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Konzept für die Klassenlehrerbildung Januar 09 „Kompetenzen“ im Spannungsfeld zwischen KMK und Rudolf Steiner Gerd Kellermann Projektleitung (Witten/Annen) Christa Greshake Dozentin (Witten/Annen) Andrea Junge Lehrerin (Blote Vogel Witten) Dr. Dietmar Müller Lehrer (Bergisch-Gladbach Gerhard Stocker Dozent (Witten/Annen) Das Wort „Kompetenz“ wird oft verwendet, aber die Definitionen sind uneinheit- lich. Das Verständnis geht von Persönlichkeitsmerkmalen, wie Intelligenz oder Be- gabung bis hin zu erworbenem Wissen, von fachübergreifenden bis zu fachbezo- genen Fähigkeiten. In der neueren Diskussion aber werden neben den kognitiven Merkmalen (fachbezogenes Gedächtnis, Kenntnisse von angrenzenden Wissensge- bieten) auch handlungsbezogene Merkmale, wie angewandte und belastbare prak- tische Fertigkeiten und Erfahrungen betont. Im Rahmen der Bildungspolitik („Bologna-Prozess“) wird der Begriff in einen Zu- sammenhang damit gebracht, dass der Mensch ein lebenslang Lernender ist (Le- benslanges Lernen: „LLL“). Dadurch bekommt der Begriff von der Kompetenz ne- ben dem, dass er gewordene Fähigkeiten beschreibt, noch den zukunftsoffenen Aspekt der gezielten lernenden Weiterentwicklung. Damit werden Motivationen angesprochen, die über die bislang erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten hi- nausweisen. Die Waldorf-Lehrerbildung, insbesondere die Waldorf-Klassenlehrerbildung, für die eigene Formen und Ziele einer grundständigen Ausbildung entwickelt wurden, steht in einem Spannungsfeld zwischen KMK und Rudolf Steiner, das an zwei Bei- spielen kurz charakterisiert werden soll. 1 Die KMK hat im Jahre 2004 Standards für die Bildungswissenschaften beschlossen und darin folgenden Kompetenzkatalog verabschiedet 2 Kompetenz 1: Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch. Kompetenz 2: Lehrerinnen und Lehrer unterstützen durch die Gestaltung von Lernsituationen das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Sie motivieren Schülerinnen und Schüler und befähigen sie, Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen. Kompetenz 3: Lehrerinnen und Lehrer fördern die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten. Kompetenz 4: Lehrerinnen und Lehrer kennen die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen von Schülerinnen und Schülern und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Ent- wicklung. Kompetenz 5: Lehrerinnen und Lehrer vermitteln Werte und Normen und unterstützen selbstbe- stimmtes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern. Kompetenz 6: Lehrerinnen und Lehrer finden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in Schule und Unterricht. Kompetenz 7: Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern. Kompetenz 8: Lehrerinnen und Lehrer erfassen Leistungen von Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe. Kompetenz 9: Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Ver- pflichtung. Kompetenz 10: Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe. Kompetenz 11: Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhaben. 1 Die abgedruckten Zitate sind nur Auszüge und sollen das Spannungsfeld deutlich machen. 2 Vereinbarung zu den Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004) Kompetenz KMK Bildungs- wissenschaften

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Konzept für die Klassenlehrerbildung Januar 09„Kompetenzen“im Spannungsfeld zwischen KMK und Rudolf SteinerGerd Kellermann Projektleitung (Witten/Annen)Christa Greshake Dozentin (Witten/Annen)Andrea Junge Lehrerin (Blote Vogel Witten)Dr. Dietmar Müller Lehrer (Bergisch-GladbachGerhard Stocker Dozent (Witten/Annen)

Das Wort „Kompetenz“ wird oft verwendet, aber die Definitionen sind uneinheit-lich. Das Verständnis geht von Persönlichkeitsmerkmalen, wie Intelligenz oder Be-gabung bis hin zu erworbenem Wissen, von fachübergreifenden bis zu fachbezo-genen Fähigkeiten. In der neueren Diskussion aber werden neben den kognitivenMerkmalen (fachbezogenes Gedächtnis, Kenntnisse von angrenzenden Wissensge-bieten) auch handlungsbezogene Merkmale, wie angewandte und belastbare prak-tische Fertigkeiten und Erfahrungen betont.

Im Rahmen der Bildungspolitik („Bologna-Prozess“) wird der Begriff in einen Zu-sammenhang damit gebracht, dass der Mensch ein lebenslang Lernender ist (Le-benslanges Lernen: „LLL“). Dadurch bekommt der Begriff von der Kompetenz ne-ben dem, dass er gewordene Fähigkeiten beschreibt, noch den zukunftsoffenenAspekt der gezielten lernenden Weiterentwicklung. Damit werden Motivationenangesprochen, die über die bislang erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten hi-nausweisen.

Die Waldorf-Lehrerbildung, insbesondere die Waldorf-Klassenlehrerbildung, für dieeigene Formen und Ziele einer grundständigen Ausbildung entwickelt wurden,steht in einem Spannungsfeld zwischen KMK und Rudolf Steiner, das an zwei Bei-spielen kurz charakterisiert werden soll.1

Die KMK hat im Jahre 2004 Standards für die Bildungswissenschaften beschlossenund darin folgenden Kompetenzkatalog verabschiedet 2

Kompetenz 1: Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fach- und sachgerecht und führen ihn

sachlich und fachlich korrekt durch.

Kompetenz 2: Lehrerinnen und Lehrer unterstützen durch die Gestaltung von Lernsituationen das

Lernen von Schülerinnen und Schülern. Sie motivieren Schülerinnen und Schüler und befähigen sie,

Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen.

Kompetenz 3: Lehrerinnen und Lehrer fördern die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum

selbstbestimmten Lernen und Arbeiten.

Kompetenz 4: Lehrerinnen und Lehrer kennen die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen von

Schülerinnen und Schülern und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Ent-

wicklung.

Kompetenz 5: Lehrerinnen und Lehrer vermitteln Werte und Normen und unterstützen selbstbe-

stimmtes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern.

Kompetenz 6: Lehrerinnen und Lehrer finden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in

Schule und Unterricht.

Kompetenz 7: Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von

Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und

deren Eltern.

Kompetenz 8: Lehrerinnen und Lehrer erfassen Leistungen von Schülerinnen und Schülern auf der

Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe.

Kompetenz 9: Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs

bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Ver-

pflichtung.

Kompetenz 10: Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe.

Kompetenz 11: Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischerProjekte und Vorhaben.

1 Die abgedruckten Zitate sind nur Auszüge und sollen das Spannungsfeld deutlich machen.2Vereinbarung zu den Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften

(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004)

Kompetenz

KMK

Bildungs-wissenschaften

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Studienkonzept Witten/Annen - Thema Kompetenzen 19.01.2009 2

Im Jahre 2008 hat die KMK Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdi-daktiken in der Lehrerbildung verabschiedet3. Beim Abschluss ihres Studiums sollendie Studierenden folgende Kompetenzen vorweisen können:

1. Über anschlussfähiges Fachwissen verfügenStudienabsolventinnen und -absolventen

• haben ein solides und strukturiertes Fachwissen (Verfügungswissen) zu den grundlegenden Ge-bieten ihrer Fächer erworben; sie können darauf zurückgreifen und dieses Fachwissen ausbauen;• verfügen aufgrund ihres Überblickswissens (Orientierungswissen) über den Zugang zu den ak-tuellen, grundlegenden Fragestellungen ihrer Fächer;• können reflektiertes Wissen über ihre Fächer (Metawissen) einsetzen und auf wichtige ideenge-schichtliche und wissenschaftstheoretische Konzepte zurückgreifen;• können sich aufgrund ihres Einblicks in andere Disziplinen weiteres Fachwissen erschließenund damit fächerübergreifende Qualifikationen entwickeln.

2. Über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden der Fächer verfügenStudienabsolventinnen und -absolventen

• sind mit den Erkenntnis- und Arbeitsmethoden ihrer Fächer vertraut;• sind in der Lage, diese Methoden in zentralen Bereichen ihrer Fächer anzuwenden.

3. Über anschlussfähiges fachdidaktisches Wissen verfügenStudienabsolventinnen und -absolventen

• haben ein solides und strukturiertes Wissen über fachdidaktische Positionen und Strukturie-rungsansätze und können fachwissenschaftliche Inhalte auf ihre Bildungswirksamkeit hin und un-ter didaktischen Aspekten analysieren;• kennen und nutzen Ergebnisse fachdidaktischer und lernpsychologischer Forschung über dasLernen in ihren Fächern;• kennen die Grundlagen fach- und anforderungsgerechter Leistungsbeurteilung;• haben fundierte Kenntnisse über Merkmale von Schülerinnen und Schülern, die den Lernerfolgfördern oder hemmen können und wie daraus Lernumgebungen differenziert zu gestalten sind.

Mit dem Vorbereitungsdienst sollen folgende Kompetenzen erreicht werden:• fachliches Lernen planen und gestalten,• Komplexität unterrichtlicher Situationen bewältigen,• Nachhaltigkeit von Lernen fördern,• fachspezifische Leistungsbeurteilung beherrschen.

Die Position, die durch Rudolf Steiner für die Lehrerbildung entwickelt wurde, wirdbesonders von Christof Wiechert vertreten: Was ist Waldorfpädagogik wirklich?4

„Rudolf Steiner gab den Lehrern die sieben Lehrertugenden (drei in Verbindung mit den Christus-worten und vier in Verbindung mit der Umwandlung der Temperamente). Christoph Wiechertstellt diese sieben Tugenden in Form eines Siebensterns dar und erläutert sie ausführlich.

Die zentrale Aufgabe des Lehrers sieht Christof Wiechert in der Selbsterziehung und der Um-wandlung des eigenen Temperaments. In dem Maße, in dem sie gelingt, wird seiner Erfahrungnach auch eine erzieherische Tätigkeit gelingen.

Aus der Qualität der Verbindung mit dem Fach und dem Stoff entsteht die Didaktik. Die Qualitätdes Unterrichts aber entwickelt sich durch die Umwandlung der oben genannten Tugenden in diefolgenden Lehrer- und Unterrichtsqualitäten:

Hinweise zu diesen sieben Qualitätsmerkmalen im Unterricht

Die Methodenvielfalt wird dem Lehrer Spaß am Unterrichten schenken.

Die Zeitgestaltung des Unterrichts ist wie eine musikalische Komposition mit Verdichtungen,Beschleunigungen, mit Pausen, usw… zu sehen. Die Fachlehrer sind oft echte Könner aufdem Gebiet der Zeitgestaltung. Der Unterricht kann wie eine Sonate „klingen“.

Der Lehrer muss sich für den zu unterrichtenden Stoff selbst begeistern, dann kann er auchseine Schülerinnen und Schüler begeistern.

Die soziale Begabung wurzelt in einem tief empathischen Verhältnis zu Schülern, Eltern undKollegen. Die Sozialkunst ist heute sicher die wichtigste Kunst. An den Lehrerseminaren soll-te ein Training für das richtige Führen von Elterngesprächen stattfinden (offene, wahre undkommunikative Gespräche - und nicht übers Telefon!). Kann ich als Mensch und Lehrer be-ginnen zu begreifen, wie ich wirke auf Schüler, Eltern und Kollegen?

3 Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungenfür die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i.d.F. vom 08.12.2008)4 Winfried Böttger: Protokoll der Delegierten-Tagung in der Freien Waldorfschule Berlin-Kreuzberg, 16.11.2007

Fachwissenschaften

Rudolf Steiner

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Man ist nicht in allen Dingen Künstler! Das werden auch Schüler und Eltern nicht verlangen.Aber man sollte immer wach für die eigenen Einseitigkeiten sein und sich nicht scheuen, Hilfevon Kollegen zu holen.

Schüler schätzen es sehr, wenn ihre Lehrerinnen und Lehrer ein starkes Durchhaltevermögenbesitzen. Das gilt nicht nur für Vorhaben und Prinzipien sondern zum Beispiel auch für dieGesundheit. Christof Wiechert erwähnt in diesem Zusammenhang die eigene Erfahrung auchmal mit einer leichten Grippe zu unterrichten. Die Schüler rechneten ihm das hoch an undkonnten für sich daraus lernen.

Der wirklich liebesfähige Lehrer nimmt seine Schüler, wie sie sind. Diese Art der Zuneigungwird ihn vor dem „Versauern“ bewahren. Durch die Liebesfähigkeit, die wohl eine der größ-ten Tugenden und Qualitäten ist, findet der Lehrer den Weg zur „Entwicklung der Kinder“,woraus ihm wiederum Kraft und Energie zufließen.

Zum Abschluss seines Vortrags baut Christof Wiechert auf dieser „Energiequelle“ des Lehrers auf.Er legt der Versammlung ans Herz, dass sich die Bewusstseinskräfte der einzelnen Kollegen undauch von ganzen Kollegien zu neuen Lebenskräften verwandeln können. So sieht er die Lösungder Energiefrage unserer Bewegung - ebenso wie der Welt - in neuen Lebenskräften oder - mitanderen Worten - in einem neuen, ergriffenen Bewusstsein. Die Umwandlung des Denkens, überdie er gleich zu Beginn seines Vortrages spricht, ist für ihn eine zentrale Aufgabe der Kollegien.Wo sie auch nur in Ansätzen gelingt ist dies an den beteiligten Kollegen unmittelbar wahrzuneh-men.“

Wiechert stellte die 7 (3 und 4) Lehrertugenden mit zwei Siebensternen dar, die infolgender Darstellung zusammengefasst werden.5

5Die Form dieser Darstellung wurde angeregt durch den Bauplan der heptagonalen romanischen Kirche Sainte

Marie im französischen Rieux Minervois (F 11160), die getragen durch 7 Säulen (3 runde, 4 viereckige) einen Chorbildet über dem sich der siebenseitige Turm erhebt. Die Verdoppelung der tragenden Säulen in der Außenwand(14-seitig) gibt der Kirche einen runden Charakter.

Kompetenzen?

Tugenden?

Haltungen?

Quadratur einesheptagonalenKreises?

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Martin Straube schreibt in einem Handout6:

…„So verstehen wir unter einer Kompetenz ein durch praktische Erfahrungen ergänztes verfügba-res Wissen, das durch Motivation und Reflexion nicht stehen bleibt.

Beim Spracherwerb entsprächen der verfügbare Wortschatz und die handhabbare Grammatik demWissen. Wendet man aber immer nur dieselben Worte und Wendungen an, so kann man zwar dasausdrücken, was man will. Aber mit der Motivation mehr zu lernen, geht man in Kommunikatio-nen, die man vielleicht versteht, auch wenn einzelne gehörte Worte noch unklar sind. Durch Über-legungen, Nachfrage und Ausprobieren lernt man hinzu. Irgendwann wird die so motivierte undreflektierte Anwendung einer Sprache zu einer sich selbst erweiternden Fähigkeit. Das würden wireinen kompetenten Umgang mit Sprache nennen: Nicht bereits alles zu können, sondern so mitSprache umzugehen, dass man ihre Anwendung kontinuierlich vervollkommnet.

So speist sich die „Kompetenz“ im Wesentlichen aus vier Quellen:

Verfügbares Fachwissen,Verständnis des Problems.

Erfahrung durch praktisches Reflexion:Tun unter wechselnden Kompetenz Erkennen von undBedingungen Lernen aus Fehlern

Motivation zu lernen

…“ Es gibt unterschiedliche Auffassungen, welche Felder von Kompetenzen es gibt. Unterschie-den werden:

- Fachkompetenz- Selbstkompetenz- Sozialkompetenz- Methodenkompetenz und- Existentielle Kompetenz.“

„Eine Fach-, Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz kommt ab Erreichen eines gewissen Kom-petenzgrades nicht ohne die existentielle Kompetenz aus, Fach-, Sozial-, Methoden und existentiel-le Kompetenz kommen ab einem bestimmten Kompetenzgrad nicht ohne Selbstkompetenz aus,Selbst-, Sozial-, Methoden- und existentielle Kompetenz bedürfen schon auf niederem Kompetenz-niveau einer Fachkompetenz, alle sind methodenkompetent und ohne die Vermittlung, ohne dieAnwendung, die immer andere Menschen betrifft, bleiben sie stehen, außer sie schließen eine ge-wisse Sozialkompetenz ein. Insofern erscheint die Trennung theoretisch. Aber für den reflektieren-den Blick ist eine Differenzierung sinnvoll, da sie den Blick auf Einzelheiten lenkt und mehr sich-tbar macht. Und diese Reflexion ist die Grundlage aller kompetenten Fähigkeiten.“

Die Trennung der Kompetenzen, egal ob sie nun dem Paradigma Fachwissenschaft– Fachdidaktik – Bildungswissenschaft (vormals Erziehungswissenschaft) folgt, oderder Gliederung Straubes oder einer Zuordnung zu den Lehrertugenden, ist theore-tisch, soll doch der Lehrer, wie jeder Mensch, diese verschiedenen Fähigkeitenintegrieren.

Wir wollen mit der Ausbildung sowohl die von der KMK geforderten Kompetenzenanlegen, als auch die Lehrertugenden Rudolf Steiners bilden.

Wir verfolgen den Prozess der Modularisierung an den Hochschulen aufmerksamund stellen fest, dass der Versuch der Einigung auf Kompetenzen schnell zu einerEinigung auf (oft alte) Inhalte geführt hat und dass mit wenigen Ausnahmen die„personalen Kompetenzen“ nur im impliziten Curriculum eine Rolle spielen.

6Martin Straube ist Dozent am Institut für heilpädagogische Lehrerbildung in Witten/Anne. Das

Handout „Kompetenzen“, veröffentlichte er am 19.6.2008

Analyse

Differenzierung

Integration

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Wir wollen versuchen, an diesenbeiden Stellen gegenzusteuern.Wir haben zu diesem Zweck für6 große Studienfelder7 Studien-

anteile festgelegt und die Kol-legen, die diese Studienfeldervertreten aufgefordert, Modulezu entwerfen durch die Beschreibung von Haupt- und Teilkompetenzen, diesie mit den Studenten anstreben und erreichen wollen. Dafür haben wir unsauf eine sehr einfache Definition von Kompetenz geeinigt: Kompetenz ist dieFähigkeit, eine Aufgabe fachlich und methodisch adäquat zu bewältigen.Und: Die Erledigung der Aufgaben, das heißt die Leistung selbst soll derLeistungsnachweis werden. Es muss die geeignete Form gefunden werden,ihn zu bezeugen. Dieses Verfahren löst die Prüfung ab. Eine weitere Vorga-be für die Kollegen war der Zeitrahmen: Wir haben uns aufgrund pragmati-scher Überlegungen darauf geeinigt, zunächst nur Module von 4 ECTS (=

120 Stunden) zu entwerfen. Damit umfasst dasStudium des „Klassenlehrers mit Fach“ 75 Modulein 5 Jahren. Da unsere Studenten 8 Fächer mitdem Klassenlehrerstudium kombinieren können,müssen insgesamt etwa 220 Module geschriebenwerden.Der größte Teil der Module liegt inzwischen vor,wird derzeit von der Delegation „Konzeptent-wicklung“ ausgewertet und im Dialog mit den

Dozenten und Studenten bearbeitet. In diesem Prozess sind bisher folgendePrinzipien und Grundsätze festgestellt worden, die in der weiteren ArbeitBerücksichtigung finden:

1. Wir haben eine Reihe von Modulen nicht spezifisch den oben ge-nannten Studienfeldern zugeordnet und lenken damit den Blick vomInhalt, von der Fachlichkeit, auf die zu erwerbende Kompetenz.

2. Wir wollen die Teilkompetenzen bei der Durchführung der Modulegemeinsam mit den Studenten reflektieren und ihre Formulierung vonJahr zu Jahr weiter entwickeln. Wir sehen hierin einen sehr wichtigenBeitrag zur Entwicklung der Reflexionsfähigkeit.

3. Wir haben Freiraum für „Initiativ-Module“ geschaffen, die von denStudenten selbst bearbeitet werden müssen.

4. Wir werden zulassen und fördern, dass Dozenten und Studenten dasWagnis eingehen, ein beschriebenes Modul von sämtlichen Teilkom-petenzen zu leeren, sich am Ende zu fragen, welche Teilkompeten-zen erreicht wurden und beschreibbar sind (Reverse Transcript).

5. Wir werden differenzieren nach der Art, wie die Kompetenzen fest-stellbar sind. So wollen wir Kompetenzen, die man (auf verschiede-nen Niveaus) durch die Erledigung von Aufgaben feststellbar errei-chen kann (sog. prüfbare Kompetenzen), trennen von solchen, dieman nur intersubjektiv feststellen kann. Wir haben sie bisher „Persön-lichkeitsmerkmale“ (Arbeitstitel) genannt. Darüber wollen wir den

7Auf diese Studienfelder haben sich die Einrichtungen in Mannheim Stuttgart und Witten im

Jahre 2007 geeinigt. Die Liste enthielt noch als siebtes Feld die Pädagogische Praxis, die nunin Witten zum Ausbildungsort wird und damit als Studienfeld nicht mehr vorkommt.

Entwicklung und Erziehung des Menschen,

Lernbereiche des Klassenlehrers,

Kunst,

Unterrichtsfächer,

Schule und Gesellschaft,

Studentische Selbstorganisation

Arbeit/Recht/Verwaltung

Eurythmie

Englisch

Gartenbau

Handarbeit

Handwerk/Bildende Kunst

Musik

Theaterpädagogik

Studienfelder

Fächer

Prinzipien

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Studenten in regelmäßigen Abständen ein Feedback geben und Vor-schläge zur Förderung dieser Kompetenzen im Dialog entwickeln.

6. Für die „prüfbaren Kompetenzen“ werden wir in der StudienordnungBedingungen des Bestehens formulieren. Für die Persönlichkeits-merkmale werden wir in jedem Jahr, als Ergebnis einer Konferenz derBeteiligten, eine Empfehlung für die Fortführung des Studiums aus-sprechen.

Wir haben sowohl das Feld der „ prüfbaren Kompetenzen“ als auch das Feldder Persönlichkeitsmerkmale in wünschenswerten „Endkompetenzen“ zu-sammengefasst und sind gerade dabei zu überprüfen, ob die von den Kolle-gen beschriebenen Module diese Kompetenzen in genügender Weise bedie-nen.

Das ergibt derzeit folgendes Bild8:

Die Notwendigkeit der Arbeit an den Persönlichkeitsmerkmalen rückt auchin der Lehrerbildung in den Universitäten stärker in den Blick. „Zu viele Stu-denten gelangen trotz ungünstiger persönlicher Voraussetzungen in denSchuldienst, sind unzureichend befähigt oder motiviert, mitunter am Pultvöllig fehl am Platz.“9

Auf der folgenden Seite wird der Entwurf einer Studiendokumentation einesStudenten dargestellt. Daran soll deutlich werden, wie die verschiedenengenannten Prinzipien im Ergebnis dargestellt werden sollen.

Unser besonderer Dank gilt Manfred Künzel für seine kritisch-konstruktiveUnterstützung bei der Ideenbildung zur Erarbeitung dieses Konzepts10

8An diesem Bild wird derzeit im Kollegium gearbeitet. Die Arbeit ist nicht abgeschlossen. Wir sind für Anregun-

gen sehr dankbar.9 Dominik Fehrmann, Auf Talentsuche, SZ 15.12.200810

Prof. Dr. Manfred Künzel, Professur für Didaktik in Bern und Mitarbeiter am Zentrum für Hoch-

schuldidaktik der Universität Fribourg mit den Schwerpunkten Ausbildung von Hochschullehren-den, Kompetenzförderung sowie Curriculumsentwicklung.

Persönlichkeitsmerkmale

1 Authentizität

2 Wahrnehmung/Selbstwahrnehmung

3 Kritikfähigkeit

4 Spiritualität /Begeisterungsfähigkeit

5 Belastbarkeit

6 Kreativität

7 Initiative

8 Selbstreflexion

9 Reflexionsfähigkeit/Urteilsfähigkeit

10 Kommunikationsfähigkeit

11 Beziehungsfähigkeit / Empathiefähigkeit

12 Lern- und Veränderungsbereitschaft

Prüfbare Kompetenzen

1 Methodenkompetenz Anthroposophie

2 Menschenkundliche Kompetenz

3 Selbstverwaltungskompetenz

4 Fachkompetenz Deutsch

5 ErstLesen und -Schreiben

6 Fachkompetenz Mathematik

7 ErstRechnen

8 Fachkompetenz Naturkunde

9 Fachkompetenz Kulturkunde

10 Methodenkompetenz Kunst und Ästhetik

11 Didaktische Handlungskompetenz

12 Methodische Handlungskompetenz

13 Diagnostische Beurteilungs-Kompetenz

14 Dialogische Beratungs - Kompetenz

15 Kommunikationsfertigkeiten

AngestrebteDifferenzierung

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