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STEQER u. STAIILBERG, RanfAN- und Infrarotspektren der Phosphornitridhalogenide 243 RAMAH- und Infrarotspektren der trimeren und tetrsmeren Phosphornitridhalogenide Von R. STEGER und R. STAHLBERG Mit 3 Abbildungen Inhaltsiibersicht Ramx-Spektren einschlieRIich von Polarisationsmessungen und Infrarotspektren wurden yon P3N3C16, P,N,Br8, P,N,F,, P,N,Cl,, P4NJ3r8 und P4N4F, aiifgenommen. Fruhere Beobachtungen und Zuordnungen fur die Chloride und Fluoride werden korrigiert. Jede Molekel zeigt die hochste mogliche Symmetrie mit ebener Konfiguration und gleiehen Bindungen im PN-Ring. Soweit die spektralen VerLnderungen beim Ubergang zu den Kri- stalI-Modifikationen verstandlich sind, sprechen sie fur die gegebenen Zuordnungen. Summary RAXAN spectra including polarization measurements and infrared spectra mere taken from P,N,CI,, P,N,Br6, P,N,F,, P4N4C18, P,N,Br,, and P4N4F8.Former observations and assignments for the chlorides and fluorides are corrected. Each molecule shows the highest possible symmetry with planar configuration and equal bonds within its PN ring. Die Phosphornitridhalogenide und &re Derivate, die vorteilhafter als ,,Phosphazene" 1) zu benennen sind, finden gegenwartig grol3e Aufnierksam- keit. Das bezeugen besonders die ihnen gewidmeten zusammenfassenden Auf- satzel-5). Spektroskopische Untersuchungen sind bei den Forschungen auf diesem Gebiet wichtig, weil sehr leicht trimere und tetramere Ringe an Irkfra- rotabsoi-ptionen bei w 1200 cm-l bzw. m 1300 em-1 unterschieden werden konnen (soweit es sich nicht urn Fluorverbindungen handelt, wo jede dieser Frequenzen w 100 em-l hoher liegt). Weitere Erfolge - wie etwa Identifi- zierung von Isomeren bei Substitutionen oder unwidersprochene Bussagen -~ 1) R. A. SEAW, B. W. FITZSIMMONS u. B. C. SMITE, Chem. Rev. 63, 247 (1963). *) N. L. PADDOCK u. H. T. SEARLE, Academi Press (New York) 1, 347 (1959). 3, N. L. PADDOCK, Endeavour 19, 134 (1960). 4) J. A. GRIBOVA u. U. BAN-JUAN, Ycnexm XHYHM [Fortschr. Chem.] (Moskau) 30, 6) J. R. VAJ WAZER, Interse. Publishers (Kew York) 1, 309 (1958). 3 (1961). 16*

RAMAN- und Infrarotspektren der trimeren und tetrameren Phosphornitridhalogenide

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STEQER u. STAIILBERG, RanfAN- und Infrarotspektren der Phosphornitridhalogenide 243

RAMAH- und Infrarotspektren der trimeren und tetrsmeren Phosphornitridhalogenide

Von R. STEGER und R. STAHLBERG

Mit 3 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Ramx-Spektren einschlieRIich von Polarisationsmessungen und Infrarotspektren

wurden yon P3N3C16, P,N,Br8, P,N,F,, P,N,Cl,, P4NJ3r8 und P4N4F, aiifgenommen. Fruhere Beobachtungen und Zuordnungen fur die Chloride und Fluoride werden korrigiert. Jede Molekel zeigt die hochste mogliche Symmetrie mit ebener Konfiguration und gleiehen Bindungen im PN-Ring. Soweit die spektralen VerLnderungen beim Ubergang zu den Kri- stalI-Modifikationen verstandlich sind, sprechen sie fur die gegebenen Zuordnungen.

Summary RAXAN spectra including polarization measurements and infrared spectra mere taken

from P,N,CI,, P,N,Br6, P,N,F,, P4N4C18, P,N,Br,, and P4N4F8. Former observations and assignments for the chlorides and fluorides are corrected. Each molecule shows the highest possible symmetry with planar configuration and equal bonds within its PN ring.

Die Phosphornitridhalogenide und &re Derivate, die vorteilhafter als ,,Phosphazene" 1) zu benennen sind, finden gegenwartig grol3e Aufnierksam- keit. Das bezeugen besonders die ihnen gewidmeten zusammenfassenden Auf- satzel-5). Spektroskopische Untersuchungen sind bei den Forschungen auf diesem Gebiet wichtig, weil sehr leicht trimere und tetramere Ringe an Irkfra- rotabsoi-ptionen bei w 1200 cm-l bzw. m 1300 em-1 unterschieden werden konnen (soweit es sich nicht urn Fluorverbindungen handelt, wo jede dieser Frequenzen w 100 em-l hoher liegt). Weitere Erfolge - wie etwa Identifi- zierung von Isomeren bei Substitutionen oder unwidersprochene Bussagen -~

1) R. A. SEAW, B. W. FITZSIMMONS u. B. C. SMITE, Chem. Rev. 63, 247 (1963). *) N. L. PADDOCK u. H. T. SEARLE, Academi Press (New York) 1, 347 (1959). 3, N. L. PADDOCK, Endeavour 19, 134 (1960). 4) J. A. GRIBOVA u. U. BAN-JUAN, Ycnexm XHYHM [Fortschr. Chem.] (Moskau) 30,

6 ) J. R. VAJ WAZER, Interse. Publishers (Kew York) 1, 309 (1958). 3 (1961).

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24-2 Zeitschrift Iiir anorganische und allgenieine Chemie. Band 326. 1964

uber Struktur und BindungsverhWtnisse - Bind bisher nicht eingetreten, weil die Kenntnis uber die Grundkorper P,N,X, und P4N4X8 mit X = F, C1, Br trote einer R'eihe von Arbeiten noch nicht ausreichend war.

Ton den Bromverbindungen waren nur die starksten Infrarotfrequenzen in Zusammen- hang mit der praparat,iven Darstellung beschrieben wordena). Das Ra3im-Spektrum von trimeren Phosphornitridchlorid wurde aufgenommen von MAGAT, DE FICQUELMONT und O C H S ~ ) , spater wieder - zugleich mit dem Infrarotspektrum und den Spektren der tetra- meren Verbindung - von DAASCH~) sowie von CHAYMAK und P A D D O C K S ) . Trotzdem be- standen noch Unklarheiten uber die Zugehijrigkeit einzelner Linieri zum RhiwaN-Spektrum und ihren Polarisationszustand. Es sei auf jene Linic hingewiesen, die MAGAT und Mit- arbeiter mit etma 100 cm-l, sehr stark, polarisicrt angeben. Hier sind diese Rutoren gewil3 durch einen Reflex im Spektrographen getauecht worden. Eine Publika,tion10) aus dem gleichen Laboratoriuni fuhrt die gleiche Linie fur PCI, an, sie ist in diesem Fall von SIE- BERT^^) angezweifelt nnd von WILNSHURST und BCRNS'PEIX12) nicht gefunden worden. Bestatigt werden kann aber auch nicht eine ahnliche Frequenz nach CHAPMAN und PAD- DOCK ". Bei den Phosphornitridfluoriden erhielten diese vollstindigere RAXm-spektren als BECHER und S E R T , ~ ~ ) , aber unsere Beobachtungen und Deutungen sind in u-icht.igen Einzelheiten andem. Der Fortschritt einer fur P3N3C1, von CALIFANO und RIPAMOKTI la)

neu get,roffenen Zuordnung liegt in der Zuschreibung klcirierer Wellenzahlen als bisher zu den PCI-Schwingungen.

Was die Auslegung der Spekhren hinsichtrlicli 3folekulsymmetrie und Bindungszustand betrifft,, so sind bisher nur Strukturen mit vollstandigem mesomeren Kindungsausgleich innerhalb der P-N-Ringe beriicksichtigt worden.

Diese Voraussetzung darf aber nicht a priori getroffen werden; sie wird anlLWlich einer erneuten Cntersnchung la) der UV-Absorptionsspektren in Frage gestellt. Unvollstaadiger Bindungsausgleich in einem trimcren ebenen R,ing bedeutet Symmetrie Cab. Diese wurde sich von D3h jm Infrarotspekt.rum nur durcli eine zusatzliche aktive r-Schwingung der PX,- Gruppen unterscheiden. Tm R a ~ ~ ~ - S p e k t r u m kommen bei CSh w PX, und eine t,, PNP- Ringfrequenz zu den sonst 4 totalsymmetrischen Schwingungen hinzu. Bei vaS PNP kann man sich leicht veranschaulichen (Bbb. l), wie diese in dern MaBe schwach oder starker streufahig wird, in dein der Zustand der henachbarten PK-Bindungen sich von der Gleichheit

6, K. JOHN u. TH. NOELLER, J. inorg. nucl. Chem. 22, 199 (l!KI). 7) A. M. DE FICQUELMONT, M. MAGAT u. L. OCHS, C. R. hebd. Seances Acad. Sci.

8, L. 1%'. DAASCIT, J. Amer. chem. SOC. 76, 3403 (1954). 9) A. C. CHAPMAX u. iS. L. PADDOCK. J. chem. Soc. [London) 635 (1962).

Jc) H. MOUREU, N. HAGAT 11. G . WETROFF, C. R. hebd. S6ances Acad. Sci. (Paris)

11) H. SIEBERT, Z. anorg. allg. Chem. 265, 303 (1951). 12) J. WILMSHUHST u. H. BERNSTEIX, J. chem. Physics d i , G61 (1957). 13) H. J. BECHER u. F. QEEL, Z. anorg. allg. Chem. %Ob, 148 (1960). 14) S. CALIFAXO 11. A. RIPAMONTI, J. inorg. nucl. Chem. 24, 491 (1962); S. CALIFANO,

15) B. LAKATOS, A. HESS, S. HOLLY u. G. HORVATH, Naturwissenschaften 49, 493

(Paris) 908, 1900 (1939).

20.5, 276 (1937).

J. jnorg. nucl. Chem. la , 483 (1962).

(1962).

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STEGER 11. STAWJ~RERG, R,AMAN- und Infrarotspektren der Phosphornitridhalogenide 245

der Polarisierbarkeitseigensclmften entfernt. Der gegenwartigc Stand der KaxAa-Inten- sitatsmessungen und der Bindungspolarisierbarkeits-Theorien gestattet keine quantitative Angahe, wie groR die Bindungsunterschiede sein muaten, damit vaS PNP (a') zur Beob- achtung kommen kann, und u ir rilumcn deshalb von rornherein

gleich in den Ringen der Beobachtung in den Schwingungs- spektren entgehen konnte. Vorweggenommen sei, daR unsere Untcrsuchungen keinen Hinweis auf iinterschiedliche PN-Din- dungsgrade ergcbcn.

ein, del3 eine gewisse Bbweichung vom vollstandigen Valenzaus- P 2, \ Wir nahmen von P,N,X, und P4N4XB mit X = F,

C1, Br die Infrarotspektren in1 Bereich von 400 em-l bis 4000 cm-1 rnit dem Infrarot-Spektralphotometer UR 10 aus Jena an Losungen in CS, und CCl, und an den festen Substanzen auf. Bei P3N3F6 und P4N4F, konnte dazu die KBr-PreBtechnik wegen der niedrigen Schmelzpunkte nicht angewendet werden, wir unter- suchten deshalb rnit einer Kiihlkiivette 16) diese Substanzen im kristallinen Zustand zwischen KBr-Scheiben.

RAniAN-Spektren erhielten wir von Losungen der Verbindungen P,K,Cl6, P,N,Br, und P,N,Cl, in CS,, CC1, und Benzol und im festen Zustandl7)l5). Da 1',N4Br8 in den genannten Liisungsmitteln nur sehr wenig loslich ist,liegen davon nur Spektren der festen Substanz Tor; die Fluoride wurtlen als Schmelzen, P4N4F8 auch in CCl, gelost untersucht. Bei Schmelzaufnahmen von Y,N,CI,, P,N,Br, und P,N4F, tritt bei liingerer Belichtungszeit storender Untergrund infolge allmahlicher Zersetzung auf.

Fur die L6sungsspektren und Polarisationsmessungen19) benutzten wir einen Drei- prismenspektrographenZO). Dic Anregung erf'olgte mit Hg e = 4358 a (Monochromatfilter ,,C" von Xeiss Jena). Versuche mit B-Anregung uaren teilweisc erfolgreirh. Bei s&mtlichen Losungs- und z. T. aucli den Schmelzaufnahmen wurde zusatzlich mit gessttigter KN0,- Losung gefiltert

Die Ermittlung der Depolarisationsgradc crfolgtc mit der Kalkspatenordnung nach HANLE 21) unter Aiifnahme von Sch~~~vjrzungsstufenlS). Ein Lamellensysteni zur Parallalisie- rung des Lichtes untertlruckte den Konvergenzfehler, (Wir messen an CCI, 4.1 '9 em-1

Die Phosphornitridchloride waren nach SCHEUCK und R U M E R ~ ~ ) dargestellt worden (Schmelzpunkte 112,5"C bzw. 123,5 "C). Bei der Geninnung von P,N3Br6 und P4N,Brg6) 23) 24)

Abb. 1. Zur Intensitat ITon a;-Ringschmin- gungen nach der Bin-

dungspolarisierbar- kcitstheorie

y = 0J.)

16) G. HEINTZ 11. K. STOPPERKI, Z. Chem. I, 282 (1962). '7) A. SIMON, H. KRIEGSMANN 11. E. STEGER, Z. physik. Chem. 505, 181 (1956). I* ) G . HEINTZ u. A. SIMOX, Z. physik. Chem. '216, 67 (1961). Is) A. 1%'. REmz, Z. physik. Chem. Abt. B 33, 368 (1936). * ) H. SCHELLER, Jenaer Rundschau 3, 7 (1988). *') W. HABNLE, Z. Instrumentenk. 51, 488 (1931). z2) R . SCHENCH u. G. ROMER, Ber. dtsch. chem. Ges. 57, 1343 (1924). 23) K. JOHN n. TH. B f o m L E R , J. Amer. chcm. Soc. 85, 2647 (1960). 24) N. E. BEAR u. R. A. SHIW, Chem. and Ind. 11x9 (1960).

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846 Zeitschrift fur anorganische und allgemcine Cheniie. Band 326. 1961

aus PBr,, Br, mid h'H,Br in Tetrachlorathan war die Trennung der Komponenten durch die yon BODE 25) erwahnte Kristallauslese am vorteilhaftesten. (Schmelzpunkte bei 193-194T bzw. 202'C nach TJmkristallisation aus Benzol.) PxK3F6 und P,N,F, stellten n i r nach MOELLER, JOHX und T S A N B ~ ~ ) aus P,N,CI, und P,N4CI, mit NaF in Nitrobenzol unter kata- lytischer Wirlrung WaBriger FluRsaure dar. (Schmelzpunkte 27- 28 "C bzw . 30,6 "C.)

Die MeBergebnisse sind bereits publiziert in einer vorlaufigen Mittei- l u n p ) . Wir werden j etzt unsere Zuordnixngen im einzelnen begrunden und baben dabei besonders auf die erwahnte Veroffentlichung vori CHAPMAN und PADDOCK einzngehen,, die wegen Schwierigkeiten im Zeitschriftenbezug erst zu unserer Kenntnis gelangt war, nachdem wir unsere Mitteilung zum Druck gegeben hatten. Wir besprechen zunachst das trimere Phosphornitridchlorid, weil es am hiufigsten schon bearbeitet worclen ist.

Trimcrm Yhosphornitridehlarid

Fur P,N,CI, bestand vor allem noch die Frage, m-elches die totalsymme- t>rischen Schwingungen seien, deren Zahl bei der hochsten maglichen Sym- metrie D3*, 4 ist. uber die Zugehorigkeit von 786 cm-l, 669 cm-l ixnd 363 cm-1 zu dieser Rasse bestehen keine Zweifel, so da13 es, genauer gesagt, um die 4., bzw. urn weitere polarisierte RAn?rAN-T&ien geht. Uber die Linie bei 100 cm-I vgl. das in der Einleitung Gesagte; selbst CHAPMAN ixnd PAD- D O C K ~ ) scheinen noch von diesem Irrtum beeinflu&, wenn sie eine fragliche Frequenz von 76 cni-I, deren Polarisationszustand sie nicht bestimmten, zur Rasse a; rechnen.

Gegen unsere 4. polarisierte Linie bei 308 cm-l ist die Moglichkeit der f-Anregung ein- zuwenden (e-308 = f-366). Wir erhalten aber diese Linie auch bei Anregung mit Kg k = 4047 A in Schwefelkohlenstofflosung (in Benzollosung ist die Anwesenheit einer Benzol- link nicht sicher auszuschlielm). Unsere Zuordnung der Ringwhwingungen pal3t min- destens ebensogut wie die von CEAPMAN iind PADDOCK gegebene zu der von dipsen berech- neten Frequenzverteilung; besonders dadurch, daB = 880 cm-l (statt = 1295 em-]) v Ring e' ist. Bei der Zuordnung der PCI,-Schwingungcn lieBen wir uns mehr von Ver- gleichsfrequenzen leiten. Kach allen Erfahrungen an einfachen, gut bekannten Molekeln mu13 v,, PCI, bei 484 bis 620 cm-l, v g PCI, bei 429 bis 647 em-', b PCI, bei 170 bis 285 cm-1 liegenZs). Kopplungseffekte scheinen hier noch gewisse uberschreitungen clieser Grenzen zu ermoglichen.

Trimeres Phosyharnitrid~liiorid

Bei P,N,F, messen wir von den 6 polarisierten RAMAN-fiequenzen der englischendutoreri dV = 311. 951 und 1012 cm-l bei 307,950und 1007 cm-1 als depolnlisiert ; die letztere erscheint ja auch im Infrarotspektrum. Zusatz-

25) H. EODE, 2. anorg. allg. Chem. 268, 113 (1943). p6) TH. MOELLRR, K. JOHN u. F. Ts.4xc. Chem. and lnd. 347 (1961). *') R. STEUER u. R. STAHLBRRQ, Z. Naturforsch. 1 7 b, 780 (1962). 26) Im wesentlichen nach LAKD0LT-B6RRSTEINu, Atom- und Molekularphysik, 2. Teil,

Molrkeln I, Springer, Berlin-Gottingen-Heidelberg 1950.

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STXGER u. STAHLBERG, RAMAN- und Infrarotspektren der Phosphornitridhalogenide 247

lich finden wir dafiir eine polarisierte Linie bei 633 em-1 (mittels Hg k und Hg e) und auch weitere, z. T. mit Infrarotabsorptionen koinzidierende Fre- quenzen. Dadurch ergibt sich eine etwas andere Zuordnung.

Es war eine gewisse Willkiir, zivei der yon uns nun depolarisiert gemessenen RAMAN- Frequcnzen als Grundschwingungen auszuscheiden, weil fur die Symmetrie D3,, nur 4 pola- risierte moglich sind. Eher konnte die Diskussion der Symmetrie C,, niit 6 pola.risierten RAaraN-Linien notwendig erscheinen. Jedoch sollte die Frequena von was PKP (sonst a;) iiach der Berechnung oberhalb der entsprechenden entarteten Gchwingung liegen. Auch abges ehen von unserer Berichtigung der Polarisationsangaben waren diese in der Form von CHAP MAX und PADDOCK kein Argument fur eine Struktur mit unausgeglichenen Ringbin- dungen.

I n unscrer vorlaufigcn Mitteilung 27) schrieben wir untcr den Infrarotdaten fur P,N,l?,, Fragezeichen bei w PF, e’ und e PF, a:, wo wir hatten Frequenzen von BECHER und SEEL ubernehmen sollen; 336 cm-1 fur die e’-Schwingung pal3t gut, zu unserem ramanspettro- akopischen Wert von 339 em-l dieser sehr schmachen Linie. Der Erwartung fur D3,, ent- spricht es aieder, da8 m PI?, = 372 cm-l im RAncaN-Spektrum nicht auftritt. Die wirkliche Abwesenheit einer zseiten o PF,, die bei Symmetrie CBh im RAMAN-Spektrum erlaubt ware, ist damit auch ziemlich sicher.

Trirrieres J’hosphoniitridkomid Fur P,N,Br, sind IR-Banden bei 1175 em-l, 1126 ern-%, 526 em-1 und

437 em-1 publiziert worden‘j). Wir messen 10 Frequenzen und im RAMAN- Spektrum 12, davon 3 polarisiert. Die ahnlichkeit mit den Spektren von P,N,Cl, ist besonders bei den urn w 30 cm-I erniedrigten Ringfrequenzen auffallend. Wir schlieaen deshalb wieder auf die Molekiilsymmetrie D3h. Die 4. polarisierte RAMAN-Linie ( 6 PBr, der Rasse a;) wird entweder durch starken Untergrund nahe Hg e oder durch eine Koinzidenz mit einer starken depolarisierten Linie nicht beobachtet.

Die TR-Absorptionen bei 1273 cm-l, 1220 om-l, 1128 cm-l, 545 em-l und die RANAN- Linie bei 1273 c-m-I sind keine Grundschwingungen. Die Frequenz bei 1273 cm-L kann nicht von vag PNP (a’) lierrdhren, weil sie auch in Tnfrarotabsorption auftritt; dies spricht gegen eine Struktur CBh mit unausgcglichenen Ringbindungen. Die weiteren Infrarotabsorptionen aind etm a in folgender Weise crklarbar:

92 (e”) + 447 (e’) = 539 cm-1,

257 (c’) + 856 (e’) = 1313 em-1,

538 (e’) + 764 (a;) = 1292 em-1.

Tetrameres I’hosph~rnitridchlorid Fur P,N4CI, wurde bei Rontgenstrukturanalysen 2g)30) S,-Syrnmetrie und

hei einer 2. Modifikation Cig) gefunden. CHAPIvrAN und PADDOCK nehmen im

?9) J. A. A. KETELAAR u. T. DE VRIES, Rec. Trav. chim. Pays-Bas 68, 1081 (1939). R. HAZEKANF, T. MIGCHELSEN u. A. Vos, Acta crystallop. [Copenhagen] 16, 539

{ 19 63).

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248 Zeitwhrift fur anorgankche und allgemeine Chemie. Band 326. 3 964

Gegensatz zu DAASCH auch in der Losuhg niedere Symmetrien an. Wir mes- sen im IR-Losungsspektrum 7 Absorptionen. \'on den 16 RAMAN-Linien sind 11 depolarisiert, 4 polarisiert, die Frequenz A ; = 220 em-1 ist moglicher- weise durclz Unt,ergrund vorget&mht,. Fur die Symmetrie in Losung miissen wir D4,1 annehmen.

Die IR-Banden bei 789 cm-l und 1400 em-' fiihren wir auf Kombinationsschwingungen zuriick, in diesem Rereich sind bei D,&mmetr ie keine weiteren infrarotaktiren Grund- schwingurigen zu erwarten. Die englischen Autoreng) messen 6 pohrisierte RAMAN-Linien, sie haben aber in den Tabellen die entsprechenden Linien nicht bezeichnet. Unt'erschiedc stellten wir zu den Angaben von DAASCH fest, der A 5 = 582, 512 ( a) , 434 ( ?), 404 und 350 cm-l polarisiert angibt, wahrend wir polarisierte Linien bei 0; = 586, 539, 404 und 352 em-l messen, also auch A ; = 586 cm-l ist (mit Q = 0,55) polarisiert. Dcr relativ groSe Wert kommt mnglicherweise durch eine Uberlagerung mit v,, PC1, (eg) zustande; bei P3N3CI, hattcn n ir dieser Schwingung die Frequenz hei 577 em-l (dp) zugeordnet.

Die yon CHAPMAN und PADDOCK getroffene Festlegung der pas PC1, bei 890 em-l auf Grund der Infra,rot-Polarisationsmessungen beruht auf einer unrichtigen Interpretat,ion. Es sind keine Vergleiche miiglich, die diese Zuordnung sichern konnten.

Tetrameres Phosphornitridbromid Bei P4N4Br8 ist uns die Ahnlichkeit des IR-Spektrunis mit dern von

P,N4C1, eine starke Stiitze fur die Annahme der Molekiilsymmetrie D,,,. Wie bei P,N,Br, finden wir gegenuber dem Chlorid einerseits grofiere Bandenver- schiebungen, die auf den1 Substituentenwechsel zuruckzufiihren sind, ander- seits die Ringfrequenzen, die nur m YO em-1 tiefer liegen.

Leider liegt a n ramanspektroskopischen Ergebnissen nur ein Spektrum der festen Substariz vor. Fur diese nimmt BODE auf Grund einer Rontgenstrukturuntersuchung Sym- metric S, fur die Molekel an. Danach waren im RAnirAN-Effekt alle 32 Grnndschwingungcn erlaubt. Weil man annehmen darf, da13 die 1 4 beobachteten Frequenzen als die starkeren etwa cliejenigen sind, die bei der freien Molekel in Losung das Spektrum ausmachen, wurden sie in Abb. 2 mit verwendet. Fur die Deutung bleiben gewisse Unsirherheiten. Umstellungen kiinnten fur die RanfAx-Thim bei 262 em-', 242 em-', 144 cm-1 und 162 em-' notwendig sein. Die Linien bei 682 em-l, 346 em-l und 267 cm-l und die Infrarotabsorptionen hei 1135 em-l und 417 em-l konnen nicht zugeordnet werden.

Tdramcres I'hosphornitridfluorid Das RAMAN-Spektrum von P4N4FS zeigt 14 Linien, davon 2 sicher polari-

siert und 3 depolarisiert, was besonders bei 0; = 1017 cm-l (CHAPMAN und PADDOCK messen A; = 1005 em p ? ) wichtig ist. Die RAMAX-Linien bei A; = 1236 em-l, 11 75 em-l, 394 cm-l und 342 cm-l sind moglicherweise durch Untergrund vorgetauscht.

Besondere Beachtung fanden bisher die Anfspaltungen der IR-Banden bei 970 em-1 und 1425 cm-l, die durch Andahme von C,h's) oder niederer Symmetrien gedeutet worden. Wir meinen, dalS in diesem Pall aber auch die anderen Schwingungen der e-Rassen auf-

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STEGER u. STaIILBERG, RAMAN- und Infrdrotspektren der Phosphornitridhalogenide 24'3

spalten und da13 dabei zusatzliche RaxaN-Linien ent,stehen musten. Wir pruften auf das Vorliegen verschiedener Molekiilformen nebeneinander, aber die Aufspaltungen bleiben bei Aufnalime der Spektren in polaren Losungsmitteln und im kristallinen Zustand erhalten (vas PEP auf 1490/1535 cm-l) verschoben). So ist nur die Deutung durch Fermidubletts moglich. Das Festkorperspekt,rum (s. u.) zeigt demgegeniiher wirkliche Entartiingsauf- spultmigcn.

duswirkungen der Rrist allsymnietrie Frequenzen, die an festen Proben geworinen wurden? sind in1 hisherigen

soweit erwa,hnt, als zur Diskussion der Zuordnungen notwendig war. Wenig- stens bei den Trinieren sind die Unt,erschiede zwischen den Spektren der freien Molekeln in Losung iind deneii der kristallisiert'en Phasen gering. Die rontgenographisch gefundenen sihe-Symmetrien odei- Elementarzellensym- metrien wirken sich im Spektruin fast nicht aus. Fur P,N,Cl,, welches ront- genographisch wohl a m genausten untersucht wurde, bleibt trotz der site- Syinmetrie C, der R,ing der Molekel auf + 0,027 8, -0,089 A eben und auf

1,3" trigonal-symmetrisch. So geringe, nahe den Fehlergrenzen der Kri- stallstrukturinethodik liegenden Effekte und die relative Schwiiche des von den Nachbarmolekeln mirkenden Feldes erzeugen noch keine vollstandige h d e r u n g der Auswa,hlregeln. Wir messen lediglich im IR-Festkorperspek- truni schwache zusiitzliche Absorptionen bei 672 cm-l, 785 cm-l und 1256 em-l, so da13 also zwei der totalsymmetrischen Schwingungen aktiv wlirden und moglicherweise die vtlS PNP, die bei der freien Molekel zur Phase a; gehort.

CALIFARO und RIP AX ON TI^^) untersuchten an orientierten Proben den Infrarotdichrois- mus. I m betrachteten Bereich von 500 cm-l aufw-arts ist ihre Zuordnung der unseren fast gleich, fur beide ist eine MomentSnderung in der Ringebene such meist mit den1 voraus- zusehenden Intensitatsverhdtnis verknupft. Den merkwurdigen entgegengesetzten Befund fiir die beiden a;-Schwingungen G70 und 785 cm-l diskutieren die genannt,en Butoren.

Uiisere Zuordnurig enthiilt die Annahme einer Koinzidenz Y , YCI, c' + v ~ , ~ PC1, a; = 610 em-l. Im Spektrum der gasformigen Substanz werden nuch 2 Absorptionen (619 em-1 und 636 cm-l) beobachtet. Fur die iihnliche Aufspaltung im fester1 Ziista'nd zeigen CA4LIFAN0 und RIPAMONTI aiii Spek- truin eines P3N,BrG-P3N,C1,-Mischkristalles, daB unter diesen Bedingungen nun eine Rande auftritt. Fiir die ,4ufrechterhaltung unserer Zuordnung ware es erforderlich, dal3 diese wenigstens bei Polarisationsbeobachtungen ein komplexes Verhslten zeigen wurde. Dieser Versuch wurde aber noch nicht vorgenommen.

Fiir P,N3BrG ist gegenuber der urspriinglich von BODE 25) angenommeiien Raumgruppe nun DiE ermittelt worden 31)32). Die i;'bereinstimmung mit

31) H. BODE, Struct. Rep. [Utrecht] 12, 227 (1949). 32) P. DE SANTW, E. GICLIO u. A. RIPA~\~o~-TT, Z. inorg. nucl. Chem. 24, 469 (7962).

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250 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 326. 1964

dem Chlorid ist damit und auch besonders nach den Atomkoordinaten eine sehr weitgehende. Das Infrarotspektrum zeigt deshalb auch durchaus die gleichen Zuge. P3N3Br6 hat im festen Zustand zusatzlich bei 75s em-l eine schwache Absorption; wie bei P3N3C1, ist der Zusanimenhang niit ( 6 + Y )

Ring (a;) offensichtlich.

Bei P3N,P, sind die Auswirkungen cler aid die site-Symmetrie C, oder C; verininderten Eigensymmetrie gro13er. Die starken Absorptionen der v PF und von Y,, PNP bestimmen weiter das Bild des Spektrums (s. Abb. 2 iind 3). Sie sind aber nicht nur, soweit sie entartet waren, aufgespalten, sondern von

hbb. 2. Schivingungsspektren der trimeren und tetrameren Phosphornitridhalogenide nach unseren R ~ x a s - und Infrarotuntersuehnngen. Durch strichpunktierte Linien ist fiir eiaige PNP-Bruckenschwingungen, durch gestrirhelte Linien fur einige P-Halogenschwingungen der systematische Gang von einer Verbindung zur anderen hervorgehoben. Das Zeichen x an den Rmax-Linien hedeutet polarisiert, s = a m dem Spektmm der festen Substanz hin-

mgmommen

vieleri Schultern und Nebenmaxima sonst inaktiver Schwingungen begleitet. Darunter miissen sich aber auch eine gewisse Anzahl Ober- urid Kombina- tionsschwingungen befinden; denn man ziihlt von 405 bis 1460 cm-l 30 Einzelmaxima. Der Versuch einer weitergehenden Zuordniing ist deshalb wenig ratsam.

Fiir P&Cl, haben CHAPMAN und PADDOCK bereits Untersuchungen an den Kristallmodifikationen vorgenonimen, einschfieBlirh von Rlesxungen mit

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STEGER u. STAHLSPRG, EAMAN- und Infrarotspektren cler Phosphornitridhalogenide 251

1800 1600 1900 1200 1000 800 700 600 500 4aD - cm-1 Abb. 8. Phosphornitridfluoride im festen und gelosten Zustand

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polarisierter Infrarotstrahlung an orientiert kristallisierten Proben. Diese aber haben sie in einem wichtigen Punkt nicht richtig gedeutet, indern sie unterstellten, daI3 eine Schwingung mit eineni Ubergangsmonient parallel zur 4zaliligen Molekulachse (,,out of plane" unter Bezug auf die ,,Ringebene") nur einer PC1-Valenzschwingung zixkommen konnte. An sich muW aber, ganz abgesehen von der Xnschauung, jede Schwingung 1 1 der Achse S, polarisiert sein, die bei Punktgruppe S, in die Rasse b fallt. Darunter sind auch viele Ringschwingungen. Wenn wir von unserer friiher gegebeiien Zuordnung ails den f:bergang Diir --f S, betrachten, entsprecheii die von CHAFNAK und PAD- DOCK verof Fentlichten Yolarisationsdaten, soweit sie eindcutig sind, genau den Erwartungen.

Weiter gesichert wird urisere Zuordnung auch durch Beachtung der ver- schiedenen Suswahlregeln fiir RAmm-Effekt und Infrarotabsorption, wenn man die fur die Modifikation mit C,-Symmetrie geniesserien Prequenzen init verwertet. Leider sind dazu die ramanspektroskopischen Ergebnisse nicht durchweg sicher genug. Fur die S,-Modifikation haben wir niit der erwahnteii Einrichtung fur feste Substanzen bisher 20 Linien gefunden. I n Tab. 1 ist fur einige Schwingungen dicser vollst'andige Vergleich chxrchgefuhrt, speziell auch fur diejenigen, die wegen des Polarisationsverhaltens irri Infrarot eine nochmalige Betrachtung erfordern. Durch diese Vergleiche wird uns fur unsere Zuordnungen e ine Verbesserung nahegdegt : Fur die Infrarotabsorp-

Tabelle 1 E i n i g e F r e q u e n z e n v o n P,N,Cl, untcr der Wirki ing verschieder ie r K r i s t a l l -

s y m m e t r i e n

Schwingungs-

form IRasse

eU

1 e,, 1R:520 ~

e .) 1 b,, 1 RE:512 b I 527 ss

I t

I It ;, I. Po1.8)

605 sst, I I s, ~

898 m, / / S, ~~ ~~

797 m ( ? )

~ _ _ ~ 781 m, I IS,

524 at, ( ?) ~

unsyrnme- trisch

I 892 , ia

775 s t 793

ia

515 sst i,z

") Polarisationsdaten ubernommeri von 9).

") Frequknzcn iibernommen von 9 ) .

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STECER u. STAHLBERG, Ran5 A x - und Infrnrotspektren der Phosphornitridhalopenide 253

tion (v + b)-Ring e,, scheint = 789 cm-l richtiger als 897 cm-l zu sein. Wir konnten niir eine dieser beiden als Grundschwingung beibehalten und schie- den = 789 ciii-1 aus,vveil diese (lurch (539 + 258) oder such (512 + 296) leicht erklarbar war. Wenn = 897 eine Ober- hzw. Kombinationsschwin- guiig ist, wird daran eine unbekannte Grundschwingnng teilnehmen.

Fur P,N,Br, sind die Unterschiede der infraroten Losungs- und Kristall- spektren ahnlich wie bei den Trimeren geringfiigig, so daB oben bereits das RABrAN-Spektrum der festen Substanz als Ersatz fur das Losungsspektrum dienen konnte. Jin IR-Festkorperspektrum von P4N4F8 zeigen alle Banden an der langwelligeii Seite zusatzliche Schultern, und wir miissen im Gegensatz zu CHAPMAN und PADDOCK^) folgern. da13 hier die Ursache Symmetrieernie- drigung sein kann. Die experimentelle Porschung an den Kristallphasen be- trachten wir nicht als abgeschlossen.

Dresden, Institut fur anorganisclie und anorganisch-technische Chemie der Technischen Cniversitat.

Rei der Redaktion eingegangen am 22. April l9G3.