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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 121 (1984) 27- 39 (Nr. 1945) Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Faradayweg 4 - 6, D-1000 Berlin 33 Reaktive Trager rnit Maleinimidgruppen zur Immobilisierung von Enzymen, 2" Georg Manecke und Hermann-Josef Middeke (Eingegangen am 7. November 1983) ZUSAMMENFASSUNG: Vernetzte Copolymere aus Acrylnitril oder aus Acrylnitril und Acrylsaure wurden mit N-Methylolmaleinimid zu maleinimidgruppenhaltigen reaktiven Trlgern umge- setzt. Enzyme mit SH-Gruppen oder solche, in die in einer Thiolierungsreaktion SH- Gruppen eingefiihrt worden waren, konnten an diesen Tragern erfolgreich immobili- siert werden. SUMMARY: Crosslinked copolymers of acrylonitrile or acrylonitrile and acrylic acid were modified by reacting them with N-methylolmaleimide. Thiolated enzymes or enzymes with native SH-groups could be immobilized on these carriers successfully. Einleitung Reaktive Trager rnit Maleinimidgruppen immobilisieren unter geeigneten Bedingungen spezifisch nur solche Proteine, die SH-Gruppen aufweisen. Dabei wird die Thiolgruppe an die Doppelbindung des Maleinimids addiert: R-SH + [ N-R' - ( 1 : ; Diese Reaktion konnte genutzt werden, um Enzyme mit Thiolgruppen an Tragern mit Maleinimidgruppen zu immobilisieren. Zu diesem Zweck wur- den Trager auf der Basis von Poly(vinylalkoho1)verwendet *. Wegen der Gel- struktur dieser Trager konnte aber oft nur eine geringe Immobilisierungsaus- beute erreicht werden. Die Ausbeute hing in hohem MaDe von der Quellbar- keit der Trager ab. Daher wurde untersucht, ob sich durch eine andere * 1. Mitteilung: cf.' 0 1984 Hiithig & Wepf Verlag, Basel OOO3-3146/84/$03.00 27

Reaktive Träger mit Maleinimidgruppen zur Immobilisierung von Enzymen, 2

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Page 1: Reaktive Träger mit Maleinimidgruppen zur Immobilisierung von Enzymen, 2

Die Angewandte Makromolekulare Chemie 121 (1984) 27- 39 (Nr. 1945)

Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Faradayweg 4 - 6 , D-1000 Berlin 33

Reaktive Trager rnit Maleinimidgruppen zur Immobilisierung von Enzymen, 2"

Georg Manecke und Hermann-Josef Middeke

(Eingegangen am 7. November 1983)

ZUSAMMENFASSUNG: Vernetzte Copolymere aus Acrylnitril oder aus Acrylnitril und Acrylsaure wurden

mit N-Methylolmaleinimid zu maleinimidgruppenhaltigen reaktiven Trlgern umge- setzt. Enzyme mit SH-Gruppen oder solche, in die in einer Thiolierungsreaktion SH- Gruppen eingefiihrt worden waren, konnten an diesen Tragern erfolgreich immobili- siert werden.

SUMMARY: Crosslinked copolymers of acrylonitrile or acrylonitrile and acrylic acid were

modified by reacting them with N-methylolmaleimide. Thiolated enzymes or enzymes with native SH-groups could be immobilized on these carriers successfully.

Einleitung

Reaktive Trager rnit Maleinimidgruppen immobilisieren unter geeigneten Bedingungen spezifisch nur solche Proteine, die SH-Gruppen aufweisen. Dabei wird die Thiolgruppe an die Doppelbindung des Maleinimids addiert:

R-SH + [ N-R' - (1:; Diese Reaktion konnte genutzt werden, um Enzyme mit Thiolgruppen an

Tragern mit Maleinimidgruppen zu immobilisieren. Zu diesem Zweck wur- den Trager auf der Basis von Poly(vinylalkoho1) verwendet *. Wegen der Gel- struktur dieser Trager konnte aber oft nur eine geringe Immobilisierungsaus- beute erreicht werden. Die Ausbeute hing in hohem MaDe von der Quellbar- keit der Trager ab. Daher wurde untersucht, ob sich durch eine andere

* 1 . Mitteilung: cf.'

0 1984 Hiithig & Wepf Verlag, Basel OOO3-3146/84/$03.00 27

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Struktur der Trager die Immobilisierungsausbeute steigern lafit. Trager rnit Maleinimidgruppen konnten aus Polyacrylnitril gewonnen werden.

Diese Trager zeigten keine Quellbarkeit in waarigem Medium. Sie zeigten jedoch eine ausgepragte Schwammstruktur, die eine schnelle Immobilisie- rung von Enzymen erlaubte.

Die Nitrilgruppen der vernetzten Harze lieBen sich rnit N-Methylolmalein- imid in konz. Schwefelsaure in hoher Ausbeute zu den Carboxamidoderiva- ten umsetzen:

- /“j, H2SO4, 0°C @CN + HO-CH2-N

‘co

Eine Umsetzung von N-Methylolmaleinimid rnit niedermolekularen Nitri- len unter Ausbildung von Carboxamidoderivaten wurde bereits von Jelenc, Cantor und Simon beschrieben2.

Durch Copolymerisation des Acrylnitrils rnit Acrylsaure war es aurjerdem moglich, quellbare Trager mit ionischen Gruppen zu gewinnen, die nach Ausstattung mit Maleinimidgruppen ebenfalls als reaktive Trager Verwen- dung fanden.

Als Enzyme wurden Trypsin, a-Chymotrypsin und Ribonuclease einge- setzt, weil diese Enzyme in hoher Reinheit, groaen Mengen und gleichblei- bender Qualitat erhaltlich sind. Da sie keine Thiolgruppen enthalten, mu& ten sie durch eine Thiolierungsreaktion rnit SH-Gruppen ausgestattet wer- den. Als Reagenz zur Thiolierung wurde N-Acetyl-D,L-homocysteinthio- lacton (AHTL) eingesetzt 1*3, wobei gegenuber die Aufarbeitung der Thio- lierungsprodukte hier variiert wurde.

Allgemeiner Teil

Darstellung der Trager

Fur die Immobilisierungsreaktionen wurden zunachst folgende Copoly- mere hergestellt: Ein vernetztes schwammpolymeres Copolymerisat aus Ac- rylnitril und 1 ,CDivinylbenzol (PAN 1) und ein Gel-Copolymeres aus Acryl- nitril, Acrylsaure und 1 ,CDivinylbenzol (PAN 2). Die zu den Polymerisa- tionsreaktionen eingesetzten Mengen der Monomeren sind in Tab. 1 aufge- fuhrt.

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Immobilkierung von Enzymen, 2

Tab. 1. Mengen der verwendeten Monomeren im Polymerisationsansatz von PAN 1 und PAN 2 in g (mol).

Polymeres* Acrylnitril Acrylsaure 1,4-Divinylbenzol

PAN 1 734 (0,142) - 1,85 (0,014) PAN 2 5,31 (0,100) 7,21 (0,100) 1,30 (0,010)

* PAN 1 wurde in 5,OO ml Isododekan und PAN 2 in 15,OO ml Dioxan als Ltisungs- mittel polymerisiert.

Das Harz PAN 1 wies eine Schwammstruktur auf, PAN 2 zeigte Gelcha- rakter. Das Volumen der Hohlraume des Schwammes konnte durch Auf- nahme von Isododekan durch das Polymere bestimmt werden: 1,000 g des Harzes nahmen 0,972 g Isododekan (Dichte 0,743 g/ml) auf. Das Harz zeigte keine Quellung in Wasser.

In dem Harz PAN 2 konnten durch wiederholte Titration mit 0,l M Na- tronlauge bei 25°C und pH 9,O 0,79 mmol/g Carboxylgruppen ermittelt werden. Wegen dieses Carboxylgruppengehaltes wies PAN 2 eine vom pH- Wert abhangige Quellbarkeit auf. In Tab. 2 ist die Quellung von PAN 2 bei verschiedenen pH-Werten aufgefiihrt. Sie zeigte groBen EinfluB auf die Im- mobilisierungsreaktion.

Tab. 2. Quellung von PAN 2 bei verschiedenen pH-Werten*.

trocken pH 2 pH 4 p H 6 pH 8 pH 10

Quellung in Vo 0 60 60 680 950 1 250

* Die Untersuchung der Quellung erfolgte in Titrisol-Puffern wie in1 beschrieben.

Die Harze PAN 1 und PAN 2 wurden anschlieBend mit N-Methylol- maleinimid derivatisiert, nachdem der Verlauf dieser Reaktion mit zwei nie- dermolekularen Nitrilen als Modellverbindung fur die Polymeren untersucht worden war. Bei diesen Untersuchungen hat sich gezeigt, darj das N-Methyl- olmaleinimid mit einem Nitril in Gegenwart von konz. Schwefelsaure fast

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quantitativ reagiert. Wurde bei dieser Reaktion aber der jeweils andere Part- ner weggelassen, so entstand aus dem N-Methylolmaleinimid in 50proz. Ausbeute der Bis(maleinimidomethy1)ether und aus den Nitrilen durch Hy- drolyse die entsprechende Carbonsaure. Diese Reaktion fiihrte dazu, daS nach der Reaktion von PAN 1 mit dem Maleinimidderivat der entstandene maleinimidhaltige Trager 1 auch eine geringe Menge an Carboxylgruppen trug. Der Trager 1 zeigte in warigen Losungen keine Quellung.

Gegeniiber PAN 2 war die Quellung des reaktiven Tragers 2 durch die Re- aktion mit dem Maleinimidderivat zuriickgegangen. Die geringere Quellung von Trager 2 ist in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3. Quellung des reaktiven Tragers 2 bei verschiedenen pH-Werten*.

trocken p H 2 p H 4 p H 6 pH 8 pH 10

Quellung in Yo 0 30 50 240 420 520

* Die Untersuchung der Quellung erfolgte in Titrisol-Puffern wie in' beschrieben.

Die Reaktion des N-Methylolmaleinimids mit FAN 1 und PAN 2 war auch aus den Infrarotspektren der Polymeren zu erkennen. So waren nach der Re- aktion mit dem Maleinimidderivat die Bande der Nitrilgruppen bei 2240 cm-' nicht mehr zu sehen, statt dessen aber bei 695 cm-1 und bei 835 cm-' die fur den Maleinimidring typischen Banden. AuDerdem zeigten die reakti- ven Trager mit Cystein in Natronlauge eine fur den Maleinimidring bei die- ser Reaktion charakteristische rote Farbe (Benesch-Test4).

Thioiierung der Enzyme

Die Trager 1 und 2 waren in der Lage, mit Thiolgruppen zu reagieren. Da die hier zu den Immobilisierungsreaktionen eingesetzten Enzyme aber keine eigenen Thiolgruppen aufwiesen, mufiten sie vor den Immobilisierungsreak- tionen mit AHTL thioliert werden. Die Werte der enzymatischen Aktivitat der zur Thiolierung eingesetzten Enzyme betrugen beim a-Chymotrypsin 330 U/mg, beim Trypsin 44,3 U/mg und bei der Ribonuclease A 18,7 U/mg. In Tab. 4 sind die Ausbeute aus den Thiolierungsreaktionen, die Menge an ins

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Immobilkierung von Enzymen, 2

Enzymmolekiil eingefiihrten SH-Gruppen und die enzymatische Aktivitat der erhaltenen Enzymcharge dargestellt.

Tab. 4. Ausbeute, Thiolierungsgehalt und Aktivitat der Enzyme nach den Thiolie- rungsreaktionen.

Enzym Ausbeute SH-Gehalt enzymatische (mol/mol Aktivitat

(VO) Enzym) (U/mg)

thiol. Trypsin 86 2,1 22,6 thiol. Ribonuclease 85 3,8 16,9 thiol. a-Chymotrypsin Charge 1 (tcl) 94 497 171 Charge 2 (tC2) 80 3,6 209 Charge 3 (tC3) 86 4,1 176

Einige Enzymchargen, die in der Tab. 4 nicht aufgefiihrt sind, waren nach der Thiolierung und Gefriertrocknung kaum noch loslich oder losten sich nur noch bei alkalischem pH-Wert. Alle Thiolierungsreaktionen bewirkten einen Riickgang der Enzymaktivitat. Die pH-Profile der Aktivitat der thio- lierten Enzyme wiesen bei den hier aufgefuhrten Enzymen denselben Wert auf wie bei den nicht thiolierten Enzymen.

Immobilisierung der Enzyme

Die Immobilisierungsreaktionen an den reaktiven Triigern 1 und 2 wurden in offenen thermostatisierten Gefaen durchgefiihrt. Bei Immobilisierungs- reaktionen von thioliertem a-Chymotrypsin in Stickstoff- und Sauerstoffat- mosphare bei verschiedenen pH-Werten wurde festgestellt, da8 der Sauer- stoff auf das Ergebnis der Reaktion keinen EinfluD hatte.

Zunachst wurde am Trager 1 und a-Chymotrypsin tC1 untersucht, wie schnell das thiolierte Enzym mit diesem Trager reagierte. Diese Immobilisie- rungsreaktionen wurden bei 22 "C durchgefuhrt, der pH-Wert wahrend der Reaktion wurde mit einem Puffergemisch nach Britton und Robinson (Acetat/Borat/Phosphat, je 0,4 M5) auf pH 8,O gehdten. In Abb. 1 ist die zeitliche Abhangigkeit der Enzymaufnahme beim Angebot verschiedener

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h L

150 :# I- L

? 125

5 100 El v

0, c 5

75

50 x N

2 0 E 25 E .-

I I I I I I

20 40 60 80 100 120

Reaktionsdauer (Minuten)

Abb. 1. Zeitliche Abhlngigkeit der Aufnahme von thioliertem a-Chymotrypsin tC1 durch den Trlger 1 bei verschiedenen Enzymkonzentrationen. Bedingun- gen bei den Immobilisierungsreaktionen: Je etwa 50 mg Trtiger 1 und thio- liertes a-Chymotrypsin tC1 in Britton-Robinson-Puffer pH 8,O wurden bei 22°C durchmischt. Die gebundenen Enzymmengen wurden bei 278 nm op- tisch bestimmt. - - 0 - 20,33 mg Enzym in 4,OO ml Puffer -B-m- 40,Ol mg Enzym in 4,00 ml Puffer -A-A- 64,08 mg Enzym in 4.00 ml Puffer

Enzymmengen dargestellt, Tab. 5 zeigt die Eigenschaften der nach zweistiin- diger Immobilisierungsdauer erhaltenen Immobilisate auf.

In Abb. 1 ist zu erkennen, daR die Immobilisierungsreaktion nach 2 h in jedem Fall beendet war. Es fallt hier auf, daR die Geschwindigkeit der Im- mobilisierungsreaktion am groRten war, wenn eine etwa lproz. Enzymlo- sung eingesetzt wurde. War die Konzentration hoher, wurde weniger immo- bilisiert. Dieses Verhalten wird darauf zuriickgefiihrt, dalj das a-Chymo- trypsin bei hoheren Konzentrationen Aggregate bildet, die wegen ihrer Grolje die innere und a u k r e Oberflache des Tragers nicht so gut erreichen kdnnen wie diskrete Enzymmolekiile. Aus Tab. 5 ist zu erkennen, dal3 die re- lative Aktivitat der immobilisierten Enzyme wie erwartet aus Griinden der Diffusionshinderung von Substrat und Produkt im Immobilisatpartikel bei

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Tab. 5 . Immobilisate aus der zweistiindigen Immobilisierungsreaktion von thiolier- tem a-Chymotrypsin tC1 mit Trager 1 bei pH 8,0 und 22°C.

Enzym- Enzym- Immob. Aktivitat relative Immob. menge konzen- Enzymmenge Aktivitat Ausbeute

tration (mg/g (U/g Immo- (mi?) (Gew.-Yo) Trager) bilisat) (TOO) (Yo)

20,33 0,51 51,2 1 123 12,78 11,9 4 0 , O l 1900 166,O 1 766 6 2 20,7 64,08 1 9 6 0 125,8 1 650 7-7 9,7

Bedingungen bei den Immobilisierungsreaktionen: Je etwa 50 rng Trager 1 und die an- gegebene Menge thioliertes a-Chymotrypsin tC1 in verschiedenen Volumina Britton- Robinson-Puffer wurden 2 h durchmischt. Im Gegensatz zu Abb. 1 wurden hier die gebundenen Enzymmengen nach Folin-Ciocalteu bestimmt 6.

dem Immobilisat am geringsten war, das die groljte Menge an immobilisier- tem Enzym enthielt.

Die Loslichkeit, Ladung und Aktivitat der eingesetzten Enzyme ist pH-ab- hangig. Auch die Eigenschaften der polymeren Trager sind vom pH-Wert abhangig. So ist bereits oberhalb von pH 7 die Reaktion von Aminogruppen mit Maleinimidderivaten beobachtet worden’, bei hoheren pH-Werten wird der Maleinimidring durch OH - -1onen hydrolysiert 8 . Weiterhin beeinfluljt, wie bereits erwahnt, die pH-abhangige Quellbarkeit des Tragers 2 die Immo- bilisierungsreaktion. Die grafische Darstellung in Abb. 2 zeigt, dal3 mit stei- gendem pH-Wert die am Trager 1 immobilisierte Menge thiolierten a-Chy- motrypsins tC3 abgenommen hat. Ursache dafiir mag eine geringe, an der Harzoberflache durch langsame Hydrolyse von Maleinimidgruppen entstan- dene Menge an Carboxylgruppen sein.

Durch die an der Harzoberflache befindlichen Carboxylatgruppen wurde eine Abstohng des Enzyms erfolgen und somit die Aufnahme durch den Trager erschwert werden.

Die Abnahme der aufgenommenen Enzymmenge bei hoherem pH-Wert wird bei der Immobilisierung am Trager 2 durch dessen pH-abhangige Quel- lung uberkompensiert (Abb. 3). Zwar nahm mit steigendem pH-Wert die im- mobilisierte Enzymmenge zunachst ebenfalls ab, oberhalb pH 7 wurden dann jedoch die reaktiven Gruppen des Tragers wegen dessen groljerer Quel- lung besser erreichbar, und die immobilisierte Enzymmenge nahm wieder zu.

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125 m .

I ,

5 6 7 8 9 pH-Wert

Abb. 2. Menge des am Trager 1 immobilisierten a-Chymotrypsins tC3 in Abhangig- keit vom pH-Wert. Bedingungen bei den Immobilisierungsreaktionen: Je etwa 50 mg Trager 1 und 45,08 mg thioliertes a-Chymotrypsin tC3 in 4,50 ml Britton-Robinson-Puffer wurden 110 min bei 22°C durchmischt.

P aJ m :a g 125, m . m 6 100

= 75 z aJ 0

50 LL! n 0 25 E E ._

I I I I 1

5 6 7 8 9 p H - Wert

Abb. 3. Menge des am Trager 2 immobilisierten a-Chymotrypsins tC3 in Abhangig- keit vom pH-Wert. Bedingungen bei den Immobilisierungsreaktionen: Je etwa 50 mg Trager 2 und 29,W mg thioliertes a-Chymotrypsin tC3 in 3,OO ml Britton-Robinson-fuffer wurden 4 h bei 0 "C durchmischt.

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Bei den Immobilisaten, die bei kleinen pH-Werten dargestellt worden wa- ren, wurden die hochsten enzymatischen Aktivitaten festgestellt. Sie lagen bei den Immobilisaten aus Trager 2 mit a-Chymotrypsin uber 2000 U/g. Die Werte fur die relative Aktivitat der Immobilisate wiesen deutliche Minima auf, wenn in der Nahe von pH 8,5, dem Maximum der enzymatischen Akti- vitat des a-Chymotrypsins, immobilisiert worden war (maximale Eigenver- dauung des Enzyms).

Ein Vergleich der Trager 1 und 2 bei der Immobilisierung verschiedener Enzyme (Tab. 6) zeigte, daI3 bei pH 6,O am Trager 1 mehr Enzym immobili- siert werden konnte als am Trager 2. Die Immobilisate aus Trager 2 wiesen jedoch immer hohere relative Aktivitat auf als die aus Trager 1. Dies ist durch die groBe Quellbarkeit des Tragers 2 zu erklaren.

Tab. 6. Immobilisierung verschiedener thiolierter Enzyme an den Tragern 1 und 2 bei pH 6,O.

Enzym Immob. Aktivitat Rel. Akt. Trager Enzymmenge (mg/g Trager) (U/g Immob.) (Yo)

a-Chymotrypsin 68,3 654 5,47 1 22,8 617 15,46 2

Trypsin 203,3 279 6,08 1 99,7 385 17,OS 2

Ribonuclease A 183,l 144 4,64 1 144,9 304 1 2 4 2

Bedingungen bei den Immobilisierungsreaktionen: Je etwa 50 mg des jeweiligen Tra- gers und 19,75 mg des thiolierten Enzyms in 1,30 ml Britton-Robinson-Puffer pH 6,O wurden 4 h bei 22°C durchmischt.

Die unter gleichen Bedingungen aufgenommenen pH-Profile der Aktivita- ten der Immobilisate an Trager 1 unterschieden sich nicht von denen der los- lichen Enzyme. So besalj an Trager 1 immobilisiertes a-Chymotrypsin seine maximale Aktivitat wie das geloste Enzym bei pH 8,5. Die Carboxylgruppen des Tragers 2 bewirkten eine Verschiebung der maximalen Aktivitat von im- mobilisiertem a-Chymotrypsin um eine pH-Einheit in den alkalischen Be- reich.

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Aus den Lineweaver-Burk-Diagrammen wurden die scheinbaren Km- Werte der Immobilisate aus a-Chymotrypsin und Trager 1 sowie Trager 2 bestimmt. Fur die Immobilisate rnit Trager 1 wurde ein mittlerer Wert von 6,85 mmol/Liter gefunden und fur die Immobilisate rnit Trager 2 ein Wert von 6,55 mmol/Liter. Dies zeigt, da13 zum Erreichen der gleichen Aktivitat von freiem und gebundenem Enzym beim immobilisierten Enzym eine ho- here Substratkonzentration notig war. Der Km-Wert von loslichem a-Chy- motrypsin wurde hier zu 2,83 mmol/Liter ermittelt.

Alle aus den Tragern 1 und 2 dargestellten Immobilisate wiesen eine sehr gute Langzeitstabilitat ihrer Aktivitat auf, so darj selbst nach monatelanger Lagerung bei 4 "C in Wasser kein Aktivitatsverlust auftrat.

Die Untersuchungen haben gezeigt, darj Harze rnit Maleinimidgruppen auf Polyacrylnitril-Basis zur Immobilisierung von Enzymen rnit SH-Grup- pen geeignet sind. Die Immobilisate aus diesen Tragern wiesen etwa die glei- che Aktivitat auf, wie schon fruher dargestellte Immobilisate rnit reaktiven Tragern rnit Maleinimidgruppen auf Polyvinylalkohol-Basis Auch die im- mobilisierten Enzymmengen lagen etwa in der gleichen GroBenordnung. Ge- genuber vernetztem Polyvinylalkohol bieten die Trager aus Polyacrylnitril einige Vorteile: Sie sind mechanisch stabiler als die stark quellenden Poly- vinylalkohol-Trager. Aurjerdem sind sie leichter und wesentlich schneller darstellbar. Die Immobilisierungsausbeuten waren meist wesentlich grorjer (etwa 25%) als bei den Immobilisaten auf Polyvinylalkohol-Basis (10%).

Experimenteller Teil

MeJgerate, Herkun f t der verwendeten Substanzen

Die Elementaranalysen wurden rnit einem Perkin-Elmer Analyser 240 im Institut fur Organische Chemie der Freien Universitat Berlin durchgefuhrt, die Infrarotspek- tren wurden rnit einem Perkin-Elmer IR-Spektrophotometer 237 aufgezeichnet, und die Messungen im sichtbaren und ultravioletten Spektralbereich wurden an einem modifizierten Beckman DB-Spektralphotometer erhalten.

Zur Gelfiltration wurden Saulen mit Sephadex G25 fine (Pharmacia) verwendet; die Anordnung zur pH-statischen Aktivitatsmessung der Enzyme bestand aus einem Metrohm-Dosimat 655 in Kombination rnit einem thermostatisierten GlasgefaD, einer Ingold-Glaselektrode und einer Kalomel-Referenzelektrode sowie einer Elektronik zur Steuerung des Dosimaten.

Die folgenden Substanzen wurden verwendet: Trypsin E.C.3.4.21.4. (Boehringer Mannheim, Nr. 109827); a-Chymotrypsin E.C.3.4.21.1. (Sigma-Chemie, Nr. C-4129); Ribonuclease A E.C.3.1.21.4. (Sigma-Chemie, Nr. R-4875); N-Benzoyl-L-

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argininethylester-hydrochlorid (BAEE) (Merck, Art. 1672); N-Acetyl-L-tyrosinethyl- ester-hydrat (ATEE) (Merck, Art 83); Cytidin-2',3 '-cyclophosphat Bariumsalz (Merck, Art. 24531); N-Acetyl-D,L-homocysteinthiolacton (AHTL) (Sigma-Chemie, Nr. A-9375); Bis-(4-nitrophenyl)-disulfid-3,3'-dicarbonsaure (DTNB) (EGA, D21,820-0); Folins Phenolreagenz (Merck, Art. 9001).

Das verwendete Wasser ist rnit einer Glasapparatur destilliert worden, bei Verwen- dung zur Thiolierung, Gelfiltration sowie bei den Aktivitatsmessungen wurde unter Stickstoff ausgekochtes und dann entgastes Wasser verwendet.

Maleinimid und N-Methylolmaleinimid wurden nach Tawney, Snyder et al. darge- stellt 9. lo.

Die Messung der Quellung der Polymeren und die quantitative Bestimmung der im- mobilisierten Enzymmengen erfolgte wie in beschrieben.

Darstellung der Ausgangspolymeren mit Nitrilgruppen

Die Copolymeren wurden bei 60 "C durch radikalische Polymerisation der Mono- meren mit Azo-isobutyronitril als Starter in einem abgeschmolzenen dickwandigen Rohr (Volumen etwa 35 ml) unter SauerstoffausschluD dargestellt. Die Monomeren waren kurz vor den Polymerisationsreaktionen frisch destilliert worden, der Vernet- zer 1 ,CDivinylbenzol wurde aus dem kauflichen Isomerengemisch nach Wiley I' abge- trennt. Nach dem Mischen der Monomeren rnit dem verwendeten Ldsungsmittel und dem Starter wurde die Ldsung dreimal eingefroren, im Vakuum aufgetaut und der Gasraum uber der Losung zum Entfernen des Sauerstoffs mit Stickstoff gespult. Nach dreitagiger Polymerisation wurden die Glasrohre geoffnet und das Harz dann zwei Tage lang rnit Dichlormethan extrahiert. Nach dem Trocknen wurde das Harz zur Ausbeutebestimmung gewogen und anschlieBend unter Petroleumbenzin gemah- len und auf KorngrdRen zwischen 0 , l O und 0,20 mm separiert.

Darstellung der reaktiven Trager mit Maleinimidgruppen

In einem zylindrischen Reaktionsgefs rnit Ruhrer wurden 15 mI konz. Schwefel- saure im Eisbad auf 0°C gekiihlt. Bei dieser Temperatur wurde ein Gemisch aus 1,00

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g des polymeren Nitrils und 2,00 g (1 5,74 mmol) feingepulvertes N-Methylolmalein- imid langsam eingetragen, so daB keine wesentliche Temperaturerhohung erfolgte. Die Harzsuspension wurde dann geriihrt und nach vorbestimmter Reaktionszeit auf etwa 50 g Eis gegossen. Der reaktive Trager wurde dann saurefrei gewaschen. Nach dem Verdrangen des Wassers mit Aceton wurde der Trager dann an der Luft getrock- net.

Trager 1 gef. C 5 4 9 H 5,45 N 13,Ol Trager 2 gef. C 52,12 H 6,49 N 8,23

Quantitative Bestimmung der Maleinimidgruppen

15 mg bis 20 mg der zu untersuchenden Probe wurden in einem Becherglas mit 10,O ml Wasser und 2,O ml einer etwa 0,Ol M Cysteinlosung versetzt. In einem zweiten Be- cherglas wurde als Vergleichslosung ebenfalls 10,O ml Wasser und die gleiche Cystein- losung miteinander gemischt. Ein drittes Becherglas enthielt nur 12,O ml Wasser fur den 100-Prozent-Abgleich des Photometers. Je 1 ,00 ml DTNB-Reagenz (0,Ol M DTNB in 0.10 M Phosphatpuffer pH 7,O) pipettiert. Aus dem Unterschied in der Transmission bei 412 nm der MeBldsung und der Vergleichslosung wurde dann der Maleinimidgehalt der Probe errechnet.

Thiolierung der Enzyme

Die Thiolierung der Enzyme wurde ebenso wie in1 durchgefiihrt, jedoch wurde das thiolierte Enzym hier durch Gelfiltration von niedermolekularen Beimengungen abge- trennt. Die Gelfiltration geschah in einer thermostatisierten Saule (4 "C, Lange 90 cm, Innendurchmesser 25 mm), die mit Sephadex G25 gepackt war. Eluiert wurde rnit Wasser. Die Fraktion, die das thiolierte Enzym enthielt, wurde im AnschluS gefrier- getrocknet und dann das Gewicht, der SH-Gehalt und die Aktivitat des thiolierten Enzyms bestimmt.

Quantitative Bestimmung der Thiolgruppen

Eine genau ausgewogene Menge der zu untersuchenden Substanz wurde in einem bekannten Volumen Wasser gelost. Jeweils 20,O ml 0,lO M Phosphatpuffer pH 8,O wurden dann in zwei Becherglasern mit 1,00 ml DTNB-Reagenz versetzt (0,Ol M DTNB in 0,lO M Phosphatpuffer pH 7,O). Zum Inhalt des einen Becherglases wurde eine bekannte Menge der Ldsung des zu untersuchenden Stoffes pipettiert, zum ande- ren dieselbe Menge Wasser. Mit dieser Referenzlosung wurde dann 15 min splter am Photometer bei 412 nm der 100-Prozent-Abgleich vorgenommen und dann die Trans-

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Immobilisierung von Enzymen. 2

mission der gelben Losung bestimmt. Durch Vergleich dieser Transmission mit einer genau bekannten Cysteinlosung wurde dann der SH-Gehalt der Substanz bestimmt.

Messung der Enzymaktivitaten

Die Messung der Enzymaktivitaten erfolgte fur a-Chymotrypsin und Trypsin wie in beschrieben.

Fur Ribonuclease A wurde als Substratlosung 1,50 ml einer 22,2 pM Cytidin-2’3 ’- cyclophosphat-losung eingesetzt, die 0,lO M an NaCl war. Hier wurde mit 0,OS M Natronlauge bei pH 7,l titriert.

Durchfuhrung der Immobilisierungsreaktionen

Sechs Zentrifugenglaser mit einem Durchmesser von 13,s mm und einer L u g e von etwa 100 mm wurden um ein zentrales Glas gleicher Abmessungen hexagonal ange- ordnet und in dieser Lage durch Klebestreifen fixiert, nachdem sie mit genau abgewo- genen Mengen des Tragers beschickt und gekennzeichnet worden waren. Das Bundel wurde dann in ein thermostatisiertes Bad gesenkt. Im Zentrum eines jeden Glases be- fand sich ein Glasstab (Durchmesser 7 mm), der zum Durchmischen des Immobilisie- rungsgemisches in Schwingungen versetzt werden konnte.

In die Glaser wurde dann die gewunschte Menge Enzymlosung pipettiert. Ein ali- quoter Teil dieser Losung wurde in einen 250 ml-Mebkolben pipettiert und mit 1 M NaC1-Losung aufgefullt.

Nach beendeter ImmobiIisierung wurden die Enzymlosungen aus jedem Glas uber eine Fritte ebenfalls in 250 ml-MeBkolben gepumpt und die Immobilisate mit 1 M NaC1-Losung auf 250 ml gewaschen.

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