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Gibt es eine naturwissenschaftliche Evolutionstheorie? Reinhard Junker Stand: 14. 11. 2018 Studiengemeinschaft Wort und Wissen www.wort-und-wissen.de/artikel/a25/a25.pdf

Reinhard Junker Stand: 14. 11. 2018 - wort-und-wissen.de · 2 nach der Naturwissenschaftlichkeit von Evo-lutionstheorien soll in diesem Beitrag nur den Aspekt der Innovation (Makroevolution)

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Gibt es eine naturwissenschaftliche Evolutionstheorie?

Reinhard Junker

Stand: 14. 11. 2018

Studiengemeinschaft Wort und Wissen

www.wort-und-wissen.de/artikel/a25/a25.pdf

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Gibt es eine naturwissenschaftliche

Evolutionstheorie?

Reinhard Junker, Rosenbergweg 29, 72270 Baiersbronn (Stand: 14. 11. 2018)

Zusammenfassung

Naturwissenschaftliche Theorien beschreibenGesetzmäßigkeiten, die in eine Wenn-Dann-Form gebracht werden können: Immer wenndie Gesetze G und die Randbedingungen Rgegeben sind, folgt das Ergebnis E. Evoluti-onstheorien, die den Artenwandel erklärensollen, gelten zwar weithin als naturwissen-schaftliche Theorien. Doch dies trifft nur ineinem eingeschränkten Sinne im mikroevo-lutiven Bereich zu (Populationsgenetik*).Wenn es um die Entstehung des evolutionärNeuen geht, sind Formulierungen von Geset-zen nicht möglich. Dies äußert sich unter an-derem darin, dass keine Vorhersagen in Be-zug auf das Auftreten von Neuheiten gemachtwerden können. Der Grund dafür ist zum ei-nen, dass das Auftreten von Mutationen – des„Rohmaterials“ der Evolution – zufällig er-folgt, d. h. in keiner Weise konkret vorhersag-bar ist. Zum anderen folgen auch Auslesebe-dingungen (Umweltänderungen) keinen ge-setzmäßig erfassbaren Vorgängen.

Weitere Evolutionsfaktoren, die in jünge-rer Zeit vermehrt in die Diskussion einge-bracht wurden und zu einer „Erweiterten Evo-lutionären Synthese“ (EES) geführt haben,nehmen explizit oder implizit Bezug auf prä-existente Programme. Diese Programme erlau-ben zwar gewisse Vorhersagen und sind da-her naturwissenschaftlich beschreibbar (z. B.plastische* Reaktionen), doch erklären sie In-novation* in der mutmaßlichen Evolutionnicht, sondern ermöglichen im Wesentlichennur das Ausschöpfen eines Variationspoten-tials. Ihre Entstehung ist selbst erklärungsbe-dürftig und unverstanden.

Tatsächlich fungiert „Evolution“ als kon-zeptionelle Vorgabe, als Rahmen, innerhalbdessen Szenarien evolutiver Abfolgen entwi-ckelt werden sollen. Dieser Rahmen ergibtsich nicht zwingend aus naturwissenschaftli-chen Befunden und Hypothesen, sondern isteine Konvention der Wissenschaftlergemein-schaft, eine Wahl, die auch anders getroffenwerden könnte.

Wer auf diesen Umstand hinweist und eineEvolution aller Lebewesen nicht als Tatsacheanerkennt, ist aus diesem Grunde nicht wis-senschaftsfeindlich, sondern betont notwen-dige Unterscheidungen, um einen sachlichenDiskurs ungehindert führen zu können.

Einleitung

Wenn von „Evolution“ und „Evolutionstheo-rie“ die Rede ist, muss erklärt werden, was da-mit gemeint ist. Denn diese beiden Begriffewerden für recht verschiedene Inhalte genutzt.In diesem Beitrag soll unter „Evolution“ dernaturhistorische Prozess verstanden werden,der durch vererbbare Veränderungen der Le-bewesen (Arten-, Form- und Funktionswandel)im Laufe von Generationenausgehend von ein-fachsten einzelligen Lebensformen zur Vielfaltaller Baupläne des Lebens geführt hat. „Evolu-tion“ soll also eine gemeinsame Abstammungs-geschichte aller Lebewesen zum Ausdruckbringen (Stammbaum aller Lebewesen), nichtnur Variationen und Spezialisierungen inner-halb von Arten oder Grundtypen. Von „Evolu-tionstheorie“ soll gesprochen werden, wenn esum die Erklärung dieses hypothetischen Vor-gangs – „von der Amöbe bis Goethe“ – geht.„Erklärung“ meint dabei das Zurückführen aufempirisch nachgewiesene Gesetzmäßigkeiten(s. u.). Eine naturwissenschaftliche Evolutionsthe-orie müsste also eine Entstehung der Verschie-denartigkeit aller Lebewesen auf der alleinigenBasis natürlicher Gesetzmäßigkeiten und un-spezifischer Randbedingungen erklären.

Für die folgende Analyse ist die Unterschei-dung zwischen Mikro- und Makroevolutionvon zentraler Bedeutung. Mit Mikroevolution*ist Variation, Anpassung und Spezialisierunggemeint, Makroevolution* steht für Innovati-on bzw. das Auftreten evolutionärer Neuhei-ten, das sind neuartige Konstruktionen mit neu-artiger Funktionalität (im Vergleich zu mut-maßlichen Vorläuferstrukturen, ausführlicherim Glossar und bei JUNKER 2006a). Die Frage

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nach der Naturwissenschaftlichkeit von Evo-lutionstheorien soll in diesem Beitrag nur denAspekt der Innovation (Makroevolution) be-treffen. Es geht also nicht um Fragen der Art,wie sich Häufigkeiten von Allelen (Genvarian-ten) durch Selektion verändern oder wie Mu-tanten durch genetische Drift im Laufe vonGenerationen in Populationen fixiert werden(das ist Gegenstand der Populationsgenetikund gehört zu Mikroevolution), sondern dar-um, wie neue Baupläne der Lebewesen entste-hen. Dass dieser Unterschied nicht nur gradu-ell ist, wird von vielen Evolutionsbiologen aus-drücklich festgestellt (s. u.).

Bedeutung des Themas

Die Frage, ob es eine naturwissenschaftlicheEvolutionstheorie gibt, ist dabei nicht nur vonabstraktem wissenschaftstheoretischem Inter-esse. Denn Kritiker von Evolutionstheorienwerden häufig als wissenschaftsfeindlich dif-famiert, wenn sie mit dieser Kritik auch Evolutionals historischen Prozess in Frage stellen.1 Dies gehtsogar so weit, dass diese Kritiker nicht seltensogar als Gefahr für die Gesellschaft bezeich-

net werden, da Naturwissenschaft (womit„Evolution“ identifiziert wird) einer der Pfei-ler unseres Gemeinwesens sei und worauf nichtverzichtet werden könne. Damit aber werdenSach- und Methodenkritik weltanschaulich undmoralisch überhöht und Kritiker mundtot ge-macht. Wenn es aber gar nicht möglich ist, Evo-lution durch eine naturwissenschaftliche The-orie zu beschreiben, kann die Infragestellungeiner allgemeinen Evolution sich auch nichtgegen die Naturwissenschaft wenden.

Die Frage nach dem wissenschaftstheoreti-schen Status von Evolutionstheorien ist aus ei-nem weiteren Grund von grundsätzlichem In-teresse. Gewöhnlich wird Evolution als natur-wissenschaftliche Erklärung des Ursprungs al-ler Lebewesen und aller Phänomene des Le-bens als alternativlos hingestellt. „Schöpfung“könne demnach kein naturwissenschaftlicherKonkurrent sein. Letzteres ist bezüglich desBegriffs „naturwissenschaftlich“ zwar korrekt,

1 ULLRICH (2010, 76) schreibt dazu, es sei „zum eingeschlif-fenen Ritual eines Abwehrkampfes geworden […], jedeInfragestellung von Evolution und jede Kritik an evoluti-onstheoretischen Entwürfen pauschal als Angriff auf diegesamte Biologie und die Wissenschaft insgesamt zu ver-urteilen.“

Glossar

Allel: Zustandsform eines Gens, z. B. kann es verschie-dene Allele für die Farbe von Kronblättern geben.Innovation: Eine neuartige biologische Konstruktion,die im Unterschied zu mutmaßlichen Vorläuferstruktu-ren mindestens eine neuartige Funktion aufweist, hiergleichbedeutend mit → „Makroevolution“ und „evo-lutionärer Neuheit“ verwendet.Makroevolution: Entstehung neuer, bisher nicht vor-handener Organe, Konstruktionen und Bauplanelemen-ten; damit verbunden ist auch die Entstehung neuarti-ger Funktionen und auf der genetischen Ebene quali-

tativ neuen genetischen Materials. Als Unterschei-dungskriterium zwischen àMikroevolution und Makro-evolution kann somit das Vorliegen ver-schiedener Fra-

gestellungen bzw. Erklärungsprobleme zugrunde gelegtwerden; kurz gefasst: Makroevolution ist ein Konstruk-tionsproblem. (Vgl. Tab. 1)Mikroevolution: Evolution innerhalb vorge-gebenerOrganisationsmerkmale; quantitative Veränderungbereits vorhandener Organe, Strukturen oder Bauplä-ne; kurz gefasst: Mikroevolution ist ein Optimierungs-problem.Phänotyp: Äußere Erscheinungsform eines Organismus(einschließlich Anatomie und Physiologie)Plastizität: Die Eigenschaft eines bestimmten Genotyps,mehrere Phänotypen in Abhängigkeit von veränderli-chen Umweltbedingungen oder als Reaktion auf Um-

weltsignal eher vorzubringen; kann als „Formbarkeit“bezeichnet werden. Plastizität bedeutet die Fähigkeiteines Organismus, je nach Umweltreizen während derIndividualentwicklung oder auch im Erwachsenenzu-stand unterschiedliche Merkmale oder Merkmalsaus-prägungen ausbilden zu können, ohne dass eine paral-lele Änderung des Erbguts dafür erforderlich ist.Populationsgenetik: Untersuchung von Vererbungsvor-gängen innerhalb biologischer Populationen, wobei dierelative Häufigkeit von àAllelen in Populationen (Allel-frequenz) untersucht wird deren Veränderung durchMutation, Selektion, Gendrift, Trennung von Teilpopu-lationen und Genfluss zwischen Populationen erforschtwird.

Tab. 1: Kurzcharakterisierungen von Mikroevolution und

Makroevolution. Makroevolution beinhaltet die Entstehung

grundlegend neuer Funktionen, für welche nach aller heuti-

gen biologischen Kenntnis das Zusammenwirken mehrerer

Bauteile oder biochemischer Vorgänge erforderlich ist.

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aber wenn es auch keine naturwissenschaftli-che Evolutionstheorie über die Entstehung vonNeuheiten gibt, wäre der evolutionäre Ansatzdiesbezüglich nicht im Vorteil.

Nachfolgend soll also untersucht werden, obaktuell vorgeschlagene Erklärungen für Mak-roevolution als naturwissenschaftlich geltenkönnen. Für einen Schöpfungsansatz wie „In-telligent Design“ ist das prinzipiell nicht derFall (das liegt in der Natur einer kreativen Ent-stehungsweise), aber stehen bisherige und ak-tuelle Evolutionstheorien diesbezüglich besserda?

Was ist eine naturwissenschaftlicheTheorie?

Wenn man der Frage nachgeht, ob es eine na-turwissenschaftliche Evolutionstheorie gibt, istzunächst eine Klärung darüber, was „naturwis-senschaftlich“ ist, von zentraler Bedeutung. ImRahmen von Naturwissenschaften wird empi-risch vorgegangen, d. h. die Basis für naturwis-senschaftliche Aussagen sind Erfahrungstatsa-chen, also durch Beobachtung gewonnene Da-ten. Die Daten werden nicht einfach nur gesam-melt wie Briefmarken, sondern sollen in einensystematischen Zusammenhang gebracht wer-den, sie sollen auf Gesetzmäßigkeiten zurück-geführt bzw. durch Gesetzmäßigkeiten erklärtwerden (es kann sich dabei auch um eine sta-tistische Gesetzmäßigkeit handeln wie z. B.beim radioaktiven Zerfall). Wenn dies gelingt,soll hier von einer naturwissenschaftlichen Er-klärung (oder einer naturwissenschaftlichenHypothese oder Theorie)gesprochen werden.Kennzeichnend für naturwissenschaftliche Er-

klärungen ist eine Wenn-Dann-Struktur: Immerwenn die Gesetze G und die Randbedingun-gen R gegeben sind, folgt das Ergebnis E.2 Sol-che Gesetzmäßigkeiten sind vor allem aus Phy-sik und Chemie bekannt, die häufig als exakteNaturwissenschaften bezeichnet werden. Eingeläufiges Beispiel ist das Fallgesetz – in popu-lärer Formulierung: Immer wenn ein Gegen-stand losgelassen wird, fällt er mit einer be-stimmten Geschwindigkeitsentwicklung zuBoden. Gesetzmäßigkeiten dieser Art sind auchquantitativ fassbar und können (erstaunlicher-weise!) meist durch einfache Formeln ausge-drückt werden. Die Beschreibung realer Phä-nomene mit ihnen gelingt dann häufig in gu-ter Näherung. Gesetzmäßigkeiten in der Che-mie sind z. B. das Reaktionsverhalten chemi-scher Stoffe, etwa der Vorgang der Oxidation.In der Astrophysik kann z. B. die Bewegungder Planetenbahnen gesetzmäßig beschriebenwerden (Kepler’sche Gesetze; vgl. Abb. 1), wasaber nur ein Spezialfall der Physik ist. Auch inder Biologie gibt es Gesetzmäßigkeiten, die inder Regel statistischer Art sind, z. B. dieMendel’schen Erbgesetze, oder Veränderungender Häufigkeiten von Genvarianten (Allelen)aufgrund von Selektion und Gendrift, die mitstatistischen Gesetzmäßigkeiten beschriebenwerden können (vgl.auch Abb. 2).

2 Die „Wenn-Dann-Beziehung“ muss nicht die explizit durchein „Wenn-Dann“ ausgedrückt, sondern kann implizit ge-geben sein, z. B. „Kupfer leitet Strom“ (Wenn man an einStück Kupfer eine Spannung anlegt, fließt durch es einverhältnismäßig hoher elektrischer Strom).

Muss eine zutreffende Erklärung

naturwissenschaftlich sein?

Die Qualifizierung „naturwissenschaftlich“ (in hier de-finierten Sinne der Subsummierung unter Gesetzes-aussagen und Randbedingungen) ist letztlich nichtentscheidend, sondern vielmehr die Frage, ob es guteGründe gibt, dass die Entstehung mancher Phäno-mene der Natur naturwissenschaftlich nicht erklär-bar sind. Anders gesagt: Die entscheidende Frage istnicht, ob eine Antwort auf Ursprungsfragen natur-wissenschaftlich ist oder nicht, sondern ob sie ange-sichts der vorliegenden naturwissenschaftlichen Da-ten (Indizien) berechtigt und rational ist in der Su-che nach der zutreffenden Antwort. MONTON (2009,58) schreibt dazu: „If science really is permanentlycommitted to methodological naturalism, it followsthat the aim of science is not generation true theo-ries. … if science is not a pursuit of truth, science hasthe potential to be marginalized, as an irrelevant so-cial practice.“

Abb. 1: Beispiel für eine Gesetzmäßigkeit: Das zweite

Kepler‘sche Gesetz: Ein von der Sonne zum Planeten gezoge-

ner Fahrstrahl überstreicht in gleichen Zeiten gleich große

Flächen. In Wenn-Dann-Form: Wenn ein Planet sich eine

festgelegte Zeit um die Sonne bewegt, dann überstreicht ein

von der Sonne zum Planeten gezogener Fahrstrahl immer

dieselbe Fläche. (CC BY-SA 3.0)

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Die Wenn-Dann-Struktur naturwissen-schaftlicher Beschreibungen beinhaltet dieMöglichkeit von eindeutigen Vorhersagen unddamit auch klar definierten Tests der betreffen-den Aussagen. Die Testbarkeit anhand weite-rer empirischer Daten gehört unverzichtbar zunaturwissenschaftlichen Beschreibungen. Aus-sagen, die nicht in eine Wenn-Dann-Strukturgebracht werden können, können daher nichtmit dem Anspruch, naturwissenschaftlich be-gründet zu sein, präsentiert werden.

WIDENMEYER (2013, 9) fasst zusammen: Na-turwissenschaft hat es „mit wenn-dann-Struk-turen, also den regelmäßigen Beziehungen oderden regelmäßigen, definierten Verhaltenswei-sen der Gegenstände unserer sinnlichen Wahr-nehmungswelt zu tun“. Für das richtige Ver-ständnis der Naturwissenschaft und der Reich-weite naturwissenschaftlicher Aussagen folgt:„[A]lles, was nicht letztlich auf solche regelmä-ßigen wenn-dann-Eigenschaften zurückgeführtwerden kann, überschreitet die Grenzen derempirischen Naturwissenschaft hinsichtlichihrer Fähigkeit, diese zu erfassen, zu beschrei-ben oder gar zu erklären.“

Die Wenn-Dann-Struktur spiegelt sich auchim Hempel-Oppenheim-Schema wieder (kurz:HO-Schema). Dieses Schema wurde von CarlGustav HEMPEL und Paul OPPENHEIM 1948 vor-geschlagen und vielfach aufgegriffen. Es be-steht aus einem Explanans (Erklärung bzw. Prä-missen), das sich aus Gesetzesaussagen undempirischen Randbedingungen (sog. Antece-densaussagen) zusammensetzt, und dem Ex-planandum, den zu erklärenden Sachverhalt

(Ereignisaussage). „Das Ereignis E (das Expla-nandum …) wird erklärt durch einen Schlussoder eine Ableitung aus den GesetzesaussagenG

1 bis G

k zusammen mit den Antecedensbedin-

gungen A1 bis A

n als Prämissen; beide zusam-

men sind das Explanans, d. h. das, womit er-klärt wird“ (POSER 2012, 49f.; Hervorhebung imOriginal).Schematisch:

G1–G

k Gesetzesaussagen (Explanans 1)

A1 bis A

n Antecedensbedingungen

(Randbedingungen) (Explanans 2)

E Zu erklärender Sachverhalt (Explanandum)

Seit Charles DARWIN hat die Evolutionstheo-rie den Ruf, naturwissenschaftlich zu sein. Dasheißt: Es wird unterstellt, dass die auf DARWIN

zurückgehende Evolutionstheorie mit dem zen-tralen Bestandteil der Selektionstheorie eineWenn-Dann-Struktur, physikalischen Gesetz-mäßigkeiten vergleichbar, aufweist. DAR-WIN(1859) hat genau das im letzten Satz seinerOrigin of Species durch eine interessante Gegen-überstellung zum Ausdruck gebracht:

„Es ist wahrlich etwas Erhabenes um die Auf-fassung, dass der Schöpfer den Keim allenLebens, das uns umgibt, nur wenigen oder garnur einer einzigen Form eingehaucht hat unddass, während sich unsere Erde nach den Ge-setzen der Schwerkraft im Kreise bewegt, auseinem so schlichten Anfang eine unendlicheZahl der schönsten und wunderbarsten For-men entstand und noch weiter entsteht.“

Der Vergleich von evolutionärer Entwick-lung („entstand und noch weiter entsteht“) undBewegung der Erde („nach den Gesetzen derSchwerkraft“) ist kein Zufall. Für DARWIN warder Artenwandel genauso gesetzmäßig wie dieBewegung von (Himmels-)körpern. Entspre-chend stellt der Biograph David QUAMMEN

(2009, 219) fest: DARWIN „fordert, sich Evoluti-on als die Folge feststehender Gesetze vorzu-stellen so wie die Gravitation oder die Wärme-bewegung.“

DARWIN spricht an vielen Stellen von einem „Gesetz“.Ein klassisches Zitat von ihm lautet: „Das alte Argu-ment vom Design in der Natur, wie es von Paleyverwendet wurde und das mir früher so schlüssigerschien, scheitert nun, nachdem das Gesetz der na-türlichen Auslese entdeckt worden ist“ (zitiert nachF. DARWIN 1887, 309). Auch der bekannte zweitletzteSatz von Origin behauptet implizit eine Gesetzmä-ßigkeit: „Aus dem Kampf der Natur, aus Hunger undTod geht also unmittelbar das Höchste hervor, das

Abb. 2: Cyclomorphose beim Flohkrebs Daphnia als Beispiel

einer biologischen Gesetzmäßigkeit. Die Entwicklung des

„Helmes“ (mittlere Individuen) wird durch die Anwesenheit

eines Räubers ausgelöst und kann auch einfach durch

bestimmte Chemikalien im Wasser provoziert werden, auch

wenn der Räuber gar nicht anwesend ist. Der Helm behindert

das Gefressenwerden, er erfordert aber Stoffwechselaufwand

und verringert die Schwimmfähigkeit. In Wenn-Dann-Form:

Wenn ein (von potentiellen Fressfeinden abgegebener)

bestimmter chemischer Stoff im Wasser ist, dann bildet der

Wasserfloh einen spitzen Helm und einen langen Stachel.

(Nach WOLTERECK)

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wir uns vorstellen können: die Erzeugung immerhöherer und vollkommenerer Wesen.“ Man kanndiesen Satz in eine Wenn-Dann-Struktur bringen,vereinfacht: Wenn es Konkurrenz um begrenzte Res-sourcen gibt, erfolgt Höherentwicklung.3Die Lebe-wesen werden nach DARWIN durch bloße Naturkräf-te genauso geformt wie Gegenstände der unbeleb-ten Welt, die den Naturkräften ausgeliefert und ih-nen gegenüber passiv sind. Er „formulierte schon inseinen frühen Notebooks das Ziel, analog zur Bedeu-tung von Newtons Gravitationsgesetz für die Him-melsmechanik allgemeine und unveränderliche Ge-setze für die Abstammungslehre aufzudecken“ (PUL-TE 2009, 142). Die Philosophin Eve-Marie ENGELS stelltfest: „Die Erforschung des Lebendigen soll den An-schluß an das von den Wissenschaften der unbeleb-ten Natur, Physik und Astronomie, bereits erzielteNiveau erreichen, nämlich Phänomene und Prozes-se des Lebendigen durch Naturgesetze zu erklären,statt sie auf den direkten Eingriff Gottes zurückzu-führen“ (ENGELS 2009, 24).4

Einwände gegen dieNaturgesetzlichkeit von Evolution

Die Gesetzhaftigkeit von Evolution, unabhän-gig davon, ob im Darwin‘schen oder neodar-winistischen Sinn erklärt, erweist sich jedochals ausgesprochen fragwürdig, wenn man fol-gende Punkte ins Auge fasst:

• DARWINs „Gesetz“ der natürlichen Ausle-se – das survival of the fittest – war und ist inBezug auf die Entstehung des evolutionär Neu-en äußerst vage. Das zeigt sich bei DARWIN schondarin, dass er keine klaren Vorstellungen überdie Quelle der Variabilität hatte. Aus spätererSicht waren seine (lamarckistischen) Vorstel-lungen sogar schlicht falsch, aber das ist nichtder entscheidende Punkt. Entscheidend ist viel-mehr, dass die Quelle der Variation der Lebe-wesen nicht durch irgendeine Gesetzmäßigkeitbeschrieben werden konnte. Das hat sich bisheute nicht geändert (s. u.). Anfang des 20. Jahr-hunderts wurden zwar die Mutationen alsQuelle für Veränderungen der Lebewesen ent-deckt, aber das Auftreten bestimmter Mutatio-nen folgt keinerlei Gesetzmäßigkeit5 (vgl. PO-SER 2012, 59 und s. u.).

• Die Wirkung von Selektion kann zwar imGrundsatz naturgesetzlich beschrieben wer-den, aber Selektion erklärt nicht das Neue inder Evolution. Populationsgenetisch und quan-titativ beschreibbar sind Veränderungen vonHäufigkeiten von Allelen (Allelfrequenzverän-

derungen), aber darin besteht nicht das Erklä-rungsziel für eine umfassende Evolution wieeingangs charakterisiert. Das survival of the fit-test erklärt nicht das arrival. Das wird von vie-len Kritikern der Selektionstheorie zurecht mo-niert. Als Beispiel sei MÜLLER (2003,5; in Über-setzung) zitiert:

„Nur wenige Prozesse … werden durch diekanonische neodarwinistische Theorie abge-deckt. Diese betrifft hauptsächlich die Häu-figkeit von Genen in Populationen und dieFaktoren, die für ihre Variation und Fixierungverantwortlich sind. Obwohl sie sich auf phä-notypischer Ebene mit der Modifikation exis-tierender Teile befasst, zielt die Theorie we-der auf die Erklärung des Ursprungs der Tei-le noch auf die Erklärung ihrer morphologi-schen Organisation noch der Innovation ab.In der Welt des Neodarwinismus war dermotivierende Faktor für morphologische Ver-änderung natürliche Selektion, die für dieModifikation und den Verlust von Teilen ver-antwortlich gemacht werden kann. Selektionbesitzt aber keine innovative Fähigkeit: sie eli-miniert oder erhält, was existiert. Die genera-tiven und Ordnungsaspekte der morphologi-schen Evolution fehlen daher der Evolutions-theorie.“

MÜLLER erhält seine Kritik bis heute aufrechtund fordert daher mit anderen Wissenschaft-lern eine „Erweiterte Evolutionäre Synthese“

3 Etwas ausführlicher: Wenn natürliche Variabilität, Über-produktion von Nachkommen, langfristige Konstanz derPopulationsgröße aufgrund von Ressourcenknappheit,dann Auslese der Bestangepassten und Veränderung derLebewesen bis hin zur Entstehung neuer Baupläne. – Dar-win rechnete darüber hinaus auch mit der Weitergabe er-worbener Eigenschaften im Sinne von Lamarck.

4 Allerdings rief gerade der Gebrauch des Begriffs „Ausle-se“ (Selektion) Kritik hervor, denn er suggeriert erneutTeleologie. DARWIN (1876, 236) verglich die natürliche Se-lektion sogar mit einem Architekten und war von der Se-lektionstätigkeit bei der Züchtung inspiriert, die ausge-sprochen teleologisch ist. In Origin of Species schreibt DAR-WIN (1876, 65f.): „Man kann bildhaft sagen, die natürlicheZuchtwahl sei täglich und stündlich durch die ganze Weltbeschäftigt, eine jede, auch die geringste Abänderung zuprüfen, sie zu verwerfen, wenn sie schlecht und sie zuerhalten und zu vermehren, wenn sie gut ist. Still undunmerkbar ist sie überall und jederzeit, wo sich die Gele-genheit darbietet, mit der Vervollkommnung eines jedenorganischen Wesens in Bezug auf dessen organische undunorganische Lebensbedingung beschäftigt.“

5 Zwar folgt das Auftreten von Mutationen Gesetzmäßig-keiten statistischer Natur, aber es ist nicht möglich, vor-herzusagen, welche Mutationen auftreten werden. Dies istnicht vergleichbar mit dem radioaktiven Zerfall instabilerchemischer Elemente, bei dem auch nicht vorhergesagtwerden kann, welches Atom als nächstes zerfallen wird.Denn beim radioaktiven Zerfall sind die Ereignisse gleich-artig, während Mutationen sehr verschieden sein können.

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(EES, s. u.), die in wesentlichen Punkten überdie bisherige „Moderne Synthese“ (MS) hinaus-geht. Er schreibt, dass Populationsgenetik zwarin Erklärungen privilegiert sei, jedoch eine Fülleevolutionärer Phänomene ausgeschlossen blei-be, so werde zwar die Variation der organismi-schen Strukturen, ihre Physiologie, Entwick-lung und Verhalten beschrieben, nicht aber ihreEntstehung (MÜLLER2017, 36). „Der MS fehlt inder Tat eine Theorie der Organisation, die diecharakteristischen Merkmale phänotypischerEvolution wie Neuheiten, Modularität, Homo-logie, Homoplasie oder den Ursprung der Bau-pläne erklären kann, die die evolutionären Li-nien definieren“ (MÜLLER 2017, 47). Was gesetz-haft beschrieben werden kann, betrifft nicht dasevolutionär Neue. Mit der EES soll diese Lü-cke geschlossen werden.

• Dass Vorhersagen nur in einem sehr ein-gegrenzten Sinne möglich sind, kann man sichleicht daran klar machen, dass es völlig unmög-lich ist, vorherzusagen, welche neuartigen Bau-pläne in Zukunft entstehen werden. Drehen wirzur Verdeutlichung dieses Sachverhalts dashypothetische Rad der Evolutionsgeschichtezurück: Zu Beginn des Mesozoikums hättenicht vorhergesagt werden können, dass Fe-dern und Flug evolvieren werden (vgl. Abb. 3)oder niemand hätte zu Beginn des Tertiärs vor-hersagen können, dass ausgerechnet bei Fleder-mäusen und bei den Walartigen ein ausgefeil-tes Echoortungssystem entstehen würde. War-um gerade bei diesen Gruppen, nicht aber beianderen? Oder: Warum sind unabhängig beiVögeln und Säugetieren einerseits extrem ähn-liche Herzen entstanden, andererseits jedochausgesprochen unterschiedliche Lungen? (Far-

mer 2010, 561).8 Es gibt darauf und auf beliebigviele ähnliche Fragen keine naturwissenschaft-liche Antwort, d. h. keine Wenn-Dann-Aussa-ge, aus der folgt, in welchen Linien welche spe-ziellen Strukturen und Fähigkeiten zukünftigentstehen werden.9

• FODOR & PIATTELLI-PALMARINI (2010, 132)stellen fest, dass die „Geschichte über die Evo-lution der Phänotypen“ nicht zur Biologie, son-dern zur Naturgeschichte gehöre. Adaptionis-tische Erklärungen seien historische Erklärun-gen, diese bieten plausible Erzählungen, einekausale Kette von Ereignissen, die zum Phä-nomen führten, das erklärt werden soll. Nomo-logische Erklärungen (solche, die auf Gesetz-mäßigkeiten Bezug nehmen) handeln dagegenvon (metaphysisch notwendigen) Beziehungenvon Eigenschaften, während historische Erzäh-lungen von (kausalen) Beziehungen zwischenEreignissen handeln. Historische Erklärungensubsummieren Ereignisse nicht unter Gesetzeund unterstützen daher nicht kontrafaktischeGeschichten („counterfactuals“), d. h. könnenkeine Antwort auf die Frage geben, was pas-siert wäre, wenn bestimmte Dinge (das Ante-zedens, die Ausgangsbedingungen; vgl. HO-Schema) anders gewesen wären. Die Autorenstellen fest: „Naturgeschichte ist keine Evolu-tionstheorie, sie ist ein Bündel evolutionärer

6 Originalzitat: „But it has become habitual in evolutionarybiology to take population genetics as the privileged typeof explanation of all evolutionary phenomena, therebynegating the fact that, on the one hand, not all of its pre-dictions can be confirmed under all circumstances, and,on the other hand, a wealth of evolutionary phenomenaremains excluded. For instance, the theory largely avoidsthe question of how the complex organizations of orga-nismal structure, physiology, development or behaviour—whose variation it describes—actually arise in evolution,and it also provides no adequate means for including fac-tors that are not part of the population genetic framework,such as developmental, systems theoretical, ecological orcultural influences.“

7 Originalzitat: „Indeed, the MS [modern synthesis] theorylacks a theory of organization that can account for thecharacteristic features of phenotypic evolution, such asnovelty, modularity, homology, homoplasy or the originof lineage-defining body plans.“

8 „Birds and mammals evolved greater aerobic abilities thantheir common ancestor had. This required expansion ofthe cardiopulmonary system’s capacity for gas exchange,but while directional selection for this expanded capacityresulted in extremely similar avian and mammalian hearts,strikingly different lungs arose, and the reasons for thisdivergence in lung morphology are not understood“ (FAR-MER 2010, 561).

9 POSER (2012, 284) drückt es so aus: „[E]in ‚DarwinscherDämon‘, der im Zeitalter der Saurier den Homo sapienshätte vorhersagen können, ist ausgeschlossen.“

Abb. 3: Der hypothetische evolutive Weg von einem landle-

benden kleinen Säugetier (hier: Spinolestes) zu einer Fleder-

maus ist in keiner Weise gesetzmäßig zu erfassen und daher

nicht naturwissenschaftlich beschreibbar.

(Bilder: Spinolestes: Oscar Sanisidro; Fledermaus: Townsend-

Langohr, Corynorhinus townsendii: Gemeinfrei)

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Szenarien“ (FODOR & PIATTELLI-PALMARINI 2010,159).

• Dass Evolutionstheorien keine Naturge-setze beschreiben, hat in jüngster Zeit MÜLLER

(2017, 2) prägnant zum Ausdruck gebracht. Erschreibt (in Übersetzung; Hervorhebungennicht im Original):

„Die Theorie der Evolution ist das grundle-gende konzeptionelle Gerüst der Biologie, zudem alle wissenschaftlichen Erklärungen derPhänomene des Lebens passen müssen. Da eskein allgemeingültiges Gesetz beschreibt im Blickauf ein einzelnes natürliches Phänomen wiezum Beispiel Gravitation, sondern vielmehrdie Regeln organismischer Veränderungen imLaufe der Zeit, die auf den hochkomplexenInputs und den Wechselwirkungen einer Viel-zahl verschiedener Faktoren beruht, kann dieEvolutionstheorie nicht als statisch betrachtet wer-den, sondern sie unterliegt Veränderungen imLichte neuer empirischer Befunde.“10

Dieses Zitat ist in mehrerer Hinsicht bemer-kenswert – und auch bemerkenswert realis-tisch. Zum einen wird klar gesagt, dass jedeEvolutionstheorie11 (offenbar als Kausaltheoriegemeint) kein universell gültiges Gesetz be-schreibt und nicht mit einem physikalischenGesetz wie dem Gravitationsgesetz vergleich-bar ist. Mit anderen Worten: Was DARWIN bereitsvor 160 Jahren vermeintlich erreicht hatte, istbis heute nicht geschafft. Zum zweiten sindEvolutionstheorien selber nicht „statisch“, son-dern veränderlich. Dass das höchst erstaunlichist, wird klar, wenn man dergleichen über dasFallgesetz oder die Kepler’schen Planetengeset-ze aussagen würde. Evolutionstheorien als be-schreibende oder gar erklärende Theoriensindoffenbar etwas ganz anderes als eine physika-lische Gesetzmäßigkeit. Wieder zeigt sich: DerAnschluss an die Physik, den DARWIN erreichenwollte (s. o.), ist klar verfehlt.12 MÜLLER schreibtdrittens, dass Evolution einen grundlegendenkonzeptionellen Rahmen bildet, mit dem alleErklärungen vereinbar sein müssen. Auf die-sen Aspekt weist auch ULLRICH (2010) in seinerAnalyse über Evolution und Evolutionstheori-en hin. Hierbei handelt es sich offenbar um eineVorschrift: Erklärungen müssen mit etwas ver-einbar sein und dieses Etwas sind nicht dieempirischen Daten, sondern eine konzeptionel-le Vorgabe. Konzeptionelle Vorgaben sind aberKonventionen bzw. Ergebnisse einer Wahl undhätten daher auch anders gewählt werden kön-nen.

• Dass Evolution als naturhistorischer Pro-zess nicht gesetzhaft beschrieben werden kann,wird auch durch Aussagen von LALAND et al.(2015) deutlich, denn diese Autoren stellen zur„Erweiterten Evolutionären Synthese“ (EES,s. u.) fest, dass „… the EES predicts that orga-nisms will sometimes have the potential to de-velop well-integrated, functional variants whenthey encounter new conditions …“ und „TheEES also anticipates that variants with largephenotypic effect can occur, …“ (LALAND et al.2015, 8; Hervorhebungen nicht im Original).Man beachte die Einschränkungen „manchmal“und „können vorkommen“. Hier liegt offenkun-dig keine Wenn-Dann-Struktur vor. Solche Er-klärungen sind daher im strengen Sinne nichtnaturwissenschaftlich (s. o.), sondern bleibenspekulativ. Das trifft auf die neuesten Vorschlä-ge von Evolutionstheorien zu, die LALAND et al.thematisieren (wir kommen weiter unten aus-führlicher darauf zurück). Um den grundsätz-lichen Unterschied zu naturwissenschaftlichenTheorien deutlich zu machen, nehmen wirnochmals einen Vergleich mit einer tatsächli-chen naturwissenschaftlichen Theorie vor: Diegenannte Aussage etwa auf das Fallgesetz an-gewendet, würde lauten: Das Fallgesetz sagtvoraus, dass manchmal Gegenstände nach untenfallen, wenn sie losgelassen werden und es sagtweiter voraus, dass vorkommen kann, dass einGegenstand nach Loslassen zu Boden fällt. Of-fenbar sind Evolutionstheorien auch in neues-

10 Originalzitat: „The theory of evolution is the fundamentalconceptual framework of biology all scientific explanationsof living phenomena must be consistent with. As it doesnot describe a universal law regarding a single natural phe-nomenon, such as gravity, but rather the principles of or-ganismal change over time, based on the highly complexinputs and interactions of a multiplicity of different fac-tors, evolutionary theory cannot be expected to remain staticbut is subject to change in the light of new empirical evi-dence.“

11 MÜLLER schreibt zwar „die Evolutionstheorie“, es gibt je-doch viele kausale Evolutionstheorien, was MÜLLER auchausdrücklich zum Ausdruck bringt, da er die Evolutions-theorie nicht für statisch hält.

12 Man könnte einwenden, dass naturwissenschaftliche The-orien in der Regel in der Entwicklung und noch mehr oderweniger unreif und nicht statisch sind. Für die Physik undChemie trifft das aber offenkundig nicht zu. Erfolgreichenaturwissenschaftliche Theorien reifen im Sinne einerVerfeinerung. Im Falle von Evolutionstheorien bezüglichInnovationen ist die Situation dagegen ganz anders unddie Flexibilität der kausalen Evolutionstheorien hat eineganz andere Dimension. Bei den Kausaltheorien zur Evo-lution (um die es hier geht) gibt es einen klaren Trend voneiner vor 50 Jahren noch relativ unangefochtenen Theorie(Neodarwinismus) hin zu einer Konkurrenz sehr verschie-dener Ansätze, was man kaum als Ausreifen einer Theo-rie bezeichnen kann.

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ten Versionen etwas grundlegend anderes alseine naturwissenschaftliche Theorie. Und selbstfür dieses „manchmal“ gibt es oft keine wirk-lich eindeutigen empirischen Daten.

Vergleichbare Kritik äußert auch der Philosoph HansPOSER bezüglich der Quelle der evolutionären Ver-änderungen, den Mutationen (Änderungen des Erb-guts von Lebewesen). Diese treten in dem Sinne zu-fällig auf, als sie keiner Richtungsvorgabe folgen undin keinen nachweisbaren Zusammenhang zu aktu-ellen oder gar potentiellen zukünftigen Bedürfnis-sen der Organismen stehen. POSER (2012, 286; Her-vorhebung im Original) schreibt in diesem Zusam-menhang: „Das Deutungsschema der Evolutionsthe-orie zu akzeptieren, bedeutet eine Zumutung, dennes verlangt in Gestalt der spontanen Mutation, in Ge-stalt des unvorhersehbaren Neuen in jedem Anwen-dungsbereich die Anerkennung des Zufalls.“ Und zwarZufall als „ontischer Zufall – als Ursachlosigkeit, alsSpontaneität aufgefasst“, für den in der teleologi-schen wie in der kausalen Weltsicht grundsätzlichkein Platz sei (POSER 2012, 287).Das hat Folgen für die Art der „Erklärung“ des evo-lutiven Wandels. Eine Wenn-Dann-Struktur ist nichtmöglich und das oben erwähnte HO-Schema nichtanwendbar. POSER (2012, 287; Hervorhebung im Ori-ginal) schreibt weiter: „Im Sinne dieses fundamen-tal neuen Zufallsbegriffes sind wir nicht nur unwis-send, die Art und den Zeitpunkt der nächsten Mu-tation vorherzusagen, sondern das Ereignis wirdprinzipiell als spontan, das heißt als ursachlos im Sin-ne des Fehlens einer spezifischen, für eine Prognosetauglichen Ursache angesehen: Das HO-Schema derErklärung ist deshalb unanwendbar, weil es keiner-lei Gesetzesaussage über das Auftreten der nächs-ten Mutation geben kann. ... Den Zugewinn anDeutungsmöglichkeit mit Hilfe des Evolutionssche-mas zahlen wir also mit einem Preis, der gerade be-deutet, auf ein grundlegendes Prinzip des neuzeit-lichen Naturverständnisses zu verzichten, nämlichauf das Prinzip des zureichenden Grundes: Die Deu-tungsleistung des Evolutionsschemas wird erkauft durcheinen Verzicht hinsichtlich des Anspruchs, die Welt er-klären zu können.“In der ersten Auflage schreibt POSER(2001, 57), dass„historische Gesetze, die Naturgesetzen entsprechenwürden, gar nicht bekannt sind. Die Erklärung ei-nes Historikers kann sich deshalb gar nicht auf imExplanans vorkommende Gesetzesaussagen stüt-zen.“ Und weiter: „Doch auch in einer weiteren Hin-sicht zeigt sich heute eine Grenze des HO-Schemas;denn es eignet sich nicht für die Erklärung evolutio-närer Vorgänge! Wenn es nämlich ein wesentlichesKennzeichen jeder Evolution im strikten Sinne ist,daß Mutationen vorkommen, so wird gerade dieExistenz grundsätzlich nicht vorhersehbarer Ereig-nisse angenommen. Das ist aber auf keine Weise mitdem HO-Schema vereinbar; deshalb muß das Evo-lutionsschema als Erklärungsschema eine andere

Struktur haben, eine, die zwar Erklärungen der ge-schichtlichen Genese (in der Biologie gerade so wiein anderen Anwendungsbereichen) erlaubt, aberkeine Prognosen zuläßt“ (POSER 2001, 59).

Kann die EES die Einwände gegendie Naturwissenschaftlichkeit derEvolutionstheorie entkräften?

Wir haben festgestellt, dass es zwar mancheVeränderungen von Lebewesen gibt, die ge-setzhaft beschrieben werden können, diese abernicht das evolutionär Neue betreffen. Kann eine„EES“(Erweiterte evolutionäre Synthese) die-sem Mangel abhelfen und bietet sie Testmög-lichkeiten für die Entstehung evolutionärerNeuheiten?

Die EES beinhaltet gegenüber dem bisheri-gen Standard der sog. „Modernen Synthese“(MS13) vor allem eine zentrale und aktivereSicht der Organismen im Evolutionsprozess.Die „Last der Kreativität in der Evolution“ ruhenicht alleine auf der Selektion (LALAND et al.2015, 6). LALAND et al. (2015) sprechen von „kon-struktiven Prozessen“ in der Entwicklung undEvolution und von „reziproker Verursachung“.Als „konstruktive Entwicklung“ bezeichnen siedie Fähigkeit der Organsimen, Einfluss auf ihreeigene (individuelle) Entwicklung zu nehmen,indem sie auf interne und externe Zuständereagieren und diese verändern können, statteinem starren Entwicklungsprogramm zu fol-gen;14 mit „reziproker Verursachung“ meinensie die Rückwirkung der Lebewesen auf dieäußere Umwelt und auch auf die eigene „inne-re“ Umwelt.15 Befürworter einer EES nennendazu vier Bereiche (vgl. LALAND et al. 2014;Kommentar dazu: JUNKER 2015):

13 Kernannahmen der Modernen Synthese nach LALAND etal. (2015, 3): „(i) evolutionarily significant phenotypicvariation arises from genetic mutations that occur at a lowrate independently of the strength and direction of natu-ral selection; (ii) most favourable mutations have smallphenotypic effects, which results in gradual phenotypicchange; (iii) inheritance is genetic; (iv) natural selection isthe sole explanation for adaptation; and (v) macro-evolu-tion is the result of accumulation of differences that arisethrough micro-evolutionary processes.“

14 „Constructive development refers to the ability of an or-ganism to shape its own developmental trajectory by con-stantly responding to, and altering, internal and externalstates“ (LALAND et al. 2015, 6).

15 „The latter view is distinctive for its emphasis on organis-mal causes of development, inheritance and differentialfitness, the role of constructive processes in developmentand evolution, and reciprocal representations of causati-on“ (LALAND et al. 2015, 2f.). „‘Reciprocal causation’ cap-

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• Entwicklungszwänge: Wechselwirkungender ontogenetischen Entwicklung mit äußerenund inneren Einflüssen führen u. a. zu Ein-schränkungen der Entwicklungsrichtungenund begrenzen mögliche Änderungen vonMerkmalsausprägungen, noch bevor die Um-weltselektion wirkt.

• Nischenkonstruktion: Die Lebewesensind gegenüber den Umweltbedingungen alsSelektionsfaktoren nicht nur passiv, vielmehrwerde die Umwelt (ihre ökologische Nische)durch die Lebewesen aktiv mitgestaltet16, wo-durch die Lebewesen auch ihre eigene Evolu-tion beeinflussen.

• Plastizität*: Änderungen der Lebeweseninfolge von Umweltreizen (ohne Genänderun-gen!) ermöglichen schnelle Anpassungen undsogar Ausprägungen bisher verborgener Merk-male, die nachfolgend durch Genvariationen(Mutationen) dauerhaft fixiert werden können.

• Epigenetik: Extragenetische Veränderun-gen in der Gen-Regulation können wie dieGene selber vererbt werden und Einfluss aufEvolution nehmen.

Der Grundgedanke ist demnach, dass Evo-lution nicht nur durch ungerichtete Mutationund (aus der Sicht der Organismen) passiveSelektion erfolgt, sondern auch durch die Tä-tigkeiten der Organismen selber und durch dasPotential während ihrer ontogenetischen Ent-wicklung. „Konstruktive Entwicklung“ erfol-ge aufgrund der Fähigkeit eines Organismus,seine eigenen Entwicklungspfade zu bestim-men, indem er beständig auf interne und ex-terne Zustände reagiert und diese verändert;die Ursachenkette verlaufe also auch von hö-heren Ebenen der Organismen zu den Genenhin und nicht nur umgekehrt.17

LALAND et al. (2015, 8) fassen zusammen:

„The EES is thus characterized by the centralrole of the organism in the evolutionary pro-cess, and by the view that the direction of evo-lution does not depend on selection alone, andneed not start with mutation. The causal de-scription of an evolutionary change may, forinstance, begin with developmental plastici-ty or niche construction, with genetic changefollowing. The resulting network of proces-ses provides a considerably more complexaccount of evolutionary mechanisms than tra-ditionally recognized.“

Welches Potential an evolutionär Neuem indiesen Prozessen steckt, wird im Folgendenkurz analysiert, indem der Frage nachgegan-gen wird, ob die EES der Entwicklung einer

naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie nä-her kommt.

Vorhersagen im Rahmen der EES. Wenneine Evolutionstheorie naturwissenschaftlichsein soll, ist eine Grundbedingung die Möglich-keit von Vorhersagen. MÜLLER (2017, 8) listetacht „Vorhersagen“ der EES auf.18 Sie sollen imFolgenden aufgelistet und in Bezug die Fragekommentiert werden, ob es sich um Vorhersa-gen bezüglich evolutiver Neuheiten handelt.

1. Variation ist kein bloßes Zufallsprodukt, son-dern wird durch die Rahmenbedingungen der onto-genetischen Entwicklung systematisch beeinflusst(„biased“) und auch erleichtert. – Diese Beeinflus-sung bedeutet Einschränkung der Verände-rungsmöglichkeiten; die Erleichterung für dasAuftreten von Varianten begründet keine Quel-le für qualitativ Neues. Woher das Neue durchdie „generativen Eigenschaften“ der Entwick-lung kommen soll, ist unklar. Zudem sind diehier verwendeten Begriffe vage, was nicht ge-rade ein Ausdruck von Wissenschaftlichkeit ist.

2. Neuheiten entstehen aufgrund emergenter undselbstorganisierender Eigenschaften der Entwick-lungssysteme. – Das ist eine bloße Behauptung,die nur scheinbar begründet wird, indem auf„Selbstorganisation“ und „Emergenz“ verwie-sen wird. Diese Begriffe suggerieren zwar eineErklärung, doch eine Beweisführung müsstemit konkreten, empirisch nachvollzogenen Be-funden geführt werden. Somit verschleiern dieBegriffe „Emergenz“ und „Selbstorganisation“den Entstehungsprozess, anstatt dass sie ir-gendetwas erklären würden. (Zu einer Analy-se des Emergenz-Begriffs siehe WIDENMEYER

2012)3. Phänotypische Veränderungen können zuerst

ohne Genänderungen auftreten und nachfolgend

tures the idea that developing organisms are not solelyproducts, but are also causes, of evolution“ (LALAND et al.,2015, 6).

16 Am Rande sei vermerkt, dass hier die Lebewesen sprach-lich zu handelnden Personen gemacht werden (Kryptote-leologie).

17 „Constructive development refers to the ability of an or-ganism to shape its own developmental trajectory by con-stantly responding to, and altering, internal and externalstates. … Rather, causation also flows back from ‘higher’(i.e. more complex) levels of organismal organization tothe genes (e.g. tissue-specific regulation of gene expressi-on)“ (LALAND et al. 2015, 6).

18 „The novelty of the EES and the differences with the MStheory become most apparent in the predictions that deri-ve from the EES framework, both with regard to short-term and long-term effects of organismal evolution. Themost important predictions concern the following: …“(MÜLLER 2017, 8)

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durch evolvierende Genverschaltungen stabilisiertwerden. – Diese „Kann“-Vorhersage ist ausge-sprochen vage. Die Genverschaltungen erfol-gen zudem nicht gezielt, so dass das Elementdes Zufalls auch nicht vermieden wird. Davonabgesehen ist experimentell nicht gezeigt, wel-che Genverschaltungen welchen konstruktivenVeränderungen entsprechen würden und obüberhaupt nennenswerte konstruktive Verän-derungen durch Änderungen in Genverschal-tungen möglich sind. Schließlich wird deutlich,dass ohne genetische Änderung eine stabileevolutive Veränderung nicht erfolgen würde.

4. Adaptive Varianten können nicht nur durchGene, sondern auch durch nicht-genetische Verer-bung, durch Lernen und kulturelle Überlieferungsowie durch wiederholte Umweltinduktion weiter-gegeben werden. – Diese Vererbungen sind nachallem, was wir bisher wissen, nicht stabil übermehrere Generationen. Am ehesten könntennoch Verhaltensdispositionen und kulturelleElemente über viele Generationen vererbt bzw.tradiert werden.19 Wie daraus aber stabile Än-derungen in den organismischen Strukturenund überhaupt Neuheiten hervorgehen undfixiert werden können, ist völlig unklar.

5. Zeiten schneller phänotypischer Evolutionkönnen mit Phasen langsamer und kontinuierlicherVeränderung abwechseln. – Die Vorhersage ist ansich nicht neu gegenüber bisherigen Evoluti-onsvorstellungen und erinnert an den Punktu-alismus, wonach Evolution meistens sehr lang-sam und gelegentlich rasant verläuft. Dochwichtiger ist, dass es sich überhaupt nicht umeine spezifische und prüfbare Vorhersage han-delt („können“), und dass erneut über den Mo-dus der Entstehung von Neuheiten nichts ge-sagt wird und keine spezifische Folgerung ausder EES genannt wird.

6. Phänotypische Variation erfolgt nicht nurdurch Mutationen, sondern kann auch in vielen In-dividuen gleichzeitig durch Umweltfaktoren indu-ziert werden.– Dieser Punkt spielt auf die Plasti-zität der Lebewesen an. Es wurde bisher in kei-ner Weise gezeigt, dass Plastizität das Potenti-al für Neuheiten enthält (ausführlich diskutiertin JUNKER 2014). Zudem sind plastische (um-weltinduzierte) Änderungen reversibel undkönnten nur durch nachfolgende zufällig pas-sende Mutationen fixiert werden. Bei erneutenÄnderungen dieser Umweltreize ändern sichaber auch die betreffenden Merkmalsausprä-gungen und fallen z. B. in den vorherigen Zu-stand zurück, womit für Evolution nichts ge-wonnen wäre. Wie bei epigenetischen Verän-

derungen handelt es sich bei plastischen Än-derungen um die Aktivierung eines bereitsvorhandenen Variationspotentials, dessen Ur-sprung seinerseits erklärt werden müsste.

7. Aktivitäten der Organismen in ihrer Umweltbewirken Umweltveränderungen (Nischenkonstruk-tion), die ihrerseits Auswirkungen auf ihre Fitnessund die Fitness ihrer Nachkommen haben können.– Wiederum ist völlig unklar, wie aus dieserAktivität evolutionär Neues entstehen soll.Auch die Nischenkonstruktion führt nicht zustabilen evolutiven Veränderungen; wiederumwären dafür nachfolgend passende Mutationenerforderlich. Zudem kann nicht angenommenwerden, dass die Organismen gezielt handeln;es ändern sich durch organismische Tätigkei-ten nur in richtungsloser Weise die Umweltbe-dingungen. Und ein weiteres Mal handelt essich um eine „Kann“-Vorhersage.

8. Der primäre evolutive Effekt der natürlichenSelektion ist nicht, unangepasste Varianten zu eli-minieren, sondern generatives Potential freizuset-zen. – Die Frage ist erneut, woher dieses Poten-tial kommt. Auch dieser Aspekt erklärt die Ent-stehung von evolutionären Neuheiten nicht.

MÜLLER (2017, 8) kommt zu folgendemSchluss: „Overall, the EES proposes that varia-tion is more predictable and selection effectsare less directional than hitherto argued.“ Dochdas beinhaltet keine Vorhersagen bezüglich derEntstehung von Neuem. Vielmehr nimmt dieEES Bezug auf ein vorhandenes Variationspo-tential der Organismen, dessen Existenz gege-ben ist und dessen Herkunft nicht ihr Gegen-stand ist. Dass dieses Variationspotential auchAnteile haben kann, die unter normalen Um-weltbedingungen nicht abgerufen werden undnur bei Extremsituationen in Erscheinung tritt,ändert nichts daran, dass es sich um bereits an-gelegte Möglichkeiten handelt. Ein solches Po-tential passt viel besser zu einem Ansatz einerprogrammierten Variabilität als zur Vorstel-lung, dass im Verborgenen zufällig (ohne Se-lektion, solange es sich um kryptische Variati-on handelt) evolutive Neuheiten sich heraus-kristallisieren könnten (vgl. JUNKER 2009).

Derselbe Gesamteindruck ergibt sich aus ei-ner Reihe von Zitaten von LALAND et al. (2015).Einige davon seien kommentiert:

19 wobei zudem die Weitergabe kultureller Elemente keinrein biologische Angelegenheit ist.

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• „… the developmental system responds flexib-ly to internal and external inputs, most obviouslythrough condition-dependent gene expression, butalso through physical properties of cells and tissuesand ‘exploratory behaviour’ …“ (S. 6).– Hier gehtes nicht um die Entstehung von evolutionärenNeuheiten, sondern darum, dass es ein Varia-tionspotential gibt, das durch verschiedene in-terne und externe (Umwelt) Reize abgerufenwerden kann. Die Autoren weisen auf das be-kannte Phänomen hin, dass es bei der indivi-duellen Entwicklung sogenanntes „explorati-ves Verhalten“ gibt, das es dem sich entwickeln-den Organismus ermöglicht, flexibel auf dieUmgebungsbedingungen reagieren zu könnenstatt starr einem fixen Programm zu folgen (vgl.KIRSCHNER & GERHART2005). Diese Fähigkeit be-zeichnen LALAND et al. (2015, 7) als „konstruk-tive Entwicklung“ (s. o.). Die Folgerung, „enti-rely new functional phenotypes may be able to emergewith little or no initial genetic modification“ (S. 6)ist jedoch durch keinen experimentellen Befundgerechtfertigt und bloße Mutmaßung. Man be-achte, dass auch hier keine Vorhersage ge-macht, sondern eine Möglichkeit („may“) be-hauptet wird. Das explorative Verhalten istäußerst anspruchsvoll, und man kann es mitguten Gründen als „Krönung der Ingenieurs-kunst“ bezeichnen (vgl. JUNKER 2006b, nach M.RAMMERSTORFER); es ist ein klares Design-Indiz,und für eine natürliche Evolution dieser faszi-nierenden Fähigkeit liegen keinerlei Indizienvor. Wie auf diesem Wege neue Funktionalitä-ten entstehen können, ist zudem ebenfalls un-geklärt.

• „‘Reciprocal causation’ captures the idea thatdeveloping organisms are not solely products, butare also causes, of evolution“ (S. 6). – Hier wirdauf die Nischenkonstruktion und auf Einflüs-se während der Ontogenese angespielt. Inwie-fern und aufgrund welcher Vorgänge dadurchinnovative Veränderungen eintreten sollen,wird nicht gesagt (s. o.).

• Weiter oben wurde dieses Zitat von LA-LAND et al. (2015, 8) bereits angeführt: „... thedirection of evolution does not depend on selectionalone, and need not start with mutation. The causaldescription of an evolutionary change may, for in-stance, begin with developmental plasticity or nicheconstruction, with genetic change following. Theresulting network of processes provides a conside-rably more complex account of evolutionary mecha-nisms than traditionally recognized.“ –Ohne nach-trägliche genetische Fixierung („genetic changefollowing“) sind diese Veränderungen nur Aus-

druck der Plastizität, der individuellen Anpas-sungsfähigkeit und eines schon vorhandenenVariationspotentials der Organismen und tra-gen nichts zum Verständnis evolutionärer In-novationenbei.

• „Developmental bias and niche constructionare, in turn, recognized as evolutionary processesthat can initiate and impose direction on selection“(S. 7). – Hier geht es nur um Selektion, die ge-wisse Richtungen erfahren soll, nicht aber umInnovation.20

• „In fact, the conceptual change associated withthe EES is largely a change in the perceived relati-onship between genes and development: a shift froma programmed to a constructive view of develop-ment“ (S. 9). – Hier verweisen LALAND et al.(2015) nochmals darauf, dass biologische Ent-wicklungsvorgänge nicht fix programmiertsind, sondern auf viel anspruchsvollere, flexibleEntwicklungsprogramme zurückgreifen(„constructive development“), die eine Anpas-sung der Entwicklungsprozesse des Individu-ums an jeweilige (sich ändernde) innere undäußere Rahmenbedingungen ermöglichen. Die-se Fähigkeit als „konstruktiv“ im evolutionä-ren Sinne zu bezeichnen, ist jedoch irreführend,da zum einen die Herkunft dieser Programmenicht thematisiert wird und zum anderen ausder Existenz dieser anpassbaren Programmenicht die Entstehung evolutionärer Neuheitenfolgt.

• Instruktiv ist Tabelle 3 in LALAND et al.(2015), in der neue Vorhersagen der EES zusam-mengestellt sind; zum Beispiel: Neue phänoty-pische Varianten sind häufig gerichtet undfunktional, sind oft umweltinduziert und be-treffen viele Individuen gleichzeitig (Anspie-lung auf Plastizität), es können deutlich verän-derte neue Phänotypen aufgrund von Mutati-onen in Regulationsgenen auftreten, es kannaufgrund von konvergenter Selektion oder Ent-wicklungszwängen wiederholte, konvergenteEvolution vorkommen.21 Die Liste hat einen

20 Jede Rede von „Richtung“ ist immer auch ein teleomor-phes/anthropomorphes Sprachkonstrukt.

21 „(i) phenotypic accommodation can precede, rather thanfollow, genetic change, in adaptive evolution(ii) novel phenotypic variants will frequently be directio-nal and functional(iii) novel, evolutionarily consequential, phenotypic vari-ants will frequently be environmentally induced in mul-tiple individuals(iv) strikingly different novel phenotypes can occur, eitherthrough mutation of a major regulatory control gene ex-pressed in a tissuespecific manner, or through facilitatedvariation

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ähnlichen Inhalt wie die oben besprocheneAufzählung von MÜLLER (2017) und erfordertdaher keine weitere Kommentierung. Es han-delt sich laut LALAND et al. um kurzfristig zuerwartende Veränderungen („short-term“),was wiederum bedeutet, dass es um das Abru-fen von anspruchsvollen anpassungsfähigenProgrammen und nicht um Makroevolutiongeht:„For example, the EES predicts that stress-induced phenotypic variation can initiate ad-aptive divergence in morphology, physiologyand behaviour because of the ability of deve-lopmental mechanisms to accommodate newenvironments“ (LALAND et al. 2015, 9).

Fazit: Inwiefern ist die EESnaturwissenschaftlich und testbar?

So wie MÜLLER (2017) und LALAND et al. (2015)die EES beschreiben, „leben“ evolutionäre Ver-änderungen davon, dass es ein bereits vorhan-denes Potential an Ausprägungsmöglichkeitenvon Merkmalen gibt. LALAND et al. (2015, 7)sprechen von präexistenten Entwicklungspro-zessen, die vererbbare phänotypische Varian-ten aufgrund genetischer, epigenetischer oderumweltinduzierter Inputs erzeugen22 und vonder Fähigkeit der Entwicklungsprozesse, sichan neue Inputs anzupassen und funktionell in-tegrierte Antworten auf eine große Bandbreitevon Umweltbedingungen zu ermöglichen.23

Solche Entwicklungsprogramme und -prozes-se erlauben durchaus Vorhersagen und könnenals naturwissenschaftlich beschreibbare Ge-setzmäßigkeiten hinsichtlich einer bei Organis-men potentiell verfügbaren Anpassungsfähig-keit formuliert werden (wenn auch nicht alsstrenge „Gesetze“, was in der Biologie allge-mein aufgrund der Komplexität der For-schungsgegenstände kaum möglich ist). Doches wurde nicht gezeigt, dass diese Prozesse zuevolutionären Innovationen führen. Man kannalso sagen: Nur insoweit evolutionäre Verän-derungen auf präexistenten Variationspro-grammen beruhen, können sie naturwissen-schaftlich beschrieben werden (Wenn-Dann-Aussagen, theoretischer Anschluss an die Ge-setze der Physik bzw. Chemie und Tests sindmöglich). Diese Programme erklären aber nichtdie Entstehung von Neuheiten und evolutio-näre Innovationen; dieseist160 Jahre nach DAR-WIN trotz intensiver Bemühungen nicht durchnaturwissenschaftliche Evolutionstheorien be-schreibbar.

(v) repeated evolution in isolated populations may be dueto convergent selection and/or developmental bias(vi) in addition to selection, adaptive variants are propa-gated through repeated environmental induction, non-genetic inheritance, learning and cultural transmission(vii) rapid phenotypic evolution can be frequent and canresult from the simultaneous induction and selection offunctional variants(viii) taxonomic diversity will sometimes be better explai-ned by features of developmental systems (evolvability,constraints) than features of environments(ix) heritable variation will be systematically biased to-wards variants that are adaptive and well-integrated withexisting aspects of the phenotype(x) niche construction will be systematically biased towardsenvironmental changes that are well suited to theconstructor’s phenotype, or that of its descendants, andenhance the constructor’s, or its descendant’s, fitness“ (LA-LAND et al. 2015, 10).

22 „…. how pre-existing developmental processes generateheritable phenotypic variants from genetic, epigenetic andenvironmental inputs“ (LALAND et al. 2015, 7).

23 „… general ability of developmental processes to accom-modate novel inputs adaptively, thereby enabling func-tionally integrated responses to a broad range of conditi-ons“ (LALAND 2015, 9).

Aufgrund dieser Situation, also der Unmög-lichkeit, einen naturgesetzlich fassbaren evo-lutionären Entwicklungsprozess zu formulie-ren, ist es nicht gerechtfertigt, Evolution als al-leinige konzeptionelle Vorgabe und Deutungs-rahmen für naturhistorische Fragestellungeneinzufordern bzw. festzulegen. Gerade die bi-ologischen Aspekte, die im Rahmen einer EESargumentativ besonders wichtig sind, lassensich gut im Rahmen eines Ansatzes verstehen,wonach es ein präexistentes Potential an Vari-ationsmöglichkeiten (s. o.) und anpassbare Va-riationsprogramme gibt. Deren Herkunft liegtjedoch aus der Perspektive der Naturwissen-schaft, die nach Gesetzmäßigkeiten sucht, imDunkeln, und es gibt gute Gründe, sie als Indi-zien für das Handeln eines Schöpfers zu wer-ten (nach welchen Kriterien dies erfolgenkönnnte, wird in WIDENMEYER & JUNKER [2016]ausführlicher diskutiert). Der Ansatz, das Aus-maß und die Grenzen von Veränderungspro-zessen ausgehend von vorhandenen, mit flexiblenAnpassungsmöglichkeiten ausgestatteten Grundty-pen zu modellieren, ist damit ausreichend mo-tiviert und als Konkurrent eines evolutionärenForschungsprogramms zuzulassen. Dieser An-satz läuft auf eine Schöpfung hinaus, die be-züglich der Entstehung des Neuen auf überna-türliche Kreativität hinweist und deshalb kei-ne durchgängig naturwissenschaftliche Erklä-rung in Aussicht stellt. Wie gezeigt wurde, kön-nen die MS und die EES aus methodischenGründen ebenfalls keine ausschließlich auf Na-

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turgesetzen basierende Modellierungen liefern,wo es wirklich um den Ursprung von evoluti-onär Neuem geht. Bezüglich der Unfähigkeit,durchgängige naturwissenschaftliche Erklä-rungen zu formulieren, sind also die konkur-rierenden Ansätze vergleichbar. Das Rennenzwischen diesen Konkurrenten entscheidet sichnicht an ihrer Naturwissenschaftlichkeit, son-dern daran, wie gut die vorliegenden Daten imNachhinein im Rahmen des jeweiligen ontolo-gischen Ansatzes interpretiert werden können.

Während das Fehlen einer naturwissen-schaftlichen Erklärung für natürlich-evolutiveAnsätze fatal ist, liegt ein solches Fehlen gera-de in der Natur von Schöpfungsansätzen. Dennmit Evolutionstheorien ist der explizite An-spruch verbunden, dass sie naturwissenschaft-lich formuliert werden können. Eine Evoluti-onstheorie, die nicht naturwissenschaftlich for-muliert werden kann, ist keine Evolutionsthe-orie.

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