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496 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. Rechte richtet, bedeute, wenn die Frage der Erbschaftssteuerpflicht vor der Inventarisation entschieden werden muß. Wenn ein Schweizer mit Hinterlassung von Verwandten gleichen Grades, wie sie Ferrari hinterlassen hat, stirbt und ein Testament hinterläßt, worin er die Ehefrau zur Universalerbin einsetzt, so darf auch keine Inventarisation stattfinden, bevor die Frage entschieden ist, ob die Witwe oder jene Verwandten im konkreten Falle erbschafts- steuerpflichtig sind. Der Regierungsrat hat übrigens keinen ein- zigen derartigen Fall aus der bisherigen Praxis angeführt, wo- nach beim Tode von Schweizerbürgern, die ihr Vermögen dem über- lebenden Ehegatten hinterlassen haben, die Frage der Erbschafts- steuerpsticht erst nach der Inventarisation entschieden worden wäre. 6. — Es ergibt sich überhaupt, insbesondere aus der Verfügung der Finanzdirektion vom 17. M ai 1910 und ihrem Kreisschreiben vom 15. März 1887, daß der Hauptgrund für den angefochtenen Beschluß darin liegt, daß die Steuerbehörden sich über die Größe des Nachlasses Gewißheit verschaffen wollen, um danach die zu- künftige Besteuerung zu regeln und unter Umständen eine Nach- steuer beziehen zu können. Dieser G rund hätte aber den angefoch- tenen Beschluß nach Gesetz nicht gerechtfertigt, weil die Inventari- sation gemäß § 27 des Vermögenssteuergesetzes nur zur Berech- nung der Erbschaftssteuer oder auf besonderes Verlangen eines Steuerpflichtigen zulässig ist, also bloß aus dem Grunde, um Ein- blick i n die Vermögensverhältnisse eines Steuerpflichtigen zu er- halten, nicht angeordnet werden darf. E s erklärt sich deshalb auch, daß die Begründung des angefochtenen Beschlusses weder durch das Erbschaftssteuergesetz, noch sonstwie gerechtfertigt werden kann und zudem widerspruchsvoll ist. D er angefochtene Beschluß ist daher nicht bloß unrichtig, sondern muß geradezu als willkürlich be- zeichnet werden. Die Willkürlichkeit liegt darin, daß der Regierungs- rat eine Jnventarisatian, die nur zum Zwecke der Berechnung der Erbschaftssteuer zulässig ist, anordnet, obwohl er selbst nicht be- hauptet, daß irgend ein Erbe steuerpflichtig sei, und also die gesetz- liche Grundlage für die Inventarisation offenbar fehlt, und darin, daß infolgedessen auch die im angefochtenen Beschlüsse angeführten Gründe mehr den Charakter vorgeschobener als wirklicher Gründe haben.

Rechte richtet, bedeute, wenn die Frage der ... · Rechte richtet, bedeute, wenn die Frage der Erbschaftssteuerpflicht vor der Inventarisation entschieden werden muß. Wenn ein Schweizer

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496 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Rechte richtet, bedeute, wenn die F rage der Erbschaftssteuerpflicht vor der Inv en tarisa tion entschieden werden muß. W enn ein Schweizer m it H interlassung von Verwandten gleichen G rades, wie sie F errari hinterlassen hat, stirbt und ein Testament hinterläßt, worin er die Ehefrau zur Universalerbin einsetzt, so darf auch keine Inv en tarisa tion stattfinden, bevor die F rage entschieden ist, ob die W itw e oder jene Verwandten im konkreten Falle erbschafts­steuerpflichtig sind. D er R egierungsrat hat übrigens keinen ein­zigen derartigen F a ll au s der bisherigen P ra x is angeführt, wo­nach beim Tode von Schweizerbürgern, die ihr Vermögen dem über­lebenden Ehegatten hinterlassen haben, die F rage der Erbschafts- steuerpsticht erst nach der Inv en ta risa tion entschieden worden wäre.

6. — E s ergibt sich überhaupt, insbesondere au s der Verfügung der Finanzdirektion vom 1 7 . M a i 1 9 1 0 und ihrem Kreisschreiben vom 1 5 . M ärz 1 8 8 7 , daß der H auptgrund fü r den angefochtenen Beschluß darin liegt, daß die Steuerbehörden sich über die Größe des Nachlasses Gewißheit verschaffen wollen, um danach die zu­künftige Besteuerung zu regeln und unter Umständen eine Nach­steuer beziehen zu können. Dieser G rund hätte aber den angefoch­tenen Beschluß nach Gesetz nicht gerechtfertigt, weil die In v e n ta r i­sation gemäß § 27 des Vermögenssteuergesetzes n u r zur Berech­nung der Erbschaftssteuer oder auf besonderes Verlangen eines Steuerpflichtigen zulässig ist, also bloß au s dem G runde, um E in ­blick in die Vermögensverhältnisse eines Steuerpflichtigen zu er­halten, nicht angeordnet werden darf. E s erklärt sich deshalb auch, daß die Begründung des angefochtenen Beschlusses weder durch das Erbschaftssteuergesetz, noch sonstwie gerechtfertigt werden kann und zudem widerspruchsvoll ist. D er angefochtene Beschluß ist daher nicht bloß unrichtig, sondern muß geradezu a ls willkürlich be­zeichnet werden. D ie Willkürlichkeit liegt darin, daß der R egierungs­ra t eine Jn ven tarisatian , die n u r zum Zwecke der Berechnung der Erbschaftssteuer zulässig ist, anordnet, obwohl er selbst nicht be­hauptet, daß irgend ein Erbe steuerpflichtig sei, und also die gesetz­liche G rundlage für die Inven tarisa tion offenbar fehlt, und darin, daß infolgedessen auch die im angefochtenen Beschlüsse angeführten G ründe mehr den Charakter vorgeschobener a ls wirklicher Gründe haben.

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 91. 497

Demnach hat das Bundesgericht e r k a n n t :

D er Rekurs wird gutgeheißen und demgemäß der Beschluß des R egierunsrates des K an ton s Zürich vom 2. J u l i 1 9 1 0 aufge­hoben.

91. Mrteil vom 15. Dezember 1910 in Sachen IraM gegen Zürich.

Verspätung eines erst in der Replik zu einem staatsrechtlichen Rekurse geltend gemachten Rekursgrundes ; Bedeutung und prozessuale Trag­weite einer gleichzeitig erfolgten Intervention der Regierung des Heimat­staates des Rekurrenten. (Erw. 1). — Bestimmung des Umfangs der Inventarisationspflicht in einem Erbschaftssteuerfall. Aufforderung des Erben zur Einreichung eines Inventars über den gesamten Nach­lass und nicht nur über den voraussichtlich der Erbschaftssteuerpflicht unterliegenden Teil der Hinterlassenschaft. Erscheint eine solche Auf­forderung als willkürlich? (Erw. 6). — Kann sie im Kanton Zürich ohne Willkür vom R eg ieru ng sra t erlassen werden, oder liegt darin ein staatsrechtlich anfechtbarer, zum Nachteil des Steuerpflichtigen begangener Eingriff in die Kompetenzen der Taxationsorgane ( «Schätzungs- und Expertenkommission»)? (Erw. 2 und 3). - ­Kann mit der betreffenden Aufforderung u. U. die Androhung verbunden werden, dass im Falle fortgesetzter Nichterfüllung der Inventarisationspflicht angenommen ivürde, das erbschaftssteuer­pflichtige Vermögen sei so und so gross, und es betrage infolgedessen die geschuldete Erbschaftssteuer so und so viel? (Erw. 4). — Ist hie­bei in casu in willkürlicher Weise ein zu hoher Vermögensbetrag an­genommen worden? Konnte ohne W illkür das Eintreten auf partielle Gegenbeweise gegenüber den in der Androhung enthaltenen Ziffern verweigert werden ? (Erw. 7). — Konnte eine entsprechende Androhung ohne Willkür zugleich auch hinsichtlich einer eventuell geschuldeten Nachsteuer erlassen werden? (Erw. i i) . — Zulässigkeit der Ver­schärfung einer Verfügung der Finanzdirektion durch den Regie­rungsrat, trotzdem ein « Rekurs » nur vom Steuerpflichtigen ergriffen worden war (Erw. 8). — Eingriff des Regierungsrates in die Kom­petenzen der Taxationsorgane, durch Einforderung zahlreicher Be­lege über die Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen (Erw. 9). — Willkürlich verschiedene Auslegung des steuerrechtlichen Begriffs « mit Grundeigentum verbundenes Besitztum ». je nachdem es sich

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um auswärtiges Besitztum von Kantonseinwohnern oder aber um innerkantonales Besitztum auswärts Wohnender handelt (Erw. 42). — Willkürliche Erhebung einer Nachsteuer Forderung für Vermögens­objekte, die jahrelang mit Wissen und Willen der Steuerbehörden, weil mit auswärtigem Grundbesitz verbunden, im Inland nicht versteuert worden waren (Erw. 13).

A. — D er am 4 . J u l i 1 9 0 7 in Zürich verstorbene Adoptiv­vater des Rekurrenten, E m anuel H enry B ran d t, von Archanget (R u ß lan d ), w ar, wie auch der R ekurrent, Teilhaber der F irm a E . H . B ran d t & Cie. in S t . P etersburg . Diese F irm a besaß in R u ß ­land ausgedehnte Ländereien (namentlich W älder), mit zahlreichen Sägewerken, und betrieb einen umfangreichen Holzhandel. D e r genannte E m anuel H enry B ran d t w ar ferner Eigentüm er einer z. Z . auf zirka 2 M illionen Franken geschätzten Liegenschaft in Zürich, sowie Teilhaber einer Kommandite von 1 5 0 ,0 0 0 F r . bei Seemann & E ie ., W einhandlung in Zollikon. Endlich besaß er bei Escher & R a h n in Zürich ein Wertschristendepot im B etrage von zirka 5 0 0 ,0 0 0 F r . , sowie ein Kontokurrentguthaben von 2 5 ,0 0 0 F r . I n Zürich versteuerte er einen Verm ögensbetrag, der dem W erte der Liegenschaft und der Kom m andite entsprach, sowie ein Einkommen von 1 2 ,0 0 0 F r . W ährend er die Verpflichtung zur Versteuerung der Liegenschaft in Zürich und der Kommandite in Zollikon stets anerkannt hatte (wobei bloß die Schätzung der Liegenschaft hin und wieder zu Differenzen A nlaß gab), hatte er seine Verpflichtung zur Versteuerung des E i n k o m m e n s wiederholt bestritten, weil er dieses Einkommen a u s dem Geschäft in R ußland beziehe und bereits dort versteuern müsse; immerhin erklärte er, einen B etrag von 1 2 ,0 0 0 F r. freiwillig in Zürich versteuern zu wollen. A ls im J a h re 1 9 0 3 die Steuerkommission die Taxation des Einkommens auf 1 4 ,0 0 0 F r . erhöhte, produ­zierte er im V erfahren vor der „Rekurskommission" zwei no ta­rielle Bescheinigungen über den U m fang der der F irm a E . H . B rand t & Cie. in R uß land gehörenden Ländereien (9 3 ,9 0 0 Hektaren), nebst einem Verzeichnis der damit verbundenen Sägewerke. D er Steuerkommissär verlangte darauf eine zweite V erhandlung, um inzwischen die von B ran d t eingelegten Urkunden näher prüfen zu können. A uf G rund jener Dokumente reduzierte dann am 13. M ärz

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l. Rechtsverweigerung. — 6) Materielle. N» 91, 499

1 9 0 4 die Rekurskommission das in Zurich steuerpflichtige E in ­kommen auf 1 2 ,0 0 0 F r . Gleichzeitig setzte sie das in Zürich zu versteuernde V e r m ö g e n auf 1 ,0 5 0 ,0 0 0 F r . fest. D en Anteil B ran d ts an dem russischen Geschäfte zur V e r m ö g e n s s t e u e r heranzuziehen, wurde weder bei diesem Anlasse, noch überhaupt je bei Lebzeiten des G enannten versucht.

Durch Testament vom 6 ./7 . A p ril 1 9 0 8 setzte E . H . B ran d t zu seiner Universalerbin seine E hefrau I d a geb. B rau d t ein, und in einem vom 7. A pril 1 9 0 8 datierten Nachtrag „ersuchte" er sie, sofort nach seinem Tode ein Testament zu errichten und darin den R e­kurrenten zu ihrem Universalerben einzusetzen, mit der Auflage, eine A nzahl näher bezeichnete Legate auszurichten. F ü r den F a ll des Vorversterbens seiner Ehefrau sollte dieser Nachtrag a ls I n ­halt des eigenen Testam ents des E m anuel H enry B ran d t gelten. Ih re rse its hatte vie genannte I d a B ran d t geb. B ran d t noch vor dem Tode des Em anuel H enry B ran d t zu ihrem Universalerben den R e k u r r e n t e n eingesetzt.

A m 1 1 . J u l i 1 9 0 8 kam zwischen der W itw e des Em anuel H en ry B ran d t uno dem Rekurrenten eine Vereinbarung zustande, gemäß welcher jene zu G unsten dieses auf den A n tritt der E rb ­schaft verzichtete, wogegen ihr die lebenslängliche Nutznießung am Nachlaß eingeräum t wurde.

A m 1 8 . J u l i verstarb auch die W itwe B ra n d t, und es ist infolgedessen der Rekurrent unbeftrittenermaßen alleiniger Erbe des E m anuel H enry B rand t.

D er Rekurrent w ohnt in R uß land und ist, nunm ehr zusammen m it dem früheren Prokuristen P eter Schram m , Teilhaber der F irm a E . H . B ran d t k Cie.

W ie ein am 7 ./2 0 . J u l i 1 9 0 8 verschicktes Z irku la r der F irm a besagt, w ar nach dem Tode des E m anuel H enry B rand t dessen W itw e I d a B ran d t stille Teilhaberin des Geschäftes geworden. E nde A ugust wurde jedoch die Löschung ihrer Anteilschaft infolge Todes publiziert.

A m 1 1 . J u l i 1 9 0 8 w aren inzwischen „die Erben des Em anuel H en ry B ran d t" vom „Steuerw esen" der S ta d t Zürich aufgefordert m orden, innert zwei Wochen ein In v e n ta r über den gesamten Nachlaß einzureichen.

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500 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

A uf diese Aufforderung hin reichte der Rekurrent am 1 6 . J u l i ein vom 13. J u l i 1 9 0 8 datiertes und von ihm unterzeichnetes In v e n ta r ein, das sich indessen n u r auf das in Zürich befindliche Vermögen bezog. Dieses wurde folgendermaßen angegeben:

Liegenschaft in Zürich V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .F r. 1 ,0 0 0 ,0 0 0Kommandite bei A. Leemann & Cie. in

Z o l l i k o n ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ 1 5 0 ,0 0 0H a u s ra t, Fahrhabe aller A rt inkl. landw irt­

schaftliches In v e n ta r .. ................................. „ 2 0 0 ,0 0 0wobei folgende Bemerkung beigefügt wurde:

„D ie in R ußland befindlichen Liegenschaften (große W aldungen) „fallen fü r die zürcherischen Behörden lau t ihren bisherigen E n t­scheiden hier nicht in B etracht."

Am 1 3 . A ugust 1 9 0 8 forderte der S teuervorstand der S ta d t Zürich den Rekurrenten auf, in das In v e n ta r auch den im B e­sitze des E m anuel H enry B ran d t gewesenen Effektenbestand (Aktien und O bligationen), sowie dessen anderweitige G uthaben aufzu­nehmen ; desgleichen den ausländischen Liegenschaftenbesitz, und zwar letzteres nicht etwa deshalb, weil dieser Liegenschaftenbesitz a ls in Zürich steuerpflichtig betrachtet würde, sondern deshalb, weil sonst eine Berechnung der in P rozenten des gesamten Verm ögens a u s ­gesetzten Legate nicht möglich sei. Z u r Einreichung eines in den angegebenen Richtungen vervollständigten In v e n ta r s wurde dem Rekurrenten bis 1 9 . August 1 9 0 8 F rist gesetzt; desgleichen zur Einreichung eines In v e n ta r s über den Nachlaß der W itw e des E m anuel H enry B rand t.

Am 2 0 . A ugust 1 90 8 gab der Rekurrent die E rk lärung ab, daß die W itwe I d a B ran d t außer Kleidern und einigen Schmuck­sachen, beides zusammen im W erte von zirka 2 0 0 0 F r . , kein Vermögen hinterlassen habe. W a s das In v e n ta r über den Nach­laß des Em anuel H enry B rand t betreffe, so seien darin die dem Verstorbenen gehörig gewesenen Aktien deshalb nicht enthalten, weil sie in R ußlano bei dortigen Banken zur Beschaffung des B etriebskapitals fü r die S ägem ühlen der F irm a E . H . B ran d t & Cie. deponiert gewesen seien, und eine Versteuerung derselben in Zürich somit nicht in F rage kommen könne. Ebenso verhalte es sich mit den allfälligen G uthaben der F irm a E , H . B ran d t

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N« 91. 501

& Cie. Alle russischen M ü d en seien bereits in R ußland mit der Erbschaftssteuer belegt worden, und Doppelbesteuerung sei nach dem russisch-schweizerischen S ta a tsv e rtra g unzulässig. Vermächtnisse seien keine zu berücksichtigen; die von E m anuel Henry B ran d t im Nachtrag zu seinem Testament vorgesehenen Legate seien vahin- gefallen, weil der genannte vor seiner E hefrau gestorben sei.

Demgegenüber beharrte der S teuervorstand auf der Einreichung des In v e n ta r s über den gesamten N achlaß, wobei er bemerkte, daß selbstverständlich die Finanzdirektion die der Besteuerung im K an ton Z ürich nicht unterliegenden Aktiven bei der Berechnung der Erbschaftssteuer außer Betracht lassen werde. W enn auch die Legate vielleicht dahingefallen seien, so müsse der F isku s nichts­destoweniger dafür sorgen, daß deren W ert fü r alle Fälle fest­gesetzt werde, da ein Obsiegen der Legatare in einem bezüglichen Prozesse immerhin denkbar und alsdann von den Vermächtnissen eine besondere Erbschaftssteuer zu entrichten sei. Endlich werde vom Rekurrenten die Einreichung beglaubigter Abschriften der in S t . Petersburg befindlichen Z in s - und Handelsbücher verlangt, damit das In v e n ta r gemäß § 2 8 des Steuergesetzes m it diesen Büchern verglichen werden könne.

A m 2 6 . A ugust weigerte sich der Rekurrent, diesen Aufforde­rungen nachzukommen.

A m 1 0 . Septem ber 1 9 0 8 erwirkte die Finanzdirektion für eine „unbestimmte, zwei M illionen kaum übersteigende Erbschafts- und Nachsteuerforderung" einen Arrest auf die im K an to n Zürich be­findlichen Aktiven des Rekurrenten, d. h. auf die Liegenschaft in Z ürich , die Kommandite bei Seemann Sc Cie. in Zollikon und „allfällig weiter vorhandenes bewegliches Vermögen, wie W ert- „schriften u . dergl."

I n der Folge ist dieser Arrest fü r eine Gesamtsteuerforderung von 2 ,4 5 9 ,7 9 5 F r . gültig erklärt worden. D ie Arrestobjekte sind be­treibungsam tlich au f 2 ,3 6 1 ,6 7 3 F r . 2 0 C ts . geschätzt. Eine Arrestaufhebungsklage, sowie ein den Arrest betreffendes Revisions­und Erläuterungsgesuch des Rekurrenten wurden zuständigen O r ts abgewiesen. E in weiteres Revisionsbegehren wurde vom Rekur­renten zurückgezogen, nachdem die Finanzdirektion inzwischen eine „E rgänzu ng " des A rrests fü r den B etrag von 4 5 9 ,7 9 5 F r . er­wirkt hatte.

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B . — A m 1 5 . Oktober 1 9 0 8 verfügte die F inanzdirektion:„I. D en E rben, bezw. Legataren des Em anuel H enry B ran d t,

„von Archange! (R u ß la n d ), w ohnhaft gewesen an der Südstraße „N o. 4 0 in Zürich V", werden folgende S teuernachzahlungen pro 1 9 0 6 und 1 9 0 7 , E rgänzungssteuern pro „1 9 0 8 , I . H alb jahr, bezw. Erbschaftssteuern auferlegt:

,,a) S teuernachzahlungen und E rgänzungssteuern:„1 . an den K an ton Zürich . . . . F r . 7 0 6 ,8 7 5„2 . an die S ta d t Z ü r i c h .................... „ 9 4 5 ,3 0 0„3 . an die Kirchgemeinde Neumünster-

„ Z ü r i c h ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ 7 8 ,7 7 5,,b ) Erbschaftssteuern an den K an to n Zürich „ 7 2 8 ,8 4 5

zusammen F r . 2 ,4 5 9 ,7 9 5„II. Diese S teuerbeträge sind sofort abzuliefern..... (folgt die

„Bezeichnung der bezugsberechtigten A m tsstellen).„ I I I . D e r E rbe W ilhelm Em anuel B ran d t haftet fü r den auf

„die Legate entfallenden Teil der Erbschaftssteuer solidarisch (§ 6 „des Erbschaftssteuergesetzes).

„IV . I n Bezug auf die Berechnung der Steuernachzahlungen „und Ergänzungssteuern an die S ta d t Zürich und die K irch­gem einde Neumünster bleibt die B estätigung seitens der S te u e r­Sektion des S ta d tra te s Zürich bezw. der K irchengutsverw altung „N eum ünster borbehalten.

„V . D em E rben W ilhelm Em anuel B ran d t wird eine Frist „von 1 4 Tagen, von der M itte ilung der gegenwärtigen V erfügung „ a n gerechnet, um der vorstehend unter G. 2 . Absatz angeführten „A uflage betreffend Aufschlußerteilung und Verlegung der Bew eis­m it te l über die Erbschaftsverhältnisse in Sachen E . H . B ran d t „im erwähnten Umfange durch Einreichung an den Steuervorstand „der S ta d t Zürich zu Händen der Schätzungskommission Folge „zu leisten, unter der A ndrohung, daß sonst angenommen würde, „es sei ihm nicht möglich, die Unrichtigkeit der vorstehenden Ver- „mögensberechnung und S teuerforderung d arzu tun ."

D ie Begründung dieser V erfügung läßt sich folgendermaßen zusammenfasfen:

D ie F rage , in welchem Umfange der Nachlaß des E . H . B rand t der zürcherischen Erbschaftssteuer unterstehe, sei au f G rund eines

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die sämtlichen Aktiven und Passiven des Nachlasses umfassenden In v e n ta rs zu entscheiden; denn der vom Bundesgericht fü r das interkantonale V erhältn is ausgesprochene Grundsatz, daß nicht die einzelnen, zum erbschaftssteuerpslichtigen Teil eines Nachlasses ge­hörenden S a c h e n Gegenstand der Erbschaftssteuer seien, sondern der B etrag r e i n e n V e r m ö g e n s , den sie m it Rücksicht auf den S ta n d des gesamten Nachlasses repräsentieren (B G E 10 S . 4 4 7 f .) , greife auch im V erhältn is ver in Zürich erbschasts- steuerpflichtigen Aktiven zu den ausländischen Liegenschaften eines Nachlasses P latz. Um festzustellen, welchen B etrag reinen V er­m ögens die im K an ton Zürich erbschaftssteuerpflichtigen Aktiven des Nachlasses B ran d t bilden, müsse deshalb der ganze Nachlaß eruiert werden. Ferner könne nicht bezweifelt werden, daß der E rb ­schaftssteuer am W ohnorte des Erblassers (Z ürich ) — mit einziger A usnahm e der ausw ärtigen Liegenschaften — das ganze übrige Vermögen des E m anuel H enry B ran d t, also auch a u sw ä rts a n ­gelegtes, unterw orfen sei. A rt. 4 , Abs. 3 (im französischen O r i ­ginaltext ist es Abs. 4 ) des S taa tso e rtrag e s zwischen R ußland und der Schweiz stehe dieser Besteuerung nicht entgegen, da der Verstorbene ja in Zürich domiziliert gewesen sei. D er zürcherischen Erbschaftssteuer unterliege demnach — von den in R ußland be­findlichen W aldungen und Sägewerken des Erblassers abgesehen — alles, w as sich nicht a ls gesetzliche Zubehörde dieser Sägewerke darstelle, insbesondere die beweglichen Betriebsgerätschaften, Holz- und andern V orräte in rohem oder verarbeitetem Zustande, Buch- und Bankguthaben, Betriebskapital, ferner das übrige bewegliche Firm averm ögen in S t . P etersburg , soweit der Erblasser daran Anteil hatte, also auch seine dort deponierten Aktien. A u s der G röße der der F irm a E . H . B ran d t k Cie. gehörenden, allem Anscheine nach hypothekenfreien Ländereien und Sägewerke, a u s dem Umstande sodann, daß dieselben offenbar ganz von E . H . B ran d t eingebracht worden seien und also ihr E rtra g (zirka 2 M illionen per J a h r ) in der Hauptsache ihm zugeflossen sei, sowie a u s der notorischen Tatsache, daß der Verstorbene sehr einfach lebte, müsse n u n aber geschlossen werden, daß E . H . B ran d t während der 3 0 J a h re seiner Niederlassung in Zürich wenigstens 15— 2 0 M illionen zurückgelegt und also auch mindestens ebensoviel

AS 36 I — 1910 34

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im In v e n ta r nicht angegebenes bewegliches Vermögen hinterlassen habe. D a ra u s ergebe sich folgende Berechnung:

I. N a c h s te u e r :D er Verstorbene sei verpflichtet gewesen, an seinem W ohnorte

Zürich nicht bloß die dortige Liegenschaft und die Kommandite bei Seemann & Cie., sondern überhaupt sein ganzes bewegliches Vermögen zu versteuern; n u r seine ausländischen Liegenschaften samt gesetzlicher Zubehörde seien (gemäß § 3 l i t t , b des S t a a t s ­steuergesetzes und B G E 31 I S . 3 3 ff., speziell S . 4 4 ) von dieser Steuerpflicht ausgenommen gewesen. S o m it erstrecke sich die Nachsteuerpflicht auf die nämlichen Objekte, welche der Erbschaftssteuerpflicht unterw orfen seien. E s sei nicht richtig, daß die Steuerkommission oder ein anderes T axationsorgan einen Teil des beweglichen Verm ögens a ls steuerfrei erklärt habe, sondern die Behörden seien von E m anuel H enry B ran d t einfach im Unklaren über sein bewegliches Vermögen gelassen worden. D ie S te u e r­kommission sei auch nicht berechtigt gewesen, etwas steuerpflichtiges steuerfrei zu lassen, und es müßte daher schon deshalb die Nach­steuer eintreten. A uf der B asis einer ungesetzlichen Nichtversteue­rung von 15 M illionen — zw ar habe der Verstorbene auch seine Zürcher Liegenschaft ungenügend versteuert; es solle aber der der Nachsteuerberechnung zu G runde zu legende M ehrbetrag „an diesem O rte gleichwohl bloß auf 15 M illionen veranschlagt" werden — ergebe sich n u n :

a ) Nachsteuer an den S ta a t : pro 1 9 0 6 : 5 x 4 7 2 % o von 15 M illionen . . F r- 3 3 7 ,5 0 0pro 1 9 0 7 : ebensoviel . f f 3 3 7 ,5 0 0pro 1 9 0 8 : Einfache E r ­gänzungssteuer, 4 )/ 2 % 0 von 1 5 M illionen für 6 M o n a te .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

f f 3 1 ,8 7 5T otal der Nachsteuer anden S t a a t . . . . . Fr - 7 0 6 ,8 7 5

Ü b e rtra g : Fr-

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N» 91. 505

Ü b e rtra g : F r .b ) Nachsteuer an die S ta d t

Zürich (au f der gleichenB asis berechnet) . . . „ 9 4 5 ,3 0 0

c) Nachsteuer an die Kirch-gemeindeNeumünfter (en t­sprechend berechnet) . . „ 7 8 ,7 7 5T ota l der Nachsteuern . F r . 1 ,7 3 0 ,9 5 0

I I . E r b s c h a f t s s t e u e r :F ü r diese sei von folgendem Vermögen auszugehen:

Liegenschaft in Zürich , nach amtlicher W ertung . . .

Kommandite bei A . Seemann k Cie. in Zollikon . . .

Fahrhabe in Zür i c h . . . . Ü briges bewegliches Vermögen,

m in d es te n s ........................S u m m a

Hievon abzuziehen: Nachsteuern Erbschaftssteuerpflichtiges V er­

mögen .............................S u m m a

Hievon 3 % Erbschaftssteuer .Legatsteuer:

(D ie Legate seien nämlich offen­bar trotz dem Erbverzicht der W itw e I d a B ran d t gültig und würden jedenfalls a u s ­bezahlt werden.)

von den in Prozenten des V er­mögens ausgesetzten Legaten

von den kleineren Legaten . .

F r . 2 ,1 7 9 ,4 6 0

„ 1 5 0 ,0 0 0„ 200,000

„ 1 5 ,0 0 0 ,0 0 0 F r . 1 7 ,5 2 9 ,4 6 0

„ 1 ,7 3 0 ,9 5 0

„ 1 5 ,9 9 8 .5 1 0F r . 1 5 ,7 9 8 ,5 1 0 F r . 1 ,7 3 0 ,9 5 0

„ 4 7 3 ,9 5 5

F r . 2 5 1 ,6 5 0„ 3 2 4 0

Gesamlforderung F r . 2 ,4 5 9 ,7 9 5 Diese S teuersorderung, m it der ih r zu G runde liegenden V er­

mögensberechnung, werde in dem S in n e aufgestellt, daß ange-

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506 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassnng.

nommen wurde, es sei dem R ekurrenten nicht möglich, ihre U n ­richtigkeit darzutun, fa lls er nicht binnen angemessener F ris t die sämtlichen auf die Verm ögenslage des E m anuel H enry B ran d t Bezug habenden Aufschlüsse erteile und die „diesfälligen Z in s - unb Handelsbücher, Vermögensverzeichnisse und übrigen Urkunden" vorlege, soweit sie erforderlich seien, um an der H and derselben die Überzeugung zu gewinnen, daß sie über die Erbschaftsverhält­nisse vollen Aufschluß geben".

F ü r den F a ll, daß sich im weiteren Verlaufe des V erfahrens ein größeres, im K an ton Zürich steuerpflichtiges Vermögen, a ls das in Anschlag gebrachte, ergeben sollte, bleibe die E rhöhung der Erbschaftssteuer, sowie auch der Nachsteuer, Vorbehalten; desgleichen die E rhöhung der Erbschaftssteuer, fa lls sich ergeben sollte, daß die W itw e B ran d t, außer den Kleidern und einigem Schmuck, eigenes Vermögen hinterlassen habe.

A uf der G rundlage dieser V erfügung der Finanzdirektion wurde der Rekurrent sodann am 2 4 . Oktober 1 9 0 8 von der S teuer- seklion des S ta d tra te s Zürich zur Z ah lu ng folgender B eträge an die Stadtkasse aufgefordet:

Nachsteuern pro 1 9 0 6 und 1 9 0 7 . . . . F r . 9 0 0 ,0 0 0Einfache Ergänzungssteuer pro 1 9 0 8 . . . „ 4 5 ,0 0 0

T o ta l 945^000(affo 3 0 0 F r . weniger, a ls die Finanzdirektion berechnet hatte).

E benfalls auf G rund der V erfügung der Finanzdirektion vom 1 5 . Oktober 1 9 0 8 forderte am 2 0 ./2 7 . Oktober 1 9 0 8 die Kirchen­gutsverw altung Neumünster nam ens der Kirchgemeinde die Z ah lung einer Nachsteuer von 7 8 ,7 5 0 F r . (also 25 F r . weniger, a ls nach der Berechnung der Finanzdirektion).

F ü r die in der V erfügung der Finanzdirektion ausgestellte Gesamtforderung von 2 ,4 5 9 ,7 9 5 F r . wurde ferner am 3 1 . Ok­tober nam ens des S ta a te s , der S ta d t und der Kirchgemeinde die Arrestprosequierungsklage erhoben. D ie B ehandlung dieser Klage ist vom Bezirksgericht Zürich b is nach Beendigung des Admini­strativverfahrens sistiert worden.

C. Am 3 . November 1908 ergriff B ran d t gegen die Verfügung der Finanzdirektion vom 1 5 . Oktober den R ekurs an den N e­g ie rungsra t, m it folgenden A nträgen:

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N» 91. 507

„I. Aufhebung der V erfügung, weil die Finanzdirektion vor „der D urchführung des V erfahrens vor der Schätzungskommission „weder Vervollständigung des In v e n ta r s verlangen und irgend- „welche A ndrohungen erlassen, noch Erbschafts- und Nachsteuern „dekretieren kann.

„II. Eventuell:„A. Aufhebung, eventuell Reduktion der Nachsteuer.„B. Reduktion der Erbschaftssteuern in der Weise, daß

„1 . keine S teu e rn von andern a ls den im In v e n ta r auf- „gesührten, zurzeit des Todes im K an ton beftndlichen „Aktien erhoben w ird;

„2 . keine S te u e r von den Legaten erhoben wird, da diese „gar nicht existieren;

„3 . D ie Liegenschaften in Zürich höchstens auf 1 ,1 5 0 ,0 0 0 F r. „geschätzt werden und daher der in Zürich erbschafts- „steuerpflichtige Nachlaß auf 1 ,5 0 0 .0 0 0 F r . und die „Erbschaftssteuer à 3 % hievon auf 4 6 .0 0 0 F r . be­rech n e t wird.

„C . G ew ährung einer vierwöchentlichen Z ah lu ng sfris t von der „rechtskräftigen letztinstanzlichen Festsetzung der S teuerforde­r u n g an .

„D. Aufhebung der fü r den F a ll der Nichteinreichung eines „ In v e n ta r s erlassenen A ndrohung, sowie der A ufforderung zu r „V orlegung der Z in s - und Handelsbücher, Vermögensverzeichnisse „und übrigen Belege."

D a s Begehren su b II A wurde folgendermaßen begründet:1 . E s werde in willkürlicher Weise die in § 3 b des S te u e r­

gesetzes zugesicherte „S teuerfreiheit fü r ausländische Liegenschaften und damit verbundenes Besitztum" verletzt.

2 . E s liege eine unzulässige Doppelbesteuerung gegen den R e ­kurrenten und damit zugleich eine Verletzung des S taa lsv e rtrag e s mit R ußland vor.

3. I n den Steuerbehörden sei s. Z . auf die Besteuerung des im russischen Geschäft investierten V erm ögens verzichtet worden; es sei daher dolos, dieses Vermögen mit einer Nachsteuer zu be­legen.

4. N ichts spreche dafür, daß der Verstorbene 15 M illionen

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Franken in beweglichen Aktiven in R ußland besessen habe; nach den Akten könnte vielmehr höchstens ein W ert von zirka 2 — 3 M illionen Franken angenommen werden.

Gleichzeitig m it der Einreichung des Rekurses wurde das G e­such gestellt, es sei dem Rekurrenten eventuell eine F rist b is zum5. Dezember zu gewähren, damit er sich noch über die in R u ß ­land befindlichen Aktiven äußern könne.

Letzterin Begehren entsprach der R eg ierungsra t am 1 9 . N o ­vember 1 9 0 8 durch Ansetzung einer Frist bis zum 5 . Dezember 1 9 0 8 . Diese Frist wurde sodann bis zum 12. Dezember ver­längert. D er R ekurrent erklärte jedoch am 1 1 . Dezember, er lehne es ab, „auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung der Finanzdirektion überhaupt im D eta il einzutreten". E r wolle bloß bemerken, daß die im Testament des E m anuel H enry B ran d t fü r die A u s ­zahlung der Legate vorgesehene F rist von 3 J a h re n gegen das Vorhandensein liquider Aktiven in R ußland spreche.

I m M ä rz 1 9 0 9 produzierte die Finanzdirektion im A rrest­revisionsverfahren vor dem Audienzrichter eine ih r inzwischen zu­gekommene Übersetzung der Kopie eines In v e n ta r s über den Nach­laß des E m anuel Henry B ran d t in R uß land . Nach diesem I n ­ventar, welches von der W itw e B ran d t kurz nach dem Tode des E m anuel H enry B ran d t dem S t . Petersburger Bezirksgerichte eingereicht worden w ar, besaß E m anuel H enry B ran d t 6 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 6 0 C ts . „B argeld", sowie für 6 ,7 1 2 ,3 3 6 F r . W erttitel.

Ferner berief sich die Finanzdirektion au f folgende, von der A uskunftei des Kaufmännischen Verbandes der S ta d t W arschau erhaltene In fo rm a tio n : Teilhaber der F irm a seien beim Tode des E m anuel H enry B rand t gewesen: dieser selbst und sein Adoptivsohn, der heutige R ekurrent; der letztere seit J a n u a r 1 9 0 7 , und zw ar zu einer Q uote von 1 0 % . Ferner sei die E hefrau des E m anuel H enry B ran d t a ls solche gleichzeitig M itinhaberin aller seiner Unternehm ungen b is zur H älfte der Einlagehöhe gewesen. D e r W ert der Liegenschaften, einschließlich der Gebäulichkeiten und der damit verbundenen Betriebseinrichtungen der F irm a, sei auf rund 2 8 M illionen R ubel, abzüglich zirka 8 M illionen Passiven, zu veranschlagen. D azu komme:

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I. Rechtsverweige.rung. — b) Materielle. N° 91. 509

a ) W ert der beweglichen Stette der B etriebs­einrichtungen, rund . . . . . . . R ubel 1 ,0 0 0 ,0 0 0

b ) W ert der W arenvorräte, rund . . . „ 2 ,0 0 0 ,0 0 0c) W ert der übrigen Geschäftsaktiven, wie

Buchguthaben, Bankguthaben, B etriebs­fonds, r u n d .............................. „ 5 ,0 0 0 ,0 0 0

zusammen R ubel 8 ,0 0 0 ,0 0 0Endlich sei Em anuel H enry B ran d t E igen­

tümer von Aktien im W ert von minde­stens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ 1 2 ,0 0 0 ,0 0 0

gewesen.... (F o lg t vie Spezifikation dieses Aktienbestandes.) D a s ganze, nach dem Tode beider Eheleute B ran d t an den A doptiv­sohn W ilhelm E m anuel übergegangene Vermögen derselben werde aus 5 0 M illionen R ubel geschätzt.

Am 4. M a i 1 9 0 9 stellte der R ekurrent beim R eg ierungsra t das Gesuch, es sei ihm nochmals eine F rist zur Einreichung von Belegen über vie russischen Nachlaßaktiven und die russischen S teuerverhältnisse zu gewähren.

Bevor er eine A ntw ort auf dieses Gesuch erhielt, reichte B randt am 2 1 . M a i 1 90 9 verschiedene, von ihm a ls „Belege und A uf­schlußerteilungen" bezeichnete Akten ein, welche jedoch wesentlich dazu bestimmt w aren, die vom Rekurrenten an der A uskunft des W arschauer Z nform ationsbureaus, an der Übersetzung der Kopie des russischen In v e n ta r s , sowie auch a n der K opie a ls solcher ge- geübte K ritik zu unterstützen. D er R ekurrent suchte insbesondere darzutun, daß der in der Übersetzung fü r den B etrag von R . 7 ,5 0 7 ,7 7 5 . 60 gebrauchte Ausdruck „B argeld" sich in W irk­lichkeit auf den K a p i t a l k o n t o des E m anuel H enry B rand t in der F irm a E . H . B ran d t & Cie. beziehe, daß ferner die angeführten W ertschriften im B etrage von rund R . 6 ,7 1 2 ,3 3 6 der F irm a E . H . B ran d t & Cie. von Em anuel H enry B ran d t a ls B e t r i e b s k a p i t a l geliehen, und daß die meisten dieser W ertschriften von der F irm a behufs Beschaffung des nötigenK redits bei einer B ank faustpfändlich hinterlegt worden seien. S o d a n n produzierte der R ekurrent eine B e­scheinigung eines R echtsanw altes in S t . P e tersb u rg , wonach jener Kapitalkonto und jene W ertschriften den g a n z e n in R ußland befind­

! lichen Nachlaß des E m anuel H enry B rand t repräsentieren; ferner die

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Bescheinigung eines N o ta rs darüber, daß von diesem Nachlaß die E rb ­schaftssteuer im B etrage von 8 0 ,4 9 1 R ubel bezahlt worden sei. A us a ll diesen Belegen zog der R ekurrent in seinem Begleitschreiben vom 2 1 . M a i 190 9 den Schluß, daß die In fo rm a tio n der A u s ­kunftei in W arschau unrichtig und „die Schlußfolgerungen der Finanzdirektion au s ihrer falschen Kopie des N achlaßinventars" unhaltbar seien, sowie daß B ran d t in R ußland keineswegs, wie die Finanzdirektion in ihrer V erfügung annehme, außer seinem A nteil an den Liegenschaften der F irm a noch ein bewegliches, in Zürich zu versteuerndes Vermögen von 15 M illionen besessen habe, sondern daß vielmehr auch sein in R u ß lan d befindliches be­wegliches Vermögen a ls in den dortigen W aldungen und S ä g e ­werken und in dem dazu gehörenden Holzhandel immobilisiertes, mit den russischen Liegenschaften wirtschaftlich verbundenes Vermögen erscheine, welches nach A 3 b des zürcherischen Steuergesetzes, sowie nach der bundesgerichtlichen Ju d ik a tu r, in Zürich steuerfrei sei.

Ih re rse its beantragte die Finanzdirektion im Schoße des R e­g ierungsrates, es seien die Androhungen gegen den Rekurrenten im Falle weiterer Verweigerung vollen Aufschlusses in dem S in n e zu verschärfen, daß die S teu e rn nach M aßgabe des russischen In v e n ta rs und der In fo rm a tio n au s W arschau erhöht würden.

D. — A m 2 . Septem ber 1 90 9 beschloß der R eg ierungsra t des K an to n s Z ürich :

I. D er R ekurs wird abgewiesen.II. D ie Auflage an den Rekurrenten betreffend Jnven tarein -

reichung und Produktion der zum Nachweis der Vollständigkeit des In v e n ta r s nötigen Bücher und weitern Urkunden erstreckt sich auch auf die Verlassenschaft der F ra u I d a B ra n d t; diese Auflage und die A ndrohung für den F a ll der Nichtbefolgung werden im S in n e der E rw ägungen verschärft.

D ie B egründung dieses Entscheides — zugleich die nähere Präzisierung seiner Bedeutung — läßt sich folgendermaßen zu­sammenfassen :

D ie Finanzdirektion sei befugt gewesen, die V erfügung vom 15 . Oktober 1 9 0 8 vor D urchführung des tra § 9 Abs. 1 des Erbschaftssteuergesetzes und §§ 2 6 — 3 0 des Staatssteuergesetzes vorgesehenen Jnven tarisierungsverfahrens zu erlassen. D enn dar-

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 91. 511

Über bestehe kein S tre i t , daß S teuernachzahlung und Erbschafts­steuern nach M aßgabe des im K an ton Zürich steuerpflichtigen Verm ögens von der Finanzdirektion festzusetzen seien. D ie O rgane aber, die nach den zitierten Vorschriften das steuerbare Vermögen ausm itteln , d. h. die Schätzungskommission und eventuell die E x­pertenkommission, seien lediglich H ülfsorgane der F inanzverw altung für die int Gesetze ihnen ausdrücklich zugewiesenen A u sm ittlun gs­und W ertungsfunktionen, deren A usübung, soweit nötig, durch die M itw irkung der ordentlichen Verwaltungsbehörden zu sichern sei. D e r Schätzungskommission stehe es nicht zu, einen S tre i t dar­über, w as steuerpflichtig sei, w as in den V erm ögensftatus des In v e n ta rs ausgenommen werden müsse und w as nicht, zu be­urteilen, sondern der F i n a n z d i r e k t i o n und eventuell dem R e ­g i e r u n g s r a t e ; die Schätzungskommission sei auch nicht in der Lage, bei beharrlicher Renitenz des Pflichtigen von sich a u s die V orlegung der Vermögensausweise, insbesondere der Z in s - und Handelsbücher (§ 2 8 Abs. 2 des Steuergesetzes), zu erzwingen, sondern bedürfe hiezu je nach den Umständen der Unterstützung der ordentlichen Behörden.

In fo lg e der W eigerung des Rekurrenten, ein vollständiges N achlaßinventar einzureichen, sei nun der S teuervorstand der S ta d t Zürich nicht in der Lage gewesen, der Schätzungskommission bezw. ihrem Präsidenten ein solches vorzulegen. U nter diesen Umständen sei es durchaus korrekt gewesen, daß die Finanzdirektion die zuerst vom Steuervorstand ausgegangene Aufforderung zur Einreichung des In v e n ta rs ihrerseits wiederholt habe. D ie Feststellungen der Finanzdirektion über den Um fang der Jnven ta risa tion s- und Steuerpflichi seien vollinhaltlich zu bestätigen. D ie für den F a ll weiterer Renitenz erlassene A ndrohung von Rechtsfolgen habe umsomehr der Sachlage entsprochen, a ls der in der V erfügung enthaltene Wahrscheinlichkeitsnachweis über den der Nachsteuer- und Erbschaftssteuersorderung zu G runde gelegten Vermögensbestand durch die seitherigen Bestellungen nicht bloß bestätigt, sondern weit überholt worden sei.

A ls unbegründet erscheine auch die B ehauptung, die F inan z­direktion sei zur Dekretierung von Erbschafts- und Nachsteuern vor Beendigung ves Jnven tarisationsverfah rens (§§ 2 6 — 30 des

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Staatssteuergesetzes) nicht berechtigt gewesen. Z w a r bilde in der Regel das E rgebnis der Inv en tarisa tion die formelle G rundlage fü r die Ausrechnung der Erbschaftssteuer. D abei fei jedoch v o rau s­gesetzt, daß die Inv en ta risa tion selbst ordnungsgem äß durgeführt werden könne. D ies sei aber im vorliegenden Falle wegen der Renitenz des Rekurrenten nicht möglich gewesen.

D urch seine beharrliche W eigerung, das verlangte In v e n ta r einzureichen, habe sich der R ekurrent des in § 11 des Erbschafts­steuergesetzes und § 3 9 des Staatssteuergesetzes m it S teuerstrafe bedrohten Vergehens der absichtlichen Vermögensverheimlichung schuldig gemacht. D enn zur Ausscheidung des steuerfreien vom steuerpflichtigen T eil des Nachlasses und zur Feststellung des B e­trages reinen Verniögens, den die im K an ton Zürich steuerpflich­tigen Nachlaßaktiven repräsentieren, sei die K en n tn is des gesamten Nachlasses in Aktiven und Passiven erforderlich.

D ie gleiche Tendenz, die Steuerbehörden über seine V erm ögens­verhältnisse, insbesondere über die Zusammensetzung des „russischen Besitzes" im Unklaren zu lassen und dadurch eine niedrige E in ­schätzung zu bewirken, habe nach einem Berichte des S teue rvo r­standes der S ta d t Zürich der Erblasser selbst befolgt, und es müsse danach direkt a ls unw ahr bezeichnet werden, daß die ordentlichen T axationsorgane je den S tand pu nk t des Rekurrenten betreffend den Um fang der S teuerpflicht akzeptiert hätten.

Nach § 1 des Erbschaftssteuergesetzes müsse m it einziger A u s­nahme der ausw ärtigen Liegenschaften das gesamte von Em anuel Henry B ran d t hinterlassene Vermögen zur Erbschaftssteuer heran­gezogen werden. D ies stimme m it der bundesgerichtlichen P ra x is in Doppelbesteuerungssachen überein und stehe auch mit keinem völkerrechtlichen Grundsatz im W iderspruch.

Ebenso verhalte es sich mit der zu erhebenden Nachsteuer, da Em anuel H enry B ran d t nach s 3 d des Staatssteuergesetzes ver­pflichtet gewesen wäre, sein gesamtes Vermögen, m it A usnahm e der russischen Liegenschaften und ihrer gesetzlichen Pertinenze», in Zürich zu versteuern. D a ra u s , daß Zürich das Vermögen, womit a u sw ä rts W ohnende in Zürich ein Geschäft betreiben, ganz be­steuere, könne der Rekurrent nichts zu seinen G unsten folgern; dies berühre lediglich die hier nicht zu beurteilende F rage , wie

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weit Zürich nach Gesetz und P ra x is die S teuerhoheit gegen a u s ­w ä rts W ohnende ausdehnen dürfe, und nicht die davon wesentlich verschiedene Frage, welche Grenzen gegenüber im K an ton domi­zilierten Personen zu beobachten seien.

E ine abs i cht l i che V e r m ö g e n s v e r h e i m l i c h u n g sei nach­gewiesen einm al bezüglich der im russischen In v e n ta r a ls E igen­tum des Erblassers angegebenen W ertpapiere im Schätzungsbetrage von 2 ,5 3 2 ,9 5 7 R ubel = 6 ,7 1 2 ,3 3 6 F r . , deren wirklicher W ert übrigens auf G rund von Börsenkursen und Dividendenzahlungen pro 1 9 0 6 /8 m it 7 ,3 1 7 ,1 9 8 F r . 5 0 C ts . zu berechnen sei. D e r R ekurrent habe zw ar mehrere Bescheinigungen eingelegt, nach welchen E m anuel H enry B randt der F irm a E . H . B ran d t & Cie. jene W ertpapiere behufs Beschaffung von K redit geliehen und die F irm a dieselben auch wirklich bei zwei Banken faustpfändlich hinterlegt habe. Indessen bleibe nicht bloß dem Rekurrenten der Nachweis der Jn d e n titä t der nach dem erw ähnten V erm ögens­verzeichnis „im Com ptoir E . H . B ran d t & Cie. deponierten W ertpapiere" m it den von dieser F irm a bei Banken verfaust- pfändeten W erttiteln , sowie des Schuldbetrages, fü r welchen die letzteren haften, noch zu leisten, sondern es erscheine der betreffende V erpfändungsakt zum v o rau s a ls „einflußlos auf das M a ß der auf die Wertschriftensumme von 7 ,3 1 7 ,1 9 8 F r. 5 0 C ts . ent­fallenden zürcherischen S te u e rn " . D enn nach dem Petersburger Vermögensverzeichnisse habe Em anuel Henry B ran d t außer den W ertschriften ein „ K a p ita l in barem G elde", betragend 2 ,8 3 3 ,1 2 2 R ubel 87 Kopeken — 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 6 0 C ts ., im H andels­unternehm en der F irm a E . H . B ran d t & Cie. besessen. Demnach sei, trotz der behaupteten D arlehenserhebung bei Banken auf die Wertschriften des Erblassers, im Handelsgeschäft der F irm aE . H . B ran d t & Cie. ein so bedeutendes Reinverm ögen angelegt gewesen, daß der Erblasser daraus — über das unbeschwerte Eigentum an den mehrerwähnten W ertschriften h in au s — eine S um m e von 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 60 C ts . „ in barem Gelde" zu be­ziehen gehabt hätte. A ls Teil des beweglichen V erm ögens des E rb ­lassers unterstehe auch diese, vom Rekurrenten ebenfalls verheim­lichte Guthabensumme, neben den W ertschriften, der zürcherischen S teuerhoheit.

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D e r Rekurrent behaupte nun allerdings, das ganze in R u ß ­land befindliche bewegliche Vermögen des Erblassers sei in den dortigen W aldungen und Sagem ühlen und in dem dazu gehören­den Holzhandel „immobilisiert" und, weil dafür in R ußland die jährlichen S teu e rn und die Erbschaftssteuern bezahlt worden seien, nach § S b des zürcherischen Staatssteuergesetzes, wie auch nach der bundesgerichtlichen Jud ika tu r, am zürcherischen Wohnsitz steuerfrei. D ie B ehauptung der „Im m obilisierung" sei aber jedenfalls in Bezug auf denjenigen Teil des Verm ögens, welchen die W ert­papiere repräsentieren (7 ,3 1 7 ,1 9 8 F r. 5 0 C ts .) , „durch diese T a t­sache selbst w iderlegt", da W ertpapiere bewegliches Vermögen, und sowohl nach zürcherischem Steuerrecht a ls nach der bundesgericht­lichen Rechtsprechung stets am W ohnort des Pflichtigen zu ver­steuern seien. W a s das G uthaben von 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 6 0 C ts . an die F irm a E . H . B ran d t & Cie. betreffe, so spreche seine B e­zeichnung ebenfalls dagegen, daß es die gesamte auf den E rb ­lasser entfallende Q uote des Gesellschaftsvermögens, jede A rt Aktiven des H andelsunternehm ens, W aldungen und Sägem ühlen inbegriffen, darstelle. S o lan ge nicht durch V orlegung des Gesell­schaftsvertrages, der die Zusammensetzung des Geschäftsvermögens und die Beteiligung des Erblassers an demselben dartuenden Bücher, B ilanzen , Gewinnkonti und Detailverzeichnisse der einzelnen Aktivengattungen, sowie durch die Privatbücher und die seine V er­mögensverhältnisse beschlagenden S k rip tu ren des Erblassers, die Bermögensbeziehungen unzweifelhaft aufgedeckt feien, müsse an der Auffassung sestgehalten werden, daß auch die Guthabensumme von 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r. 60 C ts. in vollem Um fange am zürcherischen W ohnort des E rblassers der Verm ögens- und Erbschaftssteuer unterliege, und daß davon, weil der R ekurrent sie bei der I n ­ventarisierung verheimlicht habe, die entsprechenden S teuerstrafen zu entrichten seien. S o llte sich au s den dem Rekurrenten obliegen­den Aufschlüssen ergeben, daß jene S um m e unzutreffend a ls „ G u t­haben in barem Gelde" bezeichnet worden sei und den buchmäßigen S a ldo des Kapitalkonto des Erblassers in der F irm a E .H . B randt & Cie. darstelle — wobei die Höhe desselben nach M aßgabe des w ahren W ertes der einzelnen Vermögenskomponenten noch beson­ders zu bestimmen w äre — , so bestehe in diesem Falle die V er-

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mögens- und Erbschaftssteuerpflicht im K an ton Zürich fü r die­jenige Q uote des „K apitalkonto" des Erblassers, welche sich au s dem proportionalen W ertverhältn is der beweglichen Geschäftsaktiven zum liegenschastlichen Teile derselben ergebe. D ie Besteuerung des beweglichen T eils der Geschäftsaktiven 'fei selbstredend fü r Zürich auch dann zu beanspruchen, wenn sich zeigen sollte, daß der „K apitalskonto" nicht identisch mit dem K ap ita l „ in barem Gelde" sei, sondern daß darüber h inaus dem Erblasser noch ein A nteil am W ert der Im m obilien und Beweglichkeiten des Geschäftes ge­höre. E s greife dann bloß in Bezug auf das M a ß der S teu e r die Unterscheidung Platz, „daß die S traffo lgen fü r Vermögens - „Verheimlichung sich nicht auf diejenigen Vermögensteile erstrecken, „welche erst infolge der nachträglichen Aufschlußerteilung des R e- „kurrenten zur K enntn is der Steuerbehörden gelangen, während „die S teuerstrafen auf den ganzen B etrag der trotz der bisherigen „W eigerung des Rekurrenten entdeckten Verm ögenswerte, speziell „auch der S um m e von 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 6 0 C ts ., sich erstrecken, „soweit nicht vom Rekurrenten dargetan wird, daß und in welchem „B etrage sie auf in Zürich steuerfreies Vermögen, d. h. auf J m - „mobilien in R uß land , entfällt".

Ü brigens weise die von der Auskunftei des Kaufmännischen Verbandes der S ta d t W arschau erhaltene In fo rm a tio n auf ein bedeutend größeres bewegliches Vermögen a ls das in den b is­herigen A usführungen konstatierte hin, nämlich aus ein Vermögen von rund 5 0 M illionen R u b e l. D ie Wichtigkeit dieser In fo rm a ­tion werde zw ar vom Rekurrenten bestritten. Allein sein ganzes V erhalten mahne so sehr zur Vorsicht, daß von ihm der strikteste Gegenbeweis verlangt werden müsse. E s liege keine Veranlassung vor, in die Glaubwürdigkeit der M itteilungen der W arschauer Auskunftsstelle, a ls einer In s titu tio n des Verbandes der dortigen Kaufmannschaft, Zweifel zu setzen.

F ü r die Zürcher Erbschaftssteuer komme dabei auch derjenige Teil der beweglichen Firm a-A ktiven in Anrechnung, mit welchem der Erblasser den R ekurrenten, anläßlich des E in tritte s des letzteren in die F irm a , am Geschäftsvermögen habe partizipieren lassen, es w äre denn, der Rekurrent könnte den Nachweis leisten, daß nicht eine Schenkung des Erblassers an ihn stattgefunden,

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sondern daß er die Anteilschaft am Geschäft durch eine gleich­wertige Gegenleistung erworben habe.

Ferner sei E . H . B ra n d t verpflichtet gewesen, den A nteil seiner Ehefrau an den beweglichen Aktiven der F irm a E . H . B rand t je Cie., gemeinsam m it seinem eigenen Vermögen, ebenfalls im K an ton Zürich zu versteuern. D a er dies nicht getan habe, sei eine entsprechende Nachsteuer zu erheben.

I m weiteren unterstehe jenes Vermögen der F ra u B ran d t auch der E r b s c h a f t s s t e u e r . Erbe sei ebenfalls der Rekurrent, nicht gemäß gesetzlicher Ergfolge, da er bloß seitens des E . H . B ran d t adoptiert worden und auch sonst kein erbberechtigter Verwandter der F ra u B ran d t sei, wohl aber gemäß Testament der letzteren.

D a der Rekurrent auf die vom S teuervorstand der S ta d t Zürich an ihn gerichtete A ufforderung zur Einreichung eines I n ­ventars auch über den Nachlaß der F ra u I d a B ran d t erklärt habe, sie habe n u r Kleider und etwas Schmuck hinterlassen, so liege in Bezug aus den Nachlaß der F ra u B ran d t offenbar eben­falls Verheimlichung von Aktiven vor, um sie der amtlichen I n ­ventarisation, zum Zwecke der Umgehung der zürcherischen V er­mögens- und Erbschaftssteuern, zu entziehen. E s w äre jedoch zu weit gegangen, a u s den M itteilungen der Auskunftsstelle des Kaufmännischen Verbandes der S ta d t W arschau zu schließen, daß Vermögensverheimlichung in dem nach ihren Angaben a ls vor­handen zu vermutenden Betrage nachgewiesen sei. W ohl aber sei es, in Rücksicht auf die gesetzliche Pflicht des Rekurrenten zur K larlegung der Nachlaßverhältnisse der Eheleute B ran d t an H and aller ihm zugänglichen Urkunden und anderweitigen Bew eis­mittel, gerechtfertigt, die A ndrohung für den F a ll der U nter­lassung einer vollständigen A ufklärung in dem S in n e zu ver­schärfen, daß angenommen würde, es sei in R ußland über die durch das S t . Petersburger In v e n ta r konstatierten 1 4 ,8 2 4 ,9 7 4 F r. 1 0 C ts . h in au s ein M ehrbetrag an beweglichem, im K an ton Zürich steuerpflichtigen Vermögen der Eheleute B ran d t, bezw. des Rekur­renten, bis zu dem a u s den M itteilungen der W arschauer A u s ­kunftsstelle zu schließenden Nettobetrag von 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r. ( — 20 M illionen Rubel M obiliarverm ögen, abzüglich 3 y 3 M il­lionen „verhältnism äßige Passivenquote" — 1 6 2/ 3 M illionen Rubel

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 91. 517

— 4 4 ,1 6 M illionen F ranken), jene 1 4 ,8 2 4 ,9 8 0 F r . 10 E ts . in ­begriffen, vorhanden.

D ie Frist für Aufschlußerteilung und E rfü llung der ver­schiedenen Bew eisauflagen werde auf 6 Wochen, von der M i t ­teilung des regierungsrätlichen Beschlusses an den Vertreter des Rekurrenten an , erstreckt. I n n e r t dieser F rist habe der Rekurrent insbesondere auch diejenigen amtlichen russischen Urkunden „in von den betreffenden Amtsstellen selbst beglaubigten vollständigen Abschriften" einzureichen, welche sich auf die detaillierten S te u e r­berechnungen von den Verlassenschaften der Eheleute E . H . und I d a B ran d t und auf die gerichtliche Bestätigung der E rbenqualität des Rekurrenten am Nachlaß sowohl des E . H . B ran d t, a ls seiner W itw e beziehen.

Bezüglich der Erbschaftssteuer könne für die zürcherische Liegen­schaft am betreibungsamtlichen W ertansatz von 2 ,1 7 9 ,4 6 0 F r. fest­gehalten werden.

Auch die Legatsteuer sei aufrechtzuhalten, da die Auffassung des Rekurrenten von der Hinfälligkeit der Legate höchstens dann akzep­tiert werden könnte, wenn er von sämtlichen Legataren die A n ­erkennung seines S tandpunktes oder ein rechtskräftiges G erichts­u rte il, wonach die betreffenden Legatansprüche nicht zu Recht be­stehen, beibringen würde.

S e i somit die V erfügung der Finanzdirektion in a llm Teilen zu bestätigen, so komme nun aber noch hinzu:

a ) wegen der konstatierten Vermögensverheimlichung von 1 4 ,8 2 4 ,9 7 4 F r . 1 0 C ts .: eine lOfache S trafsteuer im S in n e von § 39 des Staatssteuergesetzes. Dieselbe betrage fü r 7 M onate des

J a h re s 1 9 0 8 : 4 V4% 0 Den 1 4 , 8 2 4 , 0 0 0 x ^ x 1 0 = 3 6 7 ,5 1 0 F r . ;

b ) wegen derselben Vermögensverheimlichung: eine dreifache bezw., unter Berücksichtigung des in der Erbschaftssteuer selber enthaltenen S teuerbetrages, eine doppelte Erbschaftssteuernachforderung im S in n e von § 1 1 des Erbschaftssteuergesetzes, und zwar (definitive Festsetzung Vorbehalten) „von einer in Rücksicht auf in Abzug „kommende S tr a f - und Nachsteuer auf 13 M illionen Franken „abgerundeten S u m m e" . D a s ergebe einen B etrag von 7 8 0 ,0 0 0 F r. ( = 6 % von 1 3 ,0 0 0 ,0 0 0 F r .)

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518 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Eventuell habe der Rekurrent diese S trafsteuern von demjenigen geringer» B etrage zu entrichten, welcher von der S um m e von 1 4 ,8 2 4 ,9 7 4 F r . 1 0 C ts. allfällig fü r russische Im m obilien abzu­rechnen sei (gemeint ist offenbar: welcher sich ergebe, wenn von jenen 1 4 ,8 2 4 ,9 7 4 F r . 10 C ts . der W ert allfällig darin inbegriffener russischer Im m obilien abgerechnet werde);

c) eine Steuernachzahlung an den S ta a t , die S ta d t Zürich und die Kirchgemeinde Neum ünster auf G rund derjenigen V erm ögens­beträge, welche bei voller K larlegung der Nachlaßverhältnisse der Eheleute B ran d t „a ls , die S um m e von 15 M illionen Franken übersteigendes bewegliches Vermögen resultieren"; eventuell, bei u n ­genügender A ufklärung: auf G rund derjenigen S um m e, welche für diesen F a ll a ls M axim albetrag des in R ußland befindlichen beweg­lichen V erm ögens der. S teuerberechnung zu G runde zu legen wäre, nämlich 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r . abzüglich jener 1 5 ,0 0 0 ,0 0 0 F r . = 2 9 ,1 6 0 ,0 0 0 . D abei sei die Erbschaftssteuer vom Nachlaß der F ra u B rand t à 10 % nebst Zuschlag nach § 4 Schlußsatz des E rb ­schaftssteuergesetzes zu berechnen;

d ) die einfache Erbschaftssteuer auf derselben G rundlage.Endlich wird bemerkt: da es sich um eine fällige S teuerforde­

rung handle, bestehe die gesetzliche Pflicht zur Bezahlung der V er­zugszinsen à 5 % vom Verzüge an , die denn auch in der K lage­schrift an das Bezirksgericht geltend gemacht worden seien.

E . — Am 1 8 . Oktober 1 90 9 ließ der Rekurrent dem S te u e r­vorstand der S ta d t Zürich gegenüber die E rklärung abgeben, daß er nichts anderes und nicht mehr in R ußland geerbt habe, a ls w as in dem zu Händen des Bezirksgerichtes S t . P e tersburg angefertigten In v e n ta r aufgeführt sei. D er R ekurrent reiche deshalb ein Doppel desselben ein, „a ls E rgänzung der dem S teuervorstand am 13. J u l i und am 2 0 . A ugust 1 9 0 8 eingereichten In v en ta re . Z u weiterer mündlicher A uskunft sei sein A nw alt a ls von ihm bezeichnetes M it ­glied der Schätzungskommission (§ 2 8 des Staatssteuergesetzes) bereit.

Am 1 9 . Oktober sodann ließ der Rekurrent dem R egierungs­rate u. a. anzeigen, daß er hinsichtlich „der an ihn gestellten E rb- „schaftssteuerforderung, der dreifachen S teuerbuße und der S o lida r- „haft fü r Legatsteuern, in aller und jeder Beziehung, also auch

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!. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 91. 519

„hinsichtlich der F rage der E rgänzung der In v e n ta re rc., den nach „§ 9 Abs. 2 des Erbschaftssteuergesetzes endschließlichen Entscheid „der Gerichte" an rufe; ebenso „hinsichtlich der vom R egierungs- „ ra t angeordneten Nachsteuerbuße, den in § 3 9 des S taa tss teu er­gesetzes vorgesehenen gerichtlichen Entscheid."

F . — Ebenfalls am 1 9 . Oktober 1 90 9 hat B ran d t gegen den ihm am 7. Septem ber zugestellten Entscheid des R eg ierungsra tes den staatsrechtlichen R ekurs an das Bundesgericht ergriffen, m it folgenden „Rechtsbegehren und A n trägen ":

I . b e t r e f f e n d die E r b s c h a f t s s t e u e r :E s sei durch U rteil auszusprechen:„A . daß die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t nicht

„kompetent gewesen seien, selbst anstatt der Schätzungskommission „und der gerichtlichen Expertenkommission eine E rgänzung des „N a ch laß -In v en ta rs anzuordnen und diese wegen Nichtbefolgung „dann selbst nebst T axation des Nachlasses des E . H . B rand t „vorzunehmen (§ § 2 6 — 3 0 des zürch. Staatssteuergesetzes und „Z iff. 3 der V O des Obergerichts vom 18. November 1871 „zu § 3 0 des Staatssteuergesetzes im Sam m elband vom J a h re „ 1 9 0 6 , S . 6 2 0 ) ;

„B . daß daher die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t „nicht befugt w aren, die int Rekurse auf S e ite 2 , sub I I I , IV „und V erwähnten A uflagen, Fristansetzungen und Androhungen zu „m achen; .

„eventuell, daß die Fristansetzungen und Androhungen a ls viel „zu weitgehend im S in n e der im Rekurse gemachten A usführungen „abzuändern w ären ;

„C . daß die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t auch „nicht befugt w aren, die Berechnung der Erbschaftssteuer und die „S teuerauflage § 9 (des Erbschaftssteuergesetzes) vor D urchführung „des in §§ 2 6 — 3 0 des Staatssteuergesetzes vorgesehenen Jn v en - „tarisierunsverfahrens vorzunehmen.

„ S o d a n n seien durch das U rteil des Bundesgerichts sowohl die „vom R egierungsrate bestätigte Erbschaftssteuerauflage der F inanz- „direktion vom 1 5 . Oktober 1 9 0 8 , betragend 7 2 8 ,8 4 5 F r . , a ls „auch die in der Rekursschrift su b I I I , IV und V erwähnten Auf-

AS 36 1 — 1910 35

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520 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

„lagen, Fristansetzungen und Androhungen beider Behörden wegen „Verletzung der A rt. 4 ifltb 58 B V , nämlich wegen Rechtsver- „weigerung und wegen willkürlicher, gew alttätiger Verletzung des „§ 9 Erbschaftssteuerges., der §§ 2 6 — 3 0 S taatssteuerges. und „der Z iff. 3 der zit. V erordnung des Obergerichts zu kassieren „und aufzuheben, eventuell die Androhungen im S in n e der A u s- „führungen der Rekursschrift abzuändern und die Fristen neu an- „ zusetzen."

I m übrigen solle in diesem R ekursverfahren über die Erbschafts­und Legatsteuer vom Nachlaß der Eheleute B ran d t und über die Forderung des T rip lum rc. materiell nicht geurteilt werden, da der Rekurrent gemäß § 9 Abs. 2 Erbschaftssteuerges. über die Richtig­keit der an ihn gestellten Erbschaftssteuerforderung den Entscheid der Gerichte angerufen habe, w as aber nicht ausschließe, daß das Bundesgericht schon jetzt im Wege des staatsrechtlichen Rekurses veranlaß t werden könne, „die nam haft gemachten W illkürakte der „Finanzdirektion und des R eg ierungsra tes zu annullieren und diese „Behörden zu zwingen, vorerst das V erfahren ' der §§ 2 6 — 30 „des Staatssteuergesetzes in vorerw ähnter Weise vor sich gehen „zu lassen".

I I . b e t r e f f e n d d i e N a c h s t e u e r v e r f ü g u n g :

E s sei durch das U rteil auszusprechen:„ E . der K apitalkonto des E . H . B ran d t in der F irm a

„E . H . B ran d t Je Cie. in S t . P e tersburg im Betrage von „ 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 6 0 C ts . (d. i. sein Geschäftsanteil am S a ldo „der Aktiven und Passiven) sei im K an ton Zürich gemäß dem „klaren H 3 b des Staatssteuergesetzes nicht steuerpflichtig gewesen, „eventuell, es haben ihn die Steuerbehörden des K an to n s Zürich „im ordentlichen Einschätzungsverfahren im J a h re 1 9 0 3 /0 4 und „nachher in den G lauben versetzt, resp. ihn darin belassen, daß er „jenen Geschäftsanteil h ierorts nicht zu versteuern habe, und es „w äre dolos, nach seinem Tode den Nachlaß hiefür m it Nach- „steuern zu belegen;

„E . die von ihm der F irm a E . H . B ran d t & Cie. in „ S t . P etersburg zur Kreditbeschaffung überlassenen W erttitel „ (6 ,7 1 2 ,3 5 6 F r . betragend) habe er ebenfalls gemäß § 3 b zit.

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. 91. 521

„nicht zu versteuern gehabt (eventuell höchstens den nicht verfaust- „pfändeten T eil der W erttiie l), eventuell wie su b E ;

„Gr. es sei ein unzulässiger W illkürakt und dolos, w enn die „Finanzdirektion und der R eg ierungsra t eine Nachsteuerforderung „darauf gründen, daß eine in Zürich gelegene Liegenschaft in den „ Ja h re n 1 9 0 6 und 1 9 0 7 niedriger versteuert worden ist, a ls eine „einseitig vom B etreibungsam t angeordnete Schätzung im Arrest- „verfahren a ls mutmaßlichen W ert int Herbst 1 9 0 8 angegeben „habe, und wenn sie der Nachsteuerforderung diese spätere betrei- „bungsamtliche Schatzung von 2 ,1 7 9 ,4 8 0 F r. zu G runde legen, „während die S teuerbehörden im ordentlichen Steuereinschätzungs- „verfahren pro 1 9 0 4 es zugaben, daß die T axation der obersten „ In s ta n z (B ezirksrat) im Liegenschaftensteuerschätzungsverfahren „pro 1 9 0 0 , welche den Ansatz der städtischen Behörde von „ 1 ,2 3 0 ,0 0 0 F r . au f 1 ,0 0 0 ,0 0 0 F r . reduziert hatte, sogar im „reduzierten B etrag von 9 0 0 ,0 0 0 F r . in Berechnung gezogen „und das Vermögen inkl. 1 5 0 ,0 0 0 F r. K om m andite bei Seemann „& Cie. auf 1 ,0 5 0 ,0 0 0 F r. festgesetzt werde, und dann b is Ende „1 9 0 7 die amtliche T axation der Liegenschaft auf 1 ,0 0 0 ,0 0 0 F r . „verblieb, im S te u e ria ra tio n s ja h r 1 90 8 aber auch bloß eine E r- „höhung auf 1 ,1 5 0 ,0 0 0 F r . stattfand und im J a h r 1 9 0 9 auf „ 1 ,1 5 0 ,0 0 0 F r . verblieb;

„H . es sei ein unzulässiger W illkürakt der V erfügung der „Finanzdirektion vom 15 . Oktober und eine Verletzung des klaren „§ 3 8 Abs. 1 des Staatssteuergesetzes gewesen, daß die F inanz- „direktion gestützt auf bloße V erm utungen eine Nachsteuerforde- „ rung von 7 0 6 ,8 7 5 F r . auf nicht versteuerten, angeblich aber „steuerpflichtigen Vermögensteilen im angeblichen W ert von 15 M il­l io n e n Franken dekretiert und dem Rekurrenten F rist ansetzte, um „den Bew eis zu erbringen, daß die Voraussetzung einer solchen „S trafsteu er nicht vorliege;

„I. es sei ein unzulässiger W illkürakt gewesen und eine V er- „letzung des klaren § 3 8 Abs. 1 zit., daß in Dispositiv I I des „Beschlusses des R egierungsrates vom 2. Septem ber 1 9 0 9 , auf „G rundlage anonym er M itteilungen einer W arschauer Auskunftei „eine Berechnung der Nachsteuer à ra iso n eines in Zürich steuer- „pflichtigen Verm ögens von angeblich 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r . und eine

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522 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

„dementsprechende E rhöhung der vorerw ähnten Nachsteuerforderung „angeordnet wurde, fa lls nicht binnen Frist b is 19. Oktober vom „Rekurrenten durch die im Beschlüsse (zudem noch unk lar) bezeich- „neten Urkunden dargetan werde, daß und in welchem Betrage „die Eheleute B ran d t in Zürich steuerpflichtiges Vermögen in „R uß land besessen haben;

„K . es sei ein unzulässiger W illkürakt und eine Verletzung „des klaren § 39 des Steuergesetzes gewesen, in E rw ägung 10 „des Beschlusses des R cg ierungsra tes vom 2 . Septem ber anzu „ordnen, daß zu der Nachsteuer von 7 0 6 ,8 7 5 F r . noch eine „S trafsteuer nach § 39 im Betrage von 3 6 7 ,5 1 0 F r . hinzu- „ komme."

Endlich seien durch das U rteil des BundeZgerichts:„L . wegen Verletzung von A rt. 4 B V , nämlich wegen

„Rechtsverweigerung, willkürlicher Nichtanwendung des § 3 d und „willkürlicher Verletzung von § 38 und 39 des S taa tssteuer- „gesetzes, willkürlicher S trafsteuerauflage ohne Vorliegen eines „Verschuldens des Betreffenden, sowohl die vom R egierungsrate „bestätigten Nachsteuerauflagen der Finanzdirektion von 7 0 6 ,8 7 5 F r. „an den K an ton Zürich , von 9 4 5 ,3 0 0 F r . a n die S ta d t Zürich, „von 7 8 ,7 7 5 F r . an die Kirchgemeinde Neum ünster-Zürich — die „beiden letzteren zudem wegen Inkom petenz der Finanzdirektion „und die an die Kirchgemeinde wegen Verletzung des A rt. 49 B V „ — a ls auch die vom R eg ierungsrate in Verletzung des § 39 „angeordnete S trafsteu er von 3 6 7 ,5 1 0 F r . aufzuheben, desgleichen „die oben H sub und I erwähnten A uflagen, Fristansetzungen „und A ndrohungen."

D em Rekurse liegen eine A nzahl neuer Belege bei, so insbe­sondere eine beglaubigte Kopie des russischen In v e n ta r s . M itte ls dieser Belege sucht der Rekurrent darzutun, daß die Annahme eines beweglichen V erm ögens von 15 bezw. 4 4 M illionen ( a u s ­schließlich der zürcher Aktiven) viel zu weit gehe. I m übrigen sind au s der „B egründung" des Rekurses folgende, die bereits in den „A nträgen" enthaltene summarische B egründung ergänzenden S te llen hervorzuheben:

1. B e t r e f f e n d die E r b s c h a f t s s t e u e r : a d A . Z n der Z iff. 5 4 der „A nleitung der Finanzdirektion

betreffend das bei der S teuertaxation zu beobachtende V erfahren",

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l. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N» 91. 523

vom 5. J u n i 1 9 0 6 , sei ausdrücklich bestimmt, daß es Sache der Expertenkommission sei, „dem Pflichtigen die A nfertigung eines vollständigen In v e n ta r s aufzugeben". Also könne auch n u r diese Kommission und nicht der R eg ierungsra t die E rgänzung eines unvollständigen In v e n ta r s anordnen, sowie die angemessenen A n ­drohungen erlassen.

a d B . E ine Kompetenzüberschreitung seitens des R eg ierungs­ra tes liege auch darin , daß er die A uflagen und A ndrohungen der Finanzdirektion verschärft habe, trotzdem doch n u r ein R ekurs des P f l i c h t i g e n Vorgelegen habe. W enn während der Pendenz des Rekurses neues Vermögen entdeckt worden w äre, so w äre es Sache der Schätzungs- und der Expertenkommission gewesen, dasselbe zu inventarisieren und zu taxieren, und dann Sache der Finanzdirek­tion, eine neue, ergänzende Erbschaftssteuerberechnung vorzunehmen, gegen welche wieder ein R ekurs an den R eg ierun gsra t und die A nrufung des gerichtlichen Entscheides möglich gewesen wäre. D a s ergebe sich u. a . auch a u s § 9 des Erbschaftssteuergesetzes, sowie a u s § 2 7 Z iff. 2 des Gesetzes betreffend die O rganisa tion des R eg ierungsra tes, vom 2 6 . Februar 1 8 9 9 , wonach alle S te u e r­sachen von der Finanzdirektion erstinstanzlich zu erledigen seien.

I I . B e t r e f f e n d d i e N a c h s t e u e r n :a d E . U nter den im russischen In v e n ta r aufgeführten

7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r . 6 0 C ts . „B argeld" sei in Wirklichkeit der G e­schäftsanteil des E m anuel H enry B ran d t in der F irm a E .H . B rand t & Cie. zu verstehen, also ein wirtschaftlich mit ausländischen Liegenschaften verbundenes Besitztum int S in n e von § 3 b des zürcher Steuergesetzes.

Um nach § 3 8 Abs. 1 des Staatssteuergesetzes eine S tra fn a c h ­steuer auferlegen zu können, müsse die Finanzdirektion Beweise haben, a u s denen sich ergebe, daß bewegliches, in Zürich steuer­pflichtiges Vermögen daselbst nicht versteuert worden sei; die Finanzdirektion sei somit beweispflichtig dafür, daß die 7 ,5 0 7 ,7 7 5 F r. 6 0 C ts . bewegliches Vermögen betreffen, welches noch außer dem Geschäftsanteil vorhanden gewesen sei, und nicht der E rbe des Steuerpflichtigen fü r das Gegenteil.

a d G. D a das im russischen Geschäft investierte Vermögen lau t russischem In v e n ta r 1 4 ,2 2 0 ,1 1 1 F r. 6 0 C ts . betrage, der

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524 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

R eg ierungsra t aber die von der Finanzdirektion verfügte Nach­steuer auf der B asis eines der S teu e r entzogenen Verm ögens von 1 5 ,0 0 0 ,0 0 0 F r . bestätigt habe, also von einer um zirka 8 0 0 ,0 0 0 F r. oder, je nach der T axation der W ertpapiere, imm erhin um 1 7 6 ,0 0 0 F r . höhern S um m e ausgehe, so sei damit implicite a u s ­gesprochen, daß auch die zürcherischen Aktiven um zirka 8 0 0 ,0 0 0 F r. bezw. 1 7 6 .0 0 0 F r. zu niedrig versteuert worden seien. Und da der Kommanditenbetrag von 1 5 0 ,0 0 0 F r . stets liquid gewesen sei, so könne der weitere Nachsteuerbetrag sich n u r auf angeblick zu niedrige Versteuerung der zürcherischen Liegenschaft beziehen; die Finanzdirektion lege ih r denn auch in ihrer Berechnung vom 1 5 . Oktober 1908 einen W ert von 2 ,1 7 9 ,4 6 0 F r . bei. I n dieser T axation liege ein weiterer Wi l l k ü r a k t . . . . (w ird näher a u s ­geführt).

a d I. W enn m an es zulasse, daß auf G rund unzuver­lässiger Auskünfte eines privaten Jn fo rm a tio n sb u reau s die B e­weislast hinsichtlich angeblicher Steuerhinterziehungen umgekehrt werde, so könnte ja die Finanzdirektion auf diesem Umweg immer, auch da, wo keine Erbschaftssteuerpsticht zur amtlichen In v e n ta r i­sation berechtige, i n d i r e k t eine In v en ta risa tio n erzwingen, indem sie den E rben androhe, vaß sonst auf G rundlage solcher anonymer In fo rm a tio n en eine Nachsteuer auferlegt werde.

ad . L . D ie Finanzdirektion sei g a r nicht kompetent gewesen, Nachsteuern zu G unsten der S ta d t Zürich und der Kirchgemeinde Neumünster zu dekretieren und deren sofortige Z ah lu ng zu befehlen.

Ferner bilde die Nachsteuerauflage an die Kirchgemeinde Neu- münfter im Betrage von 7 8 ,7 7 5 F r. eine Verletzung des A rt. 49 B V , sowie des A rt. 63 der zürch. K V , welche beide die G lau ben s­freiheit gewährleisten und den Z w ang zur S teuerzahlung an K u ltu sausgaben einer Kirche, der m an nicht angehöre, verbieten. E . H . B ran d t sei nicht M itglied der zürcherischen evangelischen Landeskirche, nicht Z w i n g l i a n e r gewesen, sondern, wie sich aus seinem Trauschein ergebe, M itglied der deutsch-reformierten Kirche, also L u t h e r a n e r . E s existiere aber in Zürich eine besondere lutheranische Kirche mit eigenen Geistlichen. D e r Erblasser des Rekurrenten sei also, speziell auch nach § 7 und 1 9 des Gesetzes betreffend die O rganisa tion der evangelischen Landeskirche, in Zürich

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I. Rechtsverweigerung. — ò) Materielle. N° 91. 525

nicht kirchensteuerpflichtig gewesen, und es bilde daher die Nach­steuerauflage gleichzeitig auch eine willkürliche Verletzung dieser Gesetzesbestimmungen. W enn Em anuel Henry B ran d t jeweilen die von ihm geforderte kleine Kirchensteuer von 513 F r . 5 0 C ts. freiwillig entrichtet habe, so begründe das keine Rechtspflicht zur Z ah lung 15- oder gar 4 0m al höherer Beträge.

Endlich erklärt der R ekurrent, er beschwere sich auch noch wegen Verletzung des in A rt. 4 6 Abs. 2 B V enthaltenen D oppel­besteuerungsverbotes. E s rechtfertige sich, dieses Verbot auch auf ausländische Geschäftskapitalien, die m it ausländischen Im m obilien in einem wirtschaftlichen Zusam m enhang stehen, auszudehnen.

I n einem am 5 . 'November 1 9 0 9 , also noch innert der 60- tägigen R ekursfrist, zur Post gegebenen N achtrag, d. d. 4 . N o ­vember 1 9 0 9 , hat der R ekurrent u . a. noch geltend gemacht, die Auferlegung einer Nachsteuer zu G unsten der Kirchgemeinde N eu­münster verstoße auch gegen den Grundsatz der G ew altentrennung, da nach § 2 l i t t , c des zürcherischen Gesetzes über die S tre itig ­keiten im Verwaltungsfache, vom 2 3 . Z u n i 1 8 3 1 , die F rage , ob E m anuel H enry B ran d t zur reformierten Landeskirche gehörte, durch die G e r i c h t e zu entscheiden gewesen wäre.

Endlich führt der R ekurrent in diesem N achtrag a u s :Angesichts der immer mehr überhand nehmenden Rechtsver­

weigerungen der kantonalen Steuerbehörden erscheine es a ls ein „Gebot der Konsequenz", daß das Bundesgericht auch seinen Schutz gegen Doppelbesteuerung in internationalen Verhältnissen weiter ausbilde. Insbesondere sei dieser Schutz auszudehnen auf die in ausländischen Geschäften investierten K ap ita lien , die ja auch nach schweizerischer Rechtsanschauung in R ußland steuerpflichtig seien.

G. — Noch während der Pendenz des V erfahrens vor dem R e­gierungsrate hatte auf V eranlassung des Rekurrenten die r us s i sche G e s a n d t s c h a f t i n B e r n nam ens der russischen Regierung beim B u n d e s r a t gegen die Erhebung einer Erbschaftssteuer von einem russischen Nachlaßaktivum m ittels zweier Verbalnoten Einsprache erhoben, weil dadurch A rt. 4 Abs. 4 des schweizerisch-russischen N iederlassungsvertrages vom 1 4 ./2 6 . Dezember 1 8 7 2 verletzt werde. H ierauf antwortete der B u nd esra t am 2 3 . Oktober 1909 : Beschwerden wegen Verletzung von S ta a tsv e rträ g e n seien beim

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536 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Bundesgericht anzubringen; der B u nd esra t sei daher nicht kom­petent, die Einsprache zu prüfen.

H . — I n seiner R ekursantw ort hat der R eg ierungsra t des K an to n s Zürich Abweisung des Rekurses beantragt und zur B e­gründung dieses A ntrages u . a. folgendes ausgefüh rt:

D er B etrag von 15 M illionen Franken, welchen die F inanz­direktion, über den W ert der zürcherischen Liegenschaft des Em anuel H enry B rand t, der Kommandite bei Seemann & Cie. in Zollikon und der Fahrhabe in Zürich h in au s, ihrer Steuerberechnung zu G runde gelegt habe, beziehe sich nicht bloß auf „bewegliche Ak- iva in R u ß lan d " , sondern, wie a u s der V erfügung deutlich her­vorgehe, auf „alles übrige bewegliche V erm ögen". Auch schließe die auf 15 M illionen Franken bemessene G rundlage der Nach­steuern von 7 0 6 ,8 7 5 F r . (an den S ta a t ) , 9 4 5 ,3 0 0 F r . (an die S ta d t Z ürich) und 7 8 ,7 7 5 F r. (a n die Kirchgemeinde N eu ­m ünster) den „angeblich höhern W ert der zürcherischen Liegen­schaft" keineswegs in sich: die F rage , welchen W ert die Liegen­schaft in den Nachsteuerjahren 1 9 0 6 und 1 9 0 7 repräsentierte, bezw, ob ein gegenüber der erfolgten Versteuerung zu konstatie­render M ehrw ert der Liegenschaft noch nachzubesteuern sei, bleibe in der V erfügung dahingestellt.

Ferner sei unrichtig, daß der in E rw ägung 6 des regierungs- rätlichen Beschlusses angenommene B etrag von 1 4 ,8 2 4 ,9 7 4 F r. 10 C ts . die Spezifikation der in der V erfügung der Finanzdirektion „summarisch supponierten 15 M illionen Franken" gebildet habe; wohl aber beweise das russische In v e n ta r , in Verbindung mit den weitern im Beschluß erwähnten A nhaltspunkten über die Erbmasse B ran d t, „die gute Begründetheit der Bezifferung des übrigen be­weglichen Verm ögens auf mindestens 15 M illionen Franken".

F ü r den F a ll, daß das Bundesgericht nicht sonst schon zur vollständigen Abweisung des Rekurses gelangen sollte, beantragt der R eg ierungsra t die E invernahm e der In h a b e r des Bankhauses Escher je R a h n in Zürich a ls Zeugen über die Verm ögensver­hältnisse des E m anuel H enry B randt.

D er R ekursan tw ort liegt folgende E rklärung des Kassaver­w alters der evangelisch-lutherischen Kirche von Zürich b e i:

„A uf eine Anfrage von H errn E . R ingger im A ufträge des

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I. Rechtsverweigerung. — 6) Materielle. X” 91. 527

„S teueram tes Zürich , ob und welchen B eitrag (S te u e rn ) H err „ E . H . B rand t, S ü d str ., an die evang.-lutherische Kirche geleistet „hat, bescheinige ich hiemit, daß derselbe in unfern Registern nicht „verzeichnet ist."

I. — Z n der Replik hat der Rekurrent erklärt, er ergänze seine Rekursbegründungen und A nträge noch dahin, daß dem R e ­kursbegehren betreffend Anshebung der Auflage einer Erbschafts­und Legatsteuer von 7 2 8 ,8 4 5 F r ., sowie der Auflagen zur E in ­reichung weiterer In v e n ta re und Belege über die in R ußland ge­legenen Nachlaßaktiva und -passiva des E m anuel Henry B randt und seiner W itw e, auch darum zu entsprechen sei, weil durch diese A uflagen A rt. 4 Abs. 4 des S ta a tsv e rtra g e s m it R ußland, vom 1 4 ./2 6 . Dezember 1 8 7 2 , verletzt werde. Diese nachträgliche Geltendmachung eines neuen S tandpunktes sei trotz Ablaufes der Rekursfrist zulässig, weil ja das Nekurspetitum selber nicht abge­ändert, sondern n u r, zur weitern Begründung desselben, eine bis jetzt noch nicht angerufene S te lle seines Gesetzeskraft besitzenden S ta a tsv e rtra g e s zitiert werde. D er R ekurrent habe nämlich erst seit Einreichung des Rekurses „das novum entdeckt", daß „der in der eidgenössischen Gesetzessammlung in deutscher Sprache abge­druckte S ta a tsv e r tra g " bloß eine Ü b e r s e t z u n g des allein gültigen französischen Textes, und zw ar eine in Bezug auf A rt. 4 Abs. 4 u n r i c h t i g e Übersetzung sei. A u s dem französischen O riginaltext ergebe sich aber die Unzulässigkeit der Erhebung einer E rb ­schaftssteuer von den russischen Nachlaßakliven.

I m Verlaufe der Replik gibt der Rekurrent zu, daß das am 1 6 . J u l i 1 9 0 8 von ihm dem S teuervorstand der S ta d t Zürich vorgelegte In v e n ta r der zürcherischen Nachlaßaktiven insofern nicht vollständig w ar, a ls es das bei Escher & R ah n in Zürich vor­handene Kontokorrentguthaben von 2 5 ,5 0 0 F r ., sowie das W ert­schristendepot im ungefähren W erte von 5 0 0 ,0 0 0 F r. nicht ent­hielt. E r sucht dies damit zu erklären, daß das Verhalten der Finanzdirektion ihm gegenüber (u . a. die Arrestlegung auf die Liegenschaft in Zürich trotz seiner K autionsofferte) ihn zu diesem Vorgehen veranlaßt habe, und daß er den Erblasser im Nachlaß­inventar nicht habe „desavouieren" wollen.

A m Schluffe enthält die Replik noch die Bemerkung, daß der

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528 A.. Staatsrechtliche Entscheidungen, i. Abschnitt. Bundesverfassung.

Rekurrent mit seinen R ekursanträgen nicht n u r die Kapitalsum m en der angefochtenen S teuerforderungen bestreite, sondern „selbstver­ständlich, a ls das m inus in m a jo re " , eventuell auch die Verzugs- zinssorderung à 5 % seit 1 5 . Oktober 1 9 0 8 , welche zwar nicht im D ispositiv der V erfügung vom 15 . Oktober 1 9 0 8 und des Beschlusses vom 2 . September 1 9 0 9 stehe, wohl aber in die E r ­wägung 11 des letztem hineingefügt worden sei. E r beantrage daher ganz eventuell, auch die V erzugszinsforderung zu streichen und zw ar sowohl bezüglich der Nachsteuern, a ls auch hinsichtlich der Erbschaftssteuer.

I m übrigen enthält die Replik nichts n e u e s ; ebensowenig die vom R eg ierungsra t eingereichte D uplik.

K . — A u s den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen des K an ton s Zürich sind folgende Bestimmungen zu z itie ren :

a ) a u s dem G esetz b e t r e f f e n d d ie V e r m ö g e n s - , E i n ­k o m m e n s - u n d A k t iv b ü r g e r s te u e r v om 2 4 . A p r i l 1 8 7 0 :

§ 2 : D er Vermögenssteuer ist unterw orfen :

b ) das im K an ton befindliche Grundeigentum und mit solchem verbundene Besitztum, welches einer a u sw ärts wohnenden Person angehört.

§ 3 : Von der Vermögenssteuer sind ausgenom m en:

b ) das außer dem K an ton befindliche, au s Grundeigentum be­stehende oder mit solchem verbundene Besitztum eines K an to n s­einwohners, wenn fü r dasselbe da, wo es liegt, eine V erm ögens­oder Einkommenssteuer zu entrichten ist.

§ 10 : Streitigkeiten über die F rage , ob ein Verm ögens- oder Einkomm ensteil steuerpflichtig sei, werden von der Finanzdirektion unter Vorbehalt des Rekurses an den R eg ierungsra t entschieden.

§ 26 Abs. 1 : F ü r die amtliche Inven taris ie rung wird eine Schätzungskommission bestellt a u s :

Einem Abgeordneten des Gemeinderates, einem Abgeordneten des B ezirksrates, welcher der betreffenden Gemeinde nicht ange­hören darf, und einem von dem Pflichtigen gewählten M it- gliede.

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I. Rechtsvervveigerung.— b) Materielle. N° 91. 529

§ 27 : D ie amtliche Inven tarisierung tr itt e in :a ) wenn ein Steuerpflichtiger sie selber verlang t;b ) gemäß § 9 des Gesetzes betreffend die Erbschaftssteuer.§ 2 8 : D ie erste Inven tarisierung geschieht durch den Pflich­

tigen. — D a s In v e n ta r wird hierauf von der Schätzungskom­mission geprüft und mit den wesentlichen Vermögensgegenständen, jedenfalls mit den vorhandenen Z in s - und H andlungsbüchern, verglichen. — W o durch die Waisenbehörden inventarisiert wird, soll das diesfällige In v e n ta r auch fü r die Steuerbehörden m aß­gebend sein.

§ 29 : K an n über den dem Vermögen oder Einkommen beizu­legenden W ert keine freie Verständigung erzielt werden, so steht sowohl dem Pflichtigen a ls jedem der beiden von den Behörden gewählten M itglieder der Schätzungskommission das Recht der B erufung auf eine Expertenkommission zu.

§ 3 0 : Diese, a u s drei M itgliedern bestehend, wird vom B e­zirksgerichte gewählt und entscheidet, nachdem sie vorher die Betei­ligten gehört, endgültig über den dem fraglichen Vermögen oder Einkommen zuzuschreibenden Umfang und W ert, sowie über die Auferlegung der Kosten der Schätzung.

§ 3 8 : E rgib t sich, daß ein Pflichtiger sein Vermögen unvoll­ständig versteuert hat, so ist eine Steuernachzahlung zu beziehen.

Dieselbe beträgt das Fünffache der in den letzten zwei J a h re n dem S ta a te zu wenig bezahlten Beträge.

§ 39 : Absichtliche Verheimlichung von Vermögensteilen, um sie der amtlichen Inven taris ie rung zu entziehen, zieht a ls S tra fe die Z ah lu ng des Zehnfachen der S teu e r, welche fü r das betreffende J a h r umgangen wurde, nach sich.

Über die Frage, ob demjenigen, bei welchem inventarisiert wurde, absichtliche Verheimlichung zur Last falle, kann von demselben ge­richtlicher Entscheid verlangt werden. I n diesem Falle hat die Finanzdirektion a ls K lägerin aufzutreten und entscheidet das B e­zirksgericht in erster In s ta n z .

b ) a u s dem G esetz b e t r e f f e n d d ie E r b s c h a f t s s te u e r , v o m 2 0 . F e b r u a r 1 8 7 0 :

§ 1 : V on allen im K an ton fällig werdenden Erbschaften und

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530 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung

Vermächtnissen, m it A usnahm e der in Z 2 bezeichneten Fälle, wirb eine S te u e r bezogen.

§ 2 : V on dieser S teu e r sind ausgenom m en: a ) die Erbschaften in gerade absteigender Linie, im ersten Grade

aufsteigender Linie (E lte rn ) und unter Ehegatten.

§ 9 : D ie Berechnung der Erbschaftssteuer gründet sich auf die amtliche Inv en taris ie run g (§ § 2 6 3 0 des Gesetzes betreffend die V erm ögens-, Einkomm ens- und Aktivbürgersteuer). S ie wird von der Finanzdirektion vorgenommen, zu welchem Ende die Schätzungs­kommissionen (§ 26 des zit. Gesetzes) von dem Ergebnis der amt- lichm Inven tarisierung derselben ungesäumt K enn tn is zu geben haben.

D em Steuerpffichtigen steht es frei, über die Richtigkeit der an ihn gestellten S teuerforderung schließlich den Entscheid der Gerichte anzurufen.

§ 1 0 : D ie Erbschaftssteuer wird vom Gemeinderat bezogen und an die Staatskasse abgeliefert gegen eine Provision von 1 % des abgelieferten B etrages. .

§ 1 1 : E ine Verheimlichung einer nach vorstehenden Bestim ­mungen steuerpflichtigen Erbschaft, Verm ächtnis oder Schenkung, oder andere Umgehungen des Gesetzes, z. B . durch fingierte Rechtsgeschäfte, haben die dreifache Nachforderung der umgangenen Leistung zur Folge.

c) a u s dem G esetz b e t r e f f e n d d a s G e m e in d e w e s e n , vom 2 7 . J u n i 1 8 7 5 :

§ 145 Abs. 1 S atz 1 : Z u r Erhebung von Gemeindesteuern ist das S taatssteuerreg ister maßgebend, das in dem unm ittelbar vorhergehenden J a h re erstellt wurde.

d ) a u s dem G esetz b e t r . d ie O r g a n i s a t i o n d e s R e ­g ie r u n g s r a t e s , v o m 26 . F e b r u a r 1 8 9 9 :

§ 2 7 : D er D irektion der F inanzen steht die Erledigung in folgenden Geschäften z u : . . . . . . 2 . Erstinstanzliche Entschei­dungen in Steuerstreirigkeiten und andern Steuersachen.

e ) a u s dem G ese tz b e t r . d ie O r g a n i s a t i o n der e v a n ­g e lisch e n L a n d e s k i r c h e d e s K a n t o n s Z ü r i c h , v o m 2 6 . O k ­to b e r 1 9 0 2 : .

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. 91. 531

§ 7 Abs. 1 : A ls M itglied der Landeskirche wird jeder evan­gelische E inw ohner des K an to n s betrachtet, der nicht ausdrücklich seinen A u s tr itt genommen oder seine Nichtzugehörigkeit erklärt hat.

§ 1 8 : I n Beziehung auf Steuerleistungen fü r die Bedürfnisse der Landeskirche und die ökonomische Gemeindeverwaltung sino die Vorschriften des Gemeindegesetzes, insbesondere § 1 3 7 a — e, m aß­gebend.

§ 1 9 Abs. 1 : A ußer der evangelischen Landeskirche stehende Personen können nicht in Mitleidenschaft gezogen werden für S teu e rn , welche die Kirchgemeinden a ls kirchliche K orporationen zu r Deckung ihrer A usgaben erheben.

f) a u s dem G esetz ü b e r d ie S t r e i t i g k e i t e n im V e r ­w a l t u n g s f a c h e , v o m 2 3 . J u n i 1 8 3 1 :

§ 1 : Alle Streitigkeiten über Existenz und Umfang von er­worbenen Rechten, mögen dieselben die rechtliche Persönlichkeit ( s ta tu s ) , oder Fam ilien- oder Vermögensrechte betreffen, fallen unter die B eurteilung der Zivilgerichte.

§ 2 : Dagegen gehören in den K re is der V erw altungsbehörden folgende Anstände:

c ) Über Ausschreibung uno Verteilung von S teu e rn , Abgaben, A nlagen, Frohndiensten, Réquisitions- und E inquartierungslasten , sei es an den S t a a t oder an Gemeinden. D ie Leistungspsticht des einzelnen dagegen im F a ll der Aufstellung von W eigerungs­gründen, die sich nicht unm ittelbar auf die Ausschreibung oder V erteilung beziehen, ist Rechtssache.

g ) a u s d e r v o m R e g i e r u n g s r a t a m 2 2 . J u n i 1 8 9 7 g e n e h m i g te n „ A n l e i t u n g b e tr . d a s b e i d e r S t e u e r t a x a ­

io n zu b e o b a c h te n d e V e r f a h r e n " , speziell a u s A rt. 15 dieserA n le itu n g :

U nter dem m it G rundeigentum verbundenen Besitztum . . . . sind fü r landwirtschaftliche Gewerbe die denselben entsprungenen V orräte an Vieh und Bodenprodukten, fü r industrielle Gewerbe die M aschinen, Fabrikutensilien, zum Verarbeiten bereit liegende oder in Arbeit begriffene Rohstoffe zu verstehen.

h) a u s d er v o m N e g i e r u n g s r a t am 2 6 . A p r i l 1 9 0 0 g e n e h m i g te n A n l e i t u n g b e tr . d a s s e lb e V e r f a h r e n :

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532 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Z iff. 2 : D a s außer dem K an ton Zürich befindliche, au s G rundeigentum bestehende oder m it solchem verbundene Besitztum eines K antonseinw ohners (§ 3 b des Gesetzes) ist insoweit steuer­frei, a ls die bundesrechtliche P ra x is in F ragen der Doppelbe­steuerung die Besteuerung im herw ärtigen K an to n verbietet.

D ie Besteuerung a u sw ä rts wohnender Personen fü r im K a n ­ton Zürich befindliches G rundeigentum und m it solchem verbun­denes Besitztum (§ 2 b des S teuer-G es.) ist auf alle Objekte a u s ­zudehnen, deren Besteuerung nacb bundesrechtlicher P ra x is hierorts zulässig ist. '

i ) (H iem it wörtlich übereinstim m end: Z ister 2 der am 7. M a i 190 3 genehmigten A nleitung).

k ) a u s d er a m 5. J u n i 1 9 0 6 g e n e h m ig te n A n l e i ­t u n g :

Z i f f . 2 ; D a s außer dem K an ton Z ürich befindliche, au s Grundeigentum bestehende oder m it solchem verbundene Besitztum eines K antonseinw ohners (ß 3 b des Gesetzes) ist insoweit steuer­frei, a ls die bundesrechtliche P ra x is in F ragen der Doppelbe­steuerung die Besteuerung im herw ärtigen K an to n verbietet.

Demgemäß sind von dem im A usland betriebenen Geschäfte eines K antonseinw ohners bloß die Liegenschaften sam t gesetzlicher Zubehörde und n u r , sofern nachgewiesen wird, daß sie im A u s­lande der direkten Besteuerung unterliegen, h ierorts steuerfrei; die in andern K an tonen der Schweiz befindlichen Geschäftsbetriebe von E inw ohnern des K an to n s Zürich bleiben dagegen im vollen Umfange hier unbesteuert.

Z i f f . 3 : D ie Besteuerung a u sw ä rts wohnender Personen für im K an ton Z ürich befindliches G rundeigentum und mit solchem verbundenes Besitztum (§ 2 b des S teuer-G es.) ist auf alle Objekte auszudehnen, deren Besteuerung nach bundesrechtlicher P ra x is h ierorts zulässig ist.

Hiesige Geschäftsbetriebe von A usw ärtsw ohnenden sind im vollen Umfange zu besteuern, also außer den Liegenschaften samt Zubehörde auch die Betriebsfonds, Rohstoffe und fertigen P r o ­dukte, Geschäftsguthaben u. s. f.

Z i f f . 5 4 A bs. 3 : S o fe rn nicht schon infolge B erufung auf Inven tarisierung durch die Schätzungskommission ein In v e n ta r

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N» 91. 533

vorliegt, gleichwohl aber ein solches behufs richtiger Feststellung des Vermögens oder Einkommens erforderlich erscheint, hat die Expertenkommission dem Pflichtigen die A nfertigung eines voll­ständigen In v e n ta r s aufzugeben.

1) (M it Z iff. 2 und 3 der A nleitung vom J a h re 1 9 0 6 int wesentlichen übereinstim m end: Z iffer 2 und 3 der am 2 7 . M a i 1 9 0 9 genehmigten A nleitung).

D a s Bundesgericht zieht in E r w ä g u n g :1. — I n Bezug auf die behauptete Verletzung der A rt. 4, 4 6 ,

4 9 und 5 8 B V ist die Kompetenz des Bundesgerichts zur An- handnahme des Rekurses zw eifellos; ebenso auch insoweit, a ls der Rekurrent sich auf A rt. 4 Abs. 3 ( in der deutschen Ü ber­setzung Abs. 2 ) des schweizerisch-russischen Niederlassungs- und H andelsvertrages vom 2 6 ./1 4 . Dezember 1 8 7 2 (eidgenössische Gesetzessammlung A S 11 S . 3 7 6 ff.) beruft. D ie zitierte V er­tragsbestim m ung, welche die Gleichbehandlung der Angehörigen beider S ta a te n in S teuerfragen garan tiert, wird vom Rekurrenten lediglich zu dem Zwecke angerufen, um darzutun, daß er, gleich einem Schweizer, die erwähnten Bestimmungen der schweizerischen Bundesverfassung fü r sich in Anspruch nehmen kann. Diese Gleich­berechtigung ist indessen a ls solche nicht bestritten ; sondern streitig ist, ob eine Verletzung der angeführten V e r f a s s u n g s b e s t i m ­m u n g e n vorliege. I n letzterer Beziehung steht aber die Kompe­tenz des Bundesgerichts außer Frage.

W a s die angebliche Verletzung des A rt. 4 A bs. 4 (in der deutschen Übersetzung Abs. 3) des S ta a tsv e rtra g e s betrifft, so braucht hier nicht entschieden zu werden, ob zur B ehandlung dieses Beschwerdepunktes das Bundesgericht, oder aber der B u nd esra t kompetent gewesen w äre. D enn der R ekurrent hat diesen R ekurs­grund erst in der Replik, nach Ablauf der 60tägigen R ekursfrist, geltend gemacht. A u s A rt. 1 78 Z iff. 3 O G ergibt sich aber (vergi, auch B G E 11 S . 2 7 2 f. E rw . 1 , 16 S . 286 E rw . 1, 2 8 I S . 3 4 5 E rw . 1 , 3 5 I S . 7 59 f. E rw . 3 i. f .), daß zur Substan tiierung des staatsrechtlichen Rekurses nicht n u r — wie zur S ubstan tiierung einer zivilprozessualen K lage — die S te llu n g eines A n t r a g e s und die D arlegung der zur B egründung dieses A ntrages bestimmten T a t s a c h e n gehört, sondern daß auch die

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534 X. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

B e g r ü n d u n g a l s so lche dem Rekurrenten obliegt. I s t es nun auch nicht erforderlich, daß geradezu alle juristischen E rw ägungen, die zur G utheißung des Rekurses führen könnten, vom R ekur­renten vorgebracht werden, so gehört doch zur Erhebung eines staatsrechtlichen Rekurses, a ls integrierender Bestandteil desselben, die Bezeichnung desjenigen verfassungsmäßigen Rechtes bezw. der­jenigen Bestimmung einer Verfassung oder eines S taa tsv e rlrag e s , wegen deren Verletzung die Beschwerde ergriffen w ird. E s muß also diese Bezeichnung auch inn ert der R ekursfrist stattfinden, sodaß auf jenen erst nachträglich geltend gemachten Beschwerde­grund nicht eingetreten werden kann.

D ie G estattung von Replik und D uplik, die nach A rt. 184 O G n u r ausnahm sweise stattftnden soll, vermag hieran nichts zu ändern. D er ausschließliche Zweck der Replik ist die Verteidigung gegen die A nbringen der R ekursan tw ort, nicht aber die Geltend­machung neuer A ngriffsm ittel. D er Umstand, daß ein weiterer Schriftenwechsel angeordnet wird, soll den Rekurrenten, w as die Beachtung der F rist des A rt. 178 Z iff. 3 anbelangt, nicht besser stellen.

W enn im vorliegenden Falle der Rekurrent zu seiner Entschul­digung geltend macht, er habe das « novum », daß der „in der eidgenössischen Gesetzessammlung in deutscher Sprache abgedruckte" S ta a tsv e rtra g bloß eine Übersetzung des allein gültigen franzö­sischen Textes, und zw ar eine in Bezug auf A rt. 4 Abs. 4 u n ­richtige Übersetzung sei, erst nach Ablauf der Rekursfrist „ent­deckt", so ist demgegenüber daran zu erinnern , daß A rt. 178 O G , auch fü r den F a ll der nachträglichen Entdeckung von Noven, von der Verpflichtung zur Einreichung einer „die Begründung der A nträge" enthaltenden Rekursschrift innert 60 Tagen keine A usnahm e statuiert. Abgesehen davon wäre zu bemerken, daß die Unrichtigkeit einer Übersetzung keine „Tatsache" im prozessualen S in n e darstellt und also auch keine „neue Tatsache" im S in n e allfälliger Bestimmungen über die Restitution gegen den Ablauf einer F rist bilden kann. Endlich fällt in Betracht, daß der mehr­erwähnte S ta a tsv e r tra g in der eidgenössischen Gesetzessammlung nicht, wie der Rekurrent sich ausdrückt, „ in deutscher Sprache", sondern (und zwar nicht etwa in der f r a n z ö s is c h e n , sondern im

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 91. 585

Gegenteil in der d eu tsc h en A usgabe) in deutscher u n d französi­scher Sprache abgedruckt ist. Nicht n u r hatte also der Rekurrent, w enn er sich auf eine Bestimmung dieses S ta a tsv e rtra g e s berufen wollte, — mit Rücksicht darauf, daß ja im diplomatischen V er­kehr in der Regel die französische Sprache verwendet wird — allen A nlaß, die beiden Texte m it einander zu vergleichen, sondern es wurde ihm dieser Vergleich noch durch die jedermann zugäng­liche amtliche Gesetzessammlung wesentlich erleichtert.

I m übrigen könnte allerdings die Ansicht vertreten werden, es liege außer einer Beschwerde des W . E . B ran d t auch noch eine solche der ru s s isc h e n R e g i e r u n g vor, die an keine R ekursfrist gebunden sei, oder es erhalte doch durch die In te rven tion der russischen Gesandtschaft die Beschwerde des Rekurrenten bis zu einem gewissen G rade einen völkerrechtlichen Charakter, der die Anwendung der in A rt. 1 7 8 Z iff. 3 O G vorgesehenen R ekurs­frist ausschließe. Allein, wie auch die von der russischen Gesandt­schaft beim B u nd esra t eingelegten Noten aufgefaßt werden mögen, jedenfalls hat das Bundesgericht gemäß A rt. 175 ff. O G a ls S taatsgerich tshof nicht über Beschwerden fremder S t a a t e n wegen Verletzung der von der Schweiz m it ihnen abgeschlossenen V erträge zu entscheiden, sondern, soweit es sich um S ta a tsv e rträ g e handelt, ausschließlich über Beschwerden von B ü r g e r n (oder „K o rp o ra ­tion en") wegen Verletzung der durch diese S ta a tsv e rträ g e g a ran ­tierten I n d i v i d u a l r e c h t e . W ürde also auch angenommen, es liege hinsichtlich der behaupteten Verletzung von A rt. 4 Abs. 4 des schweizerisch-russischen N iederlassungsvertrages eine Beschwerde der russischen Regierung vor, so w äre es doch jedenfalls nicht das B u n d e s g e r i c h t , das diese Beschwerde zu behandeln hätte.

In sow e it somit die F rage der Verspätung zweifelhaft sein könnte, d. h. hinsichtlich der In te rven tion der russischen Gesandtschaft, ist au f alle Fälle die K o m p e te n z des Bundesgerichtes zu verneinen; insoweit aber über die Kompetenzfrage verschiedene Ansichten denk­bar w ären, d. h . hinsichtlich der von W . E . B ra n d t selber erho­benen Beschwerde, ist der R ekurs, wie ausgeführt, in Bezug auf die behauptete Verletzung des S taa tsv e rtrag e s offensichtlich v e r ­s p ä t e t , sodaß also das Bundesgericht auf diesen P un k t unter keinen Umständen Eintreten kann.

AS 36 1 — 1910 36

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536 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Ü brigens erwächst dem Rekurrenten a u s der 'Nichtbehandlung dieses T eils seines Rekurses tut gegenwärtigen Verfahren insofern kein Rechtsnachteist a ls gemäß § 9 Abs. 2 des zürch. Erbschasts- steuergesetzes (oben s a b K b) die F rage der Zulässigkeit der strei­tigen Erbschaftssteuer noch der richterlichen Ü berprüfung unterliegt und der Rekurrent den Entscheid der Gerichte denn auch bereits angerufen hat.

Außerdem wird, infolge der a u s zwei andern G ründen gebo­tenen Aufhebung des angefochtenen Entscheides (vergi, unten E rw . 1 4 ) zunächst der R eg ierungsra t selber sich mit der erwähnten Bestimmung des S ta a tsv e rtra g e s zu befassen haben, w orauf dem Rekurrenten eventuell immer noch, sei es gegen den neuen Entscheid des R eg ierungsra tes, sei es gegen den Entscheid der Gerichte, die A nrufung der zuständigen Bundesbehörde möglich sein wird.

Verspätet ist der R ekurs sodann auch hinsichtlich der Anfechtung der V e r z u g s z i n s e n , die dem Rekurrenten in E rw ägung 11 des regierungsrätlichen Entscheides auferlegt worden sind. Auch dieser Punkt ist erst in der Replik, also nach A blauf der KOtägigen Re- kursstist, gerügt worden, und es kann daher auf denselben eben­fa lls nicht eingetreten werden. D en n wenn der Rekurrent bemerkt, in der Anfechtung des K apitalbetrages der geforderten S teuern sei selbstverständlich, a ls das m inus in m a jo re , eventuell auch die Anfechtung der Verzugszinsen inbegriffen, so ist demgegenüber auf das bereits zu A rt. 4 Abs. 4 des S ta a tsv e rlra g e s Gesagte zu verweisen, wonach innert der Beschwerdefrist nicht n u r der R ekurs­an trag zu stellen, sondern auch die einzelnen R ekursgründe geltend zu machen sind.

Nicht einzutreten ist endlich auf die Beschwerde betreffend die S t r a f s t e u e r im Betrage von 3 6 7 ,5 1 0 F r ., welche dem R ekur­renten vom N egierungsrate auferlegt wurde, weil er sich einer Vermögensverheimlichung in der Höhe des russischen In v e n ta rs (rund 1 4 ,8 M illionen ) schuldig gemacht habe, da der betreffende Teil des Nachlasses von den Behörden ohne Z u tu n des R ekur­renten entdeckt worden sei. E ines E in tre tens auf diesen Punkt bedarf es hier deshalb nicht, weil der Pstichtige nach § 39 Abs. 2 des zürcherischen Steuergesetzes über die Begründetheit der S t r a f - steuersorderung noch den Entscheid des R ichters anrufen kann.

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!. Rechtsverweigern ng. — b) Materielle. K» 91. 587

W enn auch beim Rekurrenten nicht, wie die zitierte Gesetzesbe­stimmung vorsieht, „inventarsiiert w urde", und er daher, nach der Auffassung des R eg ie run gsra tes, nicht bei d e r I n v e n t a r i s a ­t io n eine Vermögensverheimlichung begangen hat, sondern dadurch daß er sich überhaupt der Jnvem arisationspflicht e n t z o g , so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß er in gleicher Weise zur A nrufung des R ichters berechtigt ist, wie ein Steuerpflichtiger, bei dem ein In v e n ta r ausgenommen wurde. D ie M einung des Gesetzes ist offenbar die, daß über die Frage, ob der Pflichtige sich einer Vermögensverheimlichung im S in n e des § 39 schuldig gemacht habe, nicht einseitig die Verw altungsbehörde, sondern die Gerichte entscheiden sollen. D er Rekurrent hat denn auch (vergi, oben Fakt. E ) bereits den Entscheid des R ichters angerufen, und es ist von keiner S e ite behauptet worden, daß die Gerichte in diesem Punkte nicht kompetent seien.

I m übrigen ist auf den R ekurs einzutreten, immerhin iu dem S in n e , daß gegebenenfalls n u r eine A u f H e b u n g d e s a n g e ­fo c h te n e n E n ts c h e id e s und also keine G utheißung aller ein­zelnen „Rechtsbegehren und A nträge" in Betracht kommen kann, da letztere, soweit sie überhaupt A nträge und nicht bloß Beschwerde­gründe enthalten, m it der kassatorischen Funktion des staatsrecht­lichen Rekurses im Widerspruch stehen.

2. — D ie dem Rekurrenten gegenüber geltend gemachten S te u e r­forderungen zerfallen in zwei große G ruppen, deren A useinander­haltung im Interesse der K larheit liegt. E inerseits nämlich handelt es sich um E r b s c h a f t s s t e u e r n , welche a ls solche dem Rekurrenten erstm als auferlegt wurden, anderseits um N a c h ­s te u e rn , welche ein Vielfaches derjenigen S teuerbeträge darstellen, die der Erblasser des Rekurrenten zu wenig bezahlt haben soll Diese, schon begrifflich verschiedenen S teue ra rten , die zudem im K an ton Zürich durch verschiedene G esetze geregelt sind, un ter­scheiden sich sodann auch hinsichtlich der S t e u e r b e r e c h t i g u n g , die bei der Erbschaftssteuer n u r dem S ta a te , bei der Nachsteuer aber auch der Einwohnergemeinde und der Kirchgemeinde zusteht. E in weiterer, praktisch wichtiger Unterschied besteht darin , daß ge­mäß § 9 des zürcherischen Erbschaftssteuergesetzes der endgültige Entscheid über vie „Richtigkeit" der geforderten Erbschaftssteuer

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533 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

den G e r ic h te n Vorbehalten ist, während bei der Nachsteuer ein gerichtlicher Entscheid n u r (nach § 3 9 Abs. 2 ) bezüglich der F rage verlangt werden kann, ob eine „absichtliche Verheimlichung von Steuerobjekten vorliege, und daher, statt einer öfachen „Nachsteuer", eine lOfache „S trafsteu er" erhoben werden dürfe. Endlich ist zu beachten, daß gemäß § 27 des Staatssteuergesetzes die a m tl ic h e I n v e n t a r i s a t i o n n u r behufs Erhebung der E rb s c h a f ts s te u e r , nicht auch allfälliger N achsteuern , stattfindet.

D er R ekurrent vertritt nun vor allem den S tandpunk t, daß die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t überhaupt nicht kom­petent seien, den U m fang der Jnventarisationspflicht zu bestimmen und den Pflichtigen zur Einreichung eines dementsprechend an zu ­legenden In v e n ta r s aufzufordern, indem der Entscheid hierüber vielmehr zunächst der gemäß § 2 8 des Staatssteuergesetzes zu wählenden S c h ä tz u n g s k o m m is s io n und sodann der in §§ 29 und 3 0 vorgesehenen E x p e r t e n k o m m is s io n zustehe; der R e­g ie rungsra t habe sich daher in dieser Beziehung sowohl eines E in ­g riffs in Die Kompetenzen jener beiden Kommissionen und dadurch einer Verletzung des A rt. 58 B V , a ls auch einer willkürlichen Außerachtlassung klarer Gesetzesbestimmungen und dadurch eines Verstoßes gegen A rt. 4 B V schuldig gemacht.

W a s zunächst die behauptete Verletzung des § 5 8 B V betrifft, so ist gegenüber dem S tandpunk t des Rekurrenten auf das Urteil des B undesgerichts vom 1 9 . Oktober 1 9 0 4 in Sachen S tre u li- H ün i gegen Zürich ( A S 3 0 I S . 6 2 0 E . 1 ) zu verweisen, wo­selbst bereits dargetan wurde, daß die „Schätzungskommission", um die es sich hier handelt, keine richterliche, sondern eine ad­ministrative Behörde ist, und daß somit eine unrichtige Abgren­zung zwischen den Kompetenzen dieser Schätzungskommission und denjenigen des R eg ierungsra tes jedenfalls nicht unter dem Gesichts­punkt eines E ingriffes der Exekutive in das Gebiet der richterlichen G ew alt, bezw. eines E ntzuges des verfassungsmäßigen Richters, angefochten werden kann. D a m a ls handelte es sich freilich nur um dje in § 2 8 oes Staatssteuergesetzes vorgesehene „Schätzungs­kommission", während von der „ Expertenkommission" des § 29 nicht die Rede w ar. A llein es ist klar, daß diese beiden Kommis­sionen, deren eine der anderen, wie ein zweitinstanzliches Gericht

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I. Rechtsverweigerung.— b) Materielle. 91. 539

einem erstinstanzlichen, übergeordnet ist, Glieder einer und der­selben S taa tsg ew a lt sind, und daß daher, fa lls die eine derselben, die „Schätzungskommission", eine administrative Behörde ist, die andere, die „Expertenkommission", es ebenfalls sein muß. H ieran wird auch dadurch nichts geändert, daß das Gesetz, um eine m ög­lichst unparteiische Zusammensetzung der „Expertenkommission" zu garantieren, ihre E rnennung einem Gerichte (dem Bezirksgericht) überträgt; ebensowenig dadurch, daß § 9 die endgültige Festsetzung der Erbschaftssteuer dem „Entscheid der Gerichte" vorbehält. D er letztere Umstand deutet im Gegenteil daraus hin, daß das ganze dem gerichtlichen Entscheid vorangehende V erfahren, also auch d a s ­jenige vor der Expertenkommission, vom Gesetze a ls ein rein ad­m inistratives betrachtet wird. W äre dies nicht der F a ll, so müßte ja angenommen werden, es finde im K an ton Zürich bei der Fest­setzung der Erbschaftssteuer zuerst ein a d m i n i s t r a t i v e s V er­fahren (vor der Schätzungskommission), dann ein g e r ic h t l ic h e s (vor der Expertenkommission), dann wieder ein a d m i n i s t r a t i v e s (vo r der Finanzdirektion und eventuell dem R eg ierungsra te) und endlich aberm als ein g e r ic h t l ic h e s V erfahren (vo r den eigent­lichen Gerichten) statt, eine A nnahm e, die gewiß keiner W ider­legung bedarf.

Aber auch eine willkürliche Außerachtlassung klarer Gesetzes­bestimmungen kann darin nicht gefunden werden, daß die F in an z­direktion und der R eg ierungsra t die F rage nach dem Umfang der Jnventarisationspflicht von sich au s entschieden haben, statt sie, wie es der Auffassung des Rekurrenten entsprochen hätte, dem E n t­scheide jener beiden Kommissionen zu überlassen. D er Um fang der Jnventarisationspflicht häng t, wenn auch nicht in allen Bezie­hungen, so doch immerhin insofern vom Umfange der Erbschafts­steuerpflicht ab, a ls eine beschränkte Jnventarisationspflicht n u r mit Rücksicht auf eine beschränkte Erbschaftssteuerpflicht geltend gemacht werden kann, wie denn auch der Rekurrent seinen S ta n d ­punkt, daß er einzig in Bezug aus die zürcherischen Nachlaßobjekte inventarisationspflichtig sei, damit begründet hat, daß er n u r für d ie se der zürcherischen E rb sc h a ftss te u e rp flich t unterliege. Handelt es sich aber hier um eine mit dem U m fang der Steuerpflicht in Zusam m enhang stehende, und jedenfalls nicht um eine reine T a x a -

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540 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

t i o n s frage, so erscheint es gewiß nicht a ls willkürlich, wenn unter analoger Anwendung von § 1 0 des Staatssteuergesetzes im vorliegenden Falle davon ausgegangen wurde, diese F rage sei von der Finanzdirektion (m it Rekursrecht an den R eg ierungsra t) und nicht von oen Jnven tarisa tionso rganen zu entscheiden. W enn auch eine andere Ansicht hierüber sehr wohl möglich w ar, so konnte doch immerhin die Auffassung vertreten werden, daß die „Schätzungs­kommission" und ebenso die „Expertenkommission" nach ihrer S te llung und der N a tu r ihrer Funktionen nicht kompetent seien, über andere a ls wirkliche S c h ä tz u n g s fra g e n einen Befund abzu­geben. W urde aber diesen beiden Kommissionen die B efugnis zur Bestimmung des U m fangs der Jnventarisationspflicht abgesprochen, so w ar es durchaus gegeben, daß alsdann die F i n a n z d i r e k ­t i o n und nach ihr der R e g i e r u n g s r a t , hierüber entschied; wenigstens kann dies auf keinen F a ll a ls w i l lk ü r l ic h bezeichnet werden.

3 . — N u n haben sich freilich die Finanzdirektion und der R e­g ie run sra t nicht darauf beschränkt, durch einen Entscheid sestzu- stellen, daß die Jnventarisationspflicht des Rekurrenten das ganze Nachlaßvermögen umfasse, wobei dann der S teuervorftand der S ta d t Zürich gestützt auf diesen Entscheid den Rekurrenten neuer­dings hätte verhalten müssen, ein vollständiges In v e n ta r zu Händen der Schätzungskommisston einzureichen; sondern es haben jene Behörden den Entscheid über den U m fang der Jn v e n ta r i­sationspflicht in die F orm einer A u f l a g e an den Rekurrenten gekleidet, sich der Jnventarisationspflicht innert einer bestimmten Frist zu unterziehen.

Auch hierin kann indessen eine W illkür nicht gefunden werden. V on wem die A ufforderung, das In v e n ta r einzureichen, au szu ­gehen habe, ist im Gesetze nicht gesagt. Nach der P ra x is wird sie allerdings in der Regel von der Gemeindebehörde erlassen. E s liegt aber gewiß nahe, daß die Finanzdirektion, wenn sie über den Umfang der Jnventarisationspflicht zu entscheiden hat, dann auch gerade noch an S te lle der ihr in Steuersachen, namentlich in Sachen der kantonalen Erbschaftssteuer, untergeordneten Gemeinde­behörde die Aufforderung e rläß t; dies umso mehr, a ls nicht ein­zusehen ist, inwiefern der Steuerpflichtige hiedurch ■ benachteiligt sein sollte.

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I. Rechtsverweigenmg. — b) Materielle. N“ 91. 541

W enn im übrigen der Rekurrent auf Z iff. 5 4 der am 5. J u n i 1906 vom R eg ierungsrate genehmigten A nleitung betreffend das bei der S teuertaxation zu beobachtende V erfahren (tigl. oben Fakt. K k ) hinweist und d arau s den S ch luß ziehen will, es sei n u r die „Expertenkommission" zum E rlaß jener Aufforderung kompetent, so ist demgegenüber zu konstatieren, daß es sich bei der zitierten Bestimmung um den A u s n a h m e f a l l einer Aufforde­rung zur n a c h tr ä g l ic h e n Einreichung des In v e n ta r s handelt, da ja dieses nach § 2 8 S t G ordentlicherweise schon der „Schätzungs­kommission" vorzulegen ist. A u s jener Z iff. 5 4 der „A nleitung" kann somit ein Sch luß hinsichtlich der F rage, wer im N o r m a l ­f a l l e zu der betreffenden A ufforderung kompetent sei, von v o rn ­herein nicht gezogen werden.

E in Akt der W illkür liegt also auch in dieser Beziehung nicht vor.

4. — D er Rekurrent beschwert sich sodann darüber, daß die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t mit der Aufforderung zur Einreichung eines vollständigen V erm ögensinventars zugleich auch, für den F a ll der Nichtbefolgung dieser Auflage, eine F r i s t a n ­setzung und eine A n d r o h u n g verbunden haben, und zw ar speziell die A ndrohung, daß alsdann angenommen würde, das der Erbschaftssteuer unterliegenve Vermögen sei so und so groß, und es betrage daher die Erbschaftssteuer so und so viel.

Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß die Aufforderung zur E in ­reichung eines vollständigen In v e n ta r s selbstverständlich, um über­haup t eine praktische Bedeutung zu haben, unter Ansetzung einer F r i s t geschehen mußte, wie denn auch zweifellos eine solche F ris t­ansetzung in gleicher Weise stattgefunden hätte, wenn gemäß jenem bereits behandelten S tandpunk t des Rekurrenten die A uf­forderung — statt von der Finanzdirektion oder dem R egierungs­rate — von der „Schätzungskommission" oder der „E xperten­kommission" ausgegangen wäre.

Aber auch eine A n d r o h u n g mußte damit verbunden werden, da ohne eine solche die Auflage ebensowenig praktische Bedeutung hatte, wie ohne eine Fristansetzung. E s könnte sich daher bloß fragen, ob eine Androhung a n d e r e r A r t , a ls die dem Rekur­renten gegenüber erlassene, genügt bezw. dem Gesetze besser ent­sprochen hätte.

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542 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Denkbar wäre an sich in einem solchen Falle — außer der A ndrohung einer O rdnungsbuße , die jedoch gerade wenn es sich um sehr h o h e S teuerforderungen handelt, ihren Zweck kaum er­füllen würde — eine A ndrohung d e s I n h a l t s , daß im F alle der Nichtbefolgung der Auflage die in § 28 des Staatssteuergesetzes vorgesehene Schätzungskommission behufs V ornahm e einer T a x a ­t i o n o h n e I n v e n t a r , also einer Taxation nach fre ie m E r ­m essen , einberufen werde. Allein bei dieser Androhung würde der Pflichtige u. U . immer noch darauf rechnen können, daß die Schätzüngs- bezw. Expertenkommission mit ihrer T axation unter der Wirklichkeit bleiben werde; die Finanzdirektion aber wäre nach § 9 des Erbschaftssteuergesetzes verpflichtet, die „Berechnung der S te u e r" auf G ru n d dieser zu niedrigen Schätzung vorzunehmen. D ie Gebundenheit der Finanzdirektion an den Entscheid der Schätzüngs- und der Expertenkommission liegt ja gewiß in der N a tu r der Sache, wenn diese beiden Kommissionen, w a s in der Regel der F a ll ist, wirklich n u r reine T a x a t io n s f r a g e n zu lösen haben; dagegen würde sie, da gemäß § 9 Abs. 2 des Erbschafts­steuergesetzes die A nrufung der Gerichte n u r dem Pflichtigen, nicht auch dem S ta a te zusteht, zu unannehm baren Konsequenzen führen, sobald den Schätzungskommissionen auch andere Aufgaben, a ls die Schätzung konkreter, ihrem Umfange nach bekannter V er­mögensobjekte, zugewiesen würden, wie dies dann der F a ll wäre, wenn bei hartnäckiger W eigerung des Pflichtigen, ein In v e n ta r einzureichen, jene Schätzungskommissionen es w ären, welche den B etrag des der S teu e r unterliegenden Verm ögens sestzusetzen hätten, ohne dabei auf ein In v e n ta r abstellen zu können.

Unter diesen Umständen lag es fü r die Finanzdirektion und beit R eg ierungsra t gewiß nahe, m it der wiederholten und bis dahin fruchllosen Aufforderung zur Einreichung eines In v e n ta rs schließ­lich die A ndrohung zu verbinden, daß bei fortgesetzter Renitenz des Rekurrenten ohne w eiteres, d. h. un ter Ausschaltung der beim Vorliegen * eines In v e n ta r s zur T axation berufenen O rgane , a n ­genommen würde, das der Erbschaftssteuer unterliegende Vermögen sei so und so groß, und es betrage daher die geschuldete E rb ­schaftssteuer fo und so viel. V on i r g e n d einer Behörde mußte schließlich — wenn trotz allen Aufforderungen der R ekurrent das

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 91. 543

In v e n ta r nicht einreichte — der B etrag des steuerpflichtigen V er­mögens nach f r e ie m E r m e s s e n festgesetzt werden, da die R en i­tenz des Pflichtigen doch nicht seine S teuerfreiheit zur Folge haben konnte. D ie F rage w ar daher n u r, von w e lch e r Behörde jene T axation nach freiem Ermessen auszugehen habe. N un durften sich aber die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t hiezu gewiß — von dem bereits Gesagten abgesehen — umso eher für kom­petent halten, a ls ja nach § 9 Abs. 1 des Erbschaftssteuergesetzes die Finanzdirektion es ist, welche „die Berechnung der Erbschafts­steuer" vornim m t. W enn sich diese Berechnung auch normalerweise „au f die amtliche Inven tarisierung gründen" soll, so ließ sich im vorliegenden Falle doch immerhin ohne W illkür die Ansicht ver­treten, diese amtliche Inven taris ie rung sei vom Pflichtigen ver­unmöglicht worden, und es sei daher die Finanzdirektion bei der T axation des der S teu e r unterliegenden Verm ögens auf ih r eigenes Ermessen angewiesen. K onnten aber darnach die F inan z­direktion und der R eg ierungsra t sich ohne W illkür fü r kompetent halten, nach unbenutztem Ablauf der dem Rekurrenten zur E in ­reichung eines vollständigen In v e n ta r s gesetzten F rist die Schätzung des steuerpflichtigen Verm ögens selber vorzunehmen, so konnten sie sich, ebenfalls ohne W illkür, auch fü r befugt halten, im V or­au s zu erklären, wie hoch sie m it dieser Schätzung greifen würden, und wie viel infolgedessen die S teu e r betragen würde, falls der Rekurrent auch einer letzten A ufforderung zur Einreichung des In v e n ta r s nicht nachkommen sollte. E s lag dies sogar insofern im Interesse des Rekurrenten, a ls es ihm gestattete, sich von vornherein über die Konsequenzen seines V erhaltens Rechenschaft zu geben.

5. — Nach den bisherigen A usführungen ist eine W illkür darin nicht zu erblicken, daß die Finanzdirektion und der Regie­ru n g s ra t über den U m fang der Jnventarisationspflicht des R e­kurrenten en tsc h ie d e n haben, daß sie sodann diesen Entscheid in die F orm einer A u f la g e an den Rekurrenten gekleidet haben, der Jnventarisationspflicht im festgesetzten Umfange nachzukommen, daß sie ferner m it dieser Auflage die A n d r o h u n g verbunden haben, das der Erbschaftssteuer unterliegende Vermögen werde im Falle der Nichtbefolgung der Auflage a ls so und so groß ange-

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nominell, und daß sie endlich für diesen F a ll bereits auch die Erbschaftssteuer b e re c h n e t und dem Rekurrenten bedingt a u f e r ­le g t haben. Nach allen diesen Richtungen erscheint die formelle Beschwerde des Rekurrenten betreffend das Vorgehen der F inanz­direktion und des R egierungsrates vom S tandpunkte des A rt. 4, wie übrigens auch des A rt. 58 B V a u s , a ls unbegründet.

D er Rekurrent ficht n u n aber den Entscheid des R eg ierungs­ra tes, soweit er die Erbschaftssteuer betrifft, auch inhaltlich im einzelnen an , indem er behauptet, daß mit der Auflage und der A n ­drohung in willkürlicher Weise viel zu weit gegangen worden sei.

D a sich nicht voraussehen läß t, inwieweit der Richter, beni nach § 9 des Erbschaftssteuergesetzes der endgültige Entscheid über die „Richtigkeit der S teuerforderung" zusteht, sich fü r kompetent halten wird, auch über den Um fang der Jnventarisationspflicht und über die Folgen der Nichteinreichung eines vollständigen I n ­ventars zu urteilen — an die Auffassung des R egierungsrates über die Abgrenzung der Kompetenz ist er dabei natürlich nicht gebunden — , so muß im gegenwärtigen staatsrechtlichen Verfahren, selbstverständlich n u r unter dem Gesichtspunkt des A rt. 4 B V , auf alle m it der Jnventarisationspflicht in einem Zusammenhang stehenden F ragen eingetreten werden. D agegen ist über die B e­gründetheit der Erbschafts- und Legatsteuer a ls solcher, sowie über diejenige der „dreifachen Nachforderung" gemäß § 1 1 des E rb ­schaftssteuergesetzes, hier nicht zu entscheiden, da diese F ragen fest­stehendermaßen noch der Beurteilung durch den Richter un ter­stehen, und der Rekurrent denn auch einerseits den Entscheid der Gerichte bereits angerufen hat, anderseits aber im vorliegenden staatsrechtlichen Rekurse ausdrücklich erklärt, er verlange zur Zeit keinen bezüglichen Entscheid des B u n d e s g e r ic h te s .

6. — W enn der R ekurrent die A uflagen der Finanzdirektion und des N egierungsrales in den angefochtenen Entscheiden als willkürlich zu weit gehend ansieht, so hat dies in erster Linie B e­zug darauf, daß ihm aufgegeben wurde, ein den g a n z e n Nachlaß uinfassendes In v e n ta r , statt n u r ein solches über das in Z ü r ic h befindliche Vermögen, einzureichen. E s fragt sich also vor allem, ob der Entscheid des R eg ierungsra ies in dieser Hinficht unter dem Gesichtspunkte der W illkür anfechtbar sei.

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I. Rechtsverweigerung.— b) Materielle. K° 91. 545

D a die Steuerbehörden des K an to n s Zürich selber nicht be­haupten, es unterliege der gesamte Nachlaß des E . H . B rand t der zürcherischen Erbschaftssteuer, sondern immerhin die in R u ß ­land befindlichen Liegenschaften nebst den gesetzlichen Zubehörden von der Steuerpsticht ausnehm en, so ist die zu entscheidende Frage dahin zu form ulieren, ob ohne W illkür angenommen werden konnte, daß die Jnventarisationspflicht weiter reiche, a ls die S te u e r­pflicht, und daß also der Rekurrent verpflichtet sei, in das den zürcher Behörden einzureichende In v e n ta r auch solche V erm ögens­objekte aufzunehmen, die nicht in Zürich besteuert werden können.

Dabei ist vorauszuschicken, daß die dem Rekurrenten gemachten Auflagen und Androhungen von vornherein nicht etwa deshalb a ls willkürlich bezeichnet werden können, weil der Rekurrent zur Z eit des Erlasses des regierungsrätlichen Entscheides der ihm ob­liegenden Jnventarisationspflicht bereits nachgekommen wäre. D a s In v e n ta r über den gesamten Nachlaß hatte der Rekurrent bis dam als noch nicht, übrigens auch bis heute nicht eingereicht. A ller­dings hat er, nachdem die Behörde K enntn is vom rnssischen I n ­ventar erhalten und er dies erfahren hatte, zu wiederholten M alen beglaubigte Kopien und Übersetzungen desselben produziert. D am it beabsichtigte er jedoch nicht, der an ihn ergangenen Aufforderung zur Einreichung eines In v e n ta rs über die gesamte Hinterlassen­schaft des E . H . B ran d t nachzukommen, sondern sein Zweck w ar n u r, die fü r ihn nachteiligen W irkungen der ohne sein Z u tu n erfolgten Entdeckung des russischen In v e n ta r s abzuschwächen. Ih re rse its aber brauchten sich die zürcher Behörden mit der E in ­reichung jener beglaubigten Kopien und Übersetzungen sowohl des­halb nicht zu begnügen, weil sie keine G ew ähr dafür hatten, daß das russische In v e n ta r nach den im K an ton Zürich maßgebenden Grundsätzen angefertigt worden fei, a ls auch namentlich deshalb, weil der Rekurrent in seinem Begleitschreiben vom 21 . M a i 190 9 bloß die E rklärung abgegeben hatte, dieses In v e n ta r beziehe sich auf den „ganzen buchmäßigen, in R ußland befindlichen Nachlaß des E . H . B ra n d t" , also nicht etwa die E rk lärung , die darin aufgeführten Vermögensobjekte repräsentierten in Verbindung mit den zürcher Aktiven überhaupt d en g e s a m te n N a c h la ß d es E . H . B r a n d t , d. h. es habe der G enannte auch nicht an

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546 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bumlesverlassung.

dritten O rten (außerhalb R u ß lan ds und der Schweiz) Vermögen hinterlassen.

D er Rekurrent ist somit der Aufforderung zur Einreichung eines In v e n ta r s über den gesamten Nachlaß in der T a t bis zur S tun de nicht nachgekommen — und zw ar ganz abgesehen davon, daß gemäß einer in der Replik enthaltenen Anerkennung das am 16 . J u l i 1 9 0 8 von ihm eingereichte partielle In v e n ta r nicht ein­mal alle z ü rc h e r Nachlaßaktiven umfaßte.

F ra g t es sich nun , ob B ran d t ohne W illkür zur Einreichung eines In v e n ta rs über den gesamten Nachlaß angehalten werden konnte, trotzdem nach seiner Auffassung n u r ein verhältnism äßig kleiner Teil dieses Nachlasses in Zürich erbschaftssteuerpflichtig w ar, so ist davon auszugehen, daß nach dem zürcherischen S te u e r­gesetze, sofern überhaupt erbschaftssteuerpflichtige Erben vorhanden sind, w as freilich (vergl. U rteil des Bundesgerichts vom 1 0 . N o­vember 1 9 1 0 i. S . F errari gegen Zürich , E rw . 4 * ) in allererster Linie festgestellt werden m uß, zunächst die amtliche I n v e n t a r i ­s i e r u n g ftattzufinden hat, und erst auf ihrer G rundlage dann über den Umfang der Steuerpflicht zu entscheiden ist. § 9 des E rb ­schaftssteuergesetzes bestimmt ausdrücklich, daß die „Berechnung der Erbschaftssteuer" sich au f die amtliche Inven taris ie rung „g ründet" ; unter „Berechnung" ist aber hier nicht bloß die ziffermäßige A u s­rechnung zu verstehen, sondern auch die Lösung streitiger S te u e r­rechtsfragen. D ie Inven tarisierung hat also dem Entscheide der Finanzdirektion und a fo r t io r i demjenigen der Gerichte, die nach § 9 Abs. 2 „schließlich" über die Richtigkeit der Sreuerforderung urteilen, v o r a u s z u g e h e n . M u ß aber darnach die Inven taris ie ­rung zu einer Z eit erfolgen, da noch nicht definitiv über den Umsang der Steuerpflicht entschieden ist, so liegt es gewiß nahe, d a rau s den Sch luß zu ziehen, daß der U m fang der Jnven tarisa- tionspflicht nicht von demjenigen der S teuerpflicht abhängig sein kann. S chon au s diesem G runde erscheint es daher nicht a ls will­kürlich, wenn vom Rekurrenten die Einreichung eines In v e n ta rs über den ganzen Nachlaß verlangt wurde, trotzdem noch nicht feststand, wie weit die S t e u e r p s l i c h t reiche.

S od an n setzt aber der Entscheid über den U m fang der S teuer-

* Oben 8. 492 ff. (Anm. d, Red. f . Pubi.)

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I. Rechtsverweigerung. — 6) Materielle. K° 91. 547

Pflicht in der Regel — und speziell im vorliegenden Falle — auch sachlich die Existenz eines In v e n ta rs über den Nachlaß v o rau s , da in Bezug auf zahlreiche Vermögensobjekte die F rage , ob sie der Erbschastssteuerpflicht unterliegen, n u r bei voller K enntn is der B e­ziehungen dieser Bermögensstücke zu dem übrigen Vermögen des Erblassers gelöst werden kann. Diese K en n tn is den Behörden zu verschaffen, ist aber gerade der Zweck des In v e n ta r s . E s kann keine Rede davon sein, daß in dieser Hinsicht die Behörden einfach au f die Auffassung des Pflichtigen abzustellen hätten, der einen Teil des Verm ögens angeben und erklären würde, der übrige sei steuerfrei; sondern sie müssen sich selber ein U rteil über den U m ­fang der S teuerpflicht bilden können, und zu diesem Behufe müssen sie über den gesamten Nachlaß und dessen Zusammensetzung orien­tiert sein. Auch wenn z. B . der Rekurrent nach richtiger A u s ­legung des zürcherischen Erbschaftssteuergesetzes fü r das im russi­schen Geschäft investierte bewegliche Vermögen nicht steuerpflichtig sein sollte, so würde es sich doch im einzelnen fragen, welcher Teil des Verm ögens nun wirklich im Geschäft investiert se i; und hinsichtlich einzelner Objekte könnte dies ja auch zweifelhaft sein, wie z. B . in Bezug auf die W ertpapiere, die sich im Besitze der F irm a E . H . B rand t & Cie. befanden. H ier w äre u. a. festzu­stellen, ob diese Titel n u r vom Geschäft v e r w a l t e t wurden, oder ob sie eine A rt Geschäftseinlage des E . H . B ran d t bildeten, indem sie zur dauernden Kreditbeschaffung bestimmt w aren. E in E n t­scheid hierüber setzt aber offenbar die K en n tn is der einzelnen T itel und überhaupt aller nähern Umstände voraus. Und selbst wenn ferner auch A rt. 4 Abs. 4 des S taa tsv e rtrag e s mit R ußland im S in n e des Rekurrenten ausgelegt werden und darnach der in R ußland befindliche Teil des Nachlasses von der zürcherischen E rb ­schaftssteuer ausgenommen werden sollte, so würde doch zu unter­suchen sein, w as n u n bei beweglichen Sachen a ls O r t , wo sie gelegen sind, im S in n e des V ertrages betrachtet werden müsse, welche Bedeutung das D om izil des E igentüm ers und bei F o r­derungen der W ohnort des Schuldners und des G läubigers habe, usw. — alles F ragen, deren Lösung wiederum die K enntn is der einzelnen Objekte und ihrer Verhältnisse voraussetzt.

E ine A usnahm e könnte höchstens fü r die ausw ärtigen Im m o ­bilien gemacht werden, sofern über ihren Zmmobiliarcharakter gar

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kein Zweifel möglich w äre und eine Verlegung eines Teiles der Schulden auf sie nicht in F rage kommen könnte. A llein tatsächlich ist nun gerade der behauptete Jm m obiliarcharakter des A nteils des Erblassers am K apitalkonto der F irm a in S t . Petersburg bestritten; damit aber über diesen P unk t entschieden werden könne, bedarf es selbstverständlich der K enn tn is der nähern Verhältnisse.

Endlich fällt in Betracht, daß au s praktischen G ründen die amtliche Inven tarisierung möglichst bald nach dem Tode stattfinden m uß, uno nicht erst längere Z eit nachher, nachdem die F rage der Steuerpsticht von allen In stanzen erledigt ist, w as ja M onate und sogar J a h re dauern kann, sodaß eine zuverlässige amtliche Inven tarisierung bedeutend erschwert wird. Auch m it Rücksicht hierauf ist es nicht wohl möglich, die F rage nach dem Um fang der Jnventarisationspflicht vom Entscheide des R ichters im E rb ­schaftssteuerprozeß abhängen zu lassen.

A us allen diesen G ründen ist die Beschwerde des Rekurrenten über die A usdehnung der Jnventarisationspsticht auf den ganzen Nachlaß abzuweisen, immerhin in dem S in n e , daß damit die F rage nach dem Umfange der Erbschaftssteuerpsticht in keiner Weise p rä- judiziert sein soll.

7 . — I m weitern frag t es sich, ob die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t in der H ö h e der fü r den F a ll fortgesetzter Renitenz des Rekurrenten angedrohten Einschätzung des a u sw ä r­tigen Mobiliarbesitzes (Finanzdirektion 1 5 ,0 0 0 ,0 0 0 F r . , Regie­ru n g s ra t 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r.) in willkürlicher Weise zu weit ge­gangen seien.

V on vornherein ist klar, daß sich einerseits eine solche eventuelle Verm ögensannahm e — sofern sie überhaupt zulässig ist (vergl. darüber E rw . 4 hievor) — meist n u r au f allgemeine und vage A nhaltspunkte stützen kann und zu stützen b rau ch t; anderseits, daß sie sehr weit gehen muß und darf, wenn anders sie eine wirk­same Androhung bilden soll. E s ist selbstverständlich zu vermeiden, daß sie hinter der Wirklichkeit zurückbleibe, und infolgedessen der Pflichtige seinen V orteil im Ungehorsam finde.

V on diesem Gesichtspunkte au s ist nun gewiß nichts dagegen einzuwenden, daß die Finanzdirektion au s der Höhe der E in ­nahmen des E . H . B ran d t während der ganzen D au er seiner

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Niederlassung in Zürich (1 8 7 8 — 1 9 0 8 ) , au s seiner verhältn is­mäßig sparsamen Lebensweise und au s andern, ähnlichen Ind iz ien auf den mutmaßlichen U m fang seines V erm ögens geschlossen hat. S o d an n kann aber ein Akt der W illkür auch darin nicht gefunden werden, daß der N eg ierungsrat seinerseits au f die A uskunft eines Jn fo rm a tio n sb u reau s abgestellt hat. S o wenig zuverlässig im all­gemeinen derartige Auskünfte sein mögen, so ist es doch begreif­lich, wenn m angels anderer A nhaltspunkte auch solche In fo rm a ­tionsquellen benutzt werden, und es kann sich der Pflichtige darüber umso weniger beschweren, a ls er es ja in der H and hat, durch Einreichung des von ihm verlangten In v e n ta r s die Androhung unwirksam zu machen und die T axation des Verm ögens nach seinem wahren Um fange und W erte zu bewirken. T u t er dies nicht, so liegt gewiß der Schluß nahe, daß m it der A ndrohung nicht zu weit gegangen worden sei.

A u s der N a tu r der Sache folgt ferner auch, daß die Behörden sich in einem derartigen F alle auf einen partiellen Gegenbeweis gegen ihre Vermögensberechnnng, d. h. auf einen Gegenbeweis gegen einzelne Faktoren und M om ente derselben, nicht einzulassen b ra u ­chen. D ies schon deshalb, weil es sich ja nicht um eine genaue Feststellung, eine ordnungsgemäße V erm ögenserm ittlung, sondern um eine bloße Wahrscheinlichkeitsrechnung handelt, bei der der einzelne Faktor nicht ein festes Glied einer logischen K ette, sondern n u r eines von verschiedenen Ind iz ien bildet.

I m vorliegenden Falle haben sich deshalb die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t gewiß ohne W illkür au f den S tandpunkt stellen können, daß es hier n u r ein D oppeltes gebe: entweder vor­behaltlose E rfü llung der Jnventarisationspflicht, oder aber I n ­krafttreten der A ndrohung, — daß dagegen eine partielle A b­schwächung der behördlichen Annahme über den Um fang des V er­m ögens, bei der der Pflichtige bekannt geben würde, w as ihm paßt, und verschweigen könnte, w as ihm nicht paßt, unzulässig sei.

H atte darnach schon der R eg ierungsra t allen A nlaß, das E in ­treten auf Die Gegenbeweise des Rekurrenten gegen die einzelnen Angaben der W arschauer Auskunftei zu verweigern, so kann selbstverständlich noch viel weniger davon die Rede sein, daß n un das B u n d e s g e r i c h t auf diese Gegenbeweise einzutreten hätte, wie

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es der Rekurrent durch die Produktion einer ganzen Reihe neuer Urkunden zu erreichen sucht, oder daß umgekehrt die vom Regie­ru n g s ra t in der N ekursantw ort angerufenen Zeugen über die V er­mögensverhältnisse des E . H . B rand t vor Bundesgericht abzu­hören w ären. E s genügt, daß die zürcher Behörden, a ls sie ihren Entscheid fällten, au f G rund der Verhältnisse, wie sie dam als Vor­lagen, ohne W illkür die V erm utung aufstellen konnten, es belaufe sich das in R ußland befindliche bewegliche Vermögen auf zirka 15 bez. 4 4 ,1 6 M illionen . '

D ie Annahm e der Finanzdirektion es sei außer den zürcheri­schen Nachlaßaktiven noch ein bewegliches Vermögen von 15 M il­lionen vorhanden, h a t übrigens eine gewisse Bestätigung in dem seither von den Behörden ermittelten russischen Nachlaßinventar gefunden, das je nach der Schätzung der einzelnen Wertschriften einen Vermögensbestand von rund 1 4 /2 bezw. 1 4 ,8 M illionen aufweift. Dabei ist es freilich möglich, daß in dem K apitalkonto des Erblassers in der F irm a E . H . B ran d t k Cie. (run d 17 y 2 M illionen Franken) der Anteil an den Liegenschaften inbegriffen ist, daß also dieser Kapitalkonko zum Teil Jmmobilienbesitz rep rä ­sentiert. Allein, ob dies tatsächlich der F a ll sei, läß t sich nicht erm itteln, solange die Zusammensetzung des Gesellschaftskapitals unbekannt i s t ; hierüber Aufschluß zu geben, ist aber gerade der Zweck des Jnven tarisationsverfah rens. Auch in dieser Hinsicht brauchen sich die Behörden a u s den bereits angeführten G ründen m it bloß partiellen Gegenbeweisen nicht zu begnügen.

8. — W enn sich der Rekurrent sodann in diesem Zusam m en­hänge noch speziell darüber beschwert, daß der R eg ierungsra t die von der Finanzdirektion erlassene Anvrohung v e r s c h ä r f t hat (insbesondere durch A usdehnung der Jnventarisationspflicht auf den Nachlaß der W itw e I d a B ran d t und durch die bereits erör­terte E rhöhung der Taxation des russischen M obiliarverm ögens auf 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r .) , so kann in dieser Tatsache a ls solcher, d. h. ganz abgesehen von der materiellen Begründetheit der einzelnen Verschärfungen, ein Akt der W illkür nicht gefunden werden. D er R ekurrent beruft sich in dieser Beziehung auf § 2 7 Z iff. 2 des Gesetzes betreffend die O rganisa tion des R eg ierungsra tes, wonach die Finanzdirektion erstinstanzlich alle Steuersachen zu entscheiden

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hat (oben su b Fakt. K d ) . D a ra u s folgt aber keineswegs zwin­gend, daß der R eg ierungsra t a ls I I . In s ta n z nicht in der Sache selbst frei entscheiden könne, und daß er a n die R ekursan ­träge gebunden sei. D ie gegenteilige Auffassung ist daher nicht willkürlich, umsoweniger, a ls sie der im allgemeinen freien S te l ­lung der V erw altungsbehörden in Administrativstreitsachen ent­spricht. Auch § 9 ErbschStG es. wonach die Berechnung der Erbschaftssteuer „von der Finanzdirektion vorgenom m en" wird, ist hier nicht willkürlich verletzt. Diese Bestimmung schließt nicht no t­wendig a u s , daß der der Finanzdirektion übergeordnete Regie­ru n g s ra t, wenn er sich auf R ekurs hin m it der Sache zu befassen hat, an S te lle der Finanzdirektion, und regelm äßig (wie z. B . gerade im vorliegenden F a lle ; vergi, oben Fakt. C i. f. ) unter ihrer M itw irkung, eine neue Erbschaftssteuerberechnung vornehmen kann.

9. — D e r Rekurrent beschwert sich weiterhin über die M o d a li­täten der ihm in Bezug auf die Jnventarisakionspfficht gemachten A uflagen, insbesondere über die A ufforderung zu r Einreichung folgender Belege:

1. des unter den Teilhabern der F irm a E . H . B ra n d t & Cie. bestehenden Gesellschaftsvertrages;

2. der Bücher, B ilanzen, Gewinnkonti und Detailverzeichnisse der einzelnen Aktiengattungen;

3. der Privatbücher des E . H . B ran d t und aller anderen, seine Bermögensverhältuisse beschlagenden S krip tu ren .

E in Akt der W illkür kann n u r zwar nicht schon d a rin erblickt werden, daß die Verpflichtung des Rekurrenten zur V orlegung auch so lcher Geschäftsbücher ausgesprochen wurde, welche nicht ihm allein, sondern der F irm a E . H . B ran d t & Cie., an der noch ein anderer Gesellschafter beteiligt ist, gehören. D a s Gesetz (§ 28 S t G ) verlangt vom Jnventarisationspslichtigen die V orlegung der „vorhandenen Z in s- und H andlungsbücher" ; darun ter sind aber offenbar diejenigen Bücher zu verstehen, die geeignet sind, zur K ontrolle des vom Pflichtigen eingereichten In v e n ta r s zu dienen. W enn es sich dabei um G e sch ä ftsv e rh ä ltn iffe handelt, liegt es daher nahe, auch die V orlegung der G eschäftsbü cher zu ver­langen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob a u s diesen Büchern,

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wie dies bei Gesellschaften fast immer der F a ll sein wird, zugleich die Verhältnisse von D rittpersonen ersichtlich sind. Z m vorliegenden Falle ist übrigens von dem M itteilhaber des Rekurrenten an der F irm a E . H . B ran d t & Cie., der in dieser Beziehung einzig zur Beschwerde legitimiert sein würde, gegen die Vorlegung der G e­schäftsbücher keine Einsprache erhoben worden, und es hat auch der Rekurrent nicht dargetan, inwiefern dieser in R ußland domi­zilierte, in der Schweiz offenbar nicht steuerpffichtige M itteilhaber durch die K en n tn is , die die zürcher Behörden von den V erhält­nissen der F irm a erhalten würden, geschädigt werden könnte.

D ie Auffordernng zur Einreichung der erwähnten Geschäfts­bücher und sonstigen S k rip tu ren an sich — d. h. von der Frage, w ann und von wem diese Aufforderung erlassen werden durfte, abgesehen — erscheint somit staatsrechtlich nicht a ls anfechtbar.

D agegen m uß es a ls willkürlich bezeichnet werden, daß dem Rekurrenten von der Finanzdirektion und vom N egierungsrate aufgegeben wurde, schon m it der E in r e i c h u n g d es I n v e n ­t a r s alle jene Belege zu produzieren. Nach § 2 8 des S te u e r­gesetzes hat der Pflichtige seiner Znventarisationspflicht in der Weise nachzukommen, daß er selber ein In v e n ta r über das frag­liche Vermögen anfertigt und es der Gemeindebehörde einreicht, w orauf diese behufs P rü fu n g desselben die Schätzungskommission einberuft. D aß aber der Pflichtige schon m it dem In v e n ta r alle möglichen Belege, die irgendwie in Betracht kommen können, also auch die Bücher eines im A usland betriebenen Geschäftes, ein­reichen müsse, dafür ist im Gesetze nicht der mindeste A nhaltspunkt zu finden. A lles, w as in dieser Beziehung vom Rekurrenten ver­langt werden kann, ist, daß er im Verfahren vor der „Schätzungs­kommission" bezw. vor der „Expertenkommission" die erforder­lichen Belege zur V erfügung dieser K o m m is s io n e n halte, wobei dann d ie se , und nicht die Finanzdirektion oder der R egierungsrat, darüber zu entscheiden haben, welche Belege im einzelnen einge­reicht werden müssen; denn dieser Entscheid steht, wie auch die W ürdigung der produzierten Belege, in engstem Zusammenhang mit der Schätzung a ls solcher.

I n dieser Beziehung haben also Finanzdirektion und R eg ieru n g s­ra t in unzulässiger und gesetzwidriger Weise in die Befugnisse der

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Jnventarisierungsinstanzen eingegriffen; denn daß die „Schätzungs- kvmmission" und die „Expertenkommission" bloße H ülfsorgane der Finanzdirektion seien, wie der R eg ierungsra t geltend macht, kann nicht anerkannt werden. Diese beiden Kommissionen sind vom Gesetze vorgesehene und geordnete B e h ö r d e n , die nach der A rt ihrer Bestellung und nach ihrer Zusammensetzung eine G aran tie fü r möglichst sachgemäße und unparteiische S teuertaxation von Vermögen und Einkommen bilden sollen, und die nach dem klaren S in n des Gesetzes selbständig und endgültig über alle T ax a tio ns­fragen zu entscheiden haben.

A u s den bisherigen A usführungen ergibt sich, daß der E n t­scheid des R eg ierungsra tes, w as die E r b s c h a f t s s t e u e r anbelangt, n u r in einem Punkte, nämlich der Auflage betreffend die Edition der Belege, ein willkürliches Element enthält, in allen andern Beziehungen aber, soweit überhaupt auf den R ekurs eingetreten werden konnte, staatsrechtlich nicht anfechtbar ist. O b dagegen der angefochtene Entscheid in jenen anderen Beziehungen r ic h t ig sei, d. h. auf einer z u t r e f f e n d e n A uslegung des kantonalen S te u e r­rechts beruhe, und auch keine Verletzung des S ta a tsv e rtra g e s m it R ußland enthalte, ist eine durch das gegenwärtige U rteil in keiner Weise präjudizierte F rage .

10 . — I n Bezug auf die dem Rekurrenten auferlegten N ac h ­s te u e rn ist vor allem zu konstatieren, daß der auf 1 ,1 7 9 ,4 6 0 F r . berechnete M ehrw ert der zürcherischen Liegenschaft gegenüber der früheren amtlichen Schätzung weder in den 15 M illionen inbe­griffen ist, welche der eventuellen Nachsteuerberechnung der F inanz­direktion zu G runde liegen, noch auch in den 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r ., auf die der R eg ierungsra t seinerseits abgestellt hat. E s ergibt sich dies — von einer bezüglichen E rklärung des N egierungsrates in seiner R ekursantw ort (oben Fakt. H , am A nfang) abgesehen — sowohl a u s dem Entscheide der Finanzdirektion, a ls auch au s demjenigen des R eg ie run gsra tes ; a u s ersterem deshalb, weil darin die erwähnten 1 5 M illionen n e b e n dem fü r die Liegenschaft ein­gesetzten Betrag von 2 ,1 7 9 ,4 6 0 F r . figurieren, die Nachsteuer­forderung aber doch n u r von jenen 15 M illionen berechnet wird — wobei die Finanzdirktion ausdrücklich bemerkt: zwar habe der

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Verstorbene auch seine zürcherische Liegenschaft ungenügend ver­steuert; es solle aber der der Nachsteuerberechnung zu G runde zu legende M ehrbetrag „an diesem O rte gleichwohl bloß auf 15 M il­lionen veranschlagt" werden — ; a u s dem Entscheide des Negie- rn n g sra tes deshalb, weil der darin aufgeführte B etrag von 4 4 ,1 6 0 ,0 0 0 F r. a ls der eventuell anzunehmende W ert des im A u s l a n d befindlichen, im K anton Zürich steuerpflichtigen beweg­lichen Verm ögens bezeichnet wurde, wie denn auch im regierungs- rätlichen Entscheide von einer ungenügenden Versteuerung der zürcherischen Liegenschaft nirgends die Rede ist, sondern bloß der Berechnung der E r b s c h a f t s s t e u e r jene höhere Schätzung zu G runde gelegt wird.

D ie Beschwerde des Rekurrenten darüber, daß die mehrerwähnte Liegenschaft bei A usm ittlung der Nachsteuerforderung mit 2 ,1 7 9 ,4 6 0 Franken, gemäß der betreibungsamtlichen Schätzung anläßlich des Arrestverfahrens, angesetzt worden sei, statt m it der früheren am t­lichen Taxation von 1 M illion , entbehrt somit der tatsächlichen G rundlage.

W a s sodann die Beschwerde wegen Verletzung des A rt. 49 Abs. 6 B V bezw. 63 K V durch Auferlegung einer Nachsteuer zu G unsten der K ir c h g e m e in d e N e u m ü n s te r betrifft, so erscheint dieselbe ohne weiteres a ls unbegründet. E s steht fest, daß Em anuel H enry B ran d t evangelischer Konfession w ar, daß er niem als seinen A u s tr itt a u s der Landeskirche erklärt und daß er bei Lebzeiten vorbehaltlos jeweilen die S teu e rn in der Kirchgemeinde Neumünster bezahlt hat. Diese Tatsachen schließen die nachträgliche A nrufung des A rt. 49 B V a u s , selbst wenn B rand t von H au s au s nicht evangelisch- r e f o r m i e r i , sondern evang e lisch -lu the risch gewesen sein sollte. Speziell durch die Bezahlung der Kirchensteuer hat er ja seine Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde Neum ünster, wenigstens nach außen, anerkannt, und er durfte daher (vergi. B G E 31 I S . 88 f. E . 2 ) , jeoeufalls bis zu einer ausdrücklichen gegen­teiligen E rklärung , a ls M itglied der evangelischen Landeskirche betrachtet werden.

D er R ekurrent hat übrigens selber nicht behauptet und noch weniger dargetan, daß E . H . B ran d t an die evang elisch -lu the­r is c h e Kirche von Zürich , der er angehört haben soll, jem als B eiträge geleistet habe; und au s einer bei den Akten liegenden

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I. Uechtsverwe.igeruiig. — b) Materielle. N° 01. 555

E rklärung des K assaverw alters dieser Kirche (oben su b Fakr. H -, f .) scheint sich sogar geradezu das Gegenteil zu ergeben.

D am it fallen zugleich auch die A usführungen über willkürliche Verletzung der §§ 7 und 19 des kantonalen K irchenorganisations­gesetzes (oben, sub Fakt. K d ) , sowie die damit in Zusam m enhang stehende Beschwerde wegen eines angeblichen Übergriffs in das Gebiet der richterlichen G ew alt, a ls unbegründet bezw. gegenstands­los dahin.

Unbegründet ist ferner auch die, übrigens n u r nebenbei erhobene Beschwerde darüber, daß die Finanzdirektion durch D ekretierung von Nachsteuern zu G unsten der Stadtgemeinde Zürich und der Kirchgemeinde Neumünster in die Kompetenzen der betreffenden Gemeindebehörden eingegriffen habe. D en n es ergibt sich ohne weiteres a u s den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 1 4 5 des Gemeindegesetzes und § 18 des Kirchenorganisationsgesetzes), daß, von der Beschwerde a u s A rt. 49 Abs. 6 abgesehen, die Nach­steuern zu G unsten der betreffenden Gemeinden grundsätzlich und dem Q u an tita tiv nach durch die Nachsteuer an den S ta a t durch­au s präjudiziert sind. D ie letztere hat, soweit sie zu Recht be­steht, notwendig und automatisch eine entsprechende Nachsteuer an die politische und an die Kirchgemeinde zur Folge.

D azu kommt im vorliegenden Falle, daß über die an die beiden Gemeinden zu entrichtenden Nachsteuern besondere Dekrete der Steuersektion des S ta d tra te s Zürich vom 2 4 . Oktober 1 9 0 8 und der Kirchenpflege Neumünster vom 2 6 . Oktober bestehen, die bis auf eine Differenz von 3 0 0 bezw. 25 F r . m it der bezüglichen Berechnung der Finanzdirektion übereinstimmen. D a ß aber diese, verhältnism äßig minime Differenz mit zum Gegenstand des vor­liegenden staatsrechtlichen Rekurses habe gemacht werden wollen, ist umsoweniger anzunehmen, a ls im Entscheide der Finanzdirektion „in Bezug auf die Berechnung der Steuernachzahlungen und E r ­gänzungssteuern an die S ta d t Zürich und die Kirchgemeinde N eu­m ünster" ausdrücklich „die Bestätigung seitens der Steuersektion des S ta d tra re s Zürich bezw. der K irchengutsverw altung N eu­m ünster" Vorbehalten worden w ar, und der Rekurrent somit nicht zu befürchten hat, daß er fü r jene M ehrbeträge von 3 0 0 bezw. 25 F r . tatsächlich in Anspruch genommen werden könnte.

11 . — W eniger liquid ist die Frage, ob fü r den F a ll der

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Nichteinreichung eines In v e n ta r s über den gesamten Nachlaß, ebenso wie in Bezug auf die Berechnung der E rb sc h a f ts s te u e r , jo auch in Bezug auf die Festsetzung der zu zahlenden N a c h ­steuer, entsprechende Androhungen erlassen werden durften, d. h. ob dies ohne W illkür geschehen konnte.

D er R ekurrent erblickt in der A ndrohung, daß im Falle fo rt­gesetzter Nichterfüllung der Jnven tarisationspflicht angenommen würde, das der Nachsteuer unterliegende Vermögen sei so und so groß, eine auf W illkür beruhende Verletzung des A rt. 38 S tG ; denn durch diese Gesetzesbestimmung, führt er a u s , werde den B e­hörden Der B e w e i s dafür auferlegt, daß der Pflichtige, hier der Erblasser, sein Vermögen unvollständig versteuert habe; ein vom Gesetz verlangter Beweis könne aber selbstverständlich nicht durch A ndrohungen, Fristansetzungen und V erm utungen ersetzt werden.

I n dieser Beziehung ist zunächst festzustellen, daß zwischen der Erbschaftssteuer und der Nachsteuer hier allerdings insofern ein Unterschied besteht, a ls die Berechnung der ersteren sich stets auf ein amtliches In v e n ta r gründet, bei dessen Erstellung der S te u e r­pflichtige von Gesetzeswegen mitzuwirken hat, während bloß zum Zwecke der Festsetzung einer allfälligen N achsteuer kein In v e n ta r errichtet w ird, sodaß also auch der Steuerpflichtige zur M it ­wirkung an der Erstellung eines solchen, bezw. zur Einreichung eines von ih m zu errichtenden In v e n ta r s , nicht angehalten werden kann. A u s diesem Umstande ließe sich daher sehr wohl der Schluß ziehen, es dürfe m it der Nichteinreichung eines I n ­ventars keine auf die Festsetzung der Nachsteuer bezügliche A n ­drohung verbunden werden, da dies eine A nsdehnung der im Gesetze n u r behufs E rm ittlung der E rb s c h a f ts s te u e r vorgesehenen Jnven tarisationspflicht auf die Fälle der Erhebung von N a c h ­steuern bedeuten würde. Z u r Unterstützung dieser Auffassung könnte auch auf den W o rtlau t der einschlägigen Bestimmung des Steuergesetzes (§ 3 8 ) verwiesen werden, wonach eine S teuernach­zahlung zu beziehen ist, wenn „sich erg ib t", daß ein Pflichtiger sein Vermögen unvollständig versteuert h a t; denn darnach scheint die Auferlegung einer Nachsteuer a ls die Folge der mehr oder weniger zufälligen Entdeckung eines F alles unvollständiger V er­steuerung gedacht zu sein, sodaß also unter keinen Umständen ein

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. Rechtsverweigeumg. — b) Materielle. N° 91. 557

Steuerpflichtiger bezw. der Erbe eines solchen angehalten werden könnte, sich darüber a u s z u w e i s e n , daß er bezw. sein Erblasser seiner Vermögenssteuerpflicht vollständig nachgekommen sei, v iel­mehr die Beweislast stets auf S eiten der Behörden liegen würde.

Indessen läß t sich doch auch die Auffassung vertreten, daß die den Um fang des Verm ögens betreffende A nnahm e, die fü r den F a ll der fortgesetzten Renitenz in der E rfü llun g der Jn v e n ta ri- sationspflicht angedroht und m it dieser Renitenz wirksam und ver­bindlich wird, dem R esultate nach das amtliche In v e n ta r in jeder Beziehung ersetzt und, gleich wie dieses, einen form alen Beweis fü r die Höhe des steuerpflichtig gewesenen V erm ögens bildet. Diese Bedeutung kann ihr umso eher beigelegt werden, a ls ja die für alle Erbschaftssteuerfälle vorgesehene Errichtung eines amtlichen In v e n ta rs neben der vormundschaftlichen Inven taris ie rung der häufigste und praktisch wichtigste F a ll der Entdeckung von S te u e r­hinterziehungen ist, sodaß also die Znventarisationspflicht, wenn sie auch grundsätzlich n u r im Hinblick auf die Erbschaftssteuer be­steht, tatsächlich doch nebenbei die Funktion einer Erleichterung der Nachsteuerberechnung erfüllt. W enn aber das amtliche I n ­ventar zugleich fü r die Nachsteuer von Bedeutung ist, so liegt es gewiß nahe, die entsprechenden W irkungen auch mit einer das In v e n ta r für die Crbschaftssteuerberechnung ersetzenden A n d r o ­h u n g zu verbinden. A ndernfalls w äre ja derjenige, der sich der gesetzlichen Jnventarisierungspflicht entzieht, besser gestellt, a ls derjenige, der sie ordnungsgem äß erfü llt; und es würde der Erbe unter Umständen sogar trotz einer in Bezug auf die E r b s c h a f t s ­steuer erlassenen weitgehenden A ndrohung ein Interesse an der Nichterfüllung der Jnventarisationspflicht haben. E s ist daher ge­wiß begreiflich und also jedenfalls nicht willkürlich, wenn die zürcher Behörden den § 38 des Steuergesetzes dahin ausgelegt haben, daß auf die Tatsache der unvollständigen Versteuerung auch a u s der Nichtbefolgung einer behufs Festsetzung der E r b s c h a f t s ­steuer erlassenen Auflage geschlossen werden könne. I n Wirklich­keit wird denn auch die Nichtbefolgung einer solchen Auflage, so­fern diese mit einer A ndrohung in der A rt der dem Rekurrenten gegenüber erlassenen verbunden ist, in w eitaus den meisten Fällen den sicheren Schluß au f die Existenz eines mindestens ebenso großen

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Verm ögens, wie des in der Androhung bezeichnten, gestatten, so- daß also gewiß die Ansicht vertreten werden kann, es „ergebe sich" d araus , daß der Erblasser sein Vermögen unvollständig versteuert habe.

W ie dem jedoch sei, und welches auch in Bezug ans diesen P unk t die richtige, oder richtigste, A uslegung von § 3 8 des zür­cherischen Steuergesetzes sein mag, auf alle F älle ergibt sich aus den vorstehenden A usführungen , daß die In te rp re ta tio n , die diese Gesetzesbestimmung im regierungsrätlichen Entscheid erhalten hat, keine w i l lk ü r l i c h e ist, sodaß also die mehrerwähnte A ndrohung auch hinsichtlich der N achsteuerberechnung staatsrechtlich nicht a ls anfechtbar erscheint.

D am it soll selbstverständlich nicht gesagt sein, daß, entsprechend einer im Rekurse geäußerten Befürchtung, A ndrohungen, wie die dem Rekurrenten gegenüber erlassene, auch in solchen Fällen ge­schützt werden könnten, in welchen wegen Nichtvorhandenseins erbschaftssteuerpflichtiger Erben überhaupt keine Jn ven tarisa tion s- pflicht besteht. E s ist klar und ergibt sich a u s bereits gesagtem, daß im vorliegenden Falle bei der N achsteuerberechnung jene Androhung n u r deshalb ohne W illkür erlassen werden konnte, weil der Rekurrent nach § 27 des Steuergesetzes im Hinblick auf die Berechnung der E rb s c h a f ts s te u e r zur Einreichung eines I n v e n ­ta rs verpflichtet w ar.

1 2 . — W a s die Zulässigkeit der sofortigen A usrechnung der Nachsteuer fü r den F a ll der Nichtbesolgung der A ndrohung be­trifft, so genügt es, auf das bei der Erbschaftssteuer ausgeführte (oben E rw ägung 4 ) zu verw eisen; ebenso bezüglich der F rage , ob die A ndrohung ihrem I n h a l t e nach (insofern, a ls der gesamte bewegliche Nachlaß des E . H . B ran d t ausschließlich der zürcher Aktiven eventuell auf 15 bezw. 4 4 ,1 6 M illionen veranschlagt wurde) zu weit ging oder nicht (oben E rw . 7 ) ; desgleichen hin­sichtlich der Zulässigkeit der im regierungsrätlichen Entscheid ent­haltenen V e r s c h ä r f u n g der A ndrohung (E rw . 8 ) ; endlich be­treffend die F rage , ob die Behörden die E inlassung auf partielle Gegenbeweise ablehnen durften (E rw . 7 i. d. M .) . Z n all diesen Beziehungen kann auch bei der Nachsteuerberechnung von einer W illkür nicht gesprochen werden, während dagegen die Auflage

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betreffend Einreichung bestimmter Belege (gleichzeitig m it dem I n ­ventar) a u s den in E rw ägung 9 angeführten G ründen auch im Zusam m enhang mit der Festsetzung der N achsteuer a ls willkürlich zu bezeichnen ist.

E iner besondern Behandlung bedarf dagegen die F rage , ob die Nachsteuerpflicht des Rekurrenten ohne W illkür auch hinsichtlich des im ru s s is c h e n Ge s c hä f t i n v e s t i e r t e n b e w e g l i c h e n V e r ­m ö g e n s ausgesprochen werden konnte; denn es ist kein Zweifel darüber möglich, daß die beweglichen russischen Geschäftsaktiven in den 15 bezw. 4 4 ,1 6 M illionen , für welche der Rekurrent even­tuell nachsteuerpflichtig erklärt wurde, inbegriffen sind, wie denn auch in der R ekursantw ort die S teuerhoheit über diese Aktiven ausdrücklich fü r den K an ton Zürich in Anspruch genommen w ird, während allerdings über die Steuerfreiheit der ausländischen I m ­m o b i l i e n bei der Nachsteuer ebensowenig S tre i t herrscht, wie bei der Erbschaftssteuer.

N u n behauptet der N eg ierungsrat mcht etwa, es habe der R e­kurrent den in § 3 b des Sleuergesetzes verlangten Beweis, daß für das betreffende bewegliche Vermögen die S teu e rn im A usland „zu entrichten" (bezw. entrichtet worden) seien, nicht geleistei; sondern er begründet seinen Entscheid in diesem Punkte einzig damit, daß nach ß 3 b des zürcher Steuergesetzes das ausw ärtige Geschäftsvermögen der K antonseiuw ohner n u r insoweit von der S teu e r im K an ton Zürich befreit sei, a ls es sich dabei um I m ­m o b i l i e n oder gesetzl iche P e r t i n e n z e » von solchen handle.

I n dieser Beziehung fällt in Betracht, daß nach § 2 b des zürcher Steuergesetzes der Vermögenssteuer u. a. unterworfen ist:

„das im K an ton befindliche Grundeigentum und mit solchem „verbundene Besitztum, welches einer a u sw ä rts wohnenden „P erson angehört" ,

während dagegen nach § 3 b von der Vermögenssteuer ausge­nommen i s t :

„das außer dem K an ton befindliche, a u s G rundeigentum be- „stehende oder mit solchem verbundene Besitztum eines K an - „tonseinw ohners, wenn fü r dasselbe da, wo es liegt, eine V er- „mögens- oder Einkommenssteuer zu entrichten ist."D a s Gesetz verwendet also in diesen beiden, unm ittelbar hinter-

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einander stehenden Bestimmungen zur Bezeichnung des steuerrecht­lich dem G rundeigentum gleichzustellenden Verm ögens genau den­selben A usdruck: „das mit G rundeigentum verbundene Besitztum". D a ra u s scheint sich nun gewiß a ls natürliche Konsequenz zu er­geben, daß der zürcher Gesetzgeber n u r e in e n Begriff des „m it G rundeigentum verbundenen Besitztums kennt und diesen Begriff sowohl bei der F rage, welche im K a n t o n gelegenen, a ls auch' bei der F rage, welche a u s w ä r t s befindlichen M obilien dem Grundeigentum gleichzustellen seien, zur Anwendung gebracht wissen will.

Nichtsdestoweniger legen die kantonalen Steuerbehörden diese beiden Bestimmungen völlig verschieden a u s : dem § 2 b , der das zürcherische S teuerrecht gegenüber a u sw ä rts wohnenden Besitzern umschreibt, lassen sie eine höchst extensive In te rp re ta tio n zu teil werden, b. h. sie dehnen den B egriff des „m it G rundeigentum verbundenen Besitztums" auf alle möglichen Geschäftsaktiven a u s ; dem § 3 1) dagegen, der sich auf das in Zürich steuerfreie, „mit G rundeigentum verbundene" ausw ärtige Besitztum von K an to n s­einwohnern bezieht, wird eine möglichst einschränkende A uslegung gegeben; d. h. es werden bloß die (schon sonst Jm m obilia r- charakter besitzenden) gesetzlichen Zubehörden der betreffenden I m ­mobilien von der Steuerpflicht im K an ton Zürich ausgenommen.

N un gibt es allerdings Fälle, in denen ein und derselbe A u s ­druck in einem und demselben Gesetz das eine M a l eine weitere, das andere M a l eine engere Bedeutung hat, und also angenom­men werden m uß, entweder es sei sich der Gesetzgeber dieses U n ­terschiedes nicht bewußt gewesen, oder aber es sei ihm das eine M a l entgangen, daß er den betreffenden Ausdruck bereits zur B e­zeichnung von etwas anderem verwendete, oder endlich: er habe den bestehenden Unterschied a ls derart offensichtlich betrachtet, daß er auch bei der Verwendung eines und desselben Ausdruckes eine Verwechslung für ausgeschlossen hielt.

I m vorliegenden Falle stehen sedoch die beiden, denselben A u s ­druck enthaltenden Bestimmungen derart unm ittelbar hintereinander, und es ist entsprechend dem P a ra lle lism u s der zu lösenden Fragen die Ausdrucksweise, auch abgesehen von dem Satzteil, tun dessen In te rp re ta tio n es sich handelt, dermaßen gleichartig, daß die zwei­

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I. Rechtsverweigerung. — b) Materielle. N° 9t. 561

malige Verwendung eines und desselben W ortes hier schlechter­dings n u r darauf zurückgeführt werden kann, daß der Gesetzgeber beide M a l das gleiche bezeichnen wollte. W enn also die S teuerbe­hörden den mehrerwähnten Ausdruck im Falle des tz 3 b enger interpretieren, a ls im Falle des § 2 b , fo ist ihre A uslegung notwendigerweise entweder im einen Falle zu weit oder im andern zu eng.

N u n entspricht die vorliegende In te rp re ta tio n im Falle des § 2 b (B esteuerung des gesamten Geschäftsvermögens am O rte der Geschäftsniederlassung) sowohl der bundesgerichtlichen P ra x is in F ragen der interkantonalen Doppelbesteuerung, a ls auch ander­w ä rts allgemein anerkannten steuerrechtlichen Grundsätzen, und es wird denn auch, mit Rücksicht auf die bei einem jeden Gewerbe vorhandene intensive wirtschaftliche Zugehörigkeit zum O rte des Geschäftsbetriebes und die sich d araus notwendig ergebenden A u f­wendungen des betreffenden Gemeinwesens, kaum je von irgend einem S ta a te , sofern er überhaupt das Vermögen besteuert, darauf verzichtet werden, das im In la n d befindliche Geschäftsvermögen a u sw ä rts domizilierter Personen zur S teu e r heranzuziehen. ES ist daher durchaus begreiflich und steht in Übereinstimmung mit allgemeinen steuerrechtlichen Anschauungen, wenn Zürich nicht n u r gegenüber andern K a n t o n e n von seinem Rechte der Besteuerung des Geschäftsvermögens Gebrauch macht, sondern auch im in ter­n a t i o n a l e n V erhältn is sein Steuerrecht entsprechend ausdehnt, und wenn es dabei dem Begriffe des „m it G rundeigentum ver­bundenen Besitztums" in § 2 b jene weite Bedeutung zuerkennt, die das gesamte bewegliche Geschäftsvermögen m itum faßt.

A nders verhält es sich mit der A uslegung des § 3 b , wie sie von den zürcher Behörden im vorliegenden Falle vertreten wird. Gerade weil, wie dargetan, die Besteuerung des gesamten Geschäfts­vermögens am O rte der Geschäftsniederlassung allgemein aner­kannten Steuergrundsätzen entspricht, muß die dem § 3 b zu teil gewordene restriktive In te rp re ta tio n , wonach der K an ton Zürich mit einziger A usnahm e der Im m obilien und der gesetzlichen P e r ­tinenze» von solchen auch das im A usland gelegene Geschäftsver­mögen seiner K antonseinw ohner zur S teu e r heranzieht, notwen­digerweise mit den Steuergrundsätzen fast aller ausw ärtigen S ta a te n

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in Konflikt geraten. D ie Tatsache eines solchen Konfliktes würde zwar fü r sich allein nicht genügen, um in diesem Punkte die staatsrechtliche Anfechtbarkeit des regierungsrätlichen Entscheides z» begründen; allein, wenn es sich darum handelt, zwischen der von den Behörden bei § 3 b vertretenen r e s t r i k t i v e n und der bei § 2 b zur Anwendung gebrachten e x t e n s i v e n In te rp re ta tio n zu w ä h l e n — da, wie ausgeführt, zwei verschiedene A uslegungen hier unmöglich nebeneinander bestehen können — , so bildet gewiß der Vergleich mit anderw ärts herrschenden Steuergrundsätzen ein wertvolles In d iz für die Nichtigkeit der einen und die Unrichtig­keit der andern A uslegung.

Freilich genügt es fü r die G utheißung des vorliegenden staa ts­rechtlichen Rekurses nicht, daß die In te rp re ta tio n des § 3 i>, wie sie von den zürcher Steuerbehörden dem Rekurrenten gegenüber vorgenommen wurde, a ls zu eng und daher a ls u n r i c h t i g er­scheint. Allein' es ist zu beachten, daß, wie dargetan, schon die v e r s c h i e d e n e In te rp re ta tio n eines und desselben Ausdrucks („m it G rundeigentum verbundenes Besitztum") in § 2 b und in § 3 b allen Regeln einer vernünftigen Gesetzesauslegung widerspricht, und daß es sich somit n u r fragen konnte, w elche von beiden In te rp re ta tionen eine willkürliche sei, und ob daher dem R e k u r ­r e n t e n , oder aber umgekehrt den a u s w ä r t i g e n A n t e i l h a b e r n z ür che r i s che r G e s c h ä f t e ein aus W illkür beruhendes Unrecht geschehe. D ie B eantw ortung dieser F rage aber hing davon ab, welche der beiden miteinander nicht zu vereinbarenden In te rp re ta ­tionen an sich eher Anspruch auf Richtigkeit erheben könne. D ies ist nun , wie ausgesührt, ganz offensichtlich diejenige des § 2 b , sodaß also in der T a t der R ekurrent es ist, welcher durch die Verschiedenheit der A uslegung in seinen Rechten verletzt wird.

W ären aber in dieser Beziehung noch irgendwelche Zweifel möglich, so würden fie auf alle Fälle durch die E rw ägung besei­tigt, daß die extensive A uslegung des § 2 b einer seit E rlaß des Steuergesetzes, also seit 4 0 Ja h re n , konstant gebliebenen P ra x is der zürcherischen Steuerbehörden entspricht, während § 3 b noch nach der von der Finanzdirektion im J a h re 1 8 9 7 erlassenen A n ­leitung betreffend das bei der S teuertaxation zu beobachtende V er­fahren dahin ausgelegt wurde, daß unter dem mit G rundeigentum verbundenen Besitztum . . . . „ fü r landwirtschaftliche Gewerbe die

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denselben entsprungenen V orräte an Vieh und Bodenprodukten, bei industriellen Gewerben die M aschinen, Fabrikutensilien, zum V er­arbeiten bereit liegende oder in Arbeit begriffene Rohstoffe" zu verstehen seien. E rft in der Anleitung vom Z ah re 1 90 0 wurde dieser, m it der In te rp re ta tio n des § 2 b im Einklang stehende Grundsatz durchbrochen, und bestimmt, daß das außer dem K an ton Zürich befindliche, au s Grundeigentum bestehende oder m it solchem verbundene Besitztum eines K antonseinw ohners (§ 3 b des Ges.) n u r insoweit steuerfrei sei, a ls die bundesrechtliche P ra x is in F ragen der Doppelbesteuerung die H eranziehung zur S teu e r im K an ton Zürich verbiete. Und auf dem gleichen Boden stehen auch die spätern Anleitungen (vergi, oben >ui> K i - I ) .

I n dieser, auf den ersten Blick durchaus harm los erscheinenden Form eines Hinweises auf die bundesgerichtliche P ra x is in D o p ­pelbesteuerungssachen, welche allerdings — zur Z eit wenigstens — der A usdehnung der S teuerhoheit eines schweizerischen K an tons aus im A usland befindliche M obilien eines K antonseinw ohners nicht entgegensteht (vergl. insbesondere den, dem vorliegenden ähn ­lichen F a ll in B G E 31 I S . 4 4 , in welchem jedoch n u r ein D oppelbesteuerungs-, nicht auch ein Rechtsverweigerungsrekurs v orlag ), ist in das Gesetz ein Unterschied hineingetragen worden, der darin schlechterdings keine S tütze finden konnt e ; denn nicht n u r bot das Gesetz, wie bereits dargetan, keinerlei A nhaltsvunkte für eine verschiedene A uslegung des B egriffs „m it Grundeigentum verbundenes Besitztum" iti § 2 b und in § 3 b , sondern es w ar auch die durch den H inw eis auf die P ra x is in Doppelbe­steuerungssachen bedingte Unterscheidung zwischen solchen Geschäften, die sich im A usland, und solchen, die sich in andern K antonen der Schweiz befinden, m it dem klaren W ortlau t des § 3 b , der alles „außer dem K an ton befindliche, a u s G rundeigentum beste­hende oder mit solchem verbundene Besitztum eines K an tonse in ­w ohners" gleichbehandelt, absolut unvereinbar. W enn die bnndeS- rechtkiche P ra x is in Doppelbesteuerungssachen einen solchen U nter­schied macht, so gibt dies allerdings den K antonen die M öglich­keit, auf dem Wege der G e s e t z g e b u n g die in andern Schweizer- kantouen befindlichen Geschäfte gegenüber denjenigen, die ihren S itz im A usland haben, besserznstellen; dagegen werden dadurch die kantonalen Verwaltungsbehörden nicht ermächtigt, jenen U nter­

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schied in ein bestehendes Gesetz, entgegen dessen klarem S in n und W o rtlau t, hineinzuinterpretieren.

I s t somit die dem § 3 b im vorliegenden Falle zu teil gewor­dene A uslegung sowohl in ihrem V erhältn is zu derjenigen des § 2 b , a ls auch an sich völlig unhaltbar, so frag t es fich immer­hin noch, ob die Unrichtigkeit der In te rp re ta tio n hier derart in die Augen springend w ar, daß ein R echtsirrtum a ls ausgeschlossen erscheint und daher wirklich n u r ein Akt der W illkür angenommen werden kann.

Diese F rage muß bejaht werden. E s ist undenkbar, daß die be­treffenden S teuerorgane, nachdem sie Jah rzehnte hindurch selbst die §§ 2 b uni) 3 b analog ausgelegt und angewendet hatten, nun auf einmal im J a h re 1 9 0 0 jenen dem Gesetze durchaus fremden Unterschied einführen konnten, ohne sich der W illkürlich- keit dieses V orgehens bewußt zu sein. W enn sie also trotzdem nicht davor zurückschreckten, so läß t sich dies schlechterdings n u r damit erklären, daß sie nach einem M itte l suchten, um dem F iskus neue Einnahm equellen zu verschaffen, — ein an sich, m it Rücksicht auf den stets wachsenden K re is der staatlichen Aufgaben gewiß berech­tigtes Bestreben, das sich jedoch gerade im modernen S ta a t , nach einem allgemein anerkannten Grundsätze, der auch historisch a ls die erste und wichtigste Errungenschaft der Idee des konstitutio­nellen S ta a te s erscheint, n u r auf dem Wege der G e s e t z g e b u n g geltend machen darf, von der V e r w a l t u n g s g e r i c h t s b a r k e i t aber — auch wenn diese, in E rm angelung besonderer O rgane , in die Hände der „vollziehenden G ew alt" gelegt ist — unter allen Umständen fern zu bleiben hat.

I m vorliegenden Falle gibt nun die rekursbeklagte Behörde, indem sie in der A ntw ort auf den R ekurs von der schweren Be­einträchtigung der finanziellen S taatsinreressen spricht, welche die gleichmäßige A nwendung der §§ 2 b und 3 b S t G zur Folge hätte, in unmißverständlicher Weise zu erkennen, daß bei ihrer A uslegung des § 3 b in der T a t nicht eine objektive und unbe­fangene P rü fu n g der zu entscheidenden Rechtsfrage, sondern die Rücksicht auf das Interesse der S taatskasse den Ausschlag gegeben hat. H ierin aber m uß ein Akt behördlicher W illkür erblickt werden, gegenüber welchem auf dem Wege des staatsrechtlichen Rekurses,

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I. R echlsvei Weigerung. — 6) Materielle. N° 91. 565

der hier seine wichtigste und eigentlichste Anwendung findet, der Schutz des Bundesgerichtes angerufen werden kann.

E ines E intretens auf die vom Rekurrenten aufgeworfene Frage, ob die Grundsätze über unzulässige Doppelbesteuerung in der von ihm angegebenen Richtung (vergi. Leo W e b e r in der Zeitschr. d. 6ern. J u r .-V e r . B d. 21 S . 12) zu erweitern und also au f die im A usland befindlichen, wirtschaftlich m it Grundeigentum ver­bundenen M obilien der in der Schweiz domizilierten Personen auszudehnen seien, bedarf es bei dieser Sachlage nicht.

13 . — Aber auch noch von einem andern Gesichtspunkte au s erscheint es a ls willkürlich, wenn das im russischen Geschäft inves­tierte bewegliche K ap ita l mit einer Nachsteuer belegt werden will. M it Recht weist nämlich der R ekurrent darauf hin, daß sein E rb ­lasser E . H . B ran d t nach dem ganzen V erhalten, das die S te u e r­behörden jahrelang ihm gegenüber beobachtet hatten, der Über­zeugung fein mußte, es werde eine Versteuerung dieses K ap ita ls in Zürich nicht verlangt. I n der T a t hatten die Behörden, wie sich a u s den Akten ergibt (vergi, oben Fakt. A ), schon im J a h re 1 9 0 3 au s zwei von E . H . B ran d t eingelegten notariellen Beschei­nigungen erfahren, daß die F irm a E . H . B ran d t <5c Cie., deren H auptteilhaber der Verstorbene selber w ar, in R ußland ausge­dehnte, hauptsächlich in W äldern bestehende Ländereien (9 3 ,9 0 0 Hektaren) mit zahlreichen Sägewerken besaß und einen um fang­reichen Holzhandel betrieb. D a ß in einem solchen Geschäfte auch bewegliches Vermögen, insbesondere bedeutende Holzvorräte, ein erhebliches Betriebskapital, allerhand Jnventarstücke, Buchguthaben rc. vorhanden sein mußten, lag dermaßen auf der H and, daß es den Steuerbehörden unmöglich entgehen konnte. Trotzdem ist nun aber bei Lebzeiten des E . H . B ran d t nie auch n u r v e r s u c h t worden, diese in R ußland befindlichen Aktiven zur zürcherischen Vermögenssteuer heranzuziehen (während allerdings bei der Fest­setzung der E i n k o m m e n s s t e u e r entsprechende Versuche stattge­funden haben, die jedoch insofern erfolglos w aren, a ls der F iskus sich nach dem Entscheide der „Rekurskommission" mit der von E . H . B ran d t offerierten Versteuerung eines Einkommens von 1 2 ,0 0 0 F r ., also eines verhältnism äßig sehr kleinen T eils des Erw erbes au s dem russischen Geschäft, begnügen m ußte). E iner-

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feitS ist es also durchaus unrichtig, wenn die Finanzdirektion und der R eg ierungsra t behaupten, daß E . H . B ran d t die O rg ane ver S teuerverw altung über sein bewegliches Vermögen „einfach im unklaren gelassen" habe; anderseits aber durfte sich der Genannte a ls durch das V erhalten der Steuerbehörden gedeckt erachten, wenn er seinen A nteil, nicht n u r am Jm m ob ilia r — , sondern auch am Mobiliarbesitz des russischen Geschäftes nicht in Zürich versteuerte. G r konnte in guten Treuen annehmen, daß dieser Mobiliarbesitz a ls „m it Grundeigentum verbundenes Besitztum" im S in n e des § 3 b S t G zu betrachten und also in Zürich steuerfrei sei, sofern er in R uß land versteuert werde. D a ß aber diese letztere V o ra u s­setzung nicht zugetroffen habe, behauptet der R eg ierungsra t selber nicht.

N un setzt § 3 8 des zürcherischen Steuergesetzes, wie das B u n ­desgericht bereits einmal festgeftellt hat (vergl. A S 3 4 I S . 623 E r w .2 ) , auf S eiten des Steuerpflichtigen ein s u b j e k t i v p f l i c h t ­w i d r i g e s , auf Verkürzung der S taa tse in nah m en gerichtetes V er­halten v o rau s, ansonst eine so weitgehende M aßregel, wie es die Erhebung einer fünffachen Nachsteuer ist, nicht zu rechtfertigen wäre. E in subjektiv pflichtwidriges Verhalten lag aber nach dem Gesagten bei E . H . B ran d t jedenfalls insoweit nicht vor, a ls die Behörden von der Existenz des beweglichen Verm ögens in R u ß ­land K enntn is hatten, also hinsichtlich aller derjenigen M obilien, die nach den vorgelegten Dokumenten ohne weiteres a ls vorhanden angenommen werden mußten, nämlich Betriebskapital, In v e n ta r , W arenvorräte usw., wie sie normalerweise mit der A usbeutung solcher Waldkomplexe verbunden sind. Nicht n u r kann in Bezug auf diese Vermögensstücke von einem irgendwie Pflichtwidrigen V erhalten des E . H . B rand t keine Rede sein, sondern es würde geradezu dem auch fü r publizistische Rechtsverhältnisse maßgebenden Grundsätze von T reu und Glauben im Rechtsverkehr (vergl. B G E 3 4 I S . 2 8 E rw . 2 und S . 6 2 5 ) widersprechen, wenn heute von jenen Aktiven eine Nachsteuer erhoben werden könnte, nach­dem der Erblasser des Rekurrenten jahrelang im G lauben belassen worben w ar, er sei nicht verpflichtet, den betreffenden Vermögens- kompler in Zürich zu versteuern.

14. — A u s den vorstehenden A usführungen ergibt sich, daß der R ekurs begründet i s t :

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1. Rechtsverweigeruug. — s) Materielle. N* 91. 567

e i n e r s e i t s insofern, a ls dem Rekurrenten nicht n u r aufgegeben wurde, innert F ris t ein vollständiges In v e n ta r über den Nachlaß zu Händen des S teuervorstandes einzureichen, sondern auch, gleich­zeitig mit diesem In v e n ta r , eine ganze Reihe von Belegen zu produzieren:

a n d e r s e i t s insofern, a ls der Rekurrent in Bezug aus das im russischen Geschäft investierte bewegliche K ap ita l nachsteuer­pflichtig erklärt wurde.

I n allen übrigen Punkten ist der R ekurs, soweit überhaupt d arauf eingetreten werden konnte, unbegründet.

D a n un die im angefochtenen regierungsrätlichen Beschluß ent­haltenen Einzelentscheidungen, die sich, wie dargetan, zum Teil a ls willkürlich, zum Teil a ls staatsrechtlich nicht anfechtbar dar­stellen, 'durch die dem Rekurrenten gegenüber erlassene Androhung zu einem einheitlichen G anzen verbunden worden sind, so konnte dem Rekurrenten nicht zugemutet werden, von sich a u s eine A u s ­scheidung der willkürlichen und der nicht willkürlichen Elemente der A ndrohung vorzunehmen, um ihr wenigstens teilweise nachzu­kommen; dies umsoweniger, a ls die E rfü llung der Jnven tarisa- tionspflicht nach dem vorliegenden Entscheide des R egierungsrates das Fälligwerden einer höchst bedeutenden, willkürlichen Nachsteuer­forderung zu r Folge gehabt hätte, gegen die dem Rekurrenten auf kantonalem Boden kein ordentliches Rechtsmittel zu Gebote stand. E s ist daher der ganze angefochtene Entscheid m it samt der darin enthaltenen A ndrohung aufzuheben, in der M einung , daß der R eg ierungsra t einen neuen Entscheid, mit einer neuen, kein w ill­kürliches Element in sich schließenden A ndrohung!zu erlassen habe.

Demnach hat das Bundesgericht e r k a n n t :

D er R ekurs wird im S in n e der vorstehenden E rw ägungen teil­weise begründet erklärt und der Beschluß des R eg ierungsra tes des K a n to n s Zürich vom 2 . Septem ber 1 9 0 9 in diesem S in n e au f­gehoben.

AS 36 I — 1910 33