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REISE & ERLEBNIS 6/2009 www.fliegermagazin.de 37 36 www.fliegermagazin.de 6/2009 Chartern in Andalusien Abheben im Urlaub In fernen Landen fliegen – davon träumen viele Piloten. Wer am Ferienort chartert, erspart sich die aufwändige und meist anstrengende Anreise Text: Stephanie Keller Fotos: Daniel und Stephanie Keller G egen eine längere Fliegerreise lassen sich einige Argumente ins Feld führen: Zeit- mangel, Wetterrisiko, kaum Flugbegeis- terung in der Familie oder schlicht die hohen Kosten. Also doch am Heimatplatz bleiben und sich mit den Reiseberichten anderer Pi- loten begnügen? Mit Freude lese ich Geschichten erfahrener Flieger, die sich über Wochen oder Monate auf die Reise in ferne Länder gemacht haben. Doch dazu fehlt mir einfach die Zeit. Warum also nicht ein ganz normales Ziel aussuchen, wo man vor Ort ohne großartige Vorbereitungen chartern kann? Ich möchte ja einfach nur ein paar Tage meines Urlaubs in der Luſt verbringen. Nach einigen Recherchen stoße ich auf An- dalusien. Für eine Woche im Herbst genau das Richtige. Ob Motorflug, Segelflug oder Mo- torsegler – hier gibt es alles, JAR-FCL-Scheine werden anerkannt, und der Rest stimmt auch: Die Wetterbedingungen sind optimal, VFR- Flüge fast immer möglich. Und doch begrüßt uns das sonnenverwöhn- te Südspanien mit strömendem Regen. Der erste seit Monaten, freuen sich die Einheimi- schen. Super. Die Prognosen sagen allerdings für den übernächsten Tag schon wieder bestes Wetter voraus. Also nutzen wir die Zeit und erkunden Sevilla erstmal zu Fuß. Schmale Gassen führen durch die Altstadt, vorbei an einer der ältesten Universitäten Europas, dann zum Königspalast Reales Alcázarez. Gewaltig und doch filigran baut er sich vor uns auf. Die Baumeister waren Mauren. Wir tauchen ein in eine orientalische Märchenwelt. Nach einem Kaffee in dem historischen Ge- mäuer geht es zur Kathedrale – die drittgrößte der Welt. Abends lässt sich das bunte Treiben im Viertel Barrio Santa Cruz am Palast bei Wein und Meeresfrüchten beobachten. Übermorgen ist da, und tatsächlich: perfek- tes Flugwetter. In Villamartin bei Cadiz, etwa eine Autostunde südlich von Sevilla, erwartet uns Pedro. Bei dem sympathischen Schweizer, der in Andalusien lebt, kann man Motorsegler oder Flugzeuge ohne Antrieb chartern. Zur Wahl stehen Falke SF 25, Blanik, Astir CS und eine DG 300. Ich will ein paar Kreise mit dem sehr gepflegten Falken drehen. Villamartin hat eine 500-Meter-Asphalt- piste, die gleichzeitig als Rollweg dient. Der Anflug über eine Vertiefung vor der Schwel- le und das bewegliche Spornrad des Falken sind etwas gewöhnungsbedürſtig. Ein paar Imposante Lage: Die Altstadt von Cadiz, erbaut auf einer Halbinsel im Atlantik

REISE & ERLEBNIS Abheben - fliegermagazin.de · In Jerez muss, wie an allen kontrol-lierten Plätzen in Spanien, immer ein Flugplan aufgegeben werden. Sogar für Platzrunden. Gleiches

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Page 1: REISE & ERLEBNIS Abheben - fliegermagazin.de · In Jerez muss, wie an allen kontrol-lierten Plätzen in Spanien, immer ein Flugplan aufgegeben werden. Sogar für Platzrunden. Gleiches

■ REISE & ERLEBNIS

6/2009 www.fliegermagazin.de 3736 www.fliegermagazin.de 6/2009

Chartern in Andalusien Abheben

im UrlaubIn fernen Landen fliegen – davon träumen viele Piloten. Wer am Ferienort chartert, erspart sich die aufwändige und meist anstrengende Anreise

Text: Stephanie Keller Fotos: Daniel und Stephanie Keller

Gegen eine längere Fliegerreise lassen sich einige Argumente ins Feld führen: Zeit-mangel, Wetterrisiko, kaum Flugbegeis-

terung in der Familie oder schlicht die hohen Kosten. Also doch am Heimatplatz bleiben und sich mit den Reiseberichten anderer Pi-loten begnügen?

Mit Freude lese ich Geschichten erfahrener Flieger, die sich über Wochen oder Monate auf die Reise in ferne Länder gemacht haben. Doch dazu fehlt mir einfach die Zeit.

Warum also nicht ein ganz normales Ziel aussuchen, wo man vor Ort ohne großartige Vorbereitungen chartern kann? Ich möchte ja einfach nur ein paar Tage meines Urlaubs in der Luft verbringen.

Nach einigen Recherchen stoße ich auf An-dalusien. Für eine Woche im Herbst genau das Richtige. Ob Motorflug, Segelflug oder Mo-torsegler – hier gibt es alles, JAR-FCL-Scheine werden anerkannt, und der Rest stimmt auch: Die Wetterbedingungen sind optimal, VFR-Flüge fast immer möglich.

Und doch begrüßt uns das sonnenverwöhn-te Südspanien mit strömendem Regen. Der erste seit Monaten, freuen sich die Einheimi-schen. Super. Die Prognosen sagen allerdings für den übernächsten Tag schon wieder bestes Wetter voraus. Also nutzen wir die Zeit und erkunden Sevilla erstmal zu Fuß. Schmale Gassen führen durch die Altstadt, vorbei an einer der ältesten Universitäten Europas, dann zum Königspalast Reales Alcázarez. Gewaltig und doch filigran baut er sich vor uns auf. Die Baumeister waren Mauren. Wir tauchen ein in eine orientalische Märchenwelt.

Nach einem Kaffee in dem historischen Ge-mäuer geht es zur Kathedrale – die drittgrößte der Welt. Abends lässt sich das bunte Treiben im Viertel Barrio Santa Cruz am Palast bei Wein und Meeresfrüchten beobachten.

Übermorgen ist da, und tatsächlich: perfek-tes Flugwetter. In Villamartin bei Cadiz, etwa eine Autostunde südlich von Sevilla, erwartet uns Pedro. Bei dem sympathischen Schweizer, der in Andalusien lebt, kann man Motorsegler oder Flugzeuge ohne Antrieb chartern. Zur Wahl stehen Falke SF 25, Blanik, Astir CS und eine DG 300. Ich will ein paar Kreise mit dem sehr gepflegten Falken drehen.

Villamartin hat eine 500-Meter-Asphalt-piste, die gleichzeitig als Rollweg dient. Der Anflug über eine Vertiefung vor der Schwel-le und das bewegliche Spornrad des Falken sind etwas gewöhnungsbedürftig. Ein paar

Imposante Lage:

Die Altstadt von Cadiz,

erbaut auf einer Halbinsel im

Atlantik

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Platzrunden zum Einfühlen, dann fliegen wir in die Sierra de Cadiz über türkisfarbene Stau-seen und Dörfer, deren Häuser schon aus der Ferne strahlend weiß leuchten. Die Thermik brummt. Ich will aber mit Motor noch etwas Strecke machen. Auf dem Rückweg, so nehme ich mir vor, fliege ich dann ohne Antrieb, nur mit der Kraft der Thermik.

Leider ist dazu später keine Zeit mehr. Trotzdem wird es ein wunderbarer Flug. Die Weite der Landschaft an der Mündung des Guadalquivir, die andalusischen Berge, der Atlantik und die Mittelmeerküste – alles ganz nah zusammen.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Leih-wagen Richtung Küste. Unser Startplatz ist heute Jerez de la Frontera. Zum beschaulichen Villamartin ein krasser Gegensatz: Auf dem internationalen Flughafen landen regelmäßig Charterjets. Bei Fly-in-Spain haben wir für zwei Tage eine Cessna 172 gemietet. Eigentlich sollte es ein UL werden, die Maschine ist aber nicht mehr verfügbar. Ich erhalte zur Vorberei-tung unter anderem Infos zum Flugfunk, damit ich eine Chance habe, den Tower zu verstehen. Die Procedures sind eigentlich bekannt, denke ich optimistisch. Doch als ich im Cockpit sit-ze und den Funk anschalte, weiß ich, dass mir hier auch bestes Englisch nicht weiterhilft. Das nette Briefing hilft da auch nicht weiter. Man hört zwar eine Menge übers Headset, aber verstehen – Blechbüchsen-Kauderwelsch. Ha-rald, der als Fluglehrer mit uns fliegt, nimmt mir den Funk ab. Für Kurztrips wie unseren und ist die Mitnahme eines Fluglehrers übri-gens eine gute Methode, auch in der Fremde Sicherheit zu schaffen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich versuche mich langsam in diese Sprache einzufinden. Kleiner Trost für alle, die wie ich kein Spanisch sprechen: Am zweiten Tag versteht man schon deutlich mehr.

Wir rollen zur Piste 20. Einige Maschinen, darunter sogar Airliner, sind vor uns dran. Dann gehört die 2300 Meter lange Startbahn

uns. Wir wollen an die Südspitze Europas flie-gen und dann entlang der Atlantikküste wie-der zurück. In 1000 Fuß über dem Meer folgen wir mit etwas Abstand der Küstenlinie. Unter uns glasklares Wasser und etwas versetzt das Festland, von der spanischen Sonne in warmes Licht getaucht. Vorbei an den Bettenburgen von Novo Sancti Petri und einem der Natio-nalparks, einer weitläufigen Sumpflandschaft, geht es Richtung Cadiz, einer Hafenstadt auf der schmalen Landzunge zwischen San Fern-ando und El Puerto. Inmitten der Hochhäuser sind die historische Altstadt und der Naturha-fen zu sehen – von hier aus segelte Christoph Columbus in Richtung Neue Welt.

Wir erreichen die Kontrollzone von Rota. In der Bucht können wir der Küstenlinie nicht direkt folgen. Hier liegt ein Militärstützpunkt,

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So kommt man hinZielflughäfen: Sevilla oder Jerez de la Fronte-ra, Hin- und Rückflug ab 350 Euro mit vielen Charteranbietern von deutschen Flughäfen. Mietwagen können günstig online gebucht werden, zum Beispiel über www.billiger-miet-wagen.de

UnterkunftKlein, aber fein und sehr individuell sind die Zimmer in den Paradores oder in einer Haci-enda.

Am Flugplatz Villamartin/Cadiz bietet das Hotel La Antigua Estaciòn Einzelzimmer ab 50 Euro pro Nacht (Doppelzimmer kosten ab 65 Euro). www.antiguaestacion.com

Hotels der Kategorie von vier bis fünf Ster-nen sind zu erschwinglichen Preisen an der Costa de la Luz in Novo Sancti Petri zu finden, 50 Minuten Fahrt zum Flugplatz Jerez de la Frontera.

REISEpLaNuNg

Jahrtausende alte Kulturland-schaft: Schon in der Antike bauten andalusische Bauern rings um ihre Höfe Wein an

Mediterranes Farbenspiel:

Tiefblaues Wasser zwischen orange-

rot leuchtenden Hügeln mit spärli-

cher Vegetation

Architektonische Höhepunkte:

Bunte Ziegel- dächer und Fassa-

den mit kunst-vollen Mosaiken

in Carmona (rechts), mauri-

sche Arkaden des Königspalastes

Reales Alcázarez in Sevilla (außen)

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und man sieht es nicht gern, wenn Privatflie-ger dem sensiblen Bereich zu nahe kommen. Kurzer Blick auf die Instrumente, und dann über dem Wasser nach Norden. Nach weni-gen Minuten sind wir wieder über der Küste und bald darauf auch schon am Pflichtmelde-punkt Whiskey bei Jerez. Es ist reger Betrieb, und wir werden ins Holding geschickt. Damit muss man in Jerez rechnen – und sollte bei der Flugvorbreitung entsprechend Zeit einplanen. Endlich kommt die Landefreigabe.

Unser Plan für den nächsten Tag: in die Ber-ge fliegen, Ronda, eines der hübschen weißen Dörfer, erkunden und dann weiter nördlich in Cordoba landen. Aber Pläne sind schließlich dazu da, dass man sie über den Haufen wirft: Am Morgen macht uns ein diesiger Himmel mit schlechten Sichten einen Strich durch die Rechnung. Bauern haben in der Gegend ihre Felder abgebrannt. Wir hoffen auf bessere Bedingungen in den Bergen. Fliegbar ist das Wetter allemal. Wir warten wieder am Rollhalt 20 auf eine Freigabe. Über Funk wird uns mit-geteilt, dass in Cordoba zwischen 13 und 15 Uhr Starts und Landungen nicht möglich sind – genau unser Zeitfenster für den Ausflug. We-nigstens erreicht uns die Nachricht rechtzeitig, sodass wir nicht vergebens Richtung Norden fliegen. Kurzfristige Planänderung: Wir wollen weiterhin nach Ronda, dann aber nordwest-lich von Sevilla auf dem beschaulichen Platz La Juliana runter gehen. Der Flugplan wird geändert. In Jerez muss, wie an allen kontrol-lierten Plätzen in Spanien, immer ein Flugplan aufgegeben werden. Sogar für Platzrunden. Gleiches gilt für VFR-Flüge im Luftraum E.

Endlich die Freigabe. Und tatsächlich, im Gebirge wird die Sicht besser. Türkisfarbe-ne Stauseen liegen wie Perlen zwischen den Bergen. Schwindelerregend schmiegen sich Dörfer und Städte an Felsen oder scheinen aus ihnen herauszuwachsen. Wir schlän-geln uns zwischen den Bergen und Graten hindurch. Das fantastische Farbenspiel der Sonnenstrahlen verzaubert uns. Dann breitet sich am Fuß einer schroffen Klippe die weiße Stadt Ronda vor uns aus. Unverkennbar: die berühmte Stierkampfarena. Ein Anblick, der im Gedächtnis bleibt. Leider gibt es keinen Flugplatz. Also saugen wir die großartige At-mosphäre aus der Luft in uns auf.

Wir drehen ab, lassen die Gipfel hinter uns und fliegen über flacher werdendem Gelände. Um uns herum tauchen Vogelschwärme auf. Wir halten sicheren Abstand und landen in La Juliana.

Fallschirmspringer schweben auf den Platz zu. Wir sitzen in der Sonne und schlürfen ei-nen Café con leche. Wie gut es uns geht! Nach

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FlugvorbereitungKarten sind vor Ort erhältlich. Wer vor-her schon mal reinschauen will: Jeppesen VFR+GPS-Charts Spanien LE-5, gegebenen-falls LE-4 und LE 2.

Auch Anflugkarten werden vor Ort (bei Fly-in-spain) zur Verfügung gestellt. Eine Einwei-sung in Funk und lokale Verfahren gibt es bei den Charter-Unternehmen.

LandegebührenVillamartin: 10 Euro pro Landung oder 25 Euro Tagespauschale (Motorsegler). Jerez de la Frontera: 11 Euro pro Landung (Echo-Klasse)

ChartergebührenJerez de la Frontera: Cessna 172: 138 Euro, Cessna 150: 115 Euro, Piper PA 28: 158 Euro (jeweils pro Stunde, inklusive Avgas). Es lohnt sich auch, nach Blockangeboten zu fragen. www.fly-in-spain.com.Villamartin: Falke FS 25: 108 Euro pro Stunde.

www.fly-pedro.com

FLIEgEN IN aNdaLuSIEN

einer ausgedehnten Siesta geben wir den Flug-plan auf. Entlang dem Guadalquivir – einer willkommenen Navigationshilfe – geht es zu-rück nach Jerez. Diesmal ist ein direkter An-flug ohne Warteschleife möglich.

Am letzten Urlaubstag wollen wir den Sü-den Andalusiens zu Fuß erkunden. Unser Ziel: Tarifa, die südlichste Stadt Europas. Von hier aus ist es ein Katzensprung nach Afrika, nur 14 Kilometer. Der Wind – typisch für diese Gegend – pfeift uns um die Ohren. Was wir als eher unangenehm empfinden, zieht Sur-fer magisch an. Der Strand ist außerdem von bunten Kitebuggys übersät. Ein imposantes Schauspiel.

Ebenso beeindruckend: Whalewatching-Touren. Immerhin 13 Walarten kommen regelmäßig an die Küsten Andalusiens. Am spektakulärsten sind die Orkas, auch Schwert- oder Killerwale genannt.

Uns zieht es aber noch einmal in die Berge, wir wollen klettern gehen. Fernab der ausge-bauten Landstraße betreten wir eine andere Welt. Über uns kreisen dutzende Greifvögel im Hangaufwind. Jetzt wäre es mit einem Se-gelflugzeug großartig dort oben: Fabelhafte Felsformationen und Gipfelgrate, über uns stahlblauer Himmel. Wildnis und Freiheit. Die gefiederten Segler lassen unsere Gedanken ab-schweifen – in Andalusien möchte man gerne einer von ihnen sein. ■

Von Menschenhand geformt: Zahlreiche Stauseen füllen die Täler zwischen den kargen Bergwäldern der Sierra de Cadiz

Entspannt Chartern: Mit

dem Falke SF 25 sind stressfreie

Flugstunden über Andalusien

garantiert

Weiße Dörfer auf blankem Fels: Uralte Siedlungen bilden eine har-monische Einheit mit der kargen Gebirgslandschaft