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STUDENTENZEITUNG WWW.REFLEX-ZEITUNG.CH /// Dezember 2003 AUSGABE 2 VON STUDENTEN /// FÜR STUDENTEN /// UND ALLE ANDEREN Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie /// Ein Tag im grössten Saal der Uni Fribourg Pro/Kontra /// MusicStar Neu /// Kreuzworträtsel und Karicartoon KULTUR /// WIRTSCHAFT /// POLITIK /// GESELLSCHAFT /// AUFRUF /// FREIZEIT /// HUMOR /// KRITIK /// REISEN /// KARRIERE /// POESIE

Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

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Page 1: Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

STUDENTENZEITUNGWWW.REFLEX-ZEITUNG.CH ////// Dezember 2003AUSGABE 2

VON STUDENTEN ////// FÜR STUDENTEN ////// UND ALLE ANDEREN

Reportage /// Mit dem IC von Bern nach ZürichSerie /// Ein Tag im grössten Saal der Uni Fribourg

Pro/Kontra /// MusicStar

Neu /// Kreuzworträtsel und Karicartoon

KULTUR / / / WIRTSCHAFT / / / POLITIK / / / GESELLSCHAFT / / / AUFRUF / / / FREIZEIT / / / HUMOR // / KRITIK / / / REISEN / / / KARRIERE / / / POESIE

Page 2: Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

02 /// re: flex.02 /// 12.2003 VORSTELLUNG re:flex

re:flex: Unser Name ist Programm

Reflex ist nicht bloss ein Name, re:flexist unser Programm. Ein Name, mehrereWortkombinationen. re:flex als unver-blümte, junge Reaktion auf eine Aktion.Nicht oberflächlich, sondern reflektie-rend. Flexibel und doch Gesetzmässig-keiten gehorchend. Beharrlich undwiederkehrend wie die Vorsilbe «re»,eben reflex.

Diese Zeitung ist mehr.

re:flex ist eine Plattform. Sie bietet demLeser die einmalige Möglichkeit zumAutor zu werden. Wir sind grundsätzlichfür alle Beiträge offen. Egal ob Foto-serie, Reportage, Cartoons, Projektvor-stellung oder Kommentar. Bei uns be-stimmen die Autoren selbst über ihrThema. Die Redaktion nimmt nur in-

direkten Einfluss auf die Beiträge. Soachten wir auf eine möglichst gros-se Themenvielfalt (Politik, Karriere, Auf-rufe, Kultur, Wirtschaft, Freizeit, Startup's, Reisen, Literatur, Humor, Kritik,...).re:flex bietet aktiven Studenten, Absol-venten und allen anderen interessiertenjungen Menschen die Möglichkeit, ihreIdeen, Gedanken und Meinungen einembreiten Publikum in der Deutschschweizzu veröffentlichen. So bleiben wir undder Leser ständig am Puls der Gesell-schaft.

re:flex = 3

Die Zeitung zerfällt in drei Teile: Die Ru-brik «select», fixe Rubriken und Unter-haltung. Der erste Teil besteht aus dervariablen Rubrik «select». Dort stehen

Editorial

/// Text: Christian Birmele

/// Michael Zeugin, Leitung & Internet /// Veljko Stanic, Inserate

Diese Zeitung bietet Euch fundierte junge Meinungen und inspirierende In-halte. Sie regt zum Reflektieren an.

/// Text: Christian Birmele

Herzlich Willkommen beim Lesen derzweiten Ausgabe von re:flex.

Nun haltet Ihr schon die zweite Ausgabe die-ser Zeitung in den Händen und eines kannich gleich versprechen. Wir haben uns be-ständig gesteigert. Vor allem was die Qua-lität der Artikel betrifft. So haben wir zusätz-lich einen Redaktor an Bord geholt und dieZusammenarbeit mit unserem Coach vertieft.Damit bieten wir Euch noch spannendereund besser recherchierte Artikel. Besondersder Leitartikel «Bagger, Würfelzucker undSchräghang-Landwirtschaft» hat es insich. Der Autor leuchtet ein bekanntes The-ma komplett neu aus. Eine alltägliche Zug-fahrt wird zur Entdeckungsreise in die Wirt-schaft unseres Landes. Neu ist auch derBeginn der Serie «Ein Tag im grösstenVorlesungsaal von ...» in der Uni Fribourg.Nichts beschreibt eine Universität besser alsihr Angebot an Vorlesungen. In Fribourg wirddie Spezialisierung auf Theologie, Rechts-und Geisteswissenschaften besonders deut-lich. Für diese Serie, wie für die gesamte Zei-tung, suchen wir übrigens noch Autoren.Ganz eurer Unterhaltung dienen die neuenRubriken «Karicartoon» und «Kreuzwort».Gerade letzteres wird eure Kombinationsga-be auf eine harte Probe stellen.Viel Spass beim Lesen und Diskutieren

Korrigenda

In der letzten Ausgabe wurde, bei der Vor-stellung der jungen Grünen, Doris Scheuchfälschlicherweise zur Präsidentin gemacht.Dem ist nicht so.Wir bitten deshalb um Entschuldigung.

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eure Beiträge. Das ist die eigentlichePlattform. Darin finden auch Projekt-oder Vereinsvorstellungen Platz. Derzweite Teil beinhaltet fixe Rubriken wie«Bitte wenden» oder Serien. Der letzteTeil schliesslich will einfach nur unter-halten. Dazu gehört selbstverständlichdas Kreuzworträtsel, die Karikatur oderCartoons.

Von der Idee zur Zeitung

Vor einem Jahr hatte Michael Zeugin dieerste Idee zur Gründung der neuen Zei-tung. Schon einige Monate später ge-sellten sich Veljko Stanic und ChristianBirmele hinzu. Bis zum ersten konkre-ten Konzept verging aber noch viel Zeit.Erst im Mai 2003 stand die Zeitung so-wohl von der Organisation als auch vom

Konzept her fest. Ende Juli stiess eineprofessionelle Layouterin zum Teamund bescherte re:flex die obligatorischeWebseite sowie einheitliches Auftreten,wie auch die grafische Konzeption derZeitung. Um einiges schwieriger gestal-tete sich die Suche nach den ersten In-serenten. Leider stösst in diesen hartenZeiten ein Studentenprojekt nicht im-mer auf offene Ohren. Doch schlussend-lich konnten vier Partner für das Projektre:flex gewonnen werden. Am Freitag,10. September, war es soweit. re:flexwar nicht länger Projekt sondern dieneuste Zeitung in der Schweiz. Und jetzthaltet Ihr bereits die zweite Ausgabe inder Hand. Wir gehören weder zu einer studentischen

Organisation noch sind wir einer politi-schen Gruppierung angeschlossen.

VORSTELLUNG re:flex 03 /// re: flex.02 /// 12.2003

/// Christian Birmele, Redaktion /// Men Keller, Distribution

Aufruf: Schreibt+Fotografiert für re:flex

Impressum Leitung und Internet: Michael [email protected]

Chefredaktion: Christian BirmeleBoulevard de Pérolles 461700 FribourgTel: +41 (0)26 422 [email protected]: Fabio MauerhoferKreuzworte: Andrea EllerLektorat: Jürg SchlegelLayout: PocahontasCoach: Dr. Hermann Schlapp

Inserateverkauf: Veljko [email protected]

Distribution: Men [email protected]

Druck: Zehnder DruckereiPostfach 73, 9501 Wil SG

Auflage: 20 000 Exemplare

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auchauszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Gebnehmigung der Redaktion.

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Bagger, Würfelzucker und Schräghang-Landwirtschaft 05Reportage von Joël WidmerWas alles sieht der Reisende im Zug vonBern nach Zürich. Weit mehr als nur Land-schaften und Häuser. Seht Ihr es auch?

Vernunft Schweiz 08ProjektvorstellungDer Verein Vernunft Schweiz hat ambitiöseZiele. Sind sie utopisch oder verlangt dieSchweizer Demokratie tatsächlich nach mehrErklährung?

Lehrstellenbörse 09 ProjektvorstellungDer Verein zur Förderung der Lehrstellenver-mittlung hat ein einleuchtendes Ziel. Wiesteht es mit der Umsetzung?

Serie: Ein Tag im Auditorium B der Uni Fribourg 10 Was hat die Uni Fribourg während einem Tagin ihrem grössten Saal zu bieten?

Bitte Wenden: MusicStar 11Pro/Kontra von Sandra Müller/Fabio Mauer-hoferJetzt läuft die Starsuche auch in der Schweiz.Wird sie halten, was sie verspricht?

Karicartoon 13Humorvolles vom Nebelspalter und Milan Ta-bacek.

Späte Einsicht 14Kurzgeschichte von Reto BoschungBald ist Weihnachten. Wird der alte Mannseine guten Vorsätze noch umsetzten kön-nen oder ist es bereits zu spät?

Kreuzwort 15Gehirntraining für Fortgeschrittene

Inhaltsverzeichnis

Ja Genau!Hier könnte Ihr Inserat

stehen und für Furore sorgen...

Inserat

04 /// re: flex.02 /// 12.2003 INHALT

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Bagger, Würfelzucker und Schräghang-LandwirtschaftEindrücke von der Bahnfahrt mit dem Intercity von Bern nach Zürich

/// Front: © Foto SBB /// Text und restliche Bilder: Joël Widmer

Links die Reitschule, rechts die Chilbi zumZibelemärit Ende November. Wer Bern perBahn in Richtung Zürich verlässt, überquertdie Schützenmatte. Sie ist Berns Kirmes-platz, Aufmarschgelände für die nationalenGrossdemonstrationen, Zufluchtsort derDrogendealer und Pufferzone zwischen derPolizei und den autonomen Gruppierungender Reitschule. Der Intercity beschleunigt.Ein kurzer Blick noch auf die grau-grünenSandsteinhäuser hoch über der Aare. Dannschweift das Auge über die nahen Balkoneder Lorraine-Häuser, die Gewerbegebäudevon Bern-Nord, die Autobahnbrücken, dieunzähligen Graffitis. Mit einem Schlagschwenkt der Blick zurück ins Abteil. DerGrauholztunnel. Der Gedankenfluss brichtab. Die Leere des schwarzen Fensters über-

trägt sich aufs Gehirn. Dieses ruft nach stän-diger Stimulation. Schnell ist die Zeitung zurHand. Minuten später. Ein leicht erhöhterOhrendruck. Das Ende des Tunnels. Tages-licht flutet das Abteil. Die Sonne wärmt denUnterarm. Die Zeitung sinkt auf die Knie. DieGedanken haben wieder freien Lauf.

Bahn2000 und Aebi-Maschinen

Der IC fährt nun Richtung Burgdorf undkommt damit vom direktesten Weg nach Zü-rich ab. Doch nicht mehr lange. Ende 2004ist die neue Bahn2000-Strecke zwischenBern und Olten fertig. Dann wird der IC nachdem Grauholztunnel der A1 folgen. Erst abHerzogenbuchsee wird er wieder dieselbeLandschaft wie bisher durchqueren.

Damit wird dem Reisenden die schön gleich-mässig kurvige Fahrt durch das hüglige Ber-ner Mittelland entgehen. Eine Landschaft, in der sich stattliche Bauernhäuser an sanf-te Hügel schmiegen und die Bauern an stei-len Hängen mit dem Aebi-Terratrac, demquadratischen Traktor mit vier gleich grossenReifen und tiefem Schwerpunkt, das Grasmähen. Die Aebi-Landmaschinen, produziertin der Fabrik beim Bahnhof Burgdorf, sindwie der Bucher-Heulader Inbegriffe derSchweizer Schräghang-Landwirtschaft.In der sich öffnenden Ebene vor Herzogen-buchsee kann der IC wieder beschleu-nigen. Weiter geht's vorbei an Bützberg,Langenthal und der Amman AG, der Bau-materialien- und Baumaschinen-Firma vonNationalrat Schneider-Ammann. Die Bag-

05 /// re: flex.02 /// 12.2003select: REPORTAGE

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gerlobby sitzt also nicht nur im Rheintal. DerZug taucht unter die Nebeldecke des Mittel-landes, welche das abgebrannte Fabrikge-lände in Roggwil noch gespenstischer er-scheinen lässt. Roggwil, ein kleinesStädtchen im bernischen Oberaargau, be-kannt für Wummern und Gedröhne. In Rogg-wil machte man halt, um bei Techno zu tanzenoder hält man heute, um im Go-Kart zu rasen.

Immer nur Bagger und Kräne

Die neue Bahnstrecke taucht in Roggwilnicht nur unter den Nebel, sondern stichtauch in den Berg. Dies genau dort, wo heuteder IC ein Stück der schönen Aare nach fährt.Kurz vor Rothrist, links der Importeur vonLiebherr. Schon wieder Bagger und Kräne.Rechts ein grosser Parkplatz vollgestellt mit Neuwagen. Auch Importeur, diesmal vonFord, der Urmarke des Automobils.

In Rothrist schnellt der IC vorbei an der Rivella-Fabrik, wo seit 1952 das typisch-schweizerische Blötterli-Wasser mit Milch-serum hergestellt wird. Auch der Bahnhof Olten hat schon Bekanntschaft mit Baggerngemacht. Damals, als Bagger-Küde mit ei-nem Arbeitsgerät einen heben wollte.Im Abteil nebenan schwelgen die Kunstturnervom TV Köniz in Erinnerungen an die unzäh-ligen Trainingslager in Bulgarien. Auf der englischen Isle of Man waren sie auch schon.«Ein trostloser Ort», sagen sie. Und die Eng-länder hätten nicht mal einen Ausflug organi-siert. Dabei seien sie mit denen, als sie hierwaren, aufs Stockhorn gegangen. Mit derganzen Gruppe.

Zucker und Futtermittel

Kurz nach Aarau fährt der IC schnurgeradedurch den Wald und danach durch Ruppers-

wil. Die Zuckermühle steht direkt am Bahn-gleis. Hier wird europäischer Rübenzuckerverarbeitet und nicht der ergiebigere Rohr-zucker. Napoleon hatte 1806 den kolonialenRohrzucker verboten. Der Rübenzucker wirdin Rupperswil zu Würfeln; die mit dem Kan-tonswappen drauf. Und er wird in Beutel ver-packt, zu acht Gramm «Bauernhäuser», zusechs Gramm «Lebensweisheiten», leideraber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm«Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen Kaffee auf die Lehrstunde über Hun-derassen verzichten: «Der Basset-Hound istfeinfühlig, geduldig mit Kindern und seinemBesitzer sehr ergeben.»Aus Lenzburg werden Mensch und Tier mitFutter versorgt. Von Hero mit Konserven,Konfitüren, Riegeln und Suppen. Vom UFA-Mischfutterwerk mit speziellem Ferkel-Star-terfutter und Zuchtschweine-Ergänzungsfut-ter.

06 /// re: flex.02 /// 12.2003 select: REPORTAGE

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«Bier, Mineral, Sandwiches.» Die Minibar rüt-telt vorbei. Bei der Türe zum nächsten Wagendreht der Barmann einen Vierkantschlüsseleinmal nach rechts. Im Unterdeck des Dop-pelstockwagen erklingt nun: «Im Oberdeckdieses Wagens … le Helvetino-railbar … willserve you now.»

Amp und Fressbalken

Bei Othmarsingen rauscht der IC am AMPvorbei. Die Armee parkt hier hunderte vonMotorwagen. Das zeigt allen Reisenden oder Touristen die ausserordentliche Wehr-bereitschaft der Schweiz. Saurer 6DM undaltehrwürdige 2DM-Schnauzer stehen inReih und Glied. Gleich nach dem Tunnel zwischen Melligen und Spreitenbach ist links für kurze Zeit der Fressbalken über derA1 zu sehen. Eine Autobahnraststätte inForm einer 140 Meter lange und sechs Fahr-

bahnen überspannenden Restaurant- undShoppingbrücke. 1972 erbaut, war sie die er-ste dieser Art in Europa, schreibt die Ge-meinde Würenlos stolz.Nach Spreitenbach, dort wo das Limmattalbreiter wird, fährt der IC dem Rangierbahn-hof entlang. Ende der 80er Jahre hatte Ar-chitekt Peter Vetsch, eine Koryphäe des Erdhausbaus, die Idee, die riesige Gleisflä-che mit einem Berg zu überdecken. Vier Kilo-meter lang, 500 Meter breit und 30 Meterhoch sollte der so benannte Limmatberg wer-den.

«alles wird gut»

Der Aargau ist durchquert. Der Kanton Zürichbeginnt. In Dietikon ein kurzer Blick auf diegestaute ruhige Limmat. Dann vorbei amBrockiland und Auto Züri West 2. Fahrt durchSchlieren: Postzentrum, ABB, Julius Bär,

IBM. Nach Altstetten öffnet sich das Gleis-feld. In der Ferne ragen die vier markantenWohntürme beim Letzigrund aus der sonstniedrig gebauten Wirtschaftsmetropole.Links die Toni Molkerei, wo keine Milch zuJoghurt wird, sondern Partygänger durch Al-kohol zu Ausgehfreude. Nebenan fährt mit gleicher Geschwindigkeitder Zug von St. Gallen ein. Kurz vor demHauptbahnhof vermisst man die abgerisseneAufmunterung des Wohlgroth: «Alles wirdgut.» Fast der ganze Zug entleert sich, weiterin die Ostschweiz gehen nur wenige. Die Um-steiger drängen hinaus. Sie hasten zu ihrenAnschlüssen. «Auf Gleis 13 wartet der Inter-city nach Ziegelbrücke, Landquart, Chur. AufGleis 17…»

[email protected]

07 /// re: flex.02 /// 12.2003select: REPORTAGE

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08 /// re: flex.02 /// 12.2003 PROJEKTVORSTELLUNG

Abstimmung - eine Lotterie?Der Verein Vernunft Schweiz stellt sich vor

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den 18.Mai 2003. An diesem Sonntag stimmte dieSchweiz auf Bundesebene über siebenVolksinitiativen und zwei Referenden ab. Eswaren komplexe Abstimmungsthemen. De-ren Annahme hätte die Schweiz an einem Tagstark verändert. Zu den neun nationalen Vor-lagen kamen noch die kantonalen hinzu. Dieswar ein wichtiger Tag für die Schweiz.Bei einem Ereignis mit so grosser Tragweiteist eigentlich zu erwarten, dass sich alleStimmbürger verantwortungsbewusst infor-mieren. Denn nur wenn man sich seriös in-formiert, ist man in der Lage die richtige Ent-scheidung zu treffen - so lautet zumindest dieAnnahme. Untersuchungen kurz vor undnach der Abstimmung ergaben jedoch einbeängstigendes Bild: Ein Viertel der Perso-nen, die überhaupt abgestimmt haben, ver-standen die einzelnen Vorlagen. Der Reststimmte auf gut Glück.Mehr als die Hälfte der weltweit durchge-führten Volksbefragungen finden in derSchweiz statt. Darum sind in keinem anderenLand die Anforderungen an das Volk so hoch.In keinem anderen Land muss der Stimmbür-ger so viel wissen wie in der Schweiz. Wiesoll man sich also am besten informieren, da-mit man bei der Abstimmung keine Lotteriespielt? Grundsätzlich gibt es drei Informa-tionsquellen: Die Parteien, die Abstim-mungsunterlagen und die Medien. Erstere er-zählen natürlich nur das, was ihrer Positionbestätigt. Jede Partei interpretiert dieselbeZahl jeweils anders. Am Schluss ist man nochverwirrter als am Anfang.

Medien

Das Schweizer Fernsehen berichtet mit hoher Qualität und relativ neutral. Doch las-sen sich im Fernsehen nur wenige Informa-tionen vermitteln. Eine Gegenüberstellungder Positionen ist schwierig. Die Printmediensind besser geeignet Hintergrundinformatio-nen zu liefern und Details auszuleuchten.

Doch diese berichten, wie die Parteien, oftnicht neutral. Zu den Abstimmungen am 18.Mai hat beispielsweise der Tages-Anzeigereigene Abstimmungsempfehlungen heraus-gegeben. Die Zeitung agiert wie eine Partei.Das hilft dem Leser nicht unbedingt weiter,denn Parteien gibt es schon genug.

Abstimmungsunterlagen

Bleiben noch die Abstimmungsunterlagen.Diese werden an alle Stimmbürger versandt.Anscheinend aber nur von wenigen Bürgerngelesen und von noch weniger wirklich ver-standen. Befürworter und Gegner tragen ihre Argumente getrennt auf verschiedenenSeiten vor. Für den normalen Bürger ist esschwer zu erkennen, welche Argumente danun zusammengehören. Schenkt man gargewissen Studien Glauben, dann kann eindurchschnittlicher Schweizer kaum eine A4Seite Text korrekt lesen. Wie liest er dann dieganze Abstimmungsbroschüre?

Vernunft Schweiz

Es scheint als seien alle Informationsquellenentweder zu wenig neutral, zu umfangreich

oder zu kompliziert. Das Resultat ist vier Malim Jahr eine nationale Lotterie, bei welcherdie Zukunft der Schweiz bestimmt wird.Sechs Studenten wollen dies nicht länger akzeptieren. Mit viel Motivation und ein bisschen Naivität haben sie sich vorgenom-men ein Medium zu kreieren, welches die genannten Mängel beseitigt: Kurz, einfachund neutral muss es sein. Der Bürger sollsich möglichst schnell einen Überblick überalle Argumente verschaffen können. Damitkann er schliesslich selbstständig entschei-den, was gut für ihn ist, ohne auf die Vorga-ben der Parteien vertrauen zu müssen. DasResultat dieser Initiative war der Verein Vernunft Schweiz. Dieser veröffentlicht kurzeInfopapiere zu aktuellen Themen und Ab-stimmungen auf seiner Homepage www.ver-nunft-schweiz.ch in der Hoffnung, dass dieStimmbürger besser informiert werden.

Daniel Läubli ist 21 und Präsident des Ver-eins Vernunft Schweiz. Er studiert an derUni St. Gallen und arbeitet daneben als

Selbständiger Informatiker.

[email protected]

/// Text: Daniel Läubli /// Bilder: Vernunft Schweiz

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PROJEKTVORSTELLUNG 09 /// re: flex.02 /// 12.2003

Studenten helfen beim Suchen der LehrestelleDer Verein zur Förderung der Lehrstellenvermittlung stellt sich vor

/// Text: Philippe Willi /// Bilder: Adrian Locher

20 Jahre alt, 1.90 m gross und ganze 105 kgschwer, das ist Philippe Willi der Präsidentdes Vereins zur Förderung der Lehrstellen-vermittlung. Er studiert an der HSG, fährtaber keinen BMW sondern Zug. Er stammtaus einfachen Verhältnissen. «Mich macht derFilz in der Schweiz einfach wütend,» dekla-riert er gleich zu Beginn «aber damit eines klarist. Ich gehöre keiner Partei an.»Zusammen mit fünf Kommilitonen der Uni St. Gallen haben sie beschlossen ihre Freizeiteinzusetzen, um den Lehrstellensuchendenbei der Suche nach einem Traumjob zu hel-fen. Im Dschungel der verschiedenen kanto-nalen Datenbanken ist es für den Schulab-gänger nicht leicht seine Lehrstelle zu finden.Konkret, haben es die kantonalen Ämter fürBerufsbildung noch immer nicht erreicht einenationale Lehrstellenplattform zu schaffen.

Umsetzung von Ideen in der Schweiz

Nach der Gründung des Vereins am 5. Sep-tember 2003, zog Philippesogleich aus, umseine Ideen zu verwirklichen und etwas zuverändern. Schon elf Tage später traf er einehohe Beamtin des Amtes für Berufsbildungdes Kantons St. Gallen. Die Sitzung dauerteetwa eine Stunde. Es wurde viel diskutiert.

Am Ende kam aber die Ernüchterung. DieDame meinte unverblümt: «Eure Initiative istüberflüssig» Und gleich doppelte sie nach:«Wisst Ihr eigentlich gegen wenn ihr an-tretet?» Niedergeschlagen verliess Philippedas Büro. «Es ist schon verdammt hart, wennman von einer für das Projekt sehr wichtigenStelle hört, dass sein Engagement überflüs-sig ist», meint er. Die Motivation des Teamswar auf dem Tiefpunkt. Die Fünf stellten dasProjekt in Frage und dachten ernsthaft darü-ber nach es zu beerdigen. «Vor allem Politikerproklamieren doch immer wieder, wie wichtigdie junge Generation ist und fordern derenEngagement», erklärt Philippe verärgert undfährt fort: «Wenn man dann aber mit einer Initiative kommt, sind es oft genau diese Po-litiker, die nichts davon wissen wollen.»

Eine Story mit Happy End

Trotz allen bürokratischen Widrigkeiten ent-wickelt sich der Verein langsam aber sicherzu einem ernstzunehmenden Faktor auf demLehrstellenmarkt. Das beweist die eindrucks-volle Liste der Komiteemitglieder. Dort findensich neben neun Nationalräten auch Vertreterder wichtigsten nationalen Jungparteien.Darüber hinaus konnte der Verein schweiz-

weit bekannte Unternehmen für sich gewin-nen, so die Hilti (Schweiz) AG, die IBMSchweiz und die St. Galler Kantonalbank. Da-neben befinden sich über 200 weitere Unter-nehmen in der Datenbank. Durch die Part-nerschaft mit dem Ausbildungszentrum inWinterthur ist auch die professionelle Unter-stützung sichergestellt. Auf diese Erfolge istPhilippe als Präsident natürlich besondersstolz: «Trotz allem, innovative Ideen haben inder Schweiz doch eine Chance. Seit wir diePlattform Anfang Oktober aufgeschaltet ha-ben, hat sich einiges getan.» Dann fügt eraber noch hinzu: «Die Rahmenbedingungensind aber alles andere als ideal dafür. Manmuss damit rechnen, dass einem von ganzunerwarteter Seite her Steine in den Weggelegt werden». Er ruft daher alle Jungen da-zu auf ihre Ideen zu verwirklichen. Denn dieSchweiz braucht junge und frische Köpfe,welche an einer ebenso jungen und frischenSchweiz arbeiten.

Philippe Willi ist Präsident des Vereins zurFörderung der Lehrstellenvermittlung

Das Team besteht zudem aus: Adrian Lo-cher, Valentin Binnendijk, Max-Antonio Bur-

ger-Calderón, John Cassidy und Maartenwww.lehrstellenboerse.ch

Page 10: Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

08:15 Das Auditorium B ist bis auf den letz-ten der 300 Sitzplätze besetzt. Die Pendleraus Bern reiben sich noch den Schlaf ausden Augen. Der Professor aber hat kein Er-barmen mit Träumern und legt gleich los. Mor-genstund hat Geschichte der Sozialwissen-schaften im Mund. Auf ein freundliches:«Meine Damen und Herren, guten Morgen»,folgt im selben Atemzug «wir haben noch einen Nachtrag zur letzten Stunde zu ma-chen.» In diesem Eiltempo geht es weiter.Wer mit Schreiben angefangen hat, kommtnicht mehr zur Ruhe.09:15 Keine Linderung für die strapaziertenHandgelenke in Sicht. Als Zückerchen erfah-ren wir immerhin, dass er mit seiner Tochteran einem Konzert von Rap-Star Nelly gewe-sen sei: «Ich kann das nicht nachvollziehen.Mir fehlt der existenzielle Bezug zu dem, wassich Rap nennt.» Soziologen sind auch nurMenschen.11:02 Nach einer Stunde der Leere tauchenaus dem Nichts neue Studenten auf. Der Altersdurchschnitt und die Kleidung habensich deutlich verändert. In Mönchskutten oder Nonnengewand schweben die etwasanderen Studenten dem Hörsaal entgegen.Wer in «zivil» erscheint, trägt zumindest einKreuz um den Hals oder hat eine Bibel in der Hand. Eine Theologievorlesung, der ein-zige französischsprachige Unterricht an die-sem Tag in der Hochburg der Zweisprachig-keit. Die Studenten schweigen für einmal wie ein Grab, denn zuerst wird gemeinsamgebetet. Die anschliessende Lesung suchtihresgleichen. Kein überflüssiges Gespräch,kein Handy-Geklingel. Aufmerksam lauschendie angehenden Theologen der Stimme desDozenten, die den ganzen Raum erfüllt. Nurein Etui, das auf den Boden fällt, stört diehimmlische Ruhe. Alle drehen den Kopf, undder Redner hält kurz inne. Ein eindrücklichesErlebnis.12:15 Die Ethnologen treten zu ihrer Vorle-sung an. Hier sticht vor allem der Professoraus der Menge heraus. Er betritt den Saalausgestattet mit Pelzkappe und Bauch-

tasche. Darüber hinaus besitzt er die ausser-gewöhnliche Gabe, gleichzeitig trinken undsprechen zu können.13:15 - 17:00 In den beiden nachfolgendenVorlesungen Zeitgeschichte und Europa-recht nimmt alles seinen altbewährten aka-demischen Lauf. Studentischer Einsatzwillezur Beantwortung von Fragen ist fehl amPlatz, bloss der Schreibeifer zeugt von einergewissen Teilnahme.17:15 Die Methoden der empirischen Kom-munikationsforschung füllen die letzten bei-den Stunden des Uni-Alltags aus. Das Ge-

schwätz unter den Studenten will nicht ver-stummen, was den Professor aber nicht wei-ter irritiert. Er stellt demonstrativ sein Mikro-fon lauter, was die Geräuschkulisse imHintergrund ein wenig eindämmt. Nach «flot-ten fünf Minuten mit administrativen Informa-tionen», beginnt er erleichtert mit dem Unter-richtsstoff. Die Müdigkeit der Studentennimmt langsam Überhand. Bei einigen sen-ken sich die Lider und andere denken bereitsüber die sinnvollere Gestaltung des Abend-programms nach.

10 /// re: flex.02 /// 12.2003 UNIVERSITAS

/// Text: Redaktion re:flex /// Bilder: Pressedienst Universität Fribourg

Alles AbsitzenEin Tag im Auditorium B: dem grössten Vorlesungssaalder Uni Fribourg

Page 11: Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

Gebt Schweizer Künstlern Eine Chance Pro MusicStar

Die Kandidaten für die Qualifikationssendung vom 7.12.2003: v.l.n.r. (vorne) Luciana Di Nardo und Sergio Luvualu; (hinten) SebastianBürgin, Katy Winter, Michele Romano, Sabrina Auer, Martin Oswald, Olivia Studer. /// Text: Sandra Müller /// Bilder: SF DRS/Christian Lanz

Junge Künstler in der Schweiz haben es nichteinfach, selbst für die bereits bekannten na-tionalen ist das Überleben schwierig. Oftbleibt beiden nichts anderes übrig, als derHeimat den Rücken zu kehren und ihr Glückim Ausland zu suchen. Denn dort sind dieChancen den Durchbruch zu schaffen undvon der Musik zu leben deutlich grösser. Eingutes Beispiel dafür ist Popsänger PatrickNuo. Er feiert in Deutschland einen Erfolgnach dem anderen, hat aber seine ersten mu-sikalischen Schritte in der Schweiz gemacht.Uns hingegen fehlt eine neue musikalische In-tegrationsfigur. Ein Popidol, das die Massenbewegen kann. Einen Star, der Britney undRobbie von den Posterwänden verdrängt.Wir können uns nicht ständig auf DJ Boboberufen, oder einen Gölä an die World MusicAwards schicken. Der Zeitpunkt einen eige-nen Popstar zu suchen, könnte folglich nichtbesser sein. Das schweizerische Musikge-schäft ist auf frischen Wind angewiesen. MusicStar gibt den jungen Sängern in derSchweiz die einmalige Chance, sich auf eineröffentlichen Plattform zu präsentieren, sich

untereinander zu messen. Die Teilnehmerdurchlaufen ein intensives Training. Vielestossen dabei an ihre Grenzen. Einige über-schreiten sie sogar. Es ist ein Spiel und dochharte Realität.Als Teilnehmer ist eines garantiert: Man lerntmit Siegen oder Niederlagen umzugehen unddabei immer Kritik einzustecken. Gefordertist nicht nur Können oder Talent, sondern vorallem eine konstante Leistungssteigerungund Durchhaltevermögen. Gibt es eine bes-sere Vorbereitung auf das Musikbusiness? Auch für die Zuschauer hat das SchweizerProjekt MusicStar einiges zu bieten. Die lang-weiligen Fernsehabende am Sonntag habenendlich ein Ende, wenn uns Roman Kilchs-perger und Nina Havel auf eine Reise durchdie Musikgeschichte mitnehmen. Dank Mu-sicStar hören wir wenigstens einmal in derWoche die ganze Vielfalt der populären Mu-sik, welche VIVA und MTV vermissen lassen.Für Spannung und Emotionen wird auf jedenFall gesorgt. Was kann der Zuschauer mehrvon einem Schweizer Fernsehabend verlan-gen?

In vielen Ländern ist diese Art der Suche nacheinem Popstar seit mehreren Jahren erfolg-reich. Jetzt kann SFDRS zeigen, dass sie dasKonzept besser, professioneller und fairergestalten kann als die übrigen, weltweit ähn-lichen Sendegefässe. Denn die Sendungkann mit talentierten Kandidaten und einerkompetenten Jury aufwarten. Gefragt ist nichtder beste Sprücheklopfer unter den Jurorenoder der erfolgreichste Frauenschwarm unterden Teilnehmern. Nur ein echter sängerischerRohdiamant wird die Spitzen der Charts er-klimmen und dort über längere Zeit in vollemGlanz erstrahlen.Geben wir MusicStar eine Chance! Lassenwir den typischen Pessimismus für einmalbeiseite. Denn vielleicht ist das der Weg, denein Star heute gehen muss, um seine Musikauch über unsere Landesgrenzen hinaus un-ter die Leute bringen zu können.

Sandra Müller ist 21 Jahre alt und studiertJura in Fribourg. Ihre Interessen sind Tan-

zen, Singen und Schlafen.sandra.mü[email protected]

BITTE WENDEN 11 /// re: flex.02 /// 12.2003

Page 12: Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

Alexander Klaws aus Deutschland. MichaelTschuggnall aus Österreich. Jenifer Bartoliaus Frankreich. Sie alle haben es geschafft.Sie sind die jeweilige Landesauswahl anSuperstars, Starmaniacs und Star-Akademi-ker. Penetrant lächeln uns sie von den Titel-bildern der bunten Illustrierten entgegen. Ausdem Fernsehprogramm sind sie nicht mehrwegzudenken. Nicht einmal mehr im Radiokann man sie überhören.Die Popsternchen vermehren sich explo-sionsartig. Als wenn akuter Sternenmangelherrschte. Rund um den Globus blinkt undfunkelt es. Dabei gibt man sich nicht mit einerAusgabe zufrieden. Deutschland sucht schonwieder einen Superstar. In Frankreich laufengar alle Variationen der Starsuche gleichzei-tig. Es gibt nichts Einfacheres mehr, als Starzu werden. Vorbei sind die Zeiten, als ein Mu-siker sich über Jahrzehnte behaupten musste,um als aussergewöhnlicher Sänger gefeiertzu werden.Stattdessen mischen die Fernsehanstalteninnerhalb weniger Monate in ihrem Casting-Labor eine fixfertige Retorte. Sie kreuzen ei-ne grosse Portion Selbstüberzeugung, me-dienwirksame Ausstrahlung, ein wenigtänzerisches Können mit einer Pipette sän-gerischem Talent. Fertig ist der gezüchtetePopstar aus dem Reagenzglas, welcher diepubertierende Masse zu Tränen rührt und vordie Bildschirme lockt.Das Konzept ist einfach, der Verschleiss rie-sig. Innert kürzester Zeit wird eine CD aufge-nommen. Der Star steht für wenige Monateim Rampenlicht. Ständiger Stress nagt amNervenkostüm der Jung-Talente. Wen küm-mert es, wenn sie wegen mangelnden Erfol-ges nach wenigen Monaten vom Pop-Himmelwieder auf den Boden der Realität fallen?Der nächste Popstar folgt sogleich undschliesst die entstandene Poster-Lücke ander Zimmerwand. Ein bedenklicher Sieg derQuantität über die Qualität.Erstaunlich bloss, dass das Konzept so über-haupt noch funktioniert. Es muss wohl an un-

serer Freude am sängerischen Versagenbeim Casting und an den zum Kultstatusavancierten Juroren liegen. Überambitionier-te Kampftänzer, notorische Sprücheklopferund ein ernster, graumelierter Charmebolzenspielen Woche für Woche die Götter auf demMusik-Olymp. Dabei ist deren göttliche Be-rufung in die Jury oft nicht einmal durch ihr ei-genes musikalisches Talent erklärbar.Obwohl das Konzept bereits überholt undder Ausgang der Show vorhersehbar ist, star-tet das Schweizer Fernsehen dank österrei-chischer Unterstützung ihre Version Music-Star. Zurückhaltend, abwartend, (zu) spät -eben typisch schweizerisch. Abheben kön-nen wir uns nur noch durch die Pseudo-Ethik.Diese bringt uns aber kaum mehr als dasStandard-Resultat am europäischen Song-Contest ein: «La suisse - zéro points.»

Bühne frei für die wochenendliche «I swear»-«Killing me softly»-Parade, einem déjà-enten-du im Quadrat. Immerhin wissen wir diesesMal bereits, dass wir am Ende bloss eine undnicht wie im Vorjahr auf TV3 gleich vierSchweizer Tränen vergiessen müssen.

Fabio Mauerhofer ist 23 Jahre alt und studiert Medien und Kommunikation in

Fribourg. Er interessiert sich für Eishockey,Musik und Liebe

[email protected]

MusicStar auf SF1 immer um 20:351. Qualifikation Sonntag, 07. Dezember: 2. Qualifikation Sonntag, 14. Dezember3. Qualifikation Sonntag, 21. Dezember

Mehr Daten und Infos auf www.sfdrs.ch

12 /// re: flex.02 /// 12.2003 BITTE WENDEN

Gezüchtet aus dem Reagenzglas der MedienKontra MusicStar

Vorsingen vor der Jury im Studio 3 von SF DRS./// Text: Fabio Mauerhofer /// Bilder: SFDRS Christian Lanz

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KARICARTOON 13 /// re: flex.02 /// 12.2003

Milan Trunec ist 25 Jahre alt und Studentder Publizistik in Zürich. Er lebt in Winter-

thur. Neben Cartoons interessiert er sich fürbritischen Humor, Sprachen und Frisbee

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Page 14: Reportage /// Mit dem IC von Bern nach Zürich Serie ...sechs Gramm «Lebensweisheiten», leider aber nicht mehr in Beutel zu fünf Gramm «Hunde». Wir müssen also beim morgend-lichen

14 /// re: flex.02 /// 12.2003 KURZGESCHICHTE

/// Text: Reto Boschung /// Bilder: Christian Birmele

Er sass auf seinem alten Polstersessel undstarrte aus dem Fenster. Draussen fiel schonseit Tage ununterbrochen Schnee. Im Hinter-grund schepperte eine alte Platte der WienerSängerknaben und erfüllte das Wohnzimmermit einer warmen, gemütlichen Stimmung.Der Duft von Zimt und Honig lag in der Luft.Ausgefranste, goldene Decken und Kissenbedeckten die Möbel. Endlich wieder einmalweisse Weihnachten im Kreise der Familie.Leider stand die Feier erst in einer Woche aufdem Programm, und er würde sie vielleichtschon nicht mehr miterleben können.Die Pendeluhr, die neben einem Bild von Albert Anker an der Wand hing, zeigte fünfvor vier. Er drehte seinen Kopf in Richtung Kü-che und rief seiner Frau zu: «In fünf Minutenist es Zeit für meinen Kamillentee.»Seit Jahren lebten sie nach dem gleichen Tagesablauf. Den grössten Teil ihres Tagesverbrachte seine Frau damit, in der Küche fürihn zu kochen, seine Kleider zu waschen oderdie muffige Wohnung in Stand zu halten. Wiees sich gehörte, blieb er die meiste Zeit in sei-nem durchgesessenen Fauteuil im Wohnzim-mer, starrte in den Himmel, an die Decke oderin den Blick. Dabei wartete er jeweils darauf,dass ihm seine Frau wahlweise Pantoffeln, Zi-garren oder Kamillentee reichte. Für ihn wardieser Zustand völlig natürlich. Alltag. Ei-gentlich. Doch jetzt kamen ihm erste Zweifel.

Seit Jahren mühte sich seine Frau für ihn ab,und er langweilte sich im Wohnzimmer unterdie Erde. Wo sollte das enden? «So kannman seine grosse Liebe doch nicht behan-deln», murmelte er vor sich hin.So beschloss er, während er das Treiben derSchneeflocken verfolgte, sein Verhalten zuändern. Nicht grundlegend, aber doch einbisschen. Er würde sich auf seine alten Tageeinmal am Herd versuchen und seiner Frauein bisschen unter die Arme greifen. Zu lan-ge hatten sie aneinander vorbeigelebt undwaren in ihren eigenen, kleinen Welten ver-sunken. Das musste sich ändern. «Morgen, ja,Morgen werde ich damit beginnen», dachteer. Er würde seiner Frau das Frühstück ansBett bringen. «Die wird Augen machen!»Die Wanduhr schlug viermal, als seine Fraumit zwei Tassen Kamillentee ins Wohnzimmertrat. Sie lächelte ihn an. Es war ein Lächeln,wie er es schon lange nicht auf ihrem faltigenGesicht gesehen hatte. Seine Gedankenüberschlugen sich. «Wie wird sie mich erstanlächeln, wenn sie morgen das Frühstückserviert bekommt?» Das würde vielleicht einNeunanfang bedeuten. Noch einmal würdees so sein wie in den ersten Tagen, als siesich frisch kennen und lieben lernten. «Nocheinmal so richtig verliebt sein. Vielleicht.»Als ob er auf seine neue Erkenntnis anstos-sen wollte, erhob er theatralisch die Tasse

und trank seiner Frau zu. Obwohl diese janoch gar nichts von seinen Plänen wissenkonnte, tat sie es ihm. Sie lächelte immernoch.Als die Tasse zu Boden fiel, schnappte derZeiger der Uhr auf zwei Minuten nach vier.Der Kamillentee breitete sich auf dem stau-bigen, roten Perserteppich aus. Im Hinter-grund ertönte ein altbekanntes Weihnachts-lied.Er hatte zu lange gewartet.

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Späte Einsicht

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KREUZWORT 15 /// re: flex.02 /// 12.2003

Waagrecht///1 Gedankenmacher, Freund der Sophie ///5 Substantiv mit eigenem Medium ///6 So klingts wenn man einen Zwerg nach draussen schickt ///10 Befehl analltägliche Flüssigkeit ///12 Eines Fotobuchs falscher Plural ///16 Nützlich wenn der accès verwehrt wird ///17 Strich und Punkt gibt Sinn ///21 Wenn man sichnicht schwarz schweigen will ///23 Herzog in Versailles ///24 Hier und daneben zusammen ///25 Stadt, raubte in Hellas mal eine Frau ///26 Darauf kann manauch so spielen ///30 Phonetisch eine laufende Mauer, die man anziehen kann ///31 Kurze Nation ///32 Langer Afrikaner ///33 Am Schluss ein elfenhaftes We-sen, wird insgesamt getrunken ///35 Geistiger Zucker mit zusätzlichem Konsonanten ///39 Lassen in Nodnol ///40 Erstklässler grüsst die Sonnenfinsternis ///412+1=4-1 zusammen ///42 Mit dem altägyptischen Herrscher wird in Frankreich Karten gespielt ///44 Verkehrte Kurzform des Geräuschfängers ///45 Der Co-naisseur geniesst ihn laufend ///47 Im Stierenkanton für die Katz wäre dann pro…///48 Unsportliche Bremse ///51 Bruder Berg ///54 Südliche Röhren-Vor-herrschaft ///56 Gedeih-Grundlage, die bleibt, wenn alles bricht ///57 Liga für kleine Trinker ///59 Alle Langen und ihre Bälle ///60 Dem Klischee nach das chi-nesische Kraftwerkprodukt ///61 Zurzeit gesuchter, lustiger Fisch ///62 Arbeitnehmer ohne Arier ///63 Ab nach Hause; nicht offensichtlich ///64 Ihr erginge esohne den Homo sapiens wohl besser ///65 Wer beim Pilatus war, will meist nicht mehr zu ihm zurück

Senkrecht///1 Während des Irakkriegs flatterte dieses Wort auf buntem Grund ///2 Gestreifte in der Schweiz haben sie hinter sich ///3 Fleiss soll angeblich die Voraus-setzung sein ///4 Dieses Ding hat fünf Enden und eine Verbindung zum Organismus ///7 Chemiefabrik und Vereinigung mit gleichen Zielen zusammen sind so///8 Sticht bei uns und rollt in Palermo ///9 Tönt wie eine Schweizer Stadt, ist aber tätlicher ///11 Schreibender Metallarbeiterazubi ///13 Phonetische Brigit Bar-dot ///14 So könnte man ein brachliegendes Feld oder einen abgebrannten Stall nennen ///15 Befehl zum Wasser lassen ///17 Ein rockiges Fortbewegungs-mittel ///18 Macht Körperöffnungen angeblich frisch ///19 Eilt voraus ///20 Bei Geschmack ein Grund zur Beschwerde, im Winter wärmend ///22 Diente mitdem Zirkus zur Unterhaltung des Plebs ///26 Kleinster Ort ///27 Innerhalb herrscht grenzenloser Gütertausch ///28 Wird beim Ziehen nicht nur länger sondernauch breiter ///29 Majestätisches Amphibium ///33 Der Gewässerrand wird in Bonn so getauft ///34 Für britische Herren und zur Plätzchengestaltung ///36Kulturrevolutionär zusammen mit seinem Spiegelbild wird süss ///37 Findet sich auf dem Mond und im Süden ///38 Richtungweisend: in den letzten Monatendem Vernehmen nach das Stossgebet des ins Ausland reisenden Schweizers ///43 Schwankt dieser Spiegel tut es auch unsere Stimmung ///45 So genannthat der Polizist sein eigenes Städtchen in der Romandie ///46 Sind mehrere; tun kann man es aber erst nach dem Ableben ///49 Zackiges Schokoladenende///50 Was zum Schnüffeln ///52 Obwohl die Römer behaupten es täte nicht; tut es das, das Zahlungsmittel ///53 Held aus der Dose ///55 So ruft ein Flimmer-macho seine Angetraute ///58 Hat nicht ganz zum Strauss gereicht

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