1

Click here to load reader

Rankings - April, April?

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Rankings - April, April?

Rankings – April, April?

�� In der hochschulpolitischen Diskussion von Rankings (s. diese Nachrichten, S. 427) sind sich alle, die etwas davon verstehen, seit langem in einem Punkt einig: Der Vergleich ganzer Institutionen allein anhand ihrer Platzierung ist unsinnig, denn so bleibt die gesamte zugrunde liegende Infor-mation erst einmal außer Sicht.

Woher rührt dann die Populari-tät der Bestenlisten? Das Publi-kumsinteresse am Trivialen kann es allein nicht sein. Wahrschein-lich ist die Nachfrage von großen Organisationen nach solchen legiti-mierenden Reduktionen der mäch-tigste Faktor, der die Rankings – ganz unabhängig von ihrer sachli-chen Berechtigung – trägt. In Deutschland gelten derzeit zwei Listen als besonders einflussreich: das Schanghai Ranking und das Times Higher Education Ranking.

In Schanghai erfand Liu Nian Cai, zuvor Professor für Chemie an der Schanghai Jiaotong Univer-sität, auf der Suche nach Kriterien für den akademischen Weltstan-dard sozusagen die Strukturformel einer Weltklasse-Universität, einen Algorithmus, in den vor allem No-belpreise und Veröffentlichungen mit verschiedenen Gewichtungen eingehen. Im Juli 2003 zuerst pu-

bliziert, erzielte sein Academic Ran-king of World Universities (ARWU) ein gewaltiges Echo. In Deutsch-land (und in Frankreich) war die Frustration groß und folgte sogar Tragikomisches: In München woll-te man Ludwig-Maximilian- und Technische Universität zusammen-legen, in Berlin stritten sich Freie und Humboldt-Universität um 29 Berliner Nobelpreisträger aus Kai-serreich und Weimarer Republik.

Die Times Higher Education World University Rankings (THE) erscheinen seit dem Jahr 2004 und haben ebenfalls einen gemischten Kriteriensatz aus gewichteten Indi-katoren – halb und halb Umfrage-werte sowie Tatsachen wie Zitatio-nen pro Wissenschaftler, Studieren-de und Mitarbeiter aus dem Aus-land und Betreuungsrelationen.

Deutsche Universitäten tauch-ten erst nach und nach in den Rankings auf und einige verbesser-ten binnen Jahresfrist zweistellig ihren Platz. Wie kann so rasch ge-schehen, was Hochschulpressestel-len fröhlich begrüßen? Ganz ein-fach: In beiden Rankings sind über die Jahre kleinere und größere me-thodische Veränderungen vorge -nommen worden. Im ARWU gab es im vergangenen Jahr unter anderem die ersten Listen nach Fächern. In der Chemie steht die TU München jetzt, wo sie hingehört: neben dem MIT und der ETH Zürich. THE hingegen hat seinen Partner Quac-quarelli Symond, gegen Thomson Reuters (ISI) getauscht, um „Be-sorgnissen über Schwächen der bisherigen Methode zu begegnen“.

Anders gesagt: Universitäten än-dern sich nicht schnell, die Algo-

rithmen wohl. Wenn ein Platz in einem Ranking sich – April, April – ruckartig verschiebt, hat man dort die Methode geändert. Im Ver-gleich zu diesen Turbulenzen ist die Situation in Deutschland gera-de in der Chemie ganz hervor-ragend: Die Chemie der TU Mün-chen beispielsweise erreicht uni -sono sowohl im Forschungsrating des Wissenschaftsrates 2008 als auch im CHE-Forschungsranking 2009 und im DFG-Förderranking 2009 Spitzenwerte. Alle drei Un-tersuchungen geben über die im einzelnen durchaus verschiedenen eingesetzten Methoden ausführlich Rechenschaft und halten sich an die aktuelle internationale Best Practice.

Allerdings lassen für jemanden, der sich auf sein Urteil wirklich verlassen können will, auch die sorgfältigen und differenzierten Bewertungen im Chemie-Rating noch eine Menge Fragen offen. Das liegt daran, dass alle Bewertungs-verfahren, die sich ausschließlich auf Indikatoren stützen, zwei grundlegende Tatsachen der wis-senschaftlichen Praxis nicht ein-beziehen (können): Erstens: Publi-kationen werden für Leser ge-schrieben. Zweitens: Wissenschaft wird von Menschen gemacht. Nur wer bereit ist, persönliche Bewer-tungen auf der Grundlage eigener Eindrücke zu riskieren und sich mit anderen darüber auseinander-zusetzen, kann zu einem gültigen, der komplexen Wirklichkeit ange-messenen Eindruck gelangen. Nur ein solcher persönlicher Eindruck kann aber eine legitime Grundlage für Handlungen sein.

Christoph Schneider, Bonn

[email protected]

Grundlegende Tatsachen

bleiben draußen

�Leitartikel� 409

Nachrichten aus der Chemie | 58 | April 2010 | www.gdch.de/nachrichten

Foto

: Mat

thia

s H

eyde