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40 Religionsunterricht in Litauen von Martin Bröking-Bortfeldt 1. Allgemeine Information Schon vor der Unabhängigkeitserklärung vom 11.03.1990 gab es in Litauen Versu- che, Religionsunterricht an den Schulen einzuführen. Ende des Jahres 1990 wurde Religionsunterricht an den Schulen eingerichtet. Ein gesetzlicher Religionsunterricht in der Schule wurde allerdings erst im Jahr 1991 festgelegt. Das litauische Bildungsgesetz vom 20.08.1991, Artikel 17, legitimierte den Religionsunterricht in staatlichen Bildungsanstalten. Dort steht geschrieben: „In der staatlichen Bildungsanstalt, nach Wunsch der Eltern (Betreuer), lehren von der geist- lichen Obrigkeit bevollmächtigte Personen das Fach Religion (gewünschte Konfessi- on)." Im Jahr 1998 wurde dieses Bildungsgesetz korrigiert. Das am 02.06.1998 ge- änderte Bildungsgesetz spricht über sittliche (religiöse) Erziehung und im Religions- unterricht dürfen fortan nur solche Konfessionen unterrichtet werden, die vom Staat anerkannt sind. Auch wird die Möglichkeit gegeben, statt Religionsunterricht einen Ethikunterricht zu besuchen. Bis zum Alter von 15 Jahren entscheiden die Eltern, ob ein Schüler den Religions- oder den Ethikunterricht besuchen muss. Mit dieser Gesetzesänderung gab es jedoch Unklarheit über den Begriff sittliche (re- ligiöse) Erziehung. Es gab Versuche, den Religionsunterricht abzuschaffen. Es wur- de argumentiert, dass für die sittliche Erziehung Ethik ausreichend sei und Religion in der Kirche oder an Sonntagsschulen gelehrt werden könne. Gegen diesen Versuch, den Religionsunterricht in den Schulen abzuschaffen, gab es großen Widerstand aus den Kirchen und der Gesellschaft. Der entscheidende Punkt war der Beschluss des litauischen Verfassungsgerichts vom 13.06.2000, wo festgelegt wurde, dass Religi- ons- und Ethikunterricht verfassungsgemäß sind. So wurde bestätigt, dass Religi- onsunterricht eine wichtige Rolle im Bildungswesen spielt. 2. Statistik Religionsunterricht wurde in den Jahren 1991 und 1995 am besten besucht. Über 70% der Schüler wählten den Religionsunterricht, die anderen Ethik. In den Jahren 2000 und 2001 besuchten 60% der Schüler den Religionsunterricht, 40% nahmen am Ethikunterricht teil. In den Jahren 1999-2000 hatten nur 20% der Lehrer eine Fachausbildung und 50% eine Hochschulausbildung. Bei den Ethiklehrern hatten 30% eine Fachausbildung und 90% eine Hochschulausbildung. 3. Evangelisch-lutherische Kirche Praktisch in jeder Gemeinde gibt es Sonntagsschulen. Dort unterrichten die Pfarrer oder Gemeindemitglieder. Das Unterrichtsprogramm wird in jeder Gemeinde indivi- duell gestaltet. Über die Themen entscheiden der Gemeindepfarrer oder die Lehrer. Evangelisch Lutherische Religion wird in circa 15 Schulen vertreten. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Schulen in Westlitauen (Memelgebiet). Ein Teil der Religionslehrer hat Evangelische Theologie an der Universität Klaipeda studiert oder in den Jahren 1992-1995 Kurse für Religionslehrer besucht. Diese Kurse wurden von

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Religionsunterricht in Litauen von

Martin Bröking-Bortfeldt

1. Allgemeine Information

Schon vor der Unabhängigkeitserklärung vom 11.03.1990 gab es in Litauen Versu-che, Religionsunterricht an den Schulen einzuführen. Ende des Jahres 1990 wurde Religionsunterricht an den Schulen eingerichtet. Ein gesetzlicher Religionsunterricht in der Schule wurde allerdings erst im Jahr 1991 festgelegt. Das litauische Bildungsgesetz vom 20.08.1991, Artikel 17, legitimierte den Religionsunterricht in staatlichen Bildungsanstalten. Dort steht geschrieben: „In der staatlichen Bildungsanstalt, nach Wunsch der Eltern (Betreuer), lehren von der geist-lichen Obrigkeit bevollmächtigte Personen das Fach Religion (gewünschte Konfessi-on)." Im Jahr 1998 wurde dieses Bildungsgesetz korrigiert. Das am 02.06.1998 ge-änderte Bildungsgesetz spricht über sittliche (religiöse) Erziehung und im Religions-unterricht dürfen fortan nur solche Konfessionen unterrichtet werden, die vom Staat anerkannt sind. Auch wird die Möglichkeit gegeben, statt Religionsunterricht einen Ethikunterricht zu besuchen. Bis zum Alter von 15 Jahren entscheiden die Eltern, ob ein Schüler den Religions- oder den Ethikunterricht besuchen muss. Mit dieser Gesetzesänderung gab es jedoch Unklarheit über den Begriff sittliche (re-ligiöse) Erziehung. Es gab Versuche, den Religionsunterricht abzuschaffen. Es wur-de argumentiert, dass für die sittliche Erziehung Ethik ausreichend sei und Religion in der Kirche oder an Sonntagsschulen gelehrt werden könne. Gegen diesen Versuch, den Religionsunterricht in den Schulen abzuschaffen, gab es großen Widerstand aus den Kirchen und der Gesellschaft. Der entscheidende Punkt war der Beschluss des litauischen Verfassungsgerichts vom 13.06.2000, wo festgelegt wurde, dass Religi-ons- und Ethikunterricht verfassungsgemäß sind. So wurde bestätigt, dass Religi-onsunterricht eine wichtige Rolle im Bildungswesen spielt.

2. Statistik

Religionsunterricht wurde in den Jahren 1991 und 1995 am besten besucht. Über 70% der Schüler wählten den Religionsunterricht, die anderen Ethik. In den Jahren 2000 und 2001 besuchten 60% der Schüler den Religionsunterricht, 40% nahmen am Ethikunterricht teil. In den Jahren 1999-2000 hatten nur 20% der Lehrer eine Fachausbildung und 50% eine Hochschulausbildung. Bei den Ethiklehrern hatten 30% eine Fachausbildung und 90% eine Hochschulausbildung.

3. Evangelisch-lutherische Kirche

Praktisch in jeder Gemeinde gibt es Sonntagsschulen. Dort unterrichten die Pfarrer oder Gemeindemitglieder. Das Unterrichtsprogramm wird in jeder Gemeinde indivi-duell gestaltet. Über die Themen entscheiden der Gemeindepfarrer oder die Lehrer. Evangelisch Lutherische Religion wird in circa 15 Schulen vertreten. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Schulen in Westlitauen (Memelgebiet). Ein Teil der Religionslehrer hat Evangelische Theologie an der Universität Klaipeda studiert oder in den Jahren 1992-1995 Kurse für Religionslehrer besucht. Diese Kurse wurden von

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der Finnischen Evangelisch-lutherischen Kirche angeboten. Lange Zeit gab es kein festes Programm für den Religionsunterricht in der Schule. Erst im Jahr 2002 bestä-tigte das litauische Bildungsministerium einen Lehrplan für das Fach Evangelisch-lutherische Religion. Aber dieser Lehrplan ist nur für die Klassen XI. und XII. be-stimmt. Andere Jahrgänge erhalten Themen, die vom Konsistorium genehmigt wor-den sind.

Evangelisch-Lutherische Religionslehre Ziele und Aufgaben

[Bestätigt vom Litauischen Bildungsministerium am 21.09.2002]

Evangelisch-Lutherische Religionslehre wird nach einem Lehrplan erteilt, der der Hauptsicht des Evangelisch-Lutherischen Glaubens entspricht. Die Heilige Schrift (Bibel), Kirchentradition, Kirchengeschichte, der Kleine und Große Katechismus und Grundbekenntnisschriften der Ev. Lutherischen Kirchen dienten zur Vorbereitung dieses Lehrplans. Das Lehrprogramm ist mit dem Kirchenjahrkalender verbunden (Altes Testament bis Weihnachten, Neues Testament nach Weihnachten). Der Lehrinhalt hat die Aufgabe, die Allgemeine Christliche Kirche zu betonen. Beim Aufbau wird Rücksicht auf allgemeine religionspädagogische Forderungen ge-nommen: christliche ethische Grundlagen, Altersunterschiede, Sittlichkeit, Kreativität, nationale Aspekte, Bürgertum, Wissenschaftlichkeit, Systematik.

• Das Schüler-Verständnis von Bibel, Gottes Wort und die Pflege des Ev. Luthe-risch kulturgeschichtlichen Erbes.

• Bekannt machen mit Kirchentradition und Geschichte. • Ein Verantwortungsbewusstsein über eigenes Tun pflegen und das Tun mit

christlicher Verantwortung begründen. • Schüler selbst entscheiden lassen und Unterstützung beim Aufbau christlicher

Lebensformen in Familie, Beruf und Gesellschaft zu geben. • Bei der Findung von Lebenswerten, Persönlichkeitsbildung und Selbstvertrau-

en helfen. • Nach Möglichkeit den Glaubensanspruch verwirklichen. • Das für das Leben notwendige Wissen geben.

Methodische Anweisungen

• Unterstützung durch die Heilige Schrift als Gottes Wort. • Religionsbildung – nicht nur als Wissensübergabe, sondern im Glauben leben

lernen. • Glaubenswahrheiten und ihre Erklärungen müssen mit praktischem Leben be-

gründet sein. • Eine Erklärung christlicher Werte sollte nicht trockene Moralisierung sein. • Die Ergebnisse über Umwelt sollen die Schüler selbst machen. Der Lehrer hilft

nur bei der Wegfindung eines besseren Verständnisses.

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• Man darf auf eine Person, die eine unmoralische oder unchristliche Sichtweise vertritt keinen Druck ausüben. Mit Liebe und Geduld ist die Situation zu erklä-ren und es soll geholfen werden, die Wahrheit zu finden.

• Eigene Überzeugungen im Licht des christlichen Glaubens kritisch untersu-chen und sittliche Kräfte stimulieren.

Inhalte der Religionslehre

XI. Klasse

1. Unser Gott. Wie können wir Gott erkennen. 2. Gottesoffenbarung in der Heiligen Schrift. 3. Gott offenbart sich als Dreieinigkeit. 4. Schöpfung – Dreieinigkeitsarbeit. 5. Weltschöpfung und das Problem des Bösen. 6. Gott schuf den Menschen. 7. Mensch als Gottesbild. 8. Die Sünde: angeborene und erworbene. 9. Gesetz – Sündenerkenntnis Quelle. 10. Gottes Errettungsplan. 11. Persönlichkeit Christi: Gott und Mensch. 12. Christus – der Erlöser. 13. Erlösung – Rettung für alle. 14. Erlösung des Menschen: Wiedergeburt, Rechtfertigung, Bekehrung, Buße,

Heiligung. 15. Der Glaube und die guten Werke. 16. Prädestination (Schicksal). 17. Die Erlösungsmittel: Gnade, Wort Gottes, Sakramente. 18. Hl. Taufe und Hl. Abendmahl. 19. Die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. 20. Allgemeine Kirche. 21. Meine Sicht auf die anderen christlichen Konfessionen. 22. Meine Gemeinde und die Kirche. 23. Allgemeinpriestertum und Dienst der Geistlichen. 24. Heiliges Priestertum. 25. Die letzten Dinge. 26. Tod. Endgericht. 27. Die letzten Zeiten. 28. Hölle. 29. Christliche Bestattung. 30. Gebet-Erhebung von Seele, Geist und Herz zu Gott. 31. Die moderne Gesellschaft und die Rolle der Kirche in ihr. 32. Bekenntnisschriften: Die Kondordienformel (1577). 33. Religionskritik: K. Marx, F. Nietzsche.

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XII. Klasse

1. Der Mensch sucht nach Gott. 2. Der Große Katechismus von M. Luther (1529). 3. Die Heilige Schrift zusammengebunden aus Gesetz und Evangelium. 4. Aus der Dunkelheit der Gesetze zum Licht des Evangeliums. 5. Die Sünde erkannte ich durch Gesetz (Röm 7,7). 6. Christus – Gottessohn, Erretter der Menschheit. 7. Die alten Religionen: ägyptische, griechische, römische Götter. 8. Die alten Religionen: baltische, slavische Religionen. 9. Östliche Religionen: Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Taoismus u.a. 10. Schriftreligionen: Judaismus, Islam. 11. Apostelgeschichte: Verbreitung von Christentum. 12. Apostel Paulus und seine Schüler. 13. Die ersten Gemeinden und Kirchen. 14. Litauische Pfarrer: M. Mazvydas, K. Donelaitis, J. Bretkunas. 15. S. Rapalionis, A. Kulvietis, J. Zablotckas. 16. Das Einander-dienen mit Liebe und Hingabe. 17. Das große Abendmahl Gleichnis (Lk 14,15-24). Soziale Unterschiede. 18. Christliche Sicht zur Arbeit (Kol 3,23). 19. Meine Freizeit, Ruhe (Spr 6,6-11). 20. Die Bibel über Arme (Iz. 58,6-10). Diakonie. 21. Gottesgesetz „Du sollst nicht töten“. Selbstmord. Euthanasie. 22. Christliche Sicht zum Krieg. 23. Gebet – Seelensprache mit Gott. 24. Musik und Glaube. 25. Sein und Zeit. Wie ich die Zeit benutze. 26. Freiheit und Verantwortung. 27. Andere christliche Kirchen.

[Recherchiert durch Tomas Sakas, Klaip�da/Litauen]