3
GSD Zum diesjährigen Fachtag war die Frage gestellt, was der Kern, das alle Formen von Shiatsu verbindende Element ist – falls es so etwas gibt. Der Antwort haben wir uns in der persönlichen Erfahrung zu nä- hern versucht, indem jede TeilnehmerIn des Fachtags am Ende zwei Behandlungen gab und zwei bekam. Die Zuteilung erfolgte per Los. Viel freier als in Japan, wo man auf die Pflege der Traditionen sehr viel Wert legt, hat sich Shiatsu im Westen entwickelt, was zu einer schillernden Vielfalt von Auffassungen und Formen von Shiatsu ge- führt hat. Auf den ersten Blick schien die Aufgabe, noch etwas Ge- meinsames zu finden, sehr schwierig, wenn nicht gar aussichtslos zu sein. Die in Achtergruppen zusammengetragenen Erfahrungen waren dann aber äußerst aufschlussreich. In Japan wird Shiatsu als eine Form der Therapie verstanden, ein- gebettet in den Kontext der chinesischen Medizin oder auch unab- hängig davon, d.h. der Patient kommt im Allgemeinen mit Beschwer- den und begibt sich vertrauensvoll in die Hände des fachkundigen Behandlers, der mit Hilfe seines Wissens und seiner Erfahrung die Beschwerden zu lindern versucht. Am Fachtag wurden vor den Be- handlungen zwar auch Beschwerden und Wünsche von Seiten der KlientInnen eingebracht, aber natürlich kann man nach einer Behand- lung kein großes Resümee ziehen. Im Austausch und Beschreiben der Erfahrungen wurde deutlich, dass für die meisten Teilnehmer der medizinische Aspekt von Shiatsu auch gar nicht im Mittelpunkt stand. Im Zentrum stand die Selbsterfahrung, das Erleben seiner selbst auf verschiedenen Ebenen. In Sätzen wie:„Ich bin gemeint“, „ich fühle mich gesehen, bis auf die Knochen berührt“, „ich konnte mich ganz anvertrauen und fallen lassen“, „die Behandlung hat mir geholfen, ganz bei mir anzukommen“ oder „ich fühlte mich in meinem Lebensthema berührt und in meinem Wesen erkannt“ kam die Tiefe und Ganzheitlichkeit der Shiatsu-Berührung zum Ausdruck. Hier ging es nicht um Muskeln, Gelenke und Kopfschmerzen, sondern um das Erleben einer oft verlorengegangenen Tiefe und Ganzheit, nach der wir uns wohl alle sehnen. Vor allem geht es um uns, von unserem blo- ckierten Ich bis zum Erleben des erlösenden Selbst, dem Teil von uns, der tiefer liegt als unsere Krankheiten, Sorgen und Ängste reichen und damit die tiefste innere Kraftquelle ist. In unserer Kultur hat Viktor von Weizsäcker (1886 – 1957), der als Be- gründer der psychosomatischen Medizin gilt, damit begonnen, die Patienten mit ihrem inneren Erleben in ihren eigenen Heilungsprozess einzubeziehen. Dabei hat sich gezeigt, dass Körper, Geist und Seele ein sich gegenseitig beeinflussendes System bilden. Hinter körperli- chen Beschwerden, so zeigte sich, verbirgt sich oft seelisches Leid. Neben der medizinischen Versorgung des Körpers begann man, mit Hilfe psychotherapeutischer Ansätze auch die Seele zu behandeln. Aber auch wenn man die Wechselwirkung von Körper und Seele er- kannte, blieben sie doch zwei, die bis heute meist getrennt voneinan- der behandelt werden. „Im Shiatsu geht es ums Ki.“ Wir haben Organe, Muskeln und Ge- lenke, aber wir haben kein Ki, wir sind unser Ki. Im Erleben des Ki vereinigen sich Körper, Geist und Seele oder kommen einander doch zumindest näher. Das ist einzigartig, dass wir gemeint sind, uns über den Körper bis in die Tiefen der Seele berührt fühlen und auch noch wachen Geistes an diesem Geschehen teilhaben können. Ich glaube, dass wir die Potenziale eines solchen Erlebens – auch aus der Per- spektive der psychosomatischen Medizin gesehen – noch gar nicht wirklich ermessen können. Die „Körperärzte“ haben gelernt, dass auch die Seele behandelt werden muss, die Psychotherapeuten be- greifen zunehmend, dass eine Erfahrung mehr Kraft bekommt, wenn sie im Körper verankert ist („embodiment“). Aus den Erfahrungen des Fachtags stellt sich die Frage, welches für uns Shiatsu-Praktiker der nächste Schritt sein könnte? Ich denke, wir haben einen großen Schatz gesichtet. Um ihn zu he- ben, müssen wir unser Verständnis der shiatsuspezifischen Erfahrun- gen noch vertiefen. Manchmal reicht das Erleben für eine Verände- rung, aber manchmal müssen wir bzw. unsere KlientIn das Erlebte auch verstehen, um seine Bedeutung für das Leben zu erkennen und es im Alltag anwenden zu können. Ich finde, hier liegt noch viel inter- essante Forschungsarbeit vor uns. Rückblick auf den GSD-Fachtag 2013 Als eine Form der Weiterarbeit an den Ergebnissen des diesjährigen Fachtages haben wir einige Teilneh- merInnen um ein persönliches Resümee gebeten. Wir freuen uns, schon in dieser Ausgabe die ersten Rückmeldungen vorstellen zu können und hoffen, die Reihe im nächsten Journal mit weiteren Beiträgen fort- setzen zu können. Gerne auch mit Reaktionen und Diskussionen zu diesen Schilderungen. Auf diese Weise kann sich das Projekt der „Erforschung“ unseres Shiatsu weiter fortsetzen. Frank Seemann für den Vorstand der GSD Shiatsu Journal 74/2013 33 Der Fachtag 2013 - Rückblick und Ausblick von Joachim Schrievers

Rückblick auf den GSD-Fachtag 2013 · 34 Shiatsu Journal 74/2013 GSD Shiatsu ist vielseitig von Almut Deitelhoff Shiatsu ist vielseitig. Diese Vielseitigkeit konnten wir in Steinbach

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Rückblick auf den GSD-Fachtag 2013 · 34 Shiatsu Journal 74/2013 GSD Shiatsu ist vielseitig von Almut Deitelhoff Shiatsu ist vielseitig. Diese Vielseitigkeit konnten wir in Steinbach

GSD

Zum diesjährigen Fachtag war die Frage gestellt, was der Kern, das alle Formen von Shiatsu verbindende Element ist – falls es so etwas gibt. Der Antwort haben wir uns in der persönlichen Erfahrung zu nä-hern versucht, indem jede TeilnehmerIn des Fachtags am Ende zwei Behandlungen gab und zwei bekam. Die Zuteilung erfolgte per Los.Viel freier als in Japan, wo man auf die Pflege der Traditionen sehr viel Wert legt, hat sich Shiatsu im Westen entwickelt, was zu einer schillernden Vielfalt von Auffassungen und Formen von Shiatsu ge-führt hat. Auf den ersten Blick schien die Aufgabe, noch etwas Ge-meinsames zu finden, sehr schwierig, wenn nicht gar aussichtslos zu sein. Die in Achtergruppen zusammengetragenen Erfahrungen waren dann aber äußerst aufschlussreich. In Japan wird Shiatsu als eine Form der Therapie verstanden, ein-gebettet in den Kontext der chinesischen Medizin oder auch unab-hängig davon, d.h. der Patient kommt im Allgemeinen mit Beschwer-den und begibt sich vertrauensvoll in die Hände des fachkundigen Behandlers, der mit Hilfe seines Wissens und seiner Erfahrung die Beschwerden zu lindern versucht. Am Fachtag wurden vor den Be-handlungen zwar auch Beschwerden und Wünsche von Seiten der KlientInnen eingebracht, aber natürlich kann man nach einer Behand-lung kein großes Resümee ziehen. Im Austausch und Beschreiben der Erfahrungen wurde deutlich, dass für die meisten Teilnehmer der medizinische Aspekt von Shiatsu auch gar nicht im Mittelpunkt stand. Im Zentrum stand die Selbsterfahrung, das Erleben seiner selbst auf verschiedenen Ebenen. In Sätzen wie:„Ich bin gemeint“, „ich fühle mich gesehen, bis auf die Knochen berührt“, „ich konnte mich ganz anvertrauen und fallen lassen“, „die Behandlung hat mir geholfen, ganz bei mir anzukommen“ oder „ich fühlte mich in meinem Lebensthema berührt und in meinem Wesen erkannt“ kam die Tiefe und Ganzheitlichkeit der Shiatsu-Berührung zum Ausdruck. Hier ging es nicht um Muskeln, Gelenke und Kopfschmerzen, sondern um das Erleben einer oft verlorengegangenen Tiefe und Ganzheit, nach der wir uns wohl alle sehnen. Vor allem geht es um uns, von unserem blo-ckierten Ich bis zum Erleben des erlösenden Selbst, dem Teil von uns, der tiefer liegt als unsere Krankheiten, Sorgen und Ängste reichen und damit die tiefste innere Kraftquelle ist.

In unserer Kultur hat Viktor von Weizsäcker (1886 – 1957), der als Be-gründer der psychosomatischen Medizin gilt, damit begonnen, die Patienten mit ihrem inneren Erleben in ihren eigenen Heilungsprozess einzubeziehen. Dabei hat sich gezeigt, dass Körper, Geist und Seele ein sich gegenseitig beeinflussendes System bilden. Hinter körperli-chen Beschwerden, so zeigte sich, verbirgt sich oft seelisches Leid. Neben der medizinischen Versorgung des Körpers begann man, mit Hilfe psychotherapeutischer Ansätze auch die Seele zu behandeln. Aber auch wenn man die Wechselwirkung von Körper und Seele er-kannte, blieben sie doch zwei, die bis heute meist getrennt voneinan-der behandelt werden.„Im Shiatsu geht es ums Ki.“ Wir haben Organe, Muskeln und Ge-lenke, aber wir haben kein Ki, wir sind unser Ki. Im Erleben des Ki vereinigen sich Körper, Geist und Seele oder kommen einander doch zumindest näher. Das ist einzigartig, dass wir gemeint sind, uns über den Körper bis in die Tiefen der Seele berührt fühlen und auch noch wachen Geistes an diesem Geschehen teilhaben können. Ich glaube, dass wir die Potenziale eines solchen Erlebens – auch aus der Per-spektive der psychosomatischen Medizin gesehen – noch gar nicht wirklich ermessen können. Die „Körperärzte“ haben gelernt, dass auch die Seele behandelt werden muss, die Psychotherapeuten be-greifen zunehmend, dass eine Erfahrung mehr Kraft bekommt, wenn sie im Körper verankert ist („embodiment“). Aus den Erfahrungen des Fachtags stellt sich die Frage, welches für uns Shiatsu-Praktiker der nächste Schritt sein könnte? Ich denke, wir haben einen großen Schatz gesichtet. Um ihn zu he-ben, müssen wir unser Verständnis der shiatsuspezifischen Erfahrun-gen noch vertiefen. Manchmal reicht das Erleben für eine Verände-rung, aber manchmal müssen wir bzw. unsere KlientIn das Erlebte auch verstehen, um seine Bedeutung für das Leben zu erkennen und es im Alltag anwenden zu können. Ich finde, hier liegt noch viel inter-essante Forschungsarbeit vor uns.

Rückblick auf den GSD-Fachtag 2013

Als eine Form der Weiterarbeit an den Ergebnissen des diesjährigen Fachtages haben wir einige Teilneh-merInnen um ein persönliches Resümee gebeten. Wir freuen uns, schon in dieser Ausgabe die ersten Rückmeldungen vorstellen zu können und hoffen, die Reihe im nächsten Journal mit weiteren Beiträgen fort-setzen zu können. Gerne auch mit Reaktionen und Diskussionen zu diesen Schilderungen. Auf diese Weise kann sich das Projekt der „Erforschung“ unseres Shiatsu weiter fortsetzen.Frank Seemann für den Vorstand der GSD

Shiatsu Journal 74/2013 33

Der Fachtag 2013 - Rückblick und Ausblickvon Joachim Schrievers

Page 2: Rückblick auf den GSD-Fachtag 2013 · 34 Shiatsu Journal 74/2013 GSD Shiatsu ist vielseitig von Almut Deitelhoff Shiatsu ist vielseitig. Diese Vielseitigkeit konnten wir in Steinbach

Shiatsu Journal 74/201334

GSD

Shiatsu ist vielseitigvon Almut Deitelhoff

Shiatsu ist vielseitig. Diese Vielseitigkeit konnten wir in Steinbach erleben, erfahren, praktizieren, besprechen, diskutieren…Ich hatte mich schon vorher darauf gefreut, mich mit anderen Shiat-sus auszutauschen; vor allem Shiatsu, wie ich es praktiziere (multi-dimensionale Shiatsu Energiearbeit bzw. Empty Touch) unter die Shiatsus zu bringen. Und ich habe diesen Austausch als sehr wertvoll erlebt, sowohl im Praktischen als auch im Austausch mit Worten.Ich genieße es sehr Shiatsu zu empfangen, und ich habe zwei unter-schiedliche Sitzungen / Shiatsu-Stile genossen. Durch die Behand-lungen, die ich bekommen habe, habe ich mich damit auseinander gesetzt: wie möchte ich mit Shiatsu behandelt / berührt werden, was möchte ich nicht, worauf kann ich mich gut einlassen. Und da waren Berührungen, die sehr in die Tiefe gingen.Ich gestehe, auf den verbalen Austausch hatte ich gar nicht so viel Lust. Aber natürlich war auch der gut und wichtig. Wir haben in die-ser Gruppe von acht Menschen erfahren, wie die unterschiedlichen Arten der Berührung respektiert werden. Erst ganz zum Schluss kam die Deutlichkeit heraus, mit der ein Teilnehmer auch Schwierigkeiten hatte mit der Vielseitigkeit und auch den Variationen von den Grund-lagen, wie wir sie alle gelernt haben.Ich denke bevor man in die Variationen gehen kann ist es wichtig, erstmal eine klare, fassbare Grundlage gelernt und auch verinnerlicht zu haben. Von da aus kann variiert werden, vielleicht sogar bis zu Unfassbarem.Es ging in dieser Achtergruppe auch um die Gemeinsamkeiten un-seres Shiatsus. Für mich gehört dazu auf jeden Fall das entspannte Lehnen. Auch wenn ich das nicht die ganze Zeit in einer Sitzung tue. Ich arbeite auch im Energiefeld meiner Shiatsu-Partnerin. Und das hat dann mit senkrechtem Lehnen nichts zu tun. Aber das Erfahrene aus dem Energiefeld, bringe ich immer wieder mit Lehnen in den physi-schen Körper. Das ist mir auch wichtig, weil wir in oder mit unserem physischen Körper unsere Erfahrungen machen.Am meisten Spaß hat es mir dann gemacht, mein Shiatsu an Men-schen anzuwenden, die noch kein multidimensionales Shiatsu oder ET erfahren hatten, und die sich beide darauf freuten, es kennen-zulernen. Meine erste Shiatsu-Partnerin hat es aufgesogen, ist voll mitgeschwungen und hat ihre Erfahrungen hinterher mit so schönen Worten beschrieben. Sie war aber auch erstmal verwirrt, vor allem als sie danach Shiatsu praktiziert hat. Was ich ganz natürlich finde…Meine zweite Shiatsu-Partnerin war nicht ganz so geöffnet für diese ungewohnte Art von Shiatsu, hatte Vorbehalte. Auch das kann ich gut verstehen, frage ich mich doch manchmal selber, was ich da eigent-lich tue. Es braucht ganz viel Vertrauen. Aber war das nicht auch so, als wir mit der Hara-Diagnose angefangen haben?Was ich auch so gut fand an dieser Art des Austausches war, dass wir alle auf einer Ebene waren. Es gab keine Workshop-Leitung, keine, die vorne stand und gesagt hat, wie es gemacht wird, keine LehrerIn-SchülerIn-Hierarchie. Alle waren einfach Shiatsu-PraktikerInnen, die sich austauschen.Und dann noch eine tolle Party! Ich tanze sooo gerne. Und ich glaube, dass Tanzen gut ist, um Erfahrenes zu integrieren. Und dazu war auf der Party bei guter Musik viel Gelegenheit.Mein Resümee: ein voll gelungener Fachtag! Vielen Dank nochmal an alle, die an der Gestaltung mitgewirkt haben!

Page 3: Rückblick auf den GSD-Fachtag 2013 · 34 Shiatsu Journal 74/2013 GSD Shiatsu ist vielseitig von Almut Deitelhoff Shiatsu ist vielseitig. Diese Vielseitigkeit konnten wir in Steinbach

Shiatsu Journal 74/2013 35

Etwas muffelig bin ich ja nach Steinbach gefahren, oh, nicht schon wieder Shiatsu, dachte ich, denn das Thema schien mir doch arg dicht dran an meinem Alltag: behandeln! Heim fuhr ich jedoch sehr bewegt und beschwingt, denn ich hatte in diesen Tagen, inklusive des Schulleitertreffens jeweils drei Behandlungen gegeben und be-kommen! Was für eine Wohltat, statt vielen Erörterungen endlich mal wieder konkret in die Praxis! Zusätzlich war ich fasziniert von der Viel-falt der Erfahrungen aus den Kleingruppen. Dazwischen lag allerdings auch jede Menge Staunen. Wir behandel-ten mit 10 bis 12 Paaren in einem Raum. Es hieß also auch: sehen und gesehen werden. Während ich selbst behandelte, musste ich einfach auch gucken, was die anderen denn da machten. Neugier, In-teresse und Verblüffung. Was sah ich denn da nur? Gleich einige der BehandlerInnen ließen die Klienten, die meist auf einer Behandlungs-bank lagen, zeitweilig völlig los, machten Zeichen und Bewegungen in der Luft, die mich spontan an Ausdruckstanz und Obst ernten erin-nerten, kamen wieder zurück zum Körper, ließen wieder von ihm ab. Ist das Shiatsu, fragte ich mich? Was passiert denn hier auf einem Shiatsufachtag, habe ich da etwas verpasst in der Shiatsuwelt? Und wo sind meine hehren Grundprinzipien von senkrechtem Einsinken aus dem Hara heraus, Mutterhandprinzip, Kontinuität…? Ich war, ehrlich gesagt, etwas reichlich perplex. Später konnte ich selbst eine solche Behandlung erfahren. Ich lernte das Wort „off-body-work“ und musste mich doch immer wieder fragen: ist das Shiatsu? Möchte ich, dass diese Art von Körperarbeit Shiatsu genannt wird? Ist das nicht mehr Sei-Ki, Reiki oder Auraarbeit?

Ich finde ich es wunderbar, wenn sich das Shiatsu von jemanden in eine andere Richtung entwickelt, und er oder sie, auch unter Einbe-ziehung anderer Methoden gute, stimmige Erfolge erzielt, Neuland betritt und weiter forscht. Nur, und das ist hier meine Frage: bis wohin ist die Verwendung des traditionell geprägten und definierten Wortes „Shiatsu“ für Weiterentwicklungen noch angebracht? Sicher, es gibt Pflicht und Kür, Handwerk und Kunst, aber wo ist der Moment, wo eine neue Methode entsteht?Ich möchte mich ausdrücklich nicht gegen neue Shiatsuströmungen aussprechen, Shiatsu hat sich immer entwickelt und wird es auch weiterhin tun. Ebenso wenig möchte ich die Qualität und Effektivität dieser „off-body-Begegnungen“ in Frage stellen, sondern ich möchte gerne zu einer Diskussion einladen im Sinne von: wie stehen wir als Shiatsuverband dazu, dass sich Shiatsu auch außerhalb der traditio-nellen Grundprinzipien entwickelt? Ich freue mich, wenn beim nächsten Shiatsukongress am Ammersee Zeit und Raum ist dieses Thema aufzugreifen.Für mich persönlich ist ganz klar, ich werde weiterhin Shiatsu ̀ mit An-fassen´ lehren und praktizieren. Ich liebe einfach zu sehr diese erdige, tiefe Berührung.

Fotos: Petra Hofmann

Nach intensivem und vielfältigem Austausch und den herzlichen Begegnungen innerhalb der deutschen ‚Shiatsu-Familie‘ unter dem Motto „Berühren und berühren lassen – gemeinsam das Potenzial von Shiatsu erforschen“ wurde in Steinbach auf dem GSD-Fachtag durch die Konstellation der intensiven Gruppen-Arbeit mit aktiven Shiatsu-Behandlungen/ Begegnungen sehr bald klar, dass es für das Shiatsu auf einer derartigen Verbands-Veranstaltung äusserst erken-ntnisreich ist, neben dem verbalen Diskurs AUCH praktisch in die ‚Berührung‘ zu gehen.Dieser direkte Austausch in Bezug auf die sich in den letzten Jahren entwickelnde bunte Vielfalt innerhalb der deutschen Shiatsu-Szene (nicht nur Anwendungsfelder) erhielt an diesen zwei spannenden Mai-Tagen viel Raum für Erfahren, Erleben und Erspüren, was Shiatsu sein kann. Auf dem Weg zu der Frage, was Shiatsu denn wirklich ist, zeigte sich besonders auch anhand der Ergebnisse im Plenum, dass es im Shiatsu um keine blosse Methode geht, sondern dass Shiatsu in der Begegnung zwischen den Menschen LEBT.Es wurde auch durch die teils sehr kreativen Schau-Plakate offensi-chtlich und für die TeilnehmerInnen inspirierend, dass im Geist des Shiatsu ergebnisorientiertes Behandeln und das Therapieren von Symptomen im Hintergrund blieben und vielmehr Aspekte wie Hal-tung, Persönlichkeit, Klarheit, Authentizität, Respekt, Präsenz oder ‚Raum-geben‘ als wesentlich erlebt wurden für ein stimmiges ‚Gefühl‘ des Berührt Seins hinsichtlich einer hilfreichen Erfahrung auf dem persönlichen Weg – sowohl als BehandlerIn als auch als EmfängerIn.Zudem wurde das Praktizieren verschiedener Stile von den Teilneh-

merInnen durchgängig als nicht so relevant erlebt, stattdessen er-schien im wechselnden Tausch von ‚aktiv Shiatsu geben/sein‘ und ‚Shiatsu empfangen/erfahren‘ die fruchtbare Dimension der Weite, des Einzigartigen und des tiefen Vertrauens sowie vor allem das Gesehen Werden als (ganzer) Mensch essenziell für eine stimmige Shiatsu-Berührung.Verschiedene teils neuartige Impulse aus den aktiven Anwendungs-Möglichkeiten innerhalb verschiedener Stilrichtungen gaben weiter-führende, mitunter spannende Impulse für einen künftigen LEBEN-DIGEN Austausch in der Welt des (deutschen) Shiatsu... Es bleibt mit Freude abzuwarten bzw. mitzuwirken, wie der Weg weiter führt.Inniger Dank gebührt hier nicht nur den selbstlosen OrganisatorInnen, sondern auch den TeilnehmerInnen für ihre neugierige und teils spon-tane Offenheit und Bereitschaft, selber aktiv zu sein und mitzuwirken in ‚unserer‘ GSD...!

GSD

Shiatsu LEBT...von Helmut Bräuer

Shiatsu ohne Anfassen - geht das?von Ulrike Schmidt