) 255ff. Die Diskussion unter dem Stichwort „%ne de I'Eglise" wire heranzuziehen, vgl. M. Blondel, Le problerne de la pliilosophie catholique (Paris 1932) (= Cahiers de La Nouvelle Journee 20) 160. Das Thema bei Blondel verdiente eine eigene Aufarbeituiig. ' Durchgeführt bei Kai1 Lchmann in Mainz uiid Freiburg, vgl. Anmerkung I. - Die Werke R A n e i ~ werdcn im folgenden soweit möglich mit der Abkürzung SW nach K . Rahner, Sämtliche Werke. hg. v. K . Lchmann / J. B. Metr / K. H. Neufeld / A. Raffelt uiid H. Vorgrimler (Frrihurg 1995 ff.) zitiert. ' In: ZKTIi 63 (1939) 273-310.393-427,

17

Page 4: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

.4!5en R q W t

schafr mit Robert Scherer hinwies, damals in Deutschland der wichtigste „Pro- pagandist" Blondels.

Auch gedruckt kann man Ähnliches nachlesen. Auf die Frage ,Wie steht es mit Blondel?" antwortet Rahner Patrick Granfield 1965: „Sein EinfluR war mehr indi- rekt im Vergleich zu dem der anderen [nämlich Martin Heideggers, Pierre Rousse- lots und Joseph Marechals]. Jeder Mensch lebt in einer ganz besonderen Atmosphä- re, und er wird von vielen Dingen beeiiiflußt, ohne dies wirldich wahrzunehmen. Ich kann nicht sagen, ich sei ein ausgesprochener Leser Blondels gewesen, obwohl ich manche seiner Aiisichten akzeptiere. Robert Scherer, einer meiner Freunde, der in Freiburg lebt, übersetzte die Werke Blondels ins Deutsche. Aber objektiv gese- hen, könnte ich nicht sagen, daß Blondel auf midi irgendeinen grollen, direkten und unmittelbaren Einflug ausübte, dessen ich mir bewußt wäre''5.

Im Vorwort zu Louis Roberts The ackievenient of JCorf Rahner6, spricht Rahner vom Problem der Abhängigkeiten insgesamt, läßt dabei Blondel eher .ungescho- ren" mitlaufen - irn Gegensatz zu Heidegger: „The reader must also keep in mind that the theological environment is such that iio theologian's ,own' theology can be fully and precisely presented in all details, especially since lie is so depeiident 011 so many other theologians, and indeed far more reliant on them than Dr. Roberts indicates, with regard to me, in this First cliapter, referring particularly to Marechal, Blondel, and Heidegger. (Perhaps Dr. Roberts overestimates this latter influence s0mewhat.j" 7,

Mit dieser Auskunft kann man sich zufrieden gegeben. Nikolaus Knoepffler, dem Parallelen zwischen Blondels Denken und Rahners Grundkurs des Glaubens auffielen, spricht deshalb von einer „unterirdischen Wirkungsgescliichte"a und Rene Virgoulayg spricht auf Grund von Raliners Selbstaussagen von einem indi- rekten Eiiifluß (neben dem über Mareclial) ~ wie überhaupt „Une influence sou- terraine" charakteristisch für Blondels Wirkung auf die Theologen war.

Die Wirl&chl<eit ist allerdings komplexer, als es Rahners späte Selbstaussagen nahelegen und das „uiid"-Thema birgt etwas mehr historische Substanz als andere vergleichbare Fragestellungen (Rahner und Teilhard de Chardin etwa, wo unbe- zweifelbar „Teilhardianisclies" schon in die Fragestellung von „Die Christologie inneihalb einer evolutiven Weltanschauung"'0 eingegangen ist, obwohl 111. W. kei-

5 Ein Theologe bei der Arbeit. Gespräch mit Dorn Patrick Granfield. Warhingtor (1965), in: Kar1 Rahner, lin Gespräch. hg. v. P. Imhof / H. Biallowons, Bd. 1 (Münclien 1982) 28-46, hier 32 f.

' Wenn man diese Aussage wiederum relativieren will. braucht man nur K. Rahner, Über Martiii Heideggei; in: Martin Heidegger im Gespräch. hg. v. R. Wissei (Freiburg/Münclien 1970) 48-50, anzusehen.

Blondels Actionvon 1893 und Rahnen transzendciitaler Ansatz irn Grundkurs - eine unterirdi- sche Wirkuiigsgeschichte, in: TIiPIi 72 (1997) 91-96. 9 Philosophie et theologie cher Maurice Blonrlel (Paris 2002), zu Rahiier S. 109. zu den Theologen insgesamt S. 183 und ff.

New York 1967, VII-VIII, hier ViII.

SW (A. 3) 15,219-247.

18

Page 5: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Rahner und Blondel

ne Teilhard-Lektüre nachweisbar ist). Es bleibt dennoch ein ineinander von „unter- irdischer" und „irdischer" Verknüpfung. das Rahner nicht zu einein ,,Bloiidelianer" macht, wohl aber ein Beispiel dafür ist, daß sich eine Wirkungsgeschichte über verschiedene Kanäle auswirken kann, wobei Abhängigkeiten der Rezeption letzt- lich aus mehreren Quellen gespeist werden und der geniale Rezeptor wohl auch aus Anstößen selbständig ähnliche Konsequenzen ziehen konnte.

1. Blondel im gedruckten Werk Kar1 Rahners

1938 findet sich in einer der vielen kleinen Buchanzeigen, die Rahner damals für die Zeitschriftfür katholische Theologie schrieb der Hinweis auf einen Aufsatz, der „die Forderung noch einer katholischen Philosophie [entliält], in weichem Aufsatz besonders auf Blondcl eingegangen wird"". Der Aufsatz von Marcellinus Soens OFM „De eischen vom een katholiele wijsbegeerte"" dislmtiert ausführlich die Auseinanders~l~urig-rn zur Frage der christlichen Philosophie in Frankreich und macht schon durch seinen Titel deutlich, daß er an die Position Bloiidels (,,Phi- losophie catholique" - Titel eines noch zu nennenden Buches Blondels) anknüpft.

Gleichzeitig mit dem 1937 erschienenen Band hatte Rahner selhst in seinen Salzburger Hochschulwocheii-Vorlesungen auf diese Diskussion angespielt und ebenfalls - wenn auch nicht unter diesem Etikett und ohne Nennung des Namens - eine Blondel-nahe These vertreten: „Mit einem zweiten Fragenkreis hat unser Thema eine innere Verwandtschaft: mit der Frage nach der Möglichkeit einer ,christlichen' Philosopliie. Denn im tiefsten und eigentlichsten Sinn ist die Philoso- phie nicht dadurch christlich, daß sie die Theologie als negative Norm der Bewali- rung vor Philosopliemen duldet, die mit der christlichen Glaubensüberzeugung in i<onflilit kommen könnten, noch dadurch, daß sie aus der Theologie sich zu neuen Fragen anregen läßt, die sonst vielleicht außerhalb ihres Gesiclitskreises blieben, sondern dadurch, daß sie nach eigenem Gesetz und aus ihrem immanenten Fragen heraus (soweit das eine Wissenschaft überhaupt vermag) den Menschen so be- greift, daß sie ihn in die Haltung eines nach einer möglicherweise ergehenden Offenbarung Ausschau Haltenden versetzt, dadurch, daß sie sich selbst (im He- gelschen Sinn) ,aufhebt' in The~logie" '~. Die Fortsetzung des Absatzes zeigt, daß

'1 Es handelt sich um die AnreigevonCrispiiilir Sinits 1 Octavianus Sagaert 1 Willihrord Lampen 1 Marcellinus Soens, Natuur en Boveiiiiatuui. (Collrctanea Franciscana Neerlandica l l l , 7 's-Herto- gcnbosch 1937), in: ZKTh 62 (1938) 587.

I' Religioiisphilosophie und Theologie (1937), in: SW (A. 3) 4, 285-293, hier 286. - Angesichts dieser Celbsteiiiordnung Rahners Hörer des Wortes das Etikett ,.Extriiirerismus" aufzukleben, ist zumindest unglücklich angesiclits der Bedeutung, die der Terminus begriffsgeschichtlich in die- sem Zusammcnhang hat (vgl. W. Weriier, Fundamentaltheologie bei Kar1 Rahner, Tübingen 2003, passim) Die Differcniierung zwischen fi-ühcm und rpitein Kaliiier Iäßt sich aucli olinc Max Secklers Terminologie ausdrücken. Dazu schon A. "an Hoof, Logik des Christseins jenseits

Ebd., 71-108.

19

Page 6: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

~>..'%r RqPpit

Rahner dafür an eine andere Terminologie und auch Tradition als Blondel an- schlieRt: ,Das ist aber dann der Fall, wenn ihre Anthropologie aus philosophischen Gründen zur Ontologie der potentia oboedientialis für Offenbarung wird". Er formuliert das Problem zumindest terminologisch im Rahmen der Schultheologie. In Hörer des Wortes wird 1941 die Fragestellung breiter ausgefaltet'4,

Wenn man sich auch einer gewissen Unsicherheit bewußt sein muß, inwieweit Einzelaussageii des sogenannten Wiener Memorandums von Rahner stammen, so ist m.E. doch der generelle Duktus soweit von ihm, daß er den Text immerhin in internen Bibliographien als eigenen geführt hatqs. So wird man vermutlich auch die positive Nennung Blondels bei der Skizzierung der Situation der katholischen Philosophie unter die I<eniitnisnahine dieses Philosopheii durch Kar1 Rahner ein- ordnen können - interessant auch, wenn man sie mit der später noch zu nennenden Übersicht über die deutschekatholisclie Theologie aus dein Jahr 1965 vergleicht'6.

Schon vor der Auseinandersetzung um die Noiivelle th6ologie hat Rahnerjedeii- falls deren Sachthematik bei Blondel im Blick. In dem 1948 veröffentlichten kur- zen Text „Natur und Übernatur" schreibt er: „Es ist natürlich eine andere Frage, wie weit im konkreten Menschen nicht auch für den Pliilosophen Dinge feststellbar sind, die über diese Iiiiinaneiir dieser Welt und ihres Sinnes hinaus, auf den sich ofenborenden Gott, hinweisen, m. a. W. wie weit die ,Aufgebroclienheit' der Natur zur Ciberiiatur, wenn auch nicht reflex als solche, so doch in ihrer Faktizität, in einer ,Apologetik der Schwelle' (Blondel) aufweisbar ist"'7.

Im ersten Band des Lexikonsfür Theologie und JZirche von 1957 findet sich fol- gende interessante Differenzierung im Artikel „Atheismus": ,,L. Billot 1.. .] (das eine Extrem) betont die sozialen. bulturelle Abhängigkeit der einzelnen von ihrem

des Rationalismus, iii: Das Tun - der Glaube - die Vernunft, hg. v. A. Raffelt u.a. (Wiiizburg 19951 105. I4 Vil. SW (A. 3) 4,38-42. I5 Womit dar hermeneutische Problem. daß es sich um einen Kommisrionstert handelt. der nicht in eigmrm Namen spricht, sondern für Kardinal lnnitrer verfertigt wurde, nicht beiseite ge- schafft wird. Deshalb steht der Text in SW (A. 3) 4 auch im Anhang. Die Bemerkungen von W, Werner, Fundnmentalthrologic bei Kar1 Rahner (A. 13), 233 ff. bcachten dies tmtz allen argu- mentativen Aufwands nicht genau genug. Selbst wenn der spekulative Versuch. Rahncrs Alleiii- autorschaft zu beweisen, verfangen würde. wäre dieses Faktum nicht ernst geuomnien. Für r r s te~ res müRten aber die verschiedenen belegbaren Vorsiufeii ebenso in Betracht gezogen werden wie die anzunehmenden Sachheiträge Diittcr. Dies ist SW (A. 3) 4, XXVIIff. schon ausführlicher dar- getan, wobei kein Interesse bestand, den (m.E. - wie dort schon gesagt - sehr hohcn) Anteil Rahners L U vermindern und die Idmtifikatioii Rahners mit diesem Text herunterzuspielen, wohl aber den Charakter des Textes LU heacliteii und offene Fragen nicht in einer Edition spekulativ zu beantworten. l6 Der gegenwärtige Stand der katholischen Theologie in Deutschland, in: K. Kahner, Kritisches Wort: Aktuelle Probleme in Kirche und Welt (Frciburg 1970) (= Herder-Bücherei 363) 11-33. " Natur und Übernatui; in. Leuclitturmlahi.bucli 1948, hg. v. H. J. Croii (Köln 1948) 101-104, hier 103. Die von Auguste Valenrin ins Spiel gebrachte Schwellen-Metapher (DAFC 2, Sp. 584) wird bei Blondel z.B. in Le problerne de la philosophie catholique (vgl. A. 2) 52, Iammentiert. interessant ist. daß Raliner hier auf Blondel und nicht auf de Lubac Bezug nimmt.

20

.-

Page 7: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Rahner und Blondel

Milieu U. hält es darum für denkbar, daß viele ,Erwachsene' hinsichtlich der Got- tesfrage unmündig bleiben. Umgekehrt wird (M. Blondel, H. de Lubac) (das ande- re Extrem) die radikale Verwiesenlieit auf Gott als das Wesen des Menschen so betont, daß es im Grunde keine Atheisten geben kann, sondern nur solche, die bloß meinen, nicht an Gott zu glauben. Gegen die erste Ansicht wird zu hetonen sein, daß man angesichts des allgemeinen Heilswillens Gottes theologisch nicht annehmen kann, daß so viele Menschen schuldlos trotz des Gelebthabens ihres Lebens von ihrer Bestimmung entfernt bleiben. Gegen die zweite Ansicht wird zu sagen sein, daß der empirische A. doch in der Auffassung der Schrift nicht nur eine letztlich ungefährliche Fehlinterpretation eines verborgenen Theismus sein kann. [ .. . ] An diesem Zusammenhang zwischen Theismus U. Ethik ist einerseits festzuhalten; anderseits werden wir heute deutlicher (LI. wieder init Tliomas) se- hen, daß die Abhängigkeit des einzelnen (über seine freie persönlich zu verant- wortende Stellungnahme hinweg) von der Meinung der ihn tragenden Gesell- schaft größer ist, als man das früher wid3te"i8. Das Genus des Lexikoiiartikels ist allerdings zu berücksichtigen: Rahner referiert hier bekannte theologische Aus- sagen init vorsichtiger Differenzierung.

Aus dem Jahre 1964 gibt es einen schönen Text im Aufsatz „Schuld ~ Verant- wortung - Strafe in der Sicht der katholischen Theologie": ,,Dementsprechend gibt es im biblisch und augustinisch geprägten Begriff des Herzens, im Begriff der Subjektivität bei Kierkegaard, in dem der ,action' bei Blondel usw. das Verständnis dafür, daß es einen solchen das Gesamte des Daseins umfassenden und durch- prägenden Grundakt der Freiheit gibt, der sich zwar mittels der einzelnen rauin- zeitlich lokalisierharen und hinsichtlich ihrer Motive objektivierbaren Einzelal<te des Menschen realisiert und nur so vollzogen werden kann, der aber mit einem solchen Einzelakt nicht einfach in objektiver Reflexion identifiziert werden kann, noch das bloße moralische Fazit der Summe dieser Einzelakte darstellt, noch ein- fach mit der moralischen Qualität des letzten der gesetzten freien Einzelakte iden- tifiziert werden kann. Die konkrete Freiheit des Menschen, in der er vor Gott über sich als ganzen in Erwirkung sriner eigenen Endgültigkeit vor Gott verfügt, ist die nicht inehr reflektierbare Einheit in Differenz von ,Option fondainentale' und freien Einzelal<ten des Menschen, eine Einheit, die das konkrete Sein des sich voll- zogen habenden Freiheitssubjekts ist." l9

Eine französisch veröffentlichte Übersicht zur gegenwärtigen deutschen Theo- logie aus dem Jahre 1965 plädiert gerade für eine Bloiidel-Rezeption in der „Schul- tlieologie": „Ein Blondel ist in der Schultheologie im Grunde noch genausowenig rezipiert wie ein Newman [ . . . ] aber eigentliche spekulative Theologen, die, wie ein Martin Heidegger hoffte und wünschte, mit der Philosophie unserer Zeit in ein

l8 Atheismus, in: LThl?, I (1957) Sp. 983-989. hier 986f. = SW (A. 3 ) 17,1, 135. Schuld - Verantwortung - Strafe iin Lichte der Theologie - Jurirprudcnz - Soziologie - Medi-

zin und Pliiloropliie, hg. v. E. R. Frey (Zürich 1964) 151-172, hier 158 = K. Raliiier, Schriften m r Tlieologie, Bd. 6 (Einriedcln 1964) 238-261. hier 245 f..

21

Page 8: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

. .. ~ -7: .RCK?!!

zesenseitig fruchtbares Gespräch getreten sind, kann man wohl kaum finden"20. Immerhin gibt es bei Rahner selbst doch bei einigen theologischen Sachthemen den Bezug zu Blondelzi.

In dem Aufsatz „Theologie und Anthropologie"z2 referiert Rahner seinen theo- logischen Ansatz einer „transzendentalen Theologie" und fragt in diesem Zu- sammenhang nach der Uncliristlichkeit oder Christlichkeit der neuzeitlichen Philosophie, Er rechtfertigt damit auch seinen eigenen Rezeptionsversuch in Übe- reinstimmung mit Blondel, wenn er schreibt, „daß eine heutige Philosophie und somit auch die Theologie hinter die transzendental-aii~hropologischr Wende der neuzeitlichen Philosophie seit Descartes, Kant, über den deutschen Idealismus (einschließlich seiner Gegenschläge) bis zur heutigen Phänomenologie, Existeiiz- Philosophie und Fundamentaloiitologie nicht zurück kann und nicht zurück darf. Diese ganze Philosophie ist, wenn oian will, zutiefst unchristlich, iiisofern sie (mit wenigen Ausnahmen, etwa Blondel) eine Transzendentalpliilosophie des auto- nomen Subjekts treibt, das sich der transzendentalen Erfahrung verschließt, in der es selbst sich als das dauernd zugeschickte, als her- und liinkünftiges Subjekt erfährt. Aber dieselbe Pliilosopliie ist auch zutiefst christlich (mehr, als ihre tradi- tionellen Kritiker in der scholastischen Schulphilosophie der Neuzeit verstanden haben), weil für ein radikal christliches Verständnis der Mensch letztlich nicht ein Moment in einem Kosmos der Saclieii ist, untertan dem von daher konstruierten Koordinatensystem ontischer Begriffe, sondern das Subjekt, von dessen subjekt- hafter Freiheit das Schicksal des ganzen Kosmos abhängig ist; denn sonst könnte die Heils- und Unheilsgeschichte keine kosmologische ßedeutung haben, sonst wäre eine christologische IZosmologie eine kindliche Begriffsdichtung. Diese inne- re Zwiespältigkeit ist aber nicht niir eine Signatur der neuzeitlichen Philosophie, sondern jedes Menschenwerkes und so der Philosophie aller Zeiten; sie darf uns nicht daran hindern, das Christliche in dieser epochalen geistesgeschichtlichen Situation der Neuzeit LU sehen und darum diese Situation in ihrem Grundwesen anzunehmen als nicht mehr aufgebbares Moment auch an einer christlichen Phi- losophie von heute und damit auch einer solchen Theologie"'3.

Ein Hinweis in den Anmerkungen auf Blondel kommt hinzu. Auch wenn man möglicherweise in Rechnung stellt, daß einzelne Anmerkungen in diesem Band auch in Absprache mit dem Autor vom damaligen Assistenten Kar1 Lehmann for- muliert worden sind", bleibt Blondels Position in die Sachaussage zentral eiiige- baut.

K. Rahiier, Kritisches Wort (A. 15) 26. 2i Bemerkungen miii dogmatischen Traktat „De Trinitare", in: K. Rahnrr, Schriften zur Theologie, Bd. 4 (Einsiedeln 1960) 104 Dogmatische Erwägungen uber das Wissen und SelbrtbewuRtsein Christi, i n K. Rahncr, Schriften zur Theologie, Bd. 5 (Einsiedeln 1962) 222. a Als Vortmg 1966, zitiert nach K. Rahiier, Schriften zur Theologie, Bd. 8 (Einsiedeln 1967) 43- 65. l' Ebd., 56f. 2' Vgl. 5. 51 den Hinweis auf Heiiri Bouillardr Blandel-Arbeit. Mit diesem Pliänomen sollte man

22

Page 9: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Rahner und Blondel

Im Handbuch f ü r Pastoraltheolo@e wird dies noch einmal bestärkt „In diesem Sinne muß die theologische Anthropologie vor allem auch die Grundintentionen des jungen M. Blondel in sich aufnehmen. Vgl. M. Blondel, Die Aktion (1893) (Freiburg 1965)"z5.

Die häufigeren Hinweise auf Blondel in dem gemeinsam mit Kar1 Lehmaiin gezeichneten Handbuchtext „Geschichtlichkeit der Vermittlung"z6 lassen wir hier aus, weil hier alles, was nicht auf schon veröffentlichte Texte Rahners zurückgeht, Arbeit des Koautors ist.

Es lassen sich durchaus noch weitere Nennungen Blondels im Werk Rahners finden. Sie zeigen vor allem die Anerkennung für sein Werk im Hinblick auf die Öffnung der katholischen Philosophie und des renouveau catholique im allgeinei- nen".

2. Rousselot und Marechal

Die kursorische Durchsicht des gedruckten Werks von Kar1 Rahner ist nicht ganz so unergiebig, wie es nach den Selbstaussagen scheinen I<önnte. Sie Iäßt sich aber doch zum Teil auf die Vermittlung durch Drittquellen und Sekundärliteratur zu- rückführen, wobei freilich bedeutsam bleibt, daß Rahner Blondel stets als Denker von Rang in der modernen katholischen Philosophie wahrgenommen hat. Eine klar benennbare weitere Quelle ist null der von Rahner immer hervorgehobene Strang der innovativen französischspracliigen jesuitischeil Tliomas-Interpretation, die vor allein mit den Namen Pierre Rousselot und Joseph Marechalverbundeii ist. Auf sie beruft sich Rahner am Anfang von Geist in Welt: ,Wenn Pierre Rousselot und Joseph Marechal vor allem angeführt werden, so soll damit zum Ausdruck gebracht sein, daR diese Arbeit sich dem Geist ihrer Thomasinterpretation vorzüglich ver- pflichtet fühlt"'8. Wir fragen hier nach ihren ,,bloiidelianisclieii'~ lmplikationen.

vielleicht doch hernieneutisch vorsichtiger iimgehcn, als dies Hans-Dieter Mutschler in sciner Be- merkung in SW (A. 3) 15, XI nahelegt: ,,Man rnuß damit rechnen, daR Rahners Assistenten man- che Texte nachträglich mit FuRnoten versehen haben, um sie .wisseiischaftlicher' erscheinen zu lassen" uiid „Rahnen Ausführungeii lassen aber nicht erkennen, daR er diese Literatur wirklich zur Kenntnis gcnommen hat": Rahners Tentc ,wisseiiscliaftlich' zu machen, dürfte kaum die Inteii- t im gewesen sein. Daß Rahner technische Fragen der Dokumentation für ,ich ei-arbciten IieR, ist eine Sache. Die Cachdivergmz zwischen einer Literaiurneniiung und der eigenen Position eine andere. Sie bedeutet aiicli nicht unbedingt, daß inan diese erst gar nicht zur Kenntnis genoinmen hat. In unserem Fall korrespondieren jedenfalls Text und Anrnerkungeii, so daß sich das Problem so gar nicht stellt. ii In: Grundeiitwurf einer tlieologiwhen Antliropologie, i n SW (A. 3) 19, 191. z6 In: MySal 1 (1965j727-775. >' Vgl. etwa Kar1 Rahncr: Im Gespräch (A. 5), Bd. I , 33; Ülxr das Latein als Kirchenrpraclie, in: K. Kahnrr, Schriften zur Theologie, Bd. 5 (Einsiedeln'1964) 459; Laudatio auf Erich Przywara, in: I<. Rahner, Gnade als Freiheit (Freiburg 1968) (= Herder-Bücherei 322 j 270.

CW (A. 3) 2,5.

23

Page 10: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

~~ - -~ . .~ ~~ ~

Dirie :ie?en nicht ohne weiteres auf der Hand, wenn man Blondels eigene L-rrei:e Uber Rousselot ule Marechal ernst nimmt. Sie zeigen, wie schwer sich Blondel tat. die scholastische Mentalität zu verstehen und wie sehr sein ganzer Impetus aus einer anderen Richtung kommt. Während und nach der Lektüre des lntellectua!isme de saint Thomas von Pierre Rousselot korrespondiert Blonde1 mit Auguste Valensin. Sein Brief vom 6.12.1908*' faßt zusammen. Er anerkennt. daR Rousselot das genuine Denken des Aquinaten gerade da herausarbeitet, wo es gemeinhin miliverstanden wurde, und daß er „dans le vif des problernes per- manents" sei. Dagegen tadelt er andere Au~führungen~o mit einer gewissen Ver- wunderung. Die Zuspitzung bildet wohl der Satz „Comment semble-t-il se satisfai- re d'une doctrine qui identifie l'etre 2 un visiim qui d a point de dedans?"x' Blondel sieht die Hauptschwierigkeit hinsichtlich der Aporie, wie die Ausrichtung des Menschen auf die visio beotfica und die Ungeschuldetheit ihrer Realisation zu vereinen seien, eben in der Vorstellung, das „surnaturel" sei „vue" und werde „Par la vue" erreicht. Dagegen sieht Blondel es als Liebesbeziehung, „le surnaturel est une relation d'amour renversante et ,falle', que jamais nous n'aurions os6 ambiti- onner, ni meine concevoir possible"". In den späteren und erst posthum veröffent- lichten Exigences philosophiques du christioiiisme formuliert Blondel die Grunddif- ferenz nochnials: „Es ist ganz anders, sobald man begreift, daß der Zugang des Übernatürlichen bedingt ist durch die [, , , ] Entsagung, die demütige, abhängige und vertrauensvolle Haltung, die es von unserer Seite voraussetzt. Weit davon entfernt, es als eine Fortsetzung, als eine Eroberung, oder nach dein Worte des P. Rousselot, als ein ,Eingreifen' darzustellen, das unserm Verstand ermöglichen würde, Gott zu greifen, wenn er nicht die schützenden Schranken des Ubernatür- liclien errichtete, müssen wir einen ganz entgegengesetzten Geist uns zu eigen machen, innerlich uns damit abfinden, daß nichts, was von u n s kommt, uns das vermitteln kann, was wir von Gott zu empfangen haben, indem wir ihm denvollen Verzicht auf unsere eigene Selbstgehörigkeit anbieten?

Trotz dieser Crunddifferenz hegt Bloiidel große Hochschätzung gegenüber Rousselots Arbeit und lobt sie als ein Denken in Beziehung zu den aktuellen Pro-

I9 Maurice Blonde1 ! Aueuste Valensin: Corres~oiidaiice (1899-1912). h e Y. H. de Lubac. Bd. 2 , Y , "

(Paris 1957)44f. 10 Vgi. cbd. 237-238 „par enample".

Irn Briefwechsel M. Blondel / Lucien Laberthniiniere, Correspondance philosophique, hg. von Claude Tresmantani (Paris 1961) 215f. gibt Blondel seinem gefühlsrnäßigcn Empfinden deutli- cheren Ausdruck: „Oh! Cette vision beatifiqur qui es1 glaciale, au fmid abrolu. une lumiere im- mobile. um traiisuarence sans nmour. une unim sans cmur .. ." (20.10.1908, val. den folaeiideii Brief& 1.11.1~08). 32 M. Bloiidel / I . Welirl6. Correspondance. hg. von H. de Lubac, Bd. 2 (Paris 1969) 406. Die Dif- ferenzierung der Briefe Blondels nach Adressanten ist von Interesse. Grob gesagt: Valensin steht in direkter Beziehung zu Kaurselot, Labmtlionniere ist philosophischer. Wehr16 theologischer Ver- trauter. Von hier aus sind die Akzentxtzungen zu verstehen 33 M. Bloiidel, Philosophische Ansprüche des Christentums (Wien 1950) 159. Daß hier Blondel die Kritik Laberthonnieres an Rousrelot beibehält, die dieser scinerseits nicht für gerechtfertigt

" "

24

Page 11: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Pahner und Blondel

blemenY. Er hehr e,ypressis verbis Rousselot aus der Schar der Theologen heraus, die Thomas von .Aquin historisch deformieren und von den aktuellen Problemen ab- schneiden3'. Die Ambivalenz seiner Beurteilung wird aber nicht aufgehoben. Um- gekehrt sieht Rousselot sich durch Blondels positive Äußerungen bestätigt und schreibt, .,que la notion thomiste d'intellection possedante [ . . . I m'ait amene i des Positions toutes voisines de votres ou coincidant avec elles [ . . . ] " 3 6 . Und hier ist sicher der Punkt, wo man auch umgekehrt sagen kann, daR die Thomasinterpreta- tion Rousselots schon blondeliaoische Einflüsse aufgenommen hat. E. Kunz hat den Erkenotnisbegriff Rousselots iii vier Punkten gekennzeichnet: als finalistisch, dynamisch, dialektisch und „offen für eine personale Vertiefung"". Hinsichtlich des letzteren Punktes sind auch die späteren Kontakte mit Blondel wichtig. Auch die anderen sind aber nicht aus der damals traditionellen Thomas-Interpretation gewonnen, sondern in einem Interpretationsklima möglich geworden, das wesent- lich durch Blondels L'Action mitgeprägt ist. Iin intellectuulisnie bleibt der Einfluß Blondels wohl als „Rahmen" für eine dynamische Thomas-Interpretation, als An- regung ohne Die dyiiainische Deutung der menschlichen Wirk lichkeit als desideriiirn auf das surnaturel ist gemeinsam, aber die Thematik wird von einem anderen Ausgangspunkt und in einer anderen Systematik angegan- gensg. Ein Beispiel dafür ist übrigens auch die Terminologie der potentiu oboedien- tialis, die Rousselot verwendet'o. Bei der in letzter Zeit mit großer Akribie nnter- nnmmenen Suche nach der Herkunft dieses Begriffs in Hörer des Wortes hätte man m. E. deutlicher auf Rahners Hinweis auf die Abl<ünftigl<eit seiner Thomas-lnter- pretation achten sollen.

Die Differenz Blondel/Rousselot - in der Sicht Blondels - legt einen Vergleich mit Hans Urs von Balthasars Rahner-Kritik und deren Differenz nahe, wobei inter- essanterweise für Balthasar wiederum auch Blondel in die Sparte eines „tita- nischen" Dynamismus eingeordnet wird, was zeigt, wie schwierig und letztlich auch unzutreffend diese Etiketten sind.

Wenn man Rousselots „Geistnietaphysik" im ersten Teil seines Buches liest, hat man den Eindruck, daR die Erkenntnis der Engel das Muster sei. lm dritten Teil des

hält, zeigt das Zitat bei E. I<unz, Glaube - Giiade - Geschichte: Die Glaubenrthcologie des Pierre Rousselot S.J. (Frankfurt a.M. 1969) 65. 34 Z.B. a n Wehrl6. (A. 32), 475, dort im Grgensatz zu dem Thomas~Buch von Sertillatiges. 35 Interessanterweise erwähnt Blaiidcl in diesem Zusammenhang positiv auch Picrre Scheuer, was zeigt, wie gut die Informationen über dir Entwicklungen im Jesuitenorden waren In der Genese der Löwener Thoiiias-liiteipretation spielt Scheuer eine bedeutende Ralle t m t L seines geringen literarischen Werkes. vgl. die Sammlung ( i n Uberretrung) P. Scheuer, Thc philosophical rynthesis. hg. von DnnielJ. Shine(Wcston 196G). 36 M. Blondel / A. Valenrin: Correspondance (A. 23) Bd. 2,46.

E. Kunz: Glaube ~ Gnade ~ Geschichte (A. 33) 19. I8 Mit E. Kunz: Glaube - Gnade - Geschichte (A. 33) 2. l3 Historisches Material zum Verhältnis Blondel/Rousselot findet sich auch bei A. Rusro, Heiiri de Lubac: Theologia e dogma nella storia. L'iiiflusro di Blonde1 (Roma 1930).

Vgl. etwa P. Roiisselat, L'intcllectualiime dr raint Thomas (Paris '1336) 39.

25

Page 12: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

% c h c jedoch ..Lintelligence et l'action humaine" geht es um die konkrete Er- kennmis des Menschen, die sein ethisches Handeln leitet. Das konnaturale Erken- nen und die Bedeutung des Symbols werden hier analysiert. Und hier hat man den Eindruck, daß Rousselot wesentlich stärker von Bloiidelschen Analysen beeinflußt ist. Andrew Talion rekurriert ini Komiiieiitar ZLI seiner englischen Ausgabe des Werks" an dieser Steile auch auf Heideggers Analyse der Stimmung aus dessen \'orlesuog ,.Die Grundbegriffe der Metaphysik" (Freiburg WS 1929/30)42 in Wei- terführung der Interpretationen Rousselots und gerät damit in einen Kontext, der auch Rahners Bedenken einer Metaphysik auf dem Boden der Endlichkeit zugrun- deliegt". Es könnte in. E. durchaus sein, daß Rahuers Hinausgehen über Rousselot gerade bei dessen stärker durch Bloiidel angestoßenen Überlegungen ansetzt".

Auch Mar&/ials Ausführungen über Blondel fanden nicht die schlichte Zu- stimmung des Philosophen ans Aix. Marechal hat sich in einem Aufsatz in der Festschrift für Joseph Geyser 1930 expressis verbis zu Blondel geäußert'l. Da er die Philosophie Blondels für ,,assez coiinuil hält, skizziert er nur kurz die innere Logik des Tuns und die Dialektik des gewollten und wollenden Willens (volonte volue / voulante) und betont die enthaltene Forderung einer „existeiice objective" und das Ziel einer „Option finale, inevitable". Das Sein ist in Marechals Blondel- Deutung so erst subjektiv als notwendige Bedingung des Tuns gesetzt (postuliert), dann in einem Akt der Freiheit „in sich" empfangen oder verweigert. Stellt sich also die Entscheidung für die Scholastik (zu der sich Marechal rechnet) zwischen einem praktischen Primat des Guten (Blondel) oder einem formellen des Wahren (Husserl)? Marechals Lösung versucht, die Analysen Husserls durch grundlegende Einsichten Blondels über den dem forinellen Denken zugrundeliegenden Dyna- mismus zu ergänzen. Der Artikel hat zu einem Briefwechsel mit Blondel gefiihrP, der zum Teil auf einem problematischen Verständnis der Ausführungen beruht.

Umgekehrt 1äßt sich aber deutlich erkennen, wo Mareclial Bloiidel für sich fruchtbar macht, denn - wie er antwortet - das Ziel seiner Ausfüliruiigen ist nicht eine Darstellung Blondels, sondern ein Fruchtbarmachen von Einsichten für die scholastische Philosophie. Blondels Einwand auch nach mehreren Briefen bleibt aber, daß eine auch durch den Dynamismus ergänzte Thomas-Interpretation ab- strakt bleibt und begriffliche Konvenienzen aufbaut, kurz, nicht die konkrete

'I i? Rousselot, lntelligencc (Milwaukee 1999) (= Collected philosophical warkks l), XX. k2 Jctzt in M. Heidegger, Gcsamtausgabc. Abtlg. 2. Bd. 29/30 (Frankfurt 1992).

Einen EiiifluR dieser Vorlesung, die in Hörernachsclirifteii vorlag. auf Geist in Welt möchte ich an anderer Stelle nachgehen.

M.E. ist Rousselot in bezug auf Rahner bislang nicht grnügend analysiert worden Aus diesem Grunde wird auf den Rahner-Seiten der Universitätsbibliothek Fieihurg unter der Rubrik ,Quellen' ciiic digitale Edition des Intellectualisine publiziert: http://~iwwub.uiii-fieibuig.de/l.elerate/O4/ rahner/rahnerma.htm. 45 Ph6nomenologie pure, ou philosophie de i'actian?, in: J. Marechal, Melanges, Bd. 1 (Briisrel/ Paris 1950) 181-206. Ir Abgedruckt: ebd., 338-352.

26

Page 13: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Rahner und Blondel

\\'irklichkeit erreicht. Blondel sieht seine Philosophie so nicht als Ergänzung der Husserlschen sondern als weiterreichend und tiefergehend an". Nur die .,methode conrete" kann zeigen, daß .en fait nul esprit cr66 ne saurait ni se passer d'une tendance conghitale .i chercher, 2 desirer, 2 poursuivre Dieu, ni capter naturelle- ment ce terme absolument transcendant 2 toute intelligence, 2 toute volonte, 3 toute fruition de la creature". Wenn sich damit „Une vocation gratuite, mais po- sitive et imperative de Dieu" verbindet, entsteht eine Verpflichtung und wird die Öffnung für die Ordnung der Offenbarung vorbereitet.

Vermutlich hätte Marechal auch in einem weiteren Antwortbrief diese Klar- Stellung nicht als grundlegenden Einwand seiner Darstellung genommen. Auch er versucht ja - freilich in einer anderen Sprache und Tradition -, eine solche konkrete Reflexion durchzuführen. Und jedenfalls aus seiner Sicht bleiben Blon- delsche Einsichten für ihn positiv bestimmend.

In einem anderen Text interpretiert Marechal Blondels Ausführungen zur „Phi- losophie catholique" von 1932". lnteressanterweise macht er gleich mit einem Zitat von Victor Delbos darauf aufmerksam, daß diese Thematik schon für die Action (1893) grundlegend ist, die eine nicht akzidentell und nicht aus Vorurteil sondern aus ihrer Natur her religiöse Philosophie aufbauen wollte. Für Marechal ist das in seiner Sprache eine Philosophie des desiderium naturafe'g und er stützt sich dafür auf Thomas (S.C.G. 111). Allerdings sieht er ein Plus bei Blonde1 gegen- über den thonianischen Analysen darin, da Blondel zeige, dieses desiderium sei die „condition intrinseque necessaire de toute notre activite intellectuelle, de telle sor- te que le nier revienne .3 nier l'iiitelligence meme, en supprimant .3 la racine la possibiilite du connaitre et du vouloir" ~ was übrigens Rousselot durchaus als thomanisch angesehen hat.

Auch wenn Marechal in seinem Cahier V, das für Rahner bestimmend wurde, keine Blondel-Exegese vorlegt, bleibt dieser Denker doch ein wichtiger Hinter- grund für Mareclial.

3. Rahner und die nouvelle theologie

Da die noirvelle theologie vor allem im Jesuitenorden ihre Heimat hat50 aber eben- so auch einige ihrer Hauptgegner! - war eine direkte Kenntnisnahme nicht allzu fernliegend. Dazu kommt, daß Hans Urs von Balthasar ein direkter Vermittler war. Er hatte seit 1933 in Lyon iin Umkreis Henri de Lubacs und unter seinem maß-

Ebd., 352. Letrres sui le problerne du teinpr chez saint Augustin et zur le p rob lhe dc la pliilosophie

catholique, i n ebd., 261-269. 49 Ebd., 266.

Den Dominikanerzweig (Chenu. Coiigar) muß man noch hinzunehmen.

21

Page 14: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

~~ - - . , .- ~.

zi&-?rn Einfluß studiert". Schließlich hat Rahner aber die Originalschriften - oenze r iesagt: die Werke Henri de Lubacs ~ früh zur Kenntnis genommen und reils auch rezensierts'. Nun ist leicht nachzuweisen, daR zumindest bei dem Hauprautor der nouvelle thedogie aus der Sicht Rahners, Henri de Lubac, die blon- delsche Philosophie eine Art formalen Aprioris darstellt, unter dem er seine Unter- suchungen zur Natur-Gnaden-Thematil~ unternommen hat. Diese spiegelt sich im Briefwechsel beider, den Antonio Russo ausgewertet hats3. Aber auch Veröffent- lichungen aus der Zeit um den beginnenden Streit um die nouvelle thiologie sind aufschlußreich, etwa der vermutlich von Robert Scherer stammende Bericht über die Gründung der Amis de Maurice Blondel, der die Bedeutung Blondels für die Theologie und insbesondere für die neueren Diskussionen der Gnadenlehre her- vorhebt" oder auch Hugo Rahners Ubersicht über die Diskussion zur nouvelle thiologie, die die Attacken von R. Garrigou-Lagrange referiert, der Blondel als Hin- tergrund der neuen Bewegung sahs5. Für einen Theologen, der in der Sachdiskus- sion eine wesentliche Rolle spielte, muRten diese Zusammenhänge klar sein, auch wenn er nicht z u den intensiven Blondel-Lesern gehörte.

Für Rahner ist dazu die an theologischen Themen sachorientierte Historio- graphie de Lubacs ein Muster, das er ausdrücklich lobt".

Etwas schwieriger ist die Lage hinsichtlich der öffentlichen Auseinanderset- zung um de Lubacs Theologie. Dieser hat Rahners einschlägige Stellungnahme keineswegs als wohlwollend oder hilfreich angesehen. Es liaiidelt sich uni Rahners ,,Antwort" auf einen Artikel des ,,Anonymus D „Ein Weg zur Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Gnade" in der Orientierung5'. Bei den Darstellungeii dieser Auseinandersetzung wird im allgemeinen vergessen, wie Rahner selbst seine Darlegung versteht. Seinen Part sieht er als eine Stellungnahme „aus Sicht der Schultheologie"58. Nun bedeutet das sicher nicht ein Zurückstellen der eigenen

Page 15: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Rahner und Blonde1

lleinung. aher Rahner verstand sich eindeutig als ein Vertreter dieser Fachtraditi- on und ha t bei aller Innovationskraft seine Positionen immer an ihrem .Gerippe' abgearbeitet". Entsprechend ernFt nimmt er auch die Klarstellungen der En- zyklika Hiimonigeneris zu dem Komplex. Sie sind eben nicht eine weitere Schul- meinung, obwohl er sich in der genaueren Interpretation der Enzyklika nicht vorschnell hat festlegen lassen und deren Aussagen -wieder im Rahmen schul- theologischer Methodik - genau qualifiziert hat (z. B. später zum Monogenis- mus)60. Henri de Lubac sah das mit einer gewissen Verbitterung: „Es erschien sogar

~ in friedlicherer Manier als viele andere ~ ein Beitrag von Kar1 Rahner, der einen deutschen Aufsatz kritisierte, der nicht von mir stammte und von dessen Existenz ich nicht einmal wußte. Was Rahner mir entgegenhielt oder vielmehr glaubte, mir entgegenhalten zu müssen, entsprach im übrigen dem, was ich selber dachte, ab- gesehen von der Beimischung Heideggerschen Vokabulars, das mir in einer Studie über die scholastische Tradition weder nötig noch opportun erschien"". Wenn man die kleine Spitze übersieht und auch nicht ganz so sicher ist, ob die Positio- nen wirklich völlig identisch sind, so hat doch Rahner ausdrücklicli die Überwin- dung des Extrinsezismus in der Gnadenlelire und den Ansatz beim konkreten Menschen statt bei einer reinen Natur - also die Blondelianismen, die der Diskus- sion zugrundeliegen - befürwortet. Sein - inzwischen wieder vieldiskutierter ~

I<ompromiRvorschlag („übernatürliches Existential") sucht zwischen dem als be- rechtigt anerkannten Ansatz und den Differenzierungen der Schultlieologie um

14 (1950) 141-145: ,.Der Vrrfasser dieses kurzen Aufsatzes ist gcbeten worden, vom Standpunkt der ,nachtridentinischen Siliultheologie' Stellung LU nrhmen zu dem Aufsatz von D. über die Paradoxie dcr Übernatur, in dem D. kurz und klar die Auffassung (H. de Lubacr und anderer) moderner Theologen über das Verhältnis von Natur und Gnade darlegt." (ebd., 141) Die erweiter- te Fassung unter dem Titrl „Über das Verhältnis von Natur und Gnade" in: K. Ralinei; Schriften zur Theologie, Bd. 1 (Einsiedeln 1954) 323-345 enthält diesen interpretatorisch wichtigen Hin- weis nicht mehr.

Als persöiilich erlebte Anekdote: Die Einfügung der Artikels über die Heilig? Schrift in den Grundkurs -in den Voilesungsfassungeii fehlt er - hat Rahner diktiert, nicht nacli Einsicht in die eigenen einschlägigen Arbeiten (die hat er gleich zur Seite gelegt), sondern nachdem er sich noch einmal den thematischen Rahmen in der Sacrae theologiae Summa der spanirrlien Jeruitenpiofes- soren angesehen hat.

Zu Rahners Sicht dci Methodologie der Theologie in dieser Zeit sei nur hingewiesen auf seinen Vortrag Zur Tli~ologie des Todes, in: Ühcr den Tod (Hamburg 1949) (=Synopsis: Studien aus Medizin und Naturwissenschaft 3) 87-1 12. hier 8 8 „ D u katholische Theologe geht bei seiiicn Überlegungen aus von den Lehren der Kirche. wie diese durch das kirchliche Lehramt in dessen ordentlicher oder auBerordentlicher Verkündigung als Inhalt der Offenbarung in Schrift und Überlieferung dem Theologen vorggelegt werden. Diese kirchenamtliche Lehre ist dem Theologen, wenn er sie einmal festgestellt hat (was natürlicli fur ihn auch eine wesentliche und je nach dem Fall aucli rcliwierige Aufgabe ist), eine einfachhin hinzunehmende, eindeutige Voraussetzung sei- ner weiteren Arbeit; ähnlich ungefähr wie für den theorctischen Physiker das Ergebnis der Enpr- riments. ist für den Theoloern die kirclieiiaintliche Lehre eine Tatsache. von der aus er weiter , " naclidenkt, nicht eine Meinung, Übcr die er disputiert." 61 H. de Lubac, Meine Schriften im Rückblick [ F r e i h u r ~ / E i n d c l n 1996) (= Theologia Romanica 21) 191.

29

Page 16: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

.. . - . 1 .- - . - ~ . ~~~

ti-. L--ndx!lderheit der Gnade L U vermitteln. Das ist hie c2 c: c!e Paral!elität seiner Position zu der Blondels sel sei noch envähnt6'.

. " .. r nicht zu verfolgen, aber bst wahrgenommen hat,

4. Blondellektiire Rahners

DaR die von Rahner bevorzugte neuere französische Jesuitenphilosophie und -theologie vieles dem Blondelschen Werk verdankt, dürfte unstrittig sein. Das er- gibt ein Klima, das Rahnersches Denken immer wieder mit Blondelschem Gedan- kengut in Zusammenhang brachte, wenn auch nicht mit seinen Texten selbst. Wenn man die Parallelen zwischen Blondelschem und Rahnerschem Gedankengut wie die Differenzen zwischen dem Umkreis Blondels und der Rahnerschen „Schul- theologie" sieht, so sollte man trotz der anfangs zitierten Selbstaussagen nochmals nach direkten Bezügen fragen. Im Rahmen der Arbeit an den Sämtlichen Werken Kar1 Rahners stieß ich auf eine Archivalie, die doch einen eindeutigen Beleg für eine direkte Rahner-Lektüre Blondels gibt. Es ist die Liste ,,Bücher für Juniorats- zwecke gelesen" bzw. „Gelesene Bücher Tisis/Vall<enburg" (KRA IVA 150)63. In ihr taucht unter der Jahresaiigalie 1932/33 und der Verfasserangabe von Frederic Le- fevre L'itineraire de M. BlondeP auf. Der Blondel-J<enner weiß, daß diese Einfüh- rung in das Denken Blondel hohe Authentizität beanspruchen kann (Rahner frei- lich wußte bei der Lektüre nicht, daß er eigentlich originalen Blondel las).

Zwei Nummern später findet sich in der gleichen Liste Maul-ice Blondels Le problhe de la philosophie catholiqueG5. Das Werk enthält bekanntlich große Aus- züge aus der berühmten Lettre Blondels von 1896 und ist zudem Bestandteil der großen Diskussion um das Problem der christlichen Philosophie, die - ausgelöst von Henri Brehier und Etienne Gilson ~ damals in Frankreich geführt wurdeG6.

Die beiden Titel sind für eine Einordnung Blondels durchaus wichtig. Man muß schließlich davon ausgehen, daß zur Zeit als Rahner seine prägenden Ein- flüsse im Theologiestudium empfing, Blondels Werke schwer greifbar waren. L'Ac- tion war schon lange vergriffen, die Lettre, Histoire et d o p e und die übrigen phi- losophischen Aufsätze waren nicht ganz leicht zusammenzustellen6'. Viele theologische gewichtige Arbeiten vom ihm lagen zudem nur unter Pseudonymen

,,Man vergleiche auch dar Zitat von Bloiidel bei Malevez [NRTIi 75 (1953) 6791. das in dieselbe Richtung weist". K. Rahner, Uber das Verhältnis von Natur und Gnade, in: ders.. Schriften zur Theologie, Bd. 1 (Einsiedeln 1954) 323-345, hier 323.

8* Paris 1928,283 S. Wir zitieren nach der Neuausgabe Paris 1966. 65 Paris 1932,224 S.

Als Übersicht vgl. M. Nedoncdle. Eniste-t-il unephilorophie chretienne? Nouv. 6d. (Paris 1961) bes. 67ff.: Autaur du &bat de 1931. 67 Man kann sich das deutlich machen anhand von R. Vireoulav I C. Troisfontaines. Maurice Rlon-

Vgl. aber schon den Hinweis von K. H. Neufeld, Die Biiider Rahner (Reiburg 1994) 100.

Y " /

del: Bibliographie analytique et critique, Bd. 1 (Louvaiii/Peeters, 1975). Eine ziemlich uinfassende

30

Page 17: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

Rahner und Blondel

oder Decknamen vor. Eisentlich legt Blondel erst mit dem Itinthire erstmals wie- der eine Arbeit vor, die seine Intention als ganze darstellt - wenn auch in einer iVeise, die manche Kühnheiten der frühen Phase vorsichtiger wiedergibt. Der Text ist authentischer Blondel, wie das Autograph zeigt; der erblindende Blondel konnte damals wenigstens noch mit einem Auge lesen (die späten Werke des erblindeten Philosophen sind diktiert). Das kleine Werk skizziert sehr deutlich die Absicht Blondels, keinen Konkordismus zu leisten, auch keine Apologetik zu schreiben, sondern eine genuine Interpretation der „philosophischen Ansprüche des Chri- stentums", wie Robert Scherer ein später veröffentlichtes Werk betitelt hat. Die Gründung in christlicher Spiritualität („La lecture de saint Bernard et l a pratique du Nouveau Testament . . .", S. 20) dürfte Rahner auch nicht fremd gewesen sein, Die relativ breite Information über die geistige Landschaft in Frankreich lag seinen Interessen ebenfalls nicht fern. Anderseits ist der Band natürlich ein ,populäres' Werk und keine strikt philosophische Darlegung. So ist es kein Wunder, daß man keine direkten Zitate und Verwertungen bei Rahner finden Iwin.

Mit Le problerne de In philosophie catholique nimmt Blondel zum einen seine fnihe Lettre in kommentierter Form wieder auf, die auf die Auseinandersetzungen der Modernismuszeit reagiert. Sodann enthält das Werk die Artikel über das apo- logetische Werk des Kardinal Dechamps. die Blonde1 1906-1907 unter dem Na- men von Francis Mallet veröffentlicht hatte68. Der Sclilußteil gilt der schon ange- sprochenen aktuellen Diskussion tun die christliche Philosophie in Frankreich. Etienne Gilson hatte eine strikte Trennung (Ja distinction formelle de l'ordre phi- losophique et de I'ordre chretien", S. 129) der Bereiche gefordert und dementspre- chend die phiiosophie chr6tieniie als .,hybridation" (so Blondels Zusammenfassung) qualifiziert. Die Diskussion über Augustiiius und den ,Augustiiiismus' und den Einspruch Blondels brauclieii wir hier nicht ZU verfolgen6*, ehensowenig die Radi- Idisierung der These durch Emile Brehier. Wichtig ist aber, daß Blondel gegen die

Bihliographie Blondels hatte erstllials H. Dumery, La philoropliie de Pactian: Essai SLK htellec- tiialisiiie blond6lien (Paris 1948) 177-220 vorgelegt.

Das Problem der Pseudonyme und Declinamen Bloiidels ist relativ komplex. Unter dem Namen von Francis Mallet (1849-1925) veröffeiitlichte Blonde1 vor allcin eine Reihe theologisch inter- essanter Trxte. I9 Bloiidcl bedauert, daR sein Aufsatz „Le qu inz ihe centenaire de la mort de saint Aiigustin: L'unite originalc ct la vie permanente de ra doctrine philosophique" nicht headitet wurde (jetzt in M. Blondel, Dialogues avec les philorophes, Paris 1966, 143-191). Als Freihiirger freut man sich, daR dies nicht ffir Heidegger gegolten haben soll, der - laut Blondels Gewährsmann Eriiesto Grassi - die Aiigurtiiiiir-Interpretatioli Blondrls geschätzt habe. Bei der grundlegenden Bedeutung und intensiven Verarbeitung Augustins durch Heidegger ist dar nicht unbedeutend. Vgl. dazu Friedrich-Wilhelm von Herrmanns schönen Festvortrag zuin Augustinusseminar 2002 irn Kloster Weltenbuig ,Gottsuche und Selhstauslegung: Das 10. Buch der Confessiones des heiligen Augu- stinus im Horizont von Heideggrrs hermeneutischer Phänomenologie des laktischen Lehens." Jetzt i n Studia Pharnomenologica 1 (2001) 201-219, sowie auch ders.: Die „Confessiones" des Heiligen Augustinus im Denken Heideggers, in: Heidegger e i medicvali: Atti del Colloquio inter- naionale Cassiiio 10/13 maggio 2000, a cura di Costantino Esposito (Turnlxwt 2001) (= Quaestio ij2001) 113-146.

31

Page 18: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

~ . -~ . ~- _.-_. .~ ~ .~~

I.~_.~-.- -...c.:ox der zeschichtlich nun einmal gegebenen .christlichen Philoso- ?!js:- Czch Gilson mit dem Hinweis protestiert. die bloße Übernahme christli- c-e: Konrepre - wie auch immer sie dann in die Philosophie kommen - denatu- riere das Christentum, da sie diese eben gerade nicht in ihrer Intention bewahre 'SOUS la forme d'exigences suriiaturelles", S. 134). Der methodische Grundein- wand ist der hier vorausgesetzte Konzeptualismus. Aber auch auf dem histori- schen Feld setzt sich Blondel von Gilson (und Brehier) ab. Und dies gilt auch für Thomas, indem er sich auf das dritte Buch der Summa Contra gentiles und die Inter- pretation des desideriurn von G y de Broglie s t ü t ~ t ' ~ . Wir sind hier wieder bei dem Thema, das auch Marechal mit Blondel bei allen Differenzierungen teilt. Hörer des Wortes wird sich in diese Tradition stellen, wie oben zitiert. Mit Rousselot, Mare- chal, Blondel gibt es dafür verschiedene Quellen, die Rahner wahrgenommen hat. Daß er auch hier eine vorsichtigere Vermittlung mit den Daten der Schultheologie versucht, entspricht seinem Vorgehen in anderen Fragen.

5. Abhängigkeit und Eigenständigkeit - Nähe und Differenz

Wenn man nun rückwärts nochinals das Mosaik durchgeht, so wird inan nur schwer beurteilen können, was im Denken Rahners Blondel geschuldet bleibt. Denn anders als bei Rousselot, Marechal, Tliomas, den wesentlichen von ihm stu- dierten Kirchenvätern oder etwa den Referenzwerken der Schultheologie gibt es keine „nur" aus dieser Quelle belegbare Thematik ~ vielleicht mit Ausnahme der Ausführungen zur christlichen Philosophie, die aber auch in ihrer Durchführung mit anderen Einflüssen zusammengeht.

Allerdings kann man auch bei diesen direkten Quellen nie sagen, daß die Position Rahners eine einfache Übernahme sei: Rousselots Geistmetaphysik ist „geerdet", Mareclials Transzendentalphilosophie durch Heidegger gefiltert", die Thomas-Aneigung geschieht im Kontext modernen Denkens, später ist die nouvelle thiologie den begrifflichen Anforderungen der Schultheologie ausgesetzt und init ihnen verinittelt worden.

Dennoch ist ohne Blondel die thematische Entwicldung bei Rahner nicht leicht vorstellbar. Die Linien Rousselot-Marechal und nouvelle theologie haben zu viele Blondelsclie Implil<ate. Und die direkte Blondel-Lektüre wie die indirekte Verrnitt- lung (über Warnach, Scherer etc.) bringen doch genügend an Kenntnisseii des Blondelscheii Ansatzes mit, die bei seinem eigenständigen Reflektieren über die Sachprobleiiiatiken mitgespielt haben dürften.

Daneben wird man aber sicher davon auszugehen haben, daß diese eigenstäii- dige Reflexion bei einer Parallelität des Ansatzes und der Absichten eben auch zu

70 Vgl. 146 mit Verweis auf andere Arbeiten. 11 In SW (A. 3) 2, 373-406 I b n man den [rühm Text zu Marechal hierzu vergleichen

32

Page 19: RAFFELT, .RahnerUndBlondel

r(ainer und Blondel

ch in gutem Sinne ge- tls ist bei Rahner viel- Iptik Rahner die kom-

nick, er ,konnte [ . . . I en und unmittelbaren Historiker wohl sagen zuordenbare Einfluß

trang der Erneuerung Rahner einer der gro-

. . . . .-- .__?” Lorinoen ge5i.iri hat. Der h h n e ~ iielleicht au’

{ac? Curch schuliheolocjsche Vorgaben gebremst, in deren ( ?levn Probleme bedenkt.

Gehen wir noch einmal auf Rahnen Selbstaussage zu nicht sagen. daß Blondel auf ihn irgendeinen großen, direkt Einfluß ausübte, dessen er sich bewußt wäre”z, so wird der müssen, daß der von Rahner selbst namentlich nicht mehr dennoch erheblich war. Blondel gehört wesentlich in den S katholischer Theologie im letzten Jahrhundert, für die Kar1 Ren Gestalten war.

~ = ” . . ~ _,... -er den r5eo:ogschen Frajen -naive- - Ansatz Blond1

l2 Vgl. Kar1 Rahner: Irn Gespräch (A. 5) 33.

33