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REPORT 4/2003 LITERATUR- UND FORSCHUNGSREPORT WEITERBILDUNG 26. Jahrgang Zertifikate

REPORT 4/2003 - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung · PDF file5 Editorial Zertifikate, Abschlusszeugnisse, Leistungsnachweise stehen traditionell in der Erwach-senenbildung

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REPORT 4/2003LITERATUR-UND FORSCHUNGSREPORTWEITERBILDUNG26. Jahrgang

Zertifikate

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REPORTLiteratur- und Forschungsreport WeiterbildungWissenschaftliche Zeitschrift mit Dokumentation der Jahrestagungen der Sektion Erwachsenenbildungder DGfE

26. Jahrgang 2003 – Heft 4/2003ISSN 0177-4166

Herausgebende InstitutionDeutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE)

Verantwortlich HerausgebendeEkkehard Nuissl, DuisburgChristiane Schiersmann, HeidelbergHorst Siebert, Hannover

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ErscheinungsweiseVierteljährlich, jeweils im April, Juli, Oktober und Dezember.

BezugsbedingungenPreis der Einzelhefte “ 9,90 (“ 12,90 Ausgabe Dokumentation der Jahrestagung der Sektion Erwachse-nenbildung) zzgl. Versandkosten. Ein Jahresabonnement (4 Ausgaben) kostet “ 24,–, für Studierende mitNachweis “ 20,– jeweils zzgl. Versandkosten. Es verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn es nicht zum15.11. des Jahres gekündigt wird.

© 2003 DIEAlle Rechte, auch der Übersetzung, vorbehalten. Nachdruck und Reproduktion nur mit Genehmigung derherausgebenden Institutionen.

Heftherausgeber 4/2003: Ekkehard Nuissl, Duisburg

Redaktion im DIE (Rezensionen, Manuskriptannahme): Kornelia Vogt-Fömpe, Deutsches Institut fürErwachsenenbildung, Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113 Bonn, Tel. 0228 3294-103, Fax 0228 3294-398,E-Mail [email protected]: Christiane BarthFür unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.

Verlag und VertriebW. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KGAuf dem Esch 4, 33619 BielefeldTel. 0521-91101-11, Fax 0521-91101-19E-Mail [email protected] http://www.wbv.de

ISBN 3-7639-1869-8Best.-Nr. 23/2604

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REPORT 4/2003, 26. Jahrgang

Thema: Zertifikate

INHALT

Editorial ...................................................................................................................5

Beiträge zum Schwerpunktthema

Ekkehard NuisslLeistungsnachweise in der Weiterbildung ............................................................... 9

Elisabeth Kouhdasti-WappelshammerMaßstäbe zur Beurteilung angesichts der Dynamiken gesellschaftlicherModernisierung .....................................................................................................25

Markus Bretschneider / Rüdiger PreißerSichtbarmachung und Anerkennung von informellem Lernen im Rahmender individuellen Erstellung von Weiterbildungspässen .........................................31

Horst HeidbrinkPrüfungen online ...................................................................................................44

Barbara Merrill / Stephen HillAccreditation of Prior Experiential Learning (APEL) ...............................................55

Torild Nilsen Mohn / Joyce McHenryThe Competence Project in Norway ......................................................................70

Dieter GnahsZertifizierung informell erworbener Kompetenzen ................................................88

Forum

Josef SchraderPolitische Bildung zwischen Staat, Markt, Organisationen und sozialenGemeinschaftenDiagnosen zur politischen Bildung ........................................................................99

Rezensionen ........................................................................................................109

Autorinnen und Autoren .....................................................................................134

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Editorial

Zertifikate, Abschlusszeugnisse, Leistungsnachweise stehen traditionell in der Erwach-senenbildung nicht im Mittelpunkt der Diskussion. Die deutliche Distanz gegenüberallem, was mit Lehrplänen, Prüfungen und Zeugnissen zu tun hat, die Hans Tietgens1992 konstatierte, beginnt sich jedoch zu verändern. Es sind vor allem zwei Entwick-lungen, die dies begünstigen:

Zum Ersten wird Erwachsenen- und Weiterbildung immer mehr im Kontext beruflicherQualifizierung gesehen, auch dort, wo es traditionell um „allgemeine“ und Weiterbil-dung ging. Die neuen Dimensionen des Kompetenzbegriffes, die allgemeine mensch-liche Fähigkeiten auch in beruflichem Kontext interessant machen, lassen auch hierimmer häufiger die Frage nach dem Nachweis dieser Kompetenzen aufkommen. Hierspiegelt sich im Grunde individuell, was in Weiterbildungsinstitutionen bei der ISO-Zertifizierung teilweise schon geschah: Die engere Zusammenarbeit mit Betrieben er-forderte von diesen Einrichtungen, sich auch ihrerseits einer entsprechenden Zertifi-zierung zu unterwerfen.

Zum Zweiten gerät heute immer mehr die Tatsache in den Blick, dass Menschen vieleKompetenzen außerhalb organisierter Lehr-Lern-Prozesse erwerben, die sowohl indi-viduell als auch im Verwertungskontext von großer Bedeutung sind. Die Frage danach,wie diese Kompetenzen nachgewiesen und in Berechtigungssystemen fruchtbar ge-macht werden können, tritt immer häufiger auf.

Beide Grundtendenzen werden begleitet von Entwicklungen, die von ihnen erzeugtsind und auf sie zurückwirken. Dazu gehört die zunehmende Diskussion um Modula-risierung von Lehrangeboten, Offenheit zwischen Bildungswegen, Anerkennung un-terschiedlicher Abschlüsse und Internationalisierung von Kompetenzfeldern.

Kurzum: Die Diskussion um Zertifikate oder Leistungsnachweise in der Erwachse-nenbildung greift um sich. Dabei wird deutlich, dass sich noch zu wenige Arbeitenmit Zertifikaten wissenschaftlich beschäftigt haben. Fragen wie etwa der Normen-konstitution durch Leistungsnachweise, ihres Charakters als Gütesiegel, als Lernan-reiz, als Disziplinierung, Selektion oder Statuszuweisung, sind soweit es Leistungs-nachweise der Weiterbildung angeht, noch wenig untersucht. Auch die Frage, inwie-weit Zertifikate Durchlässigkeit, Flexibilität und Offenheit behindern, andererseitsaber Stabilität und Klarheit gewährleisten, also die systembezogene Frage, ist nochwenig untersucht.

Der REPORT beschäftigt sich in dieser Ausgabe mit dem Schwerpunktthema der „Zer-tifikate“, um einen Anstoß dazu zu geben, deren Rolle in der Weiterbildung und derEntwicklung des Systems, aber auch ihrer Bedeutung für die Lernenden intensiver nach-zugehen. Wir fordern ausdrücklich diejenigen Leserinnen und Leser, die wissenschaft-

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lich zu Zertifikaten gearbeitet haben, auf, eigenen Beiträge zum Thema in den nächs-ten Nummern im „Forum“ einzubringen.

Im Interesse der Transparenz für die interessierten Autorinnen und Autoren wird derREPORT seine von ihm ausgewählten Schwerpunktthemen zukünftig immer etwa einJahr vor dem Erscheinen der jeweiligen Ausgabe bekannt machen. Dies erfolgt jeweilsim Heft, kann aber auch über die Homepage des DIE nachgelesen werden unter:www.die-bonn.de/report. Die Schwerpunktthemen der nächsten Ausgaben, die in derkommenden Herausgebersitzung beraten werden, werden auf dieser Homepage nochin diesem Jahr veröffentlicht.

Ekkehard NuisslChristiane SchiersmannHorst Siebert Bonn, im Oktober 2003

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BEITRÄGE ZUM SCHWERPUNKTTHEMA

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Ekkehard Nuissl

Leistungsnachweise in der Weiterbildung

Zertifikate und Abschlüsse sind im Bereich von Schule, Hochschule und beruflicherAusbildung wesentliche Strukturelemente und werden auch in der Weiterbildung immerwichtiger. Der wichtigste Grund dafür ist die zunehmende Realität der Verzahnung derBildungsbereiche und der Verzahnung des Berufslebens mit Weiterbildung. Es zeich-net sich, auch im Kontext des „lebenslangen Lernens“, eine Reorganisation der Weiter-bildung ab, die sie enger an Berufs- und Qualifikationssysteme heranführt. In der Wei-terbildung wird diese Entwicklung ambivalent gesehen; Weiterbildung hatte sich bislangdurch ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit von den anderen Bildungsberei-chen unterschieden. Folgerichtig wird vor der „Versäulung“ von Weiterbildung, derErstarrung im Berechtigungswesen gewarnt, sie sei insbesondere in Deutschland über-dimensioniert. Auf der anderen Seite wird gewarnt vor einem Abbau von Berechtigun-gen, vor allem da durch die wachsende Dynamik des Arbeitsmarktes permanent dieEntwertung von Qualifikationen droht.

In der Erwachsenenbildung findet man immer schon eher „eine deutliche Distanz gegen-über allem, was mit Lehrplänen, Prüfungen und Zeugnissen zu tun hat“ (Tietgens 1992,S. 40). In dem Maß jedoch, in dem berufliche Qualifizierung immer mehr auch auf demWege der Weiterbildung erfolgte, drangen zertifizierungs- und abschlussbezogene Struk-turen in der Weiterbildung vor. Schon sehr früh galt dies für die Sprachenbildung, insbe-sondere im Zertifizierungssystem des Deutschen Volkshochschul-Verbandes seit den1960er Jahren. Heute werden Zertifikate und Abschlüsse nicht nur im berufsbezogenen,sondern auch im allgemeinbildenden Sektor der Erwachsenenbildung vergeben (etwa inder Gesundheitsbildung etc.) und ihre Qualität und Anerkennung insbesondere auchunter der Frage des Abgleichs innerhalb der Europäischen Union thematisiert. Eine be-sondere Nähe weist die Zertifikatsdiskussion zu der immer intensiver werdenden Diskus-sion um die Modularisierung von Bildungsangeboten auf, wobei dort Zertifikate jeweilseinen definierten Zwischenschritt in modularisierten Strukturen dokumentieren.

1. Arten von Zertifikaten

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen Zertifikaten und Abschlüssen. Zertifikate sinddie allgemeine Form einer Leistungsbestätigung, die zugleich eine Funktion im Be-rechtigungswesen (Zugang zu Bildungsbereichen, Erlaubnis für Berufstätigkeiten etc.)haben. Abschlüsse sind demgegenüber formalisierte Schlussprüfungen von längerwährenden Ausbildungs- oder Fortbildungsgängen, die höher verregelt sind und vomStatus her eine Funktion im Berufsleben und Berufsbild haben. Abschlüsse können nurim Ausnahmefall ohne Besuch der entsprechenden Bildungsgänge absolviert werden.Abschlüsse sind in der Weiterbildung nach wie vor sehr selten; sie treten insbesondere

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dann auf, wenn es um komplementäre Funktionen von Weiterbildung geht, so etwadas nachträgliche Ablegen allgemeinbildender Schulabschlüsse („zweiter Bildungs-weg“) oder bestimmter Fortbildungsangebote, die eng an bestehende Ausbildungsab-schlüsse angebunden sind (z. B. bei weiterführenden Studiengängen, Qualifizierun-gen in Handwerksberufen oder laufbahnspezifischen Qualifizierungen etwa bei Poli-zei und Bundeswehr).

Der größte Teil der Abschlüsse, die zur Weiterbildung gezählt werden, sind immerschon die Meisterprüfungen der Industrie- und Handelskammer („Industriemeister“)und im Handwerk gewesen. Einen weiteren großen Teil nachprüfbarer Abschlüsseweisen die Maßnahmen zur Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung auf, die durchdie Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden, sie sollen insbesondere die Vermitt-lungschancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.

Trotz der nicht unerheblichen Zahlen von Abschlüssen in der Weiterbildung (lt. Be-rufsbildungsbericht über eine halbe Million im Jahr 2000) sind nach wie vor die Zerti-fikate die Form des Abschlusszeugnisses, die in der Weiterbildung am breitesten reali-siert ist. Entsprechend der höchst heterogenen Struktur des Weiterbildungsbereichssind auch diese Zertifikate außerordentlich breit gefächert. Ihre Verbreitung lässt sichbereits anhand der Zuordnung zu einzelnen Organisationen, Verbänden und Einrich-tungen verdeutlichen:

Organisationstypen von Zertifikaten

• Zertifikate von einzelnen Trägern oder Einrichtungen (mit qualifizierter Beschreibung derWeiterbildungsleistungen der Teilnehmer),

• Zertifikate von Einrichtungen bundesweiter Trägerorganisationen (z. B. der Bildungswerkeder Gewerkschaften oder der Wohlfahrtsverbände),

• Zertifikate von kommunalen Trägern (Volkshochschulzertifikate des Deutschen Volkshoch-schul-Verbandes u. a.),

• Zertifikate von branchenspezifischen Bildungswerken (z. B. im Bereich des Handels, derWirtschaft oder der Versicherungswirtschaft),

• Zertifikate von Weiterbildungseinrichtungen branchenübergreifender Zweckverbände (z. B.REFA-Verband für Arbeitsstudien, Deutscher Verband für Schweißtechnik, Deutsche Ge-sellschaft für Personalführung),

• Zertifikate auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Prüfungen bzw. Abschlüsse (z. B. ge-mäß § 46 Berufsbildungsgesetz),

• Zertifikate im Rahmen von Zertifikatssystemen, entweder mit mehrstufiger Qualifizierung(z. B. Handwerker-, Schweißer-, Computerpass; Banken- oder Sparkassenakademien) odermit fachrichtungsübergreifendem Konzept (z. B. Meisterebene, Fachwertekonzept desDIEHT),

• Zertifikate im Rahmen wissenschaftlicher Weiterbildung (z. B. Zertifikat „Weiterbildung“der Universität Kaiserslautern),

• Zertifikate im Rahmen europäischer Qualifizierungsprogramme (z. B. „Kulturwirt“ im Rah-men des Leonardo-Programms).

(vgl. Alt u. a. 1993)

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Eine zusammenfassende Übersicht über die Quantitäten, in der die jeweiligen Zertifi-kate vergeben werden, liegt nicht vor. Nur zu einzelnen Bereichen werden Zahlen ver-öffentlicht, so etwa zu den Sprachzertifikaten des Deutschen Volkshochschul-Verban-des oder den Zertifikaten der Kammern. Nach wie vor wird der größere Teil der Weiter-bildungsmaßnahmen nicht zertifiziert; dies gilt auch für berufsbezogene Weiterbildungs-maßnahmen, vor allem für kurzfristige Programme der betrieblichen Weiterbildung.Nach vorliegenden Berufsverlaufsuntersuchungen hatten 38 % der Befragten für ihreletzte Weiterbildungsbeteiligung ein Zertifikat erhalten, 10 % ein Zertifikat mit staatli-cher Anerkennung, 34 % dagegen erhielten nur eine Bescheinigung und 18 % bliebenauch ohne diese (Jansen/Stooß 1992, S. 109 – allerdings ist diese Untersuchung bereitsälter, heute werden die Anteile in beruflicher Weiterbildung gestiegen sein).

In den letzten Jahren gewann die Diskussion um Zertifikate wie auch deren Revisioneine neue Dimension, die hauptsächlich aus den Initiativen der Europäischen Unionwie dem Konzept des „lebenslangen Lernens“ gespeist wurde. Die Europäische Unionunterschied in ihrem „Memorandum zum lebenslangen Lernen“ in gleichberechtigterWeise zwischen formaler, non-formaler und informeller Weiterbildung, in denen sichdas „lebenslange Lernen“ realisiere. Die Zertifikatsdiskussion konzentrierte sich bis dahininsbesondere auf den Nachweis von Kenntnissen und Fähigkeiten, die im Kontext for-maler Weiterbildung erworben wurden. Oberhalb dieser formalen Weiterbildung wa-ren auch die mit Zertifikaten verbundenen Test- und Prüfungsverfahren angesiedelt. Fürden Bereich der informellen und non-formalen Weiterbildung liegen solche extern ge-setzten Zertifizierungssysteme über objektivierte Prüf- und Testverfahren nicht vor bzw.sind schwer vorstellbar. Von daher stellt sich die Frage, wie solche Kompetenzen zerti-fiziert werden können (vgl. Straka 2003). Verschiedene Modelle in Frankreich (Bilan deCompétence), England (National Vocational Qualification System), Schweiz (Kompe-tenzbilanz) und Finnland (Competencebased Qualifications) sind Ansätze, Zertifikatezu erzielen, die keiner standardisierten objektivierten externen Prüfung unterliegen, aberdennoch „gültig“ und „anerkannt“ sind. In Deutschland sind derzeit verschiedene pass-ähnliche Aktivitäten in Vorbereitung und Anwendung, für die übergreifende Kompe-tenzermittlungsverfahren entwickelt und erprobt werden (vgl. Käpplinger 2003;Bretschneider/Preißer 2003 siehe auch den Beitrag in diesem Heft, S. 31 ff.).

2. Funktionen von Zertifikaten

Die Zertifizierung formaler wie auch non-formaler und informeller Lernprozesse derWeiterbildung verfolgt verschiedene Ziele, die eng mit den Personen verknüpft sind,die Zertifikate erwerben. Diese Ziele liegen im Spannungsfeld von „Berechtigung“(Oehler 1980), „Leistungsnachweis“ und „Lernhilfe“ (Tietgens 1992). Ganz allgemeinkann man Zertifikaten (und umso mehr Abschlüssen) mehrere Funktionen zusprechen,auch wenn sie nicht immer in allen Fällen vollständig eingelöst werden. Dabei istwichtig festzustellen, dass Zertifikate nicht nur rückwärts gerichtet sind, also einenabgeschlossenen Lernprozess und dessen Ergebnis bestätigen, sondern auch nach vorne

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gerichtet sind, also einen Anspruch auf Prognosewert für zukünftige Leistungen enthal-ten. So soll etwa ein Sprachzertifikat nicht nur eine bestimmte sprachliche Kompetenzzu einem bestimmten Zeitpunkt dokumentieren, sondern auch eine gewisse Sicherheitdarüber vermitteln, dass diese Sprachkompetenz zu einem späteren Zeitpunkt einsetz-und abrufbar ist (Prognosewert).

Die Funktion von Zertifikaten wird in vier Kontexten wirksam: bei denjenigen, die einZertifikat erwerben; bei denjenigen, welche sich für die zertifizierte Kompetenz inter-essieren; für die zertifizierende Instanz selbst; und schließlich für die Gesellschaft odereinzelne gesellschaftliche Gruppierungen (vgl. Moser 2003, S. 41 f.).

Im Einzelnen:

Zertifikate bestätigen zunächst eine Lernleistung, einen Lernerfolg, sie reduzieren vondaher die Ungewissheit darüber, wo man selbst steht. Diese „Ungewissheitsreduktion“liegt auch darin, dass Zertifikate eine Vergleichbarkeit mit anderen Personen herstel-len, eine gewisse Standardisierung der Lernleistung und der Kompetenz. Zertifikatehaben auch oft die Wirkung, zum Lernen anzureizen, da sich über die mit ihnen ver-bundenen Berechtigungen weitere Motivationen ergeben, die über den konkreten Lern-inhalt hinaus reichen. Mit Zertifikaten werden Beurteilungen ausgesprochen, welchefür Personen und ihr Selbstwertgefühl wichtig sind. Sie haben aber auch eine Diszipli-nierungsfunktion, und mit der Drohung, das Zertifikat nicht erwerben zu können, kannauch Leistungsdruck erzeugt werden. Schließlich können Zertifikate auch zur Identi-tätsstiftung beitragen, indem man zu einer bestimmten Statusgruppe gehört, welcheüber dieses Zertifikat verfügt (insbesondere gültig bei Abschlüssen). Zudem ermögli-chen Zertifikate dem Individuum, sich innerhalb bestimmter Lernangebote und Lern-anforderungen zu orientieren, sie steuern gewissermaßen die Gewichtung der Lern-ziele. Und schließlich, damit ist bereits der nächste Funktionskontext angesprochen,geben diese Dokumente die Grundlage ab für eine Allokation des Zertifikatsträgers aufdem Arbeitsmarkt oder in gesellschaftlichen Positionen.

Mittels der Zertifikate werden abnehmende Instanzen (Betriebe, Organisationen, Ver-bände, weiterführende Bildungseinrichtungen) darüber informiert, was es mit der Kom-petenz der Person auf sich hat, die auszuwählen (zu selektieren) ist. Dabei sind abneh-mende Institutionen in der Regel weniger daran interessiert, welche Leistungen doku-mentiert sind, sondern mehr daran, welche künftigen Leistungen aufgrund der Zertifi-kate prognostizierbar sind. Zertifikate gelten als Indiz dafür, dass eine bestimmte kom-petenzbasierte Produktivität vorliegt. Es ist allerdings in der Regel unsicher, ob derPrognosewert der Zertifikate tatsächlich begründet ist, zumal dann, wenn man sich ander Differenzierung innerhalb des Zertifikats orientiert (also etwa an unterschiedlichenNoten); Betriebe sind daher vielfach dazu übergegangen, sich weniger auf vorgelegteZertifikate zu stützen als mittels eigener „Assessment-Verfahren“ prognoserelevanteLeistungstests vorzunehmen. Anders als in anderen europäischen Ländern sind solche„Aufnahmeverfahren“ innerhalb des Bildungssystems in der Regel nicht vorgesehen,

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dort fungieren die Zertifikate als Berechtigungsdokumente mit „Optionsfunktion“: DieInhaber der Zertifikate haben einen Anspruch auf Zulassung zu weiteren Bildungsgän-gen oder beruflichen Laufbahnen.

Mit dem Recht, Zertifikate vergeben zu dürfen, wird die berechtigte Institution bestä-tigt und teilweise aufgewertet. Vielfach entspricht das Recht, Zertifikate zu vergeben,auch einer Monopolfunktion. Dies gilt um so mehr, wenn das zu vergebende Zertifikatein „Alleinstellungsmerkmal“ der jeweiligen Institution ist; der Nachteil dabei istallerdings, dass die Anerkennung und Durchsetzung des Zertifikats oft außerhalb derGrenzen der vergebenden Instanz unter Umständen geringe Geltung besitzt. Hier ha-ben ordnungspolitische Funktionen (wie etwa staatliche Anerkennung eines Zertifi-kats) eine monopolstützende Funktion, die sich wiederum vor allem über die Qualitätdes Zertifikats legitimiert. Mit dem Recht und der Praxis der Vergabe von Zertifikatenüben Institutionen auch in gewisser Weise eine Herrschaftsfunktion aus, indem sieeinen Ausleseprozess steuern und den Zugang zu bestimmten Berufs- und Tätigkeits-feldern über die eigene Institution lenken.

Im gesellschaftlichen Kontext erfüllen Zertifikate und insbesondere Abschlüsse zunächstund zuallererst eine Selektionsfunktion; das Recht auf und die Zuweisung von Zertifi-katen definiert die Auswahl von Personen innerhalb des Bildungssystems, aber auch(in begrenztem Umfang) in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Darüber hinaus ha-ben Zertifikate gesellschaftlich eine ordnungsstiftende und standardsetzende Funkti-on. Zertifikate stellen eine Form von Übersichtlichkeit und Stabilität in der Gesell-schaft her, insofern sie definiert, transparent und verbindlich sind. „Wenn also gewisseZertifikate ganz bestimmte Optionen eröffnen oder verbieten, dann muss es – so erhof-fen sich manche – hierüber keine weiterführenden Auseinandersetzungen mehr ge-ben“ (Moser 2003, S. 43).

Insgesamt geben Zertifikate allen, die daran interessiert sind, Auskunft darüber, dassihre Träger

• benennbare und nachvollziehbare Lerninhalte bearbeitet haben,• durch Noten oder ähnliche Klassifikationssysteme nachgewiesene Lernerfolge er-

zielt haben,• sich über eine bestimmte Zeit Lernanforderungen gestellt haben,• bei bestimmten Personen und Institutionen Prüfungen abgelegt haben und• dabei einen definierten Kontext des Lernens gesucht haben (vgl. Faulstich 1997,

S. 173).

Die Zertifikate haben von daher eine strukturierende Funktion im Bildungsbereich, dieum so wichtiger wird, je offener und flexibler, modularisierter und differenzierter derBildungsbereich wird. Dies gilt für die Weiterbildung schon immer, in den letzten Jah-ren jedoch vermehrt. Die strukturierende Kraft der Zertifikate wird dort noch zusätz-lich differenziert und kompliziert, in dem nur bestimmte Zertifikatskombinationen ei-

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nen angestrebten Funktionsgehalt erfüllen. Dies gilt etwa für die Hochschulzugangs-berechtigung ohne das generell gültige „Abitur“, wie sie in den meisten deutschenBundesländern mittlerweile geregelt ist. Hier gelten jeweils unterschiedliche Kombi-nationen von Berufstätigkeit, beruflicher Qualifizierung, Eingangsprüfung und Vorlagevon Zertifikaten.

3. Regelungsbereiche von Zertifikaten

Hinsichtlich der Regelungen von Prüfungen und Zertifikaten der Weiterbildung be-steht in der Bundesrepublik Deutschland eine große Heterogenität. Von einer Verein-heitlichung der Abschlussregelungen, die eine Vergleichbarkeit und somit auch eineAufwertung der Weiterbildungs-Zertifikate bewirken würde, ist man noch weit ent-fernt. So können nicht nur unterschiedliche Stellen (Handelskammern, Bundesminis-terium für Bildung und Forschung) zu dem gleichen Fortbildungstyp (z. B. Industrie-master) Regelungen erlassen, es können auch für ein- und dieselbe Fortbildung (z. B.Bankfachwirt) parallel eine große Anzahl an rechtlichen Regelungen existieren. Fürdie Fortbildung zum Bankfachwirt etwa gab es im September 2000 alleine 47 Rege-lungen einzelner Industrie- und Handelskammern. Für die Interessenten, die sich durcheine Fortbildung gezielt weiterqualifizieren möchten und deshalb im voraus den Wertdes damit verbundenen Zertifikats abzuschätzen versuchen, bringt diese Vielfalt undUneinheitlichkeit große Probleme mit sich.

Die Uneinheitlichkeit in der rechtlichen Definition dessen, was ein Zertifikat ausmacht,kann auf unterschiedlichsten Ebenen liegen. Es betrifft jeweils die Aspekte, die in denrechtlichen Bestimmungen zu den Zertifikaten festgelegt sind; sie können unterschied-lich ausgeprägt oder auch gar nicht festgelegt sein. Im Folgenden werden diese Rege-lungsbereiche bei Zertifikaten vorgestellt und beispielhaft erläutert (3.1), sodann nocheinige Aussagen zur Durchsetzung und „Marktrelevanz“ von Zertifikaten der Weiter-bildung gemacht (3.2).

3.1 Regelungsfelder von Zertifikaten

In den bestehenden Gesetzen, Rechts- und Durchführungsverordnungen sind insbe-sondere folgende Aspekte geregelt:

Zum Geltungsbereich werden dann Aussagen gemacht, wenn ein Zertifikat eine staat-liche Anerkennung und Rechtsgrundlage hat. Dies gilt etwa im Bereich der Ausbil-dereignungsverordnung (AEVO), die bundesweit bereichsübergreifend gilt, oder dernachzuholenden allgemein bildenden Abschlüsse im „zweiten Bildungsweg“, diejeweils landesspezifisch Gültigkeit haben. In der Ausbildereignungsverordnung heißtes zum Geltungsbereich etwa in § 1: „Ausbilder in Gewerbebetrieben, im Bergwe-sen, in der Landwirtschaft, in der Hauswirtschaft und im öffentlichen Dienst habenfür die Ausbildung in nach dem Berufsbildungsgesetz geregelten Ausbildungsberufen

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den Erwerb der berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse gem. den §§ 2 – 6nachzuweisen.“

Der Geltungsbereich ist auch angesprochen in den Landesgesetzen zur Weiterbildung,sofern sich diese mit Zertifikaten und Prüfungen befassen. Im „Gesetz zur Förderungder Erwachsenenbildung“ des Freistaates Bayern heißt es dazu in Art. 17 „Zertifikateund Prüfungen“:„(1) Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung können Zertifikate als Nachweis desAbschlusses eines Ausbildungsganges erteilen.(2) Das Staatsministerium für Unterricht und Kultur erarbeitet hierfür nach Anhörungdes Landesbeirats Empfehlungen.(3) Es kann bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen eine staatliche Anerken-nung von Zertifikaten aussprechen.(4) Soweit Einrichtungen der Erwachsenenbildung in ihren Ausbildungsgängen die all-gemein geltenden Voraussetzungen für Abschlüsse nach dem Schulrecht erfüllen, sindderen Teilnehmer zu den entsprechenden schulrechtlichen Abschlussprüfungen zuzu-lassen.(5) Nach anderen Bestimmungen notwendige Anerkennungen sowie bundesrechtli-che Regelungen werden hierdurch nicht berührt.“

Nicht in allen Fällen wird der Geltungsbereich explizit genannt, sondern er ergibt sichimplizit durch die zertifikatsvergebende Institution bzw. den Beschäftigungsbereichderjenigen, welche ein Zertifikat erwerben. Dies gilt etwa in allen „innerorganisatori-schen“ Bereichen, in denen Weiterbildungszertifikate existieren – so etwa bei der Bun-deswehr, der Polizei, Beamtenlaufbahnen etc.

Den weitestgehenden Geltungsbereich in Deutschland für Weiterbildungs-Zertifikatehaben das Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung. Beide erfüllen gewisser-maßen eine bundesweite Rahmenregelung, innerhalb derer dann regionale und sekto-rale Bestimmungen für Zertifikate getroffen werden können. Der Wortlaut des Berufs-bildungsgesetzes in § 46 (mit ihm beginnt der sechste Abschnitt „berufliche Fortbil-dung, berufliche Umschulung“) lautet:

„(1) Zum Nachweis von Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen, die durch berufli-che Fortbildung erworben worden sind, kann die zuständige Stelle Prüfungen durch-führen; sie müssen den besonderen Erfordernissen beruflicher Erwachsenenbildungentsprechen. Die zuständige Stelle regelt den Inhalt, das Ziel, die Anforderungen, dasVerfahren dieser Prüfungen, die Zulassungsvoraussetzungen und errichtet Prüfungs-ausschüsse ...

(2) Als Grundlage für eine geordnete und einheitliche berufliche Fortbildung sowie zuihrer Anpassung an die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erforder-nisse und deren Entwicklung kann der Bundesminister für Bildung und Forschung imEinvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit oder dem sonst zu-

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ständigen Fachminister nach Anhören des Ständigen Ausschusses des Bundesinstitutsfür Berufsbildung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesratesbedarf, den Inhalt, das Ziel, die Prüfungsanforderungen, das Prüfungsverfahren sowiedie Zulassungsvoraussetzungen und die Bezeichnung des Abschlusses bestimmen. Inder Rechtsverordnung kann ferner vorgesehen werden, dass die berufliche Fortbildungdurch Fernunterricht vermittelt wird. Dabei kann bestimmt werden, dass nur solcheFernlehrgänge verwendet werden dürfen, die nach § 12 Abs. 1 des Fernunterrichts-schutzgesetzes zugelassen oder nach § 15 Abs. 1 des Fernunterrichtsschutzgesetzesals geeignet anerkannt worden sind.“

Immer dann, wenn Regelungen zu Zertifikaten erlassen werden, enthalten diese auchAussagen zur Qualifikation. Dabei können die Aussagen differenziert oder allgemein,konkret oder abstrakt sein. Eine allgemeine Definition des Qualifikationsnachweisesenthält etwa die Rechtsvorschrift für die Fortbildungsprüfung zum anerkannten Ab-schluss „Technischer Betriebswirt IHK/Technische Betriebswirtin IHK“; dort heißt es in§ 1 „Ziel der Prüfungen und Bezeichnung des Abschlusses“:

„(1) Zum Nachweis von Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen, die durch die be-rufliche Weiterbildung zum Technischen Betriebswirt/zur Technischen Betriebswirtinerworben worden sind, kann die Industrie- und Handelskammer Prüfungen nach den§§ 3 – 9 durchführen.(2) Durch die Prüfung ist festzustellen, ob der Prüfungsteilnehmer ein vertieftes underweitertes betriebswirtschaftliches Fachwissen erworben hat, das ihn neben seinentechnischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen befähigt, als betriebliche Füh-rungskraft Aufgaben an der Schnittstelle des technischen und kaufmännischen Funkti-onsbereichs zu übernehmen.“

Wesentlich differenzierter dagegen die besondere Rechtsvorschrift für die Fortbildungs-prüfung zum/zur „Floristmeister/Floristmeisterin“; dort heißt es in § 1 („Ziel der Prü-fung“) unter Abs. 2:

„(2) Durch die Prüfung ist festzustellen, ob der Prüfungsteilnehmer/die Prüfungsteil-nehmerin die notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen hat, folgendeAufgaben eines Floristmeisters/einer Floristmeisterin als Fach- und Führungskraft inseinem/ihrem Aufgabenbereich wahrzunehmen:

1. Disponieren, Einkaufen, Verwalten und Einsetzen von Waren; Beachten von Qua-litätsanforderungen und einschlägiger Rechtsvorschriften; Veranlassen der sach-gerechten Lagerung von Waren, Materialien und Hilfsmitteln; Überprüfen des Be-standes und der Warenausgabe; Veranlassen der Instandhaltung von Einrichtun-gen, Maschinen und Geräten.

2. Durchführen von Kostenrechnungen und Preiskalkulation; Überwachen der Kos-tenentwicklung sowie der Arbeitsleistung; Sicherstellen der Kontrollen ein- und

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ausgehender Erzeugnisse, Waren und Materialien hinsichtlich ihrer Quantität undQualität; Beeinflussen des Personal- und Materialeinsatzes zur Gewährleistungeines störungsfreien, termingerechten und wirtschaftlichen Arbeitens; Hinwirkenauf eine reibungslose Zusammenarbeit im Betriebsablauf; Zusammenarbeit mitanderen Betriebsteilen; Beraten von Kunden; Führen von Verkaufsgesprächen.

3. Selbstständiges Ausführen von Arbeiten sowie Übertragen von Aufgaben unterBerücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und sozialer Aspekte auf die Mitar-beiter entsprechend ihrer Qualifikation, Leistungsfähigkeit und Eignung; Einarbei-ten, Motivieren und Anleiten der Mitarbeiter; berufliche Bildung der Mitarbeiter;Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und dem Betriebsrat.

4. Durchführen der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes sowie der Un-fallverhütung in Abstimmung mit den mit der Arbeitssicherheit befassten Stellenund Personen innerhalb und außerhalb des Betriebes; Erkennen der betriebsbe-dingten Umweltbelastungen und Beachten der Umweltschutzbestimmungen.“

Auch die bundesweit gültige Ausbilder-Eignungsverordnung ist in der Definition deszu erwerbenden Kompetenzprofils bei Vergabe des Zertifikats sehr differenziert; dortwerden als eignungsrelevante Qualifikationen angegeben: Allgemeine Grundlagenbetrieblicher Ausbildung, Planung der Ausbildung, Mitwirkung bei der Einstellung vonAuszubildenden, Ausbildung am Arbeitsplatz, Förderung des Lernprozesses, Ausbil-dung in der Gruppe, Beendigung der Ausbildung – mit jeweiliger Ausdifferenzierung.

Bei den Zugangsvoraussetzungen können die Regelungen für Zertifikate in zwei Rich-tungen formuliert sein: zum einen in Richtung auf die Person, welche ein Zertifikaterwerben will, zum anderen in Richtung auf die curricularen Lernprozesse, die vorEintritt in eine Zertifikatsprüfung absolviert sein müssen.

Beispiel für die Zulassungsvoraussetzungen ist der Technische Betriebswirt IHK/Tech-nische Betriebswirtin IHK, wonach in § 2 („Zulassungsvoraussetzungen“) geregelt ist,dass zuzulassen sei, wer

„1.eine mit Erfolg abgelegte Prüfung zum Industriemeister oder eine vergleichbaretechnische Meisterprüfung oder

2. eine mit Erfolg abgelegte staatlich anerkannte Prüfung zum Techniker oder zumIngenieur mit wenigstens zweijähriger einschlägiger beruflicher Praxis nachweist.“(Vielfach sind diese personenbezogenen Zulassungsvoraussetzungen jedoch auchmit Sonderklauseln versehen wie in diesem Beispiel unter § 2, Abs. 2: „Abwei-chend von Abs. 1 kann zur Prüfung auch zugelassen werden, wer durch Vorlagevon Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft macht, dass Erkenntnisse, Fertig-keiten und Erfahrungen erworben hat, die eine Zulassung zur Prüfung rechtferti-gen.“)

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Die Zugangsvoraussetzungen, welche weniger in der Person als vielmehr in einer be-stimmten Abfolge von weiterbildungsqualifizierenden „Modulen“ liegt, sind besondersausgeprägt in den Bestimmungen der beamtenmäßigen Laufbahnen, in denen nichtnur das Vorliegen bestimmter Abschlüsse, sondern auch jeweils eine Zeit definiertsind, die zwischen den aufeinander aufbauenden Abschlüssen liegen muss.

Die Prüfungsverfahren dienen in der Regel dazu, das erworbene Zertifikat in seinerQualität sicherzustellen und gegenüber den geprüften sowie den Abnehmern zu legi-timieren. Das Prüfungsverfahren muss in der Regel standardisiert, transparent, verbind-lich und überprüfbar sein. In den Bestimmungen, welche das Prüfungsverfahren be-schreiben, sind in der Regel zwei Blöcke festgelegt: zum einen, was vor der eigentli-chen Prüfung zu erfolgen hat, zum anderen, wie die eigentliche Prüfung abläuft.

In den Bestimmungen zu den Fragen, die vor der Prüfung zu klären sind, sind festge-legt:• der Termin und die Art der Terminfestsetzung;• die örtliche Zuständigkeit;• das Anmeldeverfahren;• Kriterien und Verfahren der Entscheidung über die Zulassung;• Festsetzung von Höhe und Zahlweise der Gebühren.

Bezüglich der Durchführung der eigentlichen Prüfung werden folgende Aspekte in derRegel festgelegt:• Beschreibung und Festlegung des Prüfungsgegenstandes;• Gliederung und Ablauf der Prüfung;• Aufgaben für den Prüfling, Anteile theoretischer, praktischer, mündlicher Prüfung;• Öffentlichkeit, Anwesenheit Externer;• Aufsicht, Leitung und Rolle der Prüfenden;• Täuschung und Verfahren bei Täuschungsversuchen;• Rücktritt, Nichtteilnahme und Verfahren;• Nicht-Bestehen und Möglichkeiten;• Wiederholungsprüfungen;• Rechtsbehelf;• im Zusammenhang mit der Prüfung verfügbare und ausgehändigte Unterlagen.

Die gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen auf dem Verordnungswege, welcheZertifikate betreffen, enthalten in der Regel genaue Aussagen zu der Frage, welcheInstitutionen prüfungsberechtigt sind und welche Prüfungsgremien für die Prüfungeneinzurichten sind. So legen etwa die Weiterbildungsgesetze und die Schulgesetze derLänder fest, welche Einrichtungen und welche Personen unter welchen Bedingungenallgemeine Schulabschlüsse bei Erwachsenen prüfen dürfen. Oder die zuständigenStellen nach § 46 Berufsbildungsgesetz errichten Prüfungsgremien („Prüfungsausschüs-se“), welche sich ihrerseits eigene Prüfungsordnungen geben.

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In der Regel legt der Gesetzgeber hinsichtlich Institutionen und Prüfungsgremien fol-gende Punkte fest:• Berechtigung der Institution, Prüfungen abzunehmen;• Zusammensetzung der Prüfungsgremien(-ausschüsse);• Berufbarkeit und Berufungsverfahren für Gremienmitglieder (z. B. Ausschluss von

Befangenheit etc.);• Vorsitz und Rollenverteilung im Gremium;• Beschlussfähigkeit, Beschlussverfahren;• Geschäftsführung, Protokollführung;• Verschwiegenheit;• Erlass einer Prüfungsordnung mit Geschäftsordnung für das Gremium.

In der Regel werden auch Festlegungen dazu getroffen, in welcher Weise die Zertifika-te und Zeugnisse, welche auf der Grundlage der Prüfungen vergeben werden, zu ge-stalten sind. In der Ausbildereignungsverordnung heißt es dazu etwa:

„§ 5 ZeugnisÜber die bestandene Prüfung ist dem Prüfungsteilnehmer ein Zeugnis auszustellen,aus dem hervorgeht, dass er die berufs- und arbeitspädagogische Qualifikation nachdieser Verordnung durch die Prüfungsleistungen gem. § 3 Abs. 2 nachgewiesen hat.“

In der Regel enthalten die Zeugnisse/Zertifikate, die in diesem Kontext entstehen, fol-gende Merkmale:• das festgestellte Endergebnis,• differenzierte Bewertungen zu einzelnen Fächern,• Bekanntgabe und Geltungsverfahren,• Prüfer und Prüfungsinstanz,• Zeugnisse und Zeugnisform.

3.2 Anerkennung von Zertifikaten

Man muss feststellen, dass die Entwicklung von Zertifikaten in der Weiterbildung erstin den Anfängen steckt. Entsprechend heterogen sind Zertifikate, entsprechend wenigvergleichbar ihre Aussagekraft und ihre Gültigkeit. Auch sind übergreifende Qualitäts-merkmale für das Ausstellen von Zertifikaten in der Weiterbildung noch in weiter Fer-ne. Hier liegen im Kontext des lebenslangen Lernens und künftiger bildungspolitischerKonzepte große Aufgaben.

Es ist dabei aber auch in Rechnung zu stellen, dass Zertifikate der Weiterbildung einenanderen Wert und Zuschnitt haben als Zeugnisse und Zertifikate etwa der Berufsaus-bildung, der allgemeinbildenden Schulen und der Hochschulen. Zertifikate der Wei-terbildung schließen in der Regel weniger versäulte und curricular durchstrukturierteBildungsgänge ab, bestätigen eher kürzerfristige und flexiblere Lernleistungen als dasAbsolvieren langjähriger Lernprogramme. Zertifikate der Weiterbildung kommen eher

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ergänzend zu konstitutiven Abschlüssen und Zertifikaten hinzu, die im Bereich vonBerufsbildung, Hochschulbildung und allgemeinbildendem Schulwesen erbracht wur-den. Sie unterliegen auch anderen Prüf- und Bewertungskriterien als diese.

Der Stellenwert von Weiterbildungs-Zertifikaten für Arbeitsmarkt und Berufskarrierehängt stark von Bekanntheit und Reichweite der Zertifikate selbst ab. Diese wiederumwird bestimmt von der Art der Weiterbildungsträger, ihrem Image im Nachfragebe-reich und der regionalen bzw. sektoralen Ausdehnung ihrer Infrastruktur. So habenetwa Träger mit bundesweiter Infrastruktur wie viele Bildungswerke z. B. der Gewerk-schaften, der Wohlfahrtsverbände, von Wirtschaftsbranchen usw. hier große Vorteilegegenüber nur regional tätigen Anbietern. Abgesehen von den wenigen Ausnahmen,in denen Zertifikate der Weiterbildung staatlich anerkannt und damit in Laufbahnenund Arbeitsmarktprozessen unstrittig vorweisbar sind, sind Zertifikate davon abhän-gig, wie weit sie sich auf dem Markt durchsetzen. Dabei spielt etwa die Kooperationdes zertifikatsvergebenden Trägers mit einem bestimmten Nachfrage- und Beschäfti-gungsfeld eine große Rolle. Dies gilt etwa für Zweck- und Fachverbände, die eng mitden sektoral tätigen branchenspezifischen Bildungswerken der Wirtschaft zusammenarbeiten, bei den Verwaltungsakademien für den öffentlichen Dienst oder bei den Bil-dungswerken der Wohlfahrtsverbände für die Arbeit in denselben. In diesen Fällenwird der zertifikatsvergebende Weiterbildungsträger direkt von den Nachfragern sei-ner Zertifikate getragen.

Für private bzw. kommerzielle Träger dagegen, die ihre Angebote auf dem Weiterbil-dungsmarkt nach eigenen Vorstellungen konzipieren, gilt dies nicht. Sie müssen häu-fig, um gegenüber den Nachfragern die Arbeitsmarktrelevanz ihrer Zertifikate demons-trieren zu können, auf die Anerkennung durch die Arbeitsverwaltung oder die Orien-tierung an öffentlich-rechtlich geregelten Prüfungen hinweisen. Hier wiederum sindKammern als wirtschaftsnahe Anbieter und „zuständige Stellen“ (d. h. staatlich aner-kannte Prüfungsinstanzen) in einer besonders günstigen Position.

Der Stellenwert von einzelnen Zertifikaten kann sich wesentlich dadurch erhöhen,dass sie Teil eines Zertifikatssystems sind, wie dies z. B. bei den Berufsbildungspässender Fall ist und bei dem angestrebten deutschen Bildungspass vorgesehen ist. SolcheZertifikatssysteme erlauben den schrittweisen Erwerb von Qualifikationen und über-zeugen zudem durch ihr Gesamtkonzept. Allerdings spielt die Akzeptanz der Zertifika-te insbesondere auch mit Blick auf die geforderte Leistung, es zu erwerben, eine be-deutsame Rolle. So werden beispielsweise selbst die international bekannten Sprach-zertifikate des Deutschen Volkshochschulverbandes nicht in allen Bereichen der Wirt-schaft in gleichem Umfang akzeptiert (vgl. Alt u. a. 1993).

Ein wesentlicher Aspekt dafür, dass Zertifikate wirksam sind, ist nicht nur ihre Nähe zudefinierten Tätigkeitsfeldern, sondern auch ihre Transparenz und ihr Marketing. Dajeder Weiterbildungsanbieter Zertifikate erteilen kann, besteht bereits jetzt ein unüber-sichtliches Angebot an Zertifikaten, deren Qualität und Verwertbarkeit schwer einge-

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schätzt werden kann. Selbst im Teilbereich der abschlussbezogenen kaufmännischenWeiterbildung, der eine lange Tradition hat, wurde noch vor zehn Jahren eine erhebli-che Intransparenz und Inkompatibilität festgestellt. Gerade auch mit Blick auf die eu-ropäische Einigung und eine Standardisierung und Qualitätssicherung im Weiterbil-dungsbereich wird perspektivisch eine Regulierung und ordnungspolitische Durch-dringung des Zertifikatswesens in der Weiterbildung nicht ausbleiben. Dies kann undwird unter Einschluss derjenigen Zertifikate und Nachweise erfolgen, welche auchnon-formales und informelles Lernen bestätigen.

4. Rechtsgrundlagen von Zertifikaten

Die Vielfältigkeit von Zertifikaten und Abschlüssen in der Weiterbildung spiegelt sichauch in ihren rechtlichen Grundlagen. Es ist derzeit nicht einmal immer möglich, denunterschiedlichen Recht setzenden Instanzen eindeutig bestimmte Weiterbildungsbe-reiche zuzuordnen. So werden beispielsweise Verordnungen zu bestimmten berufli-chen Fortbildungszertifikaten zum einen von Kammern erlassen, zum anderen vomBundesministerium für Bildung und Forschung im Einvernehmen mit dem Bundesmi-nisterium für Wirtschaft; die Kammerregelungen haben dann jeweils nur eine regiona-le Gültigkeit, während diejenigen der Bundesressorts bundesweit Vorgaben machen.

Die Rechtssysteme, innerhalb derer Abschlüsse und Zertifikate geregelt sind, liegenauf unterschiedlichen Ebenen – Europa, Bundesrepublik, Bundesländer, sektorale Be-stimmungen. Die Ebene, auf welcher die Rechtsbestimmungen liegen, definieren inder Regel die Konkretion sowie den Geltungsbereich. Allgmein kann man sagen: Jegrößer die regionale oder sektorale Gültigkeit, desto geringer die Konkretion.

In der Europäischen Union sind vor allem Fragen der Anerkennung und Prüfung vonZertifikaten relevant. So trifft der Artikel 47 des Vertrags der Europäischen Gemeinschaftdie Aussage, dass für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissenund sonstigen Befähigungsnachweisen Richtlinien vom Europäischen Rat erlassen wer-den sollen. Die akademische Anerkennung von Diplomen, die dem Inhaber derselbenin allen Staaten der Europäischen Union die gleichen Möglichkeiten bietet, fällt in dieZuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Bei der Anerkennung für berufliche Zwecke ist zwi-schen den reglementierten und den nicht reglementierten Berufen und Qualifikationenzu unterscheiden. Als reglementiert wird ein Beruf dann bezeichnet, wenn der Besitzseines Abschlusses oder einer bestimmten nachgewiesenen Qualifikation rechtlich not-wendig ist, um den betreffenden Beruf überhaupt ausüben zu können. Zur Anerkennungvon Zertifikaten in solchen reglementierten Berufen gibt es vier Richtlinien (89/48/EWG;92/51/EWG; 99/42/EG; 2001/19/EG). Für alle anderen Fälle, die nicht von diesen Richt-linien betroffen sind, gilt der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Unionverpflichtet sind, die jeweils erworbene Qualifikation hinreichend zu berücksichtigenund auf ihre Gleichwertigkeit hin zu überprüfen.

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Auf nationaler Ebene, im Bundesrecht der Bundesrepublik Deutschland, gibt es keinerechtlichen Regelungen zur allgemeinen und nichtberuflichen Weiterbildung, wasAbschlüsse und Zertifikate betrifft. Zu den berufsbezogenen Zertifikaten und Abschlüssenbestehen Regelungen unterschiedlicher Reichweite zu:• beruflichen Fortbildungsabschlüssen,• Fortbildungen in IT-Berufen,• Weiterbildung im Gesundheits- und Pflegewesen,• Meisterprüfungen,• Ausbildereignungs-Prüfungen,• Fernunterricht,• Weiterbildung von Beamten und Soldaten,• wissenschaftlicher Weiterbildung und• Weiterbildungsförderung im Sozialgesetzbuch III.

Generell hat der Bund die Kompetenz, Prüfungsregelungen für die berufliche Weiter-bildung festzulegen; im Berufsbildungsgesetz und in der Handwerksordnung, den bei-den wichtigen einschlägigen Gesetzen, ist jedoch nur eine „subsidiäre“ Vorgehens-weise des Bundes vorgesehen. De facto heißt das, dass in der Regel die zuständigenStellen (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Ärztekammern etc.)entsprechende Prüfungen und Prüfungsordnungen festlegen. Daher ist die Regelungder beruflichen Fortbildung durch den Bund die Ausnahme. So stehen derzeit etwazweitausendsechshundert Fortbildungsregelungen der „zuständigen Stellen“ nur etwavierhundertfünfzig des Bundes gegenüber. Allerdings: Neben dem Prinzip der Subsidi-arität gilt auch der Grundsatz der „Präklusion“, der besagt, dass, sobald der Bund eineFortbildungsordnung erlassen hat, die Gültigkeit der entsprechenden Fortbildungsord-nungen der zuständigen Stellen endet.

Die Verästelungen der Zuständigkeiten und Regelungsdichte im Bereich von einzel-nen Berufsfeldern wie etwa dem Gesundheits- und Pflegewesen, den IT-Berufen sowiesogar auch den Meisterprüfungen sind vielfältig. Teilweise liegen bundeseinheitlicheRahmenrichtlinien vor, teilweise kooperieren Bundesländer und Kammerbereiche beider Festlegung von Regelungen (vgl. Nuissl/Conein 2003).

Ein klareres Bild ergibt sich bei der Ausbildereignungsverordnung, die bundesweitfestlegt, unter welchen Bedingungen Ausbilder im beruflichen Bereich tätig werdenkönnen. Die bestehende Ausbildereignungsverordnung (AEVO) wurde ab August 2003im Zuge der Agenda 2010 für zunächst fünf Jahre ausgesetzt, um mehr Ausbil-dungsungsplätze zu schaffen; es wird gehofft, dass insbesondere kleinere Betriebeeher Lehrstellen anbieten, die keine Beschäftigten mit Zertifikaten nach AEVO-Lehr-gängen haben.

Eine besondere Rolle spielt auch das Fernunterrichtsschutzgesetz, das als ein „Ver-braucherschutzgesetz“ schon vor dreißig Jahren neue Maßstäbe im Bildungsbereichsetzte. Es regelt nicht nur die Bedingungen von Verkauf und Anerkennung von Fernun-

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terrichtsaktivitäten, sondern legt auch Grundlinien der Prüfungen im Rahmen von Fern-unterricht fest.

Die Bundesländer sind insofern mit Zertifikaten und Abschlüssen befasst, als sie in denWeiterbildungsgesetzen, den jeweiligen Hochschulgesetzen und den Bestimmungenfür den zweiten Bildungsweg entsprechende Aussagen machen. In den Weiterbildungs-gesetzen sind Regelungen nicht generell zu finden und – wenn vorhanden – nur sehrgrundsätzlicher Art. Dies gilt auch für die Hochschulgesetze der Länder und betrifftdort vor allem postgraduale Studiengänge, deren genauere Regelungen den universitä-ren Verordnungen zugewiesen werden. Anders sieht es aus mit den Bestimmungenzum zweiten Bildungsweg, die von der Regelungsdichte sehr eng an den Schulgeset-zen der Länder liegen.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass es im beruflichen Bereich vor allem dieKammern sind, die wichtige Grundlagen für Abschlüsse und Zertifikate im berufsbil-denden Bereich legen. Sie erlassen in der Regel sehr konkrete Vorschriften, die in derRegelungsdichte nahezu alle Aspekte abdecken, die von Zertifikatsregelungen betrof-fen sind. Allerdings: Die Vorschriften, welche die Kammern für Zertifikate und Ab-schlüsse erlassen, sind in der Regel sektoral und regional begrenzt und untereinander,also zwischen den Kammerbereichen, nicht notwendig harmonisiert oder kompatibel.

Für Absolventen von Zertifikaten und Abschlüssen in der Weiterbildung ist dies allesmit Sicherheit unbefriedigend. Es ist auch unbefriedigend unter bildungspolitischenAspekten, die Regelungen wie Transparenz, Durchlässigkeit und Kohärenz in den Vor-dergrund stellen. Aus bildungspolitischer wie auch aus bildungswissenschaftlicher Sichtist es in absehbarer Zukunft unerlässlich, den Bereich der Zertifikate zu ordnen, zuerweitern und auf durchlässige, transparente und verlässliche Grundlagen zu stellen.

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Elisabeth Kouhdasti-Wappelshammer

Maßstäbe zur Beurteilung angesichts der Dynamikengesellschaftlicher Modernisierung

Die Zeiten der unhinterfragt objektiven Maßstäbe zur Beurteilung von Leistungen undKompetenzen sind vorbei. Mehr denn je geht es darum, Maßstäbe in ihrem Verhältniszu allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen zu relativieren. Wer das nicht tut,geht leicht in die Irre von Anachronismen und Fundamentalismen aller Art.

Bestimmend für heutige allgemeine Entwicklungen sind die komplexen Phänomenegesellschaftlicher Modernisierung. Das Handlungsfeld gesellschaftlicher Modernisie-rung ist gekennzeichnet von paradoxen Dynamiken auf mehreren gesellschaftlichenEbenen. Relevante Dimensionen auf dem komplexen Handlungsfeld der Modernisie-rung sind die Ebene der Struktur, die Ebene der Kultur, die Ebene der Person und dieEbene der Natur (vgl. das Modell von van der Loo/van Reijen 1997). Im Folgendenmöchte ich das Thema Beurteilung mit diesen vier Aspekten verbinden.

1. Zur Ebene der Struktur auf dem Handlungsfeld der Modernisierung

Die spezifische Dynamik auf der Ebene der Struktur ist die voranschreitende Differen-zierung mit dem paradoxen Phänomen von Zersplitterung und Globalisierung. Orga-nisationen tendieren zu immer mehr kleinen Teileinheiten und zu immer umfassende-ren übergeordneten Einheiten. Das bedeutet eine Maßstabsverkleinerung bei gleich-zeitiger Maßstabsvergrößerung. Die entsprechenden Trends in der Bildungsarbeit sindeinerseits Konzepte lernender Regionen oder Gemeinwesen, andererseits supranatio-nale Konzepte von Lernen und seiner Bewertung, z. B. im Rahmen der von der OECDin Auftrag gegebene PISA Studie (= Programme for International Student Assessment).

Die Ergebnisse dieser Studie wurden vielfach insbesondere von der Politik als die Er-gebnisse einer objektiven Messlatte aufgenommen, wie z. B. von Edmund Stoiber: „DieLänder wissen jetzt, wo sie im Vergleich untereinander und international stehen“ (Stoi-ber 2002). Im Rahmen der Erziehungswissenschaften löste diese Studie aber auch rechtlebhafte Kritik aus, die sich auf die spezifische Perspektive der OECD und die damitverbundene Relativität der Ergebnisse bezogen (vgl. z. B. Klemm 2002 und Struck 2002).Klemm mahnt aus ideologiekritischer Sicht an, dass PISA sich an den Maßstab derRationalität neoliberaler Lebens- und Produktionsverhältnisse orientiert und Lernenals Instrumentalisierungs- und Anpassungsleistungen im Sinne der wirtschaftlichenEntwicklungen von Industriestaaten versteht. Den Beurteilungskriterien liegt in ersterLinie der Anspruch auf konsequente ökonomische Verwertbarkeit humaner Ressour-cen zugrunde. Das hat laut Klemm eine verkürzte Sicht auf Kompetenzen zur Folge.Im Vergleich zur PISA- Studie, die Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft in den

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Mittelpunkt stellt, ruft Klemm sechs Kompetenzen von Oskar Negt zur Gesellschafts-veränderung aus dem Jahr 1997 in Erinnerung (Klemm 2002):

• Grundlagenkompetenz: Zusammenhang herstellen;• Identitätskompetenz: Umgang mit bedrohter und gebrochener Identität lernen;• technologische Kompetenz: gesellschaftliche Wirkung von Technik begreifen;• Gerechtigkeitskompetenz: Sensibilität für Enteignungserfahrungen;• ökonomische Kompetenz: pfleglicher Umgang mit Menschen, Natur und Dingen;• historische Kompetenz: Erinnerungs- und Utopiefähigkeit.

Peter Struck kritisiert vor allem die Kulturinvarianz der Studie und ihre Orientierungauf Wissensfragen und plädiert für eine stärkere Fokussierung auf pädagogische Impul-se: „Nicht um stärkere Normierung kann es gehen, sondern um den Wiedereinzug derPädagogik in den Schulen“ (Struck 2002). Der große Maßstab übergeordneter Organi-sationen signalisiert also eine Objektivität, die sich bei näherem Hinsehen als spezi-fisch ideologische Perspektive erweist.

2. Zur Ebene der Kultur auf dem Handlungsfeld der Modernisierung

Die spezifische Dynamik auf der Ebene der Kultur ist die voranschreitende Rationali-sierung mit dem paradoxen Phänomen von Pluralismus und Uniformität. Immer viel-fältigere Lebens- und Denkwelten entwickeln sich neben immer umfassenderen Ver-einheitlichungen. Auf der Ebene der Bildung lösen sich alte Wertekanons auf – z. B.auf dem Gebiet von Moral und Sitte, zugleich formieren sich auch globale Maßstäbeneu – z. B. im Rahmen des Instrumentariums der Qualitätssicherung. Auf der Ebeneder Kultur wird besonders deutlich, dass ein objektiv gültiges, in sich geschlossenesBewertungssystem nur mehr als anachronistischer und fundamentalistischer Anspruchverstanden werden kann.

Ein in Österreich aktuelles Beispiel ist die jüngste Evaluation des Instituts für Erzie-hungswissenschaft der Universität Innsbruck. Die fachliche Identität des Instituts undder Mehrzahl der dort Lehrenden und Forschenden bezieht sich auf die Tradition der68er Bewegung und das entsprechende Universitätsorganisationsgesetz (= UOG) von1975, das eine breite Mitbestimmung von Lehrenden und Studierenden zur Folge hat-te. Das Institut galt als sehr bunt und heterogen, mit engagierten Schwerpunkten inPsychoanalyse, Kulturwissenschaft und Feminismus. Im Zuge der Reorganisation derUniversitäten im Sinne straffer Hierarchien des UOG 1993 gab der Rektor der Univer-sität Innsbruck den Auftrag zu einer Evaluierung des Instituts – bei zwei SchweizerGutachtern und einer deutschen Gutachterin. Das deutsche Gutachten von Prof. Re-nate Girmes war insgesamt eher positiv, das Schweizer Gutachten beurteilte das Insti-tut dermaßen negativ, dass es rund um dieses Gutachten eine Menge an Debatten,Publikationen, Unterschriftenaktionen und eine Tagung gegeben hat. Schon vor demabschließenden Bericht stellten die Schweizer Gutachter Prof. Jürgen Oelkers und Prof.

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Fritz Oser in einem Brief an den Vizerektor der Universität Innsbruck mit dem Hinweisauf akuten Handlungsbedarf fest:

„Auch wenn der abschließende Bericht erst im Februar (2002) erfolgen wird, müssenwir unmittelbar gravierende grundsätzliche Mängel ... feststellen. Diese Mängel be-treffen die unadäquate Fachstruktur, die fehlende Forschung, fehlende Studienkoordi-nation, den unklaren Studienaufbau, zu geringe Drittmittelaufkommen, fehlende Stan-dards bei den Diplom- und Promotionsarbeiten usw. Wir werden in unserem Berichtvorschlagen, dass dieses Institut durch Neubesetzungen völlig andere Schwerpunkte,nämlich Kernfächer der Erziehungswissenschaften erhalten soll ...“ (zit. in: Institut fürErziehungswissenschaften 2002, Anlage 8).

Begründet wird dieses vernichtende Urteil mit dem Hinweis auf die fehlende Konzen-tration auf die „Kernthemen“ oder „Disziplinen“ des Fachs, die sie wie folgt skizzie-ren: Allgemeine Pädagogik, Sozialpädagogik, Pädagogische Psychologie, Berufspäda-gogik/Wirtschaftspädagogik und Behindertenpädagogik (Oelkers/Oser 2002, S. 6). DasInstitut selbst orientierte sich in seinen Angeboten dagegen an kulturwissenschaftli-chen, lebenslaufbezogenen und interdisziplinären Themenfeldern: Medien- und Kom-munikationswissenschaft, Frauen- und Geschlechterwissenschaft, Sozialwissenschaft-liche Psychoanalyse und Therapiewissenschaft, Behinderten- und Integrationswissen-schaft, Pädagogik der Generationen etc.

Zentraler Aspekt der Gegendarstellung seitens des Instituts ist, dass es sich hier umeine politisch motivierte Anlassevaluation handelt, die eine bestimmte Position desfachlichen Diskurses dazu nutzt, um einen politisch missliebigen Bereich zu diszipli-nieren und zu restrukturieren. An den Debatten rund um ein disziplinäres und interdis-ziplinäres Verständnis des Fachs Erziehungswissenschaften wird deutlich, wie gegen-sätzlich Beurteilungen und Einschätzungen von Maßstäben desselben fachlichen Ge-genstands sein können. Bei den unterschiedlichen Perspektiven spielen politische undideologische Faktoren eine bedeutende Rolle, die wie im Fall der hier skizzierten ex-ternen Evaluation oft nicht eigens als erkenntnisleitende Faktoren ausgewiesen wer-den.

3. Zur Ebene der Person auf dem Handlungsfeld der Modernisierung

Die spezifische Dynamik auf der Ebene der Person ist die voranschreitende Individua-lisierung mit dem paradoxen Phänomen von Autonomie und Abhängigkeit. Lebens-langes Lernen bewegt sich tendenziell von formalem und institutionellem Lernen weghin zum Lernen „en passant“ und informellem Lernen. Zum Maßstab der Bewertungwerden deshalb zunehmend auch subjektive Kategorien, die von der einzelnen Personentwickelt und genutzt werden. Daher geht es um geeignete Instrumente zur entspre-chenden Selbstreflexion. Ein solches Instrument wird im Folgenden vorgestellt:

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Ein spezifischer Lernort informellen Lernens ist das freiwillige Engagement. Als Instru-ment zur reflektierenden Begleitung der damit verbundenen Lernprozesse wurden inverschiedenen organisatorischen Zusammenhängen europäischer Bildungsarbeit so-genannte Kompetenzportfolios entwickelt. Sie reichen von einfachen Übersichten zukomplexen Formen der Darstellung des eigenen Bildungswegs und unterstützen diepersönliche Reflexion der individuellen Kompetenzen. Die Methoden variieren zwi-schen mehr oder weniger Selbst- oder Fremdbeurteilung und beinhalten Fragebögen,Checklisten, Tests.

In Österreich hat sich insbesondere der Österreichische Verband der Volksbildungs-werke mit der Entwicklung eines solchen Instruments der Selbstreflexion und Selbstbe-wertung befasst. In einem längeren Prozess wurde ein Portfolio entwickelt, das alsbegleitete Selbstbewertung eine Zwischenform zwischen Selbstbewertung und Fremd-bewertung darstellt. Die theoretische Grundlage lieferten die Ergebnisse eines EU-Pro-jekts zu freiwilligem Engagement in der Bildungs- und Kulturarbeit mit Erwachsenen(vgl. Brandstetter/Kellner 2001). Hier die Hauptthesen dieses Projekts:

1. Lernen im freiwilligen Engagement bedeutet größtenteils informelles Lernen.2. Prozesse des informellen Lernens lassen sich in offenen, qualitativ orientierten

Interviews gut erfassen.3. Begleitete selbstreflexive Einschätzung und Bewertung stellt für beide Seiten eine

lustvolle Form der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen von Lernprozessendar.

Das Instrument besteht aus mehreren Teilen. Sie beziehen sich u. a. auf den persönli-chen Weg in die freiwillige Tätigkeit, auf biografische Bezüge, auf subjektive Bedeu-tungen und Begriffe der eigenen Kompetenzen. Wie ähnlich strukturierte Portfoliosoder Bildungspässe kann dieses Instrument schließlich auch berufliche Bewerbungenunterstützen, versteht sich aber in erster Linie als ganzheitlich orientierte Vorgehens-weise allgemeiner Erwachsenenbildung. Im Zentrum der Überlegungen rund um dieEntwicklung dieses Instruments stand die Abwägung von Problemen und Chancen derZertifizierung freiwilliger Arbeit.

Das Problem: Die Marktrhetorik erobert die Felder freiwilligen Engagements im Diens-te reiner Anpassung an ein enges Set vorgegebener Schlüsselqualifikationen: Teamfä-higkeit, Flexibilität, Problemlösung, Lernfähigkeit, Ausdauer etc. im Dienste berufli-chen Überlebens. An den Rand gedrängt werden in diesem Modell leicht selbstbe-stimmtes Gestalten, Rollen- und Normenkritik. Das Zusammenspiel der Kräfte desWohlfahrtspluralismus wird reduziert auf ein autoritäres Diktat des Markts, der liberaleGedanke des Ehrenamts aufgegeben: Das Portfolio kann hier zum Korsett plakativerMarktorientierung werden.

Die Chance: Die Reflexion eigener Potenziale eröffnet offene Lernprozesse wie sie diefortschreitende Individualisierung und Pluralisierung unserer Gesellschaft fordern. Die

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fragende Begleitung im Nachdenken über den eigenen Bildungs-Werdegang unter-stützt das Erkennen eigener informell gewonnener Ressourcen. Kompetenzen wie Rol-len- und Normenkritik, selbstbestimmte Gestaltung von Freiräumen, Lebensfreude, Sich-überraschen-lassen-Können werden in den Kanon der Wertschätzung aufgenommen.Sich mit einem Begleiter/einer Begleiterin darüber zu verständigen, was man schonalles getan hat, zu überlegen, welche Lerneffekte sich in diesen Tätigkeiten verbergenund welche Kompetenzen daraus zu formulieren sind und an diesen Formulierungenzu feilen, das stärkt die einzelne Person in umfassendem Sinn. Man/frau macht sichselbst verständlich, was er/sie alles kann und kann es anderen so besser plausibelmachen. In diesem Sinne wird das Portfolio oder der Bildungspass zum Wegbegleiterreflektierter Autorität.

4. Zur Ebene der Natur auf dem Handlungsfeld der Modernisierung

Generell ist im Verhältnis zur Natur die Domestizierung kennzeichnend für die Mo-dernisierung. Auch diese gesellschaftliche Handlungsebene, die das Verhältnis vonModernisierung zur natürlichen Umwelt charakterisiert, weist paradoxe Merkmale auf:Beherrschung und Belastung. Je mehr die Natur verstanden und beherrscht wird, destoumfassender wird die Kompetenz und die Verantwortung für ihre Gestaltung, die Ab-hängigkeit von und Belastung durch Technologie. Immer mehr Wissen und techni-sches Können paaren sich daher mit immer größerer Verantwortung. In diesem Sinneführt moderne Ökologie ja nicht etwa zu einer Natur, die ganz sich selbst überlassenwird, sondern zu immer raffinierteren Steuerungen in immer komplexeren Kreisläufenund Vernetzungen.

In den vergangenen Jahrzehnten gab es in Österreich eine große Forschungsförde-rungsinitiative seitens des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur:Verschiedenste Projekte widmeten sich dem Forschungsgegenstand von Kulturland-schaftsforschung und zogen aus der Komplexität umweltrelevanten Handelns auchSchlüsse auf Bildungsarbeit – etwa im Zusammenhang mit dem professionellen Han-deln von Unternehmen: „Das Bewältigen von umweltbezogenen Fragestellungen inUnternehmen erfordert neue Fähigkeiten vom Management. Die Lösung einer um-weltbezogenen Problemstellung ist nicht vergleichbar mit der Erstellung von Markta-nalysen oder dem Aufbau einer Kostenrechnung. Die Probleme sind üblicherweisesehr komplex und erfordern, dass neue Kompetenzen aufgebaut werden müssen, undzwar sowohl neue technische Kompetenzen als auch andersartige Organisationskon-zepte und Strategien“ (Buchinger u. a. 1999, S. 179).

Ein zentraler Gedanke bezogen auf Maßstäbe der Beurteilung von Kulturlandschaft ist,dass Biodiversivität Lebensqualität sichert: Es geht um eine Optimierung dieses Ver-hältnisses und um eine entsprechende Förderung von Lebens- und Entwicklungsoptio-nen innerhalb der Landschaftsdynamik. Umweltrelevante Verhaltensweisen sind durchherrschende Wahrnehmungsweisen präformiert: „Biodiversivität braucht eine entspre-

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chende Ästhetik der Vielfalt und damit eine Veränderung von Kulturlandschaft im Kopf“(Strohmeier 1997, S. 4). Mit Forschungsinstrumenten wie Zukunftsszenarien oder An-sichtsartenanalysen hat Kulturlandschaftsforschung auch geeignete Instrumente fürUmweltbildung mit Erwachsenen geschaffen, mit Hilfe derer das eigene Raster zurBeurteilung von Landschaft bewusst gemacht und erweitert werden kann.

So zeigt der Diskurs auf dem Gebiet der Ökologie schließlich, wie sehr auch Fragen zuNachhaltigkeit und Lebensqualität mit der Pluralisierung von Maßstäben verbundensind. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich jedenfalls ein vitales Interesse, der Fülleder Maßstäbe den Vorzug zu geben und Erwachsenenbildung als einen Ort zu derenReflexion zu gestalten.

Literatur

Brandstetter, G./Kellner, W. (2001): Freiwilliges Engagement und Erwachsenenbildung. Wegeder Identifikation und Bewertung des informellen Lernens. Wien

Buchinger, E. u. a. (1999): Lebensqualität und Umwelthandeln: Konsens und Konflikt im Alltageiner Kulturlandschaft. Band 2. Seibersdorf

Institut für Erziehungswissenschaften der Leopold-Franzens Universität Innsbruck (Hrsg.) (2002):Anlassevaluation – Stellungnahme des Instituts. Innsbruck

Klemm, U. (2002): PISA ... und das Drama deutscher Bildungspolitik. In: GraswurzelrevolutionNr. 267, www.graswurzel.net/267/pisa2.shtml

van der Loo, H./van Reijen, W. (1997): Modernisierung. Projekt und Produkt. München

Oelkers, J./Oser, F. (2002): Evaluation des Instituts für Erziehungswissenschaften der Leopold-Franzen-Universität Innsbruck. Zürich/Freiburg

Stoiber, E. (2002): Rede auf dem Bildungskongress am 19.07.2002. Berlin

Strohmeier, G. u. a. (2000): Zu Begriff und Wahrnehmung von Landschaft. Wien

Struck. P. (2002): PISA und die Schönheit – oder warum Schülerleistungsvergleiche der Päda-gogik die Grundlage rauben. Vortrag, 03.05.2002. Flensburg

WDR (2002): Kritik an PISA Studie. Köln. http://online.wdr.de/online/politik/schulstreit/kritik.phtml

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Markus Bretschneider / Rüdiger Preißer

Sichtbarmachung und Anerkennung von informellem Lernen imRahmen der individuellen Erstellung von Weiterbildungspässen

1. Ausgangslage

Der aktuelle wirtschaftliche, technologische und arbeitsorganisatorische Strukturwan-del in den entwickelten Industrieländern hat unter anderem zur Folge, dass einmalerworbene berufliche Erfahrungen, Wissensbestände und Qualifikationen schnellerveralten. Die daraus erwachsenden Anforderungen an das Bildungsverhalten der Men-schen finden in den Schlagworten von der „Wissensgesellschaft“ (Stehr 1994) unddem lebenslangen Lernen ihren Ausdruck. Sie beziehen sich nicht nur auf eine quan-titative Ausweitung der Wissensmenge, sondern darauf, die Fähigkeit zu erwerben, dieAnlässe sowie die Gründe des Wissenserwerbs, weiterhin die Lernziele und Inhalte,die Methoden, Hilfsmittel und Sozialformen des Lernens sowie die Lernzeiten undLernorte „gravierend und folgenreich zu beeinflussen“ (vgl. Weinert 1982).Solches „selbstgesteuerte Lernen“ (vgl. Dietrich 2001) gibt es allerdings schon immer.Menschen lernen – zum größten Teil beiläufig, lebensweltnah und aus vielfältigenAnlässen – dauernd und selbst dann, wenn sie dem Lernen im Allgemeinen abgeneigtsind, denn bereits während der Ausübung zahlreicher Tätigkeiten – sei es beim priva-ten Hausbau, bei sportlichen, ehrenamtlichen, bürgerschaftlichen oder politischenAktivitäten – erwerben sie vielfältige Erfahrungen, Kenntnisse, Fertigkeiten und Kom-petenzen. Dieses Lernen kann in Anknüpfung an die Tradition des autodidaktischenLernens als „informelles Lernen” charakterisiert werden (vgl. Watkins/Marsick 1992;Livingston 1999; Knöchel 2000), denn es gilt als eine „mit dem Streben nach Erkennt-nissen, Wissen oder Fähigkeiten verbundene Aktivität, (die) außerhalb der Lehrange-bote von Bildungseinrichtungen, (die) Bildungsmaßnahmen, Lehrgänge oder Work-shops organisieren” (Schäffter 1998, S. 68), stattfindet.

Solche „informellen“ Lernbemühungen, die außerhalb des formalen Bildungs- undAusbildungssystems stattfinden, wurden in der Vergangenheit in Deutschland vergleichs-weise wenig beachtet. Erst in jüngster Zeit geraten sie in den Fokus der Aufmerksam-keit, denn es herrscht die Erkenntnis vor, dass im lebenslangen Lernen – gleich einemEisberg – informelle Bestandteile von gewaltigem Ausmaß verborgen sind (Livingston1999, S. 77), die einen Schatz bisher unentdeckter Lernbemühungen (ebd., S. 68) zubilden scheinen, der als Potenzial gehoben werden müsse, um die damit verbundenenKompetenzen für die individuelle Laufbahnplanung fruchtbar zu machen und gesell-schaftlich zu verwerten. Damit scheint, ähnlich wie in den 1960er Jahren, das Verspre-chen einer Harmonie zwischen der effektiveren Ausschöpfung der gesellschaftlichenHumankapitalressourcen – damals der „Begabungsreserven“ – und dem Nutzen fürdas Individuum durch gesellschaftliche Teilhabe – früher sozialem Aufstieg, heute Si-cherung des sozialen Status – eingelöst werden zu können.

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Über aktuelle und geplante Initiativen und Aktivitäten in Deutschland, die sich aufdiese informellen Lernleistungen und ihre Resultate beziehen und die unter dem Schlag-wort „Weiterbildungspässe“ zusammengefasst werden können, wird im Folgendenberichtet. Dabei wird insbesondere auf einige der damit verbundenen konzeptionel-len, methodischen und prozeduralen Probleme Bezug genommen. Als Ergebnis ihrerErörterung werden abschließend einige Entwicklungsperspektiven für Weiterbildungs-pässe in Deutschland benannt.

2. Politische Bemühungen zur Förderung informellen Lernens

Die Erkenntnis, dass informelle Lernprozesse bislang nicht ausreichend anerkanntwurden, führte in den vergangenen Jahren in der Bildungspolitik, vor allem auf dereuropäischen Ebene, zu zahlreichen programmatischen Verlautbarungen, Beschlüs-sen und Initiativen, durch die ihre Aufwertung als wichtiger Bestandteil des Prozesseslebenslangen Lernens gesichert werden sollte. Diese Diskussion wird inzwischen auchin Deutschland aufgenommen und beeinflusst die hiesige, auf die Wahrnehmung undAnerkennung non-formaler und informeller Bildung1 gerichtete Debatte. Dennoch gibtes hier im internationalen Vergleich sowohl bei der theoretischen Fundierung, bei derSetzung von politischen Rahmenbedingungen als auch hinsichtlich der systematischenErprobung und praktischen Anwendung von Verfahren zur Erfassung, Bewertung undZertifizierung informell erworbener Kompetenzen einen Nachholbedarf. Er ist unteranderem darauf zurückzuführen, dass in den europäischen Nachbarländern aufgrundanderer Ausgangsbedingungen bereits ordnungspolitische Vorgaben zur Förderung le-benslangen Lernens verabschiedet wurden, in denen die öffentliche Anerkennung non-formalen und informellen Lernens Eingang gefunden haben. Sie sind häufig verbundenmit der Einführung oder dem Vorantreiben einer Modularisierung von Lerninhalten,Lernphasen und/oder Lernabschlüssen, die wiederum an eine Tradition politischer Steu-erungslogik anknüpft, die auf Outputorientierung basiert. Ihr zufolge beruht die Verga-be von Zertifikaten nicht auf einheitlichen Curricula, die durch das Bildungssystemvorgegeben werden, der professionellen Ausbildung von Lehrpersonal sowie festge-legten und staatlich überprüften Rahmenbedingungen des Lernens, sondern – mehroder weniger – auf den vom Individuum auf welchem Weg auch immer erreichtenLernergebnissen in Form von Kompetenzen. Ein wesentliches Instrument zur Sichtbar-machung dieser Kompetenzen bilden in diesen Ländern „Kompetenzportfolios“, indenen geeignete Nachweise und Belege zusammengestellt und zertifiziert werden.

Ähnlich systematische und zielgerichtete Strukturveränderungen gibt es in Deutsch-land nicht, was wohl vor allem auf den Erfolg des hiesigen dualen Berufsbildungssys-tems zurückgeführt werden muss. Seine Orientierung an professionellen Standards,die Ganzheitlichkeit und Unteilbarkeit der ihm zugrunde liegenden Qualifikations-profile, seine betriebsübergreifende Dimension sowie seine universelle curriculareNormierung zusammen mit der Einheitlichkeit und Verlässlichkeit der öffentlich-recht-lichen Prüfungsgestaltung hat den Handlungsdruck für die Berücksichtigung von infor-

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mellen Lernprozessen und -leistungen vergleichsweise niedrig gehalten. Es gewähr-leistete lange Zeit, dass die gesellschaftlich erforderlichen Qualifikationen quantitativund qualitativ in befriedigender Weise bereitgestellt wurden.

Angesichts einer anhaltend stagnativen Konjunktur sowie dauerhaften strukturellenProblemen in der Wirtschaft und einem beschleunigten technologischen Strukturwan-del im Zeichen einer globalisierten Wirtschaft, aber auch aufgrund der schon früherwahrgenommenen Exklusionstendenz des dualen Systems gegenüber „Lernschwachen“werden in jüngster Zeit allerdings auch seine Grenzen sowie neue Entwicklungsbedar-fe gesehen. Vor diesem Hintergrund muss unter anderem das vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung initiierte Aktionsprogramm „Lebensbegleitendes Lernen füralle“ gesehen werden, nach dessen Intentionen „Verfahren zur Messung und Bewer-tung individueller Kompetenzentwicklung – auch in informellen, selbstorganisiertenLernprozessen – erarbeitet werden“ sollen (BMBF 2001, S. 6). In seinem Kontext istauch die „Machbarkeitsstudie zur Einführung eines Weiterbildungspasses mit Zertifi-zierung informellen Lernens“ entstanden, die im Auftrag der Bund-Länder-Kommissi-on für Bildungsplanung, vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE), vomDeutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) sowie vom Insti-tut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Universität Hannover (IES)durchgeführt wurde und über deren Ergebnisse (vgl. DIE/DIPF/IES 2003) im Folgendenberichtet wird.

3. Aktuelle Aktivitäten und Initiativen zu Weiterbildungspässen in Deutschland

Die im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie durchgeführte systematische Bestandsauf-nahme zeigt eine außerordentlich dynamische Entwicklung, die als Ausdruck einesbeginnenden Umschwungs im Umgang mit informellem Lernen und informell erwor-benen Kompetenzen interpretiert werden kann. Kennzeichnend dafür ist die Entste-hung von derzeit über fünfzig „Weiterbildungspässen“ in Deutschland in den letztenJahren. Mit diesem Etikett lassen sich zusammenfassend verschiedenste Initiativen undAktivitäten bezeichnen, die, auf unterschiedliche Weise alle zum Ziel haben, im wei-testen Sinne erbrachte Leistungen – Tätigkeiten, Lernleistungen und Kompetenzen –einzelner Menschen sichtbar zu machen und diesen damit zur gesellschaftlichen An-erkennung zu verhelfen. Allerdings geben sie sich selbst ganz unterschiedliche Be-zeichnungen und heißen beispielsweise Kompetenzbilanz, Qualifikationsportfolio,Bildungsnachweis, Berufsbuch usw.2 Diese Namensvielfalt ist auch Ausdruck für gro-ße Unterschiede zwischen diesen Passinitiativen im Hinblick auf ihre Entstehungsan-lässe, ihren inhaltlichen Aufbau, ihre äußere Ausgestaltung und ihr Ausgabeformat,ihren Verwendungszweck, die mit ihnen erreichten regionalen Einzugsgebiete oderdie mit ihnen angesprochenen Zielgruppen. In diesem Befund einer großen Heteroge-nität unter den derzeit existierenden Weiterbildungspässen spiegelt sich zum einen ihrCharakter als Bottom-up-Initiativen. Zum einen wird der noch junge Entwicklungs-stand dieser Aktivitäten verdeutlicht, die größtenteils auf einen spezifischen Anlass

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reagieren, deshalb jedoch auch in ihrem Anspruch und ihrer Reichweite begrenzt sindsowie überwiegend voneinander isoliert, uneinheitlich und unkoordiniert sind.

Die gefundenen Weiterbildungspässe haben ihren Ursprung in Initiativen von Betrie-ben, Verbänden, Kommunen oder staatlichen Einrichtungen, die auf lokaler, regiona-ler, überregionaler, nationaler oder inter- bzw. supranationaler Ebene angesiedelt sind.Sie sind zum überwiegenden Teil auf einen oder mehrere gesellschaftliche Funktions-bereiche – Schule, Ausbildung, Erwerbsarbeit, ehrenamtliche Arbeit – bezogen, in de-nen Menschen Leistungen erbringen, die anerkannt werden sollen und dadurch meistensdie Entstehung der jeweiligen Initiative begründet haben. So sind sie entweder an be-stehende Einrichtungen in einem dieser Funktionsbereiche angegliedert oder durcheigens für sie geschaffene Institutionen verankert.

Darüber hinaus unterscheiden sich die recherchierten Passaktivitäten auch in zentra-len Gestaltungselementen, die auf unterschiedliche Leitmotive schließen lassen, dieihrer Entstehung und ihrer Zwecksetzung zugrunde lagen. Diese Unterschiede bezie-hen sich zunächst auf die Tatbestände, die erfasst werden, da kein einheitliches Kon-zept darüber existiert, worin die erfassten Leistungen bestehen und inwieweit es sichdabei überhaupt um Kompetenzen handelt. Weitere Unterschiede zwischen den Pass-aktivitäten gibt es im Hinblick auf grundlegende methodische und prozedurale Aspek-te der Erfassung, Dokumentation und Überprüfung der erfassten Tatbestände sowieschließlich im Vorhandensein von Unterstützungs- und Beratungsstrukturen. Auf dieseGestaltungselemente wird im Folgenden näher eingegangen.

3.1 Was wird erfasst?

Die Recherchen im Rahmen der durchgeführten Machbarkeitsstudie ergaben, dass inder Bildungspraxis eine erhebliche Unsicherheit darüber verbreitet ist, was unter Kom-petenzen zu verstehen ist und in der Regel ein alltagssprachlicher Kompetenzbegriffvorherrscht. Entsprechend ihrem Charakter als Bottom-up-Initiativen liegt es allerdingsauch nicht in den Möglichkeiten, aber auch nicht im Interesse der meisten Anbietervon Weiterbildungspässen, ihrer Arbeit wissenschaftlich begründete Konzepte vonKompetenz und ihrer systematischen Erfassung zugrunde zu legen.

Aber auch im wissenschaftlichen Bereich existieren Probleme, die sich begrifflich-kategorial auf das Konzept von Kompetenz – im Unterschied etwa zu Qualifikation –beziehen. Bezugnehmend auf das Kompetenz-Performanz-Modell von Chomsky (1980)werden aus entwicklungspsychologischer Perspektive drei Dimensionen von Kompe-tenz unterschieden. Conceptual competence bezeichnet demzufolge das regelbasier-te, abstrakte Wissen über einen Bereich, procedural competence die Prozeduren undFertigkeiten für seine Anwendung in bestimmten Situationen und utilizational compe-tence die Fähigkeit, Aufgaben- und Zielanforderungen einzuschätzen und in Bezie-hung zueinander zu bringen (vgl. Gelman/Greeno 1989; Greeno/Riley/Gelman 1984).Allerdings bleiben bei dieser Definition motivationale Elemente unberücksichtigt und

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Kompetenz bezieht sich nur auf kognitive Dimensionen, die zudem als universelle,genetisch oder reifungstheoretisch bedingte Dispositionen konzipiert werden.Demgegenüber hat die Expertiseforschung ergeben, dass ein Bestandteil von Kompe-tenz auch spezielle Fertigkeiten und Routinen sind, die „überwiegend implizit sindund deren Erwerb langjährige Übung und umfangreiche Erfahrung erfordern (Gruber/Mandl 1996). Sie manifestieren sich in Form von Performanz, als erfolgreiches Han-deln. Kompetenz kann demzufolge als die Voraussetzung für erfolgreiches Handelndefiniert werden, das durch Lernprozesse erworben werden kann und sowohl kogniti-ve als auch motivationale Aspekte (vgl. White 1959) umfasst. Darüber hinaus wird auserwachsenenbildungswissenschaftlicher Sicht argumentiert, dass Kompetenz ein ganz-heitliches Konzept ist, das personennäher und stärker subjektorientiert ist als Qualifi-kationen, deren Orientierung eher auf spezifische Anforderungssituationen oder aufden gesellschaftlichen Bedarf bezogen ist und damit eine curriculumtheoretische Re-levanz haben (vgl. Arnold 1997).

In der Bildungspraxis wird der Kompetenzbegriff demgegenüber sehr vage und prag-matisch verwendet. Experteninterviews mit Personalverantwortlichen in Betrieben, dieim Rahmen der Machbarkeitsstudie durchgeführt wurden, ergaben, dass er häufig mitSchlüsselqualifikationen oder soft skills gleichgesetzt wird. Dabei scheint die Vermu-tung zuzutreffen, „dass mit Kompetenz bestimmte Fähigkeiten gemeint sind, die einbesseres, hochwertigeres, angemesseneres Handeln zur Erreichung von vorgegebenenZielen ermöglichen – eine auf Dauer gestellte Fähigkeit, die sich zugleich selbst (kom-petent) weiterentwickelt“ (Geißler/Orthey 2002).

Die recherchierten Pässe im ehrenamtlichen Bereich enthalten vorwiegend Beschrei-bungen ausgeübter Tätigkeiten und erbrachter Leistungen ihrer Mitglieder in einembestimmten Erfahrungsfeld, die auf diese Weise öffentlich gemacht und aufgewertetwerden sollen, sowie deren zeitlichen Umfang und eine Bescheinigung der ausgeben-den Stelle. Manchmal wird darüber hinaus noch nach selbst wahrgenommenen Stär-ken gefragt. Die gefundenen Pässe im schulischen Bereich enthalten ebenfalls vorwie-gend Beschreibungen ausgeübter Tätigkeiten, die Schüler in (außer-)schulischen Kon-texten als Ergänzung zu unterrichtsbezogenen Inhalten ausüben. In einigen Fällen er-folgt eine einfache Systematisierung durch vorgegebene Tätigkeitsfelder (Schule, Prak-tikum, Job, Verein, Ehrenamt) oder durch die ergänzende Frage nach persönlichenStärken, die bei der Ausübung einer Tätigkeit durch den Passinhaber selbst oder eineandere Person wahrgenommen werden. Unter dem Gesichtspunkt der Erfassung vonKompetenzen ist in beiden Bereichen problematisch, dass mit einer ausgeübten Tätig-keit nicht notwendigerweise ein Lernprozess oder ein Lernerfolg im Sinne eines Kom-petenzerwerbs verbunden sein muss.

Im beruflichen, manchmal aber auch im ehrenamtlichen Bereich wird häufig die Teil-nahme an einer Weiterbildungsveranstaltung unter Angabe einer Kurzbeschreibungder Veranstaltung, der Zeitdauer und des Ortes sowie der Unterschrift des Seminarlei-ters eingetragen. Tätigkeitsbeschreibungen und Veranstaltungsteilnahmen als Arten der

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Erfassung von Erfahrungen und Lernleistungen sind in Weiterbildungspässen in Deutsch-land am häufigsten zu finden. Obwohl die entsprechenden Initiativen selbst – der Modefolgend – häufig den Begriff Kompetenzen verwenden, sagen sie demzufolge nichtsüber die Kompetenzen der Passinhaber aus, da sie diese gar nicht erfassen. Ihr Zweckbesteht aber darin, dass sie eine Ergänzung zu herkömmlichen Arbeitszeugnissen imRahmen von Bewerbungssituationen sein können.

Im Berufs- und Ausbildungsbereich gibt es neben den genannten einfachen Arten derErfassung von Erfahrungen und Kenntnissen auch komplexere Erfassungsverfahren, diesich in der Mehrzahl der Fälle auf in Ausbildungsordnungen niederlegte fachlicheAnforderungsprofile beziehen, die zu „Kompetenzen“ umbenannt werden. In weni-gen Fällen werden Kompetenzen durch eigene Verfahren und unter Zuhilfenahme vonKompetenzlisten erfasst, wobei diese in der Regel mit Schlüsselqualifikationen gleich-gesetzt werden. Die Erfassung beruht sowohl auf Selbst- als auch auf Fremdeinschät-zung als auch auf Kombinationen aus beiden. Einige dieser Weiterbildungspässe ge-hen auch über die bloße Erfassung von Kompetenzen hinaus und fordern die Passinha-ber zu einer Reflexion über sie und der Planung weiterer Laufbahnschritte auf. Hierbeistehen überfachliche Kompetenzen im Vordergrund, deren reflexive Erfassung zumTeil mit einer Planung weiterer Bildungsschritte in Verbindung steht.

Betrachtet man die Weiterbildungspässe unter dem Aspekt der Berücksichtigung for-malen, non-formalen und informellen Lernens, so kann man sagen, dass sich informel-les Lernen, indirekt erfasst in Form von Tätigkeitsbeschreibungen, vor allem in denBereichen Schule und Ehrenamt konzentriert. Informell erworbene Kompetenzen wer-den überhaupt nur von zwei Passinitiativen – der Kompetenzbilanz des DeutschenJugendinstitutes, mit der Kompetenzen aus der Familientätigkeit dokumentiert wer-den, sowie der Europäische Computerführerschein, auf dessen Prüfung man sich auchim Selbststudium vorbereiten kann – erfasst. Im Unterschied dazu werden in den Be-reichen Ausbildung und Beruf vorwiegend non-formales und teilweise formales Ler-nen, beides in Form von Veranstaltungsteilnahmen, erfasst. In der Bildungspraxis spie-len demnach informell erworbene Kompetenzen eine vergleichsweise geringe Rolle.Dies ist eine bemerkenswerte Differenz der Bildungspraxis zur wissenschaftlichenDebatte und zum Bereich der politischen Verlautbarungen und Beschlüsse, wo derBegriff des Informellen inzwischen gang und gäbe ist.

3.2 Wie wird erfasst?

Die meisten recherchierten Passinitiativen geben Pässe aus, die Tätigkeiten dokumen-tieren, die im Rahmen der eigenen Institution durchgeführt worden sind, oder erfassenLernleistungen, die im non-formalen Weiterbildungsbereich erzielt wurden. Von die-ser Zielsetzung müssen – allerdings nur sehr wenige – Pässe unterschieden werden,die die systematische – wenngleich nicht notwendigerweise umfassende – Erstellungeiner persönlichen Bestandsaufnahme der eigenen Kompetenzen zum Ziel haben, diebiografisch zu früheren Zeitpunkten erworben wurden. Sie verbinden mit der Sichtbar-

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machung und Dokumentation von persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen häu-fig auch ihre Reflektion und eine auf die zukünftige Laufbahn bezogene Planung. Nurdiese wenigen Pässe, deren Fokus die individuelle Biografie ist und die die individuel-len Lernleistungen und Kompetenzen systematisch sichtbar machen, dokumentierenund validieren zu versuchen, können mit den Ansätzen verglichen werden, die in deneuropäischen Nachbarländern schon längere Zeit praktiziert werden wie beispielsweiseden bilans de compétence in Frankreich, den APEL-Verfahren in Großbritannien oderdem Kompetenz-Management-System in der Schweiz, denn sie stellen prinzipiell dieGesamtheit der biografisch erworbenen Kompetenzen in den Mittelpunkt der Erstel-lung eines individuellen Weiterbildungspasses.

Dies erfordert methodisch komplexere Verfahren als einfache Beschreibungen der ineinem bestimmten Kontext ausgeübten Tätigkeit sowie der Angabe ihrer Zeitdauer, daLernleistungen und Kompetenzen nicht einfach in statu nascendi gesammelt und do-kumentiert, sondern die in der Vergangenheit erworbenen Kompetenzen zunächst re-konstruiert und anschließend validiert, also in irgendeiner Weise einer Überprüfungunterzogen werden müssen. Allerdings stößt eine solche Erfassung und wissenschaftli-che Messung von Kompetenzen auf erhebliche Schwierigkeiten. Erpenbeck zufolgesind „Kompetenzen ... nicht direkt prüfbar, sondern nur aus der Realisierung der Dis-positionen erschließbar und evaluierbar“ (Erpenbeck 1997, S. 311). Selbst wenn diebegrifflich-kategorialen Probleme im Hinblick auf Kompetenzen gelöst wären, stelltsich die Frage, wie Kompetenz einerseits wissenschaftlich überprüfbar festgestellt –„gemessen“ –, andererseits diese Messung aber auch einfach handhabbar und kosten-günstig gestaltet werden kann. Denn die in den Arbeitswissenschaften oder der Psy-chologie zwar zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Verfahren sind für die Bil-dungspraxis kaum geeignet, weil sie zu aufwändig sind. Dieser Zielkonflikt tritt – wiedie bereits erwähnten Experteninterviews mit Personalverantwortlichen von großenBetrieben ergaben – besonders deutlich im Beschäftigungssystem im Rahmen der be-trieblichen Personalpolitik zutage, wo zuverlässige und valide, aber auch einfacheund kostengünstige Verfahren gewünscht werden, um die Personalauswahl zu erleich-tern.3 Vermutlich wird er angesichts der neuen Aufgabe des profiling von Arbeitsu-chenden durch die Arbeitsämter auch zunehmend in der Arbeitsmarktpolitik relevantwerden. Angesichts dieses Problems konstatiert Weiß für die Bildungspraxis: „Wendetman die messtechnischen Kriterien auf die Erfassung von Kompetenzen an, so mussein ernüchterndes Fazit gezogen werden. Kompetenzmessung vollzieht sich zu einemgroßen Teil auf informellem Wege und ohne Reflexion wissenschaftlicher Standards“(Weiß 1999, S. 448).

In den europäischen Nachbarländern ist dieses Problem durch die Entwicklung vonkompetenzbasierten Standards und Kriterien zu lösen versucht worden, die definieren,welche Kompetenzen in einer Überprüfung nachgewiesen werden müssen, um aner-kannt zu werden (vgl. Bjornavold 2001). Allerdings unterscheiden sich diese Verfah-ren zum Teil erheblich und folgen unterschiedlichen Steuerungslogiken, wie etwa derUnterschied zwischen den wenig detaillierten nationalen Standards für Prüfungen in

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Finnland, die den Prüfern große Spielräume lassen, einerseits und der „unendlichenSpirale der Spezifikationen“ (ebd., S. 116) im Rahmen der außerordentlich komplexenund kleinteiligen Standards in Großbritannien andererseits zeigt. Unter den recher-chierten Weiterbildungspässen in Deutschland hingegen existieren nur in Ausnahme-fällen wissenschaftlich fundierte Ansätze zur Erfassung und Validierung von Kompe-tenzen. Zu ihnen gehören beispielsweise die „Kompetenzbilanz“ des Deutschen Ju-gendinstitutes (DJI), mit der vor allem familienbezogene Kompetenzen erfasst werdensollen; ferner der „Lernpass“ des Instituts für Zukunftsorientierte Kompetenzentwick-lung an der Fachhochschule Bochum (IZK), der studiumsbezogene Kompetenzen undderen Entwicklung erfasst; das „Kompetenzhandbuch“ als Bestandteil des „Jobnaviga-tors“ (IG-Metall), mit dem Passinhaber zunächst selbstständig ein Profil aktueller be-ruflicher Kompetenzen auf der Basis von Kompetenzlisten erstellen, das in einen per-sönlichen Aktionsplan zur begleiteten Klärung und Formulierung realistischer Weiter-bildungsschritte und Ziele einmündet; sowie das „Europäische Sprachenportfolio“, indem ein Referenzsystem mit sechs Sprachenkompetenzniveaus zur Selbstbeurteilungvon Sprachkenntnissen sowie Hilfen zur Reflexion und Planung des Lernens enthaltensind.

4. Beratung als Mittel zur Erfassung informellen Lernens

Je stärker Weiterbildungspässe auf die Erfassung und Sichtbarmachung von individuel-len Erfahrungen, Lernergebnissen und Kompetenzen abzielen, die nicht im direktenZusammenhang mit der Funktion der Institutionen stehen, in denen sie erworben wur-den und die sie bescheinigen – wie dies typischerweise im ehrenamtlichen Bereichder Fall ist –, umso komplexer müssen die Verfahren zu ihrer Erfassung sein, desto ehermüssen sie aber auch durch eine professionelle Beratung ergänzt werden. Denn diebiografisch relevanten Erfahrungstatbestände, die den zu erfassenden Kompetenzenzugrunde liegen, müssen erst reaktiviert und rekonstruiert werden. Dabei geht es – vorder öffentlichen Sichtbarmachung als Voraussetzung für eine gesellschaftliche Aner-kennung – zunächst um eine persönliche Sichtbarmachung der Kompetenzen für dasIndividuum selbst. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem erstaunlichen Befund,dass die meisten Individuen gar nicht zu wissen scheinen, was sie alles können und inwelchen Bereichen sie kompetent sind, sich ihrer Kompetenzen also gar nicht voll-ständig bewusst sind (vgl. Preißer 2003, S. 156), weshalb man mit gutem Grund vonder Notwendigkeit einer persönlichen Bergung dieses Wissens über die eigenen Kom-petenzen sprechen kann.

Ausgearbeitete Konzepte für eine darauf bezogene Beratung existieren dafür in Deutsch-land im Gegensatz zu anderen modernen Industrieländern – etwa der angelsächsi-schen Tradition des career service an Hochschulen – bisher noch kaum.4 Auch dieArbeitsberatung durch die Arbeitsämter ist mit einer solchen Beratung überfordert.Wissenschaftlich kann man sich dabei jedoch am Paradigma des „biografischen Ler-nens“ (vgl. Siebert 1985; Gudjons u. a. 1986; Ahlheit/Hoerning 1989; Ahlheit 1990;

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Ahlheit 1999; Nittel 1991) orientieren, denn Lernen Erwachsener ist nicht vorausset-zungslos, sondern muss die biografisch erworbenen Erfahrungen berücksichtigen undan sie anknüpfen. Der Versuch, Kontrolle über die eigene Zukunft zu erlangen, setztalso zunächst eine Exploration der eigenen Biografie voraus, die eine „Bergung“ dersubjektiven Potenziale und erworbenen Kompetenzen auf der Grundlage der vergan-genen Erfahrungen zum Ziel hat. Daran müssen sich eine realistische Bilanzierung(Kohli 1982) sowie ihre selbstreflexive Bewertung, eventuell schon im Hinblick auf einangestrebtes Ziel, anschließen. Dazu müssen Erfolge ebenso wie erlittene Verluste undeventuelle Niederlagen als Bestandteil der eigenen biografischen Bilanz integriert wer-den, ohne die biografische Vergangenheit zu idealisieren, aber auch ohne sie, etwaaus Scham, abzuwerten. Dabei handelt es sich um einen aktiven Herstellungsprozessder Rekonstruktion und Ordnung der erworbenen Erfahrungen, mithin um den Prozesseiner biografischen Selbstorganisation, die ebenfalls nur in Ausnahmefällen ohne profes-sionelle Unterstützung geleistet werden kann.

Indem auf diese Weise das Individuum eine Beziehung zwischen der vergangenen,gegenwärtigen und zukünftigen Lebensgeschichte herstellt und erworbene Erfahrun-gen in den bisher bestehenden Erfahrungsvorrat einfügt und mit ihm verknüpft, wirdüberdies seine Identität gefördert. „Identität besteht nur, soweit strukturierte Erfahrung,persönliche Retrospektive, in die Gegenwart eingebracht werden kann, die das Daseinnach rückwärts erschließt und damit Perspektive in die Zukunft eröffnet” (Gamm 1979,S. 76). Dabei handelt es sich um einen individuellen, lebensgeschichtlich relevantenBildungsprozess, in dem „biografisches Lernen ein Lernen aus der Erfahrung” ist (ebd.).Insofern vermittelt eine Beratung im Rahmen der persönlichen Erstellung eines Weiter-bildungspasses auch selbst einen Lernprozess, in dessen Zentrum die Entdeckung vonKompetenzen steht, die in der Vergangenheit informell erworben wurden. Allerdingshandelt es sich dabei nicht um eine Lernberatung, da deren Zielrichtung eher darinbesteht, „biographisch bedingte Lern- und Handlungsmuster zu erfassen, den aktuel-len Lernprozess möglichst effektiv zu gestalten, (und) die Umsetzung des im Kurs Ge-lernten in den Alltag zu begleiten“ (Fuchs-Brüninghoff 2000, S. 86).

Durch eine solche biografische Bilanzierung und Selbstreflexion wird übrigens auchdie Fähigkeit gefördert und darüber hinaus auch die persönliche Bereitschaft und Mo-tivation aktiviert, selbst Verantwortung für den eigenen Lebensweg zu übernehmenund zukunftsbezogene – berufliche oder bildungsbezogene – Präferenzen zu entwi-ckeln und Handlungspläne vorzubereiten. Auf dieser Grundlage kann deshalb anschlie-ßend eine Generierung und eventuelle Entscheidung über entsprechende Handlungs-ziele und -pläne oder zumindest eine Überprüfung der bisherigen erfolgen. In diesemSinn kombiniert biografisches Lernen die Erzeugung von Orientierungswissen und vonHandlungs-, also Entscheidungsfähigkeit (vgl. Weinberg 2000, S. 118).

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5. Probleme der Zertifizierung und Akzeptanzsicherung informellen Lernensim Rahmen von Weiterbildungspässen

Im Gegensatz zur Entwicklung im europäischen Ausland ist in Deutschland bisher dieFrage der Zertifizierung im Zusammenhang mit Bildungspassaktivitäten noch kaumbehandelt worden. Nur in wenigen Fällen wird eine Überführung informellen Lernensin ein gesellschaftlich anerkanntes Zertifikat überhaupt angestrebt (z. B. „ANEKO“ derVolkshochschule Stuttgart, „Europäischer Computerführerschein“). Dies ist auch so-lange nicht nötig, wie sich Passaktivitäten auf die bloße Erfassung, Sammlung undDokumentation von Lernleistungen beschränken und nur den Passinhabern, etwa imSinne der eigenen Laufbahnplanung, dienen sollen. Dann sind sie strukturell unprob-lematisch, da sie nicht den Bestand an rechtlichen Regelungen sowie der damit ein-hergehenden sozialen Ansprüche und Zugangsberechtigungen berühren. Sobald infor-mell erworbene Lernleistungen zertifiziert werden sollen, wird ihre wissenschaftlicheMessung und Validierung als Voraussetzung für ein überprüfbares und allgemein aner-kanntes Verfahren unvermeidbar.

Dann stellt sich allerdings auch das Problem, dass das Verhältnis von Bildungstiteln,die auf informellem Wege erworben wurden, und dem „formalen“ Bildungssystemüberdacht und in eine neue Balance gebracht werden muss, um die neuartigen Ab-schlüsse anschlussfähig zu machen. Dies betrifft vor allem den Stellenwert und dieReichweite von modularen Elementen in den Ausbildungsordnungen. Mit der allge-meinen Einführung von Zertifizierungen informeller Lernleistungen im Sinne vonGleichwertigkeitsprüfungen würden darüber hinaus artfremde Steuerungselementein das bestehende System eingeführt, die zu erheblichen Spannungen führen könn-ten, da das etablierte System die neuartigen Zertifikate als Bedrohung seiner Angebo-te ansehen kann. Denn Bildungspässe folgen im Grunde genommen der Logik einerOutput-Steuerung von sozialen Systemen, während die duale Berufsausbildung so-wie die Arbeitsmarktpolitik typischerweise auf inputorientierter Programmierung be-ruhen, die durch „Konditionalprogramme“ eine genaue Kontrolle des Weges vor-schreibt, der zum gewünschten Ziel führt und dadurch die gewünschten Verhaltens-weisen ihrer Klientel hervorrufen will (vgl. Luhmann 2000), also in der Tendenzentindividualisierend wirkt. Dagegen beschränkt sich Output-Steuerung auf eine For-mulierung der gewünschten Ziele und überlässt den Weg und die Mittel zur Zieler-reichung in größerem Umfang den Akteuren selbst. Der Vorteil dieser in der Büro-kratieforschung als „Zweckprogrammierung“ (ebd.) bezeichneten politischen Steue-rungslogik, wie sie sich in immer mehr staatlichen Bereichen durchzusetzen scheint,besteht darin, dass sie für den Staat zumindest kurzfristig kostengünstiger ist. Sie istaber andererseits mit der Gefahr verbunden, dass die Anforderungen hinsichtlichSelbstorganisation, Verantwortungsübernahme und Problemlösungskompetenz an dieAkteure ansteigen und ist nicht zuletzt deshalb sozial hochgradig selektiv. DieseÜberlegungen hängen in hohem Maße mit der gesellschaftlichen Akzeptanz vonWeiterbildungspässen zusammen, die ihnen von den verschiedenen gesellschaftli-chen Gruppen aufgrund der für sie erkennbaren Nützlichkeit zugeschrieben werden.

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Insbesondere das Beschäftigungssystem ist hier von Interesse, zumal die gefundenenWeiterbildungspässe sich bei aller ihrer Unterschiedlichkeit zum überwiegenden Teilauf den beruflichen Bereich und mehr oder weniger auf die (Re-)Integration in denArbeitsmarkt ausgerichtet sind.

Im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung des Passes durch die Passinhaber einerseitsund die Verwendung durch das Beschäftigungssystem andererseits gibt es noch keinesystematischen Erkenntnisse, um ein klares Bild über die Akzeptanz von Weiterbil-dungspässen zu erhalten, weil die Entwicklung der Passaktivitäten noch zu kurz ist.Wittenhagen berichtet allerdings von einer zurückhaltenden Annahme der Kompe-tenzbilanz des Deutschen Jugendinstitutes durch die Wirtschaft trotz einer begleiten-den Marketingstrategie mit Informationsbroschüren für Personalleiter und der modell-haften Erprobung in ausgewählten Unternehmen. „Ihr ursprüngliches Ziel, auch Hilfe-stellung für Personalabteilungen beispielsweise beim Einstellungsgespräch zu leisten,verfehlt sie (die Kompetenzbilanz) bislang jedoch weitgehend“ (Wittenhagen 2003,S. 83). Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der skizzierten Problematik, die eineumfassende Zertifizierung aufwirft, erscheint es problematisch, den Erfolg von Weiter-bildungspässen allzu direkt von der Akzeptanz durch das Beschäftigungssystem ab-hängig zu machen und vielleicht sogar auf eine mögliche beschäftigungsrelevanteWirksamkeit von Weiterbildungspässen zu hoffen, da in diesem Fall ihr Erfolg vonKriterien abhängig gemacht würde, die kaum beeinflussbar sind. Stattdessen erscheintes, gerade auch aus erwachsenenpädagogischer Perspektive, lohnenswert, Weiterbil-dungspässe zu einem Instrument zu machen, die einen Beitrag zur Unterstützung derpersönlichen Bergung und Sichtbarmachung der individuellen Erfahrungen, Kenntnis-se, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen leisten und auf diese Weise die einzel-nen Menschen dabei unterstützen, ihre Laufbahn selbstverantwortlich zu gestalten, zuplanen und über zu bestimmen.

Anmerkungen

1 Für die unterschiedlichen Lernformen sollen in Anlehnung an Dohmen (2001) folgende De-finitionen gelten: Formales Lernen bezeichnet Lernprozesse in allgemeinen Bildungs- undAusbildungseinrichtungen, die zu staatlich anerkannten Abschlüssen und Qualifikationenführen. Unter non-formalem Lernen werden Lernprozesse außerhalb dieser Hauptsystemeallgemeiner und beruflicher Bildung verstanden, z. B. in Erwachsenenbildungseinrichtun-gen wie der VHS, die mit einer Teilnahmebescheinigung oder mit einem Zertifikat belegtwerden. Mit informellem Lernen werden intentionale selbstorganisierte oder beiläufige Lern-prozesse bezeichnet, die lebensweltnah stattfinden: im Prozess der Arbeit, im Familien- undFreundeskreis, im ehrenamtlichen Rahmen oder in der Freizeit, die üblicherweise nicht zueiner Zertifizierung führen.

2 Insgesamt wurden 90 verschiedene Benennungen gefunden.3 In welchem Dilemma man sich dabei befindet, verdeutlichen unter anderem ausgerechnet

die britischen Erfahrungen mit den NVQ’s. Obwohl Großbritannien eigentlich nicht für eineüberbordende Regelungswut bekannt ist, wurde dort ein System detaillierter Kompetenz-standards mit Ausführungskriterien unter Angabe geeigneter Nachweisformen entwickelt,das zunehmend unübersichtlich und schwer handhabbar ist.

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4 Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojekts Transferqualifikationen wurdeallerdings ein Curriculum für einen entsprechenden Weiterbildungskurs entwickelt (vgl. Prei-ßer/Wirkner 2002).

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Einige der in diesem Artikel genannten Pässe finden sich auch im Internet:

• ANEKO: www.aneko.de• Europäischer Computerführerschein: www.ecdl.com• Europäisches Sprachenportfolio: http://culture2.coe.int/portfolio/• Kompetenzbilanz: www.dji.de/bibs/33_633komp.pdf• Lernpass: www.izk-kompetenzcheck.de/lernpass.htm

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Horst Heidbrink

Prüfungen online

Ausgehend vom verbreiteten Phänomen der Prüfungsangst werden anhand ausgewählterBeispiele aktuelle Möglichkeiten vorgestellt, Prüfungen „online“ durchzuführen. Vor-geschlagen wird eine Ergänzung von Online-Prüfsystemen um teststatistische Module,durch die sowohl die Qualität von Prüfungsfragen optimiert als auch eine differenzier-tere Interpretation von Prüfungsergebnissen auf dem Hintergrund von Vergleichsgrup-pen ermöglicht werden kann.

1. Angst vor Prüfungen

Für die meisten von uns stellen Prüfungen eher unangenehme Situationen dar. Erwach-sene fühlen sich wieder in eine Schülerrolle versetzt, oftmals verbunden mit Gefühlender Unterlegenheit und der Angst zu scheitern. Wir sollen unser Wissen bzw. Nicht-wissen, unsere Fähigkeit oder Unfähigkeit in der Prüfungssituation offenbaren. Wirmüssen also eine Leistung präsentieren, bei deren Bewertung wir sowohl gut als auchschlecht abschneiden können – mit allen sich hieraus ergebenden positiven oder ne-gativen Konsequenzen.

Aber selbst wenn die Konsequenzen von keiner großen Tragweite sind, berührt jedePrüfungssituation auch unser Selbstwertgefühl. Wenn wir schlechter abschneiden alses unserem Anspruchsniveau entspricht, kratzt dies an unserem „Selbstwert“. Allerdingshat die Prüfungsangst auch ihre guten Seiten: Das Wissen um die möglichen negativenKonsequenzen richtet unsere Aufmerksamkeit auf die „Gefahren“, die wir meisternmüssen. Wir können unsere Aktivitäten schon im Vorfeld auf die geforderten Leistun-gen konzentrieren und sind damit weniger in der Gefahr, die Prüfungsvorbereitungenzu „verschlafen“. Diese sinnvolle Mobilisierung eigener Energien setzt allerdings auchvoraus, dass wir genügend Informationen über die Art der von uns geforderten Leistun-gen haben. Je weniger dies der Fall ist, desto mehr tendieren viele dazu, die Prüfungs-anforderungen und damit das Risiko des Scheiterns zu überschätzen.

Schriftliche Prüfungen lassen sich meist besser vorhersehen als mündliche Prüfungen,bei denen zusätzliche Unsicherheitsfaktoren vorhanden sind. Die tendenzielle Unbe-rechenbarkeit des Prüfers oder sogar eines ganzen Prüfungsgremiums ergibt sich vorallem aus der asymmetrischen Kommunikationssituation: Prüfer und Prüfling sind nichtgleichberechtigt, sondern letzterer ist der potenziellen Willkür der Fragenden und Be-wertenden ausgesetzt. Vom Prüfling wird nicht nur eine bestimmte fachliche Leistungerwartet, sondern auch das Bestehen einer für ihn schwierigen kommunikativen Situa-tion.

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Zur Senkung von hoher Prüfungsangst wird immer wieder empfohlen, sich mit denRegularien und konkreten Anforderungen der jeweiligen Prüfung möglichst frühzeitigauseinanderzusetzen.1 Dies fällt natürlich bei hoch standardisierten Prüfungen sehrviel leichter: Wenn die Prüfungsanforderungen genau definiert sind, kann die Vorbe-reitung sehr viel gezielter erfolgen als bei einer „offenen“ Prüfung.

2. Wie erwirbt man ein Online-Zertifikat?

Es erscheint zunächst plausibel, dass Prüfungen, die per Computer appliziert werden,einen derartig hohen Standardisierungsgrad aufweisen. Dies könnte also die Vermu-tung stützen, dass „Computerprüfungen“ einen vergleichsweise geringen Prüfungsdruckauslösen, zumindest bei computererfahrenen Prüflingen, bei denen also nicht der PCselbst schon Angst auslösend wirkt. Ein Blick ins Internet belegt diese Vermutung: Esexistieren eine Vielzahl von frei zugänglichen „Online-Prüfungen“, die aus einer mehroder weniger großen Anzahl von Multiple-Choice-Fragen bestehen und die sich aufeinen genau begrenzten Wissensbereich beziehen. In der überwiegenden Anzahl han-delt es sich hierbei um Prüfungen zu IT-Themen, die oft von IT-Firmen zur Mitarbeiter-bzw. Kundenschulung ins Netz gestellt werden. Diese Prüfungen dienen häufig alsFeedback zu einem vorher zu bearbeitenden „Online-Kurs“, mit dem die entsprechen-den Inhalte vermittelt werden sollen.

Als Beispiel hierfür mag eine Vertriebsschulung der Firma Microsoft dienen, in der esum den „Microsoft Server Appliance Kit für Windows 2000“ geht (http://sak.msoem.com/german/0mod_course.asp). Auf der Webseite werden die Ziele des Trainings folgender-maßen beschrieben: „Das Ziel dieses Online-Trainings besteht darin, die Verkaufszah-len für Windows Powered Server Appliances zu erhöhen. Es umfasst folgende Lernin-halte:• Genaue Kenntnisse über die wichtigsten Produktinformationen zu Windows Po-

wered Server Appliances;• die richtigen Fragen stellen und schnell Profile potenzieller Kunden für Windows

Powered Server Appliances erstellen;• erörtern, wie Windows Powered Server Appliances bedeutende und außergewöhn-

liche Vorteile bieten, um die kundenspezifischen Anforderungen zu erfüllen;• die allgemein üblichen Einwände und Kaufbarrieren des Kunden überwinden;• effektiver Kaufabschluss.“

Der Hauptinhalt des Kurses kann in 30-45 Minuten durchgearbeitet werden, für einenzusätzlichen „ausführlichen Kurs“ werden nochmals 20-30 Minuten veranschlagt. AmEnde erfolgt dann eine „Online-Prüfung“ über 15 Multiple-Choice-Fragen, die bei über-wiegend richtiger Beantwortung mit der Vergabe eines „Online-Zertifikats“ abgeschlos-sen wird:

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Begnügen wir uns zunächst mit der Erkenntnis, dass es möglich ist, aufgrund von On-line-Trainings in kurzer Zeit Kenntnisse in völlig neuen Themenbereichen zu erlangen,dieses Wissen (in bestimmtem Umfang) zu überprüfen und sogar zertifizieren zu las-sen. Wir haben dieses Beispiel gewählt, weil es sowohl die Vorteile als auch die Nach-teile einer hoch standardisierten Online-Prüfung demonstriert. Aufgrund der im Trai-ning gegebenen Informationen ist die Prüfung tatsächlich auch ohne große Vorkennt-nisse zu bewältigen. Besteht man die Prüfung beim ersten Mal nicht, kann man durchdie Rückmeldung der falsch beantworteten Fragen die entsprechenden Informationengezielt erneut durcharbeiten und die Prüfung erneut absolvieren.

Die Problematik ist in der Validität der Prüfung zu sehen. Werden hier wirklich dieFähigkeiten erfasst, die das Zertifikat beschreibt? Tatsächlich bezweifelt auch der Au-tor, ob er sich nach bestandener Prüfung nun wirklich in einer „guten Position“ befin-det, „Kunden zu helfen, ihre Produktivität und Effizienz durch den Kauf von MicrosoftWindows gesteuerten Serveranwendungen zu verbessern“. Der Grund hierfür ist aberweder darin zu sehen, dass das Training online erfolgte noch darin, dass auch diePrüfung online abgelegt wurde. Man kann sich unschwer ein Face-to-face-Trainingvorstellen, in dem ein Dozent die Inhalte des Online-Trainings mündlich vorträgt undeine inhaltlich identische Prüfung auf „Papier“ abgelegt wird. Schaut man sich dieZiele des Trainings an (s. o.), wird schnell deutlich, dass es sich an einen bestimmten

Abb. 1: Online-Zertifikat der Firma Microsoft

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Adressatenkreis mit spezifischen Voraussetzungen wendet. Nur ein Vertriebsmitarbei-ter mit speziellen IT-Vorkennntissen kann die im Training vermittelten Informationenso verarbeiten und in sein bisheriges Fachwissen und seine Verkaufsstrategien integrie-ren, dass es zu den erwünschten „effektiven Kaufabschlüssen“ kommen kann.

3. Online-Prüfsysteme für Schulen

Halten wir zunächst fest, dass die grundlegende Frage nach der Validität von Prüfun-gen nicht nur bei Online-Prüfungen zu stellen ist. Was könnten aber nun die Vorteilevon Online-Prüfungen sein? Christian Weikl (2002), Mitautor eines Online-Prüfsys-tems für Schulen (http://www.online-pruefen.de/) spezifiziert den „Mehrwert“ vonOnline-Prüfungen anhand des folgenden aufgrund praktischer Erfahrungen entwickel-ten Anforderungskatalogs:

• „Es ist ein Bereich für Lehrerinnen und Lehrer vorzusehen, in dem Übungen undPrüfungen erstellt werden können.

• Es soll möglich sein, einen Pool von Aufgaben zu verwalten und diesen Pool fürdie Zusammenstellung von Übungen oder Prüfungen flexibel zu nutzen.

• Übungen und Prüfungen sollen zielgruppenorientiert freigeschaltet werden kön-nen.

• Es sollen also nur zuvor festgelegte Klassen beziehungsweise Schülergruppen be-stimmte Übungen online zur Verfügung gestellt bekommen.

• Es ist ein Bereich für Schülerinnen und Schüler vorzusehen, in dem alle für siefreigeschalteten Übungen oder Tests angezeigt und frei nach individuellem Bear-beitungstempo durchgeführt werden können.

• Nach Abschluss der Übungen oder Tests erhalten die Schülerinnen und Schülereine Auswertung darüber, wie viel Prozent der möglichen Punkte sie erreicht ha-ben. Zudem soll ihnen die richtige Antwort angezeigt und ihre eigene Antwortdieser gegenübergestellt werden.

• Die Wiederholung von Übungen und Tests ist vom Lehrer oder von der Lehrerinzu steuern, damit jeweils eine eingehende Lernanalyse ermöglicht wird. Hierausergeben sich mögliche didaktische Entscheidungen für den weiteren Unterricht.

• Die Reihenfolge der zu bearbeitenden Aufgaben soll für jede Übung zufällig ge-wählt werden.

• Die Ergebnisse sollen für Einzelne und für die gesamte Klasse sofort ausgewertetwerden und nur für die Lehrkraft insgesamt einsehbar sein. Zudem soll die Mög-lichkeit bestehen, die Ergebnisse zu exportieren und in anderen Systemen (zumBeispiel im Tabellenkalkulationsprogramm) weiterzuverarbeiten.

• Es ist modular aufzubauen, sodass später weitere Module eingefügt werden kön-nen.

• Es soll für alle Schüler und für alle Lehrer eine einheitliche Nutzerführung geben“(Weikl 2002, S. 2).

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Realisiert wurde dieser Anforderungskatalog im Prüfungsportal www.online-pruefen.de,bei dem nach Auskunft der Betreiber gegenwärtig ca. 745 Lehrer/innen und Schüler/innen von zwölf Schulen angemeldet sind (Stand Sept. 2003).2 Da das Portal nochnicht lange im Netz ist, wird eine steigende Anzahl von Nutzern mit Beginn des nächs-ten Schuljahres erwartet. Die Benutzung des Prüfungsportals ist zunächst kostenfrei,erst ab einer bestimmten Anzahl von Lehrern bzw. Schülern werden moderate Gebüh-ren erhoben.

Die Vorteile eines zentralen Prüfungsportals liegen weniger in der tatsächlichen On-line-Prüfung (diese lässt sich auch dezentral an einzelnen PCs vornehmen), sondernin der für die Prüfungsvorbereitung, Prüfungsorganisation und Prüfungsauswertungbereitgestellten Infrastruktur. Lehrer können also eigene Aufgabenpools erstellen undverwalten, aber auch Aufgaben über das Netz mit Lehrern anderer Schulen austau-schen.

Online-pruefen.de basiert momentan noch auf der Verwendung von Multiple-Choice-Aufgaben. Mittelfristig wird allerdings an eine Erweiterung gedacht, beispielsweise durchTrainingsmodule (WBT) und komplexere Lernarrangements.

Abb. 2: Prüfungsauswertung mit „Online-Pruefen.de“

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4. Online-Prüfsysteme für Hochschulen

An der FernUniversität in Hagen werden studentische Einsendeaufgaben schon seiteinigen Jahren über das „WebAssign-System“ (http://niobe.fernuni-hagen.de/WebAs-sign/aufbau/aufbau.html) verwaltet. WebAssign ist im Rahmen der Initiative Campus-Source (http://www.campussource.de/) in verschiedenen Versionen als Quelltext undlauffähiges System verfügbar. In WebAssign werden die beteiligten Nutzer in drei Grup-pen aufgeteilt: Kursbetreuer (Lehrende), Korrektoren und Studierende. Alle greifen übereine zentrale Webschnittstelle auf das Anwendungssystem zu. Je nach Aufgaben- undPrüfungsart können drei Auswertungsverfahren Anwendung finden:

1. Automatische Korrektur: WebAssign unterstützt die automatische Korrektur fürStandard-Aufgabentypen:• Ja/Nein-Fragen;• Multiple-Choice-Aufgaben;• Aufgaben mit numerischen Antworten.Für kompliziertere automatische Bewertungen können individuelle Korrekturmo-dule (in der Programmiersprache Java) implementiert und dann ins System gela-den werden. Insbesondere bei Programmieraufgaben werden solche individuel-len Korrekturmodule eingesetzt. Studenten senden (Teile von) Computerprogram-men ein, die vom System kompiliert und getestet werden.

2. Manuelle Korrektur: Bei manueller Korrektur schreiben die Korrektoren ihre An-merkungen direkt in die Einsendungen (HTML-Dokumente) der Studenten. EinKorrektor muss daher mit einem HTML-Editor vertraut sein. So kann er seine An-merkungen präzise in den Text des Studenten setzen. Dadurch ähnelt die web-basierte Korrektur sehr der mit Papier und Bleistift.

3. Manuelle Korrektur mit automatischer Vorkorrektur: Für einige Aufgabenarten istauch eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten sinnvoll: Die Lösung wirdzunächst automatisch überprüft; danach wird sie manuell mit Anmerkungen ver-sehen und bewertet.

Das Webassign-System wird nicht nur an der FernUniversität, sondern auch an anderenHochschulen eingesetzt. Wie auch anderen Online-Prüfungssystemen liegen die Vorteilenicht nur in der Möglichkeit, dass Studierende vom heimischen PC aus Aufgaben lösenkönnen, sondern in der zentralen Aufgabenverwaltung und Administration. Auf dieseVorteile verweist auch H. Göpfrich (2002) in seinem Erfahrungsbericht über eine web-unterstützte Online-Prüfung im Rahmen einer Lehrveranstaltung zur betrieblichen Infor-mationsverarbeitung. Insgesamt 217 Studierende wurden mit einem selbst entwickeltenPrüfungssystem geprüft, wobei die Besonderheit darin lag, dass die Prüfung in einemZeitraum von zweieinhalb Wochen beliebig häufig wiederholt werden konnte. Bei mehr-maliger Prüfung wurde der Durchschnitt von max. drei Versuchen gewertet, sodass dieStudierenden selbst entscheiden mussten, ob sie ihr bisheriges Ergebnis verbessern (undggf. auch verschlechtern) wollten oder nicht. Göpfrich hebt als positiv vor allem die so-fortige Rückmeldung mit der Möglichkeit hervor, bei schlechten Resultaten diese durch

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Wiederholungsprüfungen zu verbessern. Für die Einzelprüfungen suchte das Systemjeweils selbstständig aus einem Pool von 336 Aufgaben 40 Prüfungsfragen heraus, sodassdie Studierenden bei Wiederholung mit jeweils anderen Fragen konfrontiert wurden.

Diese Verfahrensweise setzt allerdings voraus, dass die Fragen selbst sorgfältig kon-struiert werden, um sowohl die inhaltliche als auch die schwierigkeitsbezogene Ver-gleichbarkeit der jeweiligen Itemstichproben zu gewährleisten.

5. Teststatistische Erweiterungen von Online-Prüfungen

Methodische Lösungen für dieses Problem sind im Übrigen seit langem vorhanden,werden aber bislang nicht bzw. kaum genutzt. Dies ist auch wenig verwunderlich, daerst in allerjüngster Zeit die technischen Möglichkeiten von Online-Prüfungen eineVerbindung von Prüfungen und Teststatistik im größeren Stil praktikabel erscheinenlassen. Die „klassische Testtheorie“ (vgl. Lienert/Raatz 1998) liefert die mathemati-schen Grundlagen für die Bestimmung paralleler Testformen und ist zudem geeignet,auch die Zuverlässigkeit (Reliabilität) von Aufgabenpools zu optimieren. Da diese Ver-fahren relativ aufwändig sind, wurden sie bislang vor allem bei der Entwicklung undStandardisierung professioneller psychologischer Testverfahren genutzt, aber nur inAusnahmefällen bei Prüfungsverfahren zur Kontrolle von Lernprozessen eingesetzt.

Abb. 3: Struktur des WebAssign-Systems der FernUniversität in Hagen

Quelle: http://niobe.fernuni-hagen.de/WebAssign/aufbau/aufbau.html

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Nun zeigen gerade die aktuellen Beispiele von Online-Prüfungs-Systemen, dass diesevon ihrer Konzeption her ideale Plattformen für die Integration teststatistischer Modulesein könnten. Hierbei geht es weniger darum, dass die Prüfungen online erfolgen,sondern dass die Prüfungsergebnisse zentral gespeichert werden und die Datenbasisfür die Berechnung statistischer Vergleichwerte darstellen können (vgl. hierzu auch die„Figurationsanalyse“ von Grawe und Baltensperger (2002), die zur Evaluation von psy-chotherapeutischen Behandlungen eingesetzt wird).

Prüfungsergebnisse sagen ja nicht nur etwas über die Leistungen der geprüften Perso-nen aus, sondern auch etwas über die Qualität der verwendeten Prüfungsinstrumente,also z. B. darüber, ob Prüfungsfragen verständlich formuliert sind, ob sie in ihrem Schwie-rigkeitsgrad für die jeweilige Zielgruppe angemessen sind und sich tatsächlich auf diezu prüfenden Inhalte beziehen. Bislang wird die Entscheidung dieser Fragen weitge-hend den jeweiligen Prüfern überlassen. Dies ist ein bekanntermaßen problematischesVerfahren, da Prüfer verständlicherweise dazu tendieren, Prüfungsergebnisse eher der(mangelnden) Leistungsfähigkeit der Geprüften als der Unzulänglichkeit ihrer Prüfungs-fragen zuzuschreiben.

In einem ersten Schritt könnten in einem Online-Prüfungs-System z. B. für alle Aufga-ben eines Pools aufgrund bereits erfolgter Prüfungen• die Schwierigkeitskoeffizienten (Prozentsatz der Personen, die die Aufgabe gelöst

haben),• die Trennschärfenkoeffizienten (Korrelation der Aufgabe mit der Gesamtpunktzahl

einer Prüfung)berechnet und anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden.

Prüfer hätten so die Möglichkeit, anhand dieser Aufgabenkennwerte aus dem Gesamt-aufgabenpool für ihre Prüflinge eine geeignete Fragenliste zusammenzustellen undderen Ergebnisse mit denen anderer zu vergleichen. In einem stark frequentierten Prü-fungsportal würde die Datenbasis schnell wachsen und eine differenzierte Interpretati-on von einzelnen Prüfungsergebnissen auf dem Hintergrund unterschiedlicher Ver-gleichsstichproben erlauben.

Bei schulischen Leistungsprüfungen würde hiermit zudem die aktuelle Forderung nachLeistungsvergleichen zwischen Klassen und Schulen ermöglicht, wobei ein nicht uner-heblicher Vorteil darin liegen dürfte, dass die Leistungsvergleiche von Schulen, Leh-rern und Schülern selbstorganisiert durchgeführt werden könnten. Auf diese Art könn-ten Lehrer beispielsweise bei Vergleichsprüfungen den individuellen Lehrstoff ihrerKlassen (durch die Auswahl entsprechender Aufgaben) weitaus besser berücksichtigenals dies bei zentral verordneten Vergleichsprüfungen möglich ist.

Eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten wären in einem derartigen System realisier-bar, z. B. die automatisierte Zusammenstellung thematisch homogener Prüfungsfra-gen, Informationen über die Zuverlässigkeit (Reliabilität) von Aufgabenlisten, ggfs. sogar

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über deren Gültigkeit (Validität). Hier soll festgehalten werden, dass die Entwicklungs-möglichkeiten von Online-Prüfsystemen bislang noch weitgehend ungenutzt sind. Dieseliegen vor allem in den Möglichkeiten, die die Kombination von dezentraler Nutzungund zentraler Speicherung von Prüfungsaufgaben und Prüfungsdaten bietet. DieseMöglichkeiten ließen sich im Übrigen selbst dann nutzen, wenn die Prüfung selbst garnicht „online“ durchgeführt wird, sondern ganz traditionell auf „Papier“ erfolgt. Not-wendig wäre nur, dass die Aufgaben dem Onlinepool entnommen und die Ergebnissediesem wieder zugeführt werden.

Gerade bei den in der Erwachsenenbildung üblichen kleinen Lerngruppen könntenDozent/innen und Teilnehmende bei Nutzung zentraler Aufgabenpools eigene Lehr-bzw. Lernerfolge auf dem Hintergrund externer Vergleichsgruppen weitaus besser be-urteilen und interpretieren als dies bislang möglich ist.

Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, dass die Entwicklung des hier skiz-zierten Systems keine triviale Aufgabe darstellt. Obwohl entsprechende Programmezur automatisierten teststatistischen Auswertung existieren (vgl. z. B. das Excel-Arbeits-blatt „Itempro“ des Autors: http://psychologie.fernuni-hagen.de/Itempro/Index.html),dürfte die Implementierung in ein Online-System einigen Aufwand erfordern. Zudemverlangt die notwendige Speicherung von Prüfungsdaten eine sorgfältige Berücksichti-gung von Datenschutzbestimmungen (z. B. sollten Prüfungsergebnisse nur anonymi-siert gespeichert werden) und die Sicherstellung der benötigten Integrität der Dateneine sorgfältige Kontrolle der Zuweisung von Zugriffsrechten.

6. Mündliche Online-Prüfungen und Online-Referate

Die bisher dargestellten „Online-Prüfungen“ orientieren sich weitgehend am Modelltraditioneller schriftlicher Prüfungen. Diese Einschränkung scheint zunächst nahe lie-gend, wenn man den Computer als „Eingabemedium“ benutzt. Trotzdem ist es durchausmöglich, auch andere Prüfungsformen „online“ zu realisieren. So wird an der Fernuni-versität in Hagen seit 1996 die Möglichkeit genutzt, mündliche Zwischen- und Ab-schlussprüfungen von Studierenden im Ausland per ISDN-Videokonferenz durchzu-führen. Einige Studienzentren in Österreich und der Schweiz verfügen über geeignetetechnische Ausstattungen, die es erlauben, dass der Prüfer in Hagen sitzt und der Prüf-lingskandidat in einem Videostudio des Studienzentrums. Die Prüfungsordnung schreibtallerdings vor, dass ein Beisitzer am Prüfungsort anwesend ist, also neben den Prüflingsitzt. Mittlerweile wurden bereits mehr als 500 Prüfungen per Videokonferenz durch-geführt. Derartige Videoübertragungen sind prinzipiell auch über das Internet mög-lich, wobei hierbei allerdings immer noch Probleme in Bezug auf die Qualität undStabilität der Videoübertragungen existieren.

Die Erfahrungen an der Fernuniversität haben gezeigt, dass zwar nicht jeder Studie-rende und auch nicht jeder Prüfer mit der Technik der Videoübertragung problemlos

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zurechtkommt, dass diese Möglichkeit jedoch vor allem für weit entfernt wohnendeStudierende attraktiv ist, die lieber in ein nah gelegenes Studienzentrum fahren undmit dem Prüfer per Bildschirm in Kontakt treten als die für sie weite Reise nachHagen in Kauf zu nehmen. So wie die Technik der Videokonferenz eine mündlichePrüfung auch dann ermöglicht, wenn sich Prüfer und Prüfling nicht am selben Ortbefinden, ist es auch möglich, Prüfungsleistungen, die traditionell in Form von Refe-raten oder Hausarbeiten erbracht werden müssen, über das Netz zu organisieren.Dies geschieht an der Fernuniversität z. B. seit vielen Jahren im Rahmen sog. „virtu-eller Seminare“.

In den seit 1996 veranstalteten virtuellen Seminaren zur „Einführung in die Fragebo-genentwicklung“ (vgl. Heidbrink 2000) haben wir die Vergabe der Leistungsnachwei-se in direkter Analogie zu traditionellen Lehrveranstaltungen geregelt. Bei letzteren istmeist eine schriftliche Hausarbeit oder ein Referat obligatorisch. Hausarbeiten könnenoft auch als Gruppenarbeiten durchgeführt werden – diese Möglichkeit empfehlen wirauch in den virtuellen Seminaren. Zur Vorbereitung wird die Bildung virtueller Arbeits-gruppen von der Seminarleitung unterstützt. Die Arbeitsgruppenmitglieder könnenhierbei weit entfernt voneinander wohnen, da die Binnenkommunikation der Gruppein der Regel per E-Mail und über Online-Chats läuft. Es hat sich gezeigt, dass dievirtuellen Arbeitsgruppen überwiegend gut zusammen arbeiten. In Nachbefragungenzeigten sich die Teilnehmenden meist sehr zufrieden mit der virtuellen Kommunikati-on innerhalb ihrer Arbeitsgruppe. Die für die Leistungsnachweise notwendigen schrift-lichen Ausarbeitungen werden von den Arbeitsgruppen zunächst per E-Mail an dieSeminarleitung geschickt und – nach einer inhaltlichen und formalen Überprüfung –von dieser dann in speziellen Newsgruppen des Seminars veröffentlicht und von allenSeminarteilnehmern gemeinsam diskutiert.

7. Zusammenfassung für den eiligen Leser ...

Auch Online-Prüfungen sind Prüfungen, die Prüfungsangst auslösen können. Die vor-gestellten Beispiele deuten jedoch an, wie sich Prüfungsängste durch die speziellenMöglichkeiten computerbasierter Systeme zumindest vermindern lassen, z. B. durchdie Standardisierung von Prüfungsaufgaben, durch unmittelbare Ergebnisrückmeldun-gen und Möglichkeiten selbstgesteuerter Prüfungswiederholungen.

Die technischen Möglichkeiten des Online-Prüfens werden bislang erst teilweise ge-nutzt. Durch die Anbindung an Datenbanksysteme können Prüfer in Online-Prüfporta-len bereits heute eigene Aufgabensammlung speichern und auf die Aufgabenpoolsanderer zugreifen. Lernende können ihren aktuellen Leistungsstand online selbststän-dig überprüfen, aber auch für die Absolvierung formaler Prüfungen bzw. zum Erwerbvon Zertifikaten nutzen. Für die weitere Entwicklung von Online-Prüfungsportalenempfehlen wir eine Erweiterung um teststatistische Module, über die die Qualität vonPrüfungsfragen kontrolliert und optimiert werden kann und zudem Prüfern und Ge-

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prüften weitreichende Möglichkeiten zum Vergleich und zur besseren Interpretationvon Prüfungsleistungen eröffnet werden könnten.

Auch mündliche Prüfungen können online durchgeführt werden und im Rahmen vonvirtuellen Seminaren lassen sich schriftliche Hausarbeiten und Referate als Prüfungs-leistungen definieren.

Die Durchführung von Online-Prüfungen ist allerdings nur dann sinnvoll, wennhierdurch gegenüber den traditionellen Prüfungen ein „Mehrwert“ erreicht wird. Al-lein die Tatsache, dass „online“ als Attribut modern klingt, ist noch kein ausreichenderGrund, Prüfungen vom Prüfungsraum ins Netz zu verlegen.

Anmerkungen

1 Ein Online-Test zur richtigen Prüfungsvorbereitung findet sich bei „Medi-Learn“: http://www.medi-learn.de/cgi-shl/Schnelltest.pl

2 Ich danke Markus Asmuth von Online-pruefen.de für diese Informationen.

Literatur

Göpfrich, H. (2002): Erfahrungsbericht über die Durchführung einer web-unterstützten Onli-ne-Prüfung in der Lehrveranstaltung „Einführung in die betriebliche Informationsverarbei-tung“. Fachhochschule Wiener Neustadt für Wirtschaft und Technik, http://serverprojekt.fh-joanneum.at/sp/meetings/bm4/pdf/goepfrich.pdf)

Grawe, K./Baltensperger, C. (2002): Figurationsanalyse. Ein Konzept und Computerprogrammfür die Prozess- und Ergebnisevaluation in der Psychotherapiepraxis (Version 3). Zug

Heidbrink, H. (2000): Virtuelle Methodenseminare an der FernUniversität. In: Batinic, B. (Hrsg.):Internet für Psychologen. 2. Aufl. Göttingen

Lienert, G. A./Raatz, U (1998): Testaufbau und Testanalyse. 6. Aufl. WeinheimWeikl, Ch. (2002): Online-Prüfen: Geht das auch im Unterricht? Lehrer online. Ein Projekt von

Schulen ans Netz e. V. (http://www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=329103.htm)

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Barbara Merrill / Stephen Hill

Accreditation of Prior Experiential Learning (APEL)

1. The Context of APEL

Lifelong learning and social inclusion policies are now high on the policy agendas ofboth the European Union and national states in Europe. The push for such policiesarises from changes in the labour market and economy and globalisation in post-industrial society. Skills have to be constantly updated and new ones acquired. Inthe post-Fordist era people can expect to have a series of jobs perhaps interspersedby periods of short-term contracts or unemployment. In the information society theacquisition of knowledge is essential. Both the European Commission (EC) and na-tional European governments view education as the key to economic success. TheCommission’s White Paper, 1995, and more recently, the Memorandum on LifelongLearning, 2001, stress the necessity for accepting new skills and knowledge withineducation. Integrating work and education is viewed by governments and industrial-ists as essential: “Work procedures and work itself are facing restructuring … Thecontents and … structures of jobs are changing. Ever higher competence is expectedin all occupations … more and more individuals are being confronted with the starkreality that their education, completed decades ago, no longer gives them the com-petence they need …” (The Round Table of European Industrialists, ERT 1989,p 170).

The development of a learning society is perceived as the key to ensuring the “futurecompetitiveness of the European economic system“ (ERT 1989, p 78). Widening ac-cess for adults is now a political imperative. The Accreditation of Prior ExperientialLearning (APEL) has been, in some European countries, an important element in thewidening access strategy and will play a still more substantial role in the future. APELhas the potential to contribute significantly towards higher education by offering aflexible approach to learning, opening up institutions to new groups of learners anddeveloping partnerships with outside organisations. It also has a role to play in thesocial inclusion agenda as well as being a tool for responding rapidly to changingeconomic needs. APEL is used across all adult education sectors. Increasingly, in somecountries, it is more significant at the higher education (HE) level in enabling “non-traditional” adult students who may lack traditional qualifications to enter university.Lueddeke argues that in relation to universities: “It involves consideration of the devel-opment of policy, procedures and infrastructure that could … facilitate access of a vaststudent body presently denied entry to higher education but who may meet ‘non-traditional’ qualifying criteria” (1997, p 215).

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2. A Changing Higher Education?

Socio-economic changes in post-Enlightenment modernity have led to a reshapingand transformation of higher education systems from elite to mass-based institutions(Trow 1973; Scott 1995). As Scott argues: “The growth of mass systems is taking placeagainst a background of socio-economic transformations that are both rapid and pro-found … New social forms and economic patterns are seen as alternative to, not exten-sions of, the forms and patterns generated by Fordist mass-manufacturing and the bu-reaucratic Weberian state. Mass higher education, it has been argued, is also morethan the linear successor of elite higher education because sociologically and episte-mologically it represents a break with past continuities” (Scott 1995, p 172).

The purpose of universities as elite research institutions socialising and reproducing ayoung, middle class minority as the next generation of intellectuals, is being ques-tioned, redefined and reconstructed. “Academic” knowledge as traditionally providedby universities is perceived in some quarters as no longer adequate for a knowledgesociety requiring new demands and wider types of knowledge. Mass higher educationintroduced a new form of learning in universities, although elite institutions managedto maintain their structures and culture, characterised by a broader student base andcurriculum. Scott (1995) highlighted a number of “procedural and structural” changeswhich universities have to undergo in order to become mass institutions such as mod-ular degree and credit transfer schemes, the transformation of continuing education,Access courses and partnerships with non-higher education institutions:

APEL is one mechanism for enabling “non-traditional” adult students to enter highereducation. Inevitably in the UK, and elsewhere, the new form of higher education ledto declarations of “more means worse” with concerns raised about quality and stand-ards. In the UK Scott (2000) argues that we have now moved beyond mass higher edu-cation to lifelong learning as the boundaries between the various post-compulsory sec-tors break down and merge. New types of universities have emerged: virtual and cor-porate. In this scenario Scott maintains that higher education courses are being offeredoutside traditional higher education institutions: “Not only have higher education in-stitutions and systems, certainly as presently constituted, reached the limits of their ownusefulness; they are also being actively subverted by new conceptions of learning, knowl-edge and organization. In practical terms, this suggests that while a relatively conven-tional higher education, such as Britain still has, can comfortably cater for up to a thirdof the age group, new approaches and institutions are needed if participation is to bewidened to half or more of the eligible population” (Scott 2000, p 41).

In a lifelong learning version of higher education, education and training become blurred.

“The pattern of higher education development with which we have been familiar inthe twentieth century – in effect, the expansion and (limited) liberalization of the uni-versity core combined with the development of ‘additional’ rather than alternative,

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and therefore firmly subordinated, forms of higher education – may become an anach-ronism in the new century” (Scott 2000, pp 41-42).

Within a changing and diverse higher education system APEL serves as a tool for pro-moting greater flexibility in relation to access and entry, assessment and accreditation.APEL has the potential to open the door of universities to those previously deniedaccess as a result of experiencing inequalities in initial education, and/or socio-eco-nomic structural constraints. One of the future scenarios of universities will be to pro-vide a range of multi-level programmes to meet the needs of an adult learning popula-tion within a learning society. Higher education is no longer the preserve of the youngas Heeger (1983, p 3) elaborates: “The very concept of prior learning is a recognitionof the changing needs of an ageing population, which has been accumulating a farmore complex learning background than higher education has had to deal with in thepast.”

Evidence from a TSER project on adult access to universities indicates that in manyEuropean countries the adult student population is growing to the extent that in someinstitutions adults now form the majority. In Sweden adult students have always beenconsidered the norm, although not necessarily non-traditional. Yet despite the movetowards mass higher education elite institutions still remain largely untouched across aEurope in which “the university system is used to privilege a small minority in anunequal contest for high social and economic status” (Bourgeois et al. 1999, p 27). Thedivision between the traditional and new/reform universities may further entrench atwo-tier system as pockets of resistance to change remain. Dichotomies between re-search and teaching, elite and diverse student populations (visible in the UK) may wellmark the higher education system of the future. However, as the system as a wholeresponds to the transformation many institutions are opening their doors to local com-munities and non-traditional students, and will continue to do so in the future. Newforms of knowledge production are emerging, APEL among them, which enable adultsto access higher education which was previously denied them.

3. What is APEL?

The essence of APEL, recognising informal learning from experience, is not new butformalising it as a recognised means of entry and learning process is. APEL bridges thegap between formal and informal learning. Prior experiential learning is recognised byHE institutions in a number of ways: for admission, as accreditation, advanced stand-ing and as part of the learning/teaching process. Generally APEL is most commonlyused for admission and advanced standing. APEL is also closely linked to systems ofcredit accumulation and transfer and the development of European economies (HEQC1998) with the potential to encourage mobility of learners and workers within andbetween nation states. Much literature assumes that the reader knows what APEL means.Definitions are few and far between. A number of acronyms are used to mean slightly

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different things, for example, Accreditation of Prior Learning (APL), and Accreditationof Prior Certificated Learning (APCL) and this has led to confusion. APL and APEL areoften used interchangeably yet the former refers to certificated prior learning gained informal learning such as “organised courses, modules, workshops, seminars and similaractivities” (Nyatanga/Forman/Fox 1998, p 7). In Australia the process is called Recog-nition of Prior Learning (RPL). The ‘A’ in APEL stands for accreditation in some situa-tions and assessment in other. APEL describes the process of giving formal recognitionto learning acquired informally through experiences in the family, community, leisureactivities, workplace or voluntary work. This could include caring for a relative in thehome, a life transition, or acting as a committee member of a community group. Rec-ognition is also given to learning experienced as a result of personal life transitions or“turning points” (Strauss) such as divorce, bereavement or unemployment (Luedekke1997). It is learning that is uncertificated and as such involves reflection and analysis ofpast experiences – self-evaluation – to identify explicit learning outcomes or achieve-ments (Hamill/Sutherland 1994). This may take the form of producing a portfolio, projectwork, reflective accounts or matching the learning with declared learning outcomes.

In a recent EU Socrates Adult Education project (project number 25019-CP-2-97-1-BE-ADULT EDUCATION, 1996-99) the use of the terms assessment and accreditation wasrejected since neither adequately described the different applications of APEL as iden-tified in our survey of European countries. For Evans: “The Assessment of Prior Experi-ential Learning involves students or prospective students documenting their learningfrom life and work experience in such a way that they can use such documentation togain access and advance standing in tertiary education institutions” (1990, p 122).

Similarly Challis argues: “The fundamental principle underpinning APEL is that learn-ing is worthy and capable of gaining recognition and credit, regardless of the time,place and context in which it has been achieved. It thus represents a move to acceptthat learning is not dependent upon any particular formal setting, and to acknowledgeit as being of value in its own right“ (1993, p 1).

APEL is significant as a means of promoting widening access and social inclusion for anumber of reasons. Importantly it challenges existing notions of what counts as usefulknowledge by recognising that learning is not confined to formal educational institu-tions or the workplace: “APEL is essentially about learning from experience. APEL alsoraises interesting questions about learning and assessment processes, what constitutesknowledge and the interaction and relationship between formal and informal learn-ing“ (Merrill/Hill 1998, p 21).

Skills and knowledge gained in personal and public domains are both viewed as im-portant. Everyone has life experiences of learning in different contexts. APEL acknowl-edges that learning does not only occur in formal learning situations and that informallearning is just as valuable as a knowledge base as formal learning. Emphasis is alsoshifted from learning outcomes to the learning process (Storan 1988). APEL offers an

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important stepping stone on the path to returning to learn for adults who may havebeen disaffected or let down by initial schooling. Informal learning is assessed andtransferred into a commodity, a credit. APEL is also significant in enhancing the learn-ing confidence of “marginal learners”, such as adults with few qualifications or thosewho have been out of the education system for a long time, in helping them to devel-op their learning skills, and design a learning trajectory. Importantly it places the learn-er at the centre of the learning process. However, the process is not without contradic-tions in assessing and quantifying the reflective processes of learning acquired infor-mally as critics such as Assiter/Shaw (1993) have pointed out. Barkatoolah (1998) stressesthat APEL should be used as a tool for qualifying without accreditation and that certifi-cation should only apply if it is appropriate for the individual learner. For her APELshould be “qualifying not certifying”. Despite this APEL is a valuable tool for encour-aging adult learners to reflect upon their experiences in their own language, identify-ing the learning processes and providing evidence demonstrating that learning has takenplace.

Butterworth (1992) identified two main models of APEL within higher education: thecredit exchange model and the developmental model. The former model awards cred-it by matching informal or non-credited learning with learning outcomes within anaccredited programme. It is the learners’ responsibility to demonstrate that their priorlearning and competencies match those of the accredited module through a process ofreflection, defining, conceptualising and a self-audit of individual experiences andcompetencies. This outcomes-based approach enables an adult learner to gain exemp-tion from a particular module. For part-time adult undergraduates APEL is valuable forspeeding up gaining a degree. However, APEL is also used at postgraduate and founda-tion levels as well as for professional courses. The credit exchange model has largelydeveloped in response to the need by governments for a more qualified workforce. Incontrast the developmental model is described by Trowler (1996) as the “credit-ex-change plus” model. It draws on Kolb’s (1983) concept of the learning cycle. Thelearner reflects upon, evaluates and identifies previous learning experiences throughthe writing of a portfolio, a diary, a biography, pictures, analysing documents. Personalreflection lies at the core of this model in which the learner is central to the learningprocess. In higher education institutions such an approach may be used as a distinctmodule in its own right. In practice, Trowler (1996) argues that APEL systems operateon a continuum between the two models with institutions offering a range of APELmethodologies.

Adult educators such as Freire stressed the centrality of experience in adult learningwhile others such as Knowles (1990) and Brookfield (1983) point out that adults bringwith them a wide range of skills and knowledge to the learning situation. A study byHutchings/Wutzdorff (1988) looking at how people learn within the context of work-based learning concluded that how we learn is “not simply a matter of application butrather an ongoing interactive process in which both knowledge and experience arerepeatedly transformed”. The concept of situated learning from a constructivist per-

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spective stresses the importance of interaction between the prior experience of thelearner and the context in which learning takes place. Central to APEL is the notion that“learning is rooted in the individual’s general experience“ (Lueddeke 1997, p 221)entailing “a dynamic, ongoing interactive process between knowing and doing” (Hutch-ings/Wutzdorff 1988, p 7). For Bailey and O’Hagan: “When the developmental APELsystems are put in place the process that follows the ‘reflective learning cycle’ willempower learners by enabling them to value the learning they already have prior toany matching exercise (accreditation)” (1999, S. 57).

Adults have built up a biography of such learning experiences through their daily livesin the family, community and workplace. Higher education institutions offering APELneed to recognise the value of such learning and integrate the approach into teachingand learning across the disciplines. Drawing on the constructivist approach this would“allow learners to examine the wider circumstances, issues and problems that haveinfluenced their lives and situate their own experience within the social organisation“(Mandall/Michelson 1990, S. 5) – not only for adults but younger students as well.

APEL is an important tool for promoting lifelong learning and social inclusion: “Thequestion for all of us, therefore, is can APEL be regarded as one of the liberating mech-anisms we as educators can employ to enable individuals to lift barriers to learning andpolicy makers to reach targets for lifelong learning?” (Georgious 1999, p 31)

4. The APEL Process in Europe

The practice of APEL varies across Europe. It has developed in different ways and atdifferent rates. APEL is largely culturally determined, being shaped by national educa-tion systems. Research undertaken in two Socrates Adult Education projects indicatethat while some countries are at a starting point, such as Spain and Portugal, others arewell advanced, for example, France, the UK and Germany. In both Spain and Portugalthere is a current policy push to develop APEL systems. APEL is largely confined tovocational learning in France, Germany and Finland. It is also generally within theuniversity sector. APEL in Finland, for example, is linked to work-based learning inhigher education. In Sweden while the life experiences of adults are assessed the termAPEL is not used. APEL is now being developed in Eastern Europe.

In France the APEL system is highly centralised through national legislation whichgives it a high profile and status within higher education. The 1985 decree in Franceallows a higher education institution to award exemption from qualifications normallyrequired for entry to a course. A learner can also be exempted from some of the assess-ment requirements of the chosen course. Top-up studies may have to be undertaken. A1993 decree allows higher education institutions to award units, modules or part ofmodules of a diploma course through the process of accreditation. Up to all but oneunit can be achieved in this way. Legislation enables a potential learner to make a

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claim to a university for validation des acquis to which universities have to respondalthough they are not obliged to give a reason if reject the application. As a result thenumber of students who go through and benefit from the APEL process in French uni-versities can be easily quantified at the national level. In 1999 11, 150 people weresuccessful in using APEL either in French universities or at the vocational higher edu-cation institution of CNAM. Compared to 1998 the numbers of learners opting for thisprocess increased by 18.6 %. Barkatoolah (1998) maintains that, importantly, in theFrench system the learner is placed central in the process. The policy push for APEL inFrance has come from the Government. As a result the Ministre de l’Education Nation-ale is very influential in shaping APEL policy and practice. Learners are more aware ofthe availability of the APEL process in France than in other countries. However, there isnow an increasing amount of information available about the APEL process, particular-ly on the internet, for example, several universities (mostly new) in the UK advertisetheir APEL possibilities and procedures on a website.

Other European countries use APEL as a mechanism for bridging the gap betweeninformal experiential learning and formal academic learning. Institutionally it is organ-ised at departmental level and as a result it is more difficult to assess the number oflearners who have undergone the APEL process. APEL may be confined to certaindisciplines in universities such as social policy and social work, social studies, nursing,engineering, education, management and health studies. Though HE institutions mayhave institutional policies on APEL these may not be implemented by all departments.New universities in the UK often have a person identified centrally as an APEL co-ordinator. If such a person exists in the old universities it is generally through Continu-ing and Adult Education departments or located in the administration division. Recentsurveys in the UK indicate that APEL is now being used less in the further educationsector (post-compulsory institutions) while universities are increasingly offering APEL.In Scotland and France APEL is linked predominantly to postgraduate level and associ-ated with the professions, for example, social work, social policy, nursing and man-agement, rather than undergraduate level. APEL is used by higher education institu-tions for the following purposes; advanced standing, assessment, accreditation, ex-emption from a particular module or as a contribution to learning.

A European survey on APEL across Europe (11 countries) funded by the EU (SocratesAdult Education) illustrated that: “APEL procedures are most commonly used to sup-port applications for entry to educational institutions, whereas its use to support andcontribute to learning is relatively limited, with the exception of Sweden (75.5 %) andGermany (60.8 %) and actual accreditation of prior learning is still less common” (Hill1999, p 15).

In percentage terms the 1999 study found that the average use of APEL across Europefor admission was 61.8 % compared to 45.4 % for advanced standing, 34 % for con-tribution to learning and 23.9 % for accreditation.

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The most common approach across European universities is the use of a portfolio fordemonstrating experiential learning through documentation such as minutes of meet-ings, essays, letters etc. to support claims for APEL. This was substantiated through a2001-2002 European study (EU, Socrates Adult Education). The learner submits theportfolio for formal assessment and, if successful, receives either credit or admission toa particular course or programme. In Finland, however, learners generally make aclaim through a personal development plan which consists of personal informationabout a person’s progress in study and in work based learning and evidence of achieve-ments. The process of APEL is interpreted differently within Europe. In France empha-sis is placed on the learner’s ability to engage in problem-solving and critical thinking.This approach recognises that not only are the processes of experiential learning differ-ent but that the outcomes of these processes also differ. In contrast, in the UK greateremphasis is placed on establishing equivalence between the outcomes of experientiallearning and the outcomes of a particular academic programme or module againstwhich the learner is seeking credit for exemption.

The Socrates projects revealed that there is no common framework to using portfolioseither within a particular country or across Europe. What is expected from a learnervaries greatly from country to country (Cleary et al. 2002).

5. APEL from the Learner Perspective

Literature on APEL largely discusses the issues from the perspective of the institution,yet in order to secure good APEL systems it is important to listen to the experiences ofthe learners. The following section draws on the voices of learners in higher educationacross Europe, interviewed as part of a SOCRATES project (Cleary et al. 2002). Themajority of learners in this study had not heard of APEL before embarking on writing aportfolio. All were using the developmental model of APEL. When they first learntabout the possibility of using APEL participants thought it sounded too abstract. A com-mon practice is for universities to run initial group tutorials to explain what APEL is andwhat is expected of the student. Many of the learners had been out of the educationsystem for a long time. Others were part way through part-time degree courses. Theirexperience of learning from initial schooling is that learning is structured, directed andprescriptive. Not surprisingly several still felt unsure about what an APEL portfolio wasand what they had to do to achieve it after the initial tutorials. Some stated that theirunderstanding was confused by the delivery given by tutors and APEL co-ordinators,whilst others articulated a need for more structure and more clarity about what a casefor APEL should look like.

For many the difficulty associated with APEL revolved around the fact that they coulddraw on their own life experiences rather than present ‘academic’ material. Generallywith the portfolio approach students are offered individual tutorials. Some felt thatonce they started the APEL process they did not require any further guidance; others

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became highly dependant on tutor input. The apprehension experienced at the start ofthe APEL process was due to the fact that it was a new way of learning; they had tolearn to be self-directive, reflective and draw on new forms of knowledge such as theirown life experiences.

At the end of the process most students valued the insight gained from reflection ontheir life and professional experiences, especially for forcing them to link theory andpractice. Most students said that they would recommend the APEL process to otheradult learners.

6. The Future Scenario of APEL for European Universities

APEL is increasingly having an important role to play in opening universities to non-traditional universities in certain European countries. Those countries that are at astarting point are beginning to realise the significance of APEL for lifelong learning andsocial inclusion policy agendas. It is likely, therefore, that APEL will continue to ex-pand as a learning strategy. A number of implications and future scenarios, however,can be identified by asking the following questions:

What impact will APEL have in terms of questioning traditional academic knowledgeand learning processes in universities? Will the wider implementation of APEL ensurethat other forms of knowledge – “really useful knowledge” (Johnson 1988) – will bevalued within academia?What impact will APEL have on the constitution of the student population and thewidening access agenda? Will it result in a broader and more heterogeneous studentpopulation, characterised by an increase in non-traditional adult students?Could APEL be used to facilitate mobility in terms of individual social mobility, mobil-ity of students between national and European universities and employee mobility ofgraduates across Europe?Has APEL the potential to blur the boundaries between formal and informal learning?APEL enables a learner to use their biographical experiences reflectively. In doing sothey are constructing a self-identity (Giddens 1991). To what extent will APEL form partof the process in influencing a learner’s identity in university? To what extent willbiographical experiences in the family, community or work, for example, influence thefuture university curriculum, thus further linking learning and experience?

The above require a cultural and organisational shift in universities if these scenariosare to be achieved, particularly within the elite, traditional institutions.

Universities traditionally are sites for the re/production of knowledge. What constitutesknowledge is narrowly defined, confined to scientific and technical knowledge acrossdifferent disciplines. However, that idea of the university is now contested as the claimis made that universities are no longer the sole producers of knowledge (Lyotard 1984).

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Gibbons et al. (1984) maintain that mode 1 knowledge associated with modernity isbeing replaced by mode 2 knowledge whereby a range of knowledge producers, frominside and outside universities, working together in applying knowledge to a particularproblem. In this scenario multidisciplinarity becomes the norm. This is now reflectedin the requirements of key funders such as the Economic and Social Research Council(ESRC) in the UK who stress multidisciplinary approaches and the inclusion of endusers in the research process as being essential. Delanty (2001, p 5) argues that in aknowledge society: “As a result of mass education, social protest and the new socialmovements, and the rise of new kinds of technologies, knowledge is more spread throughsociety than ever before; it is no longer confined to elites but is more publicly avail-able. Thus lay knowledge can no longer be separated from professional knowledge.”

In postmodernity, it is argued, there is a move towards a reflexive turn in knowledgeproduction. APEL questions traditional assumptions and attitudes about knowledgeand academic knowledge in particular through advocating life/work experiences andlay knowledge as valid forms of knowledge. Its importance lies in bridging formal,non-formal and informal knowledge. APEL also challenges traditional ways of teach-ing and learning in universities. Firstly, the subjectivity and autonomy of the learnerand the learner’s life/work experiences are placed central to the learning process andthe knowledge base. The knowledge and skills which the learner brings to the learningsituation is recognised as “really useful knowledge” (Johnson 1988). Life experiencesare integrated with academic knowledge. The stress is on reflective learning and themeaning of what it meant to learn this or that in a particular social context. APEL“allows learners to examine the wider circumstances, issues and problems that haveinfluenced their lives and to situate their own experience within the social organisa-tion” (Mandell/Michelson 1990, p 5). Secondly, innovative forms of assessment, interms of university education, have been introduced.

As noted earlier the notion of starting with the life experiences of the learner as a focusin the curriculum on them is not new within adult education. The work of Freire isinfluential here. Brookfield, Kolb and Mezirow also stress the importance of experi-ence and reflective learning for adult learners. APEL is about assessing and accreditingpersonal learning and experiences for self-development and thus has the potential toempower the learner and change learner and self-identities. Empowerment is a nebu-lous concept but for Gore: “Empowerment carries with it an agent of empowerment(someone, or something, doing the empowering), a notion of power as property (toempower implies to give or confer power), and a vision or desired end state (somevision of what it is to be empowered and the possibility of a state of empowerment)”(Gore 1993, pp 73-74).

In relation to adult education Antikainen et al. (1996) draw upon Mezirow’s (1981)concept of “critical reflectivity” in their definition of empowerment. For them empow-erment refers “to an experience that changes an individual’s understanding of the world“(Antikainen 1996, pp 70-71). In the context of APEL Evans emphasises that: “Empower-

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ment, however, implies development, or at least the opportunity for development, sothe learning which is experiential, being personal, is rooted in the idea of human growthand development, hence the interest in the connections between personal learningand public recognition in relation to empowerment” (Evans 1992, p 85).

For Challis (1993) the fact that APEL is completely student-centred makes it an empow-ering process for the learner which also increases their self-confidence: “The assess-ment and accreditation of what is revealed through this process takes place againstcriteria that are known to the learner, and against which suitable evidence of compe-tence has been prepared and matched. The process is therefore one of empowerment,and makes the concept of ‘failure’ irrelevant. The process is non-competitive, becauseeach learner’s experience and learning is different from any other’s“ (Challis 1993,p 6).

Many adults who use APEL at the undergraduate level are non-traditional in the sensethat they lack traditional qualifications and are from lower socio-economic backgrounds.By engaging in the APEL process they are developing different kinds of cultural andintellectual capital. The acceptance of APEL as a new form/process of knowledge hasbeen more readily evident in the new or reform universities in Europe. A key issue forthe future development and expansion of APEL in universities is how to break downthe resistance to ‘really useful knowledge’ in the traditional universities as it requires acultural shift and institutional change. Challenging elite assumptions about the natureof knowledge will not be easy. In the past academics in new disciplines such as sociol-ogy and gender studies initially struggled to embed their subjects in academia. Al-though now well established they are located at the lower end of the knowledge hier-archy. There are signs in the UK that a few traditional universities are being more opento APEL systems, albeit on the margins of the curriculum and institution.

APEL has a critical function to play in bridging formal and informal learning and break-ing down the boundaries and hierarchy between the two. Informal learning is ‘usefulknowledge’ as the radical adult education tradition has advocated for a number of years.APEL recognises this. APEL processes could act as a transformative mechanism in termsof knowledge and learning. Habermas’s concept of communicative action is useful hereas APEL values the voices of learners and what they say about knowledge and learning.There is also, however, the danger that informal learning becomes transformed and trans-lated into formal learning and academic knowledge by APEL processes.

Over the past twenty years the doors of universities have been gradually widening toallow, reluctantly in some institutions, adults into the world of academia at undergrad-uate level. However, the process has not been even either within national states oracross Europe. In theory APEL is a vital tool in enabling adults without the traditionalqualifications required for entrance or those who have been out of the education sys-tem for a long time to access universities and some universities do implement APEL forthis purpose. APEL systems also build the learner confidence of adult students allowing

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them to feel that they are capable of undergraduate study. APEL, therefore, potentiallyaddresses the social inclusion agenda. Peters/Pokorney/Sheibani (1999) argue that:“Students from very diverse backgrounds and a broad age range have found the processof APEL useful in enabling them to position themselves within the higher educationenvironment and developing a continuity between their previous selves and them-selves as learners.”

Practice, however, is far from the rhetoric. As described above the use of APEL is lim-ited to certain kinds of institutions. The data collected for the SOCRATES project onAPEL and social inclusion indicated that, on the whole, APEL is not widening access tothose who have been traditionally excluded from higher education. Most of the adultsundertaking APEL in the sample were at the postgraduate level, rather than for entry atundergraduate level. They, therefore, in Bourdieu’s term, possess a reasonable amountof cultural capital. Universities that offer APEL at undergraduate level generally do soin terms of accreditation or as part of the learning/teaching process. Evidence suggeststhat APEL is not being used to its full potential in relation to widening participation,social inclusion and lifelong learning. Adults’ life/work experiences could be utilisedmuch more widely as a route for admission to higher education or as advanced stand-ing as a strategy for increasing access for non-traditional students.

As Waterhouse, a UK vice-chancellor of a new university outlined: “The world oflearning is international, its products essential to a knowledge-based economy, andtoday’s economy is global … The HE system (envisaged by some industrialists) is onewhich recognises that skilled labour in Europe is likely to become as mobile as in theUS; a system which is credit-based, and where credits are portable (1995, p 8).

APEL processes could contribute towards the need, manifested by globalised capital-ism, for a mobile workforce within Europe as the European Union moves towardseconomic union. While recognising that there is currently some employment mobilityoccurring the implementation of APEL for this purpose would enable more people totake up the opportunity. Higher education institutions would play a central role in thisprocess. APEL, through a portfolio or a demonstration of skills and knowledge for ac-creditation would enable employers to assess the employability of potential workersfrom another European country, dependent upon an individual’s fluency of the appro-priate language. The APEL process could be a joint scheme involving higher educationinstitutions and employers. In reality employment mobility within Europe is likely tobe more attractive to younger adults and/or those without family ties as they are lesslikely to be tied geographically to a particular locality. Refugees, particularly the skilledand professionals may also be a group for whom APEL would be a benefit. A more fluidsystem in relation to employment would also help to erode national boundaries withinthe European Union.

APEL can also contribute towards encouraging other forms of mobility in relation toemployment and education. APEL offers a learner-friendly route back into education

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for those with few or no qualifications and/or who have been out of the educationsystem for a long time. For women in particular who have spent a period of time athome child-rearing APEL provides an opportunity to get back into learning at furtherand higher education levels and subsequently the labour market at a higher level.Besides individual social mobility APEL also offers an opportunity for career mobilityfor particular professional groups such as nurses who may purposefully choose to do adegree for career enhancement or who may have to because of the professionalisationof the occupation. While APEL is used in some countries, for example, the UK, for thisapplication it is not widespread.

7. Conclusion

The potential of APEL is still far from realised within the HE sector across Europe.Where APEL is offered it is frequently as a peripheral activity, generally confined to aspecific department such as Continuing Education. Its continual marginality in mostEuropean countries originates from a number of reasons. Economically APEL is anexpensive system to organise and manage, requiring one-to-one tutoring. As its knowl-edge base challenges traditional assumptions about academic knowledge it is per-ceived as lacking in academic rigour and hence is given low status within the knowl-edge hierarchy. Life experience, especially in traditional universities is not regarded asvalid, academic knowledge. APEL learning and teaching processes are also innovative– perhaps viewed as too radical by some institutions. Universities require a culturaland organisational shift for APEL to be embraced as a mainstream activity. There is,therefore, the need for:

• a sharing and exchange of knowledge and good practice across HE institutionsand European countries. This should involve those at different levels of experi-ence and development in relation to APEL;

• higher education institutions to work more closely with other adult education pro-viders in developing a coherent system of APEL across the sectors to encourageprogression;

• development of a European network on APEL involving not only universities butother educational sectors including both educational policy makers, managersand practitioners;

• clearer understanding of APEL and its meaning through a common language whilestill recognising different educational and cultural contexts;

• a policy commitment at national and European levels.

Universities and higher education institutions that offer APEL are not always maximis-ing its potential, especially in relation to widening participation and social inclusion.Fundamentally, many potential learners are not aware of the availability of APEL or ifthey are informed they are told different information by different people within theorganisation: “What those institutions tell potential students about APEL will be driven

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by the extent to which APEL is credible within the institutions and also by the realitythat different institutions see APEL merely as a means of opening doors to students who‘missed out’ on previous educational opportunity, or more radically, as a means ofproviding potential students with formal recognition of previous achievements whichcarries with it the possibility of exemption from parts of an academic programme oreven academic credit” (Merrill/Hill 1999, p 531).

There are signs that universities are changing – the emergence of the informationsociety and globalisation have produced the move towards mass universities andcertainly in the UK universities are characterised by a heterogeneous student popula-tion. Change, however, has not been wholesale across all universities and Europeancountries. Traditional universities have the power and autonomy to resist change andmaintain elite institutions for reproducing the next generation of intellectual elites.What may happen in the future is the development of a pluralistic system with differ-ent types of universities having different functions. In the UK, for example, the futureuniversity system may become diversified between the old universities (universities inthe binary era) concentrating and research and the new universities (post binaryinstitutions) focusing on teaching. Universities have recently been asked by the Gov-ernment to find ways of enhancing the differences between institutions. Currently it isthe new universities that have embraced the idea and practice of APEL more than theold universities.

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Torild Nilsen Mohn / Joyce McHenry

The Competence Project in Norway

1. Background – The Competence Reform in Norway

In Norway there has been an increased recognition of the importance of lifelong learningfor the last ten years. This has resulted in the Competence Reform (1997-1998). TheCompetence Reform aims to meet the need for new or changed competence in soci-ety, in the workplace and by the individual. It is both a workplace and an educationalreform and it is targeted at all adults, both employed and unemployed. It has beendesigned and executed based on interaction between social partners, The Ministry ofEducation and Research, organisations and educational institutions. The enthusiasmin Norway for lifelong learning (OECD 2001) is not only based on cultural and socialarguments, but on economic arguments as well. There is a belief – widely shared bythe Government as well as by the social partners – that the high level of educationalattainment of the Norwegian population is not enough to satisfy the shifts in the de-mand for labour in the coming years. It is argued that lifelong learning is a crucialstrategy for upgrading the skills and qualifications requirements of poorly qualifiedadults and updating those of more highly qualified individuals to both accommodateand minimise the adverse social consequences of structural economic change.

Actual and anticipated labour market developments have had enormous influence inshaping current thinking in Norway about lifelong learning (OECD 2001). With un-employment in Norway averaging 3.3 % in 2000 (half the average for the OECD, and1/3 the average for the European Union) and rising to 4 % in 2003, social partners andpublic authorities have been preoccupied for a number of years with the risk of labourand skills shortages and mismatches. Lifelong learning is supported as a remedy forenhancing the capacity of the current labour force to adapt to change, and for ex-panding labour supply. The OECD report (2001) concludes with that the questions inNorway about the extent and nature of skills mismatches, trends in qualificationsrequirements, and the appropriate economic role of lifelong learning all merit furtherinvestigation. It appears that the eventual economic goals of lifelong learning in Nor-way need not be confined to continuous upgrading of qualifications, but should beextended to updating of existing qualifications. The fact that the social partners haveinvested so much in competence development indicates that they attach importanceto broader objectives. There is growing recognition that a competent workforce, whethersuch competence is received through an employer or through other educational pro-viders, is critical to creating a knowledge society and ensuring competitiveness in aglobal economy.

In Norway the working life is increasingly seen as a key arena for learning. Employersacknowledge the value of training their employees and stimulating them to enhance

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their competence. Employees and organisations that represent them acknowledge theimportance of learning for advancement, career mobility, and achieving a fulfilling lifein and out of the workplace. Yet, as mentioned in the OECD report (2001) employersbelieve that the present educational system does not yet provide appropriately quali-fied workers in a timely, flexible, and efficient manner. Adult education in the uppersecondary school system is perceived as conservative and school centred. Part of thechallenge is building more effective bridges between the labour system and the formaleducational system.

The reform is based on recognition of the fact that a well-educated population is themost important resource a country can have for the creation of new jobs, ensuringquality of life and preventing new class distinctions. But also, the rapid technical,economic and social changes are bringing about significant alterations to people’slifestyles and the way the labour market works. In this changing society, the mainobjective of the reform has been to help meet the needs of individuals, society and theworkplace in terms of skills and knowledge and give adults better opportunities toacquire education and training to improve their qualifications. The Competence Re-form is both a workplace and an educational reform and it is targeted at all adults, bothemployed and unemployed. It has a broad, long-term perspective, and aims for broad,differentiated opportunities for adult education and continuing education and trainingprovided by both public and private institutions and organisations.

The reform shall take into account several objectives (OECD 2001):• Competence related to working life: The reform must have a pragmatic aim in the

sense that it must make arrangements providing Norwegian industry with the nec-essary competence to secure progress. The needs defined by working life must begiven priority. By putting working life and the individual in focus the competencereform shall bring the Norwegian society forward and hopefully also benefit theinternational society.

• Co-operation working life and education system: The competence of the workingforce in general should be developed. This competence includes knowledge, skillsand attitudes. Important attitudes are flexibility and ability to adapt to new jobsituations. The needs of the small and medium-sized enterprises should be em-phasised. The chosen measures must benefit and satisfy these enterprises’ needs.It is therefore important to establish a closer collaboration between the education-al system and the industry.

• Maintaining social equality: Education and competence have great importancefor the distribution of income and influence, and for increased equality betweenthe sexes, generations and social groups. It is important to avoid creating newclass-divisions. The reform, therefore, can not only include people in the labourmarket. It must also take into account individuals seeking jobs and those whorepresent a labour force reserve. Priority should be given to groups who haveproblems entering the labour market, i. e. women in part-time jobs, handicappedand unemployed.

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• The individual as the ultimate aim: The individual does not have value only as ahighly competent wheel in a well-functioning working life. The government statesthat the person is not the means, but the ultimate aim of the reform. The conceptof knowledge must be broad and in addition to mind and hands, it must alsocomprise emotions, values, spirit and social abilities. A continuous competencedevelopment must have a long-term developmental perspective for the wholehuman being. It is therefore an objective to enhance the population’s knowledgeabout political, social and cultural affairs.

The Competence Reform is designed as a tripartite collaboration with a strong commit-ment from the social partners and the authorities. The main elements of the reform are:• To give all adults a statutory right to primary and secondary education, and to

impose an obligation on educational providers to design the education offered inaccordance with the needs of adults

• To ensure the right for individual employees to obtain study leave of absence forfurther education

• To provide state grants and scholarships for adults on equal terms with youngerstudents

• To establish a system for competence assessment for people without any formalcertificates or degrees

• To acknowledge the workplace as an important learning arena and a place forinnovation

One of the main results of the Competence Reform has been that the Parliament hasdeclared that all adults have a statutory right to primary, lower secondary and uppersecondary education. The legal right to upper secondary education has been imple-mented from autumn 2000; while the legal right to primary and lower secondary edu-cation has been enforced from August 2002. Also considerable efforts have been madein recent years to improve educational opportunities for disadvantaged groups throughadult education. This particularly applies to adults with especially weak schooling,various groups of physically disabled persons, adults with reading and writing difficul-ties, and adult immigrants.

Other results are:• All adults have a legal right to leave of absence from work for education purposes

after having worked more than three years• At the end of 2001 more than 15000 people have had their skills assessed with

reference to upper secondary education• A competence building program to promote innovation and development in the

field of continuing education and training has been established. About 150 organ-isations and more than 6000 people have taken part in the development of docu-mentation methods in the workplace

• More than 11000 people have applied for university or college education admit-tance based on their prior learning and ca. 50 % has been accepted. These stu-

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dents have achieved and made the same progress as students that have been ad-mitted only on the basis of formal qualifications

• A system has been put in place to “translate” immigrant vocational competenciesinto formal Norwegian standards

2. Objectives and accomplishment

According to the Plan of Action for the Competence Reform, one of its principal objec-tives is “to establish a national system for documentation and evaluation of the non-formal learning of adults, with legitimacy both in the workplace and in the educationsystem.” This includes learning attained through paid and unpaid employment, organ-isational involvement, and organised training. In order to accomplish this, the Compe-tence Project (the Realkompetanse Project, see figure 1) was given the mandate toform the foundations for a national system for validation of non-formal and informallearning during 1999-2002. The Norwegian concept of “realkompetanse” refers to allformal, non-formal and informal learning acquired by adults. Non-formal learning islearning which is embedded in planned activities that are not explicitly designated aslearning, but which contain an important learning element. Informal learning is learn-ing resulting from daily life activities related to work, family or leisure. It is not struc-tured (in terms of learning objectives, learning time or learning support) and does notlead to certification. Informal learning may be intentional or non-intentional (or inci-dental/random) (source: Cedefop 2001).

In practice, this means the sum of all skills and knowledge individuals have acquiredthrough the education system, paid and unpaid work, organisational activities andfamily life/life in society. Emphasis was placed on the validation of non-formal learn-ing in relation to upper secondary education. The target group includes all adults whowish their non-formal learning to be documented and validated in relation to the edu-cation system, the workplace and organisational activities.

The project had a bottom-up approach. 50 local development projects have taken partin the development of procedures, methods and tools. These projects were initiatedwhen calls for applications for project funds were issued or by direct contact with therelevant organisations/institutions. Over the project period, 24000 people took part inthe testing of methods for the documentation and validation of non-formal learning inthe workplace, the third sector and the education system. In the workplace, the trialwas implemented over 150 companies from a variety of industries in both the privateand the public sectors. 6000 people took part in the trial. In the third sector, 13 organ-isations at local and regional level took part in the development of methods for thedocumentation of non-formal learning. 500 people took part in the trial. In the field ofupper secondary education, all local councils took part in the assessment and valida-tion of non-formal learning. 17000 people had their non-formal learning charted, andof these 15000 have had their skills validated. Eight out of ten people (12000) have had

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their non-formal learning validated within vocational trades. Of these, almost 8000were in the health and social sector. 600 people have undergone training so as to beable to assess non-formal learning relating to upper secondary education. In the caseof higher education, around 2600 students in 2001 were allocated places on coursesat universities and colleges on the basis of non-formal learning.

Priority areas for development were as follows:• Documentation of non-formal learning in the workplace• Documentation of non-formal learning in the voluntary sector• Methods for the assessment of non-formal learning, including vocational testing• Validation of non-formal learning in respect of upper secondary education• Adjustment and possible amendment of existing laws, regulations and agreements

on the basis of experience from the project• Admission of students to universities and colleges on the basis of non-formal learn-

ing

Legitimacy was assured by involving relevant players at various levels throughout theentire process. Representatives from the Ministry of Education and Research, socialpartners, the education system, voluntary organisations, associations for adult educa-tion and distance learning institutions took part in the planning, monitoring and imple-mentation of the project. This applied to, among other things, the preparation of acommission, representation and work on the project board, the project Secretariat andlocal projects. These parties have also taken part in network and information meetings,as well as in the national contact group for the project.

Various types of network were set up in order to ensure mutual information, profession-al top-ups, the exchange of ideas and experiences, and – not least – to create acceptanceand confidence across arenas. Meetings between the local project managers and mem-bers of the Secretariat were one type of network. Advisory groups with representativesfrom the Norwegian Public Employment Service, the upper secondary and higher edu-cational system, associations for adult education, social partners and local projects wereanother type of network. Such groups were established in respect of:• Vocational testing as a method for the assessment of non-formal learning for im-

migrants;• Adults with reading and writing difficulties;• Methods and tools for the assessment of non-formal learning in respect of upper

secondary education

At a central level, various parties have worked on their own initiative to implementmeetings on the topic of non-formal learning. The social partners held a number ofmeetings in which representatives of selected workplace projects took part. The sameis true of the umbrella organisations in the third sector. As far as upper secondaryeducation is concerned, the executive committee of county education chiefs has hadthe subject of non-formal learning on the agenda on a number of occasions. At a local

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level, the projects have gone in for cross-arena co-operation to varying degrees. Theproject has used a number of information channels to create interest in its work. Theseinformation channels included conferences, courses, meetings, written information,websites and newsletters.

3. Resulting procedures

A circular from the Ministry of Education and Research with information on the imple-mentation and further development of a national system for documentation and recog-nition of competence is one of the results of the development projects. Based on theconclusions from the Competence Project it is proposed that the national system shouldinclude a shared set of principles anchored in custom-made legislation as well as avaried set of methods and tools for documentation and validation of competence.

The principles are based on the understanding that the recognition of competence isvoluntary and has to be perceived by the individual as beneficial. It has to be easy inuse, transparent and in line with European developments. The principles are anchoredin legislation that comprises the Education Act, the Working Environment Act and theUniversity and College Act.

Figure 2 summarises the four steps in the procedure for recognising competence inrelation to the working life requirements, the third sector and the curriculum. Pleasenote that the steps for recognising competence in relation to the working life and thethird sector are recommended, while the steps in relation to the curriculum are re-quired. A critical issue is the recognition that the assessment methods have to be adapt-ed to the individual’s needs and use of the documentation.

Figure 1: The “Realkompetanse“ Project

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3.1 Procedure in higher education

Since the 1st of January 2001, individuals have been statutory entitled to seek admis-sion to individual courses at universities or colleges on the basis of their non-formaland informal learning. To do this, applicants must be at least 25 years old and possess

StepsNationalprocedure

Documentationin relation to therequirements ofthe working life

Documentationin the thirdsector

Documentationin relation torequirementsof secondaryeducation

Documentationin relation torequirements ofhigher education

1:Information andguidance

Information by:• Employers• Trade

associations• Branch org.• Unemploy-

ment offices

Information by:• Voluntary

umbrellaorganisations,local org.inform theirmembers

Information andguidance by:• County

councilcentres,and uppersecondaryschools

Information by:• Higher

educationinstitutions

• NOKUT• UCAS

2:Identificationand systemisingof prior learning

Creation ofCV by• Individuals

Creation ofCV by• Individuals

Creation ofportfolio by• Individuals +• Counsellor in

skill centre

Creation ofportfolio by• Individuals

3:Assessment

Self-assessmentof actual workactivities

Verifiedby currentemployer/client

Self-assessmentof experiences/ voluntaryactivities

Self-declaration

Assessmentin relationto nationalcurriculum

Certified bysecondary/ vocationalschools in co-operation withcounsellors incounty councilcentre

Assessmentin relation torequirementsof each highereducationinstitution.Certified byhigher educationinstitution /NOKUT

4:Documentaryproof

Verifieddocument“kompetans-eattest”

Self-declareddocument

• Nationalcertificate ofcompetence

• Recognitiondocument

• Right ofadmission

Figure 2: Steps in the national procedure for recognition of informal and non-formallearning

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no general study skills. Students have also been given the right to exemption fromcertain elements of their studies on the basis of documented non-formal and informallearning. Applicants accepted for courses on the basis of assessed non-formal learn-ing and who have completed the course will be allocated general study skills. Thiswill give them the opportunity to seek admission to other courses with no specialadmission requirements. To do this, they must have completed one course lasting atleast one year, or two courses each lasting six months.

The qualifications of applicants have to be assessed in relation to the subjects or theprogrammes they wish to study. Individual institutions have the power to assess whatqualifications they consider to be necessary and to decide on the appropriate courseof action for carrying out this assessment.

If the applicant seeks admission to individual courses on the basis of their non-formaland informal learning, their application form will be sent to the current university orcollege. It is the committee at each university/college who decides if the applicantpapers on non-formal and informal learning fulfil the demands for course entrancerequirements. Applicants seeking admission on the basis of their non-formal and in-formal learning must be ranked in relation to applicants with general admission re-quirements on the basis of a rough appraisal. This means that they are to compete onequal terms with other applicants and are not just be taken on to fill any empty slots.

Applicants will be assessed on the basis of the skills they will need to complete thecourses for which they are seeking admission. The assessment emphasises both thespecialist content of the course and the teaching arrangements offered to students.Non-formal learning will be assessed either through self-declarations and portfolios,or by means of tests. Information on criteria and assessment methods can be acquiredfrom individual universities or colleges. Assessments for admission will vary frominstitution to institution because discretion will be exercised to a greater extent thanin the case of regular admissions. Also the complaint procedure will be specific toeach individual. Adults who are seeking admission on the basis of non-formal learn-ing will not have their study points calculated. The ranking of students in relation toapplicants who have had study points calculated will be discretionary.

3.2 Procedure in Upper secondary education

Adults who need primary and lower secondary education have a statutory right tosuch education from August 2002. This education must be adapted to the individual’sneed and life situation – as regards both when and where the education is to beprovided and the rate of progression. The municipal authorities are responsible forproviding this education. Adults born prior to 1978 have statutory right to be accept-ed for upper secondary education on the basis of assessed non-formal and informallearning. The new Act on Vocational Assessment (6 December 2002) gives immi-

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grants who have recently arrived in Norway and registered jobseekers who are notentitled to upper secondary education the opportunity for an assessment of their non-formal and informal learning, including vocational testing.

The purpose of validating non-formal and informal learning in upper secondary edu-cation is to match the learning to formal qualification and shorten the study period, aswell as increasing the possibilities for a more streamlined and tailor-made study pro-gramme for each individual. Another purpose is to provide the individual with anaccredited certificate (Kompetansebevis – Competence Certificate) to gain promotionor career improvement, find a new job or increase mobility in the working life. Region-al authorities decide how the work on the validation of non-formal learning is to beorganised. Most regional authorities organise this work by means of one or more “cen-tre”. Adults can acquire information, guidance and help with the validation processfrom supervisors at these centres.The following elements are recommended in the national procedure for validation ofcompetence:• Information and guidance• Identification and systemising of all competences• Assessment• Public documentation

The following methods and tools have been developed for validation of non-formallearning in respect to the requirements stipulated in national curricula.

• Dialogue-based method: The dialogue-based method is based on discussions be-tween assessor/specialist and the adult. The specialist focuses on the knowledgeand experience of each individual and attends to specific problems and queries.The assessor/specialist can use a computerised or manual tool based on the cur-riculum in question. This method requires individual preparation and a one-to-one meeting. The dialogue-based method can be combined with port-folio as-sessment, self assessment and testing. It has been tested out on a large number ofcandidates .The conclusion is that the method fits in with both vocational andgeneral subjects. Yet, the degree of testing has to vary from person to person. Adialogue-based method covers tacit knowledge, and seems to be good for adultswho have difficulties with reading, writing and mathematics.

• Assessment of portfolio: Assessment on the basis of a portfolio is a method basedon written documentation, photos, etc. The candidate sends a “charting” form toa “service centre” together with certificates and reports. Modules and subjects areapproved on the basis of the documentation submitted, and additional educationis offered so that individuals can acquire the desired certificates. This methoddemands good written documentation of the individuals’ own skills and does notassume one-to-one meetings. Undocumented and tacit knowledge is difficult toreveal. After admission to upper secondary education, a discussion takes place inorder to arrange the course according to the actual knowledge and skills.

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• Vocational “testing” starts off with an interview, where the background, training,work experience, language skills and objective of the adult are charted. After thefirst general interview a professional specialist interviews the individual in theparticular subject, after which the individual shows the abilities in practice, sothat both the theoretical and the practical side of the trade is assessed. Workingon the basis of this practice, the adult may be offered either additional educationto bring him or her up to a journeyman/trade certificate level or public certificateuseful for job seeking. This method complements other methods in that the as-sessment of non-formal learning is also possible, and where required, parts or allof the practical side of the vocational subjects can be approved. Vocational “test-ing” provides adults – irrespective of their ethnic origins – with every opportunityto show what they can actually do in their own fields. This method picks up knowl-edge and experiences which are not documented and works well irrespective oflearning and language difficulties. Vocational testing, on the other hand, requiresinter-departmental co-operation between the education system, the employmentservice and possibly also the insurance office and social security office.

Both manual and computerised tools have been developed and tested in vocationaland general subjects. The tools are used in different ways in the different methodsdependent on the needs of the individual. Sometimes the assessor supplements theexisting tools with locally developed tools.

3.3 Procedure in the working life

Within the working life there are multiple purposes for recognising competences. Themost common purposes are (Skule/Andersen 2000; McHenry 2002):For the organisation:• Getting an overview of the skills of the employees• Reorganisation, job-rotation and down-sizing• More effective training system• To fulfil QA / international standard requirements• Measurement of intellectual capital• Strategic competence management

For the individual:• New employment in the external market• New internal career advancement / project participation• Fulfilling employment requirement• Increase of self awareness of capabilities, empowerment• Facilitating entry into education and shorter training period• Pro-active involvement in own learning

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Many organisations have their own systems and procedures for documenting compe-tences either as part of their HR management system or ISO requirements. Yet due tothe competence reform more emphasis has been placed on the right of the individualto document non-formal learning that has been developed over time in the work con-text. Especially among the small and medium-sized organisations.The national approach recommends taking the following procedure into use:• Information and guidance• Identification and systemising of all competences (CV)• Self-assessment of work-related competences (Employee dialogue)• Verified documentation

A number of tools exist with varying lay-out and user-friendliness:

• Paper-based scheme for documentation of individual competence• Web-based scheme for documentation of competence freely available on the in-

ternet• Web-based scheme for documentation of competence that has to be purchased

by the organisation and can be used as a part in an integrated HR system• Standardised CV format – similar to EuroCV

3.4 Procedure in third sector

The purpose of the documentation of non-formal learning from the third sector is toreinforce the self-confidence and inspire people to make it easier to gain access toformal educational courses as documented skills from non-formal courses or studyactivities can be useful in relation to the education system. It is also believed thatdocumentation of non-formal learning in the third sector will lead to self-awarenessthat is useful and important for career development in their work, as well as for takingon additional duties in voluntary organisational life. In the long term, it is believed thatthis may lead to the revitalisation of voluntary work. In folk high schools, the docu-mentation of comprehensive skills will be useful when applying for a job. In distanceeducation the main purpose is for improving career opportunities in participants’ ownorganisations and applications to other organisations.

Both the methods and the tools for charting and documenting non-formal learning inthe sector are based to all intents and purposes on the individuals’ own efforts.Electronic tools have been developed which can be used for this work. The idea isthat individual organisations will provide information to students, course participantsand voluntary participants within the organisation. Individual organisations are re-sponsible for guidance for the people who want to make use of a documentationmethod, yet individuals draw up their own CV and identify and describe their ownskills. It is also the individual who carries out a self-assessment of the skills identifiedand described.

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The standardised proof of skills issued to participants in distance learning courses con-tains the following elements:• A document including information on specialist content, scope, level and marks• Confirmation I, a confirmation of the additional skills acquired on account of

working with internet-based distance learning methods• Confirmation II, a confirmation which describes specifically the ICT skills acquired

by listing relevant skills areas

The tool, called 3CV is a “universally valid self-declaration for voluntary work”. Thistool contains:1) An introduction in which the methodology for completion is described,2) An example of a completed form,3) A form ready for completion, and4) The option of creating one’s own reference.

The text is saved in Word format and can be adapted to suit the individual. A glossaryhas also been developed. In this glossary various voluntary organisations describe theirspecific activities and their skill profiles. This may help both the people completing the3CV and the people who will be evaluating its content.

4. The findings and results

It has to be emphasised that the Norwegian approach to recognition of non-formal andinformal learning is based on extensive experimentation, conferences, interim evalua-tion and extensive use of tripartite network, relevant research literature and interna-tional experience. It is not a single system with one method that counts for everybody.

Figure 3: Procedure for documenting non-formal learning

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Neither is it a finished product as it is accepted that it will have to continuously adaptto new requirements and societal demands.

The Norwegian approach to recognition of informal learning has the following charac-teristics:• It needs to be beneficial to the individual• It is based on respect for diversity• Competence is considered to be contextual

The first point is apparent in the many discussions about the issue of giving people thathave fallen off the education wagon “a new chance” by giving credits for their learningin the workplace, the home or any other voluntary activities. The second point is empha-sised in the recognition of the fact that one method will not suit everybody and that theassessor has to be sensitive to the needs of the individual. Respect for diversity is alsodemonstrated in the acknowledgement of many different learning areas with differentrequirements to the documentation and validation of competence. The third point comesthrough in the resistance to treat a person’s competence as objectively measurable. Therehas been a general understanding that competence is created in interaction with otherpeople in a particular context and cannot be assessed in simple quantitative ways.

Based on the experimentation and the above mentioned key characteristics, the Nor-wegian framework for the documentation and validation of non-formal learning hasreached a certain consensus. It contains:• Shared laws, rules and agreements to ensure the rights of the individual.

The shared laws include The Education Act, the Working Environment Act andthe University and College Act.

• Shared procedure for various forms of documentary proof and validation. Thisincludes decisions on: who is responsible; what is the documentation based onand is there a possibility for complaints; the process of documentation and valida-tion; and where the process takes place.

• The shared procedure comprises the following steps:1. Information and guidance2. Identification and systemisation of competences3. (Self) Assessment

4. Documentary proof• Various assessment methods, tools and documentary proof, which are suitable in

relation to the requirements of the educational sector, the workplace or the thirdsector.· Diverse assessment methods in relation to upper secondary level that give a

national certificate: Certificate of Competence (Kompetansebevis)· Diverse tools for documenting competence in the workplace that give a com-

pany verified documentary proof: Verified testimony (Kompetanseattest)· Several CV / portfolios where educational certificates, work experience and

learning from third sector activities are compiled

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Another result is that an increasing degree of acceptance and confidence has beenachieved between the workplace, education and the third sector while the project hasbeen in progress.

5. Evaluation of the project

The Competence Project has been evaluated by Agenda Utredning & DevelopmentAS. This section sums up a brief review of the evaluation of the project.

The evaluation has been designed as a combination of formative and summative eval-uation, with three evaluation rounds focusing on slightly different things. The evalua-tion has provided feedback through the project period, with a view to providing theproject with information from which it can learn and use for improvement. The evalu-ation was based on a combination of a number of methods. Four development projectswere selected as case projects and monitored more intensively, and the evaluatorshave been present at meetings as participating observers. Five questionnaire surveyshave been carried out involving the people responsible for the work on documentationin the education system and the workplace, along with a selection of people whosenon-formal and informal learning have been documented. Implementation on a locallevel has gone well to a great extent, judging by the level of activity, the many partieswhich have been involved and the results achieved in individual projects. The co-operation between the parties in the workplace and the employment office, as well asthe social security offices locally has been positive where efforts have been made toimplement such co-operation. One of the conclusions is that the main result from theprojects consists of a lot of systems, tools and methods, and that arrangements acrossthe three arenas have been produced to a small extent. The work on developing anational system for the documentation of non-formal and informal learning brings tothe fore the need to produce a shared language which is accepted in the educationsystem, the workplace and the voluntary sector. The evaluation concludes that theCompetence Project has helped pave the way for more large-scale documentationprocesses. The documentation of non-formal and informal learning has been placedon the agenda in parts of the workplace and the voluntary sector, and not least in theeducation system. The number of people who have undergone assessment of theirnon-formal and informal learning is now quite large.

The Agenda concludes that the project has produced results in relation to some impor-tant target groups. It spans large groups of women who want to enter the fields ofhealth and social work, immigrants who want to qualify for the labour market andother groups which have traditionally found themselves in a weak position and whichrequire upper secondary education, to staff at various kinds of workplace, from themunicipal sector to specialised private companies. Viewed in this manner, the workwill have both important consequences for society and, not least, important conse-quences for individuals.

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One of the questionnaire surveys was carried out among the people in the educationsystem, supervisors and assessors/specialist. Both supervisors and assessors/specialistsare of the opinion that the documentation of non-formal and informal learning haspositive effects on candidates; this gives candidates more self- respect.Regarding different assessment methods, discussions have been held on how impor-tant it is for candidates to be called to attend a meeting or interview. Meetings orinterviews are perceived as being very important by 96 % of the supervisors and 85 %of the assessors/specialists. Geographical closeness to the place of assessment is alsoperceived as being important, even though this is evidently a relative concept. Thesurveys revealed a major need for training: Around 96 % of the supervisors and 85 %of the assessors/specialists feel that they need training in future, particularly referring toa quality assurance arrangement which may lead to a national standard.The questionnaire survey carried out among candidates confirms that the assessmentof their non-formal and informal learning has been a positive experience. 80 % of thecandidates taking part in the projects in the education system state that the identifica-tion, the systemising and the assessment of their non-formal and informal learning hasbeen useful or very useful. According to the candidates themselves, the most importantconsequences are that the projects have made them believe that they can get the edu-cation they want, and that they have made it possible for them to take part in uppersecondary education/higher education. Among the candidates who are studying fordegrees, around 80 % say that they are doing as well as they expected, or better. Thecandidates have a good perception of the actual assessment of their non-formal orinformal learning. Almost 70 % were of the opinion that the assessors were very ac-commodating as it regards their requirements, and almost 90 % said that the assessorswere very good or quite good at finding out what candidates’ skills were.The development projects in the working life have strived a little to persuade enoughemployees and companies to take part in the development, and a number have had toset their sights lower in relation to the number of participants. The survey carried outamong employers is limited in scope. 24 companies took part in this survey. Of thecompanies which participated, it appears that the greatest benefits have been experi-enced in respect of the identification and assessment of skills within the companies,the organisation of staff in-house, quality assurance work and the enhancement of staffmotivation. 17 out of the 24 companies say that the documentation procedure hasbeen useful. The questionnaire survey carried out among employees is also fairly lim-ited (184 respondents). Of the employees in the projects who took part in the survey,36 % thought that actually filling in the form was fairly difficult or very difficult. Thisemphasises the need for simplicity.The most important positive effects for employees were perceived when they werelooking for new jobs, or when they were aiming at possible development in their presentjobs. A third of respondents feel that their motivation has been enhanced, while 20 %said that the documentation was used in staff appraisals.The evaluation reveals that the actual trials of the methods have to be viewed as ratherweak, particularly as far as the workplace is concerned. However, it is a fact thatcomplying to a great extent with targets as regards developing systems and methods,

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establishing methods and carrying out trials within the project period is a demandingtask. These are tasks which may well have to be carried out over a number of yearsbefore one can be said to have achieved the targets to a satisfactory extent.

6. Prospects and perspectives

The Minister of Education and Research, Kristin Clemet, explains in a speech to theMinisterial Conference on Enhanced Cooperation in Vocational Training and Educa-tion in Copenhagen in November 2002 that there are several reasons why the Ministryof Education and Research has placed increased attention to valuing non-formal andinformal learning:

“Firstly, it is acknowledged that the Norwegian human resources constitute more than80 % of the national assets. Not taking advantage of these resources by recognisingcompetencies achieved in informal and non-formal contexts will be a waste of thetalents. Secondly, Norway faces an ageing population and all available resources haveto be used in the most optimal way. Thirdly, due to changes in the economic andtechnological developments some professions disappear, while others are created. Itwill be very expensive if career change means that you have to start education and re-qualification from scratch. Fourthly, education in a lifelong perspective is a part of apersonal fulfilment and also gives a contribution to social cohesion, ensuring demo-cratic participation and values.”

A major challenge in the years to come will be the work involved in implementing theCompetence Reform. The Competence Reform aims to meet the need for new or changedcompetences in society, in the workplace and by the individual and embraces all adults.It is based on the interaction between several actors, including social partners, Minis-try of Education and Research, organisations and educational institutions. The threelearning arenas; educational sector, working life and third sector, face different marketrequirements and therefore play different roles. Working life and third sector representthe demand side and are interested in documenting what the individual can achieve.The educational sector represents the supply side and is interested to document whatpeople are not able to do and so fill the gap with further education.

• The assessment of non-formal learning is still a relatively new field in upper sec-ondary education. There is a need to encourage a shared understanding and meth-odology in the field. Specialists who will be carrying out the assessment workneed a common platform and skills which will give them security in their work.There will be a need for continual monitoring and updating of these specialists sothat problem areas discovered can be discussed with a view to coming up withjoint solutions at a national level. There is also a need for a national educationsystem which emphasises communication and interview techniques just as muchas pure information on the method. A training programme is being developed.

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The training will cover both practice and theory, and among other things it willinclude elements such as laws, instructions and regulations, terminology, the se-lection and use of methods and tools and adults with difficulties with reading,writing and mathematics.

• Some county councils are more liberal in their interpretations of the legislationsbecause of differences in political, economic and historical reasons. This has dam-aging consequences for obtaining a National similarity. The following questionshave been treated differently:· Who has the legal right to have their competences assessed in relation to the

curriculum?· Who has the right for further education?· What is done if the assessor and the individual do not have an agreement

regarding the result of the assessment?· Are the methods known everywhere or are some only using one in particular?

There is still a need for networking between all persons in the county councils affectedby assessment of non-formal learning; assessors/specialists, supervisors and persons inthe administrative set-up. Vox will continue to arrange network meetings and have aclose co-operation with the county councils.

• There is a need for good cooperation between county councils and employmentagencies, Vox will take the initiative to start a project for better cooperation

• The right to decide on the procedure in each higher institution gives flexibility.However, it also gives room for major differences between the methods in highereducation institutions and departments. The Norwegian contribution in Refine, ajoint action project, will aim to construct a set of criteria to regulate exemptionsbased on accreditation of non-formal and informal learning in the university sec-tor and college sector. The project will base itself on the work that has alreadybeen made, especially in the secondary school sector, but will also cooperatewith other projects that have been initiated with similar objectives.

• In the working life the debate continues on legislation (who pays, what is thevalue of the verified document) as well as on how to document social compe-tence. The Ministry of Education and Research and the social partners must find asolution.

• There is a lot of work yet to be done in order to give legitimacy to the differentdocumentary proofs. More focus has to be placed on recognition of competencesand how to document the continuous development in the working life.

• Parts of the third sector rely entirely on voluntary efforts. In these organisations,there is no tradition of documenting skills, participation in courses and other ac-

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tivities. It is important to ensure that the responsibilities of the organisations donot become too extensive and time-consuming, that they do not create significantadditional work or lead to financial expense. This may lead to the method notbeing used. There is a great need for information about the benefits of documen-tation of non-formal and informal learning in the third sector.

During the Competence Project from 1999-2002 numerous projects to document non-formal and informal learning have been initiated around the country at the countylevel as well as among several organisations and sector organisations. Despite theprogress these projects have made to date, there is still a concern with the apparentpiecemeal approach to the documentation and evaluation of informal learning, eventhough there has been an evaluation of the projects and a recommendation for theformation of national standards has been given. Yet, there is still a way to go and thefocus is on further shaping the implementation of a National standard for recognitionof informal and non-formal learning that is acceptable in the workplace and the edu-cation system.

References

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Clemet, K. (2002): Recognition of formal and informal learning. Ministerial Conference on En-hanced Cooperation in Vocational Training and Education Copenhagen, 29-30 November .Minister Kristin Clemet – Ministry of Education and Research

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Dieter Gnahs

Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen

1. Vorbemerkungen

Die folgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf den Ergebnissen der Mach-barkeitsstudie „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens“, die als BLK-Verbundprojekt im Rahmen des BLK-Modellversuchsprogramms „Lebenslanges Ler-nen“ aus Mitteln des BMBF und des ESF finanziert wird. Beteiligt sind das DeutscheInstitut für Erwachsenenbildung (DIE/Bonn), das Deutsche Institut für InternationalePädagogische Forschung (DIPF/Frankfurt am Main) und das Institut für Entwicklungs-planung und Strukturforschung an der Universität Hannover (IES/Hannover) sowie elfBundesländer unter der Federführung des Saarlandes.1

Die Machbarkeitsstudie wird in Kürze veröffentlicht (DIE/DIPF/IES 2003). Erste Ergeb-nisse liegen bereits in Form eines Tagungsbandes zum Internationalen Fachkongress„Bildungspässe – Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten“ (21./22. Januar 2003 inSaarbrücken) vor, der über die drei beteiligten Institute und über das Ministerium fürBildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes (Referat G 1) bezogen werden kann.Des Weiteren soll auf einen Aufsatz (Barth/Neß 2003) und ein Referat (Gnahs 2003)verwiesen werden, die in Kurzform die Projektergebnisse beschreiben.

2. Ausgangsposition

Spätestens mit den Beschlüssen von Lissabon und Nizza des Europäischen Rats unddes EU-Bildungsministerrats aus dem Jahr 2000 ist mit dem „Memorandum überlebenslanges Lernen“ der Wirtschaftsraum der EU um den Aspekt des Bildungsraumsals Grundlage für eigene Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Maßstab erweitertworden. Eine der sechs zentralen Botschaften ist die Neubewertung des Lernens, imBesonderen auch die Zertifizierung von non-formalen und informellen Lernprozes-sen.

Der zuletzt genannte Aspekt wird noch einmal verstärkt mit dem Kommissionspapier„Making an European Area of Lifelong Learning a Reality“ vom November 2001.Dort wird einer Neubewertung des Lernens Priorität eingeräumt. Darüber hinauswerden konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Dazu gehören Forschungsarbeiten, Er-fahrungsaustausche und neue Instrumente der Kompetenzerfassung. Diese Positionwird durch den EU-Ratsbeschluss vom Juni 2002 und den Brügge-Prozess weiterakzentuiert und bekräftigt. Die EU hat des weiteren Initiativen eingeleitet, die derKoordinierung auf europäischer Ebene dienen (z. B. TRANSFINE, Technical WorkingGroup/TWG).

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Diese europäische Diskussion findet ihre Entsprechung auch auf der nationalen Ebe-ne. So heißt es im Aktionsprogramm der Bundesregierung „Lebensbegleitendes Lernenfür alle“, dass „Verfahren zur Messung und Bewertung individueller Kompetenzent-wicklung – auch in informellen, selbstorganisierten Lernprozessen – erarbeitet wer-den“ sollen. U. a. sollen „Netzwerke, in denen alle Bildungsbereiche zusammenarbei-ten, gemeinsam die Zertifizierung selbstgesteuerter Lernerfolge für externe Bewerber/innen entwickeln und erproben.“

Im Kontext dieser nationalen, internationalen und supranationalen Diskussion wirdversucht, Fragen zum lebenslangen Lernen und der Kompetenzerfassung zu beantwor-ten. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang diverse Aktivitäten auf EU-Ebene(Europäischer Lebenslauf, Computerführerschein, Europäisches Sprachenportfolio,Europass-Berufsbildung). Diese Maßnahmen greifen auch in Deutschland und beein-flussen bzw. beschleunigen die hiesige, auf die Wahrnehmung und Anerkennung non-formaler und informeller Bildung gerichtete Debatte.

Deutschland liegt in dieser Diskussion im europäischen und weltweiten Vergleich so-wohl bei der theoretischen Fundierung, bei der Setzung von politischen Rahmenbe-dingungen als auch bei der Erprobung bzw. praktischen Umsetzung nicht an der Spit-ze. Dies liegt vor allem daran, dass durch das deutsche Berufsbildungssystem ein ho-her Grad von Formalisierung erreicht worden ist, der in anerkannten Zertifikaten sei-nen Niederschlag findet. Dieses weithin akzeptierte System hat den Handlungsdruckfür die Dokumentation insbesondere von informellen Lernprozessen und den dabeierreichten Lernleistungen vergleichsweise niedrig gehalten. Es wächst jedoch die Sen-sibilität und das Problembewusstsein für diesen bildungspolitischen Komplex.

3. Begrifflichkeiten

Menschen eignen sich auf sehr unterschiedlichen Wegen die zum Leben bzw. Überle-ben notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, Einstellungen und Werte an. Ein großerTeil der Lernprozesse geschieht beiläufig („en passant“) und weitgehend unbewusst imVollzug des Alltags- und Berufshandelns. Von diesen „zufälligen“ Lernprozessen sindsolche abzugrenzen, die intentional, also ziel- und zweckgerichtet verlaufen. Diesesintentionale Lernen wird gestaltet, geplant und organisiert, es wird ein Lernarrange-ment geschaffen, welches gedeihliches und erfolgreiches Lernen ermöglichen soll.

Mit Blick auf dieses Lernarrangement („setting“) werden im internationalen Kontextdrei Arten von Lernaktivitäten unterschieden (vgl. Commission of the European Com-munities 2000, S. 8):• Formale Bildung findet in einem speziellen institutionellen Rahmen statt. Lern-

prozesse werden organisiert, kontrolliert, bewertet und zertifiziert durch eigensdafür ausgebildetes Personal. Die formale Bildung unterliegt der staatlichen Rege-lung und Aufsicht. Sie verleiht über Zeugnisse und Diplome Berechtigungen zum

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Besuch weiterführender Bildungseinrichtungen oder zur Aufnahme von speziel-len Berufstätigkeiten. Beispiele für formale Bildung sind der Besuch einer Grund-schule, das Studium an einer Universität oder die Absolvierung einer Berufsaus-bildung im dualen System.

• Non-formale Bildung findet ebenfalls in einem institutionellen Rahmen statt, dieBildungsaktivitäten werden z. B. von einem Betrieb oder einer Weiterbildungs-einrichtung geplant und organisiert. Dabei wird meist speziell qualifiziertes Per-sonal eingesetzt. Eine Zertifizierung ist möglich, aber nicht zwingend, genausowenig wie eine staatliche Kontrolle oder Aufsicht. Non-formale Bildung liegt au-ßerhalb des durch die formale Bildung gestuften Berechtigungs- und Zugangssys-tems. Typische Beispiele sind der Besuch eines Englischkurses an der Volkshoch-schule, die Teilnahme an einem Seminar der betrieblichen Weiterbildung und derVorbereitungskurs für den Erwerb des Segelscheins.

• Informelles Lernen umfasst alle intentionalen Lernaktivitäten außerhalb eines in-stitutionellen Rahmens. Die Lernenden selbst bestimmen den Aufbau des Lernar-rangements und übernehmen die Verantwortung zur Planung und Steuerung derLernprozesse. Lernen findet quasi in einem „privaten Kontext“ statt. InformellesLernen kann einzeln oder in Gruppen stattfinden und schließt nicht aus, dass Per-sonen die Rolle von „Lehrenden“ übernehmen. Typische Beispiele für informellesLernen sind das alleinige Durcharbeiten eines Lehrbuches oder Lernprogramms,die kollegiale Vermittlung von Kenntnissen am Arbeitsplatz, die Unterweisung ei-nes Freundes in Tennis oder das Vermitteln von Schwimmtechniken bei Kinderndurch ihre Eltern.

In weiten Begriffsfassungen wird das inzidentelle (zufällige) Lernen mit zum informellenLernen gezählt, das dann alle Formen nicht fremdorganisierten Lernens umfasst (vgl. z. B.Dohmen 2001, S. 18). Die begriffliche Substanz des informellen Lernens weist in hohemMaße Deckungsgleichheit mit den ebenfalls zur Zeit häufig verwendeten Begriffen„selbstgesteuertes Lernen“ und „selbstorganisiertes Lernen“ auf (vgl. Faulstich 2002,S. 61-63; Gnahs/Seidel 2002, S. 16-18). Es lassen sich zu allen drei bzw. vier Kategori-en Beispiele finden, deren Zuordnung nicht eindeutig erfolgen kann oder zumindestzwischen unterschiedlichen Personen strittig sein dürfte. Ist der fremdorganisierte Nach-hilfeunterricht für Schüler Teil des formalen Bildungssystems oder des non-formalen? Inwelche Kategorie passt ein Alphabetisierungskurs für Erwachsene? Ist der Besuch einerMesse oder eines Museums informelles Lernen oder non-formale Bildung?

In vielen Fällen kann im Prinzip nur der Lerner bzw. die Lernerin selbst entscheiden,welche Zuordnung die richtige ist. Das Vorhandensein von definitorischen Grauzonenund von Grenzfällen verdeutlicht, dass es noch keine trennscharfe Begrifflichkeit gibt.Die benutzten Begriffe besitzen zur Zeit den Status von Arbeitsbegriffen mit orientie-rendem Charakter.

Ähnlich schwierig und umstritten wie die Definition des informellen Lernens ist derBegriff der Zertifizierung. Auch hier gibt es konkurrierende und sich überschneidende

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Begriffe wie Validierung, Beurteilung, Bescheinigung, Testierung und ähnliches. ImFolgenden wird versucht, die Bewertungsformen begrifflich in eine Hierarchie einzu-ordnen. Unterschieden werden dabei Zertifizierung, die Beurteilung und die Selbst-einschätzung sowie die Bescheinigung im Sinne einer Teilnahmebestätigung:

• Die Zertifizierung ist eine schriftlich fixierte Fremdbewertung, die in der Regel aufeiner externen Prüfung basiert, outputorientiert und an fachlichen Kompetenzenorientiert ist. Die als Zertifizierung stattfindende Bewertung ist an sich in keinerWeise an Lernwege, Anwesenheit oder aufgewendete Zeit gebunden, findet alsosowohl bei Ergebnissen aus formal und non-formal als auch bei informell vollzo-genen Lernprozessen Anwendung. In der Regel wird die Bewertung anhand von(Mindest-)Standards und Referenzniveaus vorgenommen. Eine Zertifizierung hatim Regelfall eine allgemein anerkannte Verkehrsgeltung und ist zumeist mit Be-rechtigungen wie dem weiterführenden Besuch einer Bildungsinstitution oder derEinstufung in ein Gehaltssystem verbunden. Eine nur eingeschränkte Verkehrsgel-tung haben im Bereich der Weiterbildung durchgeführte verbandsinterne Zertifi-zierungen. Im Rahmen einer Zertifizierung erworbene Zertifikate sind typischer-weise Schulzeugnisse, Diplome, berufliche Abschlusszeugnisse oder Sprachzerti-fikate.

• Als Beurteilung wird eine schriftlich festgehaltene Fremdbewertung bezeichnet,die auf Ermittlungsverfahren mit eingeschränkten Standards und Referenzniveausbasiert. Als überwiegend prozessorientiertes Bewertungsverfahren schließt sie dasErgebnis des Prozesses nicht aus. Beurteilt werden sowohl fachliche als auch über-fachliche Kompetenzen. Auch für die Beurteilung sind die vollzogenen Wege derAneignung unerheblich. Sie hat eine sektorale und damit eingeschränkte Verkehrs-geltung. Typische Beispiele für eine Beurteilung sind die Personalbeurteilung unddas Arbeitszeugnis.

• Die Selbsteinschätzung beruht – wie der Begriff nahe legt – auf der individuellenBeurteilung der Lernenden und ist häufig prozessorientiert, ohne Input und Out-put auszuschließen. Individuen bewerten ihre fachlichen und überfachlichen Kom-petenzen, indem sie auswählen, welche Kompetenzen sie auf welche Weise be-sitzen. Die Selbsteinschätzung setzt ein Mindestmaß an Reflexion der (Lern-)Tä-tigkeiten, des Aufwands und der persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten voraus.In diesem Zusammenhang ist vor allem die schriftliche Selbsteinschätzung vonInteresse. Typische Beispiele dafür sind die den Zertifikaten und Beurteilungenbeigelegten Schreiben bei Bewerbungen, Tätigkeitsbeschreibungen und das Lern-tagebuch.

• Jenseits dieser drei Bewertungsformen gibt es Bescheinigungen, die die Teilnah-me an einem Lernprozess belegen. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass überdie Teilnahme auch die intendierten Kompetenzen ganz oder teilweise erlangtwerden.

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4. Praxis der Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen

Die Frage der Anerkennung und Zertifizierung informell erworbener Kompetenzenspielt im Zusammenhang mit Passaktivitäten, aber auch unabhängig davon eine wich-tige Rolle. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie sind drei Bereiche näher betrachtetworden: der betriebliche Kontext, das private und soziale Umfeld sowie das formaleBildungssystem.

Im formalen Bildungssystem liegt das eindeutige Schwergewicht auf der Anerkennungund Zertifizierung von Kompetenzen/Qualifikationen, die in genormten Bildungsgän-gen erworben worden sind. Die Einbeziehung von informell erworbenen Kompeten-zen z. B. bei der Zulassung zu Bildungsgängen, zu Prüfungen, bei der Verkürzung vonQualifizierungszeiten ist die Ausnahme vom ansonsten vorgegebenen „Königsweg“.Typische Beispiele dafür sind die so genannte Externen-Prüfung nach BBiG und HWO,die Zulassung zum Hochschulstudium ohne Reifezeugnis (Immaturenprüfung) und dieZulassung zu Fortbildungsprüfungen über den Nachweis von ausreichender Berufser-fahrung. Die Beispiele zeigen, dass alternative Lernwege ausnahmsweise zugelassenwerden (können) als Voraussetzung für eine Zertifizierung. Diese ist identisch mit derZertifizierung im formalen System oder orientiert sich zumindest stark an ihr.

2002 wurde mit der Neuordnung der IT-Weiterbildungsberufe der Versuch gemacht,den Gegensatz von formellem und informellem Lernen zu überwinden. Nicht mehrein definiertes Curriculum, sondern aus der Praxis abgeleitete Referenzprozesse sindmaßgeblich für den Qualifikationsgang. Damit wird prinzipiell die Möglichkeit eröff-net, den geeigneten Lernweg selbst zu wählen, die traditionelle Inputorientierung wirddeutlich abgeschwächt.

Im betrieblichen Kontext spielt die Erfassung, Anerkennung und Bewertung informellerworbener Kompetenzen bei der Einstellung von Arbeitskräften und Auszubildenden,in der Personalentwicklung und zur Personalbeurteilung eine wichtige Rolle. Die informalen Prozessen erworbenen und im Regelfall zertifizierten Kompetenzen/Qualifi-kationen sind meist nur noch notwendige, aber keinesfalls eine hinreichende Bedin-gung, um im Beschäftigungssystem bestehen zu können. Weit verbreitet sind die fol-genden Verfahren zur Sichtbarmachung von informell erworbenen Kompetenzen:• Bei Neueinstellungen finden Tests, Bewerbungsgespräche und Assessment-Center

mit dem Ziel statt, Anhaltspunkte sowohl über die tatsächlichen fachlichen wieüberfachlichen Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen. Ein-gesetzt werden zum Teil langjährig erprobte und bewährte Verfahren mit einemhohen Grad an Differenziertheit. Die Ergebnisse solcher Verfahren sind selten al-lein maßgeblich für die zu fällende Einstellungsentscheidung. Sie bilden zwar einwichtiges Element, sind aber vor allem „Unterfutter“ für die meist im Diskurs ge-wonnene Entscheidung der Personalauswählenden auf der Basis einer erfahrungs-basierten ganzheitlichen Sichtweise. Unserer Definition folgend, werden Zertifi-zierungs- und Beurteilungsaktivitäten kombiniert.

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• Die Beurteilung der aktuell Beschäftigten erfolgt gewöhnlich „en passant“ durchdie Vorgesetzten. Bei vielen Betrieben, im Besonderen bei den Großbetrieben,hat sich darüber hinaus ein formalisiertes Bewertungssystem etabliert. Die damitbetriebene Personalentwicklung gründet sich im Regelfall auf ein- oder wechsel-seitig vorgenommene Einstufungen in Kompetenzlisten, auf zusammenfassendeschriftliche Beurteilungen und auf Gespräche zwischen Mitarbeiter/innen undVorgesetzten. Derartige Aktivitäten finden regelmäßig statt (meist jährlich oderhalbjährlich) und sind Ausgangspunkt für Personalentwicklungsmaßnahmen (z. B.Weiterbildung, Job-Rotation). Auch bei diesen Prozessen werden elaborierte In-strumente zum Einsatz gebracht, die aber ähnlich wie bei den Auswahlverfahrenbei Neueinstellungen Grundlage für das darauf aufbauende Gespräch sind. ImZentrum steht die Bewährung der Beschäftigten am Arbeitsplatz und die dabeisichtbar gewordenen Stärken und Schwächen.

• Beim Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern findet in Form des Ar-beitszeugnisses im Regelfall eine summarische Bewertung der Arbeitsleistung statt.Auf Verlangen des Beschäftigten muss das Zeugnis in qualifizierter Form erstelltwerden. Danach sind alle während des Beschäftigungsverhältnisses erbrachtenLeistungen nach Art und Dauer zu dokumentieren, der Arbeitgeber ist verpflich-tet, ein vollständiges und klares Bild des Beschäftigten zu vermitteln. Von dieserweitgehenden Möglichkeit wird indes nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht,weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer offensichtlich den rechtlichen Spielraum nichtkennen oder nicht wahrnehmen. Eine Ergänzung zum Arbeitszeugnis bieten fürden ausscheidenden Beschäftigten Bewertungen, die arbeitsprozessbegleitend er-folgen. Zu nennen sind hier die Protokolle und ausgefüllten Fragebogen aus denMitarbeitergesprächen, Belobigungs- oder Dankschreiben, wie sie aus Anlass be-sonderer Anstrengungen oder Belastungen verschickt werden, und natürlich be-triebsintern erstellte Nachweise über Teilnahmen an Qualifizierungsmaßnahmen.

• Versuche, auch solche Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu er-fassen, die außerbetrieblich erworben bzw. eingesetzt werden, befinden sich nochim Anfangsstadium und stoßen auch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Arbeitge-berseitig werden der damit verbundene Erfassungsaufwand und die ggf. entste-henden Lohn- und Gehaltsansprüche angeführt, arbeitnehmerseitig die Gefahr derallseitigen Verfügbarkeit, die Befürchtung, dass die Grenzen zwischen Privat- undBerufsleben sich verwischen, und der Hinweis auf den Datenschutz.

Die betrieblichen Instrumente und Verfahren zur Feststellung und Bewertung informellerworbener Kompetenzen sind zwar häufig langjährig im Einsatz und dabei weitervalidiert und optimiert worden, dennoch sind eine Vielzahl von Messproblemen nachwie vor ungelöst, sodass die Personalverantwortlichen sie im Regelfall nur ergänzendeinsetzen.

Auch im privaten Rahmen und im sozialen Umfeld werden Kompetenzen erworbenund eingesetzt. Ein großer Teil dieser Kompetenzen ist u. a. im Kontext einer Er-werbsarbeit relevant und wird, wie oben beschrieben, unter betrieblichem Blickwin-

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kel erfasst und sichtbar gemacht. Doch auch die Individuen haben ein Interessedaran, ihre Arbeitsmarktchancen dadurch zu erhöhen, dass sie über ihre Qualifikati-onsnachweise hinaus ein erweitertes Kompetenzspektrum präsentieren. Zudem sindTätigkeits- und Kompetenznachweise für diesen Personenkreis auch eine Art Aner-kennung für das, was außerhalb des Erwerbssystems geleistet worden ist. Vor diesemHintergrund sind vielfältige Formen der Sichtbarmachung von Kompetenzen entstan-den, die vom einfachen Tätigkeitsnachweis bis hin zum differenzierten Kompetenz-nachweis reichen. Einige dieser Verfahren sind so weit gediehen, dass sie „Passcha-rakter“ haben (wie zum Beispiel die Freiwilligenbücher). Am weitesten vorangekom-men sind derartige Initiativen im Bereich des ehrenamtlichen bzw. bürgerschaftli-chen Engagements. Die nutzenden Einrichtungen schaffen durch die unterschied-lichsten Formen der Anerkennung, die bis zur ehrenden Auszeichnung reichen kön-nen, Loyalität und Motivation bei den Ehrenamtlichen. In anderen Bereichen liegtdieser Wahrnehmungsgrad deutlich niedriger, weil die infragekommenden Aktivitä-ten im privaten Bereich angesiedelt sind (z. B. alle Formen von Familientätigkeit)oder in schwer zugänglichen Kontexten stattfinden bzw. stattgefunden haben (z. B.kulturelle Kompetenzen von Migrant/innen).

Es gibt in diesem Feld erfolgreiche Ansätze und Modelle. Deutlich sind in diesemZusammenhang aber auch einige offene Fragen zutage getreten. Sie beziehen sich aufdie Grenzen der Standardisierbarkeit bei der Kompetenzerfassung, auf die Kontextge-bundenheit der Kompetenzen und ihre Übertragbarkeit auf andere Situationen, auf dieSubjektivität der Bewertung und auf die ethische Dimension, die sich im Spannungs-verhältnis von Freiwilligkeit und gesellschaftlichem Druck ausdrückt.

Internationale Beispiele zeigen, wie mit anderen Steuerungslogiken als in Deutsch-land die Erfassung und Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen das jeweili-ge Bildungs- und Weiterbildungssystem reformiert hat. Diese Beispiele sind aufgrundanderer Ausgangsbedingungen und Traditionen nicht auf Deutschland übertragbar,dennoch liefern sie wertvolle Hinweise und Impulse für politische Überlegungen undMaßnahmeplanungen. Um dies etwas plastischer zu machen, soll im Folgenden eininternationales Beispiel vorgestellt werden.

In Finnland ist die Form, in der das vorhandene Wissen und Können erworben wordenist, von untergeordneter Bedeutung. Die so genannte CBQ-Reform ist seit 1994 vorbe-reitet und 1998 eingeführt worden. Dieses Anerkennungssystem ist voll in das Bil-dungssystem integriert, weil es sich auf die im beruflichen Bildungswesen vergebeneAbschlüsse bezieht. Dabei erfolgt die „Zertifizierung“ durch dezentrale Ausschüsse.Idealtypisch kann in Kurzform der Verlauf von CBQ wie folgt beschrieben werden:Eine erwachsene Person überprüft individuell ihre beruflichen Aktivitäten und stelltfest, was sie alles im Beruf kann. Im Falle des nirgendwo formal bescheinigten Kön-nens wendet sie sich an eine staatlich anerkannte Bildungseinrichtung und fragt, ob siein dieser Institution getestet werden könne. Bei einer positiven Antwort werden dasTest-Ziel (Inhalt, Level der Qualifikation) gemeinsam geklärt und ggf. erforderliche Er-

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gänzungskurse verabredet. Zu einem abgesprochenen Termin wird die Person überzwei bis fünf Tage – möglichst in einer Arbeits-Realsituation – getestet. Da die über-prüfte Qualifikation aus mehreren Modulen besteht, kann der Prüfling alle Moduleerfolgreich absolvieren oder nur einige, die in einem offiziellen Dokument bescheinigtwerden. Dies erfolgt auf drei Ebenen:• Auf der ersten Ebene entspricht der Abschluss der Erstausbildung und damit in

ihren Anforderungen den beruflichen Abschlüssen der SII-Berufsschule.• Die nächste Ebene setzt die Qualifikation der ersten Ebene voraus und beschei-

nigt weitergehende Spezialkompetenzen, die frühestens nach dreijähriger einschlä-giger Berufsausübung erworben worden sein können.

• Auf der dritten Ebene werden hohe Kompetenzen, die in der Regel eine fünfjähri-ge Berufspraxis erfordern, bescheinigt.

5. Ausblick

Die Machbarkeitsstudie hat an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass die Erfassungund Bewertung von Kompetenzen erhebliche methodische Probleme aufwirft. DieseAussage gilt auch für formal erworbene Kompetenzen/Qualifikationen, erst recht fürdie informell erworbenen. Probleme bestehen bei der prinzipiellen Messbarkeit (z. B.von Sozialkompetenz), bei der Validität und Reliabilität der eingesetzten Methoden,beim Einsatz angemessener Messmodelle und bei der Akzeptanz der eingesetztenMethoden.

Derartige Fragen haben auch in der in- und ausländischen Literatur einen hohen Stel-lenwert (vgl. z. B. Rosenstiel/Erpenbeck 2002; Erpenbeck 2003; Dohmen 2001; Moser2003; Kadishi 2001; Björnavold 2001). Im Zusammenhang mit Passaktivitäten undbesonders auch bei der Sichtbarmachung informell erworbener Kompetenzen spitzensich viele der Messprobleme zu, weil Ansprüche auf allgemeine Verwertbarkeit, aufgesellschaftliche Anerkennung und ggf. sogar auf Zertifizierung eingelöst werden müs-sen.

Es ist zu vermuten, dass die Diskussion um die Zertifizierung informell erworbenerKompetenzen auch auf die formalen und non-formalen Lernbereiche ausstrahlt unddort die Praxis der Zertifizierung ebenfalls auf den Prüfstand stellt.

Anmerkung

1 Zu den Projektteams gehören: Markus Bretschneider, Klaus Meisel, Rüdiger Preißer, JosefSchrader (DIE); Ulrich Arnswald, Susanne Barth, Uwe Lauterbach, Harry Neß (DIPF); DieterGnahs, Elke Sandau, Sabine Seidel, Beate Seusing (IES).

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Literatur

Barth, S./Neß, H. (2003): Machbarkeitsstudie „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informel-len Lernens“. In: GdWZ, H. 4, S. 163-165

Björnavold, J. (2001): Lernen sichtbar machen. LuxemburgCommission of the European Communities (Hrsg.) (2000): A Memorandum on Lifelong Lear-

ning. Commission Staff Working Paper. BrüsselDIE/DIPF/IES (2003): Machbarkeitsstudie im Rahmen des BLK-Verbundprojektes „Weiterbildungs-

pass mit Zertifizierung informellen Lernens“. Bonn/Frankfurt/HannoverDohmen, G. (2001): Das informelle Lernen. Die internationale Erschließung einer bisher ver-

nachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. BonnErpenbeck, J. (2003): Modelle und Konzepte zur Erfassung non-formell und informell erworbe-

ner beruflicher Kompetenzen in Deutschland. In: Straka, G. A. (Hrsg.): Zertifizierung non-formell und informell erworbener beruflicher Kompetenzen. Münster, S. 27-39

Faulstich, P. (2002): Vom selbstorganisierten zum selbstbestimmten Lernen. In: Faulstich, P./Gnahs, D./Seidel, S. u. a. (Hrsg.): Praxishandbuch selbstbestimmtes Lernen. Weinheim/Mün-chen, S. 61-98

Gnahs, D. (2003): Weiterbildungspässe mit Zertifizierung informellen Lernens. Referat auf demWorkshop „Modelle der Qualitätsentwicklung und der Weiterbildungszertifizierung“ am 24.Juni 2003 in Wismar, www.lernende-regionen.info

Gnahs, D./Seidel, S. (2002): Überblick über selbstbestimmtes Lernen in der Weiterbildung. In:Faulstich, P./Gnahs, D./Seidel, S. u. a. (Hrsg.): Praxishandbuch selbstbestimmtes Lernen.Weinheim/München, S. 13-24

Kadishi, B. (Hrsg.) (2001): Schlüsselkompetenzen wirksam erfassen. Personalselektion ohneDiskriminierung. Altstätten

Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes (Hrsg.) (2003): TagungsbandInternationaler Fachkongress „Bildungspässe – Machbarkeit und Gestaltungsmöglichkeiten“(21./22. Januar 2003 in Saarbrücken). Saarbrücken

Moser, K. (2003): Diagnostik beruflicher Kompetenzen. In: Straka, G. A., a. a. O., S. 41-55Rosenstiel, L. v./Erpenbeck, J. (2002): Handbuch der Kompetenzmessung. Stuttgart

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FORUM

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Josef Schrader

Politische Bildung zwischen Staat, Markt, Organisationen undsozialen Gemeinschaften1

Diagnosen zur politischen Bildung

1. Politische Bildung in der Krise?

„Was ist politische Bildung?“, so fragte Klaus Ahlheim vor einigen Jahren in einem Hand-buchbeitrag und wiederholte damit eine Frage, die sich zumeist dann stellt, wenn ihregeringe Bedeutung oder Wirkung beklagt werden. Zweifellos findet eine enge, an poli-tischen Institutionen (polity), an demokratischen Normen (policy) und an politischemHandeln (politics) orientierte Auslegung des Politischen und der politischen Bildung (soAhlheim 1997, S. 302) heute weniger Anhänger als zur Reformzeit. Anfang der 1970erJahre hätte man noch mit einem breiten Konsens unter Theoretikern und Praktikern rech-nen und zur politischen (Weiter-)Bildung alle jene Veranstaltungen zählen können, indenen Teilnehmende Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, um sich in mündiger Wei-se an der öffentlich praktizierten Organisation des gesellschaftlichen Zusammenlebenszu beteiligen und Fragen der institutionellen Gestaltung, Verteilung und Legitimität vonMacht und Autorität zu reflektieren (vgl. Hilligen 1986, S. 362; Körber 1994, S. 13-17).Die Institutionalisierung und Verberuflichung der Erwachsenenbildung, wie sie durch dieWeiterbildungsgesetze vieler Bundesländer in den 1970er Jahren vorangetrieben wur-de, zielte neben einer besseren Qualifizierung von Erwerbstätigen vor allem auf einegrößere Selbst- und Mitbestimmungsfähigkeit der Bevölkerung insgesamt. Das Programmeiner durchgreifenden sozialstaatlichen Modernisierung wurde von einem breiten Kon-sens zwischen Politik, Disziplin und Profession getragen und zog viele Mitarbeiter in dieErwachsenenbildung, die zu einer grundlegenden Demokratisierung der bundesdeut-schen Gesellschaft beitragen wollten und politische Bildung als ihre „eigentliche“ Auf-gabe betrachteten. Ein explizit politisch verstandener, aufklärerischer Gestus lässt sichbeispielhaft am bremischen Weiterbildungsgesetz von 1974 ablesen: Bei den fünf Auf-gaben, die den anerkannten Weiterbildungsanbietern in § 1 (2) zugewiesen wurden,handelt es sich mehr oder weniger ausschließlich um solche der politischen Weiterbil-dung, ohne dass der Begriff selbst an dieser Stelle auftaucht: Weiterbildung sollte jeden,insbesondere Arbeitnehmer, wie es in § 2 (2) hieß, dazu befähigen, erstens

„die gesellschaftliche Wirklichkeit und seine Stellung in ihr zu begreifen und zu än-dern; 2. die berufliche Qualifikation in ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung zu be-werten, zu erhalten, zu steigern oder zu ändern; 3. die Mitarbeit im öffentlichen Lebenzur Verwirklichung des Grundgesetzes kritischer, wirksamer und widerstandsfähigerzu gestalten; 4. Verhaltensweisen zu erlernen, um in ihren Ursachen erkannte gesell-schaftliche Konflikte steuern und überwinden zu können und 5. die durch soziale Her-kunft, durch gesellschaftliche Entwicklungen und durch Bildungsprozesse entstande-nen und neu entstehenden Ungleichheiten abzubauen.“2

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Man hätte gegen diesen Gesetzestext bereits bei seiner Verabschiedung einwendenkönnen, dass der Anspruch, gesellschaftliche Konflikte – hier den Grundkonflikt zwi-schen Kapital und Arbeit – mit den Mitteln der Pädagogik zu lösen, die Möglichkei-ten der Erwachsenenbildung bei weitem überfordere; dass zudem der implizite, sys-temkritische Emanzipationsbegriff soziologisch verengt sei und das Politikverständnisinnenpolitisch fixiere; dass (politische) Bildung nicht als Fortsetzung der (Gewerk-schafts-)Politik mit anderen Mitteln interpretiert werden könne und dürfe, was nichtzuletzt eine realistische Wahrnehmung ihrer Möglichkeiten, auch ihrer Erfolge ver-hindere und zwangsläufig zu Enttäuschungen führe; dass zudem in dem Gesetz dieberufliche Weiterbildung als „nur“ qualifizierende diskreditiert, die allgemeine Wei-terbildung geringgeschätzt werde, was zu unnötigen Selbstbeschränkungen führe.Die Grenzen dieses Politisierungsprogramms wurden denn auch nur allzu schnellsichtbar, u. a. darin, dass diejenigen, die man vor allem erreichen wollte, durch„gegensteuernde“ Finanzierungsrichtlinien allein nicht umzustimmen waren (Körberu. a. 1995). So kennzeichnet die Literatur zur politischen Bildung vielfach eine ei-gentümliche Mischung aus Krisendiagnose und Durchhalte-Appellen3 . Gleichwohlist die Aussagekraft empirischer Daten zu Angebot, Nutzung oder gar Wirkung vonpolitischer Bildung zumeist recht begrenzt, selbst dann, wenn man politische Bil-dung nicht gleich an ihrem Beitrag zur Lösung der großen gesellschaftlichen Fragenwie Frieden und Ökologie, Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Ausgleich zwischenden Geschlechtern und Kulturen misst. Nach den Daten des Berichtssystem Weiter-bildung (BMBF 2001, S. 17), das einen sehr engen Begriff von politischer Bildung(Rechte und Pflichten des Staatsbürgers, Wissen über Politik) verwendet, haben imJahr 2000 lediglich 1 % der Deutschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 19 und 64Jahren an Veranstaltungen politischer Weiterbildung teilgenommen, eine Quote, dieseit den Erhebungen des Jahres 1988 unverändert ist. Anhand der Statistik des Deut-schen Volkshochschul-Verbandes lässt sich zeigen, dass der Anteil politischer Bil-dung am Gesamtangebot der Volkshochschulen rückläufig ist (z. B. Behrens 1994,S. 214). Dieser Kennwert ist aber in hohem Maße abhängig von der Entwicklung desGesamtangebots, wie Behrens (1994, S. 216) selbst schreibt. Im Übrigen wäre füreine politische Bildungsarbeit, die auf Breitenbildung zielt, nicht der Anteil am ge-samten Weiterbildungsangebot der geeignete Maßstab, sondern die Teilnahmequoteinnerhalb definierter Adressatengruppen. So hat z. B. die Friedrich-Ebert-Stiftung voreinigen Jahren eine bundesweite repräsentative Befragung in Auftrag gegeben, dieu. a. zeigte, dass 1991/1992 immerhin 22 % aller Befragten im Westen – mit deutli-chen Differenzen je nach sozialem Milieu – ihr Interesse an Veranstaltungen politi-scher Bildung zum Ausdruck brachten (vgl. Peters 1994, S. 157 f.). Zu ähnlichenZahlen kommt eine neuere, von Karsten Rudolf (2002) durchgeführte Studie. Hinterdiesen Quoten bleibt die tatsächliche Beteiligung jedoch regelmäßig deutlich zu-rück, auch wenn man einschränkend sagen muss, dass politisches Interesse nichtallein in einer Teilnahme an politischer Bildung zum Ausdruck kommt. Die genann-ten Daten zeigen eines allerdings unmissverständlich: Politische Bildung in der Formorganisierter Weiterbildung erzielt, anders als in der Reformphase erhofft, keine Brei-tenwirkung. Wenn man sich allerdings von diesem Anspruch distanziert und sich

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ihrer Praxis differenziert, in einer zugleich synchronen und diachronen Perspektivezuwendet, wie es etwa auf der Grundlage der Analyse von Weiterbildungsprogram-men möglich ist, so stellt man zumeist fest, dass Weiterbildungsanbieter ein zwarniedriges, aber keineswegs unbedeutendes und zudem im Zeitverlauf recht stabilesAngebot an politischer Bildung – durchaus in dem engen, einleitend zitierten Sinn –bereithalten (Körber u. a. 1995). So erwies sich der Fachbereich politische Weiterbil-dung in einer jüngeren Regionalstudie immerhin mit fast 8,3 % bzw. 2,3 % des Ge-samtangebots (bezogen auf Veranstaltungen und Unterrichtsstunden) als einer dergrößten Fachbereiche außerhalb der beruflichen Weiterbildung: Nach Veranstaltun-gen war es der drittgrößte Fachbereich (nach Fremdsprachen und Gesundheit), nachUnterrichtsstunden gar der zweitgrößte (nach Fremdsprachen; Schrader 2000).Allerdings entfielen aufgrund regionaler Besonderheiten etwa 40 % der Veranstaltun-gen allein auf das Themenfeld Arbeit, Betrieb, Gewerkschaften. Angesprochen wur-den hier, insbesondere durch den Spezialanbieter „Arbeit und Leben“, vor allembetriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertreter: Betriebs- und Personalräte,Vertrauensleute, Frauenbeauftragte, seltener junge Arbeitnehmer. Angeboten wurdeninsbesondere solche Themen, die für diese Arbeit fachlich und sozial qualifizieren.

Zweifellos gibt es also noch Weiterbildungsangebote der politischen Bildung und ent-sprechende Anbieter, die eine zwar begrenzte, über die Zeit aber durchaus stabileNachfrage finden, begünstigt durch die Institution des Bildungsurlaubs, ohne den gan-ze Angebotsbereiche wegfielen. Von einer Krise der politischen Bildung wird man alsonicht ohne weiteres reden können. Möglicherweise befindet sich aber das ordnungs-politische Konzept einer öffentlich verantworteten, korporativ-pluralen Weiterbildungin der Krise (Schrader 2001), und zwar grundlegender, als es die Klage über den man-gelnden Willen der Politik zur „Gegensteuerung“ gegen den Trend zur Marktorientie-rung der Weiterbildung (Ahlheim 1997, S. 303) zum Ausdruck bringt. Ihre Folgen fürdie politische Bildung wären dann zu diskutieren.

2. Politische Bildung bei Arbeit und Leben – ein Fallbeispiel

Korporativ-plurale Weiterbildungsanbieter werden heute mit vielfältigen Veränderun-gen konfrontiert. In der folgenden, explorativen und hypothesengenerierenden Rekon-struktion eines Fallbeispiels werden insbesondere Veränderungen auf den Ebenen deröffentlichen Förderung, der Träger als Mitgliedsorganisationen, der festen und der frei-en Mitarbeiter sowie der Adressaten dieser Einrichtungen fokussiert. Das Fallbeispielist einer Untersuchung zum Lehren und Lernen in der Wissensgesellschaft entnom-men, die im Jahre 2000 durchgeführt wurde und sich auf insgesamt 20 Experteninter-views mit hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Weiterbildungsein-richtungen stützt (s. dazu Schrader 2003). Für den Lernbereich der politischen Bildungwurde u. a. ein Interview mit dem Leiter von „Arbeit und Leben“ geführt, einer öffent-lich-anerkannten, mit der Volkshochschule kooperierenden Einrichtung. Das Programm-profil dieses Anbieters wurde im vorherigen Abschnitt kurz skizziert; kennzeichnend

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ist u. a., dass ein Drittel aller Veranstaltungen in der Form des Bildungsurlaubs angebo-ten und durchgeführt wird. Die „weite“ Definition öffentlicher Weiterbildung, die derLeiter mit dem Anspruch formuliert, „gewerkschaftliche Bildungsarbeit im weitestenSinn“ (S. 4) zu betreiben, soll hier nicht problematisiert werden. Vielmehr sollen dieVeränderungen in der Bildungsarbeit behandelt werden, die der Interviewte für diezurückliegenden 10-20 Jahre beschreibt. Dabei wird deutlich, dass die in der Weiter-bildungsliteratur häufig benutzte Dichotomie von Staat und Markt (s. z. B. Derichs-Kunstmann/Faulstich/Schiersmann/Tippelt 1997) nicht ausreicht, um die Veränderun-gen systematisch zu verorten, mit denen u. a. korporativ-plurale Weiterbildungsanbie-ter konfrontiert werden. Ohne an dieser Stelle eine theoretische oder historische Re-konstruktion anbieten zu können, werden mit „Organisationen“ und „sozialen Ge-meinschaften“ zwei weitere Steuerungskontexte eingeführt, die zusammen mit denKontexten des Staates und des Marktes den Bewegungsraum markieren, innerhalb des-sen sich Weiterbildungsanbieter verorten.

Gleich zu Beginn weist der interviewte Experte mehrfach auf den Bedeutungsverlustder öffentlichen Förderung hin und damit auf die Tatsache, „dass der Anteil der Arbeit,die aufgewandt werden muß, um die Strukturen zu erhalten oder zu sichern, das heißt,Beantragung von Mitteln, Abrechnung von Mitteln, Nachweise führen, dass der erheb-lich zugenommen hat im Verhältnis zu den durchgeführten Maßnahmen“ (S. 1). Die-ser Befund ist in zahlreichen Untersuchungen belegt, sodass allenfalls zu erwähnenbleibt, dass der Interviewte den Rückzug des Staates aus der öffentlichen Verantwor-tung eher nüchtern feststellt als aufgeregt beklagt. Der „Markt“ im Sinne eines finanz-kräftigen Teilnehmermarktes taucht als Bezugspunkt in dem Interview kaum auf; erstellt für einen gewerkschaftsnahen Spezialanbieter politischer Bildung kein relevantesAktionsfeld dar, da entsprechende Angebote in aller Regel nicht kostendeckend odergar gewinnbringend durchgeführt werden können. Wenn der Marktbegriff erscheint,dann entweder als Markt der Förderprogramme, an denen man sich angesichts derrückläufigen Bedeutung der Landesförderung mehr und mehr orientieren müsse, oderals Markt der Betriebs- und Personalräteschulungen, der auch von anderen gewerk-schaftsnahen Weiterbildungsanbietern bedient werde. Im letztgenannten Bereich, dervon den Betrieben (mit-)finanziert wird, konnte die Einrichtung ihr Angebot in denvergangenen Jahren sogar ausweiten (S. 2).

Wichtiger erscheinen dem Leiter der Einrichtung – nimmt man die Ausführlichkeitseiner Darstellung zum Maßstab – jene Veränderungen, denen Gewerkschaften alssoziale Gemeinschaft stiftende Organisationen unterliegen. Eindringlich wird die nach-lassende Bindung abhängig beschäftigter Arbeitnehmer an Gewerkschaften beschrie-ben. Der „ideelle Gesamtteilnehmer“ von „Arbeit und Leben“ sei zwar immer nochder (gewerblich) qualifizierte, organisierte Facharbeiter, allerdings sei dieser heutezumeist bereits über 40; die mittlere Generation zwischen 25 und 45 werde kaumnoch erreicht; mit dem Altern der Organisation altere auch die Teilnehmerschaft (S. 6).Als Begründung verweist der Interviewpartner auf den wirtschaftlichen Strukturwan-del, auf die Privatisierung von Teilen des öffentlichen Dienstes (Bahn, Post), auf die

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Ausdünnung der Personaldecke in Betrieben und die repressivere Handhabung vonBildungsfreistellungen (S. 7).

Es schwinde aber nicht nur die Bindung der potenziellen Teilnehmer an die Gewerk-schaften und die ihr nahestehenden Weiterbildungseinrichtungen; das gleiche Phäno-men sei bei den frei- oder nebenberuflichen Teamern zu beobachten. Dies gelte insbe-sondere für die Gruppe der so genannten neuen Selbstständigen, eine Gruppe, diequantitativ wachse und inzwischen große Anteile des Weiterbildungsangebots bestrei-te, während noch vor einigen Jahren überwiegend Funktionäre und Studierende alsLehrkräfte arbeiteten. Diese neuen Selbstständigen seien vornehmlich mit der Bewirt-schaftung ihrer Biografie beschäftigt und agierten gegenüber der Einrichtung eher als„Subunternehmer“ denn als Mitarbeiter; sie arbeiteten zudem bei einer Vielzahl unter-schiedlicher Einrichtungen, sodass man eine Bindung an die Gewerkschaft (dokumen-tiert z. B. durch ein Mitgliedsbuch) anders als vor einigen Jahren nicht mehr „verlan-gen“ könne (s. dazu Schrader 1998; Hufer/Körber 1999). Beides verschärfe die Ausein-andersetzungen zwischen Anbietern und Lehrkräften:

„Das wird viele Tränen geben, will ich mal sagen, aber weil, das Problem ist ganz ein-fach, man hat zu vielen dieser Kolleginnen und Kollegen quasi ein freundschaftlichesVerhältnis und wird aber in eine Situation kommen, wo dann eventuell Interesse gegenInteresse steht. Sie werden mit Erwartungen an uns kommen und sagen, das ist aberangemessen, und ich muß sagen, als Gewerkschafter, deine Erwartung ist richtig, undtrotzdem kann ich die nicht erfüllen“ (S. 28).

Ein viertes Feld von Veränderungen betrifft die sozialen Milieus, die von Gewerkschaf-ten gestiftet werden und an denen sich politische Bildung immer auch orientiert. InBetrieben, in denen die Mitgliedschaft der Gewerkschaften altert und stagniert odergar sinkt, fällt es immer schwerer, gewerkschaftsnahe soziale Gemeinschaften aufzu-bauen und zu verstetigen, auf die man bei der Programmplanung und Teilnehmerrek-rutierung gleichsam selbstverständlich zurückgreifen kann.

„Das hat aber auch was damit zu tun, dass ich auch denke, dass sich die Kommunika-tionsstruktur, die Betreuung im Betrieb verändert hat, dass die Vereinzelung größergeworden ist im Betrieb, dass die Kommunikationsstrukturen nicht mehr so dicht sindim Betrieb, wie sie noch vor fünfzehn Jahren waren. Die Tatsache, der Fakt, daß je-mand gesagt hat, wir fahren drei Wochen oder vier Wochen auf Bildungsurlaub und dukommst mit, wenn ein neuer Kollege in die Abteilung kommt, das funktioniert so nichtmehr, das klappte früher noch anders“ (S. 7).

Gefragt nach den Strategien, mit denen „Arbeit und Leben“ auf die wahrgenommenenVeränderungen reagiere, nennt der Leiter ein ganzes Bündel von Vorhaben, die auchaus anderen Kontexten bekannt sind. Dazu gehört u. a. die Öffnung der Einrichtungfür zahlreichere und intensivere Kooperationen mit anderen Anbietern, die heute auchdeshalb leichter möglich seien, weil politische und ideologische Abgrenzungen weni-ger stark als in den 1970er Jahren betont werden, als sich selbst arbeitnehmernaheEinrichtungen gegeneinander profilierten (S. 15 f.). Solche Kooperationen werden z. T.

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auch dadurch aufgenötigt, dass die öffentliche Anerkennung inzwischen an die Ein-führung von Qualitätsmanagementsystemen gebunden wird, die anerkannten Einrich-tungen eine themenbezogene Kooperation nahegelegt. In den Mittelpunkt seiner Aus-führungen aber stellt der Leiter den Anspruch der Einrichtung, sich zugleich als ge-werkschaftsnaher Anbieter zu profilieren und die „Qualität“ der Bildungsarbeit zu ver-bessern und nach außen – gegenüber öffentlichen Geldgebern und Teilnehmern – zudokumentieren. Als Ziel schwebt ihm ein Anbieter vor, der als kleiner Anbieter nichtmehr auf den „geschützten Raum“ öffentlicher Anerkennung angewiesen ist, sondernsich offensiv und selbstbewusst nach außen wendet. Ein vom Interviewer angebotenesFazit seiner Ausführungen greift er zustimmend auf:

„Ja, ja, das denke ich. Wir haben, also Arbeit und Leben, wie gesagt, kleine Einrich-tung und wir sind bekannt gewesen bei unseren Teilnehmern, die auf unsere Seminaregehen, und wir sind bekannt gewesen natürlich so der Fachöffentlichkeit, aber darüberhinaus taucht Arbeit und Leben nicht auf irgendwie. Das ist für so eine Einrichtungschon ein Problem, wenn sich Förderstrukturen, Finanzierungsstrukturen verändern,dass nicht mehr automatisch immer die Zuschußobergrenzen, die es gibt, sich so ein-fach fortsetzen, sondern wenn es zum Beispiel um Projektförderung geht, um die mansich bewerben muß, dann macht es schon was aus, ja welchen Eindruck, was für einBild Leute, die meinetwegen den Zuschlag auf eine Ausschreibung geben, von einerEinrichtung im Kopf haben. Die sehen nicht nur das Papier, auf dem man irgendwasbeschreibt, sondern die haben ein Bild von der Einrichtung im Kopf, und dieses Bild derEinrichtung setzt sich halt aus vielen Facetten zusammen, da ist das, was vorliegt anPapier, ist eine, aber darüber hinaus ist, wie beteiligt die sich in den Gremien, die imSenatsausschuß beraten, wie taucht sie in der Öffentlichkeit auf, was für Rückmeldun-gen gibt es auf Seminaren und was weiß ich nicht alles, in welchem Zusammenhangso eine Einrichtung auftaucht. Gut, und da müssen wir sicherlich, da haben wir ange-fangen, aber da werden wir sicherlich noch sagen wir mal deutlicher werden müssenund werden wir auch werden, aber wie gesagt, unter so einem Aspekt, wir macheneine Arbeit, die sich sehen lassen kann, und beschließen neue Themenfelder, um neueTeilnehmer zu erschließen, versuchen methodisch gut zu sein und unsere Teamer zuqualifizieren oder qualifizierte zu gewinnen und alles das halt auch rüber zu bringen inder Hoffnung oder in der Gewißheit, dass sich das halt auch auszahlt, Sicherheit derExistenz eigentlich“ (S. 18 f.).

3. Perspektiven politischer Bildung bei korporativ-pluralen Anbietern

Der hier vorgestellte Fall stützt die Annahme, dass die – zweifellos notwendige – Kritikam Rückzug des Staates aus der öffentlichen Verantwortung für Weiterbildung (z. B.Ahlheim/Bender 1996) zu kurz greifen könnte, wenn man über die Perspektiven poli-tischer Bildung bei korporativ-pluralen Weiterbildungsanbietern nachdenkt. Wenn staat-liche Politik heute weniger auf die Sicherung von Infrastrukturen und mehr auf einenprojektbezogenen Interventionismus (Harney) setzt, so forciert sie zweifellos sich bereitsetablierende Marktprinzipien (Vertraglichkeit, Befristung, Leistungsüberprüfung) in derWeiterbildung auch dort, wo sie auf den ersten Blick gar nicht sichtbar werden, imausgewählten Fall z. B. in der Beziehung der Einrichtung gegenüber Adressaten, Koo-perationspartnern und Staat. In der zuletzt zitierten Interviewpassage schildert der Lei-

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ter von „Arbeit und Leben“ den Staat weniger als „fürsorglichen“ und normsetzendenGesetzgeber denn als Vertragspartner und „Kunden“ seiner Einrichtung. Auffallend ist,dass der „Auftrag“ des Weiterbildungsgesetzes im Interview nahezu keine Rolle spielt.Betont werden jene Anforderungen, die sich für einen korporativen Anbieter aus derTatsache ergeben, dass die Bindung der Klientel an die Einrichtungen und die sie tra-genden Organisationen nachlässt (auch wenn sie immer noch beachtlich ist, wie eineneuere empirische Studie zur Bildungsarbeit der IG Metall gezeigt hat; s. dazu Schem-mann/Reinecke 2001). Diese Bindungen können heute nicht mehr vorausgesetzt, son-dern müssen hergestellt werden. Damit wird Bindung weniger eine Frage des Bekennt-nisses und mehr eine der Verrechnung wechselseitiger Leistungen.

Die aktuelle Qualitätsdiskussion lässt sich als eine Reaktion auf die Verschärfung derReproduktionsbedingungen von Weiterbildungseinrichtungen und der sie tragendenOrganisationen begreifen. Der interviewte Experte setzt einerseits auf die Profilierungals gewerkschaftlicher Weiterbildungsanbieter, der Bildungsarbeit eng mit der betrieb-lichen Praxis verknüpft und durch entsprechende Erfolge neue Bindungen erzeugenkann, andererseits aber auch ganz allgemein auf eine verbesserte Qualität der eigenenWeiterbildung. Zu ähnlichen Befunden und Empfehlungen kommt Helmut Bremer(1999) in einer empirischen Untersuchung, die sich mit der Wahrnehmung des Ange-bots von Arbeit und Leben in Niedersachsen beschäftigt. Als ein zentraler Befund wirddie Differenz zwischen dem Wandel der Milieus, mit dem u. a. das Schrumpfen desalten Kerns traditionellen Arbeiterbewusstseins einhergehe, und den traditionellen Struk-turen der „alternden Institutionen“ politischer Bildung herausgestellt. Bremer mahnteine konzeptionelle Modernisierung an, die insbesondere die Differenz von kulturel-ler und ökonomischer Logik überwinde. Wie dieses Spannungsverhältnis zwischen„Wertegemeinschaft“ und „Dienstleistungsunternehmen“ (Rauschenbach 1995) jeweilspraktisch austariert wird, wird zu den interessanten Fragen zukünftiger empirischerWeiterbildungsforschung gehören.

Weiterbildungseinrichtungen können heute immer weniger eindeutig bestimmten Steu-erungskontexten – Staat, Markt, Organisationen, Gemeinschaften – zugeordnet wer-den; sie entwickeln sich zu „hybriden“ Organisationen, die unterschiedlichen, ja wi-dersprüchlichen Rationalitäten und Handlungslogiken unterworfen sind, die durch dieReproduktionskontexte, in denen sie sich bewegen, bestimmt werden. Der hier inter-viewte Experte scheint darauf durchaus gelassen zu reagieren: Er präsentiert sich alspolitischer Bildner, der kämpferisch-pragmatisch, ohne Melancholie und Opportunis-mus an der Notwendigkeit machtvoller gesellschaftlicher Organisationen, an der öf-fentlichen, diskursiv-rationalen Aushandlung gesellschaftlicher Konflikte, an dem An-spruch von Autonomie und Kritikfähigkeit und damit an „Erkenntnis, Wissen, Aufklä-rung als Voraussetzung für autonomes Handeln“ (Ahlheim 1990, S. 22) festhält undsich mit dieser Interpretation von Qualität „am Markt“ behaupten möchte. Mindestensin dieser Bereitschaft zu „pessimistische[r] Utopie“ ist er Klaus Ahlheim (1997, S. 311)nicht unähnlich, dem dieser Beitrag gewidmet ist.

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Anmerkungen

1 Klaus Ahlheim zum 60. Geburtstag gewidmet.2 Diese Aufgabenstellung wurde auch bei der Reform des bremischen Weiterbildungsgeset-

zes im Jahre 1998 im Grunde unverändert beibehalten; ergänzt wurden Aufgaben bei derUnterstützung der europäischen und internationalen Integration und der Erhaltung der na-türlichen Lebensgrundlagen.

3 Der Grundton dieser Appelle variiert mit der Entfernung der Autoren zur Praxis politischerWeiterbildung von markig bis nüchtern-trotzig (beispielhaft Brumlik 1994; Ahlheim 1990;Hufer 1992).

Literatur

Ahlheim, K. (1990): Mut zur Erkenntnis. Über das Subjekt politischer Erwachsenenbildung. BadHeilbrunn

Ahlheim, K. (1997): Politische Bildung. In: Bernhard, A./Rothermel, L. (Hrsg.) (1997): Hand-buch kritische Pädagogik. Eine Einführung in die Erziehungs- und Bildungswissenschaft.Weinheim, Basel, S. 302-315

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Behrens, G. (1994): Weiterbildung und Politik. In: Tippelt, R. (Hrsg.) (1994): Handbuch Erwach-senenbildung-Weiterbildung. Opladen, S. 208-225

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Derichs-Kunstmann, K./Faulstich, P./Schiersmann, C./Tippelt, R. (Hrsg.) (1997): Weiterbildungzwischen Grundrecht und Markt. Rahmenbedingungen und Perspektiven. Opladen

Hilligen, W. (1986): Politische Bildung. In: Mickel, W. (Hrsg.): Handlexikon zur Politikwissen-schaft. Bonn, S. 362-369

Hufer, K.-P. (1992): Politische Erwachsenenbildung. Strukturen, Probleme, didaktische Ansät-ze. Eine Einführung. Schwalbach/Taunus

Hufer, K.-P./Körber, K. (1999): Die Pädagogen in der politischen Erwachsenenbildung. In: Hu-fer, K.-P. (Hrsg.) (1999): Lexikon der Politischen Bildung. Bd 2: Außerschulische Jugend-und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Taunus, S. 182-212

Körber, K. (Hrsg.) (1994): Politische Weiterbildung zwischen Gesellschafts- und Subjektorien-tierung. Bremen

Körber, K. (1994): Zur Neuvermessung der politischen Weiterbildung. In: ders. (Hrsg.) (1994):Politische Weiterbildung zwischen Gesellschafts- und Subjektorientierung. Bremen, S. 9-98

Körber, K./Kuhlenkamp, D./Peters, R. u. a. (1995): Das Weiterbildungsangebot im Lande Bre-men. Strukturen und Entwicklungen in einer städtischen Region. Bremen

Peters, R. (1994): Bildung, Handeln, Moral. Überlegungen zu theoretischen und praktischenZusammenhängen in der (politischen) Erwachsenenbildung. In: Körber, K. (Hrsg.) (1994):

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Rauschenbach, T. (Hrsg.) (1995): Von der Wertegemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen.Jugend- und Wohlfahrtsverbände im Umbruch. Frankfurt/M.

Rudolf, K. (2002): Bericht politische Bildung 2002: Was wollen die Bürger? Eine Marktanalysezur außerschulischen politischen Bildung in Deutschland. Büdingen

Schemmann, M./Reinecke, M. (2001): Gewerkschaftliche Bildungsarbeit im gesellschaftlichenWandel. Kraków

Schrader, J. (1998): Lehrende in der Weiterbildung: Bildungspolitische Positionen und empiri-sche Befunde zum lebenslangen Lernen. In: Brödel, R. (Hrsg.) (1998): Lebenslanges Lernen– lebensbegleitende Bildung. Neuwied, S. 73-87

Schrader, J. (2000): Systembildung in der Weiterbildung unter den Bedingungen halbierter Pro-fessionalisierung. Weiterbildungsangebote und Weiterbildungsanbieter im Wandel. Habili-tationsschrift. Bremen

Schrader, J. (2001): Abschied vom korporativen Pluralismus? Zum Wandel von Weiterbildungund Weiterbildungspolitik im Lande Bremen. In: Nuissl, E./Schlutz, E. (Hrsg.) (2001): Sys-temevaluation und Politikberatung. Gutachten und Analysen zum Weiterbildungssystem.Bielefeld 2001, S. 136-163

Schrader, J. (2003): Lehren und Lernen in der Wissensgesellschaft. Entwicklungen und Optio-nen für arbeitnehmerorientierte Weiterbildungseinrichtungen. Bremen

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REZENSIONEN

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Josef Christian AignerDer ferne VaterZur Psychoanalyse von Vatererfahrung, männ-licher Entwicklung und negativem Ödipus-komplex(Psychosozial-Verlag) 2., korrigierte AuflageGießen 2002 (2001), 440 Seiten, 35.50 Euro

Josef Christian Aigner, Psychoanalytiker amInstitut für Erziehungswissenschaft der Uni In-nsbruck, verlor den eigenen Vater in der Ado-leszenz . Bei dem 17-jährigen Abiturientenhinterließ der Tod eine Leerstelle, einen „wei-ßen Fleck auf meiner biographischen Landkar-te“ (S. 14). Der junge Psychologiestudent trafin Salzburg auf den „begeisterten Psychoana-lytiker“ Igor Alexander Caruso und erlebte ihnals intellektuellen „Vater“. Ein zweiter Schnitt-punkt von Lebensgeschichte und Forschungs-interesse: Die Großeltern Aigners waren „be-kennende“ Nazis, der Vater nicht. „Das tat derSeele gut – der ‚gute Vater‘ war – wenigstensdiesbezüglich – gerettet!“ (S. 15). Der eigenen„Vatergeschichten“ bewusst, geht Aigner „dasschwierigste Problem der psychoanalytischenTheorie“ (Jessica Benjamin) an: Er stellt dieangeblich einzige und überwältigend domi-nante Bedeutung der Mutter, die dann selbst-redend auch als alleinige Quelle beziehungs-mäßiger Versagungen entlang der kindlichenEntwicklung herhalten muss, während derVater als nicht nur nicht beteiligt, sondern alsgar nicht vorhanden vorgestellt wird, in Frage.Aigner durchbricht die sozialwissenschaftlicheund politische Abstinenz orthodoxer Psycho-analyse, indem er die alltäglich reale wie the-oretisch beschworene Vaterferne am Fokus derGewaltbereitschaft rechtsextremistischer Ju-gendlicher abarbeitet. Auf dem Fundamenteines soliden Forschungsüberblicks zum Ent-wicklungs- und Sozialisationsfaktor ‚Vater‘(S. 117 ff.) diskutiert er zunächst klinische Er-gebnisse zur Vaterentbehrung und „Elternlo-sigkeit“ (S. 153 ff.), um dann den Bogen vomProblem der Vaterlosigkeit, zugespitzt in derAmbivalenz gegenüber „schlechten“ Eltern,zur identifikatorischen Sehnsucht nach „star-ken“ Figuren in der rechtsextremen Jugendsze-ne festzustellen ( 8. u. 9. Kap.). Sozialwissen-schaftliche Forschungen bestätigen hier einmehrdimensionales Versagen familiärer undfamiliennaher Sozialisationsinstanzen . DerMangel an guten, bestätigend-anerkennendenVatererfahrungen ist bei vielen rechtsextremen

Jugendlichen ein zentrales Thema, beantwor-tet mit der phantasierten Verschmelzung mitder (Mutter-)Nation (10. Kap.). In den von Aig-ner geführten Interviews mit gewaltbereitenJugendlichen (16. u. 17. Kap.) schimmert dieSehnsucht nach einer anerkennenden Nähedes Vaters durch. Die frühe dyadische Vaterbe-ziehung mit dem Kind-Gefühl, vom Vater ge-schützt und geliebt zu werden, kann als einzentrales, lebenslang sicherheitsspendendesMoment des Vater-Kind-Kontakts ausgemachtwerden, wobei die Gegenseitigkeit der Aner-kennung wichtig ist, was selbst die Auflösungdurch Entidealisierung in der Adoleszenz über-stehen und zur Verinnerlichung der Vaterantei-le in einem reifen Ich-Ideal führen kann (14.und 15. Kap.). Aigner will beiden Geschlech-tern den Weg zu Elternschaft ermöglichen undplädiert daher abschließend für väterlicheAnnahme und Anerkennung der Kinder beson-ders auch in sinnlicher, körperlicher Hinsichtvom ersten Tag an, womit Freuds frühe Vorstel-lung vom Vater als „Resonanzboden“ für Kin-der und vor allem für Söhne eingelöst würde.

Erhard Meueler

Patricia ArnoldKooperatives Lernen im InternetQualitative Analyse einer Community of Prac-tice im Fernstudium(Waxmann Verlag) Münster, 316 Seiten,29.90 Euro

Im Mittelpunkt der Dissertation von PatriciaArnold steht die empirische Untersuchung ei-ner Community of Practice von Fernstudieren-den, die über das Internet kooperativ lernen.Dabei nimmt sie ein Fernstudienangebot inden Blick, das sich auf die Fachhochschulstu-diengänge Betriebswirtschaftslehre, Wirt-schaftsinformatik und Wirtschaftsingenieurwe-sen für Berufstätige bezieht.Mit der Fallstudie wird Online-Kooperationinnerhalb einer von Studierenden selbst orga-nisierten Gemeinschaft, die im Untersu-chungszeitraum über 500 Studierende umfass-te, systematisch aus der Perspektive der Ler-nenden analysiert. Wichtige Dimensionensind dabei Fragen danach, „welche Gründees für die Studierenden zum Kommunizierenund Kooperieren gibt, wie ihre Kooperations-prozesse im Einzelnen aussehen und wie die

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Kooperationshandlungen sich in den Fernstu-dienkontext einfügen bzw. auf ihn zurück wir-ken“ (S. 17 f.).Für die Analyse bildet das Konzept der Com-munity of Practice eine zentrale Grundlage.Bezogen auf das Lernen greift sie auf die sub-jektwissenschaftliche Lerntheorie Holzkampssowie auf den Ansatz situierten Lernens inCommunities of Practice nach Lave und Wen-ger zurück. Sie arbeitet den aktuellen For-schungsstand auf und benennt Defizite.Zentrale Begrenzungen der bisherigen For-schung bestehen für Sie darin, „dass Lernge-meinschaften nur in der Form von klar defi-nierten, überschaubaren sozialen Einheitenmit einer typischen Größe von 15-35 Teilneh-mer/innen untersucht werden“ und die über-wiegende Anzahl von Untersuchungen „ex-plizit oder implizit vom Standpunkt der Leh-renden als Gestaltenden der jeweiligen Fern-studienangebote“ ausgeht (S. 64). Diesen De-fiziten wird in der vorliegenden Untersuchungentgegengearbeitet, indem die Lernenden inden Blick genommen werden.Methodisch arbeitet Arnold mit Hilfe einerqualitativen Fallstudie unter Rückgriff auf denForschungsansatz der Grounded Theory unddie Vorgehensweise der Projektgruppe Auto-mation und Qualifikation aus den 1980er Jah-ren. Mit einer Befragung (Leitfadeninterviews),teilnehmender Beobachtung (E-Mail-Kommu-nikation innerhalb des Listservers und des In-ternetforums) und Dokumentenanalyse (Ho-mepages der Studierenden sowie Informati-ons- und Studienmaterialien) wird eine breitePalette qualitativer Erhebungsmethoden ein-gesetzt. Die ausführliche Darstellung der me-thodischen Anlage der Untersuchung gilt esan dieser Stelle positiv hervorzuheben.Eine wichtige Kategorie bei der Beschreibungder Lernaktivitäten, die Arnold herausarbei-tet, ist die gestaltende Bewältigung, d. h. durchdie telematische Kooperation bewältigen dieStudierenden ihr Fernstudium, verändern undgestalten es gleichzeitig aber auch (vgl. S. 153ff.). Aus der Analyse der Handlungslogikenwerden vier weitere wichtige Kategorien her-ausgearbeitet: Mentoriatsraum herstellen, Stu-dienstrategien realisieren, Zugewinn an Ori-entierung und gewählte Zugehörigkeit. Diedetaillierte Beschreibung dieser vier Katego-rien anhand des empirischen Materials öffnetden Blick für die Handlungs- und Lernstrate-gien der Studierenden. Es sind vor allem zwei

Kompetenzebenen, die innerhalb der Gemein-schaft zum Tragen kommen: autodidaktischeund fachbezogene Kompetenzen.Die Ergebnisse liefern vielfältige Ansätze, dastheoretische Konzept der Lerngemeinschaft alsInstrument der Lernenden und nicht der Leh-renden im Hinblick auf telematische Koope-ration zu präzisieren. So wird auf die Praxisgegenseitiger Studienunterstützung als eineder Grundlagen für selbstorganisierte Lernge-meinschaften hingewiesen. Es sind nach Ar-nold vier zentrale Dimensionen, mit deneneine Lerngemeinschaft in Zukunft konzeptua-lisiert werden sollte: Selbstorganisation, Zu-gehörigkeit, Wissenskonstruktion und gemein-same Praxis (S. 235 f.).Die Qualität der Arbeit liegt darin, dass siedas aktuelle Problemfeld selbstorganisierterProzesse des medienbasierten Lernens in denBlick nimmt und die Lernenden in den Mittel-punkt des Interesses stellt. Auch wenn die Er-gebnisse – durch den methodischen Ansatz derKonzentration auf einen Fall bedingt – nichtdurchgehend verallgemeinerbar sind, liefernsie doch hilfreiche Hinweise für die Weiter-entwicklung telematischer Kooperationsfor-men im Bildungsbereich. Die gute Lesbarkeit,die präzise Beschreibung des methodischenVorgehens und die Systematisierung der Ergeb-nisse machen dieses Buch zu einer Lektüre,die für zukünftige Forschungsarbeiten auf die-sem Feld eine Grundlage bilden kann.

Richard Stang

Christian Barthel/Klaus Harney (Hrsg.)Wissen und Arbeit zwischen Verwaltung undbetrieblichem Management(Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipa-tion) Recklinghausen 2001, 223 Seiten,14.50 Euro

Die Herausgabe von Sammelbänden ist be-kanntermaßen ein schwieriges Unterfangen.Denn es geht keineswegs nur darum, verschie-dene Autoren, Themen und Perspektiven zwi-schen zwei Buchdeckel Seite an Seite zu stel-len. Es geht vielmehr um die Kunst, aus Einzel-beiträgen eine Einheit des Verschiedenen zugenerieren, die Leserinnen und Leser zur Er-kundung neuer Denkwege anregen bzw. pro-vozieren soll. Christan Barthel und Klaus Har-ney haben diese Aufgabe wie folgt umgesetzt:

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Der Sammelband umfasst insgesamt vier Tei-le, in denen zehn Autorinnen und Autoren ininsgesamt neun Beiträgen zu Wort kommen.Der erste, einleitende Teil des Buches enthälteinen Beitrag von Klaus Harney. Er gibt denorientierenden theoretischen Bezugsrahmenfür die darauffolgenden Beiträge vor. Die Kern-these des Beitrags lautet: Mit dem Aufkom-men industriegesellschaftlicher Strukturenentwickelte sich die Organisation der Arbeitzu einem anderen Thema als die Arbeit selbst(S. 8). In modernen Arbeitsorganisationen ste-hen sich daher die Logiken des Organisierensund die Logiken des Arbeitens fremd gegenü-ber. Die Aufgabe des Managements ist es, die-se unterschiedlichen Logiken fortlaufendaufeinander zu beziehen, wobei dies „statt aufVerstehen, auf Koordinieren, Zwecke-Setzenund Entscheidungen-Herbeiführen“ (S. 8) hinausgerichtet ist. Besonders im Fall von Inno-vationen, sei es die Einführung eines neuenSteuerungsmodells, sei es Gruppenarbeit, tref-fen die unterschiedlichen Logiken des Orga-nisierens und des Arbeitens in Form vonjeweils „eigensinnigen“ Aneignungsprozessenaufeinander. Das Management ist hier gefor-dert, die Vertreterschaft betrieblicher Entschei-dungen zu übernehmen und in Arbeitsprozes-se steuernd einzugreifen; es muss dabei jedochgleichzeitig das strukturell bedingte Nicht-Wissen um die Arbeit selbst in Rechnung stel-len. Dies erklärt nach Harney, dass das Ma-nagement einem letztlich politischen Code derKommunikation von Macht folgt, der in Or-ganisationen als „Praxis der Relativierung undUnterordnung des Wissens durch Entscheidun-gen“ (S. 14) in Erscheinung tritt.Wie und mit welchen Konsequenzen hinsicht-lich des Verhältnisses von Organisation undArbeit sich das Management von Innovations-prozessen vollzieht, zeigen die im zweitenund dritten Teil des Bandes versammeltenBeiträge anhand von ausgewählten empiri-schen Fallstudien. Im zweiten Teil des Ban-des wird in vier Beiträgen von Björn Flader,Christian Barthel, Wolfgang Höffner und KlausHarney aufgezeigt, wie die Innovation „NeueSteuerung“ in den verschiedenen Arenen vonPolitik, Wirtschaft und Wissenschaft als pro-grammatische Absicht kursiert, wie dies dieorganisatorischen Zugriffsversuche auf diepersonen- und leibgebundene Arbeit und da-mit zugleich die mikropolitischen Binnenver-hältnisse in der Verwaltung verändert. Gezeigt

wird auch, wie gerade die Versuche der Abar-beitung der Fremdheit zwischen den Sphärender Organisation und der Arbeit die Kluft zwi-schen beiden noch deutlicher zutage tretenlassen kann und wie notwendig gewordeneStrategien, die Einheit der Organisation zubehaupten, eben nicht auf ein „besseres Wis-sen“ des Managements, sondern auf Mythen-bildung hinauslaufen.Die beiden Beiträge des dritten Teil des Bu-ches stellen die betriebliche Modernisierungund hier die Einführung von Gruppenarbeitin den Vordergrund. Die Einführung von Grup-penarbeit, dies betonen beide Texte, gehteinher mit einer Aufwertung der Faktoren „Ar-beit“ und „Subjektivität“, womit – ähnlich wieim Bereich der Pädagogik – zugleich tradierteVorstellungen einer umfassenden technokra-tischen Steuerbarkeit und Kontrollierbarkeitder Industriearbeit relativiert werden müssen.Stattdessen geraten die Angewiesenheit derArbeitsorganisation auf innere Dispositionen,wie Motivation und Kompetenz der Beschäf-tigten, sowie damit einhergehend die zuneh-mende Bedeutung der Pädagogik bei der Ge-staltung organisatorischer Kontexte in denBlick. Die Beiträge von Peter Diesler und Die-ter Nittel sowie von Stefanie Hartz und Heid-run Stachowski machen dabei die eigentüm-liche Entkopplung der Sphären von Organisa-tion und Arbeit deutlich, indem sie aufzeigen,dass die Qualität der Vermittlung von organi-satorischen Veränderungen keineswegs – wielandläufig aber angenommen – mit der Qua-lität von Arbeitsvollzügen korreliert und dasssich Managemententscheidungen keineswegsin den konkreten Handlungsentscheidungender Arbeitenden niederschlagen. Vielmehr ist– wie es in der Pädagogik von Jochen Kadetheoretisch bereits formuliert wurde – auch imbetrieblichen Kontext von einer grundsätzli-chen Trennung zwischen Vermittlung undAneignung von Veränderungen in Arbeitsor-ganisationen auszugehen.Im vierten Teil des Buches verlagert sich deranalytische Blick auf die Seite der Arbeit bzw.die Herstellung des Arbeitsvermögens im Ver-hältnis zum organisatorischen Kontext. Undauch hier kann von Thomas Kurtz und KlausHarney wiederum nachgewiesen werden, dassdie Herstellung des Arbeitsvermögens undinsbesondere der Erwerb von arbeitsrelevan-tem Wissen keineswegs einfach organisatori-schen Direktiven folgt, sondern in die Arbeit

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selbst eingelagert und mithin auch von berufs-biografischen Vergangenheiten abhängig ist.Je stärker der Erwerb und die Reproduktiondes Arbeitsvermögens, einschließlich des Er-werbs personenabhängigen Wissens an dieBerufsbiografie gekoppelt ist – und dies istinsbesondere im Bereich sozialer wie auchpädagogischer Berufsarbeit der Fall – destoweniger kann der Betrieb darüber disponie-ren und desto stärker tritt gerade hier die Dif-ferenz zwischen der Logik der Organisationvon Arbeit und der Logik der Arbeit zutage.Was nimmt man als Leser/in von diesem Sam-melband mit? Zweifellos auch wichtige Innen-ansichten organisatorischer Innovationspro-zesse und Hinweise auf die Komplexität derModernisierung moderner Arbeitsorganisatio-nen. Vor allem aber macht der Sammelbanddeutlich, dass sich Steuerungsprobleme mo-derner Organisationen auch anders als bisherüblich begreifen lassen: Die Steuerungspro-blematik komplexer Organisationen, so wirddeutlich, erschöpft sich offenbar weder in derInkompetenz des Managements, noch in denDefiziten organisatorischer Steuerungsmodel-le, noch in der mangelnden Motivation derArbeitenden. Die Steuerungsprobleme kom-plexer Organisationen sind vielmehr auch dasResultat eines gesellschaftlichen Differenzie-rungsprozesses, in dessen Verlauf die Sphä-ren der Arbeit und Organisation jeweils eige-ne Konturen und Binnenrealitäten entwickeln.Vor diesem Hintergrund wird das „A und O“zukünftiger Organisationsanalysen auch da-rin bestehen, ob und inwieweit sie die Arbeitund Organisation als differente Sphären dersozialen Konstruktion organisatorischer Wirk-lichkeit zu berücksichtigen vermögen.

Karin Dollhausen

Thomas Brüsemeister/Klaus-Dieter Eubel(Hrsg.)Zur Modernisierung der Schule – Leitideen,Konzepte, AkteureEin Überblick(transcript Verlag) Bielefeld 2003, 426 Seiten,26.80 Euro

Das Buch bezieht sich nur auf die Schule undgehört von daher nicht in den Kontext einerfachwissenschaftlichen Zeitschrift der Erwach-senenbildung. Vielleicht aber doch, weil es

den Anspruch erhebt, die Modernisierungsde-batte zur Schule zum derzeitigen Zeitpunktzusammen zu fassen und in den wichtigstenAspekten darzustellen. Dies ist im Kontext derDiskussion um „lebenslanges Lernen“ und derÖffnung aller Bildungsbereiche zueinander fürdie Weiterbildung von großem Interesse.Um es vorweg zu sagen: Das Buch erfüllt sei-nen Anspruch. Die Herausgeber haben hervor-ragende Texte ausgewiesener Expertinnen undExperten der Schuldiskussion zusammenge-stellt, systematisch geordnet, kommentiert undeingeführt. Ein Sammelband, der die konzep-tionelle Grundanlage ebenso erkennen lässtwie eine hohe Qualität bei der Realisierung.Ein weiterer Anspruch wird erhoben, dieSchuldiskussion unter soziologischen und pä-dagogischen Aspekten gewissermaßen inter-disziplinär vorzustellen (dazu theoretisch-me-thodische Zugänge zu Beginn), er wird jedochin der Auswahl und Kommentierung der Textenicht weiter eingehalten und umgesetzt.Dies tut der Lektüre aber weiter keinen Ab-bruch. Im Kapitel „Herkunft von schulischerModernisierung“ finden sich Beiträge zur Mo-dernisierung von Sozialstaaten, zur Schulkul-tur, zum Markt, zur Schulautonomie, zu Wer-tediskussionen und zum TIMMS- und PISA-Schock. Die zusammengestellten und für die-sen Zweck jeweils auch gekürzten Beiträgefassen die Diskussion zusammen, bringen sieauf den Punkt und haben im Verlauf der ver-gangenen Jahre jeweils auch einen anregen-den und erklärenden Stellenwert gehabt. Auto-ren wie Pierre Bourdieu, Ingo Richter, HelmutHeid, Jürgen Oelkers sprechen dabei für sich.Der zweite Komplex beantwortet die Frage:„Was beinhaltet schulische Modernisierung?“Er konzentriert sich auf Organisationsentwick-lung und Unterrichtsentwicklung und versam-melt Texte von Ewald Terhart, Hans-GünterRolf, Christoph Maeder, Heinz Klippert u. a.Der dritte Komplex widmet sich der „Beob-achtung von Akteurskonstellationen“, einge-leitet durch einen Beitrag von Helmut Venthzu Methodischem, sodann mit differenziertenBeiträgen zu Schulleitung, Lehrkräften, Elternund Schülern. Auch hier hervorragende Tex-te, u. a. von Jochen Wissinger, Fritz Bohnsack,Thomas Ziehe und Heike Ackermann.Der letzte Komplex widmet sich „möglichenEffekten von schulischer Modernisierung“ undbehandelt dieses Thema anhand von Fallbei-spielen. Hier folgt auch ein weiterer Blick über

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die deutsche und deutsch-schweizerische Si-tuation hinaus, zum Thema Schulentwicklungund soziale Ungleichheit wird das amerika-nische Beispiel beobachtet (s. Karin Amos), zuden ethnischen Minderheiten auf das nieder-ländische Schulwesen geschaut (K. Dörner).Es ist den Herausgebern gelungen, für Erzie-hungswissenschaftler/innen, die nicht direktin der Schuldiskussion stehen, einen Eindruckvon der differenzierten und elaborierten Dis-kussion zu geben.Natürlich stellt sich aus Sicht der Weiterbil-dung die Frage, worin die Bezüge liegen undwas interessant ist. Es gibt Vergleichbarkeitenetwa bei der Frage der Organisationsentwick-lung und der innovativen Lehrgestaltung; abersie sind begrenzt, auch aus Sicht der Beitra-genden, die an verschiedenen Stellen immerwieder auf die marktwirtschaftlich organisier-te und – horribile dictu! – freiwillig in An-spruch genommene Weiterbildung verweisen.In der Tat zeigt sich an vielen Stellen, dasseine Entwicklung des Schulbereichs hin zuStrukturen, wie sie in der Weiterbildung vor-zufinden sind, nicht nur Vorteile wie etwa dieimmer wieder behauptete Flexibilität mit sichbringt, sondern auch Nachteile im Aufgebenvon Sicherheiten, deren Voraussetzungen undFolgen man wenigstens kennt. Ein Aspekt, dersich in den Beiträgen durchzieht, ist die War-nung vor vorschnellen Änderungen im Schul-bereich, der im staatlichen Monopol liegt(noch liegt!) und von daher am ehesten vorder Gefahr steht, kurzschrittige und aktuellpolitisch motivierte sogenannte Reformen er-dulden zu müssen.Interessant ist aber auch, festzustellen, dass dieDiskussion des Schulbereichs im Wesentlichenin sich kreist. Ausblicke systematischer Art aufHochschule, Berufsausbildung oder Weiterbil-dung, auf Fernunterricht oder selbstgesteuerteLernprozesse sind kaum zu entdecken. DasPostulat des lebenslangen Lernens, dasletztlich von allen Bildungsbereichen eine Öff-nung in dieser Richtung hin erfordert, hat hiernoch keinen Eingang gefunden. Es dominiertdas Beharren auf dem bestehenden Organisa-tionstyp, mit gutem Grund, wenn man den ge-sellschaftlichen Fortschritt berücksichtigt, derin seinem Entstehen lag, und die gesellschaft-liche Funktion, die ihm nach wie vor zu-kommt.

E. N.

Rolf Dobischat/Hartmut Seifert (Hrsg.)Lernzeiten neu organisierenLebenslanges Lernen durch Integration vonBildung und Arbeit(edition sigma) Berlin 2001, 321 Seiten,18.90 Euro

Lernen erfordert Zeit, lebenslanges Lernen er-fordert in allen Lebensphasen Zeit zum Lernen.Angesichts sich verändernder gesellschaftli-cher Zeitstrukturen und der im Wandel begrif-fenen Anforderungen an die Individuen bei derGestaltung der eigenen (Erwerbs-)Biografiestellt sich im Zusammenhang mit der Verwirk-lichung des Konzepts des lebenslangen Ler-nens die Frage nach möglichen Orientierungs-rahmen für die benötigten Zeitkontingente.Dieser wichtigen Fragestellung widmet sichder vorliegende Band aus wissenschaftlichenExpertisen, die im Rahmen eines vom LandNordrhein-Westfalen geförderten Forschungs-projekts zu dem Thema „Zeitpolitik und Lern-chancen“ entstanden sind. Anliegen der inter-disziplinär besetzten Gruppe von Wissen-schaftlern war es, die Rahmenbedingungen fürKonzepte zur Verknüpfung von Arbeits-, Lern-und Freizeiten auszuloten und politikfähig zumachen.Die Komplexität des Themas Lern- und Ar-beitszeiten spiegelt sich in den Beiträgen derAutoren wider. Ihre unterschiedlichen Blick-winkel weisen auf seine vielfältigen Facettenhin, bildungs-, arbeitsmarkt- und arbeitszeit-politische, erwachsenenpädagogische, recht-liche und finanzielle. Den entwicklungsge-schichtlichen Aspekt von Zeitstrukturen undBildungsprozessen beleuchten Sauter undFaulstich. Während sich für Sauter abzeich-net, dass Lernzeiten für die Weiterbildung inZukunft im Rahmen der Arbeitszeitpolitik ge-regelt werden, und er in der Errichtung vonArbeitszeitkonten bzw. Weiterbildungskontenwesentliche Rahmenbedingungen für ein le-bensbegleitendes Lernen sieht, betont Faul-stich die Verlagerung der Lernzeiten in späte-re Lebensabschnitte und folgert einen steigen-den Anteil der Lernzeiten am gesamten Zeit-budget von Erwachsenen.Der Blick auf Lernzeiten, betriebliche Praxisund in der Arbeitswelt bestehende Regelun-gen anhand empirischer Untersuchungen bil-det den zweiten größeren Themenblock. Ausden Erhebungen bei Unternehmen zur betrieb-lichen Weiterbildung ergeben sich nach Weiß

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und Bellmann/Düll keine Hinweise auf einnachlassendes Weiterbildungsengagement derBetriebe und eine Verlagerung der Lernzeitenin die Freizeit. Für die Zukunft allerdings siehtWeiß die Notwendigkeit, mit neuen Model-len eines Kosten-Sharing betriebliche und in-dividuelle Interessen auszutarieren. Dass dieBeteiligung von Mitarbeitern an den betrieb-lichen Weiterbildungsaufwendungen überZeitelemente und die Existenz von Arbeitszeit-konten sogar zu einer Erhöhung der Weiter-bildungsbeteiligung führen können, belegendie Analysen von Bellmann/Düll. Bosch hin-gegen kommt zu dem, wie er selbst sagt, „er-staunlichen Ergebnis ..., dass trotz steigenderQualifikation der Beschäftigten die Zunahmelern- und weiterbildungsintensiver Formen derArbeitsorganisation begrenzt bleibt“ und nenntneben anderen als Gründen dafür die Exten-sivierung der Arbeit Höherqualifizierter, denhohen Teilzeitanteil bei Un- und Angelerntensowie den in einer angespannten wirtschaftli-chen Situation eher auf Kosteneinsparungenals auf Zukunftssicherung gerichteten Blick derUnternehmen. Bispinck gibt auf der Datenba-sis des WSI-Archives einen Überblick überbestehende tarifliche Regelung zur beruflichenWeiterbildung und zeigt Ansatzpunkte für einezukünftige tarifliche Qualifizierungspolitik auf.Mit Blick auf die Jobrotation-Modelle in Dä-nemark und anderen europäischen Ländernplädieren Schmid und Seifert für eine engeVerknüpfung arbeitsmarkt- und bildungspoli-tischer Ziele. Für eine erfolgreiche Implemen-tation in Deutschland sind nach Seifertallerdings eine Reihe von grundsätzlichen Fra-gen zu klären, wie das Verhältnis zwischender öffentlichen Weiterbildungsförderung undbetrieblichen Weiterbildungsaktivitäten, dieAnspruchsrechte auf Weiterbildung und diejeweiligen institutionellen und organisatori-schen Strukturen. Auch Franz richtet seinenBlick auf europäische Nachbarländer und legtin der Konsequenz nahe, die Qualifizierungs-systeme gegen den Strich zu bürsten und völ-lig neu zu denken.Gnahs verdeutlicht am selbstgesteuerten Ler-nen in unterschiedlichen Kontexten, dass dieDisponibilität von Arbeits- und Lernzeiten jenach Interessenlage in der Dichotomie zwi-schen Freiheit und Zwang anzusiedeln ist.Dass die Umsetzung des Konzepts des lebens-langen Lernens rechtliche Regelungen erfor-dert, zeigen Füssel und Käufer. Während Füs-

sel dabei der Frage nach der Verzahnung vonallgemeiner und beruflicher Bildung mit derWeiterbildung und der Regelung von Zertifi-zierungen nachgeht, lotet Käufer Entwick-lungsmöglichkeiten für die Realisierung derWeiterbildung im Arbeitsverhältnis aus. Siekommt zu dem Ergebnis, dass den Arbeitge-ber eine Verpflichtung zur Weiterbildung trifft,dieser Gewährleistung aber Grenzen gesetztsind und nennt Kriterien zur Interessensabwä-gung.Die Breite der in diesem Band thematisiertenFragen spiegelt die Vielschichtigkeit und denFacettenreichtum des Themas wider. Gleich-zeitig aber zeichnen sich eine Vielzahl wei-terführender Fragen und ein großer For-schungsbedarf besonders in der Arbeitszeit-und Weiterbildungsforschung ab. Bisher er-scheinen die konzeptionellen Ansätze noch„vage und rudimentär“, wie die Herausgeberselbst formulieren. Insofern verstehen auch siediesen Band als einen möglichen Wegweiser.

Sabine Seidel

Anton Hahne (Hrsg.)Kreative Methoden in der Personal- undOrganisationsentwicklung(Reihe Managementkonzepte Band 29)(Rainer Hampp Verlag) München und Mering2003, 151 Seiten, 22.80 Euro

Bei dem von Anton Hahne in der Reihe Ma-nagementkonzepte herausgegebenen Bandhandelt es sich um einen Sammelband, dersich aus Beiträgen einer Fachtagung „Kreati-ve Methoden in der Personal- und Organisa-tionsentwicklung“ an der Hochschule Wismarzusammensetzt. Für den Herausgeber stellenkreatives Personal und kreative Innovationeneine wichtige Voraussetzung für die zukunfts-fähige Gestaltung von Organisationen undUnternehmungen dar. Obwohl in zahlreichenUnternehmungen in der Zwischenzeit Orga-nisationsentwicklung kein bloßes Schlagwortmehr ist, konstatiert er eine Vernachlässigungin der Personalentwicklung: „Verlässliche Kar-rierewege gelten nicht mehr, ehemals gradli-nige Lebensplanungen geraten zu zickzack-förmigem Puzzlework“ (S. 6). Mehr denn jesind deshalb auch neue und kreativitätsför-dernde Methoden in der Personalentwicklunggefragt, die z. T. auch vorhandene Machtbe-

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ziehungen verändern. In dem Band werdenMethoden vorgestellt, die noch kein Allge-meingut geworden sind und erst seit kurzerZeit und in speziellen Kontexten angewandtwurden. Die Beiträge sind allesamt sehr pra-xis- bzw. erfahrungsbezogen formuliert; dertheoretische Bezugsrahmen wird teilweise nurangedeutet. Die Beiträge setzen sehr unter-schiedliche Akzente. Gruppenorientierte An-sätze beschäftigen sich mit „Ärger-Selbsterfah-rungsgruppen“ (Andreas Bergknapp), „Appre-ciative Inquiry Summit“, einem Zukunftsgip-fel als Evolutionsschritt in der Arbeit mit gro-ßen Gruppen (Walter Bruck/Susanne Weber)oder „Veränderungsprozessen durch kreativeGroßgruppenveranstaltungen“ (Heike Czwa-lina). Mit dem Einsatz von Theatermethodenbeschäftigen sich Beiträge von Lydia Düsterb-eck/Inga Pöhlsen-Wagner (Konflikttheater),Leo Ensel (Machtspiele) und Antonia von Fürs-tenberg (Improvisationstheater).Beim „Management by Juggling“ (MireilleHöft) sollen Individuen und Teams das Jong-lieren lernen. Sie lernen dabei, die komplexeFertigkeit in einzelne Schritte zu zerlegen. Diereflexive Aneignung ermöglicht die Einsichtin eigene Muster und das Jonglieren im Teamfördert die Fähigkeit, sich auf sein Gegenübereinzustellen und gibt jedem Teammitglied eineunverzichtbare Rolle.Um eher therapeutisch orientierte Methodenhandelt es sich bei den Beiträgen von IlonaLorenzen, die sich mit der Kompatibilität vonBerufsrolle und Privatperson beschäftigt, vonTill R. Niewisch und Cornelia Stahmer-Weinandy, die sich mit Interventionen beiverdeckten Aggressionen, und von GabrieleStiegler, die sich mit dem „Magic Shop“ alskreative Psychodrama-Methode in der Perso-nalentwicklung beschäftigen. Gerade in denletzten Beiträgen wird von den Autoren zuRecht darauf verwiesen, dass sich die Metho-den nicht friktionslos ohne entsprechendeTeamervoraussetzungen übernommen werdenkönnen.Das Buch zeigt in der Tat kreative Zugängezur Personalentwicklung auf. Angesprochenwerden damit in der Praxis häufig vorfindba-re problematische personale Konstellationen,die sich nicht durch eindimensional auf Struk-turveränderung ausgerichtete Organisations-entwicklungsvorhaben bearbeiten lassen. Eineso ausgerichtete Personalentwicklungsarbeitzuzulassen, setzt sicherlich auch ein kreati-

ves Management voraus. Der Sammelband istaus meiner Sicht insbesondere für erfahreneOrganisations- und Personalentwickler geeig-net, die sich ihrer Grenzen und Kompeten-zen bewusst sind.

Klaus Meisel

Thilo HarthDas Internet als Herausforderung politischerBildung(Wochenschau Verlag) Schwalbach/Taunus2000, 288 Seiten, 28.80 Euro

Das Buch zum Internet als Herausforderungpolitischer Bildung hat den Untertitel „Poli-tikwissenschaftliche und pädagogische Aspek-te“ –, durchaus korrekt, als in der Tat aus bei-den disziplinären Diskursen Beiträge in dieArbeit einfließen. Sie wurde an der Universi-tät Kaiserslautern als Dissertation angenom-men.In einem theoretischen Teil beschäftigt sich derAutor mit dem Selbstverständnis der politi-schen Bildung und dem Internet. Mit letzte-rem als medialem Konstrukt, das sich sowohlin einer „Politikwelt“ als auch in einer „Bil-dungswelt“ bewegt.Ein „praktischer“ Teil besteht aus einer Fall-studie, in der qualitative Analysen einer Lehr-veranstaltung im Bereich „Internationale Po-litik“ für angehende Politiklehrerinnen und -lehrer im Fachgebiet Politikwissenschaft ander Universität Kaiserslautern, welche imMedium des Internet stattfanden, vorgenom-men werden.In der allgemeinen Aufarbeitung des ThemasInternet im Kontext politischer Bildung erör-tert der Autor das Internet sowohl als „Inhalt“politischer Bildung als auch als „Medium“politischer Bildung. Inhalt politischer Bildungist das Internet insofern, als es eine neue me-diale Struktur ermöglicht, welche Fragen zumDemokratiepotenzial und zur Transparenz, dietraditionell in Demokratietheorien enthaltensind, neu stellt. Gibt es Beteiligungsmöglich-keiten in der Demokratie durch das Internet,welche neuen Barrieren werden geschaffen,welche Umgangsweisen sind erforderlich undleistbar, welche „für die Zukunft vorauseilen-den Bildungsstrategien“ sind notwendig. AlsMedium politischer Bildung sieht Harth dasInternet in politischen Bildungsprozessen, diehier Grundlagen und Vorgehensweisen ermög-

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lichen, die ohne dieses Medium nicht mög-lich wären.In seinen allgemeinen Erörterungen geht Harthauf die Probleme und Chancen ein, die mitdem Internet verbunden sind. Dies sind etwadas enorme Anwachsen der Kommunikationinsgesamt und medialer Angebote, das be-schleunigte Kommunikationstempo, die Kom-merzialisierung aller öffentlichen Kommuni-kation und ihre Internationalisierung. Im End-effekt kommt er zu einem positiven Ergebnis,welches das Internet in Bezug auf Verfügbar-keit, Aktualität, Kapazität, Weiterverarbeitung,Verknüpfung und Zugang zu einem potenzi-ell demokratisch nutzbaren Medium der poli-tischen Information macht. Dem steht zwardie Gefahr eines „Datenschrotts“, einer Ver-stärkung der Wissenskluft, einer Dominanzvon Kommerz und Unterhaltung undmöglicherweise ungewollten neuen Lesege-wohnheiten gegenüber, dies lässt sich jedochnach Ansicht von Harth bei ausreichenderAnalyse und Steuerung gestalten.Ähnlich differenziert geht Harth mit dem In-ternet als Bildungsmedium um; er folgt dabeijeweils drei strukturierenden Fragen (welcheFähigkeit, welche Bedeutung für Demokratie,welche Umsetzbarkeit für politisches Lernen)und bearbeitet dann systematisch Fragen desAuswählens und Nutzens von Medienange-boten, des Verstehens und Bewertens vonAngeboten, des Erkennens und Aufarbeitensvon Medieneinflüssen oder auch der neuenFlexibilität des Lernens.Von besonderem Interesse in seiner Arbeit istdie Fallstudie, welche evaluierend ein Semi-nar zur politischen Bildung an der UniversitätKaiserslautern darstellt. Es geht um eindeutsch-polnisches Seminar zum Thema„Deutsche und Polen: Nachbarn in Europa“mit teilnehmenden Studierenden in beidenLändern. Die Veranstaltung fand einmal wö-chentlich im Wintersemester 1997/98 statt, fürdie Studierenden in Kaiserslautern und War-schau vor Ort, verbunden über Online-Kom-munikation. Die Kommunikation erfolgteüberwiegend in deutscher Sprache, die Stu-dierendengruppen in Deutschland und Polenkannten sich nicht. Die Beschreibung über denAblauf dieses Seminars und die Analyse derRolle des Internet als kommunikativen Medi-ums in diesem Kontext ist außerordentlich in-teressant. Die grundsätzlich positive Auffas-sung des Autors zum Internet wurde bestätigt,

aber auch mit zahlreichen Bedingungen ver-knüpft. Der Autor stellt dies sehr differenziertund reflektiert dar. So sind Bedingungen fürdas Gelingen von Lernprozessen im Internetetwa grundlegende Navigationsfähigkeiten derLernenden, Phasen zur Metakommunikation,Orientierung der Online-Präsentation an denindividuellen Persönlichkeitsstrukturen derLernenden, nachhaltiges Kommunikationsbe-dürfnis und Bereitschaft zu gegenseitigem Ein-fühlungsvermögen, Einhaltung traditionellerKommunikationsregeln. Aus der Bedingungs-analyse des Falles schließt der Autor Konse-quenzen für den Einsatz des Internets, die re-alistisch sind, ernüchternd, aber auch perspek-tivisch.Ein lesenswertes Buch, wenn es um die Dis-kussion über die Rolle der „neuen“ Medienim Bildungsbereich geht.

E. N.

Markus Höffer-MehlmerElternratgeberZur Geschichte eines Genres.(Schneider Verlag Hohengehren) Baltmanns-weiler 2003, 342 Seiten, 28.00 Euro

Die „Geburt der Eltern“ ist kein physiologi-scher Vorgang. Durch die Geburt eines Kin-des wird dem „Mensch ohne Kind“ zunächstnur formal eine Elternposition zugewiesen,dann aber muss Elternschaft in einem langenund aufwendigen Prozess der Anpassung undAbarbeitung „erworben, praktisch und refle-xiv aufgebaut und definiert werden“ (J. A.Schülein). Der komplizierte Übergang zur El-ternschaft erfordert mit einem Mal speziali-sierte kognitive, soziale und emotionale Kom-petenzen. Einschlägige Erfahrungen Drittergewinnen an unmittelbarer Bedeutsamkeit.Kein Wunder, dass Elternratgeber als literari-sche Form pädagogischer Beratung eine in denletzten Jahrhunderten nicht nachlassende Kon-junktur hatten. Markus Höffer-Mehlmer legtdie Geschichte dieses Genres vor, die er vorder Aufklärung mit der „Hausväterliteratur“,gerichtet an Besitzer von Bauernhöfen oderHandwerksbetrieben, beginnen lässt. Selbst-aufklärung mittels Lesen setzte freilich Lese-fähigkeit voraus, die bis zur Mitte des 18. Jahr-hunderts nur zehn Prozent der erwachsenenBevölkerung zugeschrieben werden kann,

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auch wenn sie dann in der Aufklärungszeit aufschätzungsweise 25 Prozent anwuchs.Der Verfasser hat viel Material gesichtet, er zi-tiert alleine 811 unterschiedliche Ratgeber. Dievon ihm als exemplarisch beurteilten Werkestellt er in die Dynamik sozialer Beziehungenin den einzelnen Epochen, spiegelt sich dochin ihnen das kollektive Erziehungsverständnisder jeweiligen Zeit. Er betrachtet Elternratgeberals „technologische Sachbücher“(S. 10), als„Medium der Selbstvergewisserung darüber ...,was bürgerliche Familie und Familienerzie-hung ausmacht“ (S. 247). Die Funktion diesesGenres charakterisiert er als „Beratung für Fa-milienerziehung in massenmedialer Form“(S. 12), angelegt als „ Angebot für ein Lernen,das unvermeidlich ist“ (S. 271).Nach Höffer-Mehlmer erfüllen „Erziehungsrat-geber unterschiedliche Funktionen ..., zwi-schen denen Spannungen und Widersprüchebestehen“ (S. 271). Während sich z. B. die ei-nen Autor/innen in ihren Erziehungsvorschlä-gen ganz von den Bedürfnissen des Kindes lei-ten lassen (so Ellen Keys „Das Jahrhundert desKindes“ und Heinrich Lohtzkys „Die Seele dei-nes Kindes“ Anfang des 20 Jahrhunderts,S. 122 ff.), fordern andere von der Familiener-ziehung die Durchsetzung staatlicher Interes-sen (so z. B. Johanna Haarer in ihren national-sozialistischen Ratgebern, S. 190 ff.). Ärztebzw. Kinderärzte, Pädagogen und Psycholo-gen aller Schulen und Ansätze lassen sich alsAutor/innen wiederum von ihrer jeweiligenFachwissenschaft leiten. Bei allen gilt freilichdurchgehend „Vater- bzw. Mutter-Sein als not-wendige Voraussetzung für das Ratgeben“(S. 274).Den geneigten Leser/innen ermöglicht Höffer-Mehlmer eine historisch gesättigte Mehrfach-Spiegelung des eigenen familiären Erziehungs-verständnisses, spannend zu lesen, hochinte-ressant in den Details.

Erhard Meueler

Thomas HöhnePädagogik der Wissensgesellschaft(transcript Verlag) Bielefeld 2003, 326 Seiten,25.80 Euro

Der Autor geht von der These aus, „dass diePädagogik auf vielfache Weise direkt mit demWissenschaftsgesellschaftsdiskurs verknüpft

ist, und dass zentrale pädagogische Themenwie Lernen, Bildung oder Kompetenzwiederum eine konstitutive Funktion für denDiskurs der Wissensgesellschaft haben“(S. 13). Insofern ist es Untersuchungsziel die-ser (Qualifikations-)Arbeit, „Verbindungslini-en explizit zu machen und die Folgen für diePädagogik zu reflektieren“ (ebd.).Das Untersuchungsprogramm gliedert sich infünf Kapitel. Im ersten Kapitel umreißt das„Konzept der Wissensgesellschaft“ und bein-haltet exemplarisch-vertiefende Rekonstrukti-onen. Eine Stärke dieses Kapitels liegt zwei-fellos in der Identifizierung und „Verknüpfungeines kybernetisch-systemtheoretischen undpädagogisch-lerntheoretischen Diskursstran-ges“ (S. 50). Exemplarisch wird dieser heraus-gearbeitet anhand der auch in Deutschlandbekannten Büchern von D. Bell, A. Etzioni unddem Bielefelder Luhmann-Schüler H. Willke.Darüber hinaus kommen soziologisch pro-blembezogene Einschätzungen zum Tragen,etwa das durch wissensgesellschaftliche Struk-turen erneut virulent werdende Problem dersozialen Ungleichheit.Zentral ist auch das zweite Kapitel (S. 53-77)mit grundlegenden Klärungen und Relationie-rungen zu den Begriffen Bildung und Wissen.Die Relevanz einer erziehungswissenschaftli-chen Wissensforschung wird aufgezeigt,zumal der bisherige Arbeitsstand zu diesemThema insgesamt unzureichend erscheint.Das dritte Kapitel (S. 165-228), das man an-gesichts des Buchtitels zunächst nicht erwar-tet, befasst sich mit dem Problem der Fremd-heit und der Kulturdifferenz in der (Post-)Mo-derne. Hier fließen auch schulpädagogischeAspekte ein.Das vierte Kapitel „Pädagogisierungsprozes-se“ (S. 229-252) beleuchtet das Verhältnis vonPädagogik und MachtZu einem für die Erwachsenenpädagogik auf-schlussreichen – hier exemplarisch angeführ-ten – Untersuchungsbefund dieser Literatur-arbeit zählt, dass im Vergleich zur epochalvorgelagerten Industriearbeit mit dem aktuel-len Begriff der Wissensgesellschaft „vor allemein verändertes Subjektverständnis und Men-schenbild ... assoziiert wird, bei dem Wissen,Produktion und Subjektivität direktmiteinander verknüpft werden“ (S. 64). Dazupasst paradigmatisch die Metapher des „Net-zes“. Sie umschreibt ein wesentliches Struk-turmoment nicht nur von Wissen generell,

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sondern in der Form eines enthierarchisiertenNetzwerks auch einen neuen Typus individu-ell projektförmig organisierter Erwerbsarbeit,vor allem in den informationstechnischen undmedial infizierten Wirtschaftssektoren. Netz-werk in diesem und für die lernende Kompe-tenzentwicklung relevanten Sinne bedeutet:„Es gibt kein Zentrum, alle Punkte könnenpotenziell mit anderen verbunden werden,alle Linien können sich gegenseitig kreuzen,sodass neue Punkte und Verknüpfungen ent-stehen. Kontingenz von Verläufen sowie dieDiskontinuität bilden dabei die zentralen Ele-mente“ (S. 65 f.).In Bezug auf Lernen verweist der Ausdruck desNetzwerks auf zwei sich wechselseitig bedin-gende Tendenzen. Zum einen ist – Höhne zumTeil weiterführend – zu konstatieren, dass sichLernen entgrenzt und mit anderen Tätigkei-ten mischt, was im erziehungswissenschaftli-chen Diskurs auch als „Hybridisierung“ um-schrieben wird. Zum anderen gerät im Er-wachsenenbereich eine optionale Vielfalt desLernens in den Blick, welche etwa in einerVielfalt an Lernwegen, Lernformen und Lern-orten bestehen kann.Um den zuletzt angesprochenen Aspekt imLichte der Weiterbildungsdebatte einordnenzu können, bietet das fünfte Kapitel „Lerndis-kurse“ (S. 253-295) mit der Rekonstruktion dersowohl bildungspolitisch aufgeladenen alsauch erwachsenenpädagogisch bedeutsamenBegriffe der Lernkultur und des selbstgesteu-erten Lernens eine vergewissernde Lektüre.Das Buch ist nicht allein wegen des enormenLiteraturpensums, das eigenständig und ver-ständlich verarbeitet wurde, zu empfehlen. Eszeigt bisher wenig beachtete Verbindungsli-nien und ideologiekritische Implikationen ak-tueller Diskurse im thematischen Überschnei-dungsbereich von Bildungspolitik, Pädagogikund neoliberaler Doktrin, Wissensgesellschaftund Wissensforschung, Kybernetik und Sys-temtheorie, Erziehungswissenschaft und Bil-dungstheorie, Lernkultur und Kompetenzent-wicklung sowie Erwachsenenbildung und le-benslangem Lernen auf.

Rainer Brödel

Klaus-Peter Hufer/Ulrich KlemmWissen ohne Bildung?Auf dem Weg in die Lerngesellschaft des 21.Jahrhunderts(AG-SPAK-Bücher) Neu-Ulm 2002,120 Seiten, 8.00 Euro

Ein schmales Buch, von Zahl und Größe derbeschriebenen Seiten her auf jeden Fall. Ziehtman die zehn Seiten Literatur (SIC) und denebenso umfänglichen „Aufgalopp“ ab, verblei-ben hundert Seiten zu den Themen „Die deut-schen Bildungskatastrophen“, „Globalisierungund Lebenslanges Lernen“, „Weiterbildungzwischen Markt und Aufklärung“ und derspannenden Frage „Das Jahrhundert der Bil-dung hat erst begonnen – wie geht es weiter?“Die Autoren vermuten eingangs, dass das The-ma Bildung einen neuen Stellenwert in unse-rem Leben hat und Bildung zu einer neuenLeitidee für gesellschaftliche Entwicklung ge-worden ist. Diesem Gedanken möchten siehistorisch, systematisch und exemplarischnachgehen und danach fragen, wie es zu die-sem Phänomen gekommen ist, welche Chan-cen und Risiken darin liegen (S. 10).Engagement kann man ihnen nicht abspre-chen, wenn sie sich mit der Entwicklung desBildungsgedankens in unserer Gesellschaftbeschäftigen. So sprechen sie bereits eingangsvon einem „gesellschaftspolitischen Ärgernis“,das im moralischen Appell und pädagogischenZeigefinger gegenüber Bürgern und Bürger-innen für lebenslängliches Lernen,andererseits aber einem Zurücklehnen desStaates liegt. Mit ähnlichen Vokabeln belegendie Autoren das, was ihnen in der „neueren“Bildungspolitik nicht passt: die „Nebelschwa-den“ um das selbstgesteuerte Lernen, denKonstruktivismus, die Marktorientierung. EineStreitschrift also, die Position bezieht.Nur: welche Position? Irgendwie kann manherauslesen, dass es darum gehen soll, dassalles so bleibt, wie es ist. Menschen sollengefälligst sich Wissen aneignen in Strukturen,die staatlich finanziert sind. Und dies alleszum Zwecke der Aufklärung, die immer schonein kognitives Grundmodell war. Oder, nochpositiver definiert: Bildung ist ein menschli-ches Gut, das nicht dem schnöden Mammonoder modernistischen Umtrieben zum Opferfallen darf.Soweit kann man den Autoren in ihrer Streit-schrift ja durchaus folgen, was den zweiten

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Aspekt angeht. Nur: Mit wem und für was strei-ten sie eigentlich?Die Streitschrift leidet unter dem Problem, dassdie Autoren nicht wissenschaftlich sauber undredlich mit den ihnen vorliegenden Daten undInformationen oder Texten umgehen. Diesgeht bereits mit dem vierzigjährigen Ärgernisüber die Bildungspolitik los: In das Gutach-ten des Deutschen Ausschusses für das Erzie-hungs- und Bildungswesen aus dem Jahre1960 wird hinein interpretiert, es fordere ei-nen lebenslang lernenden Menschen, der sichnur dann in einer modernen Gesellschaft be-haupten kann, wenn er lernen kann und will.Genau dies aber sagt das mitgelieferte Zitatdes Ausschusses nicht: „Aber die Zukunft ge-hört ... dem Menschen, der sie (die Apparaturder Technik) frei und verantwortlich be-herrscht.“ Leider findet sich dieser Umgangimmer wieder im weiteren Verlauf des Textes.So wird etwa im Anschluss an die Diskussiondes „Selbstlernens“ gefragt: „Was sind dieGründe für diese erwachsenenpädagogischeHinwendung zum Selbst?“ und geantwortet:„Damit Wirtschaft und Unternehmen sich aufden globalen Märkten durchsetzen können,müssen Arbeitnehmerinnen die dafür erforder-lichen persönlichen, individuellen und immerneu abrufbaren Kompetenzen selbst schulenund anbieten“ (S. 82). Wie einfach ist dochdie Welt, wenn man sie sich so zurechtbiegt.Und wie einfach ist es dann auch, im Schluss-resümee zu konstatieren: „Man ist sich einig:Bildung ist der neue Rohstoff für die Wissens-und Informationsgesellschaft“ und dazu an-zumerken: „Auf diese Art und Weise verkommtBildung, sie wird funktionalisiert und instru-mentalisiert“ (S. 104) und: „Die Begriffe ver-deutlichen es, worum es geht: Aus Lerninhal-ten werden Schlüsselqualifikationen, Bildungwird zum Produkt, der Teilnehmer zum Kun-den, Bildungsziele sind von Kostendeckungs-graden abgelöst worden, die Adressatenspra-che ist zum Marketing mutiert“ (S. 105).Polemische Vereinfachung kann hilfreich sein,wenn sie auf richtige Dinge in gut belegterForm eingeht. Sie ist es nicht, wenn sie unbe-legt, undifferenziert und irgendwie „schwerdaneben“ liegt.Eine „ideologiekritische Rekonstruktion“ (soder Klappentext) liegt hier jedenfalls nicht vor,als Streitschrift ist das Büchlein ebenfalls ver-zichtbar.

E. N.

Ludwig J. Issing/Paul Klimsa (Hrsg.)Informationen und Lernen mit Multimediaund InternetLehrbuch für Studium und Praxis(Beltz Verlag) 3., vollständig überarbeiteteAuflage Weinheim 2002, 585 Seiten,39.90 Euro

Wenn ein Lehrbuch in der dritten Auflage er-scheint, kann man wohl von einem Standard-werk sprechen. Dies gilt auf jeden Fall für die-sen Band. Als die erste Auflage 1995 erschien,war das eine der ersten Publikationen zumThema „Multimedia und Bildung“, die sich mitFragen mediengestützten Lehrens und Lernensbeschäftigten. Die thematische Grundstrukturist in der dritten Auflage gleich geblieben undauch die meisten Autor/innen finden sich –allerdings mit überarbeiteten Beiträgen –wieder. Die neuen Beiträge beschäftigen sichu. a. mit E-Learning – dieser Begriff darf na-türlich nicht fehlen – in beruflichen Kontex-ten (Steinmann/Kohn/Schenkel) sowie didak-tischen Konzeptionen des Telelernens (Kerres/Jechle) und Studierverhalten in Online-Ange-boten (Glowalla u. a.).Im ersten Teil wird ein Überblick über Multi-medianutzung aus psychologischer und didak-tischer Sicht (Klimsa), über technische Aspek-te multi- und telemedialer Lernangebote (Ker-res) und über Multimedia aus pädagogischerSicht (Dörr/Strittmatter) geliefert.Teil 2 wendet sich dem multimedialen Lernenaus unterschiedlichen Perspektiven zu. Wei-demanns Beitrag über Multicodierung undMultimodalität im Lernprozess ist nach wie vorwichtig für diejenigen, die sich mit Fragen derQualität und Problemen medienbasierter Lern-angebote beschäftigen. Er weist darauf hin,dass nicht Medien per se Lernen aktivierenbzw. verbessern, sondern die instruktionaleStrategie und damit die didaktische Konzepti-on von besonderer Relevanz sind. Wissenser-werb mit Texten, Bildern und Diagrammen(Schnotz), Hypertext und Hypermedia (Tergan)sowie Fragen nach Interaktivität (Haack) undsituiertem Lernen (Mandl/Gruber/Renkl) sindunter anderem Themen, die in diesem Teilbearbeitet werden.Beiträge zu Entwicklung, Anwendung und Eva-luation sind im dritten Teil zu finden. NebenÜberblicksbeiträgen zu Online-Lernen (Dö-ring), zur didaktischen Konzeption des Teleler-nens (Kerres/Jechle) und zu netzbasiertem ko-

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operativem Lernen (Hesse/Garsoffky/Hron)werden einzelne Bildungsbereiche u. a. an-hand von Praxisbeispielen in den Blick genom-men, z. B. Schule (Schulz-Zander/Tuloddzie-cki, Schaumburg), Hochschule (Schlageter/Feldmann), berufliche Aus- und Weiterbildung(Schenkel) und betriebliche Bildung (Stein-mann).Dass die allgemeine Erwachsenenbildung nurüber einen Beitrag zum Berlitz Internet Sprach-center (Fischer) Erwähnung findet, ist sympto-matisch für den medienbezogenen (wissen-schaftlichen) Bildungsdiskurs in Deutschland,in dem das Augenmerk immer wieder aufSchule, Hochschule und berufliche Bildunggerichtet wird. Gerade die berufliche Bildunghat verstärkten Eingang in diesen Band gefun-den. Die Ergebnisse – wenn auch nicht sehrüppigen – der Forschungen aus dem Bereichder allgemeinen Erwachsenenbildung findenkaum Berücksichtigung.Baumgartners Beitrag zu pädagogischen Anfor-derungen für die Bewertung und Auswahl vonLernsoftware ist sehr hilfreich, weil er mit Be-zug auf den Symbolischen Interaktionismusund die Verstehende Soziologie ein heuristi-sche Modell zur Softwarebewertung entwi-ckelt, das Lernziele, -inhalte und -strategieneinbezieht. Der Frage nach der Evaluation vonMultimedia wendet sich auch Fricke zu undbeschreibt einige Evaluationsmodelle, die imBlick auf den Einsatz digitaler Medien von be-sonderer Relevanz sind. Er weist u. a. daraufhin, dass der sehr unpräzise Begriff „Multime-dia“ die Beschreibung von Evaluationskriteri-en erschwert. Gleichzeitig sieht er in einer ver-stärkten Evaluation die Chance, das Wissenüber die Wirkung von Instruktionsmethodenzu erhöhen, um damit perspektivisch auch derVision einer validen Checkliste für multimedi-ale Instruktionsprogramme näher zu kommen.Mit dem vierten Teil „Perspektiven“ wird dasLehrbuch abgeschlossen. Der Beitrag von Als-dorf/Bannwart zur virtuellen Realität lieferteinige Informationen zu zukünftigen Entwick-lungen. Leider hat Haefner seinen Beitrag zuMultimedia im 21. Jahrhundert und den Kon-sequenzen für das Bildungswesen im Vergleichzu der Version in der zweiten Auflage von1997 nur minimal verändert. Wenn man Re-vue passieren lässt, was sich in den letztenfünf Jahren verändert hat, wäre eine grundle-gendere Überarbeitung wünschenswert gewe-sen. Aber wahrscheinlich haben sich die

Grundprobleme nicht geändert. Dass der Bandmit einem Beitrag zu Ausbildung und Berufenim Multimediabereich (Michel) schließt, magin Anbetracht der Zielgruppe (Student/innen)plausibel sein, doch als abschließenden Bei-trag hätte man sich für einen perspektivenori-entieren Bildungsdiskurs einen weniger ver-wendungsorientierten, denn einen program-matischen Beitrag gewünscht.Insgesamt liegt mit diesem Lehrbuch auch inder dritten Auflage ein Band vor, der den Standder Entwicklung aufgreift, Forschungsergebnis-se präsentiert und anwendungsbezogene In-formationen bereit hält. Allerdings fällt auf,dass aktuelle Diskurse, wie z. B. die Themen„Interface und Emotion“ und „Online-Lehren“nur beiläufig eine Rolle spielen, aber nicht infokussierten Beiträgen in den Blick genommenwerden. Für die vierte Auflage würde man sichein neu konzipiertes Buch wünschen, dasnoch stärker diese aktuellen Problemfelder inden Blick nimmt und auch Erfahrungen ausder Erwachsenenbildung aufgreift.

Richard Stang

Willy Christian Kriz/Brigitta NöbauerTeamkompetenzKonzepte, Trainingsmethoden, Praxis(Verlag Vandenhoeck & Ruprecht) Göttingen2003, 260 Seiten, 29.90 Euro

Der Schwerpunkt des Textes liegt im Metho-denbereich, aber einleitend werden ausführ-lich und facettenreich theoretische Bezügezum Teambegriff, zu notwendigen Teamkom-petenzen und Bedingungen effektiver Teamar-beit hergestellt. Die Autoren beschäftigt, wiesich Teamkompetenz entwickeln lässt und wiemethodische Arrangements gestaltet werdenmüssen, um persönliche Veränderungsprozes-se zu initiieren und zu begleiten. Chancen vonTeamarbeit werden in aktuellen Diskursenvielfach betont, aber es bleibt offen, wie sub-jektive Voraussetzungen zur Bewältigung kom-plexer Herausforderungen geschaffen werdenkönnen. Grundsätze erfahrungsorientiertenLernens, die wesentliche Elemente selbstorga-nisierten Lernens ansprechen, liefern didakti-sche Orientierungspunkte für die Auswahl vonLernsettings. Der Methodenauswahl liegt dieAnnahme zugrunde, dass Teamübungen kom-plexe Aufgabenstellungen beinhalten müssen,

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um realen Handlungssituationen nahe zu kom-men. Ihr Transfer auf berufliche Alltagssituati-onen ist möglich, wenn Reflexionsrunden sys-tematisch und gründlich integriert werden. Vorallem Planspiele und Übungen, die situiert inder Gruppe Erfahrungen bei der Lösung vonAufgaben ermöglichen, sind geeignet,schrittweise notwendige soziale Kompetenzenzu entwickeln. Erfahrungsgemäß ist es wichtig,Wissensbestände über Entwicklungsbedingun-gen erfolgreicher Teams zu vermitteln, aberKenntnisse allein erweisen sich nicht als nach-haltig genug, um Verhalten zu verändern. Inder reichhaltigen Methodensammlung werdenAnleitungen zu Teamübungen und Planspielen(zwei Beispiele) gegeben. Die Teamübungenwerden durch teilweise geläufige Warming-up-Übungen und Energizer ergänzt. Ausführ-lich beschrieben sind auch methodische Vari-anten, den Praxistransfer zu unterstützen (De-brief-Methoden). Ihnen ist ein impulsreicherlängerer Abschnitt gewidmet und zusätzlichfinden sich einschlägige Hinweise zum Ab-schluss jeder Teamübung. Aus meiner Sicht istder Text vielfältig nutzbar. Er lässt sich sowohlselektiv als auch systematisch erschließen,wobei aber offen bleiben muss, ob beruflicheTransferprozesse tatsächlich gelingen und kon-struierte Übungen dienliche Wegbegleitersind. Im praktischen Umgang halte ich dielangatmigen Methodenbeschreibungen fürhinderlich. Es erschließt sich nicht raschgenug, worum es im Kern geht und was bei denArbeitsschritten zu beachten ist. Die orientie-rend gemeinten vorangestellten Skizzen vonGruppensituationen sind m. E. inhaltlich nichteindeutig und in der Darstellung etwas kind-lich geraten. Außerdem scheint mir entbehr-lich, mit englischen Termini zu arbeiten, wennes treffende deutsche Begriffe gibt.

Monika Schmidt

Stefan LoiblZur Konstruktion von Qualität in Weiterbil-dungseinrichtungen – am Beispiel der Kreis-volkshochschule Hochtaunus/Oberursel(W. Bertelsmann Verlag) Bielefeld 2003,125 Seiten, 14.90 Euro

Bei dem vorliegenden Band aus der Reihe„Theorie und Praxis“ des Deutschen Institutsfür Erwachsenenbildung handelt es sich um

die Dissertationsschrift von Stefan Loibl. Beimoberflächlichen Lesen des Titels könnte manmeinen, es handele sich um eine weitere Ab-handlung über Qualität in der Weiterbildung– einem zeitlosen Thema. Doch bei genaue-rem Hinsehen taucht das Andere im Titel auf:Es geht um die Konstruktion von Qualität.Hiermit beschreitet Stefan Loibl einen neuenWeg, um sich mit einem „alten“ Thema her-meneutisch zu beschäftigen, indem er nichtden klassischen Tunnelblick der (hauptamtli-chen) Mitarbeiter/innen bedient, sondern denFokus auf Teilnehmende, Dozent/innen unddie Öffentlichkeit legt. Unterstrichen wird die-ser Ansatz durch eine exemplarische Unter-suchung der Kreisvolkshochschule Hoch-taunus/Oberursel, dessen langjähriger Leiterder Autor war.Ziel der Studie ist es, „auf der Basis einer kon-struktivistischen Theoriebildung unter Einbe-ziehung von System- und Akteurstheorie undihrer Rezeption in der Erwachsenenbildungein perspektivverschränkendes Qualitätsver-ständnis für die öffentliche Weiterbildung zuentwickeln“ (S. 13). Für den theoretischenBezugsrahmen werden auf der Basis des Kon-struktivismus Anleihen bei der Systemtheorieund der Akteurstheorie gemacht. Bei den„Grundannahmen“ der Arbeit handelt es sichdaher um „die Anerkennung der Subjektivitätder individuellen Qualitätsvorstellungen, dieBetonung des zielstrebigen Handelns vonAkteuren bei gleichzeitiger systemischer Ein-bindung in vorhandene Strukturen“ (S. 28).Nach der Vorstellung der Qualitätsdebattewerden dann gängige Qualitätssicherungssys-teme vorgestellt, die Stefan Loibl nach denAspekten Qualitätskonstrukt, Organisations-system und Einbeziehung der Beteiligten alsExperten kritisch würdigt. Er kommt zu demErgebnis, dass diesen Konzepten der Quali-tätsbegriff im Unterschied zu dem von ihmfavorisierten Ansatz immanent ist. Seine For-schungsfrage lautet daher: „Was ist eigentlichQualität?“ (S. 73). Hierfür werden mit offenenFragebögen so genannte Stakeholder der VHSHochtaunuskreis (Mitarbeiter/innen, Kurslei-ter/innen, langjährige Teilnehmer/innen, Vor-stands- und Beiratsmitglieder) nach ihren sub-jektiven Qualitätsbegriffen bzw -vorstellungenbefragt. Aus den Ergebnissen der Referenz-gruppen werden schließlich Folgerungen fürdas Qualitätsmanagement der VHS Hoch-taunuskreis gezogen; und zwar nach den

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Qualitätskategorien „Angebotsvielfalt undAngebote für alle Altersgruppen“, „Kompetenzder Kursleitenden“, „günstige Gebühren“, „an-gemessene, gut ausgestattete Räume“, „guteKommunikation zwischen den hauptamtli-chen Mitarbeitenden und den Kursleitenden“,„funktionierende, flexible Organisation undKundenorientierung“ sowie „Motivation derMitarbeitenden und kooperative Teamarbeit“,womit sich eine sehr große Bandbreite fürQualitätsverbesserungen eröffnet.Dieses neue Qualitätsentwicklungskonzeptsoll sich auch für andere Weiterbildungsein-richtungen (womit der Plural im Titel auchverständlich wird!) eignen. Und zwar, wennfolgende Voraussetzungen gegeben sind: Zu-griff auf einrichtungsbiografisches Material,schriftliche Protokolle aktueller Arbeitsvorgän-ge und Daten der systemrelevanten Akteure(S. 109). Dass dies dem Autor alles zugäng-lich war, ist selbstverständlich. Die Tatsacheallerdings, dass er Erforscher der Einrichtungund Leiter derselben war, wirft jedoch unwei-gerlich die Frage auf, inwieweit bei dieserPersonalunion die sonst unterschiedlichenInteressen und Standpunkte dieser beidenRollen auf die perspektivverschränkendeSichtweise Einfluss hatten. Die Frage, wie vielDistanz der Forscher und wie viel Betriebs-blindheit der Leiter mit ins Spiel brachten,kann hier nicht beantwortet werden.Was die benutzte Literatur angeht, so lässt dieÜbereinstimmung zwischen zitierten Autor/innen und den Literaturangaben leider etwaszu wünschen übrig (so sind z. B. auf Seite 48drei von sechs zitierten Autor/innen unvoll-ständig oder fehlen in der Literaturliste).Darüber hinaus wurde auch nicht die aktu-ellste Literatur verwendet, wenn die jüngstenQuellen bereits vier Jahre alt sind.Das Buch ist geschrieben von einem Prakti-ker für Praktiker/innen. Das Qualitätsentwick-lungskonzept von Stefan Loibl kann einenAnreiz bieten, in der Qualitätsfrage wegzu-kommen von der reinen Anbietersicht hin zumEinbezug aller Beteiligten. Vielleicht eineChance für die Perspektivverschränkung beieinem so wichtigen Thema wie Qualität?

Svenja Möller

Carole Maleh (Hrsg.)Open Space in der PraxisErfahrungsberichte: Highlights und Möglich-keiten(Beltz Verlag) Weinheim und Basel 2002,179 Seiten, 24.90 Euro

Der Band versteht sich als praxisorientierteFortsetzung des Handbuchs von Carole Ma-leh: Open Space: Effektiv arbeiten mit großenGruppen – erschienen in derselben Reihebeim Beltz Verlag. In 17 Einzelbeiträgen wer-den praktische Einblicke in unterschiedlicheAnwendungsfelder, Zielgruppen und Zielset-zungen vermittelt. Die Auftraggeber sind eben-so verschiedenartig wie die Prozessbeschrei-bungen. Vertreten sind Profit- und Nonprofit-bereiche und öffentliche Verwaltungen undKommunen. Die Dauer der Open-space-Ver-anstaltungen reicht von einigen Stunden biszu drei Tagen. Die Teilnahmerzahlen schwan-ken zwischen 30 und mehreren Hundert. Ver-bindendes Element zwischen den einzelnenBeschreibungen sind die praktischen Versu-che, traditionelle referentenzentrierte Konfe-renzmethoden von diskursiven Arbeitsverfah-ren abzulösen. In den Praxisberichten werdenAnlässe, Ziele, Rahmenbedingungen und Ab-lauf skizziert, aber es finden sich keine detail-lierten Methodenbeschreibungen. Sie werdenals bekannt vorausgesetzt. Dennoch sind dieBerichte auch für Einsteiger/innen zugänglich,weil Carole Maleh einleitend Anliegen, Ar-beitsregeln und Abläufe von Open Space über-sichtlich und prägnant beschreibt. Abschlie-ßend werden in einem eigenen Beitrag nochSchlussfolgerungen aus den Beispielen skiz-ziert. Diese Einbettung der Praxisbeschreibun-gen ist hinreichend, um sich zu orientierenund Eindrücke zu gewinnen, selbst wennOpen Space als Großgruppenverfahren weni-ger geläufig ist. Nachvollziehbar wird, dassdas Setting die Selbstverantwortung von Teil-nehmenden stärkt und demokratische Beteili-gungskulturen fördert. Eindrücklich ist, dassdas Verfahren sich sowohl in knallharten Kon-fliktkonstellationen wie dem ver.di Zusam-menschluss bewähren kann als auch einOpen-Air-Versuch in lebhafter Parkumgebungals erfolgreich eingestuft wird. Insgesamt fälltauf, dass die Absichten erfolgreicher Präsen-tation im Vordergrund steht. Der Klappentextverspricht zwar, dass mit kritischen Wortennicht gespart wird, aber faktisch finden sich

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nur verstreut und vereinzelt einschränkendeHinweise oder offene Fragen. Zwar wieder-holen sich Einschätzungen, dass Themenstel-lungen attraktiv-verlockend-herausforderndsein und Teilnehmende engagiert einsteigenmüssen, aber daraus werden keine Problem-stellungen entwickelt, sondern Open Space istquasi die adäquate Antwort. Klar bleibt dasFazit, dass sich Open Space als Großgruppen-methode als produktiv und innovativ bewährt,Teilnehmende überzeugt werden konnten undAuftraggeber sie jederzeit wieder einsetzenwürden. Ein ausgesprochener Flop, der ja auchLeser/innen anregen kann, bleibt ausgespart.Vor dem Hintergrund, dass Auftragnehmer inder Regel freie Trainer/Trainingsfirmen sind,bleibt das natürlich verständlich.

Monika Schmidt

Svenja MöllerMarketing in der Weiterbildung(W. Bertelsmann Verlag) Bielefeld 2002,316 Seiten, 19.90 Euro

Zufall oder nicht? Der Weiterbildung werdenfinanzielle Ressourcen entzogen, öffentlicheund private Quellen sprudeln nur noch spär-lich. Das „Diktat der leeren Kassen“ zwingtdie Weiterbildung in die Knie, erzwingt Leis-tungsreduktionen, Standort- und Stellenabbau.Just in diesen Zeiten wird ein Thema wiederaufgegriffen, das schon einmal, zu Beginn derneunziger Jahre, Konjunktur hatte: Marketingin der Weiterbildung. Das Schwerpunktthemader letzten Ausgabe der Zeitschrift „Grundla-gen der Weiterbildung“ (August 2003) lautet:„Der Teilnehmer als Kunde“. Behandelt wer-den Komplexe wie „Kundenorientierung“,„Bildung als Dienstleistung“, „Bildungsmarkt“.In diesen Kontext passt auch die bundesweiteMarketingtagung „Lernende Region – der Wegzu einer Marke“, die im Mai 2003 im KlosterBenediktbeuern stattfand und sich an alle Ler-nenden Regionen richtete. Sowohl in der Zeit-schrift als auch auf der Tagung spielt SvenjaMöller eine wichtige Rolle. Zu Recht, dennihr Buch ist die aktuelle und umfassendeStandortbestimmung zum Thema „Marketingin der Weiterbildung“.Einleitend formuliert sie als Anspruch an ihreArbeit, dass sie die Probleme der theoretischenAdaption und die praktische Umsetzung von

Marketingstrategien in Volkshochschulen ana-lysieren will. Ihre zentrale Hypothese be-schreibt folgenden Zusammenhang: „Je grö-ßer die Freiheitsgrade der VHS-Leitung undihre Akzeptanz gegenüber einer Marketingein-führung sind, desto wahrscheinlicher ist dieUmsetzung der Markt- und Kundenorientie-rung“ (S. 14).In der theoretischen Grundlegung spanntSvenja Möller den Bogen vom kommerziel-len Marketing, wie es in der betriebswirtschaft-lichen Literatur beschrieben und strukturiertwird, über das nichtkommerzielle Marketingin seinen speziellen Ausprägungen („Marke-ting für Non-Profit-Organisationen“, „SocialMarketing“) bis hin zu Ansätzen eines Volks-hochschulmarketings. Es folgt die Geschichteder Marketingrezeption in der Erwachsenen-bildung, die ihren Ausgang Mitte der siebzi-ger Jahre nimmt (Beckel/Senzky) undbesonders Anfang bis Mitte der neunziger Jah-re eine Vielzahl von Autoren auf den Plan ruft(Meisel, Nuissl, von Rein, Schlutz, Schöllu. a.). Die Quintessenz ist eher ernüchternd:„Es zeigt sich, dass der Transferprozess vonder Marketing-Lehre in die Erwachsenenbil-dung nicht unkompliziert ist. Die Lehre wirdansatzweise importiert, dabei werden Unklar-heiten ausgeblendet und die Begriffe ver-schwimmen“ (S. 52).Den Kern der Arbeit bildet der empirische Teil,der auf vier Einzelfallstudien (Volkshochschu-len mit unterschiedlicher Rechtsform) basiert,die wiederum auf insgesamt elf leitfadenge-stützten Interviews aufbauen. Detailliert undmit vielen O-Tönen wird die Marketingpraxisdieser vier Beispielgeber präsentiert und ana-lysiert. Untersuchungs- und Gliederungsrah-men bildet die Marketing-Strategie von Ha-sitschka/Hruschka mit den Elementen Marke-ting-Zielsystem, Segmentierung, Marketing-Instrumente, Marketing-Mix, Marketing-Orga-nisation und Marketing-Kontrolle. Die Fein-heiten und Verästelungen dieser sich über fast200 Seiten erstreckenden Analyse können hiernicht nachgezeichnet werden. Die beiden fol-genden Zitate sollen einen Eindruck davonvermitteln, in welch unterschiedlichen „Wel-ten“ sich die Interviewpartner bewegen.Zitat 1: „Unsere Aufgabe ist es, was zu tun,dass die individuellen Interessen im demokra-tischen Zusammenhang besser artikuliertwahrgenommen werden können. Dass eineAuseinandersetzung mit allen vorhandenen

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und möglichen Entwicklungen stattfindet.Dass wir was tun für mehr Verständnis dergesellschaftlichen und ökologischen Bedin-gungen, die alternativen Schlüsselqualifikati-onen von Oskar Negt formuliert vermitteln,Lernen in Zusammenhängen, rhetorische undökologische Kompetenz, das würde ich amliebsten vertreten“ (S. 161).Zitat 2: „Wir haben ´ne andere Marktmachtals vorher. Die Volkshochschulen im Nordensind dabei, die Macht der Zahl zu entdecken.Wir präsentieren uns als gemeinsamer Markt-faktor gegenüber den Werbeagenturen, um ineine ganz andere Preissituation reinzukom-men. Für Lufthansa oder Mercedes sind wirnormalerweise uninteressant. Wir wollen denVorteil der großen Zahl vermarkten“ (S. 170).Marketing ist kein Allheilmittel, manchmalsogar hat es gefährliche Nebenwirkungen,weil es die ökonomische Orientierung in denVordergrund stellt und den Bildungsauftrag alssekundär erscheinen lässt. Die Marketing-Leh-re führt zur Marketing-Leere. Svenja Möllerkonkretisiert die Gefahr so: „Aufsuchende Bil-dungsarbeit würde zur ‚aussuchenden’ Bil-dungsarbeit, was für die öffentliche Erwach-senenbildung notwendig mit einer Verarmungdes Bildungsangebots und einer Desavouie-rung sozial- und schließlich bildungsbenach-teiligter Schichten gleichzusetzen wäre“(S. 293). Gleichwohl wird zu Recht konstatiert,dass Marketing-Kenntnisse zum Grundstockdes Professionswissens in der Erwachsenen-bildung gehören.Die vorliegende Arbeit ist kein Handbuch fürden Praktiker, der nach Rezepten für die„schnelle Küche“ sucht. Es ist eine grundsoli-de wissenschaftliche Arbeit, die als Disserta-tion an der Universität Hamburg (Erstgutach-ter: Peter Faulstich) angenommen worden ist.Sie verlangt vom Leser eine intensive Ausein-andersetzung mit sehr unterschiedlichen Po-sitionen und ist eine der wenigen empirischenArbeiten zum Thema. Sie kann das Ausgangs-material für weitere Forschungen bilden (dar-auf weist die Autorin hin), sie kann aber auchAusgangsmaterial liefern für eine Praxishilfe.

Dieter Gnahs

Sibylle Peters (Hrsg.)Lernen und Weiterbildung als permanentePersonalentwicklung(Rainer Hampp Verlag) München und Mering2003, 222 Seiten, 22.80 Euro

An den Beginn der neuen, im Rainer HamppVerlag erscheinenden Reihe „Weiterbildung –Personalentwicklung – Organisationales Ler-nen“ stellt die Herausgeberin Sibylle Peterseinen Band, der in seinen Beiträgen einenweiten Bogen über die durch den Titel derReihe vorgegebenen Disziplinen spannt, undanstrebt, diese u. a. durch das in der Schnitt-menge der Bereiche gelegene Thema „Wis-sensmanagement“ zu verknüpfen.An dieser Stelle kann nur auf eine Auswahlder insgesamt zwölf Einzelbeiträge des Ban-des eingegangen werden. Die Beiträge ent-standen im Zusammenhang mit einer von derArbeitsgemeinschaft betriebliche Weiterbil-dungsforschung/QUEM geförderten Ringvor-lesung und spiegeln die im Rahmen des For-schungs- und Gestaltungsprogramms „Lern-kultur Kompetenzentwicklung“ diskutiertenFragestellungen wider.Reinhold Weiß stellt eine kritische Betrach-tung des gegenwärtig überaus positiv besetz-ten Begriffs der „Innovation“ in den Mittel-punkt seines Beitrags. Der Autor zeigt auf, dassechte Innovationen eine Beschäftigung mitscheinbar wenig aktuellen Themen wie „or-ganisationaler Macht“ und „Traditionen“ vor-aussetzen. Weiß bringt durch gezielte Verwei-se auf eine Vielzahl empirischer Forschungs-belege die Debatte um Modebegriffe wie„Selbstorganisation“, „Innovation“ oder „daslernende Organisation“ zurück auf den Bodender Tatsachen, ohne dabei die Notwendigkeitwirksamer Veränderungsprozesse in Organi-sationen generell in Frage zu stellen.In ihrem Beitrag zu „Wissens- und Motivati-onsmanagement“ weist Margrit Osterlohzunächst nach, dass organisationales Wisseneine schwer imitierbare Ressource ist und da-mit für ein Unternehmen eine nachhaltigenWettbewerbsvorteil bedeuten kann. UnterBezugnahme auf sozial- und allgemeinpsy-chologische Befunde gelingt der Autorin einüberraschender Brückenschlag zwischen in-dividueller Motivation und organisationalemLernen. Die zentrale Bedeutung der intrinsi-schen Motivation von Arbeitnehmern für dasEntstehen und Übertragen organisationalen

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Wissens wird überzeugend argumentativ be-legt.Einem völlig konträren Ansatz folgt Friederi-ke Behringer, indem sie zur Erklärung der Be-teiligung an Weiterbildung die Humankapi-taltheorie zugrunde legt, die dem Lernendeneine ausschließlich extrinsisch-monetäre Kos-ten-Nutzen-Abwägung bei der Entscheidungfür eine berufliche Weiterbildung unterstellt.Anhand empirischer Daten aus dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP) belegt Behrin-ger die rationalen Abwägungsprozesse vonArbeitnehmern, die der Beteiligung an formel-len beruflichen Weiterbildungen zugrunde lie-gen. Weitere bemerkenswerte Ergebnisse desSOEP-Panels zur Selektivität der Weiterbil-dungsbeteiligung in Deutschland lassen dieAutorin zu dem Schluss kommen, dass Lebens-langes Lernen für alle in Bezug auf Weiterbil-dung bislang nur eine Zielvorstellung – abernoch keine Realität – darstellt.Der Beitrag von Christof Baitsch „Zur Integra-tion von Arbeiten und Lernen“ gibt einenÜberblick über psychologische Befunde zurWirkung lernförderlicher Arbeitsgestaltung aufüberdauernde Persönlichkeitsmerkmale wiekognitive Kompetenz, moralisches Bewusst-sein und Kontrollüberzeugungen. Insbesonde-re die bedeutsamen Effekte von Aufgabenkom-plexität und Selbstbestimmung auf die intel-lektuelle Flexibilität des Arbeitenden beleuch-ten die Grundlagen des „Lernens im Prozessder Arbeit“ aus organisationspsychologischerSicht.Aufgrund einer Reihe gesellschaftlicher undarbeitsbezogener Entwicklungstrends konsta-tiert Wolfgang Wittwer einen Verlust des über-greifenden Orientierungsfaktors „Beruf“ undsetzt an dessen Stelle die individuelle Kom-petenz als neues Leitprinzip der biografisch-beruflichen Entwicklung. Aus dieser Wendehin zu individuellen Kompetenzen leitet Witt-wer weit reichende Forderungen an eine zu-künftige betriebliche Weiterbildung ab, die erin einer Vision als ein Orientierungscenterbeschreibt, dessen Hauptaufgaben in biogra-fiestützender Kompetenzberatung sowie Be-gleitung individueller Karrierewege besteht.Brigitte Stieler-Lorenz und Alexander Krauseberichten über die Ergebnisse eines umfang-reichen empirischen Forschungsprojektes zurWirkung IT-basierten Lernens. Dabei unter-scheiden sie zwischen formellem „e-learningim engeren Sinne“ und dem sowohl örtlich

(anywhere) als auch zeitlich (any time) undnicht zuletzt auch inhaltlich selbstbestimm-ten (any content) Lernen im Lernraum Inter-net als „e-learning im weiteren Sinne“. DieResultate der vorgestellten Studie belegen diein vielen kleineren und mittleren Unterneh-men noch nicht erkannte besondere Bedeu-tung des „e-learnings im weiteren Sinne“ fürdie Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern.Hieraus leiten die Autoren eine Vielzahl vonHandlungsempfehlungen für Unternehmenab, die vor der Aufgabe stehen, eine wirksa-me neue Lernkultur zu schaffen.Die thematische und formale Heterogenitätder Beiträge des Bandes erschwert eine über-greifende Beurteilung. Mit Sicherheit kannaber festgestellt werden, dass die angestrebteVerknüpfung der Bereiche Weiterbildung undPersonalentwicklung ein komplexes Ideen-,Gestaltungs- und Forschungsfeld eröffnet, indas der Leser durch die hier gebotenen viel-fältigen Denkanregungen einen gelungenenEinstieg erhält.

Wolfgang Müskens

Hans J. Pongratz/G. Günter VoßArbeitskraftunternehmerErwerbsorientierungen in entgrenzten Arbeits-formen(edition sigma) Berlin 2003, 279 Seiten,15.90 Euro

Vor fünf Jahren haben die Autoren die Thesevom Arbeitskraftunternehmer entwickelt, derlangfristig den Typus des verberuflichten Ar-beitnehmer als Leittypus der gesellschaftlichenFormung von Arbeitskraft ablösen werde. In-dizien für diese Entwicklung fanden sichhauptsächlich in den IT-Berufen und der NewEconomy. In der jetzt vorgelegten Studie, dieim Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung erarbei-tet wurde, gehen die Autoren der Frage nach,inwieweit diese Prozesse auch in der Normal-arbeit „durchschnittlicher“ Beschäftigter inetablierten Wirtschaftsfeldern nachweisbar ist.In sechzig leitfadengestützen Interviews, diein sechs Unternehmen unterschiedlicher Bran-chen durchgeführt wurden, wurden qualifi-zierte Arbeiter/innen und Angestellte ohnedisziplinarische Führungsfunktionen befragt,die „von entgrenzten Reorganisationsmaßnah-men in Gestalt von Gruppenarbeit oder Pro-

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jektarbeit“ (S. 10) betroffen waren. Die Un-tersuchung erhebt keinen Anspruch auf Re-präsentativität, „will aber dennoch die Viel-falt typischer Erwerbsorientierungen im Be-reich „entgrenzter Normalarbeit“ möglichstabdecken“ (S. 36). Den Autoren geht es dabeinicht um „eine Bestätigung (oder Widerlegung)der Arbeitskraftunternehmer-These. Die zen-trale Frage ist vielmehr, welche Ausprägungdie Erwerbsorientierungen von Beschäftigtenin potenziell entgrenzten Arbeitsformen an-nehmen“ (S. 191). Eingangs wird die aktuelleDebatte um Erwerbstätige als Unternehmerihrer eigenen Arbeitskraft ausführlich referiert,wobei es den Autoren vor allem darum geht,Missverständnisse in der bisherigen Debatteauszuräumen. „Diese Prognose [des Arbeits-kraftunternehmers als normativer Leittypus]vertreten wir nicht mit dem Interesse, ein der-artiges Leitbild zu propagieren ...“ (S. 30),wohl aber soll verdeutlicht werden, dass „eineneue Stufe der Ökonomisierung von Arbeits-kraft erreicht wird, die mit spezifischen, vonder Situation selbständiger Erwerbstätiger be-kannten Gefahren von Selbstausbeutung undexistentiellem Scheitern verbunden ist“ (S. 31).„Der Widerspruch zwischen Kapital und Ar-beit ... verschwindet nicht mit dem Typus desArbeitskraftunternehmers, sondern er wandeltsich in einen strukturellen Widerspruch zwi-schen Unternehmern unterschiedlicher Art“(S. 32).Nach einer ausführlichen Beschreibung deskonzeptionellen Rahmens und des methodi-schen Vorgehens (S. 39-52) werden die Befra-gungsergebnisse anschaulich und nachvoll-ziehbar präsentiert. Die Differenzierung derErwerbsorientierung bezieht sich auf die dreiBereiche Arbeitsfeld, Erwerbsperspektive undLebensführung. Anschließend ordnen die Au-toren die unterschiedlichen Typen der Er-werbstätigen den Arbeitskrafttypen „proleta-risierte Lohnarbeiter“, „verberuflichte Arbeit-nehmer“ und „Arbeitskraftunternehmer“ zu,wobei die erste Kategorie aufgrund der gerin-gen Fallzahl (n:2) im Weiteren nicht mehrauftaucht. (Damit ist ein durchgängiges Pro-blem in der Aufbereitung der Ergebnisse an-gesprochen: Die Ausdifferenzierung der Ty-penbildung mit einer Vielzahl von Subtypenist bei der relativ geringen Fallzahl nicht immernachvollziehbar.)Aus der Fülle der spannenden, sprachlich an-regend präsentierten Ergebnisse seien hier nur

einige Schlaglichter hervorgehoben.Die Notwendigkeit, für die eigene Beschäfti-gungsfähigkeit durch Teilnahme an Weiterbil-dung zu sorgen, scheint bei den Beschäftig-ten als Botschaft noch wenig angekommen zusein. Dies ist zum einen Folge eines Angebots,das „in aller Regel der unmittelbaren Anpas-sung der Arbeitsfähigkeiten an die veränder-ten Arbeitsstrukturen (dient); für die Weiter-entwicklung individueller arbeitsmarktbezo-gener Erwerbsperspektiven lassen sie nur we-nig Raum“ (S. 147). Zum anderen scheint esauch Resultat eines fast irrational anmuten-den Vertrauens in den Betrieb „als direktemGarant der Absicherung“ (S. 171). „Selbst inBereichen, in denen Entlassungsdrohungen imRaum stehen, ist eine deutliche Lockerung derBindung an die Firma nicht zu erkennen“(ebd.). Es existiert ein „unbedingtes Vertrauenin die Sicherheitsversprechen“ (S. 221). Ent-sprechend werden betriebliche Weiterbil-dungsmöglichkeiten „zumeist nach dem Op-portunitätsprinzip genutzt; systematische Be-gründungen mit Zielsetzungen für einen per-sönlichen Entwicklungsweg sind hingegenkaum zu erkennen“ (S. 175).Auch wenn sich bei der Mehrheit der Befrag-ten in Teilbereichen Orientierungen hin zuArbeitskraftunternehmern identifizieren las-sen, ist nur ein Viertel der Befragten „durch-gängig dem Typus des Arbeitskraftunterneh-mers zuordenbar ... Dabei weisen Angestellteeher als Arbeiter und Frauen eher als MännerOrientierungselemente auf, die dem Arbeits-kraftunternehmer entsprechen“ (S. 144). DieAnnahme, dass junge Beschäftigte eher auf-geschlossen wären für Flexibilitätsanforderun-gen oder gegenüber anderen arbeitskraftun-ternehmerischen Anforderungen, hat sichnicht bestätigt (vgl. S. 123 und S. 144).Aber generell gilt: „Es sind in hohem Maßedie Einzelpersonen selber, die nun in Formerweiterter Selbst-Kontrolle bisher nur unsys-tematisch betrieblich genutzte Momente ih-rer Persönlichkeit in den Arbeitsprozess ein-bringen und diese Ressourcen in neuer Qua-lität der ökonomischer Nutzung zuführen“(S. 216).Das Schlusskapitel setzt sich mit der Frageauseinander, wie eine Interessenvertretung derArbeitnehmer angesichts der Pluralität derArbeitskrafttypen zukünftig agieren kann. Dassdie derzeitige Verfasstheit der Gewerkschaf-ten diesen Herausforderungen in der Sicht der

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Beschäftigten nicht gerecht wird, wird in denInterviews überdeutlich. Es zeigt sich nicht nureine Distanzierung gegenüber gewerkschaft-lichen Positionen; Voß/Pongratz sehen einen„kulturellen Bruch“ (S. 229).„Der Grundtenor der Interessenvertretung alseiner Leidens- oder Opfergemeinschaft durch-zieht weiterhin die gewerkschaftliche Ausei-nandersetzung“ (S. 230) und wird damit demSelbstverständnis der Beschäftigten nicht mehrannähernd gerecht. Voß/Pongratz plädierenfür eine verstärkte gewerkschaftliche Ausein-andersetzung mit erweiterten inhaltlichen Fra-gen, „insbesondere im Hinblick auf die Er-werbsbiografie und das Verhältnis von Er-werbsarbeit und Privatleben“ (S. 247).Resümierend stellen die Autoren fest, dass die„These der Pluralität der Arbeitskrafttypen ...eine Erweiterung, keine Revision der Arbeits-kraftunternehmer-These dar(stellt) ... wir schät-zen nunmehr aber die Möglichkeit dauerhaf-ter Gleichzeitigkeit der Typen als höher unddas Entwicklungstempo des Typus des Arbeits-kraftunternehmers als niedriger ein“ (S. 242).Mit dem Band ist es den Autoren in beeindru-ckender Weise gelungen, eine Lücke in dembislang eher vernachlässigten Forschungsfeldzu Arbeitshaltungen und Erwerbsstrategien derBeschäftigten zu schließen. Es wäre wün-schenswert, wenn weitere Untersuchungen zudieser Thematik, die auch die Einstellungenund Nutzenerwartungen zur Weiterbildungstärker in den Blick nehmen, folgen würde.Die in der Publikation vorgestellten Befundezum Weiterbildungsverhalten weisen auf eineauch in anderen Feldern zu beobachtendenDiskrepanz zwischen dem Postulat des lebens-langen Lernens und der eher abwartend zu-rückhaltenden Einstellung der Beschäftigtenhin, die näher erforscht werden sollte.

Gerhard Reutter

Wolf Jürgen Röder/Klaus Dörre (Hrsg.)Lernchancen und Marktzwänge: Bildungsar-beit im flexiblen Kapitalismus (Verlag West-fälisches Dampfboot) Münster 2002,208 Seiten, 19.80 Euro

Nicht nur die Weiterbildung insgesamt, son-dern besonders auch die gewerkschaftlicheBildungsarbeit ist aktuell vielfältigen Suchbe-wegungen unterworfen. In dem vorliegenden

Band kommen einige der wichtigsten Exper-ten und Akteure besonders aus dem Organi-sationszusammenhang der Industriegewerk-schaft Metall und des Forschungsinstituts Ar-beit, Bildung, Partizipation (FIAB) an der Ruhr-Universität Bochum, das gerade seinen Na-men vom Forschungsinstitut für Arbeiterbil-dung umgeändert hat, zu Wort. Dabei schla-gen die Irritationen, welche die Gewerkschaf-ten insgesamt, ihr Gesellschafts- und Men-schenbild, sowie ihren Stellenwert in der ak-tuellen Politik betreffen, auf die Bildungsar-beit durch.„Zwischen Effizienz und Utopie“ sieht WolfJürgen Röder, zuständiges geschäftsführendesVorstandsmitglied der IG Metall, die gewerk-schaftliche Bildungsarbeit vor neue Heraus-forderung gestellt (S. 9-28). Er sieht das enor-me Problem, dass normative Formeln dann insReich politischer Rhetorik und Ideologie ver-wiesen werden müssen, wenn ihnen die Wirk-lichkeit auch nicht ansatzweise folgt. Betontwerden erstens ein weitgehender Politikver-zicht, bezogen auf bildungsreformerische In-tentionen wie Chancengleichheit, undzweitens die Gefahr, dem großen neolibera-len Paradigma untergeordnet zu werden (S. 9).Am Beispiel der Weiterentwicklung der Bil-dungsarbeit der IG Metall (S. 16-28) belegt erneue Ansätze bezogen auf das Problem dergewerkschaftlichen Orientierung, dass Mitglie-derproblem, das Beteiligungsproblem, und dieNotwendigkeit, mehr Platz für das „Persönli-che“ (S. 21) einzuräumen und „Kompetenzen“zu stärken (S. 23). Es folgen daraus organisa-torische und institutionelle Veränderungen.Diese beruhen aber höchstens ansatzweise aufgeklärten Grundlagen gewerkschaftlicher Ori-entierung (S. 18-19). Diese wird eher negativim Kontrast zum „Neoliberalismus“ bestimmtund vage als „Weg zu sozialer Gerechtigkeit“angedeutet. Insofern wird man mit einem –wenn man die Wörter durchzählt – erhöhten„Muss-Index“ von hochgesteckten Postulatenohne geklärte gesellschaftlich strukturelle Ver-ordnung konfrontiert. Möglicherweise ist diesTeil des problematischen Kontexts, der gleich-zeitig kritisiert wird.Klaus Dörre ist zuzustimmen, wenn er kon-statiert: „In einer Situation, in der die Arbeit-nehmerorganisationen vor einer grundlegen-den politisch-programmatischen Neuorientie-rung stehen, befindet sich politische Bildungin den Gewerkschaften auf Tauchstation“

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(S. 30). Insofern kann politische Bildung, wennsie nicht die neuen gesellschaftlichen Reali-täten verarbeitet, den „Nebel der viel be-schworenen ‚neuen Unübersichtlichkeit’“(S. 30) kaum lichten.Klaus Dörre versucht, die gesellschaftlicheFormation zu Beginn des 21. Jahrhunderts mitdem Begriff des „flexiblen Kapitalismus“ zukennzeichnen. Merkmale dabei sind ökono-mische Globalisierung, flexibel-marktzentrier-tes Produktionsmodell und neue Konsumfor-men. Die Diskussion um diese Tendenzenkönnten einen neuen „inneren Kompass derBildungsarbeit“ (S. 38) abgeben. Nach demAufbrechen des Sozialstaatkompromisseskönnte „Gewerkschaftsidentität“ beruhen aufInternationalität, Einbezug von Zonen der Pre-karität und der Ausgrenzung sowie auf einer„neuen Subjektivität“ (S. 41). Klaus Dörre be-tont: „Nach meiner Auffassung wäre es einKardinalfehler, würde politische Bildung inGewerkschaften auf Gesellschafts- und Kapi-talismuskritik verzichten.“ „Nur: diese Kritikmuss auch treffen“ (S. 42). Dabei geht es nichtum eine „verbindliche interne Theorie“ (S. 42)sondern um einen „Theoriepluralismus“, dersich stützten könnte auf „reflexive Moderni-sierung“, über die „Theorie kommunikativenHandelns“ bis zu „regulationstheoretischen“und „neomarxistischen“ Ansätzen. „Die kriti-sche Auseinandersetzung mit marktradikalenKonzeptionen wäre so etwas wie der kleinstegemeinsame Nenner, an dem sich eine iden-titätsfördernde Bildungsarbeit orientierenkönnte“ (S. 42-43).Allerdings bleibt das gleichzeitige Plädoyer füreinen „reflektierten Individualismus“ (S. 41-44) eher unscharf. Insofern bleiben die „Bil-dung in Bewegung“, wie sie Dieter Budde,Leiter der Abteilung Bildung/Bildungspolitikder IG Metall, darstellt (S. 161-174) und derVerweis von Franz-Josef Jelich von FIAB über„Veränderungen von Lernkulturen am Beispielder IG Metall“ (S. 275-186) argumentativ eherauf der institutionellen und organisatorischenEbene. Wenn man aber schon Begriffe wieIndividualität und Kompetenz aufnimmt,bleibt nichts anderes übrig, als diese sowohlsozialstrukturell als auch persönlichkeitsthe-oretisch auf die dahinterstehenden Gesell-schafts- und Menschenbilder zu klären undabzugrenzen gegen neoliberalistische Positi-onen, welche, wie Klaus Dörre berechtigt her-vorhebt – „Begriffe wie Freiheit, Selbstverant-

wortung, Autonomie und Partizipation zu kon-stitutiven Elementen ihres Rechtfertigungsre-gimes gemacht“ haben (S. 43). Die Gefahrbesteht, dass, wenn nicht genauer argumen-tiert wird, alle Positionsdifferenzen in der al-les überziehenden Entengrütze einer ver-schwommenen „Neuen Lernkultur“ versinken.Wenn man nicht gegenüber hegemonialen„Selbst“-, „Kultur“- oder Kompetenzdebattenpermanent in der Defensive bleiben will,müssten offensiv die Quellen des Selbst inhumanistischen Traditionen wie Gerechtigkeit,Anerkennung und Verantwortung aufgegriffenwerden und die alte Grundposition gewerk-schaftlicher Bildungsarbeit – Solidarität – deut-licher in den gegenwärtigen gesellschaftlichenKontext eingebracht werden.Peter Faulstich

Horst SiebertVernetztes LernenSystemisch-konstruktivistische Methoden derBildungsarbeit(Luchterhand Verlag) Neuwied 2003,212 Seiten, 19.90 Euro

Die Metapher des „Netzwerkes“ bildet diezentrale Denkfigur, die dem jüngsten Werkvon Horst Siebert eine eindeutige Konsistenzund innere Struktur verleiht. Mehrere Dimen-sionen der Vernetzung können als zentralesOrdnungsprinzip identifiziert werden: Zumeinen geht es um eine Vernetzung von Theo-rie und Praxis. Der metatheoretische Hinter-grund betrifft die Vernetzung, d. h. das Auf-einanderbeziehen von Konstruktivismus undSystemtheorie als strukturbildendes Paradig-ma. Der systemisch-konstruktivistische Metho-denansatz der Bildungsarbeit vermag ange-sichts einer „global-vernetzten Welt“ die viel-fältigen Beziehungen offen zu legen, die iminterdisziplinären Kontext etwa zwischenNeurowissenschaften und Sozialwissenschaf-ten, Kunst, Philosophie und Pädagogik, sowieauch im innerpädagogischen Dialog verschie-dener Leittheorien, etwa der Kritischen Theo-rie, der Psychoanalyse und dem SymbolischenInteraktionismus sichtbar gemacht werden.Die Reichweite einer systemischen Theoriebegrenzt Horst Siebert nicht nur auf die Leit-theorie Luhmannscher Prägung, sondern ver-weist zugleich auf die Rolle von Theorien der

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Wissensgesellschaft (Helmut Wilke) und auchauf die Chaostheorie eines Hermann Haken(S. 12). Allerdings liegt der Fokus dieses Bu-ches im Rekurs auf den gemäßigten Konstruk-tivismus und auf die Systemtheorie.Aus der Erkenntnis, dass zwar eine „Leitdiffe-renz“ zwischen dem Konstruktivismus und derSystemtheorie besteht, spricht Horst Siebert zuRecht aufgrund der Schnittmengen beiderTheorien von einem einheitlichen systemisch-konstruktivistischen Paradigma, wobei er etwaauf die zentralen Begriffe wie Autopoiesis,Selbstreferenzialität, Emergenz und Pertuba-tion verweist. Man mag es als einen besonde-ren Gewinn dieses Buches herausstellen,wenn man bereits hier eine erste bewertendeZwischenbilanz ziehen will, dass der Verfas-ser in der Darlegung und Deutung der typolo-gischen Struktur beider Theorien nicht nur eineadditive Explikation vornimmt, sondern einenArgumentationszusammenhang entfaltet, dergerade die jeweiligen Schnittmengen in denBeziehungen, Perspektivverschränkungen,Kontexten, Rückbezügen und Vernetzungenkenntlich macht.Das systemisch-konstruktivistische Ordnungs-prinzip wird nicht nur deshalb dem Buchzugrunde gelegt, weil es für die theoretischeund praktische Beschäftigung mit Möglichkei-ten und Voraussetzungen des Lernensbesonders ergiebig ist, sondern weil damitauch neue Perspektiven didaktischer Erkennt-nis und praktischen Bildungshandels sich er-öffnen: „Ändert sich etwas in der Bildungs-praxis aufgrund dieses Paradigmas?“ (S. 23 ff.).Wer sich die bisherige Literatur Horst Siebertszum pädagogischen Konstruktivismus verge-genwärtigt, mag auch in diesem Buch einenBeweis dafür sehen, dass die Komplexität desThemas, die jeweiligen Bezüge zu anderenTheorieansätzen nicht aus dem Blick geraten.Man mag deshalb das Buch grenzüberschrei-tend, sogar entgrenzt nennen, weil es sichnicht nur auf innerpädagogische Aspekte be-schränkt, sondern auch die übergreifendengesellschaftlich-politischen (S. 48) und kultu-rellen Dimensionen in den jeweiligen Bezüg-lichkeiten zu dem vorherrschenden Paradig-ma verdeutlicht, etwa in einem neuen kon-struktivistischen Zugang zum Prinzip der„Nachhaltigkeit“ und der Ökologie. Dabei gibtHorst Siebert einer häufig anzutreffenden Nei-gung nicht nach, die eigenen theoretischenÜberlegungen zu verabsolutieren oder sogar

zu ideologisieren. So ist er beispielsweise auchaufgeschlossen für kritische Einwände gegen-über seiner leitenden pädagogischen Vorstel-lung, wie sie etwa von dem SchulpädagogenEwald Terhart vorgetragen werden, der dieBedeutung des pädagogischen Konstruktivis-mus in der Weise relativiert, dass das, was alsneue pädagogische Erkenntnis ausgegebenwird, bereits in den Grundzügen in der Re-formpädagogik vorweggenommen wurde.Es entspricht seiner Vorstellung vom systemi-schen Denken, dass vernetztes Lernen nichtlinear, sondern zirkulär, komplementär undkontextgebunden gestaltet ist. Nicht „lineareArchitektur“, sondern „kognitive Landkarten“im Sinne einer Wahrnehmungsgeografie ent-sprechen unseren neuronalen und mentalenNetzwerken, die sich in Schlüsselbegriffen wieVerknüpfung, Assoziation, Erinnerung, Intui-tion, Phantasie und „situierte Kognition“ dar-stellen. Deshalb sind Sensibilität im Urteil undVerzicht auf absolute Wahrheitsansprüchegeboten, entsprechend der systemtheoreti-schen Leitfigur eines „Denken in binären Co-des“ (S. 42).Nachdem im ersten und zweiten Kapitel dietheoretischen Implikationen und die prakti-schen Konsequenzen dargelegt werden, wer-den im dritten Kapitel zentrale methodischeund methodologische Aspekte des LernensErwachsener besonders im Hinblick auf dieVoraussetzungen und die Möglichkeiten desselbstgesteuerten Lernens thematisiert. MitVerweis auf Begriffe wie Autopoiesis undSelbstreferenz im Anschluss an Luhmann undWatzlawick, ist in Überspitzung, wie sie bei-den Autoren zuweilen zu eigen ist, Verstehenin der pädagogischen Lerninteraktion eineAusnahme und menschliche Kommunikationein Glücksfall. Für die Bildungspraxis werdendie unterschiedlichen, partiell gegensätzlichenMethoden von „Instruktion“ und „Konstrukti-on“ gegeneinander gehalten – in der traditio-nellen Semantik als Prozesse der „Vermittlung“versus der „Aneignung“ gekennzeichnet.Ausgangspunkt der Bildungs- und lerntheore-tischen Reflexion im dritten Kapitel bildet dieFrage nach dem „Ich“ und dem „Selbst“, alsodie pädagogische Grundfrage nach der Rolleund Bedeutung des Subjekts. Dabei entfaltetHorst Siebert vielfache theoretische Zugängezur „Autonomie des Subjekts“ vom Marxismusüber die Aufklärung, die Psychoanalyse bis hinzum radikalen Konstruktivismus (S. 170).

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Das Buch nennt eine Fülle von Namen ausden unterschiedlichsten Wissenschafts- undKulturbereichen, die für den systemisch-kon-struktivistischen Diskurs von Bedeutung sind,u. a. von Niklas Luhmann, Fritjof Capra, Ger-hard Roth, Ernst von Glasersfeld – bis hin zubekannten Erwachsenenpädagogen wie Rai-ner Brödel, Jochen Kade, Ortfried Schäffter,Rolf Arnold und Peter Faulstich. Es spanntauch ein vielfältiges Netz von Theorieelemen-ten und Begriffen, sodass auch in diesem Kon-text von einer multidimensionalen Vernetzungvon wissenschaftlichen Positionen und inter-disziplinären Zugängen gesprochen werdenkann. Von daher, sollte das Buch neu aufge-legt werden, könnte ein Personen- und Sach-register sehr hilfreich sein.Dem Buch wird gleichsam ein konstruktivis-tisches Leitmotiv aus Johann Wolfgang vonGoethes Faust I vorangestellt:„O glücklich, wer noch hoffen kannAus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!Was man nicht weiß, das eben brauchte man,Und was man weiß, kann man nicht brau-chen.“Auch wenn man nur mit großem Selbstzwei-fel hier Widerspruch anzumelden wagte oderwenigstens sich zu einer Relativierung verste-hen will, kann man dennoch festhalten: DasBuch „Vernetztes Lernen“ bringt dem Leser einMehr an Wissen und demjenigen, der päda-gogisch handelt, praktische Erkenntnisse undplausible Handlungsmaximen.

Josef Olbrich

Alison WolfDoes Education matter?Myths about education and economic growth(Penguin Books) London 2002, 332 Seiten,8.99 GBP

Noch ehe das Buch recht Zugang zur päda-gogischen Fachöffentlichkeit gefunden hat, istes reichlich mit Lob, Zuspruch und verhalte-ner Bewunderung versehen worden. Der Eco-nomist schrieb lapidar: „One of the bravest,most interesting and most valuable booksabout economic policy to have appeared oflate“ und Stephen Berry resümiert die bil-dungsökonomische Seite in einer längerenBesprechung: „That someone who workswithin the academic field of education should

question the economic value of educationspeaks for a certain courage.“Beides wird also gerühmt, einerseits die Sach-lichkeit und materiale Dichte und anderseitsder offenbare Mut und die fachlich gegründe-te Couragiertheit, sich gegenüber gängigenbildungspolitischen Annahmen, Vermutungenund Heilsgewissheiten gleichsam gegenläufigund widerständig zu äußern. Ihre methodischeund materiale Versiertheit hat die Ordinariafür Pädagogik an der Londoner Universitätwiederholt bewiesen, durch Publikationen zurLeistungsmessung, zum Mathematik-Unter-richt, zur Reform der Berufsbildung und dies,bisweilen mit einem staatlichen Auftrag ver-sehen, mit einer Perspektive, die internatio-nal-vergleichend genannt werden darf.Das vorliegende Interesse konzentriert sich aufBildung und Ausbildung der Jugendlichen undjungen Erwachsenen nach der Primar- undSekundarstufe, umfasst also Berufsausbildungund Hochschulbildung. Ginge es nur um eineBeschreibung, die sich auch der internationa-len Optik versichert, würde es sich kaum loh-nen, hierzulande öffentliche Notiz von derArbeit zu nehmen, sie könnte im englischenGesprächszusammenhang belassen werden.Indes, hier wird, und darin zeigt sich die bil-dungsökonomische Couragiertheit, der Zu-sammenhang von Bildungsinvestitionen undWohlstand oder Bildungsfinanzierung undökonomischer Zukunftssicherung in einemanderen, als dem geläufigen Verständnis aus-gebreitet. Die Verfasserin erkennt, dass dieBildungspolitik, zumal in allen hoch entwi-ckelten Ländern, davon ausgeht, dass Bil-dungsexpansion auch gleichbedeutend sei mitSteigerung des Sozialprodukts, dass die Zu-kunft durch heutige Bildungsinvestitionen ge-sichert werde. Und wenn das so zutrifft, dannist die stets erneuerte Forderung, das Bildungs-system finanziell besser auszustaffieren, nichtweit.Wolf legt sich und ihren Leser die Frage vor,ob die Fülle der Ausgaben, die Vermehrungder Lehrer, der Hochschulen, der Ausbildungs-und Weiterbildungsmodelle einer bildungspo-litischen Kosten-Nutzen-Überprüfung stand-halte. Also schlichter gefragt: „Have we be-come a nation of scholars?“ und markiert dieangedeutete Tendenz der Bildungsexpansionmit den Worten: „Education is big because itis seen as the engine of economic growth“(S. X). Und über der bildungspolitischen

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Zwangshypothese, dass Bildungsinvestitionund Wachstum stets positiv korreliere, sei ver-gessen worden, „that education ever had anypurpose other than promote growth“ (S. XIII).Also nicht mehr als das alte Klagelied, dassBildung in einer sich an Ausbildungsnormen,Wettbewerb und Globalisierung auslieferndenBildungsphilosophie ihres Bildunsgzieles ver-lustig ginge? Ihre Botschaft ist vergleichsweiseeinfach: „Government needs to concentrate ongiving citizens a good basic education at pri-mary and secondary level; and by ending themyriad of initiatives, give people the time todevelop the variety of educational approaches,curricula and purposes that a large and com-plex society demands“ (S. 256). Bringt manetwas mehr Licht in das hier Gesagte, indemman das Buch aufmerksam durchgeht unddabei vor allem die Kapitel über das Hoch-schulwesen aufmerksam verfolgt (S. 168 ff.,S. 200 ff.), dann erkennt man eine Maxime, dieda lauten könnte: ’Grundbildung auf einemhöheren (primary und secondary) Niveau fürjedermann, Bildung in den Hochschulen fürjene, die sich an Maßstäben akademischerExcellence orientieren’. Man sollte den An-spruch von Excellence nicht einfach als sozi-ale Ausgrenzung diffamieren, sondern sich dieAlternative von Überfüllung, von ausuferndemBerechtigungswesen und materialer Über-frachtung deutlich vor Augen halten: „Wolf la-ments the fact that the increase in student num-bers has reduced the average quality of univer-sity education and produced the famous ‚dum-bing down’ effect“ (Th. Berry). Aufstieg undindividueller Wohlstand, nicht gesellschaftli-cher Wohlstand werde funktionieren nachdem Prinzip „having the right qualification inthe right subjects from right institutions“.Das Thema der positiven Beziehungen zwi-schen Ausbildungsniveau und Wirtschafts-wachstum ist bildungspolitisch eher auf Ah-nungen als auf bildungsökonomische Sicher-heit gegründet, auch wenn Bassini und Scar-petta für die OECD aus einer Längsschnittun-tersuchung über die durchschnittliche Dauerder Ausbildung bei Erwerbstätigen in 21OECD-Ländern meinen schlussfolgern zu kön-nen, „dass im Durchschnitt ein Jahr mehr Aus-bildung bei der gesamten arbeitenden Bevöl-kerung langfristig rund sechs Prozent Wirt-schaftswachstum pro Kopf bringt“ (Der Spie-gel, 53/2002, 14.10.02). Das englische Bei-spiel belegt, dass Ausbildungsdauer und Wirt-

schaftswachstum so banal nicht korrelierenund die empirisch belegte Tatsachenfeststel-lung nicht in Zweifel gezogen werden kann:„But in fact you can’t use the link betweeneducation and earnings to predict anythingabout future growth. The higher incomes ofthe more educated don’t, in themselves, tellyou anything, except that the educated aredoing better than if national income wereshared equally“ (S. 24). Vielleicht sollte dieheutige Bildungspolitik und ihre Investitions-politik anders gewendet werden: dass Wachs-tum eher Bildung bewirkt und dass mehr Bil-dung nicht automatisch zu mehr Wachstumführt. Man wünschte sich, nicht zuletzt we-gen der empirischen Plausibilität und argu-mentativen Schärfe eine Übersetzung insDeutsche, die dann jenen als Pflichtlektüreverordnet würde, die nicht mehr als nur ega-litäre Gesinnung und finanzielle Begehrlich-keit auf ihrer Agenda haben.

Joachim H. Knoll

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Autorinnen und Autoren der Beiträge

Markus Bretschneider, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Erwach-senenbildung in Bonn, E-Mail: [email protected]

Dr. Dieter Gnahs, Privatdozent im Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universi-tät Duisburg-Essen, E-Mail: [email protected]

Dr. Horst Heidbrink, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Psychologie derFernUniversität Hagen, E-Mail: [email protected]

Dr. Stephen Hill, Academic Director of the Centre for Lifelong Learning at the Univer-sity of Warwick, Großbritannien, E-Mail: [email protected]

Elisabeth Kouhdasti-Wappelshammer, wissenschaftliche Leiterin des ÖsterreichischenInstituts für Erwachsenenbildung in St. Pölten, Österreich,E-Mail: [email protected]

Dr. Joyce Hartog McHenry, OMH Business School, Norwegen,E-Mail: [email protected]

Dr. Barbara Merrill, Senior Lecturer in the Centre for Lifelong Learning at the Univer-sity of Warwick, Großbritannien, E-Mail: [email protected]

Torild Nilsen Mohn, Vox, the Norwegian Institute for Adult Education, Norwegen,E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Dr. h. c. Ekkehard Nuissl, Professor im Fachbereich Erziehungswissenschaftder Universität Duisburg-Essen und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Insti-tuts für Erwachsenenbildung in Bonn, E-Mail: [email protected]

Dr. Rüdiger Preißer, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Erwach-senenbildung in Bonn, E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Josef Schrader, Professor im Fachbereich Erwachsenenbildung der Universi-tät Tübingen, E-Mail: [email protected]

Autorinnen und Autoren der Rezensionen

Prof. Dr. Rainer Brödel, Professor im Fachbereich Erwachsenenbildung der Universi-tät Münster, E-Mail: [email protected]

Dr. Karin Dollhausen, Programmleiterin im Deutschen Institut für Erwachsenenbil-dung in Bonn, E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Peter Faulstich, Professor im Fachbereich Erwachsenenbildung der Universi-tät Hamburg, E-Mail: [email protected]

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Dr. Dieter Gnahs, Privatdozent im Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universi-tät Duisburg-Essen, E-Mail: [email protected]

Prof. em. Dr. Joachim H. Knoll, em. Professor für Erwachsenenpädagogik an der Uni-versität Bochum, E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Klaus Meisel, Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung inBonn, E-Mail: [email protected]

Prof. em. Dr. Erhard Meueler, em. Professor im Fachbereich Erwachsenenbildung derUniversität Mainz, E-Mail: [email protected]

Dr. Svenja Möller, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Erziehungswissen-schaften der Universität Hamburg, E-Mail: [email protected]

Dr. Wolfgang Müskens, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Weiterbildungder Universität Oldenburg, E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Dr. h. c. Ekkehard Nuissl, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Institutsfür Erwachsenenbildung in Bonn, E-Mail: [email protected]

Prof. em. Dr. Josef Olbrich, em. Professor im Fachbereich Erwachsenenpädagogik derFreien Universität Berlin, E-Mail: [email protected]

Gerhard Reutter, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Erwachse-nenbildung in Bonn, E-Mail: [email protected]

Dr. Monika Schmidt, Hochschuldozentin im Fachbereich Erwachsenenbildung derUniversität Hannover, E-Mail: [email protected]

Sabine Seidel, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Entwicklungsplanung undStrukturforschung der Universität Hannover, E-Mail: [email protected]

Dr. Richard Stang, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Erwachse-nenbildung in Bonn, E-Mail: [email protected]

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