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1 Forum D Entwicklungen und Reformvorschläge – Diskussionsbeitrag Nr. 19/2012 – 05.12.2012 REHA-Vergütung und Verhandlung: Die Landesschiedsstellen nach § 111 b SGB V – Bericht vom 6. Deutschen REHA-Rechtstag von Diana Ramm, Daniel Hlava und Manuela Willig, Universität Kassel Am 28. September 2012 veranstalteten die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Re- habilitation (DEGEMED), die Deutsche AnwaltAkademie und die Deutsche Vereini- gung für Rehabilitation (DVfR) den 6. Deutschen REHA-Rechtstag in Kassel. Neben der Reform der Eingliederungshilfe und der Frage, unter welchen Umständen Strafgefangene Anspruch auf eine Sucht- Rehabilitation haben, wurden drei große Themenkomplexe behandelt, über die im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teil- haberecht (www.reha-recht.de) im Rahmen von Tagungsberichten informiert werden soll. Es handelt sich dabei um die Themen: „Die Landesschiedsstellen nach § 111b SGB V“, „Die Auswirkungen der Pflegereform auf die Rehabilitation“ und „Bedarfsfeststellung und Begutachtung in der Rehabilitation“. Dieser Beitrag behandelt Landesschiedsstellen. I. Vorträge Einführend stellte Dr. Dirk van den Heuvel (Rechtsanwalt, Geschäftsführer des Bun- desverbandes Geriatrie e. V., Berlin) den „aktuellen Umsetzungsstand in den Län- dern“ (Stand 27.09.2012) zu den Landes- schiedsstellen nach § 111b SGB V dar. Zu- nächst sei festzustellen, dass es grundsätz- lich zwei Wege zur Umsetzung der Forde- rungen des § 111b SGB V gebe: Entweder durch eine Verordnung durch das jeweils zu- ständige Ministerium oder durch eine Ver- einbarung. Beide Wege wurden beschritten. Während die Länder Hessen, Niedersachsen und Thüringen auf eine Vereinbarung auf der Selbstverwaltungsebene setzen, kombinierte Bayern beides und erließ am 1. April 2012 eine Verordnung als Basis für eine Vereinba- rung. In den Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg ist eine abschließende Entscheidung noch nicht gefallen. Alle ande- ren Länder haben sich für eine Verordnung entschieden. Auch der weitere Umsetzungs- stand in den Ländern ist sehr verschieden. Allein Bayern, Hamburg und Baden- Württemberg haben bereits eine entspre- chende Verordnung in Kraft gesetzt. In allen

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Forum D

Entwicklungen und Reformvorschläge – Diskussionsbeitrag Nr. 19/2012 –

05.12.2012

REHA-Vergütung und Verhandlung: Die Landesschiedsstellen nach § 111 b SGB V – Bericht vom 6. Deutschen REHA-Rechtstag

von Diana Ramm, Daniel Hlava und Manuela Willig, Universität Kassel

Am 28. September 2012 veranstalteten die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Re-habilitation (DEGEMED), die Deutsche AnwaltAkademie und die Deutsche Vereini-gung für Rehabilitation (DVfR) den 6. Deutschen REHA-Rechtstag in Kassel. Neben der Reform der Eingliederungshilfe und der Frage, unter welchen Umständen Strafgefangene Anspruch auf eine Sucht-Rehabilitation haben, wurden drei große Themenkomplexe behandelt, über die im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teil-haberecht (www.reha-recht.de) im Rahmen von Tagungsberichten informiert werden soll. Es handelt sich dabei um die Themen: „Die Landesschiedsstellen nach § 111b SGB V“, „Die Auswirkungen der Pflegereform auf die Rehabilitation“ und „Bedarfsfeststellung und Begutachtung in der Rehabilitation“. Dieser Beitrag behandelt Landesschiedsstellen.

I. Vorträge

Einführend stellte Dr. Dirk van den Heuvel (Rechtsanwalt, Geschäftsführer des Bun-desverbandes Geriatrie e. V., Berlin) den „aktuellen Umsetzungsstand in den Län-dern“ (Stand 27.09.2012) zu den Landes-schiedsstellen nach § 111b SGB V dar. Zu-nächst sei festzustellen, dass es grundsätz-lich zwei Wege zur Umsetzung der Forde-rungen des § 111b SGB V gebe: Entweder durch eine Verordnung durch das jeweils zu-ständige Ministerium oder durch eine Ver-einbarung. Beide Wege wurden beschritten. Während die Länder Hessen, Niedersachsen und Thüringen auf eine Vereinbarung auf der Selbstverwaltungsebene setzen, kombinierte Bayern beides und erließ am 1. April 2012 eine Verordnung als Basis für eine Vereinba-rung. In den Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg ist eine abschließende Entscheidung noch nicht gefallen. Alle ande-ren Länder haben sich für eine Verordnung entschieden. Auch der weitere Umsetzungs-stand in den Ländern ist sehr verschieden. Allein Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg haben bereits eine entspre-chende Verordnung in Kraft gesetzt. In allen

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anderen Ländern liegen bisher nur Entwürfe vor, die zum Teil noch nicht öffentlich be-kannt sind (zum Beispiel in Bremen). Folgende Bereiche haben sich nach Ansicht des Referenten als besonders diskussions-bedürftig herausgestellt: Die Beteiligung (sowohl im Rahmen der Verordnungsausar-beitung als auch im Rahmen der Schieds-stellenbesetzung), die Finanzierung und die Besetzung der neutralen Positionen in den Schiedsstellen sowie die Anzahl der Schiedsstellenämter. Diese Fragen lässt der Gesetzestext (bisher) offen, sodass in den Ländern sehr unterschiedliche Lösungsan-sätze gefunden wurden. Einige davon stellte der Referent vor. So habe Hessen die Frage, wer an der Ausarbeitung der Verordnung bzw. Vereinbarung und später im Rahmen der Schiedsstellenbesetzung zu beteiligen ist, so gelöst, dass alle Einrichtungen des Landes nach ihrer Verbandszugehörigkeit befragt wurden. Mittlerweile lasse sich die Linie erkennen, die Verbände als maßgeb-lich anzusehen und zu beteiligen, die Ein-richtungen in dem jeweiligen Bundesland vertreten, sofern sie eigene Landesstruktu-ren aufweisen (beispielsweise Hamburg). Der Referent endete mit einem Ausblick zur weiteren Entwicklung der Schiedsstellen. Er stellte dabei fest, dass die Schiedsstellen nach § 111b SGB V größere Gemeinsamkei-ten mit den Schiedsstellen in der Pflege als mit denjenigen für Krankenhäuser aufwei-sen, sodass die Grundsätze der Recht-sprechung des Bundessozialgerichts zur Höhe der Vergütung von Pflegeeinrichtun-gen auch in diesem Bereich angewendet werden können. Es sei den Einrichtungen zu empfehlen, sich datentechnisch auf die Schiedsstellenverfahren einzustellen, bei-spielsweise durch die Darstellung ihrer Leis-tungs- und Qualitätsprofile. Alle Probleme werden durch ein Schiedsstellenverfahren im Bereich der Rehabilitation durch die Kran-kenkassen jedoch nicht gelöst. So bestehe auch weiterhin das Problem der Belegungs-

steuerung. Auch stehe noch nicht fest, wie weit § 111b Abs. 5 SGB V gefasst werden könne. Fest stehe jedenfalls, dass ein Schiedsstellenverfahren eine gute Lösung sei, um sich zu einigen.

Anschließend sprach Dr. Andreas Penner (Rechtsanwalt, Essen) in seinem Beitrag über die „Erfahrungen mit Schiedsstellen“ im Sozialrecht. Er verdeutlichte hierbei den hohen Stellenwert einer angemessenen Vergütung von Leistungen für deren Qualität. Entgegen der Auffassung des Gesetzgebers können die Vergütungen jedoch nicht nach den Regeln der freien Marktwirtschaft zwi-schen den Leistungsträgern und Einrichtun-gen ausgehandelt werden, weil dies zu Defi-ziten in der rehabilitativen Versorgung führe. Durch die Etablierung von Schiedsstellen sollten die Konflikte zwischen den Vertrags-partnern über die angemessene Höhe der Vergütung gelöst werden, was bei einer funktionierenden freien Marktwirtschaft nicht notwendig gewesen wäre. Die gerichtlich nur eingeschränkt kontrollier-bare Entscheidung der Schiedsstelle obliege dabei im Wesentlichen ihrem Vorsitzenden, der die Grundsätze von „Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit“ zu beachten habe. Als sachgerechte Prüfschritte seien daher zu-nächst die voraussichtlichen Kosten der Ein-richtung abzuschätzen (Selbstkostenansatz) und sodann Fragen der Leistungsgerechtig-keit nachzugehen. Penner sieht als sehr problematisch an, dass Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Schiedsstelle auf-schiebende Wirkung haben können. Dies könne zu langen Gerichtsverfahren führen, die kleinere Einrichtungen in die Insolvenz treiben könnten. Um diesem Problem zu be-gegnen, wies Penner darauf hin, dass der Sofortvollzug der Schiedsstellenentschei-dung angeordnet werden kann. Weiter deu-tete er an, dass eine verdeckte Regelungs-lücke vorliegen könne, die eine Analogie über den Ausschluss der aufschiebenden

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Wirkung rechtfertigen könnte. Abschließend kam er zu dem Ergebnis, dass das neue Schiedsstellenverfahren zwar viel Potential bietet, jedoch notwendige Rahmenbedin-gungen angepasst werden müssten.

Abschließend erläuterte Robert Nicholls (Referent Stationäre Versorgung, Verband der Ersatzkassen [vdek], Landesvertretung Niedersachen) die „Perspektive der ge-setzlichen Krankenversicherung (GKV)“ zum Thema Landesschiedsstellen nach § 111b SGB V. Nach Beschreibung der Aus-gangslage anhand des § 111b SGB V und unter Bezugnahme des Koalitionsvertrages vom 27. Oktober 2009 vertiefte Nicholls die Problematik der Umsetzung am Beispiel von Niedersachsen. Laut Nicholls wird derzeit die Verordnungsermächtigung nach § 111b Abs. 5 SGB V durch das Niedersächsische Sozialministerium nicht wahrgenommen und die GKV ist aufgerufen eine Vereinbarungs-lösung auf Selbstverwaltungsebene anzu-streben. Dazu wurden in Abstimmung mit dem Sozialministerium möglichst alle rele-vanten Verbände aus dem Vorsorge- und Rehabilitationssektor eingeladen. Die vorge-sehene Regelungsstruktur in Niedersachsen umfasst nunmehr Vereinbarung, Geschäfts-ordnung und Vergütungsvereinbarung. Aktu-ell wird in diesem Sinne in Niedersachsen beispielsweise über die Zusammensetzung der Schiedsstelle, die Verortung der Ge-schäftsstelle, über die Einleitung von Schiedsverfahren und weitere damit in Zu-sammenhang stehende Themen diskutiert. Nicholls schloss sein Referat mit Perspekti-ven der Schiedsstelle Reha. Hierzu nannte er den Grundsatz der Beitragsstabilität, die Nicht-Geltung des Selbstkostendeckungs-prinzips und gegebenenfalls die Berücksich-tigung des Wettbewerbsrechts. Der Rehabili-tationssektor sei als ein Geschäftsfeld zu be-trachten und habe auf die Schiedsstellen be-zogen gegenüber dem Krankenhausbereich eine unterschiedliche Ausgangslage.

II. Diskussion

In der anschließenden Diskussion wurde thematisiert, inwieweit eine Tarifbindung der Einrichtung bei der Angemessenheit der Vergütung zu berücksichtigen ist. Während die Referenten van den Heuvel und Penner dies mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG zur Vergütung von Pflegeeinrichtungen bejahten, führte Nicholls aus, dass diese Rechtsprechung auf den krankenversiche-rungsrechtlichen Bereich keine Anwendung finden könne. Auch die Frage, ob die ge-meinsamen Rahmenempfehlungen nach § 21 SGB IX Maßstäbe für die Vergütung sein könnten und ob die Leistungsinhalte trägerübergreifend zu bestimmen seien, führte zu Kontroversen. Während vor allem Nicholls erläuterte, dass das SGB V gegen-über dem SGB IX auch in diesem Bereich speziellere Regelungen vorsehe und auf-grund unterschiedlicher Rehabilitationsauf-träge der Rehabilitationsträger auch eine einheitliche Bestimmung der Leistungsinhal-te und Qualitäten kaum möglich sei, wiesen Stimmen aus dem Plenum darauf hin, dass von Seiten der Rentenversicherungsträger eine gemeinsame Diskussion über die Leis-tungsinhalte und Vergütungssätze begrüßt würde. Auch die Ausführungen zur Reichweite des SGB IX, wie sie von Seiten der Krankenkas-sen (und anderen Rehabilitationsträgern) häufig vorgebracht werden, wurden stark in Zweifel gezogen. Befragt nach seiner Ein-schätzung der faktischen Auswirkungen der Durchführung von Schiedsstellenverfahren, wies van den Heuvel darauf hin, dass allein die Möglichkeit, im Streitfall eine Schieds-stelle anzurufen, zu einer Versachlichung der Diskussion um die Leistungsinhalte zwi-schen Krankenkasse und Leistungserbringer geführt habe. Nicholls hingegen hatte be-reits in seinem Vortrag ausgeführt, dass das Schiedsstellenverfahren nicht die Versor-

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gung der Versicherten verbessern werde. Sowohl Penner als auch van den Heuvel äußerten die Befürchtung, dass eine Einrich-tung, die hohe Vergütungssätze erstreitet, Gefahr laufe, dass sie im Auswahlverfahren durch die Leistungsträger seltener belegt wird. Dieses Problem bleibe auch nach der Einführung eines Schiedsstellenverfahrens weiterhin ungelöst.

III. Fazit/ Ausblick

Auch nach eingehender Diskussion blieben noch viele Fragen offen. Einige werden wohl erst durch das Bundessozialgericht ab-schließend geklärt werden können. Insbe-sondere bleibt zu hoffen, dass die Grund-satzentscheidung, ob die Tarifbindung einer Rehabilitationseinrichtung bei der Höhe der

Vergütung zu berücksichtigen ist, bald her-beigeführt werden kann, um hier für Rechts-sicherheit zu sorgen. Ebenso bleibt abzuwar-ten, wie die weitere Ausgestaltung des Schiedsstellenwesens in den Ländern vo-ranschreiten wird. Eine nähere Auseinander-setzung mit den Rechtsfragen der Vergütung in der Rehabilitation findet zudem in dem Beitrag von Christian Grube im Diskussions-forum (Forum A, Beitrag A8-2012) statt. Grube schildert in diesem Beitrag unter an-derem aus Sicht von Schiedsstellen im Be-reich der Sozialhilfe, wie die Ermittlung von Vergütungen für Leistungen vorgenommen wird.

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