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Re flec tions Simbabwe hat die Wahl Fotoausstellung

Reflections– · eigenen Macht die „Land-Karte“ spielte und damit das etab-lierte Prinzip des Schutzes des Privateigentums verletzte. Dies wird besonders deutlich im Umgang vieler

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Reflections –Simbabwe hat die Wahl

Fotoausstellung

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Hwedza, 5. März 2008: Ein Soldat steht bei einer Wahlkundgebung des simbabwischen Präsidenten Robert Mugabe vor einerUnterstützergruppe der ZANU-PF (Zimbabwe African National Union – Patriotic Front) Wache.

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Highfield (Vorort von Harare), 17. März 2008: Eine Frau trägt einen Korbvoller Bargeld. Die Hyperinflation zwingt die Menschen dazu, großeGeldmengen mit sich zu führen.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

Simbabwe am Scheideweg: Ein Drama und seine Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6

Nach der Wahl ist vor der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10

Chronologie der Ereignisse ab 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14

Simbabwe hat die Wahl – die Frage ist nur wann und wie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

Kirchen in Simbabwe: Ein Aufruf zu dauerhaftem Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18

Die Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20

Zimbabwe Human Rights Association (ZimRights) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 23

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VorwortIn Simbabwe versucht eine zivilgesellschaftlich getrageneOppositionsbewegung schon seit Jahren mehr Demokratieeinzuklagen und der Allmacht und dem Diskursmonopoldes parteipolitisch etablierten Teils der Befreiungsbewegungandere Stimmen entgegenzusetzen. Sie wurde und wirdimmer wieder – besonders zu Anlässen wie Referenden oderWahlen – gewaltsam unterdrückt und niedergeschlagen, ihreAnführer werden verhaftet, zum Teil gefoltert und getötet,ihre Familien bedroht. Auch nachdem das Regime unterFührung der ZANU-PF und Präsident Robert Mugabe nachdem von ihm nicht anerkannten Sieg der Opposition beiden Wahlen 2008 und der daraus entstandenen politischenKrise seine Macht wenigstens formal mit der Opposition teilen muss, hat sich das politische Klima in Simbabwe nichtdeutlich verändert.

Schätzungen zufolge hat inzwischen die Hälfte derBevölkerung Simbabwe verlassen, die meisten von ihnenleben in Nachbarländern, allen voran in Südafrika. Unterden in Simbabwe Verbliebenen wenden sich immer mehrMenschen vom alten Regime ab, auch Teile der Kirchen for-mieren sich neu und beziehen Position gegen das Unrechts-regime. Selbst innerhalb der ZANU-PF sind mittlerweile

Harare, 25. Juni 2008: Opfer der Gewalttätigkeiten nach den Wahlencampieren zum Schutz vor der Südafrikanischen Botschaft, kurz vor denStichwahlen.

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Dies sind nur einige Beispiele für ungelöste Probleme,vor denen Simbabwe steht. Die Forderungen der simbab-wischen Zivilgesellschaft sind eindeutig: Wahlen machenerst dann Sinn, wenn garantiert werden kann, dass sowohlder Wahlkampf als auch der Verlauf der Wahlen friedlichund fair sein werden. Eine Wiederholung der Gewalt von2008 sollte die Bevölkerung nicht erleben müssen.

„Reflections – Simbabwe hat die Wahl“ möchte dazubeitragen, die Erinnerung an die Ereignisse von 2008 wachzu halten, um daraus die notwendigen Konsequenzen fürdie Fortführung des Demokratisierungsprozesses inSimbabwe zu ziehen. Die Ausstellung will darüber hinauszur Solidarität mit den Menschen, die seit vielen Jahren füreine Demokratisierung Simbabwes arbeiten, aufrufen.

„Reflections – Simbabwe hat die Wahl“ zeigt einen Teilder Bilder der Ausstellung „Reflections – the story of a stolenelection“ der simbabwischen MenschenrechtsorganisationZimRights.

Spannungen spürbar. Viele Kräfte wünschen sich ein schnel-les Ende der Mugabe-Ära, auch wenn sie nicht wissen, wasdies für die Partei und für das Land bedeuten würde.

Für 2011 hat Präsident Mugabe ohne genauen TerminNeuwahlen angekündigt, obwohl dafür die materiellen undpolitischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Diese Wah-len werfen in Form einer neuen Welle der Gewalt bereitsihre Schatten voraus, wie viele Meldungen seit Anfang desJahres bestätigen: Anhänger der Opposition werden bedroht,ihre Führer verhaftet, Versammlungen gestört und gewaltsamaufgelöst. Auch der Versuch, unter Beteiligung der Bevöl-kerung eine neue Verfassung zu erarbeiten, ist aufgrund vonGewaltexzessen, vor allem im Großraum Harare, gescheitert.

Viele Vereinbarungen im Koalitionsvertrag (GlobalPolitical Agreement) wurden nicht umgesetzt. Es gibt zwarinzwischen einige wenige freie Zeitungen, doch noch keineLizenz für unabhängige Radios – ein Medium, das beson-ders der ländlichen Bevölkerung als Hauptinformations-quelle dient.

Auch weiß man inzwischen, dass mindestens ein Drittelder in den Wählerverzeichnissen aufgeführten Personennicht mehr lebt oder unter 18 Jahre alt ist. Sie stehen aufListen aus Regionen, die zu den Hochburgen der ZANU-PFgehören.

Harare, 24. März 2008: Verursacht durch massive Geldknappheit müssendie Simbabwer stunden- oder sogar tagelang vor den Banken Schlangestehen, um Geld abzuheben.

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Mbare (Vorort von Harare), 29. März 2008: Eine Frau betet, während dieEinwohner darauf warten, bei der Wahl ihre Stimme abzugeben.

Simbabwe am Scheideweg:Ein Drama und seine AkteureDer Konflikt um die Interpretation der GeschichteDie Art und Weise, wie Geschichte tradiert wird, hängt oftvom Blickwinkel des Erzählers ab. Auch in der Geschichts-betrachtung in und über Simbabwe konkurrieren verschie-dene Perspektiven. Natürlich ist es legitim, sich auf eine bestimmte Weise zu erinnern, aber nur solange die Begrenzt-heit der eigenen Perspektive reflektiert und die Legitimitätanderer Sichtweisen anerkannt wird. Sobald für den eigenenBlickwinkel ein Anspruch auf absolute Gültigkeit eingefor-dert wird, sind gewalttätige Konflikte und illegitime Grenz-überschreitungen nicht mehr auszuschließen.

In Simbabwe artikulieren sich die verschiedenen Per-spektiven entlang alter und neuer Konfliktlinien. Der alteRassenkonflikt aus der Kolonialzeit, der sich vor allem inAuseinandersetzungen um die Landreform und um (Privat-)Eigentumsrechte artikulierte, ist besonders seit dem Jahr2000 wieder hochaktuell. Die sich momentan zuspitzendenKonflikte um den Zugang zu und die Kontrolle von Machtund Ressourcen bekamen vor dem Hintergrund einer deut-

lich verschlechterten Wirtschaftslage und einer verändertenpolitischen Landschaft eine neue Dynamik. Mit den schlech-ten makroökonomischen Daten und dem Abwärtstrend beiden sozialen Indikatoren Ende der 90er Jahre verschärftensich die Umverteilungskämpfe.

Noch entscheidender ist, dass dies in einem politischenKontext geschah, in dem die ZANU-PF, die seit der Abschaf-fung des Mehrparteiensystems allein regierte, das Monopolauf die Interpretation der Geschichte und damit auf diealleinige politische Gestaltung Simbabwes verlor. Mit derGründung der MDC (Movement for Democratic Change), diespäter eine Spaltung erlebte, nahmen langjährige Versuchevon Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisatio-nen, die Geschichte Simbabwes anders zu lesen und anderszu schreiben, eine neue politische Gestalt an. Spätestens seit der Beteiligung dieser Partei an nationalen Wahlen ent-wickelte sich eine starke Polarisierung innerhalb der poli-tischen Landschaft, welche nach dem Wahlsieg der MDC2008 den Nährboden für Gewalt darstellte. Seit dieser Ver-änderung in der politischen Landschaft ist klar geworden –auch wenn die ZANU-PF dies nicht wahr haben will –, dasses nicht mehr ausreicht, sich als Protagonisten und Bewah-rer einer hart umkämpften „Befreiung“ zu sehen und feiernzu lassen.

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Mbare (Vorort von Harare), 30. März 2008: Ein Einwohner informiert sichüber die Wahlergebnisse. Zum ersten Mal, seit es in Simbabwe Wahlengibt, werden die Wahlergebnisse vor den Wahllokalen ausgehängt.

Angesichts der heutigen Herausforderungen brauchendie Menschen in Simbabwe überzeugende Lösungsansätzeund können sich nicht mehr mit „Befreiungsromantik“zufrieden geben. Diese Schwäche der ZANU-PF haben dieAkteure der Opposition von Anfang an thematisiert undwurden so als Modernisierer einer verkrusteten Befreiungs-ideologie porträtiert. Zu ihrer Verteidigung muss festgehal-ten werden, dass sie bis jetzt keine Gelegenheit hatten, ihreIdeen umzusetzen. Auch die Beteiligung an der Regierungim Rahmen des Global Political Agreement ermöglicht diesnicht, da die Opposition ständig behindert wird. Trotzdemhaben viele Stimmen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaftschon Zweifel daran geäußert, dass die MDC in der Lage ist, kontextgerechte Konzepte zu entwickeln und sich vomideologischen Einfluss ihrer ausländischen Partner oderPaten zu befreien.

Nach der anfänglichen Euphorie ist mittlerweile alsoauch hier Ernüchterung eingetreten. Die MDC muss inzwi-schen registriert haben, dass auch sie kein Monopol auf Mo-dernisierung besitzt, genauso wie die ZANU-PF kein Mono-pol beanspruchen darf, weder auf den Befreiungskampf nochauf die Bewahrung der Errungenschaften der Befreiung.

Sie können jeweils mit ihren Potentialen zum Wieder-aufbau einer simbabwischen Gesellschaft beitragen. Dies

sollte im Zentrum der Veränderungsprozesse stehen – undnicht individuelle oder ideologische Interessen.

Worum es eigentlich gehen sollteEs geht in Simbabwe im Wesentlichen darum, Rahmenbedin-gungen zu schaffen, um ein gemeinsames Leben in Würdezu ermöglichen. Dass dies mit einer radikalen Veränderungaktueller Macht- und Besitzverhältnisse einhergehen muss,versteht sich von selbst. Fairen und demokratischen Wahlenkommt in diesem langen Prozess der Neugestaltung despolitischen und des gesellschaftlichen Raumes eine wichtigeRolle zu. Sie können aber ihre konstruktive Wirkung nurentfalten, wenn sie sich in eine globale Vision von Friedenund Gerechtigkeit einfügen: Nur wenn es gelingt, alleGruppen in Simbabwe zu berücksichtigen und dabei dieInteressen der Allgemeinheit in den Vordergrund zu stellen,kann ein Ausweg aus der Krise sichtbar werden. DieserAusweg kann sich nicht darin erschöpfen, die Diktatur derBefreiungsideologen durch die Diktatur des Neoliberalismuszu ersetzen. Die Probleme Simbabwes lassen sich nicht miteinfachen Rezepten lösen, mit oder ohne Mugabe. Es bedarfVisionen von innen, die die Wünsche der SimbabwerInnentransportieren, und es bedarf noch mehr Anstrengungen,um diese Visionen praktisch umzusetzen.

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Ein Krankenhaus in Harare, 13. April 2008: Ein Mann zeigt seine Hand, diebei gewaltsamen Ausschreitungen nach den Wahlen verletzt wurde.

Von Seiten der westlichen Regierungen wäre eine neue Bescheidenheit angemessen, um die Glaubwürdigkeit wieder zu gewinnen, die die Menschenrechte, die Demokra-tie und die gute Regierungsführung im Weltmaßstab brau-chen, um sich tatsächlich als Grundprinzipien der interna-tionalen Kooperation zu etablieren. Für die Menschen inLändern wie Simbabwe bedeutet dies, dass sie selbst ihrLand positiv und nachhaltig verändern müssen, um dadurchzu ernstzunehmenden Akteuren zu werden. Dafür müssendie eskalierten Konflikte, die heute Leid verursachen, inpositive Strategien und Aktivitäten verwandelt werden. Beidieser Aufgabe sollten sie auf eine Unterstützung der west-lichen Gesellschaften zählen können, die sich nicht an geo-politischen oder wirtschaftlichen Interessen, sondern an denBedürfnissen und der Würde der Menschen in Simbabweorientieren.

Die Rolle externer AkteureVon außen dominieren oft einseitige und interessengelei-tete Analysen der Situation in Simbabwe. Es fällt auf, dassdie Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe für einenerheblichen Teil der internationalen Gemeinschaft erst dannproblematisiert wurden, als die weißen Farmer zu Opfernwurden und die simbabwische Regierung zur Sicherung dereigenen Macht die „Land-Karte“ spielte und damit das etab-lierte Prinzip des Schutzes des Privateigentums verletzte.Dies wird besonders deutlich im Umgang vieler westlicherPolitiker mit den Massakern im Matabeleland in den 80erJahren. Die Menschenrechtsverletzungen wurden ignoriert,solange sich das Mugabe-Regime den Strukturanpassungs-programmen der Weltbank und den WirtschaftsinteressenEuropas unterwarf.

Auffällig ist auch, dass die Sanktionen, die Simbabweauferlegt wurden, für andere Nationen mit Menschenrechts-verletzungen nicht verhängt werden. Dass in Ländern wieAngola Sanktionen ausbleiben, solange das autokratischeRegime dort die Wirtschaftsinteressen mächtiger Ländernicht gefährdet, lässt vermuten, dass auch im Blick auf Sim-babwe die Aufmerksamkeit westlicher Länder nicht denBedürfnissen der Bevölkerung gilt.

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Bindura, 14. April 2008: Kinder paradieren für den simbabwischen Präsidenten Robert Mugabe.

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Domboshawa, 19. April 2008: Wahlhelfer zählen nach den umstrittenenWahlergebnissen erneut Stimmzettel aus.

Nach der Wahl ist vor der WahlEinblicke in die Geschichte der Menschen-rechte in Simbabwe

Chimurenga „Chimurenga“ bezeichnet in Shona den Kampf an sich undwurde in Simbabwe zum Synonym für den Befreiungskampfgegen die koloniale und rassistische Unterdrückung im 19.und 20. Jahrhundert.

Bereits beim ersten Chimurenga im 19. Jahrhundert ver-suchten die Ndebele und Shona, sich von den Kolonisten zubefreien. Doch erst der zweite Befreiungskampf zwischen1964 und 1979, der mit dem Lancaster-House-Abkommenbeendet wurde, führte zur formalen Unabhängigkeit und zurKonstituierung von Simbabwe.

Interessanterweise hatten sich die weißen Siedler 1964in einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung als Rhode-sien vom „Mutterland“ England abgespaltet. Fast der gesam-te Rest des afrikanischen Kontinents wurde unabhängig, nurdie Staaten des südlichen Afrikas mit ihrer großen Zahl anweißen Siedlern blieben rassistische Staaten mit einer Herr-schaft der weißen Minderheit über die schwarze Mehrheit.

Der Kampf der Patriotic Front gegen das rhodesischeMilitär war ein Guerillakrieg, ein Buschkrieg, der nicht nurdie Kämpfer, sondern die gesamte Gesellschaft traumatisier-te. Mindestens 30 000 Menschen starben, viele blieben kör-perlich und seelisch verletzt zurück.

Und wie bei allen Befreiungsbewegungen bleibt dieStellung und die Rolle der ehemaligen Kämpfer, der Vetera-nen, ein bis heute ungelöstes Problem.

GukurahundiSimbabwe feierte 1980 seine Unabhängigkeit. Unter Füh-rung von Robert Mugabe gewann die ZANU (ZimbabweAfrican National Union) die ersten freien Wahlen. Dochbereits während des Befreiungskampfes gab es Spannungenzwischen unterschiedlichen Guerillalagern. Es spaltete sich eine Gruppe von Dissidenten ab, die in den erstenJahren der Unabhängigkeit besonders im Matabeleland ihrUnwesen trieb. Die Zentralregierung schickte Soldaten undPräsident Mugabe nutzte die Situation auch, um gegen dieOpposition der ZAPU vorzugehen. Die berüchtigte 5. Bri-gade, welche in Nordkorea ausgebildet worden war, wurdegegen Oppositionelle und ihre Unterstützer eingesetzt. Sietötete, folterte, zerstörte Häuser und Felder.

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Kuwadzana (Vorort von Harare), 1. Mai 2008: Ein Mann hält bei einerVersammlung am Tag der Arbeit (Worker’s Day) ein Poster hoch.

Die ZANU-Propaganda sorgte dafür, dass die meistenSimbabwer außerhalb des Matabelelandes die bewaffnetenDissidenten mit der Opposition der ZAPU gleichsetzten.

Präsident Mugabes Regime nannte die Militäroperation„Gukurahundi“, nach einem Ausdruck aus der Shona-Sprache, welcher übersetzt „der frühe Regen wäscht die Spreuweg vor dem Frühlingsregen“ bedeutet.

Diese schweren Menschenrechtsverletzungen – mancheAnalysten sprechen von Genozid – wurden nie offiziell auf-gearbeitet. Staatliche und nichtstaatliche Berichte über Nach-forschungen wurden unter Verschluss gehalten. Die Opferwurden weder rehabilitiert noch entschädigt.

2007 brachten Justitia et Pax (CCJP) und die Legal Resources Foundation den bereits zehn Jahre alten Bericht„Breaking the silence“ neu heraus, um auf die eklatantenParallelen zur Situation seit der Entstehung der neuen Oppo-sition Anfang 2000 hinzuweisen.

Die ZANU-PF verlor an Boden, besonders in den gro-ßen Städten. Dort konnte sie die Rhetorik des Machtan-spruchs, den sie mit ihren Verdiensten bei der BefreiungSimbabwes vom rassistischen System begründete, nichtmehr aufrecht erhalten. Eine kleptokratische Elite bereicher-te sich zunehmend sichtbar an den Ressourcen des Staates

und des Landes und sicherte sich mithilfe von Privilegienund Korruption die Loyalität ihrer Anhänger.

Operation Murambatsvina Im April 2005 begann die „Operation Müllentsorgung“(Murambatsvina), die die Regierung selbst als „Wiederher-stellung der öffentlichen Ordnung“ bezeichnete. Dabei wur-den in allen großen Städten informelle Siedlungen undMärkte zerstört, die Menschen vertrieben und ihr Hab undGut konfisziert. Ziel war es hierbei, die Menschen wiederzurück in die ländlichen Gebiete zu zwingen – und damitweg aus dem Einflussbereich der Opposition. Die Zahl derdirekt Betroffenen variiert zwischen 300 000 und einerMillion Menschen.

Das weltweite Phänomen der Landflucht hatte durchdie Landreform von 2000 in Simbabwe, durch die vieleFarmarbeiter Arbeit und Wohnung verloren, besonders dra-matische Dimensionen angenommen. Immer mehr Men-schen wurden in die Städte getrieben, um dort Arbeit undWohnraum, medizinische Versorgung und Ausbildung fürihre Kinder zu finden.

Die Hauptbetroffenen der Operation waren jungearbeitslose Familien, die vom Regime als potentielle soziale

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Harare, 3. Mai 2008: Ein Mann liest die Tageszeitung, in der verkündetwird, dass aus der umstrittenen Präsidentschaftswahl kein klarer Siegerhervorgeht.

Händler, sondern auch gegen die Bewohner der umliegen-den Dörfer und dort meist gegen Oppositionelle – derMarange-Distrikt zählt zu den Hochburgen der Oppositions-partei MDC.

Mehr und mehr übernahmen Militär- und Polizei-verantwortliche gemeinsam mit Teilen der politischen Elitedes Landes den Abbau und Vertrieb der Steine, vorbei anden öffentlichen Kassen. Offiziere und die Elite der ZANU-PF verschafften sich so finanzielle Spielräume, die ihnen dieRegierung aufgrund der Dollarisierung des Landes nichtmehr gewähren konnte.

Schicksalswahl 2008Seit Präsident Mugabe im Jahr 2000 das Referendum füreine Verfassungsreform verloren hatte, haben Menschen-rechtsverletzungen rapide zugenommen. Die meiste Gewaltgeht dabei von Jugendorganisationen, Milizen und Anhän-gern der ZANU-PF aus. Ihr Ziel ist es, durch Einschüchte-rung, Verhaftungen, Folter und Mord die Opposition undregimekritische Stimmen langfristig auszuschalten. Sym-bolisch steht hierfür der 11. März 2007, an dem 50 Aktivis-ten – unter ihnen Oppositionsführer Morgan Tsvangirai –bei einer öffentlichen Gebetsversammlung festgenommen,geschlagen und zum Teil gefoltert wurden. Die Save

Unruhestifter und MDC-Wähler angesehen wurden. DieZerstörung der Märkte schwächte besonders den informellenSektor, der aber wegen der enormen Inflation und des Zu-sammenbruchs der formellen Wirtschaft für etwa 80 Prozentder Simbabwer als einzige Überlebensstrategie diente.

Operation No ReturnIm Jahr 2006 wurden im Osten Simbabwes Diamanten ent-deckt und zunächst über eine in London registrierte Berg-baugesellschaft abgebaut. Als die wirtschaftliche Situationimmer schwieriger wurde und die Hyperinflation das Patro-nagesystem der ZANU-PF ins Wanken brachte, entzog dieRegierung – um selbst kostengünstig an Diamanten zu kom-men – der Bergbaufirma die Lizenz und ermutigte simbab-wische Schürfer, den Abbau zu übernehmen. Doch die vonstaatlichen Stellen angebotenen Preise lagen weit unter demMarktwert, so dass sich schnell illegale Händler etablierenkonnten. Militär und Polizei wurden in das Diamanten-gebiet geschickt, angeblich, um die Ordnung wiederherzu-stellen.

In der ersten Welle der „Operation No Return“ wurden22000 Menschen vertrieben und inhaftiert, im November2008 kamen mindestens 200 Menschen zu Tode. Die Über-griffe richteten sich dabei nicht nur gegen Schürfer und

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Warren Hills Friedhof, Harare. 17. Mai 2008. Trauernde bei der Beisetzungdes MDC-Aktivisten Better Chokururama, der während den Ausschrei-tungen nach den Wahlen getötet wurde.

Zimbabwe Campaign hatte zu dieser Veranstaltung aufgeru-fen, nachdem die Regierung ein dreimonatiges Versamm-lungsverbot ausgesprochen hatte.

International begann sich immer stärkerer Widerstandgegen das Unrechtsregime zu regen. Zugleich nahmen dieMenschenrechtsverletzungen bis zu den Wahlen im März2008 immer mehr zu.

Trotz der Spaltung der MDC und trotz des offensichtli-chen Wahlbetrugs gewann die größere Fraktion unter Füh-rung von Morgan Tsvangirai die Parlamentswahlen. DieErgebnisse der Präsidentschaftswahl wurden zurückgehalten.Obwohl viele Beobachter einen Sieg Tsvangirais erwartethatten, bestand Präsident Mugabe auf einer Stichwahl.Gleichzeitig eskalierte die politisch motivierte Gewalt unddie Einschüchterung von Anhängern der Opposition nahmungeahnte Formen an. Zwischen März und Juni 2008 zähltedie Menschenrechtsorganisation Sokwanele mehr als 2000Übergriffe. Tsvangirai sah daraufhin von einer Teilnahme ander Stichwahl ab und Präsident Mugabe wurde als einzigerKandidat in einer weiteren umstrittenen Wahl zum neuenPräsidenten gewählt.

Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC)hatte bereits im März 2008 den damaligen südafrikanischenPräsidenten Thabo Mbeki beauftragt, zwischen ZANU-PF

und MDC zu vermitteln. Daraus entstand das Global PoliticalAgreement und die Koalitionsregierung, die im September2008 ihre Arbeit aufnahm.

Neueste EntwicklungenWenn auch bis heute nicht alle Vereinbarungen des Koali-tionsvertrages umgesetzt sind, so wurde die Gewalt in denmeisten Gebieten seitdem eingedämmt. Auch die Wirtschaftkonnte sich wieder etwas erholen.

Doch nachdem Ende 2010 die Diskussion um Neuwah-len wieder entbrannte, berichteten Menschenrechtsorganisa-tionen, dass zur Einschüchterung der Bevölkerung Tausendevon Soldaten und Jugendmilizen in die ländlichen Gebietegeschickt, vermehrt Versammlungen verboten und Opposi-tionspolitiker inhaftiert wurden.

Die SADC reagierte darauf, berief weitere Treffen mitMugabe ein und sprach deutlichere Worte bezüglich derAusschreitungen und Vorbereitungen für die Wahlen, die dieGewalt wieder einzudämmen scheinen.

Es bleibt zu hoffen, dass besonders die Bemühungender Nachbarländer fruchten, damit die nächsten Wahlen inSimbabwe frei und fair ablaufen können.

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Matabeleland North, 7. Juni 2008: Der Präsident der MDC, MorganTsvangirai, ist während des Wahlkampfes kurz vor den am 27. Juni anste-henden Präsidentschafts-Stichwahlen mit einem öffentlichen Autobusunterwegs.

Chronologie der Ereignisse ab 2000200026. Juni Die 1999 gegründete Oppositionspartei Movement for

Democratic Change (MDC) gewinnt 57 von 120 Sitzen bei Parlamentswahlen. Zum ersten Mal nach langer Zeit erhältdamit eine Oppositionspartei eine relevante Anzahl von Parlamentssitzen.Unmittelbar nach den Wahlen werden Oppositionsanhänger verfolgt, viele festgenommen, verletzt und getötet. Demons-trationen werden gewaltsam niedergeschlagen.

200711. März Die Save Zimbabwe Campaign, ein Zusammenschluss von

religiösen, politischen und zivilgesellschaftlichen Opposi-tionsgruppen, organisiert ein Gebetstreffen, bei dem die simbabwische Bereitschaftspolizei einen Aktivisten tötet undmehrere Oppositionelle – unter anderem den MDC-Führer Morgan Tsvangirai – verhaftet und verletzt.

200829. März Präsidentschafts-, Parlaments- und Senatswahlen:

Die MDC-Tsvangirai und die MDC-Mutambara gewinnen ins-gesamt 109 Parlamentssitze, Mugabes ZANU-PF hingegen erhält nur 97 Sitze. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit1980 hat die ZANU-PF ihre Mehrheit im Parlament verloren.

Im Senat gewinnen ZANU-PF und MDC jeweils 30 Sitze.Die Zimbabwe’s Electoral Commission (ZEC) hält die Ergeb-nisse der Präsidentschaftswahl zurück.Die MDC beruft sich auf vorzeitige Auszählungsergebnisse und erklärt ihren Präsidentschaftskandidaten Morgan Tsvangirai zum Sieger.Die Gewalt gegenüber der Opposition nimmt zu.

April Einzelne Staaten, die SADC (Southern African DevelopmentCommunity), die Vereinten Nationen sowie die Europäische Union appellieren an die ZEC, die Ergebnisse zu veröffent-lichen, und drohen Simbabwe mit Sanktionen, die in den folgenden Wochen teilweise umgesetzt werden (Waffen-embargo, Einfrieren von Auslandsvermögen usw.).

2. Mai Aus den von der ZEC veröffentlichten Ergebnissen geht her-vor, dass keiner der beiden Kandidaten die absolute Mehrheitgewonnen hat (47,9 Prozent der Stimmen gehen an Tsvangirai, 43,7 Prozent an Mugabe) und dass eine Stichwahl nötig ist. Externe Beobachter und die Opposition werfen der Regierung Wahlbetrug und gewaltsame Einschüchterungs-versuche im Vorfeld und während der Wahl vor.

22. Juni Tsvangirai zieht seine Kandidatur aufgrund der anhaltenden Gewalt gegen Oppositionsanhänger und Demonstranten zurück.

27. Juni Mugabe gewinnt als einziger angetretener Kandidat die Präsidentschaftswahlen.

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Chitungwiza, 13. Juni 2008: Ein Opfer der Übergriffe nach den Wahlen sitztauf seinem Krankenhausbett und erzählt von dem Brandanschlag auf dasMDC-Büro in Zaka.

Juli Verhandlungen über eine Regierungskoalition zwischen MDC und ZANU-PF beginnen. Ziel ist das Ende der politi-schen Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen.Verhandlungsführer von Seiten der SADC ist Südafrikas Präsident Thabo Mbeki.

15. Sept. Mugabe und Tsvangirai unterzeichnen ein gemeinsames Regierungsabkommen, das so genannte Global Political Agreement (GPA). Tsvangirai wird Premierminister, Mugabe bleibt Präsident, die Ministerposten werden zwischen MDC und ZANU-PF aufgeteilt.

2009Sept. Auch ein Jahr nach dem gemeinsamen Regierungsabkom-

men beklagt die MDC weiterhin Restriktionen und Gewaltgegen seine Mitglieder.Mugabe spricht sich für einen Neubeginn in den interna-tionalen Beziehungen zu Simbabwe aus. Tsvangirai bittetdie internationale Gemeinschaft, die Einigkeit der Regierung zu honorieren und die Sanktionen gegen Simbabwe zu lockern.

Oktober Nach der Verhaftung des MDC-Politikers Roy Bennett drohtTsvangirai vorübergehend damit, die Teilnahme seiner Partei an Kabinettssitzungen zu suspendieren. Bennett wird gegen Kaution freigelassen.

2010März Die Ausstellungseröffnung „Reflections – the story of a

stolen election“ wird zunächst verhindert, kann aber nach einem Gerichtsurteil zumindest eröffnet werden.

Sept. Tsvangirai wirft Mugabes Partei vor, die Versammlungen zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung gewaltsam zu verhindern.

Dez. Die ZANU-PF nominiert Robert Mugabe als Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl.

2011Februar Die EU lockert einige Sanktionen: 35 Unterstützer Mugabes

haben nun wieder Zugang zu ihrem Auslandsvermögen.Gegen 163 Personen und 31 Unternehmen werden die Ein-reiseverbote und Anordnungen zum Einfrieren von Vermö-genswerten in der EU für ein Jahr verlängert.Inspiriert durch die Ereignisse in Nordafrika kommt es ver-mehrt zu Treffen und Demonstrationen von Oppositions-anhängern.Da die mediale Berichterstattung weiterhin stark zensiertwird, organisiert das International Socialist Movement ein geheimes Treffen, bei dem Bilder von der Revolution in Ägypten gezeigt werden. Alle 46 Anwesenden werden noch während des Treffens verhaftet und des Landesverrats angeklagt.

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Harare, 13. Juni 2008: Präsident Robert Mugabe besucht kurz vor denStichwahlen eine Jugendversammlung.

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Simbabwe hat die Wahl – dieFrage ist nur wann und wie

Robert Mugabe ist 87 Jahre alt und krank – und den-noch hält er an der Macht fest, ohne offiziell über eineNachfolge zu reden oder sie gar vorzubereiten. Im April 2011erklärte er, trotz massivem Widerstand der SüdafrikanischenEntwicklungsgemeinschaft (SADC) und deren Verhand-lungsführer für Simbabwe, dem südafrikanischen Präsiden-ten Jacob Zuma, dass im Juni 2011 Präsidentschaftswahlenstattfinden würden. Die bisherige Verfassung sieht zwar vor,dass der Präsident diese Entscheidung alleine treffen kann,doch die SADC hat bereits signalisiert, dass sie eine nichtvon allen drei Parteien der Koalitionsregierung getrageneWahl nicht akzeptieren würde. Sie fordert deswegen einenFahrplan für Neuwahlen, den alle Koalitionspartnerbeschließen sollen.

Premierminister Morgan Tsvangirai (MDC) verkündeteauf einer Versammlung in Bulawayo, ebenfalls im April, dass mit Unterstützung der SADC und besonders mit einemabgestimmten Fahrplan Neuwahlen Anfang 2012 möglichwären. Auch für ihn sind Wahlen wichtig, denn in der der-zeitigen politischen Situation hat die Oppositionspartei

weder Macht noch genügend politischen Einfluss, um ihrProgramm und sogar den in der Koalitionsvereinbarungfestgeschriebenen Minimalkonsens durchzusetzen. Gleichzeitig verhindern Polizei, Militär und parastaatliche(Un-)Sicherheitskräfte, die nach wie vor auf Seite der ZANU-PF stehen, dass die MDC im Land ungehindert politisch aktiv werden kann. Immer wieder werden MDC-Minister verhaftet und an der Ausübung ihrer politischenÄmter gehindert. Doch Tsvangirai steckt in einem Dilemma.Neuwahlen unter den jetzigen Bedingungen könnten dazuführen, dass die ZANU-PF die Opposition durch Gewalt undEinschüchterungsmechanismen weiter schwächt. Außerdemist zu befürchten, dass die ZANU-PF durch Wahlmanipu-lation eine satte Mehrheit erlangen könnte, was die Gestal-tungsmöglichkeiten der Opposition zerstören würde. Undobwohl es inzwischen einen Fahrplan mit Bedingungen fürNeuwahlen gibt, ist es nach wie vor eher unwahrscheinlich,dass die ZANU-PF sich daran halten und diese umsetzenwird. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für faire undzielführende Wahlen gehören unter anderem die Verab-schiedung einer neuen, unter Beteiligung aller politischerKräfte konzipierten Verfassung, die erst den Rahmen für dieWahlen definiert, der freie Zugang aller Parteien zu denMedien und die Versammlungsfreiheit. Dazu gehört aber

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22. Juni 2008: Unterstützer der Zanu-PF attackieren Anhänger der MDC,die auf dem Weg zu einer Wahlkundgebung in Harare waren.

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auch, dass Polizei und Militär für Simbabwe und nicht fürdie ZANU-PF arbeiten und dass paramilitärische Einheiten,die Veteranen und die Jugendorganisationen entwaffnet undin rechtstaatliche Schranken gewiesen werden.

Sollten diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt wer-den, stehen die Chancen für einen Sieg der Opposition gut.Allein dies beunruhigt die ZANU-PF, die anscheinend nochnicht bereit ist, einen Machtwechsel zu akzeptieren. Aus die-sem Grund versucht sie mit allen Kräften, die Umsetzungeines Fahrplans für faire Wahlen zu verhindern. Die SADCdrohte auf ihrem letzten Treffen im März 2011 Mugabe da-mit, ihm keinen bedingungslosen Rückhalt mehr zu gewäh-ren.

Unklar bleibt auch, wer die Wahl, wann immer siekommt, bezahlen soll. Die Wahlkommission hat bei Finanz-minister Tendai Biti (MDC) 400 Millionen USD beantragt –bei einem Haushalt, der bereits jetzt ein Defizit von 150Millionen USD aufweist. Für dieses Jahr steht also auch eineungesicherte Finanzierung den Wahlen im Wege. Damitscheint der Vorschlag der Afrikanischen Union (AU), Wah-len frühestens 2013 abzuhalten, realistischer zu sein, voraus-gesetzt, es finden sich bis dahin Geldgeber.

Mindestvoraussetzungen für eine freie undfaire WahlSchon als Mitte 2010 über Neuwahlen in Simbabwe speku-liert wurde, stellten die Kirchen ebenso wie die AU konkreteForderungen für Neuwahlen auf, die sich zum Teil mitdenen decken, die jetzt die Koalitionsregierung beschlossenhat. Ohne die Einhaltung dieser Forderungen ist eine Wahlkaum denkbar, zudem wäre sie nicht demokratisch undwürde unweigerlich zu einer Wiederholung der Vorgängevon 2008 führen:

• Ende der Gewalt von Seiten staatlicher und parastaatli-cher Kräfte gegenüber Opposition und ihren Anhängern,

• Weiterführung und Abschluss des Verfassungsreform-prozesses mit einem nationalen Referendum,

• Reform des Wahlverfahrens, • Schutz der Wähler vor Gewaltausbrüchen,• Aktualisierung und Bereinigung der Wählerlisten,• Zulassung und Bewegungsfreiheit für regionale und inter-

nationale Wahlbeobachter,• Gewährleistung einer freien Medienberichterstattung,• strenge Verhaltenskodizes für Politiker und Bestrafung der

Anstiftung zur Gewalt,• Schutz der Wahlergebnisse vor Fälschungen.

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Harare, 15. September 2008: Arthur Mutambara, Robert Mugabe,Morgan Tsvangirai und der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki bei der Unterzeichnung des Global Political Agreement.

Kirchen in Simbabwe: Ein Aufrufzu dauerhaftem FriedenWir, die Kirchen in Simbabwe – der Simbabwische Kirchenrat (ZCC),die Katholische Bischofskonferenz (ZCBC) und die EvangelikaleGemeinschaft (EFZ) – bekräftigen nochmals unsere Überzeugung,dass jeder Mensch mit von Gott gegebenen unveräußerlichenRechten geboren ist. Es ist deshalb die Pflicht jeder Regierung,Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die BürgerInnen dieMöglichkeit haben diese Rechte wahrzunehmen und in diesemProzess ihre Potentiale voll auszuschöpfen. Die Kirche hat das Mandat, die Stimme für die Stimmlosen zu erheben, für pastoraleDienste der Nation zur Verfügung zu stehen und Teil des Wieder-aufbauprozesses zu sein.

In der Verwirklichung ihrer Vision von Gerechtigkeit, Frieden,Wohlstand und der integralen Erlösung der Menschen erkennt dieKirche den bisherigen Fortschritt an und weiß die von der Koali-tionsregierung getroffenen Maßnahmen zur Friedensschaffungund Heilung der Nation zu schätzen. Im Bewusstsein der von unsgetragenen Verantwortung für eine friedliche Zukunft unsererNation und in dem Wunsch, eine Wiederholung der politischenGewalt im Zuge der Wahlen von 2008 zu verhindern, rufen wir dieRegierung und die politischen Parteien dazu auf, folgende Sorgenernst zu nehmen:

Koalitionsvertrag (Global Political Agreement GPA)Bevor Neuwahlen stattfinden können, müssen sämtliche Verein-barungen des GPA implementiert werden. Wir ersuchen dieSüdafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC), eine vollstän-dige, transparente und zeitnahe Umsetzung des Abkommens zugarantieren. Die Kirche ist bereit und willens, den Dialog zwischenden Machthabenden und den politischen Parteien zu begleitenund zu unterstützen.

Verfassungsgebender ProzessBei der Erarbeitung einer neuen Verfassung muss sichergestelltsein, dass die Interessen und Ansichten der Menschen Berück-sichtigung finden. Die Schwächen, die bei den öffentlichenDiskussionen zu einer Zersetzung der Ansichten der Menschen inbestimmten Regionen geführt haben, sollten ebenfalls zur Kennt-nis genommen werden.

WahlenWir bitten unsere politischen Führer in der Koalitionsregierunginständig, den Zeitpunkt der Wahlen besonders vor dem Hinter-grund der Zerrissenheit der Gesellschaft und des fragilen Zustandsder Wirtschaft noch einmal zu überdenken. Wann auch immerWahlen stattfinden, ist es für die Regierung unverzichtbar, dieSADC-Richtlinien in vollem Umfang einzuhalten. Nur unter diesenBedingungen können die Wahlen als glaubwürdig gelten.

Pressemeldung vom Februar 2011 von den Heads of Christian Denominations in Zimbabwe (Oberhäupter der christlichen Kirchen in Simbabwe)

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Harare, 4. Dezember 2008: Eine Kundin steht vor leeren Supermarkt-regalen. Die Regierung führte 2007 Preiskontrollen ein – als Resultatverschwand die Ware aus den Läden.

Frieden und SicherheitDie Kirchen sind besorgt über die Berichte über politisch moti-vierte Gewalt in den Provinzen Mashonaland, Masvingo, Manica-land und Harare, die durch die Wiederbelebung jener Strukturenhervorgerufen wird, die bereits im Vorfeld der Präsidentschafts-wahlen 2008 zu Gewalt führten.

Die Kirche ermahnt die politische Führung Zurückhaltung zuüben und Aussagen, welche politische Gewalt hervorrufen könn-ten, zu vermeiden. Obwohl die gelegentliche Verurteilung vonGewalt ermutigend erscheint, müssen die politischen Entschei-dungsträger sich regelmäßiger zum Gewaltverzicht bekennen unddiese Aussagen auch in der Realität umsetzen. Die Kirche ruft dieSicherheitskräfte dazu auf, Frieden und Sicherheit für alle Bürgerzu garantieren. Um ihrer verfassungsgemäßen Pflicht nachzukom-men, müssen sie ihre Aufgaben unparteiisch und neutral erfüllen.Darüber hinaus hebt die Kirche die strategische Bedeutung tradi-tioneller Führer hervor, die diese bei der Sicherstellung des Friedensinnerhalb der Gemeinden haben. Die Kirche fordert daher dieChiefs auf, gemeinsam mit anderen Verantwortlichen für Friedenund Sicherheit in den Gemeinden zu sorgen.

Die Rolle der MassenmedienDie Kirche weiß um die Macht der Medien in der öffentlichenMeinungsbildung. Sie ist beunruhigt über die hasserfüllte Spracheder Medien und fordert Journalisten auf, an ihren ethischen Grund-werten festzuhalten und Gerechtigkeit und Fairness in ihrerBerichterstattung zu berücksichtigen.

Nationaler HeilungsprozessDie Kirche ist besorgt über das Fehlen klarer nationaler Rahmen-bedingungen für den Heilungs- und Versöhnungsprozess, der indieser Übergangsphase einen entscheidenden Bestandteil dar-stellt. Solange diese Rahmenbedingungen fehlen, wird die Kircheihr biblisches Mandat zur Versöhnung in unterschiedlichen For-men wahrnehmen, erinnert aber an die strategische Bedeutungder Kommission für Nationale Heilung, Versöhnung und Inte-gration, die eine unabhängige Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Versöhnungskommission vorbereiten sollte. Die Kommission fürNationale Heilung, Versöhnung und Integration sollte außerdemeinen flächendeckenden und inklusiven Prozess zur Erarbeitungnationaler Rahmenbedingungen in Gang setzen, die Themen wieWahrheitsfindung, Aufbereitung der Vergangenheit, Versöhnungsowie Täter-Opfer-Ausgleich und Transitional Justice (Gerechtig-keit im Übergangsprozess) bearbeiten.

Aufruf an die KirchenWir fordern die Kirchengemeinden auf, Mahnwachen und Gebetezu organisieren und sich an der Kampagne für den Frieden zubeteiligen, damit Gott unsere Nation in ein neues, friedliches underfolgreiches neues Jahr führt.

Wir glauben, Gottes Zeit für unsere Nation bricht an, um in eineneue Ära des Friedens und Wohlstands für alle fortzuschreiten.

Gott segne Simbabwe!

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Die Kirchliche ArbeitsstelleSüdliches Afrika (KASA)Die KASA versteht sich als ökumenische Informations- undServicestelle zum Südlichen Afrika und als Lobby- undKampagnenbüro zu ausgewählten Themen sozialer undwirtschaftlicher Gerechtigkeit im Kontext von Globalisierungund Klimawandel.

Die KASA wurde 1996 auf Initiative der Werkstatt Öko-nomie als Kooperationsprojekt kirchlicher Gruppen undOrganisationen gegründet und ist seither bei der WerkstattÖkonomie in Heidelberg angesiedelt. Sie versteht sich alsSchnittstelle zwischen Gruppen und Organisationen imSüdlichen Afrika und Europa, die sich für soziale und wirt-schaftliche Gerechtigkeit einsetzen. Die KASA öffnet Räumefür die Diskussion von Alternativen und möchte MenschenGehör verschaffen, deren Stimme von den Mächtigen allzuoft überhört wird („Voice & Space“). Grundlage dafür sindPartnerbeziehungen auf Augenhöhe. Die Impulse aus demSüdlichen Afrika nimmt die KASA in ihre Solidaritätsarbeitauf und bringt sie in die politische Debatte hierzulande ein.

Die politische Advocacyarbeit der KASA wird getragenvon lebendigen Beziehungen zu den Partnerorganisationen

und Basisbewegungen im Südlichen Afrika. Deren Anliegennimmt die KASA auf und setzt sie themenspezifisch undergebnisorientiert in Forderungen gegenüber Entscheidungs-trägern in Politik und Unternehmen um. Diese Lobbyarbeitwird durch Vernetzung mit Bündnispartnern gestärkt unddurch zielgerichtete Kampagnen unterstützt. Wir suchendabei nach wirksamen Handlungsoptionen, ohne die Kom-plexität politischer Zusammenhänge außer Acht zu lassen.

Die KASA bringt sozio-ökonomische Fragen in kirch-liche und außerkirchliche Strukturen ein und versucht dafürauf nationaler und internationaler Ebene Bündnispartner zu gewinnen und Kräfte zu bündeln.

Durch den regelmäßig erscheinenden Newsletter, dieZusammenstellung von Hintergrundmaterial auf der Web-seite und die Veröffentlichung von Artikeln in Fachzeit-schriften versucht die KASA ihre Themen einer breiten Öffent-lichkeit näher zu bringen und fundierte Diskussionen anzustoßen. Zusammen mit der Bildungs- und der Kampag-nenarbeit schafft dies die Grundlage für die Advocacy- undLobbyarbeit.

Johannesburg, 9. Dezember 2008: Simbabwische Flüchtlinge drängen sich dicht an dicht in der Central Methodist Church. Die Simbabwer suchten Asyl in der Kirche wegen der Wirtschaftskrise und gewalttätigenAusschreitungen nach den Wahlen in ihrem eigenen Land, aber auch aufgrund von fremdenfeindlichen Attacken in Südafrika.

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Zimbabwe Human RightsAssociation (ZimRights)Die simbabwische Menschenrechtsorganisation ZimbabweHuman Rights Association (ZimRights) wurde 1992 mitdem Ziel gegründet, die Menschen in Simbabwe über dieMenschenrechtssituation in ihrem Land aufzuklären und siezum Kampf für die Gewährleistung ihrer Rechte zu ermuti-gen. ZimRights will die Menschenrechte zu einem alltäglichpräsenten Thema machen, an dem jede/r Einzelne in Sim-babwe Anteil nimmt. Ihre Vision ist eine Kultur und einBewusstsein der Einzigartigkeit und Unverletzlichkeit derMenschenrechte. ZimRights möchte die Menschenrechtevoranbringen, schützen und verteidigen und so die an denRand Gedrängten in Simbabwe durch Bildung und Informa-tion zur Durchsetzung ihrer Rechte und zur Verbesserungihrer Lebensbedingungen befähigen.

Bulawayo, 25. April 2008: Ein Soldat steht Wache, während der simbabwischePräsident Robert Mugabe die Simbabwische Internationale Messe (ZimbabweInternational Trade Fair) eröffnet.

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3. Juni 2008: Ein Straßenkind schläft vor Wahlkampfpostern, während das Land sich auf die Präsidentschafts-Stichwahlen vorbereitet.

Mount Darwin, 11. Mai 2008: Eine Frau passiert die Überreste eines Gehöfts, das bei den gewaltsamenÜbergriffen nach den Wahlen niedergebrannt wurde.

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Impressum:Text & Redaktion:Simone Knapp, Boniface Mabanza

KASA – Kirchliche Arbeitstelle Südliches Afrikac/o Werkstatt ÖkonomieObere Seegasse 18, 69124 Heidelberg

Telefon (06221) 4 33 36-12Telefax (06221) 4 33 36-29E-Mail: [email protected]

Bankverbindung:KASA c/o Werkstatt Ökonomie,Konto 801 885 1600GLS Gemeinschaftsbank eG BLZ 430 609 67

www.kasa.woek.de

Heidelberg, im Mai 2011Konzept & Layout: Bettina Bank, HeidelbergDruck: Druckhaus Diesbach, Weinheim

Titelfoto: Mbare (Vorort von Harare), 29. März 2008:Einwohner stehen bei Sonnenaufgang Schlange voreinem Wahllokal, um ihre Stimme abzugeben.

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www.reflections-simbabwe.de