288
Tim Bayer Resonante Starkfeld-Kontrolle kohärenter elektronischer Dynamik im K-Atom und K 2 -Molekül

Resonante Starkfeld-Kontrolle kohärenter elektronischer Dynamik

  • Upload
    vantram

  • View
    225

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Tim Bayer

    Resonante Starkfeld-Kontrolle kohrenter elektronischer Dynamik im K-Atom und K2-Molekl

    Tim

    Bay

    er

    Res

    onan

    te S

    tark

    feld

    -Kon

    trolle

    koh

    ren

    ter e

    lekt

    roni

    sche

    r Dyn

    amik

    im K

    -Ato

    m u

    nd K

    2-M

    olek

    l

    Die Kontrolle molekularer Prozesse auf ihren natrlichen ultrakurzen Zeitskalen ist ein zentrales Ziel von Chemikern und Physikern gleichermaen. Heute erffnen hochentwickelte ultraschnelle Lasertechnologien ungeahnte Mglichkeiten steu-ernd in den Verlauf chemischer Reaktionen einzugreifen. Die effiziente Kontrolle photochemischer Ereignisse gelingt durch Manipulation der Valenzelektronen in Moleklen mittels intensiver Femtosekunden-Laserpulse. Ausgereifte Techniken zur Formung dieser Pulse mit zuvor unerreichter Przision ermglichen die effek-tive Anpassung des Laserfeldes an die schnelle Elektronendynamik. Die vorlie-gende Arbeit beschftigt sich mit den physikalischen Mechanismen hinter der Starkfeld-Kontrolle kohrenter elektronischer Prozesse. In einem intuitiven Bild des induzierten elektrischen Dipols im treibenden Laserfeld werden Szenarien zur gezielten Steuerung der Starkfeld-Wechselwirkung abgeleitet. Dabei werden etab-lierte Mechanismen aus der NMR ins optische Regime bertragen sowie neuartige Kontrollschemata entwickelt und vorgestellt. Durch Anwendung auf die Kontrolle gekoppelter Elektronen- und Kerndynamik eines neutralen Molekls gelingt es, die elektronische Anregung selektiv, effizient und ultraschnell zwischen unterschiedli-chen gebundenen Zielzustnden zu schalten.

    ISBN 978-3-86219-362-2

  • Tim Bayer

    Resonante Starkfeld-Kontrolle kohrenter elektronischer Dynamik im K-Atom und K2-Molekl

    kassel

    universitypress

  • Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften der Universitt Kassel als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) angenommen. Erster Gutachter: Prof. Dr. Thomas Baumert Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Thomas Giesen Dritte Gutachterin: Prof. Dr. Regina de Vivie-Riedle Weitere Mitglieder der Prfungskommission: Prof. Dr. Arno Ehresmann Prof. Dr. Matthias Wollenhaupt Tag der mndlichen Prfung 29. Juni 2012 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.dnb.de abrufbar Zugl.: Kassel, Univ., Diss. 2012 ISBN print: 978-3-86219-362-2 ISBN online: 978-3-86219-363-9 URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0002-33636 2012, kassel university press GmbH, Kassel www.uni-kassel.de/upress Titelbild: siehe Abbildung 4.9 auf Seite 128 Printed in Germany

    http://dnb.dnb.de/

  • Publikationsliste

    Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation wurden in Teilen publiziert in den folgendenZeitschriften-Artikeln:

    M. Wollenhaupt, T. Bayer, M. Krug, C. Sarpe-Tudoran und T. Baumert, Coherentcontrol of electrons, atoms and molecules with intense shaped light pulses. J. Phys.:Conf. Ser., 88:012053 (8pp), 2007.

    T. Bayer, M. Wollenhaupt und T. Baumert, Strong-field control landscapes of co-herent electronic excitation. J. Phys. B, 41:074007 (13pp), 2008.

    T. Bayer, M. Wollenhaupt, C. Sarpe-Tudoran und T. Baumert, Robust PhotonLocking. Phys. Rev. Lett., 102:023004 (4pp), 2009.

    M. Wollenhaupt, T. Bayer, N. V. Vitanov und T. Baumert, Three-state selectivepopulation of dressed states via generalized spectral phase-step modulation. Phys.Rev. A, 81:053422 (9pp), 2010.

    T. Bayer, H. Braun, C. Sarpe, R. Siemering, P. von den Hoff, R. de Vivie-Riedle,T. Baumert, und M. Wollenhaupt, Efficient sub-cycle control of coupled electronand nuclear dynamics in molecules. Zur Publikation eingereicht, 2012.

    Auerhalb des Rahmens dieser Dissertation entstanden auerdem folgende Verffentli-chungen:

    R. Selle, T. Brixner, T. Bayer, M. Wollenhaupt und T. Baumert, Modeling ofultrafast coherent strong-field dynamics in potassium with neural networks. J. Phys.B, 41:074019 (7pp), 2008.

    M. Wollenhaupt, M. Krug, J. Khler, T. Bayer, C. Sarpe-Tudoran und T. Baumert,Photoelectron angular distributions from strong-field coherent electronic excitation.Appl. Phys. B, 95:245-259, 2009.

    3

  • Publikationsliste

    M. Wollenhaupt, M. Krug, J. Khler, T. Bayer, C. Sarpe-Tudoran und T. Bau-mert, Three-dimensional tomographic reconstruction of ultrashort free electron wavepackets. Appl. Phys. B, 95:647-651, 2009.

    M. Krug, T. Bayer, M. Wollenhaupt, C. Sarpe-Tudoran, T. Baumert, S. S. Ivanovund N. V. Vitanov, Coherent strong-field control of multiple states by a singlechirped femtosecond laser pulse. New J. Phys., 11:105051 (17pp), 2009.

    J. Schneider, M. Wollenhaupt, A. Winzenburg, T. Bayer, J. Khler, R. Faust undT. Baumert, Efficient and robust strong-field control of population transfer in sen-sitizer dyes with designed femtosecond laser pulses. Phys. Chem. Chem. Phys.,13:8733-8746, 2011.

    J. Khler, M. Wollenhaupt, T. Bayer, C. Sarpe und T. Baumert, Zeptosecondprecision pulse shaping. Opt. Express, 19:11638-11653, 2011.

    4

  • Inhaltsverzeichnis

    Publikationsliste 3

    1. Einleitung 9

    2. Theorie 152.1. Theoretische Beschreibung ultrakurzer Laserpulse . . . . . . . . . . . . . 16

    2.1.1. Das elektrische Feld eines ultrakurzen Laserpulses . . . . . . . . . 162.1.2. Formung ultrakurzer Laserpulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

    2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.2.1. Die zeitabhngige Schrdinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 232.2.2. Leiter-Systeme und die RWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262.2.3. Numerische Lsung der zeitabhngigen Schrdinger-Gleichung . . 302.2.4. Starkfeld-Anregung und das Bild der bekleideten Zustnde . . . . 312.2.5. SPODS im Zwei-Niveau-System: Das Bild der ungestrten Zustnde 342.2.6. SPODS im Zwei-Niveau-System: Das Bloch-Vektor-Bild . . . . . . 372.2.7. SPODS im Zwei-Niveau-System: Das spatio-temporale Bild . . . . 452.2.8. Ultraschnelles Schalten durch SPODS im 5-Niveau-Modellsystem 53

    2.3. Wechselwirkung mit einem Alkali-Dimer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672.3.1. Die zeitabhngige Schrdinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 682.3.2. Numerische Lsung der zeitabhngigen Schrdinger-Gleichung . . 732.3.3. Das Bild der Licht-induzierten Potentiale . . . . . . . . . . . . . . 752.3.4. Ultraschnelles Schalten durch SPODS im 5-Zustnde-Modellsystem 75

    3. Apparaturen 873.1. Das Lasersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

    3.1.1. Der Femtosekunden-Oszillator und das Verstrkersystem . . . . . 883.1.2. Der Pulsformer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903.1.3. Die Konversionseinheit TOPAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

    3.2. Die Molekularstrahl-Apparatur MaBoS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933.2.1. Das Vakuum-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953.2.2. Die Kartuschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953.2.3. Molekularstrahl-Generierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

    5

  • Inhaltsverzeichnis

    3.2.4. Die Spektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

    4. Starkfeld-Kontrolllandschaften kohrenter elektronischer Anregung im K-Atom 1014.1. Das Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

    4.1.1. Das physikalische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1064.1.2. Experimentelle Details . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

    4.2. Ergebnisse und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1154.2.1. Die elementaren SPODS-Mechanismen: PL versus RAP . . . . . . 1164.2.2. Starkfeld-Kontrolllandschaften kohrenter elektronischer Anregung 1224.2.3. Adaptive Optimierung auf einer Starkfeld-Kontrolllandschaft . . . 126

    4.3. Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

    5. Robustes Photon Locking 1315.1. Die allgemeine -Sprung-Phasenmodulation . . . . . . . . . . . . . . . . 1325.2. Experimentelle Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

    5.2.1. Variation der Sprung-Frequenz step . . . . . . . . . . . . . . . . . 1395.2.2. Variation der Sprung-Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1435.2.3. Variation der Intensitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

    5.3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1495.3.1. Robustes Photon Locking im Zwei-Niveau-System . . . . . . . . . 1495.3.2. Robustes Photon Locking im Drei-Niveau-System . . . . . . . . . 158

    5.4. Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

    6. Starkfeld-Kontrolle kohrenter elektronischer Dynamik im K2-Molekl 1716.1. Das Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

    6.1.1. Das physikalische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1746.1.2. Der Zwei-Farben-Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

    6.2. Experimentelle Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1816.2.1. Intensittsabhngigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1816.2.2. Anregung durch gechirpte Pulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1846.2.3. SPODS durch sinusfrmige Phasenmodulation . . . . . . . . . . . 1876.2.4. SPODS durch abgerundete Sprung-Phasenmodulation . . . . . . . 193

    6.3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1986.3.1. Experimentelle Anregungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 2006.3.2. Optimierte Anregungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

    6.4. Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

    7. Zusammenfassung und Ausblick 219

    6

  • Inhaltsverzeichnis

    Anhang 225

    A. Photoionisation 225A.1. Multi-Photonen-Ionisation eines Alkali-Atoms . . . . . . . . . . . . . . . 225

    A.1.1. Ein-Photonen-Ionisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226A.1.2. Zwei-Photonen-Ionisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

    A.2. Photoionisation eines Alkali-Dimers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234A.2.1. Semi-klassische Differenzpotential-Analyse . . . . . . . . . . . . . 234A.2.2. Quantenmechanische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

    B. Sprung-Phasenmodulation des realen Laser-Spektrums 241

    C. Die adiabatische Eliminierung 243

    D. Die adiabatische Bedingung 251

    E. Abschtzung der direkten Ionisation von K2-Moleklen 255E.1. Erste Grobabschtzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255E.2. Verfeinerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

    F. Mittelungsmethoden 259F.1. Die fokale Intensittsmittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260F.2. Die molekulare Orientierungsmittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264F.3. Anwendung und Illustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

    Literaturverzeichnis 284

    Danksagung 285

    7

  • 1. Einleitung

    Licht und Materie zwei fundamentale Bausteine unseres Universums. Ihr Zusammen-spiel prgt mageblich das Erscheinungsbild unserer Alltagswelt, ebenso wie unsereWahrnehmung davon. Mehr noch bildet die Wechselwirkung zwischen Licht und Ma-terie die Grundlage vieler lebensnotwendiger Prozesse in unserer natrlichen Umgebung.Zu den wichtigsten Beispielen dafr gehren die Absorption energiereicher UV-Anteileder Sonnenstrahlung durch Photodissoziation von Ozon in der Erdatmosphre und dieFreisetzung von Sauerstoff durch den komplexen biologischen Prozess der Photosynthe-se. Lngst aber haben wir uns die vielfltigen Formen der Wechselwirkung von elektro-magnetischer Strahlung mit Materie auch im Alltag zunutze gemacht. Die zahlreichenAnwendungsbeispiele reichen von der Telekommunikation via Lichtwellenleiter ber dieoptische Datenverarbeitung und -speicherung auf CDs, DVDs und Blu-Ray Discs, dieGewinnung solarer Energie mittels Photovoltaik bis hin zu medizinischen Anwendungen,wie der Kernspin-Tomographie, der Augen- und Zahnheilkunde, der Dermatologie oderder photodynamischen Therapie.Eine regelrechte Revolutionierung erfuhren Technik, Medizin und nicht zuletzt die Wis-senschaft in den 1960er Jahren durch die Erfindung des Lasers. Heute ist die neueLichtquelle mit ihrer hohen rumlich-zeitlichen Kohrenz und den zuvor unerreichtenLicht-Intensitten aus keinem Bereich wissenschaftlicher Forschung mehr wegzudenken.Auf der Grundlage von Lasern entstand eine Vielzahl neuartiger Spektroskopie- [1] undMikroskopie-Techniken [24], die immer tiefere Einblicke in die mikroskopische Struk-tur der Materie lieferten, aber auch zu einem detaillierteren Verstndnis der Interakti-on von Licht mit elementaren Bausteinen der Materie den Elektronen, Atomen undMoleklen beitrugen. Durch gepulste Laserquellen erhielt man zudem einen Zugangzur zeitaufgelsten Untersuchung dynamischer Prozesse im Mikrokosmos, zu denen insb.chemische Reaktionen gehren. Molekulare Schwingungen und Rotationen, das Aufbre-chen, die Formierung oder die geometrische Umstrukturierung chemischer Bindungensind ultraschnelle Dynamiken, die sich typischerweise auf einer Zeitskala von einigen10 bis mehreren 100 fs (1 fs = 1 Femtosekunde = 1 1015 s) abspielen. Eine direkteBeobachtung solch ultraschneller Prozesse wurde erst durch die Entwicklung von Laser-Technologien zur Erzeugung ultrakurzer Laserpulse mglich. Pionierarbeit auf diesemGebiet der Femtochemie [5, 6] leistete A. H. Zewail, der im Jahr 1999 fr seine Studi-

    9

  • Kapitel 1. Einleitung

    en der bergangszustnde chemischer Reaktionen mittels Femtosekunden-Spektroskopiemit dem Nobel-Preis ausgezeichnet wurde [7].Mit den erfolgreichen Bestrebungen zur Beobachtung und dem immer besseren Verstnd-nis der schnellen intra- und intermolekularen Prozesse wuchsen auch die Ambitionen,steuernd in den Verlauf der Reaktionsdynamiken einzugreifen und ihren Ausgang aktivzu kontrollieren. Das Ziel der daraus entstandenen Quantenkontrolle ist es, ein gegebenesQuantensystem unter der Einwirkung eines geeignet geformten Laserfeldes aus seinemGrundzustand effizient und selektiv in einen vorausgewhlten Zielzustand zu berfhren.Der rasanten Entwicklung und den Errungenschaften dieses noch jungen Forschungs-gebietes widmen sich bereits aktuelle Textbcher [810], bersichtsartikel [1125] undSpezialausgaben verschiedener Fachzeitschriften [2630]. Wie sich herausstellte, liegt derSchlssel zur mikroskopischen Kontrolle von Quantensystemen in der Interferenz koh-renter Materie-Wellenpakete [31, 32]. Die Manipulation dieser Interferenz konstruktivfr gewnschte Produktzustnde und destruktiv fr unerwnschte Nebenprodukte ge-lingt durch die bertragung der Kohrenz-Eigenschaften des Laserlichtes auf die Anre-gung des zu kontrollierenden Systems (kohrente Kontrolle). Die heutige Verfgbarkeithoch-entwickelter Techniken zur gezielten Formung ultrakurzer Laserpulse [3335] liefertuns ein uerst wirkungsvolles Werkzeug zur Erzeugung und zielgerichteten Manipulati-on von Materie-Wellenpaketen verschiedenster Art [16]. Beispiele umfassen die kohrenteKontrolle von molekularen Vibrations- [3641] und Rotationswellenpaketen [42,43] oderatomaren sowie freien elektronischen Wellenpaketen [4447] durch mageschneiderte La-serfelder.Im Grenzfall schwacher Laserfelder bzw. perturbativer Wechselwirkungen, in dem sichdie Licht-induzierten Prozesse noch im Rahmen der zeitabhngigen Strungstheoriebeschreiben lassen, gelten die grundlegenden Konzepte der kohrenten Kontrolle imWesentlichen als verstanden. Etablierte Strategien der Schwachfeld-Kontrolle sind dasBrumer-Shapiro-Schema [9], das Tannor-Kosloff-Rice-Schema [8] oder Methoden derSpektralen Interferenz (SI) ggf. hherer Ordnung [4850]. Die gesamte Vielfalt mg-licher Anregungen und vor allem einen effizienten Populationstransfer bietet allerdingserst das Starkfeld-Regime. Starke Laserfelder bzw. nicht-perturbative Wechselwirkungenmodifizieren vermge des AC-Stark-Effekts effektiv die Potential-Landschaft, auf der sichdie Interaktionsdynamik abspielt [5153]. So erffnen sich neue Anregungspfade zu Pro-duktkanlen, die der Anregung durch schwache Laserfelder nicht zugnglich sind. Mitdem Zusammenbrechen der strungstheoretischen Beschreibung jedoch wird die Ablei-tung grundlegender Mechanismen der Starkfeld-Kontrolle wesentlich erschwert, so dasssich ein umfassendes Verstndnis dieser Mechanismen noch in der Entwicklung befindet.Verschiedene adiabatische Techniken, wie die Rapid Adiabatic Passage (RAP) [54] oderdie Stimulated Raman Adiabatic Passage (STIRAP) [54], haben sich in intensiven La-serfeldern ebenso bewhrt, wie etwa das impulsive, nicht-adiabatische Kontrollschemades Photon Lockings (PLs) [5558]. Sowohl RAP als auch PL besitzen ihren eigentlichen

    10

  • Ursprung in der Kernspin-Resonanz (NMR) und sind dort unter den Namen AdiabaticRapid Passage [59] bzw. Spin Locking [60] wohl-bekannt. Ist man bereit, die Kontrolleauf die Klasse sog. reellwertiger Laserfelder zu beschrnken, so lassen sich die intuiti-ven Konzepte der SI, die in der Schwachfeld-Kontrolle entwickelt wurden, auch auf dasStarkfeld-Regime bertragen [61]. Im Allgemeinen ist man allerdings bestrebt, das ge-samte Potential der zur Verfgung stehenden Pulsformungstechniken auszuschpfen, umdie Kontrollfelder optimal an die reichhaltigen Dynamiken insb. in greren molekularenSystemen anzupassen. Als enorm erfolgreich und vielseitig einsetzbar haben sich hierbeidie adaptiven bzw. iterativen Methodiken der Optimalen Kontrolle erwiesen. Sowohl imExperiment durch rckkopplungsgesteuerte Lernschleifen [62] als auch in der Theoriedurch Variationsanstze [63] gelingt die Optimierung nahezu jeder erdenklichen Kon-trollobservablen [6468]. Nur selten jedoch erlaubt die typischerweise komplexe Strukturder optimierten Laserpulse Einblicke in die physikalischen Mechanismen hinter der aus-gebten Kontrolle [52].Das Studium grundlegender Mechanismen der kohrenten Kontrolle in intensiven La-serfeldern bildet den ersten Schwerpunkt dieser Arbeit. Klassisch betrachtet koppelt dasLaserfeld an die Elektronenhlle des Atoms bzw. Molekls, verzerrt die anfnglich statio-nre Ladungsverteilung und induziert so ein elektrisches Dipolmoment, welches durch dasuere Feld getrieben oszilliert. Whrend der Anfangszustand des Systems durch pertur-bative Felder kaum gestrt wird und dementsprechend die Dipoloszillation hier nur einesehr geringe Amplitude besitzt, verzerren intensive Felder die Elektronenverteilung i.a.massiv. Insbesondere unter resonanter Starkfeld-Anregung kommt es zu ausgeprgtenLadungsoszillationen und das System wird in einen hochgradig nicht-stationren Zustandberfhrt. Aus quantenmechanischer Sicht handelt es sich bei diesem zeitabhngigen Zu-stand um eine elektronische Kohrenz der ungestrten Systemzustnde, oder mit anderenWorten: um ein elektronisches Wellenpaket. Je strker das Quantensystem durch das La-serfeld gestrt wird, desto mehr verlieren die ungestrten Systemzustnde allerdings anBedeutung und umso sinnvoller ist es, die Licht-induzierte Dynamik aus der Perspektivedes wechselwirkenden Gesamtsystems aus Quantensystem und Laserfeld zu beschreiben.Das physikalische Bild hinter dieser neuen Perspektive ist das Bezugssystem der sog.(vom Laserfeld) bekleideten Zustnde. Die bekleideten Zustnde bilden die natrlicheBasis zur Diskussion nicht-perturbativer Licht-Materie-Wechselwirkungen. Die proble-mangepasste Beschreibung gestaltet die Darstellung der komplexen Anregungsprozessetransparenter und erleichtert so die Identifikation elementarer Mechanismen der koh-renten Starkfeld-Kontrolle. In der Tat stellt die selektive Bevlkerung eines bekleidetenZustandes (SPODS, von Selective Population of Dressed States) bereits einen funda-mentalen Mechanismus der nicht-perturbativen Quantenkontrolle dar. SPODS liegt sounterschiedlichen Kontrollszenarien wie PL, RAP oder STIRAP zugrunde und bildetsomit eine Vereinheitlichung dieser Mechanismen als die verschiedenen Facetten einesallgemeineren Kontrollkonzeptes. Die entscheidende Gre zur Manipulation der Be-

    11

  • Kapitel 1. Einleitung

    setzungen bekleideter Zustnde ist die zeitliche Phasenbeziehung zwischen treibendemLaserfeld und getriebenem Dipol. So minimiert (maximiert) die gleichphasige (gegen-phasige) Oszillation beider die Wechselwirkungsenergie des Dipols im Feld und bewirktdamit die selektive Bevlkerung des unteren (oberen) bekleideten Zustandes. In Analogiezum Tannor-Kosloff-Rice-Schema1 lsst sich auf diese Weise das prparierte elektronischeWellenpaket durch Anpassung der zeitlichen Phase des Laserfeldes selektiv und effizientin verschiedene energetisch ausgezeichnete Zielkanle steuern elektronische Zielkanle,die im schwachen Laserfeld unerreichbar sind. Die Erschlieung neuer Zielkanle durchStarkfeld-Wechselwirkung und die selektive Adressierung eines solchen Zielkanals durchzeitliche Phasenanpassung des Laserfeldes bildet den zweiten Schwerpunkt dieser Ar-beit. An einfachen atomaren und molekularen Prototypsystemen in der Gasphase sollenelementare Mechanismen zur Realisierung von SPODS durch ultrakurze, geformte Laser-pulse untersucht und verstanden werden. Das bergeordnete Ziel ist die theoretische undinsb. die experimentelle Demonstration ultraschnellen und effizienten Schaltens von elek-tronischem Populationstransfer in einem molekularen Neutralsystem durch Anwendungvon SPODS.

    Die Arbeit ist wie folgt gegliedert. Im Anschluss an diese Einleitung werden in Kap. 2theoretische Grundlagen zusammengestellt, die zur Beschreibung ultrakurzer Laserpul-se und ihrer Wechselwirkung mit Alkali-Atomen und -Dimeren bentigt werden. NachEinfhrung der relevanten Gren und Gleichungen werden anhand der resonantenStarkfeld-Anregung eines idealisierten Zwei-Niveau-Systems die grundlegenden Bedin-gungen zur Kontrolle bekleideter Zustnde errtert. Dabei wird detailliert auf die beidenMechanismen PL und RAP als zwei komplementre Realisierungen von SPODS einge-gangen. Beide Kontrollkonzepte werden anschlieend auf die Starkfeld-Anregung einesatomaren sowie eines molekularen Viel-Zustnde-Modellsystems angewendet, um die se-lektive und effiziente Adressierung unterschiedlicher Zielzustnde durch Realisierung vonSPODS innerhalb eines resonanten Subsystems zu untersuchen.Inhalt von Kap. 3 ist die Beschreibung der wichtigsten Apparaturen, an bzw. mit de-nen die Experimente der nachfolgenden Kapiteln 4 bis 6 durchgefhrt wurden. Die Ap-paraturen umfassen ein verstrktes Femtosekunden-Lasersystem, einen Pulsformer aufFlssigkristall-Basis und eine Molekularstrahl-Apparatur, welche mit einem Flugzeit-Photoelektronen- sowie einem Flugzeit-Massenspektrometer ausgestattet ist. In den Ex-perimenten, die in Kap. 6 beschrieben werden, kam zustzlich ein optisch parametrischerVerstrker als Abfrage-Laserquelle zum Einsatz. Der darauffolgende, experimentelle Teilder Arbeit lsst sich grob in zwei Abschnitte untergliedern. Zunchst werden anhand

    1Im Tannor-Kosloff-Rice-Schema prpariert ein erster Laserpuls eine vibratorische Kohrenz, d.h. einnukleares Vibrationswellenpaket, bevor ein zweiter Laserpuls sich mit przise abgestimmter Zeitver-zgerung (Phasenlage) in die Kern-Schwingung einkoppelt und das System dadurch in eine ausge-whlte nukleare Zielkonfigurationen steuert.

    12

  • eines isolierten Zwei-Niveau-Systems im Kalium-Atom (K) unterschiedliche physikali-sche Mechanismen zur Realisierung von SPODS separat studiert, bevor anschlieenddiese Mechanismen auf ein neutrales Viel-Zustnde-System im Kalium-Molekl (K2)angewendet werden, um effizientes Schalten zwischen verschiedenen elektronischen Neu-tralzustnden vermge SPODS zu demonstrieren.Kap. 4 widmet sich der Untersuchung der beiden elementaren SPODS-Mechanismen PLund RAP. Ihre grundlegenden Eigenschaften werden herausgearbeitet und gegenber-gestellt. Beide werden in Form einer mechanistisch motivierten Pulsparametrisierungzusammengefhrt und der dadurch aufgespannte reduzierte Suchraum wird im Hinblickauf das Ma und die Qualitt der Kontrolle bekleideter Zustnde, die jedem Starkfeld-Kontrollproblem zugrundeliegen, untersucht.In Kap. 5 wird mit dem Robusten PL (RPL) ein neuartiger SPODS-Mechanismus vorge-stellt, welcher die Vorzge von RAP bezglich einer robusten Zustandsprparation undPL hinsichtlich eines effizienten Schaltens in einem hybriden Mechanismus vereint. DieGrundeigenschaften von RPL werden experimentell ausfhrlich untersucht und theore-tisch im Detail diskutiert. Zum ersten Mal wird in diesem Zusammenhang eine Verall-gemeinerung von SPODS von einem Zwei- auf ein resonantes Drei-Niveau-System be-schrieben.Den Abschluss des experimentellen Teils bildet Kap. 6. Hier werden die zuvor gewon-nenen Erkenntnisse ber die Starkfeld-Kontrolle kohrenter elektronischer Dynamik ineinem resonant getriebenen Subsystem dazu eingesetzt, ein molekulares Viel-Zustnde-Neutralsystem durch mageschneiderte Laserpulse selektiv und effizient in vorausgewhl-te elektronische Zielkanle zu steuern. Das Potential von RAP, PL und RPL zum ul-traschnellen elektronischen Schalten der molekularen Neutralanregung wird im Expe-riment systematisch untersucht und mit Hilfe begleitender Simulationen der Starkfeld-induzierten Kern- und Elektronendynamik theoretisch diskutiert.Kap. 7 beschliet den Hauptteil dieser Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung derwichtigsten Ergebnisse und einem Ausblick. Die Anhnge beinhalten verschiedene ma-thematische Formalismen, die zur theoretischen Diskussion bzw. zur numerischen Si-mulation der experimentellen Ergebnisse bentigt werden. So behandelt Anhang A diestrungstheoretische Beschreibung der Photoionisation eines Alkali-Atoms sowie einesAlkali-Dimers und liefert damit das ntige Werkzeug zur Reproduktion smtlicher ge-messener Photoelektronenspektren. Die Anhnge C und D geben einen Einblick in dasFeld adiabatischer Licht-Materie-Wechselwirkung. Sie beschreiben den Starkfeld-Effektder dynamischen Stark-Verschiebung von Energie-Niveaus und stellen das bliche Krite-rium fr adiabatische Wechselwirkung bereit, auf das insb. in Kap. 5 bei der Diskussionvon RPL zurckgegriffen wird. In Anhang F wird zuletzt die mathematische Behandlungder fokalen Intensitts- und der molekularen Orientierungsmittelung beschrieben, denendie experimentellen Ergebnisse aus Kap. 6 unterworfen und die bei einer numerischenReproduktion derselben zu bercksichtigen sind.

    13

  • 2. Theorie

    In diesem Kapitel werden die Grundlagen zur theoretischen Beschreibung ultrakurzer,geformter Laserpulse und deren Wechselwirkung mit einfachen Bausteinen der Materie,wie einem Einelektronenatom oder einem zweiatomigen Molekl, erarbeitet. Durch dieklassische Beschreibung des elektrischen Laserfeldes einerseits, sowie der quantenmecha-nischen Behandlung des atomaren bzw. molekularen Systems andererseits gelangt manzu einer semiklassischen Beschreibung der Licht-Materie-Wechselwirkung. Im Rahmendieser lassen sich bereits wesentliche Strategien der kohrenten Quantenkontrolle verste-hen. Insbesondere eignet sie sich fr die Behandlung von Starkfeld-Kontrollszenarien, dasich das Laserfeld um so klassischer verhlt, je mehr Photonen es enthlt, d.h. je inten-siver es Feld ist. Das Ziel des Kapitels ist die Einfhrung und Erluterung des Konzep-tes der selektiven Besetzung bekleideter Zustnde (SPODS, von Selective Population ofDressed States). Die bekleideten Zustnde im molekularen Fall auch Licht-induziertenPotentiale genannt bilden die natrliche Basis zur Beschreibung der Licht-Materie-Wechselwirkung in intensiven Laserfeldern. Die selektive Besetzung eines bekleidetenZustandes ist ein elementarer Mechanismus der Quantenkontrolle in nicht-perturbativenFeldern und stellt die Grundlage diverser Starkfeldszenarien dar.

    Die Gliederung des Kapitels sieht zunchst in Abschn. 2.1 die theoretische Beschreibungultrakurzer Laserpulse und deren Formung vor. Im Anschluss wird in Abschn. 2.2 aufdie Wechselwirkung geformter Laserfelder mit einem Einelektronenatom eingegangen.Anhand eines einfachen Zwei-Niveau-Atoms werden zuerst die Grundlagen fr das Ver-stndnis der Kontrolle bekleideter Zustnde gelegt. Darauf aufbauend wird am Ende desAbschnittes ein erweitertes Schaltszenario vorgestellt, welches es erlaubt ein Viel-Niveau-System mittels SPODS effizient und selektiv in einen vorausgewhlten elektronischenZielzustand zu steuern. Im abschlieenden Abschn. 2.3 wird zunchst die Wechselwir-kung geformter Laserfelder mit einem diatomaren Molekl beschrieben. Das Ziel desAbschnittes ist aber die bertragung des atomaren Schaltszenarios aus Abschn. 2.2 aufdas photochemisch relevante molekulare System. Unter Anwendung der Erkenntnisse ausdem vorherigen Abschnitt soll das ultraschnelle Schalten zwischen unterschiedlichen elek-tronischen Zielkanlen auch in Gegenwart zustzlicher Freiheitsgrade wie der Rotationund der Vibration theoretisch demonstriert werden.

    15

  • Kapitel 2. Theorie

    2.1. Theoretische Beschreibung ultrakurzer Laserpulse

    Die Theorie ultrakurzer Laserpulse, ihrer Erzeugung, Manipulation sowie ihrer Charak-terisierung, ist ein umfangreiches physikalisches Gebiet und kann im Rahmen dieserArbeit nicht vollstndig wiedergegeben werden. Fr umfassendere Darstellungen diesesFeldes sei auf exzellente Lehrbcher, Lehrbuchbeitrge und bersichtsartikel verwie-sen [3335, 6971]. An dieser Stelle soll es im Wesentlichen darum gehen, einen effizien-ten mathematischen Formalismus zur Erfassung der geformten Laserpulse bereitzustel-len, auf dessen Grundlage sie in die darauffolgende quantenmechanische Beschreibungder Licht-Materie-Wechselwirkung eingehen knnen. Ein solcher Formalismus wird abernicht nur fr numerische Simulationen der durchgefhrten Experimente bentigt, son-dern ist auch zur Visualisierung und Diskussion der geformten Laserfelder selbst vonInteresse.

    2.1.1. Das elektrische Feld eines ultrakurzen Laserpulses

    Die Experimente, die in dieser Arbeit beschrieben werden, wurden ausschlielich mitlinear polarisierten Laserpulsen durchgefhrt. Daher reicht es aus, sich bei der Beschrei-bung dieser Pulse auf eine Polarisationskomponente zu beschrnken. Diese Komponentedefiniert die z-Achse des Bezugssystems; die Propagation des Laser-Pulses erfolgt inRichtung der x-Achse1. Die negative y-Achse entspricht dann der Ausbreitungsrichtungdes Atom- bzw. Molekularstrahls (vgl. Abschn. 3.2), so dass im Ursprung des so ge-whlten Koordinatensystems das eigentliche Experiment nmlich die Wechselwirkungzwischen dem Laserfeld und dem jeweiligen Quantensystem stattfindet. Von Interesseist die zeitliche Struktur ~E(t) des elektrischen Feldes in diesem Raumpunkt. Sie lsst sichzunchst allgemein als reellwertige Funktion ansetzen, die in eine langsam vernderlicheEinhllende E(t) und eine schnell oszillierende Funktion cos[(t)] zerfllt:

    ~E(t) = E(t) cos[(t)] ~ez. (2.1)

    Im Folgenden wird vom Vektor-Charakter des Feldes abgesehen und es werden nur nochdie skalaren Eigenschaften des Feldes E(t) = E(t) cos[(t)] diskutiert. Einen analytischenZugang zu dieser Funktion bietet die Darstellung von E(t) als Synthese von ebenenWellen mit den Kreisfrequenzen , deren Amplitude und Phase durch die komplexwertige

    1Zur Beschreibung der Wechselwirkung polarisationsgeformter Laserpulse mit einfachen Quantensy-stemen ist es sinnvoll, die z-Achse als Propagationsrichtung zu whlen und das Lichtfeld in eine x-und eine y-Komponente zu zerlegen [72].

    16

  • 2.1. Theoretische Beschreibung ultrakurzer Laserpulse

    Molecular beam

    Detector

    Laser beam

    x

    y

    z

    Interaction region(experiment)

    Photoelectrons

    Abbildung 2.1.: Das rumliche Bezugssystem des Experiments. Der Laserpuls ist linearpolarisiert in Richtung der z-Achse und propagiert entlang der x-Achse. Senkrecht dazu,in Richtung der negativen y-Achse, breitet sich der Molekularstrahl aus. Im Ursprungdes so aufgespannten Koordinatensystems befindet sich das Wechselwirkungsgebiet bei-der Strahlen; hier findet das eigentliche Experiment statt. Photoelektronen, die bei derWechselwirkung durch Photoionisation entstehen, werden entlang der z-Achse aus demInteraktionsgebiet abgezogen und detektiert.

    Spektralfunktion E() bestimmt ist. Der Zusammenhang E(t) E() ist durch dieFourier-Transformation gegeben, die in der folgenden Form verwendet werden soll:

    E() = F [E(t)]() =

    E(t)eitd (2.2a)

    E(t) = F1[E()](t) = 12

    E()eitdt (2.2b)

    Da E(t) reellwertig ist, ist E() hermitesch, d.h. es gilt E() = E(). Diese komplexeSymmetrie-Eigenschaft erlaubt es, die Beschreibung ohne Verlust an Allgemeinheit z.B.auf den positiven Frequenz-Anteil

    17

  • Kapitel 2. Theorie

    E+() :=

    E(), > 012E(0), = 00, < 0

    (2.3)

    zu beschrnken. Der negative Frequenz-Anteil des Feldes ergibt sich daraus stets alsE() = [E+()]. Es erweist sich aus verschiedenen Grnden als sinnvoll, E+()nicht etwa kartesisch (Real- und Imaginrteil) sondern polar darzustellen und in ei-ne Amplitude |E+()| und eine spektrale Phasenfunktion +() zu zerlegen: E+() =|E+()|ei+(). Zum Einen eignet sich die polare Darstellung i.a. besser fr die Anwen-dung der Fourier-Transformation, zum Anderen besitzen spektrale Amplitude und Phaseunmittelbare physikalische Bedeutung. Das Betragsquadrat |E+()|2 gibt die spektraleIntensitt des Feldes an und ist proportional zur sog. Power Spectral Density (PSD),die ein Spektrometer misst. Die negative Ableitung d+()/d ist die sog. Gruppen-Verzgerung und liefert Informationen ber die zeitliche Verzgerung einzelner spektralerKomponenten des Feldes relativ zueinander. Auch diese Gre ist experimentell direktzugnglich. Ihre Manipulation durch Flssigkristall-Modulatoren bildet die Grundlagezur gezielten Formung der zeitlichen Struktur des Feldes (s. dazu Abschn. 3.1.2).Durch den Bruch der Symmetrie ist das korrespondierende zeitliche Feld E+(t) :=F1[E+()](t) notwendigerweise ebenfalls komplexwertig. Es wird als analytisches Si-gnal des reellen Feldes E(t) bezeichnet und lsst sich ebenso zerlegen in eine Amplitude|E+(t)| und eine zeitliche Phasenfunktion +(t):

    E+(t) = |E+(t)|ei+(t) E+() = |E+()|ei+(). (2.4)

    Fr nicht zu kurze Pulse2 gilt |E+(t)| = 12E(t) und +(t) = (t) (vgl. Gl. (2.1)). Davon

    ausgehend erhlt man

    E+(t) = 12 E(t) ei(t). (2.5)

    Fr das zeitliche Feld des negativen Frequenz-Anteils gilt E(t) = [E+(t)], woraus folgt

    E(t) = 2

  • 2.1. Theoretische Beschreibung ultrakurzer Laserpulse

    Dieses Ergebnis steht in Analogie zur spektralen Beziehung E() = E+() + E().Wie eingangs erwhnt, beschreiben cos[(t)] bzw. ei(t) schnell oszillierende Funktionen,d.h. die zeitliche Phasenfunktion (t) besitzt i.a. einen ausgeprgten linearen Anteil. FrAnwendungszwecke erweist es sich als vorteilhaft, diesen durch die Definition

    (t) = reft+ (t) (2.7)

    als Trgeroszillation zu separieren. Die hierbei neu eingefhrte Funktion (t) wirdkurz zeitliche Phase genannt und ist in ihrer Form von der Wahl der Referenzfre-quenz ref abhngig. Letztere ist im Prinzip willkrlich. Ist das Spektrum des Laser-pulses allerdings symmetrisch, d.h. existiert eine Zentralfrequenz 0 derart, dass gilt|E+(0 )| = |E+(0 + )|, dann ist es in der Regel sinnvoll ref = 0 zu whlen. Indiesem Fall kann dem Feld in eindeutiger Weise eine Trgerfrequenz zugeordnet werden.Diese Trgerfrequenz entspricht auch zugleich der instantanen Frequenz inst des Pul-ses, falls die spektrale Phasenfunktion +() 0 verschwindet. Im Allgemeinen ist dieinstantane Frequenz jedoch zeitabhngig und gegeben durch

    inst(t) =d(t)dt

    = ref +d(t)dt

    =: ref + (t). (2.8)

    Die Ableitung der zeitlichen Phase (t) := (t) ist die sog. Verstimmung des Feldes ge-genber der Referenz- bzw. Trgerfrequenz ref . Sie beschreibt smtliche Abweichungender instantanen Frequenz von der gewhlten Trgeroszillation. Ursachen einer solchenAbweichung sind etwa ein unsymmetrisches Spektrum |E+()| oder die gezielte Modu-lation der spektralen Phasenfunktion +() (s. dazu Abschn. 2.1.2). Das Einsetzen vonGl. (2.7) in Gl. (2.5) fhrt auf die Definition der komplexen Einhllenden

    E+(t) = 12 E(t)ei(t) eireft =: 12 E

    +(t) eireft, (2.9)

    sowie E(t) = [E+(t)]. Gem dem Fourier-Verschiebungstheorem [73] ist die zu E+(t)korrespondierende Spektralfunktion die ursprngliche Spektralfunktion verschoben umref

    E+(t) = E(t)ei(t) E+() = E+( + ref) =: E()ei(). (2.10)

    Hierbei wurden die Definitionen E() = |E+( + ref)| und () = +( + ref) ein-

    19

  • Kapitel 2. Theorie

    gefhrt. An Gl. (2.10) wird deutlich, dass erneut ohne Verlust von Allgemeinheit bzw.Information die Betrachtung des elektrischen Feldes auf die komplexen EinhllendenE+(t) und E+() beschrnkt werden kann. Diese Felder haben diverse pragmatischeVorteile gegenber dem ursprnglichen Feld aus Gl. (2.1). Zunchst ist das reellwerti-ge, schnell oszillierende Feld E(t) aus Gl. (2.1) numerisch wesentlich aufwendiger zuerfassen, d.h. es bentigt deutlich mehr Sttzstellen und damit auch deutlich mehrRechenzeit, als die zwei verhltnismig langsam vernderlichen Funktionen E(t) und(t) der komplexen Einhllenden zusammen. Darber hinaus ist die komplexwertige Be-schreibung des elektrischen Feldes der Laserpulse uerst geeignet im Hinblick auf dietheoretische Modellierung der quantenmechanischen Licht-Materie-Wechselwirkung, dadie Quantenmechanik eine inhrent komplexwertige Theorie ist. Nicht zuletzt sei betont,dass eine erfolgreiche Quantenkontrolle auf der Steuerung der quantenmechanischen In-terferenz von Materie-Wellen beruht. Diese gelingt durch das bertragen der Kohrenz-Eigenschaften des Lichtfeldes auf das Quantensystem. Whrend dabei die Trgerfrequenzref im Wesentlichen Aufschluss ber die mittlere Photonen-Energie des Feldes gibt, ist esdie zeitliche Phase (t), deren Verlauf ber die Natur der induzierten Quanteninterferenz(konstruktiv oder destruktiv) entscheidet.

    2.1.2. Formung ultrakurzer Laserpulse

    Aufgrund der enormen zeitlichen Krze eines Femtosekunden-Laserpulses ist eine direkteManipulation der Form des elektrischen Feldes im Zeitbereich technisch nicht realisier-bar. In der Praxis weicht man daher auf den Frequenzbereich aus. Hier gelingt es mitHilfe von Phasenmodulatoren auf Basis von Flssigkristall-Technologie [33] (s. dazu Ab-schn. 3.1.2) oder auch mit akusto-optischen Methoden [74,75] die spektrale Phase ()und Amplitude E() und sogar den instantanen Polarisationszustand des Laserfeldes ge-zielt und nahezu beliebig zu manipulieren. In der Theorie wird der Pulsformer als linearesoptisches Element beschrieben, dem die (spektrale) Transfer- bzw. Modulationsfunktion

    M+() = |M+()|eimod() (2.11)

    zugeordnet wird3. Das durch den Pulsformer modulierte elektrische Feld des Laserpulseslautet

    E+mod() = M+() E+() E+mod(t) =M+(t) E+(t). (2.12)

    3Das Minus-Zeichen im Argument der Exponentialfunktion ist eine Konvention.

    20

  • 2.1. Theoretische Beschreibung ultrakurzer Laserpulse

    1

    2

    3

    4

    0

    -4 -2 0 2 4

    -4p

    -2p

    0

    2p

    4p

    -75 -50 -25 0 25 50 75

    Time t [fs]

    -8p

    -4p

    0

    4p

    8p

    -75 -50 -25 0 25 50 75

    -1

    0

    -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0

    Frequency w [rad/fs]

    -3p

    -2p

    -p

    0

    p

    Spect

    ral p

    hase

    j(w

    ),

    j

    (w)

    mo

    d,j

    (w)

    tota

    l

    1w

    (t)

    [rad/fs]

    inst

    Norm

    . ele

    ctric fie

    ld

    w0-w0

    w0

    z(t)

    (a) (b)

    (c) (d)

    Abbildung 2.2.: Unterschiedliche Darstellungen eines spektral phasengeformten800 nm, 5 fs Laserpulses. (a) Reellwertiges elektrisches Feld Emod(t) des Pulses. (b)Die zugehrige Fourier-Transformierte bzw. Spektralfunktion Emod() ist hermitesch.Die spektrale Amplitude (rot schattiert) ist symmetrisch, die spektrale Phase (blaueLinie) ist antisymmetrisch bzgl. des Koordinaten-Ursprungs = 0. (c) Komplexe Ein-hllende E+mod(t) des positiven Frequenzanteils zerlegt in Amplitude |E

    +mod(t)| (rot schat-

    tiert) und zeitliche Phase (t) (blaue Linie) bzw. instantane Frequenz inst(t) (grau-gestrichelte Linie). Die zugehrige Spektralfunktion E+mod() ist in (d) dargestellt. Dietotale spektrale Phase (blaue Linie) ist die Differenz aus der Phase des Eingangspulses() = 10 fs2 2 5 fs3 3 (schwarz-gestrichelte Linie) und der Modulationsphasemod() = 0,5 sin(50 fs ) (grne Linie).

    Die rechte Seite von Gl. (2.12) folgt dabei aus dem Fourier-Faltungstheorem [73], wennM+(t) die Fourier-Transformierte der spektralen Modulationsfunktion Gl. (2.11) ist unddie Verknpfung die Faltungsoperation bezeichnet.In den Experimenten zu dieser Arbeit wurde ausnahmslos die spektrale Phasenmodulati-on eingesetzt, d.h. die spektrale Amplitude und damit die Energie der Laserpulse wurdenicht verndert. Mathematisch bedeutet dies |M+()| 1, so dass die modulierte Spek-tralfunktion die Form

    21

  • Kapitel 2. Theorie

    E+mod() = E+()eimod() = E()ei[()mod()] (2.13)

    annimmt. Auerdem wurde vor jedem Experiment die Restphase () des Eingangspul-ses ermittelt (s. Abschn. 4.1.2) und als zustzlicher Kompensationsterm in die am Puls-former angelegte Modulationsphase mod() aufgenommen. Auf diese Weise wurde si-chergestellt, dass die effektive spektrale Phase des modulierten elektrischen Feldes aus-schlielich der jeweils gewnschten Modulationsphase entsprach.Ist der Eingangspuls bereits bandbreitebegrenzt, () 0, und besitzt zudem ein sym-metrisches Spektrum (etwa Gauss- oder Lorentz-frmig), d.h. eine ausgezeichnete Zen-tralfrequenz 0 =: ref , so ist die komplexe Einhllende des Eingangspulses reellwertigund die zeitliche Phase (t) daher flach bis auf mgliche -Sprnge, deren UrsacheVorzeichenwechsel der Einhllenden sind. Man spricht in diesem Fall auch von einem re-ellen Puls. Jede Abweichung der zeitlichen Phase des modulierten Pulses ist dann direktauf den Einfluss der spektralen Modulationsphase mod() zurckzufhren.

    2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    Die Alkalis gehren als Quasi-Einelektronenatome zu den einfachsten natrlich vor-kommenden, gebundenen Quantensystemen. Sie besitzen eine Wasserstoff-hnliche Zu-standsstruktur und sind dementsprechend gut verstanden und spektroskopisch wohl-bekannt [76]. Bei der Beschreibung eines Alkali-Atoms in einem ueren Laserfeld ist fr nicht zu hohe Feldintensitten lediglich die Wechselwirkung des Valenzelektrons,welches sich im effektiven Potential des Kerns, abgeschirmt durch die Innerschalen-Elektronen, bewegt, zu bercksichtigen. Zustzliche Elektron-Elektron-Korrelationen,die in Mehrelektronensystemen eine Rolle spielen und welche die Photophysik bereitswesentlich komplexer gestalten, knnen weitgehend vernachlssigt werden. Aus diesenGrnden stellen die Alkali-Atome sowohl fr Theorie als auch fr Experiment beliebteSysteme fr das Studium grundlegender physikalischer Mechanismen der Licht-Materie-Wechselwirkung und, darauf aufbauend, die Entwicklung elementarer Strategien undSzenarien der kohrenten Quantenkontrolle dar.Dieser Abschnitt widmet sich der allgemeinen mathematischen Behandlung eines Ei-nelektronenatoms in einem geformten Laserfeld, wie es im vorhergehenden Abschnitteingefhrt wurde. Ziel ist die Zusammenstellung der fr die vorliegende Arbeit relevan-ten Beziehungen und Gleichungen. Fr eine umfassende Behandlung sei auf einschlgigeLehrbcher wie z.B. [7779] verwiesen. In den Abschn. 2.2.1 und 2.2.2 werden zunchstdie zeitabhngige Schrdinger-Gleichung fr das Problem im Rahmen eines N -Niveau-Formalismus in verschiedenen quantenmechanischen Bildern erarbeitet. Abschn. 2.2.3

    22

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    befasst sich anschlieend mit der numerischen Lsung dieser Gleichung mit Hilfe derKurzzeit-Propagator-Technik. In den folgenden Abschn. 2.2.4 bis 2.2.7 werden die be-kleideten Zustnde eingefhrt und Bedingungen fr die selektive Bevlkerung eines be-kleideten Zustandes (SPODS) in einem Zwei-Niveau-System diskutiert. Die dabei ge-wonnenen Erkenntnisse werden schlielich in Abschn. 2.2.8 angewendet, um in einemgenerischen 5-Niveau-System ultraschnelles und effizientes Schalten vermge SPODS zudemonstrieren.

    2.2.1. Die zeitabhngige Schrdinger-Gleichung

    Bei der Anregung und Ionisation von Alkali-Atomen mit sichtbarem Licht spielen i.a.nur wenige Neutralzustnde eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grund lassen sich die-se Atome hinsichtlich der Wechselwirkung mit einem Laserfeld sehr erfolgreich als N -Niveau-Systeme modellieren. Das ungestrte Neutralsystem wird in diesem Rahmen be-schrieben durch den zeitunabhngigen Hamilton-Operator H0 mit den N elektronischenEigenzustnden |n zu den diskreten Eigenenergien En = ~n, n = 1, . . . , N . Frdie Eigenzustnde wird im Folgenden die abkrzende Schreibweise |n := |n verwen-det. Eine exakte Behandlung der Ionisation erfordert streng genommen den Anschlusseines Kontinuums von ionischen Zustnden an das gebundene System. Hier soll der Io-nisationsprozess allerdings nur nherungsweise und im Rahmen der zeitabhngigen St-rungstheorie behandelt werden (s. dazu Anhang. A.1). Durch eine Diskretisierung desKontinuums in endlich viele, energetisch dicht-liegende Zustnde ist es mglich, den N -Niveau-Formalismus auch auf die Ionisation anzuwenden.Der Ausgangspunkt fr die Beschreibung der Laser-Atom-Wechselwirkung ist die zeit-abhngige Schrdinger-Gleichung

    i~

    t|(t) = H(t)|(t). (2.14)

    Hierin ist |(t) der (Einteilchen-) Zustandsvektor und H(t) der Hamilton-Operator desgestrten Systems, d.h. des atomaren Systems unter Einfluss des ueren Lichtfeldes. DerHamilton-Operator setzt sich zusammen aus dem zeitunabhngigen Hamilton-Operatordes ungestrten Systems und einem zustzlichen, zeitabhngigen Beitrag, welcher dieKopplung des Lasers an das Atom beschreibt: H(t) = H0 +V(t). Im Rahmen der Dipol-Nherung [80] lautet die Kopplungs- bzw. Wechselwirkungsenergie

    V(t) = ~ ~E(t) = zE(t), (2.15)

    23

  • Kapitel 2. Theorie

    wenn ~ = e~r der Dipol-Operator und z dessen z-Komponente ist. Whlt man zunchstdie ungestrten Zustnde {|n} als Basis des N -dimensionalen Hilbert-Raumes, so lsstsich die Lsung der Schrdinger-Gleichung (2.14) darstellen als

    |(t) =Nn=1

    cn(t)ein(t)|n. (2.16)

    Die Betragsquadrate |cn(t)|2 = |n|(t)|2 der hier eingefhrten Koeffizienten sind diesog. Besetzungen der elektronischen Zustnde |n. Sie geben die Wahrscheinlichkeit an,das System zum Zeitpunkt t im Zustand |n zu finden. Die cn(t) selbst werden daher auchals Wahrscheinlichkeits- oder Besetzungsamplituden bezeichnet. ber die separiertenquantenmechanischen Phasenfunktionen n(t) kann frei verfgt werden. Je nach Wahlder n(t) gelangt man dabei in unterschiedliche quantenmechanische Bilder, in denendie Dynamik der cn(t) diskutiert werden kann. Formal ist ein quantenmechanisches Bildein Bezugssystem mit den (ggf. zeitabhngigen) Basis-Vektoren |n(t) := ein(t)|n. DiePopulationen |cn(t)|2 sind in allen Bildern gleich, lediglich die Phasen der cn(t) sind vonBild zu Bild verschieden. Einsetzen von Gl. (2.16) in die Schrdinger-Gleichung (2.14)und anschlieende Projektion auf die Zustnde |m(t), d.h. Multiplikation von links mitm|eim(t), m = 1, . . . , N , fhrt auf die Matrix-Darstellung der Schrdinger-Gleichung indieser Basis [81,82]:

    i~d

    dt

    c1c2...cN

    = ~

    1 1 12ei(12) 1Nei(1N )21ei(21) 2 2

    ... . . .N1ei(N1) N N

    c1c2...cN

    ,(2.17)

    mit den sog. Rabi-Frequenzen ~mn(t) := m|z|nE(t). Die Matrix auf der rechtenSeite von Gl. (2.17) ist die Darstellung des Hamilton-Operators in der gewhlten Basis{|n(t)}.An dieser Stelle ist zu betonen, dass die so eingefhrten Hamilton-Operatoren unter-schiedlicher Bilder nicht durch unitre Transformation auseinander hervorgehen unddaher i.a. auch nicht dieselben Erwartungs- und Eigenwerte besitzen. Zwar wird derBasis-Wechsel

    |n = ein|n = T |n T

    T |n = ein |n = T |n (2.18)

    24

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    vermittelt von einer unitren Transformation T mit Matrixdarstellung Tmn =ei(

    mn)mn. Jedoch liefert die Transformation des Zeitableitungsoperators auf der lin-

    ken Seite der Schrdinger-Gleichung (2.14) stets einen zustzlichen Term i~T T . Die-ser wird in der hier gewhlten Behandlung mit dem transformierten Hamilton-OperatorT HT zu einem effektiven Hamilton-Operator H := T HT i~T T zusammengefasst(s. dazu auch Abschn. 2.2.4 bzw. Anhang D). Auf diese Weise erhlt die Bewegungs-gleichung fr den transformierten Amplitudenvektor ~c = T ~c erneut die Form einerSchrdinger-Gleichung (s. Gl. (2.17)). Dabei ist zu beachten, dass der Erwartungswertsowie die Eigenwerte des neuen, effektiven Hamilton-Operators H i.a. nicht mit denendes ursprnglichen Hamilton-Operators H bzw. denen des transformierten Hamilton-Operators T HT bereinstimmen. Die Erwartungs- und Eigenwerte der beiden letztge-nannten Operatoren sind natrlich identisch, da beide durch die unitre TransformationT miteinander verknpft sind.Je nach Wahl der quantenmechanischen Phasen n(t) nimmt der Hamilton-Operator inGl. (2.17) unterschiedliche Formen an. So fhrt die statische Wahl n(t) 0, fr alle n,auf das sog. Schrdinger-Bild:

    HS(t) = ~

    1 12(t) 1N(t)

    21(t) 2... . . .

    N1(t) N

    . (2.19)

    In die Kopplungs- bzw. Nichtdiagonalelemente mn(t) geht das reellwertige elektrischeFeld ein. Folglich oszillieren diese sehr schnell und sind bei einer numerischen Behandlungentsprechend hochaufgelst zu erfassen. Das macht das Schrdinger-Bild hinsichtlich desRechenaufwandes zu einem eher unhandlichen Bezugssystem. Um diesem Problem ent-gegenzuwirken einerseits, andererseits aber auch um zu einer vereinfachten, probleman-gepassten Beschreibung der Licht-Materie-Wechselwirkung zu gelangen, begibt man sichi.a. in ein (mit-)rotierendes Bezugssystem. Ein gngiges Beispiel fr ein solches Bezugs-system ist das sog. Dirac- oder Wechselwirkungsbild, das sich aus der Wahl n(t) = ntergibt:

    Hint(t) = ~

    0 12(t)ei12t 1N(t)ei1N t

    21(t)ei21t 0... . . .

    N1(t)eiN1t 0

    . (2.20)

    Hierbei ist nm = nm die bergangsfrequenz zwischen den Zustnden |m und |n.

    25

  • Kapitel 2. Theorie

    Wie man sieht, verschwindet Hint(t) identisch, wenn die Wechselwirkung, d.h. das elek-trische Feld, abgeschaltet wird. Whrend in diesem Fall die Zustnde |n im Schrdinger-Bild immer noch die Phasen nt akkumulieren, ist die Quantendynamik im Wechselwir-kungsbild vollstndig eingefroren. Hier zeigt sich ausschlielich die durch die Wechselwir-kung induzierte Dynamik, wodurch eine Analyse derselben bereits erheblich vereinfachtwird. Desweiteren sei angemerkt, dass durch die Multiplikation mit einmt der Oszillati-onsanteil der Rabi-Frequenzen nm, welcher mit entgegengesetztem Vorzeichen oszilliert,teilweise kompensiert wird. Der Anteil, welcher mit gleichem Vorzeichen oszilliert, wirdzwar verstrkt, kann jedoch genau aus diesem Grund oftmals vernachlssigt werden (s.Gl. (2.22) im folgenden Abschnitt). Inwieweit dies tatschlich mglich ist hngt vonder Beschaffenheit, d.h. der Niveau-Struktur, des betrachteten Systems ab. Daher sollim Folgenden die Diskussion auf eine spezielle, allerdings uerst relevante Klasse vonSystemen die sog. Leiter-Systeme fokussiert werden.

    2.2.2. Leiter-Systeme und die RWA

    Generell ist es abhngig von der Problemstellung sowie vom betrachteten System welchesBezugssystem, d.h. welche Wahl der n(t), geeignet ist um die Wechselwirkungsdynamikzu beschreiben. Eine wichtige Klasse von Systemen stellen die sog. Leiter-Systeme dar,bei denen die Energie-Differenz benachbarter, gekoppelter Zustnde etwa der Photonen-energie ~ref des eingestrahlten Laserlichtes entspricht. Die Zustnde sind dabei nach ih-rer Eigenenergie aufsteigend geordnet. Drei verschiedene Beispiele von Leiter-Systemensind in Abb. 2.3(a), (b) und (d) dargestellt. Die Bedeutung der Leiter-Systeme beruhtauf ihrem resonanten Charakter. Die resonante Anregung eines Quantensystems ermg-licht stets den effizientesten Populationstransfer und bietet die effektivste Mglichkeit,Kontrolle auf die Anregungsdynamik auszuben. Elementare Kontrollstrategien, wie dieSpektrale Interferenz, Pump-Dump-Szenarien, Rabi-Oszillationen, Photon Locking, RAPoder STIRAP, basieren auf der Anregung des Systems mit Laserfeldern, deren Spek-tren die wesentlichen System-Resonanzen berspannen. Andere Systeme von Interessesind z.B. solche, die Multi-Photonen-Resonanzen aufweisen, welche ber nicht-resonanteZwischenniveaus getrieben werden. Diese nicht-resonanten Niveaus lassen sich allerdingsadiabatisch eliminieren (s. dazu Anhang C), wodurch solche Systeme ebenfalls in einLeiter-System berfhrt werden.In einem Leiter-System erweist es sich als sinnvoll, die quantenmechanischen Phasen alsn(t) = kn reft anzusetzen. Die Ordnungszahlen kn sind natrliche Zahlen, die gemder Definition eines Leiter-Systems aufsteigend sortiert sind, kn km fr n > m, unddie Anzahl von Photonen angeben, die bentigt werden um das entsprechende Niveauvom Grundzustand aus zu erreichen. Auf diese Weise gelangt man in das Bild der Laser-

    26

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    (c)(a)E

    ne

    rgy

    (b) (d)

    Abbildung 2.3.: Verschiedene Beispiele von Leiter-Systemen. (a) zeigt den klassischenTyp, bei dem die Energien der Zustnde sukzessive anwachsen und jeweils einen Abstandvon etwa einer Photonen-Energie ~ref besitzen. (b) ist vergleichbar mit (a), jedoch sindhier Grund- und der Endzustand ber zwei unterschiedliche Zwischenniveaus verbun-den, welche untereinander nicht koppeln. Solche Systeme spielen in Alkali-Atomen unterBercksichtigung der Spin-Bahn-Wechselwirkung, d.h. der Feinstrukturaufspaltung, einewichtige Rolle. (c) zeigt ein sog. Lambda-System, bei dem die Konfiguration der Zustn-de an den griechischen Buchstaben erinnert. Ein solches System liegt dem STIRAP-Szenario zugrunde und ist streng genommen kein Leiter-System. Es kann jedoch durchUmsortieren der Zustnde leicht in ein Leiter-System berfhrt werden (d).

    Trgerfrequenz, welches blicherweise in der NMR (von Nuclear Magnetic Resonance)verwendet und dort als phasenmoduliertes Bezugssystem bezeichnet wird [16,59]:

    Href(t) = ~

    1 12(t)ei k12 reft 1N(t)ei k1N reft

    21(t)ei k21 reft 2... . . .

    N1(t)ei kN1 reft N

    . (2.21)

    Die Diagonalelemente n := knref n sind die statischen Multi-Photonen-Verstimmungen. Sie sind negativ, falls das anregende Laserfeld gegenber dem bergangrot-verstimmt ist, und positiv fr ein blau-verstimmtes Feld. Die Zahlen knm := kn kmsind die Differenzen der einzelnen Multi-Photonen-Ordnungen. Sie sind4 knm = 1fr diejenigen Zustnde |m und |n, zwischen denen eine optischer Dipol-bergangerlaubt ist (fr alle brigen Kombinationen ist das Dipolmatrixelement und damit dieRabi-Frequenz gleich 0). Nun sei zunchst der Fall n > m (untere Dreiecksmatrix)

    4Vorsicht ist geboten bei Leiter-Systemen, die aus adiabatischer Eliminierung hervorgehen. Dann istauch knm 1 mglich.

    27

  • Kapitel 2. Theorie

    und somit knm = +1 betrachtet. Unter diesen Voraussetzungen gilt fr das zugehrigeKopplungselement in Gl. (2.21):

    nm(t)ei knm reft =n|z|m

    ~E(t) eireft

    (2.6)= n|z|m~

    {E+(t) + E(t)

    }eireft

    (2.9)= n|z|m2~{E+(t)eireft + E(t)eireft

    }eireft

    = n|z|m2~{E+(t)ei2reft + E(t)

    }RWA n|z|m2~ E

    (t)

    =: 12nm(t).

    (2.22)

    Die im vorletzten Schritt gemachte Nherung ist die sog. Rotating Wave Approximation(RWA). Sie besteht darin, den mit der doppelten Trgerfrequenz oszillierenden Term ge-genber dem langsam vernderlichen Term zu vernachlssigen. In einem Leiter-System,wie den in Abb. 2.3 gezeigten, induziert der schnell oszillierende Term eine Art Nutationdes Lsungsvektors ~c(t) mit der Frequenz 2ref . Diese schnelle Nutation ist der Effekti-vanregung durch die langsam vernderliche (komplexe) Einhllende der Rabi-Frequenznm(t) berlagert, deren Frequenz durch |nm| bestimmt ist. Fr typische Anregungs-bedingungen im optischen Bereich ist die Photonen-Energie ~ref viel grer als dieWechselwirkungsenergie ~|nm|. Dann hat die schnelle Nutationsdynamik keinen signi-fikanten Einfluss auf die zeitliche Entwicklung der Populationen insb. nicht auf dieEndbesetzungen der Zustnde nach der Wechselwirkung und kann daher vernachlssigtwerden [83]. Die RWA funktioniert umso besser, je kleiner die einzelnen Multi-Photonen-Verstimmungen n sind, d.h. je besser die Zustnde |n sich in kn-Photonen-Resonanzzum Grundzustand befinden. Sie bricht zusammen, sobald das Energie-Niveau eines Zu-standes nicht-resonant (und uneindeutig) zwischen kn und kn + 1 Photonen-Energienber dem Grundzustand liegt.Aufgrund der Hermitezitt des Hamilton-Operators, ergeben sich die Kopplungselementeder oberen Dreiecksmatrix durch komplexe Konjugation von Gl. (2.22),

    mn(t)ei kmn reft =[nm(t)ei knm reft

    ] RWA m|z|n2~ E+(t) =: 12+mn(t), (2.23)wobei die Dipolmatrixelemente als reellwertig angenommen werden drfen. Der

    28

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    Hamilton-Operator selbst nimmt so im Bild der Trgerfrequenz die Form

    Href(t) = ~

    1

    12

    +12(t) 12

    +1N(t)

    1221(t) 2... . . .

    12N1(t) N

    (2.24)

    an.

    Eine Gemeinsamkeit der bislang eingefhrten quantenmechanischen Bilder ist, dass dieEigenenergien ~(nn) der ungestrten Zustnde |n in diesen Bildern zeitlich konstantsind. Sie liefern Informationen darber, ob der bergang zwischen zwei Zustnden |mund |n resonant zum eingestrahlten Laserfeld ist, d.h. ob seine bergangsfrequenz nminnerhalb des (ggf. Multi-Photonen-) Spektrums des Feldes liegt. Insbesondere bei Pul-sen mit kontinuierlich variierender instantaner Frequenz inst(t) Beispiele hierfr sindgechirpte Laserpulse oder Pulse, die aus der spektralen Sprung-Phasenmodulation resul-tieren (s. Abschnitte 4.1.2 bzw. 5.1) ist allerdings auch die Information wann das Feldin Resonanz mit einem bergang gert von Bedeutung. Durch die zeitliche Abfolge derim Laser-Spektrum enthaltenen Frequenzen knnen verschiedene Resonanzbedingungenzu unterschiedlichen Zeiten erfllt sein. Dann erweist es sich als hilfreich, die Variationder instantanen Laserfrequenz in die Eigenenergien der Quantenzustnde einzubeziehen,um so einen berblick ber die dynamischen Resonanzen, die whrend der Wechselwir-kung auftreten, zu gewinnen. Der bergang in das Bild der instantanen Laserfrequenz,das auch als frequenzmoduliertes Bezugssystem bezeichnet wird [16,59], erfolgt durch dieWahl n(t) := kn[reft+ (t)]. Der Hamilton-Operator in diesem Bild lautet dann in derRWA

    Hinst(t) = ~

    1(t) 12 |12(t)|

    12 |1N(t)|

    12 |21(t)| 2(t)... . . .12 |N1(t)| N(t)

    , (2.25)

    wobei die Betrge der Rabi-Frequenzen vereinfacht geschrieben wurden als |nm| :=|nm| = |+nm|. Die Diagonalelemente n(t) := n + kn(t) sind die dynamischenbzw. verallgemeinerten Multi-Photonen-Verstimmungen. Sie bercksichtigen nicht nurdie konstante (statische) Verstimmung der Referenzfrequenz, sondern vielmehr die zeit-abhngige Verstimmung der instantanen Laserfrequenz gegenber den Eigenfrequenzender einzelnen Zustnde.

    29

  • Kapitel 2. Theorie

    2.2.3. Numerische Lsung der zeitabhngigenSchrdinger-Gleichung

    Eine analytische Lsung der zeitabhngigen Schrdinger-Gleichung (2.17) ist i.a. nichtmglich. Lsungen existieren nur fr sehr einfach strukturierte Systeme und analytischvorgegebene Laserfelder E+(t). Ein solcher Fall ist der eines zeitunabhngigen Hamilton-Operators H(t) = H(t0) (etwa cw-Anregung mit konstanter Frequenz im Bild der Laser-Trgerfrequenz). Dann ist die Lsung der Schrdinger-Gleichung zum Zeitpunkt t gege-ben durch

    ~c(t) = ei(tt0)

    ~ H(t0) ~c(t0), (2.26)

    wenn ~c(t0) der Anfangszustand5 des Systems vor der Wechselwirkung ist. Der Expo-nentialoperator auf der rechten Seite von Gl. (2.26) ist ein einfaches Beispiel fr einenEinsteinschen Zeitentwicklungsoperator U(t0, t).Insbesondere im Fall von komplex geformten Laserfeldern und Systemen, die deutlichmehr als zwei Niveaus umfassen, ist man jedoch auf eine numerische, nherungsweise L-sung der Schrdinger-Gleichung angewiesen. Eine sehr effiziente Methode hierfr ist diesog. Kurzzeit-Propagator-Technik [10, 84, 85]. Diese geht davon aus, dass der Hamilton-Operator H(t) zumindest in kurzen Zeit-Intervallen [tj1, tj] der Lnge t = tj tj1nherungsweise konstant ist. Dann lsst sich die Lsung ~c = (c1, ..., cN)T von Gl. (2.17)zum Zeitpunkt tj durch j-maliges Anwenden des obigen Zeitentwicklungsoperators ge-winnen:

    ~c(tj) = eit~ H(tj1) e

    it~ H(tj2) ... e

    it~ H(t0) ~c(t0)

    ~c(t1) ~c(tj1)

    (2.27)

    bzw. rekursiv

    ~c(tj) = eit~ H(tj1) ~c(tj1)

    Kk=0

    1k !

    [it

    ~H(tj1)

    ]k ~c(tj1).

    (2.28)

    5typischerweise befindet sich das System anfnglich im Grundzustand |1, so dass cn(t0) = 1n.

    30

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    Die im letzten Schritt vorgenommene Reihenentwicklung des Zeitentwicklungsoperatorskonvergiert dabei sehr schnell. Eine Entwicklung bis etwa zur 5. Ordnung, K 5, reichtin der Regel vollkommen aus. Durch Angabe der Anfangsbedingung ~c(t0) lsst sich aufdiese Weise iterativ der Lsungsvektor ~c(tj) fr alle spteren Zeitpunkte tj konstruieren.

    2.2.4. Starkfeld-Anregung und das Bild der bekleideten Zustnde

    Die oben eingefhrten quantenmechanischen Bilder zur Beschreibung der Laser-Atom-Wechselwirkung basieren auf den ungestrten System-Zustnden |n. Sie unterscheidensich lediglich in der Wahl der quantenmechanischen Phasen n(t) (vgl. Gl. (2.16)). Mathe-matisch formuliert vermitteln unitre, diagonale Transformationsmatrizen sog. Phasen-transformationen zwischen den einzelnen Bildern. Diese Wahl der ungestrten Zustndeals Basis fr die Beschreibung der Licht-induzierten Dynamik ist geeignet, solange dasuere Feld nicht zu stark ist und noch als kleine Strung des Systems aufgefasst werdenkann. Dann verbleibt das System nherungsweise in seinem Anfangszustand (in der Regelder ungestrte Grundzustand) und wesentliche Mechanismen der Wechselwirkung kn-nen im Rahmen der zeitabhngigen Strungstheorie beschrieben und verstanden werden.In intensiven Laserfeldern dagegen, in denen das System i.a. weit aus seinem Anfangs-zustand getrieben wird, ist die Anregungsdynamik deutlich komplexer und bestenfallsin hoher Ordnung strungstheoretisch zu behandeln. Tatschlich ist der bergang vomSchwach- in das Starkfeld-Regime natrlich flieend und eine Grenze ist nicht ohneWeiteres zu ziehen. Formal ausgedrckt ist ein Prozess N -ter Ordnung nicht mehr per-turbativ, sobald er im Rahmen N -ter Ordnung Strungstheorie nicht mehr akkurat, d.h.unter einem gewissen, akzeptablen Fehler (etwa < 10%) beschreibbar ist. Auswirkungeneiner Starkfeld-Anregung und damit gleichermaen Indikatoren fr eine solche sinddie signifikante Entvlkerung des Grundzustandes durch die Wechselwirkung und einesubstantielle energetische Verschiebung bzw. Aufspaltung der System-Zustnde. Als Mafr den potentiellen Populationstransfer, den ein Laserpuls E+(t) = E(t)ei(t) zwischenzwei Quantenzustnden mit bergangsdipolmoment induzieren kann, wird oft die sog.Pulsflche

    A :=

    |(t)|dt = ~

    E(t)dt (2.29)

    herangezogen. Im idealisierten Fall resonanter Anregung eines isolierten Zwei-Niveau-Systems mit einem reellwertigen Puls, (t) const, gibt die Pulsflche die Anzahl dergetriebenen Rabi-Zyklen in Einheiten von 2 an: Fr einen Puls, der das Zwei-Niveau-System invertiert, ist A = (-Puls). Ist A = 2 (2-Puls), so erfolgt eine voll-

    31

  • Kapitel 2. Theorie

    stndige Rckkehr der Population in den Grundzustand, d.h. es wird ein Rabi-Zyklusvollendet6. Spricht man also von einer signifikanten Entvlkerung des Grundzustan-des, so lsst sich dies anhand der Pulsflche quantifizieren. Nach gngiger Meinungbeginnt das Starkfeld-Regime etwa bei Pulsflchen von A = /2 (/2-Puls), was ei-nem 50%igen Populationstranfer im korrespondierenden Zwei-Niveau-System entsprche,sptestens aber bei A = , was die vollstndige Grundzustandsentlehrung bedeutet.Auch Starkfeld-induzierte Verschiebungen von Zustandsenergien, wie die Autler-Townes-Aufspaltung [86] (resonanter AC-Stark-Effekt) oder die dynamische Stark-Verschiebung[83, 87, 88] (nicht-resonanter AC-Stark-Effekt; s. auch Anhang C), sind bestimmt durchdie Rabi-Frequenz (t) des wechselwirkenden Systems (vgl. Gln. (2.36) bzw. (C.5)). Da-her geht eine alternative Definition des Starkfeld-Regimes davon aus, dass dieses einsetztsobald die Rabi-Frequenz in die Grenordnung der System-spezifischen Verstimmung(t) gert. Diese Definition wird dadurch untersttzt, dass der Betrag der Rabi-Frequenz|(t)| nach Gl. (2.25) unmittelbar die Kopplung der ungestrten Zustnde beschreibt.In Analogie zur adiabatischen Bedingung Gl. (D.7) grenzt somit die Bedingung

    |(t)| (t) (2.30)

    das Schwachfeld-Regime, in dem praktisch keine bergnge zwischen den ungestrtenZustnden stattfinden, vom Starkfeld-Regime ab. Demnach kennzeichnet |(t)| (t)gerade den bergangsbereich zwischen Schwach- und Starkfeld-Grenze.Im Starkfeld-Regime, in dem sich das System unter dem Einfluss des intensiven Feldesi.a. weit von seinem anfnglichen (Eigen-)Zustand entfernt, ist es nicht lnger angemes-sen, den Systemzustand nach den ungestrten Eigenzustnden zu entwickeln. Vielmehrerscheint es sinnvoll, in die Basis des wechselwirkenden Gesamtsystems, das sich zu-sammensetzt aus dem ungestrten System und dem daran ankoppelnden Laserfeld, zuwechseln. Die Eigenzustnde dieses Gesamtsystems werden bekleidete Zustnde, adia-batische Zustnde oder auch Licht-induzierte Zustnde genannt. Das Bezugssystem derbekleideten Zustnde bietet eine natrliche, problemangepasste Beschreibung der An-regungsprozesse in intensiven Laserfeldern. Es liefert dabei nicht mehr oder wenigerInformationen, als das Bild der ungestrten Zustnde. Sein Vorteil liegt darin, dass sichkomplexe Starkfeld-Dynamiken hier sehr transparent darstellen lassen, wodurch sich eineinfacher Zugang zur Interpretation und zum Verstndnis der zugrundeliegenden physi-kalischen Mechanismen bietet.

    Formal sind die bekleideten Zustnde die instantanen Eigenzustnde des Gesamt-Hamilton-Operators H(t). Der bergang in das Bild der bekleideten Zustnde ist da-

    6Genauer gesagt schliet die Besetzung |c1(t)|2 einen Rabi-Zyklus ab. Die quantenmechanische Phaseder Besetzungsamplitude c1(t) kehrt erst nach zwei Rabi-Zyklen zu ihrem Ausgangswert zurck.

    32

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    her keine Phasentransformation, sondern erfolgt durch Diagonalisierung der Matrix-Darstellung von H(t), wie sie in Gl. (2.17) auftaucht. Sei also T (t) die unitre Matrix,welche H(t) diagonalisiert, d.h. D(t) := T (t)H(t)T (t) ist eine Diagonalmatrix, und ~c(t)der Lsungsvektor der Schrdinger-Gleichung (2.17) im Bild der ungestrten Zustnde.Dann ist

    ~c(t) = T (t)~a(t), und ~a(t) = T (t)~c(t) (2.31)

    ist der transformierte Lsungsvektor in der Basis der zugehrigen bekleideten Zustnde.Je nachdem von welchem Bild ungestrter Zustnde ausgegangen wurde nimmt T (t) eineandere Form an und fhrt somit auch in ein anderes Bild bekleideter Zustnde. Unter Be-rcksichtigung der Transformation des Zeitableitungsoperators d/dt in der Schrdinger-Gleichung (2.17) ist ~a(t) eine Lsung der neuen Schrdinger-Gleichung

    i~d

    dt~a =

    {D i~T T

    }~a. (2.32)

    Sie ist in ihrer Form vergleichbar mit Gl. (2.14). Dabei bernimmt die DiagonalmatrixD(t) die Rolle des ungestrten Hamilton-Operators H0. Ihre Eintrge sind die (i.a. zeit-abhngigen) Eigenenergien der bekleideten Zustnde. Der Beitrag i~T T ist generellnicht-diagonal und liefert analog zum Term V(t) = zE(t) in Gl. (2.14) eine Kopplungzwischen den bekleideten Zustnden. Sind die Nichtdiagonalelemente dieses Beitragesjedoch sehr klein, so sind die zugehrigen bekleideten Zustnde nahezu entkoppelt undes finden keine wesentlichen bergnge zwischen ihnen statt. Einen Wechselwirkungs-prozess, bei dem das Gesamtsystem ber die gesamte Dauer des Prozesses in einemEigenzustand verbleibt, nennt man adiabatisch. Bedingungen fr Adiabatizitt werdenin Anhang D diskutiert.Im Zentrum dieser Arbeit steht ein physikalischer Starkfeld-Mechanismus zum ul-traschnellen Schalten zwischen verschiedenen elektronischen Zielzustnden eines Quan-tensystems. Der Schaltmechanismus basiert auf der Kontrolle der Eigenenergien so-wie der Besetzungen bekleideter Zustnde innerhalb eines resonanten Subsystems. DieEnergie-Kontrolle liefert die Abstimmbarkeit bei der Adressierung der Zielzustnde. Dieselektive Besetzung eines bekleideten Zustandes erlaubt es, selektiv nur einen Zielzu-stand anzusteuern und verleiht dem Starkfeld-Szenario den Namen SPODS (SelectivePopulation of Dressed States). Um ein besseres Verstndnis der physikalischen Mecha-nismen zu erlangen, die eine solche Kontrolle ermglichen, ist es sinnvoll, das resonanteSubsystem zunchst isoliert zu betrachten. So hat man es im einfachsten Fall mit einem

    33

  • Kapitel 2. Theorie

    Zwei-Niveau-System7 zu tun, in dem wichtige Beziehungen bereits analytisch abgeleitetwerden knnen. In den folgenden Abschnitten sollen die Bedingungen und Eigenschaf-ten der Kontrolle bekleideter Zustnde im Rahmen verschiedener physikalischer Bilder,wie dem bereits eingefhrten Bild der Eigenzustnde des ungestrten Systems, demBloch-Vektor Bild und einem raumzeitlichen Bild der elektronischen Wellenfunktionen,entwickelt und diskutiert werden.

    2.2.5. SPODS im Zwei-Niveau-System: Das Bild der ungestrtenZustnde

    Dieser Abschnitt dient dazu, den oben beschriebenen Formalismus auf die Situation einesZwei-Niveau-Systems anzuwenden, und so einen konkreten mathematischen Zusammen-hang zwischen den Bildern der ungestrten und der bekleideten Zustnde herzustellen.Dieser Zusammenhang bietet die Grundlage fr die Diskussion der selektiven Bevl-kerung eines bekleideten Zustandes in den Bildern der ungestrten Zustnde (am Endedieses Abschnittes), des Bloch-Vektors (folgender Abschnitt) und der raumzeitlichen Dy-namik des atomaren Dipols (bernchster Abschnitt). Es wird dabei stets vom Bild derLaser-Trgerfrequenz ausgegangen. Die beiden Zustnde des Systems seien mit |1 und|2 bezeichnet und haben die Energien ~1 = 0 und ~2. Aufgrund der (annhernden)Resonanz des Laserfeldes ist k1 = 0 und k2 = 1. Tatschlich sei eine nicht zu grosseVerstimmung8 = ref 2 zugelassen. Dann lautet die RWA Schrdinger-Gleichung indiesem Bild (vgl. Gln. (2.17) und (2.24))

    i~d

    dt

    (c1c2

    )= ~

    (0 12

    +

    12

    )(c1c2

    ). (2.33)

    Mit der Einfhrung des sog. Mischungswinkels (t) durch die Definition tan[2(t)] :=|(t)|/ erfolgt der bergang in das Bild der bekleideten Zustnde mittels der unitrenTransformation

    T (t) :=(

    sin()ei/2 cos()ei/2cos()ei/2 sin()ei/2

    ). (2.34)

    7Tatschlich schliet das Kontrollschema nicht aus, dass sich mehr als ein Zustand in Ein-Photonen-Resonanz zum Laserfeld befinden. Speziell im Kalium-Atom hat man es bedingt durch dieFeinstruktur-Aufspaltung des 4p-Zustandes bereits mit einem Drei-Niveau-System zu tun. DieKonsequenz ist eine grere Flexibilitt des Schaltens, worauf in Kapitel 5 ausfhrlich eingegangenwird.

    8Das heit, die Verstimmung sei kleiner als die spektrale Breite des Laserfeldes: . .

    34

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    Diese diagonalisiert den Hamilton-Operator Href(t) und fhrt auf dessen Darstellung imBild der bekleideten Zustnde:

    Dref(t) = T HrefT =~2

    2 + |(t)|2 00 +

    2 + |(t)|2

    . (2.35)Die Diagonalelemente von Dref(t) sind die Eigenenergien 1(t) und 2(t) der bekleidetenZustnde. Ihre Reihenfolge wurde so gewhlt, dass fr alle Zeiten 1(t) 2(t) gilt9. IhreDifferenz betrgt

    (t) = 2(t) 1(t) = ~2 + |(t)|2. (2.36)

    An Gl. (2.36) erkennt man, dass die Energien der bekleideten Zustnde im Feld propor-tional zur Strke der Rabi-Frequenz |(t)| bzw. zur Feldstrke |E+(t)| = E(t) aufspalten.Diese Energie-Verschiebung ist die sog. Autler-Townes-Aufspaltung [86], oder auch derresonante AC-Stark-Effekt. Dabei wird der obere bekleidete Zusand zu hheren Energien,der untere zu niedrigeren Energien verschoben. Das ist bereits ein wesentliches Ergebnisim Hinblick auf den bergeordneten Schaltmechanismus. Da das Laser-Spektrum unddamit die Verstimmung experimentelle Vorgaben sind, besagt Gl. (2.36), dass alleindie Laser-Feldstrke E(t) die energetische Abstimmung des Populationstransfers in dieZielzustnde leistet. Durch geeignete Wahl der Feldstrke bzw. Intensitt des Laserpul-ses lsst sich die Rabi-Frequenz und damit die Aufspaltung der bekleideten Zustndederart maschneidern, dass im Zeitfenster hchster Feldintensitt (maximaler Transfer-Effizienz) einer der beiden bekleideten Zustnde in Resonanz mit dem angewhlten Ziel-zustand gert.Um jedoch diesen Zielzustand selektiv und mit hchstmglicher Ausbeute anzusteuernist es darber hinaus notwendig, den entsprechenden bekleideten Zustand selektiv zubevlkern, d.h. nicht nur dessen Eigenenergie sondern auch dessen Besetzung zu kon-trollieren. Im Folgenden wird daher im Detail untersucht, wie eine solche Besetzungs-kontrolle zu verstehen und letztlich zu realisieren ist. Hierfr sei der Fall einer exaktresonanten Anregung, = 0, diskutiert10. Dann ist der Mischungswinkel (t) /4und sin() = cos() = 1/

    2. Ferner sei eine Wechselwirkung angenommen, bei der der

    obere bekleidete Zustand selektiv bevlkert wird, d.h.

    9Der Preis dafr ist, dass die bekleideten Zustnde zu Beginn der Wechselwirkung nicht notwendiger-weise mit den entsprechenden ungestrten Zustnden bereinstimmen mssen.

    10Im nicht-resonanten Fall lsst sich die Diskussion in gleicher Weise fhren, ist aber weniger transpa-rent. Insbesondere bricht eine Verstimmung die Symmetrie im Bild der bekleideten Zustnde undfhrt bereits ohne Feld zu einer asymmetrischen Populationsverteilung.

    35

  • Kapitel 2. Theorie

    Re[a]

    -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0

    -1.0

    -0.5

    0.0

    0.5

    1.0Im

    [a]

    Re[c]

    -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0

    -1.0

    -0.5

    0.0

    0.5

    1.0

    Im[c

    ]

    c (t)1

    c (t)2 21

    Bare statesDressed states(a) (b)

    a (t)1

    a (t)2 1

    a (t)2

    Abbildung 2.4.: Selektive Bevlkerung des oberen bekleideten Zustandes in den Bildern(a) der bekleideten und (b) der ungestrten Zustnde. (a) zeigt die zeitliche Entwicklungder Besetzungsamplituden a1(t) und a2(t) in der komplexen Ebene. Der obere bekleideteZustand (rot) ist selektiv bevlkert und entwickelt sich auf dem Einheitskreis im Uhrzei-gersinn mit der Phase 2(t) (2(t) > 0). Die Dynamik der ungestrten Zustnde in (b)verluft ebenfalls auf einem Kreis, allerdings mit dem Radius 1/

    2. In diesem Bild sind

    beide Zustnde gleichbesetzt und rotieren beide im Uhrzeigersinn mit der Phase 2(t).Bedingt durch das Minus-Zeichen der unteren Besetzungsamplitude in Gl. (2.38) (schwarzin (b)) ist diese gegenber der oberen Amplitude (rot in (b)) um phasenverschoben. Diegemeinsame Rotation der ungestrten Zustnde ist Ausdruck einer Energie-Erhhung desZwei-Niveau-Systems im ueren Laserfeld (AC-Stark-Effekt).

    ~a(t) =(a1(t)a2(t)

    )=(

    0ei2(t)

    ), (2.37)

    mit einer beliebigen quantenmechanischen Phase 2(t). Durch Rcktransformation mit-tels T (t) erhlt man fr den Amplitudenvektor im Bild der ungestrten Zustnde denAusdruck

    ~c(t) = T (t)~a(t) = 12

    (ei/2 ei/2ei/2 ei/2

    )(0

    ei2

    )= e

    i2

    2

    (ei/2ei/2

    ). (2.38)

    An diesem Ergebnis sind zwei wesentliche Merkmale der Realisierung von SPODS fest-zumachen. Die wichtigste Folgerung aus Gl. (2.38) ist, dass die selektive Besetzung einesbekleideten Zustandes einher geht mit der Gleichbesetzung der beiden ungestrten Zu-stnde, |c1|2 = |c2|2 = 1/2. In diesem Bild betrachtet befindet sich das System also in

    36

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    einem kohrenten Superpositionszustand, in den die beiden reinen Zustnde mit glei-chem Gewicht eingehen. Diese ausgezeichnete Superposition wird als Zustand maximalerelektronischer Kohrenz bezeichnet und ist eine Grundvoraussetzung fr die Realisierungvon SPODS. Desweiteren erkennt man anhand von Gl. (2.38), dass die Besetzungsampli-tuden c1(t) und c2(t) beide mit der Phase 2(t), also mit gleichem Umlaufsinn, um denUrsprung der komplexen Ebene rotieren. Diese Rotation relativ zu einem Bezugssystem,welches seinerseits bereits mit 21, d.h. mit der Eigenenergie-Differenz der beiden un-gestrten Zustnde, rotiert, lsst sich als zustzliche Energie auffassen, die die beidenZustnde im ueren Laserfeld erhalten. Sieht man von der Feld-induzierten Rotationmit den Phasen /2 ab, so ndert sich die relative Phasenlage beider Zustnde nicht.System-intern bleiben die energetischen Verhltnisse also unverndert. Von auen be-trachtet jedoch etwa durch perturbative Ankopplung eines Beobachterzustandes, inden ein spontaner oder auch ein induzierter bergang stattfinden kann erscheinen dieEigenenergien beider Zustnde um ~2(t) modifiziert. Diese Energie-Modifikation desSystems durch das uere Feld ist nichts anderes als der (resonante) AC-Stark-Effekt.Bei selektiver Besetzung des oberen bekleideten Zustandes, wie in Abb. 2.4 exempla-risch illustriert, ist 2(t) > 0 (Rotation im Uhrzeigersinn). Demnach rotieren die beidenZustnde in diesem Fall schneller, als das Bezugssystem, was einer Energie-Erhhungdes getriebenen Quantensystems entspricht. Umgekehrt ist bei selektiver Besetzung desunteren bekleideten Zustandes 2(t) < 0 (Rotation im Gegenuhrzeigersinn). Die bei-den Zustnde rotieren langsamer als das Bezugssystem, was einer Energie-Absenkungdes wechselwirkenden Quantensystems entspricht. In den folgenden Abschnitten wirddeutlich werden, dass die hier implizit beschriebene Energie-Modifikation des wechsel-wirkenden Gesamtsystems sich explizit in den Eigenenergien der bekleideten Zustndeausdrckt.

    2.2.6. SPODS im Zwei-Niveau-System: Das Bloch-Vektor-Bild

    Das Bloch-Vektor-Bild, ursprnglich eingefhrt von Feynman et al. [89], ermglicht eineanschauliche, geometrische Darstellung der Dynamik eines Zwei-Niveau-Systems unterEinfluss eines treibenden ueren Feldes. Die System-Dynamik wird in diesem Bild durchden Bloch-Vektor

    ~(t) =

    uvw

    =

    c1c2 + c1c2i(c1c2 c1c2)|c2|2 |c1|2

    =

    2R[c1c2]2I[c1c2]|c2|2 |c1|2

    (2.39)

    beschrieben, welcher sich aus der Lsung ~c(t) = {c1(t), c2(t)}T der Schrdinger-Gleichung

    37

  • Kapitel 2. Theorie

    ableitet. Bedingt durch die Erhaltung der quantenmechanischen Norm, |c1(t)|2+|c2(t)|2 !=1 fr alle Zeiten t, ist die Lnge des Bloch-Vektors stets |~(t)| = 1. Er bildet den Zustanddes Systems auf einen Punkt auf der dreidimensionalen Einheitskugel, die in diesem Fallauch Bloch-Sphre genannt wird, ab. Die Achsen des dreidimensionalen Koordinatensy-stems werden in der Literatur hufig mit u, v und w bezeichnet. Die w-Komponente desBloch-Vektors beschreibt die sog. Inversion des Zwei-Niveau-Systems, d.h. die Besetzun-gen der beiden Zustnde. So entspricht der Sdpol der Bloch-Sphre dem System imGrundzustand, am Nordpol ist das System vollstndig invertiert. Die quatorialen Kom-ponenten u und v stehen in engem Zusammenhang mit dem induzierten Dipolmomentz(t) = (t)|z|(t), auf das im folgenden Abschn. 2.2.7 noch nher eingegangenwird. Aus Gl. (2.16) und der Wahl11 1(t) := 0 und 2(t) =: (t) folgt

    z(t) =(1|c1 + 2|eic2

    )z

    (c1|1+ c2ei|2

    )= 1|z|2 c1c2 ei + 2|z|1 c1c2 ei

    =: z (t) ei(t) + +z (t) ei(t).(2.40)

    Die hierbei eingefhrten Gren z (t) sind die analytischen Signale der reellwertigenFunktion z(t) bzgl. der quantenmechanischen Referenzfrequenz (t), d.h. im gewhl-ten quantenmechanischen Bezugssystem. Sie stehen in Analogie zu den elektrischen Fel-dern E(t) bzgl. ihrer optischen Referenzfrequenz ref (vgl. Abschn. 2.1.1). Ohne Ver-lust an Allgemeinheit lsst sich auch hier die Diskussion auf den positiven Frequenz-Anteil +z (t) beschrnken (z = [+z ]). Durch Einsetzen berprft man leicht, dass gilt:+z = 2|z|1/2 (u + iv). Demnach beschreibt die u-Komponente des Bloch-Vektorsden Real-, seine v-Komponente den Imaginrteil des Dipolmomentes +z (t). Daraus wirdersichtlich, dass die quatoriale Komponente von ~(t) eine unmittelbare Abbildung derDynamik von +z (t) aus der komplexen Ebene auf die quator-Ebene der Bloch-Sphredarstellt.Unter Ausnutzung der Lsungseigenschaften der cn(t) zeigt sich, dass die Bewegung desBloch-Vektors einer Kreisel-Gleichung gehorcht:

    d~(t)dt

    = ~(t) ~(t). (2.41)

    Der Bloch-Vektor fhrt eine (instantane) Przession um den sog. Winkelgeschwindig-keitsvektor

    11Im Zwei-Niveau-System ist nur die relative quantenmechanische Phase (t) := 2(t) 1(t) von phy-sikalischer Bedeutung.

    38

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    ~(t) =

    uvw

    = 1~H21 +H12i(H21 H12)H22 H11

    = 1~

    2R[H12]2I[H12]H22 H11

    (2.42)

    aus, in welchen smtliche Informationen ber das uere Feld und dessen Kopplungan das System eingehen. Die Przessionsfrequenz des Bloch-Vektors ist gegeben durchden Betrag |~(t)| des Winkelgeschwindigkeitsvektors (s. Anhang D). In den Bildern derLaser-Trgerfrequenz bzw. der instantanen Laserfrequenz nimmt ~(t) die Formen

    ~ref(t) =

    || cos()|| sin()

    bzw. ~inst(t) = ||0

    (2.43)an.

    Um die Rolle der bekleideten Zustnde im Bloch-Vektor-Bild zu erlutern, mssen dieAmplituden cn(t) in der Definition des Bloch-Vektors Gl. (2.39) erneut mittels der Trans-formationen Gl. (2.34) bzw. (D.3) durch die Amplituden an(t) ausgedrckt werden. Eineausgedehnte, jedoch arithmetisch wenig komplizierte Rechnung liefert dann sowohl imBild der Laser-Trgerfrequenz, als auch im Bild der instantanen Laserfrequenz fr dasSkalarprodukt der beiden Vektoren ~ und ~ den einfachen Ausdruck12

    ~ ~ = ||sin(2){|a2|2 |a1|2

    }, (2.44)

    falls sin(2) 6= 0. Andererseits gilt natrlich stets ~ ~ = || cos(), wenn = (t)den zeitabhngigen Winkel zwischen dem Bloch- und dem Winkelgeschwindigkeitsvektorbezeichnet. Man identifiziert also:

    cos() = 1sin(2){|a2|2 |a1|2

    }. (2.45)

    Diese Beziehung bildet zusammen mit der Normierungsbedingung |a1|2 + |a2|2 = 1 einGleichungssystem fr die Besetzungen der bekleideten Zustnde. Die Lsung dieses Glei-chungssystems lautet

    12Der hier auftretende Mischungswinkel ist definiert durch tan(2) = ||/ im Bild der Laser-Trgerfrequenz, bzw. tan(2) = ||/ im Bild der instantanen Laserfrequenz.

    39

  • Kapitel 2. Theorie

    |a1|2 =12 {1 sin(2) cos()}

    |a2|2 =12 {1 + sin(2) cos()} .

    (2.46)

    Fr den wichtigen Fall der exakten Resonanz des Laserfeldes, = 0 bzw. sin(2) = 1,besagt Gl. (2.46), dass die Besetzungen der bekleideten Zustnde sich direkt im Winkelzwischen dem Bloch-Vektor ~ und dem Winkelgeschwindigkeitsvektor ~ ausdrcken.Insbesondere gilt, dass fr einen Winkel von = 0, d.h. bei paralleler Einstellung beiderVektoren, der obere bekleidete Zustand selektiv besetzt ist, whrend sich das Systemfr = , also bei antiparalleler Ausrichtung der Vektoren, vollstndig im unterenbekleideten Zustand befindet.

    Photon Locking

    Im Folgenden sei der Fall der exakten Resonanz, = 0, im Bild der Laser-Trgerfrequenzbetrachtet. Aus Gl. (2.43) (links) geht hervor, dass in diesem Fall der Winkelgeschwin-digkeitsvektor ~ref(t) an die quator-Ebene gebunden ist und sich dort entsprechendder zeitlichen Phase (t) einstellt bzw. bewegt. Der Bloch-Vektor ~(t) allerdings befin-det sich im typischen Fall der initialen Grundzustandsbesetzung zunchst am Sdpolder Bloch-Sphre. Seine quatoriale Komponente ist 0, d.h. das induzierte Dipolmoment+z verschwindet. Um die kollineare Orientierung beider Vektoren zu realisieren muss~(t) also zunchst in die quator-Ebene gehoben werden. Gem der Definition desBloch-Vektors Gl. (2.39) ist dies gleichbedeutend mit der Anregung des Systems in einenSuperpositionszustand, bei dem beide Zustnde gleichbesetzt sind, |c1|2 = |c2|2 = 1/2.Das ist der bereits in Abschn. 2.2.5 beschriebene Zustand maximaler elektronischer Ko-hrenz. Offenbar ist der Betrag des induzierten Dipolmomentes +z hier maximal. Einesolche Anregung lsst sich etwa durch einen bandbreitebegrenzten Laserpuls, = 0, miteiner Pulsflche von A = /2 (vgl. Gl. (2.29)) bewerkstelligen. Wie in Abb. 2.5(a) dar-gestellt, ist in diesem Fall ~ref(t) in Richtung der u-Achse der Bloch-Sphre orientiert.Aufgrund der vorgeschriebenen Przessionsdynamik (s. Gl. (2.41)) wird ~(t) um ~ref(t)(rechtshndig) in die quator-Ebene gedreht, und ist am Ende des Pulses orthogonalzu ~ref(t) entlang der v-Achse ausgerichtet. Whrend des gesamten Pulses sind beidebekleideten Zustnde dementsprechend gleichbesetzt. Die parallele Orientierung beiderVektoren wird erst durch Einstrahlung eines zweiten Pulses erreicht, welcher relativ zumersten Puls eine zeitliche Phase von = +/2 besitzt. Wie in Abb. 2.5(b) zu sehen, istfr diesen Hauptpuls ~ref(t) in Richtung der v-Achse, d.h. entlang ~(t), orientiert. Da

    40

  • 2.2. Wechselwirkung mit einem Alkali-Atom

    (b)(a)

    -1

    1

    -1

    1

    -1

    1

    w

    r

    Wref

    1

    -1

    1

    -1

    1

    v

    u

    w

    Wref

    r

    Dz

    v

    u

    z(t)

    0

    p/2

    |W(t

    )|

    -100 0 100

    Time [fs]

    Dz = +p/2

    |W(t

    )|

    z(t)

    0

    p/2

    -100 0 100

    Time [fs]

    A = p/2

    Abbildung 2.5.: Elementare Realisierung der selektiven Bevlkerung des oberen beklei-deten Zustandes im Bloch-Vektor-Bild. (a) Um die kollineare Einstellung des Bloch- unddes Winkelgeschwindigkeitsvektors zu erreichen, muss ~(t) zunchst durch einen Prpa-rationspuls in die quator-Ebene gehoben werden. Aufgrund der Przessionsdynamikstehen beide Vektoren am Ende dieses Pulses jedoch noch immer orthogonal zueinander.Die gezeigte Anregung fhrt ~(t) nicht ganz bis in die quator-Ebene, um die folgendeDynamik illustrativer zu gestalten. (b) Ein daraufhin eingestrahlter, intensiver Hauptpulsmit einer relativen Phase von = /2 setzt sich parallel zu ~(t), und friert dessen zeitli-che Dynamik ein. Sind beide Vektoren, wie in der Abbildung gezeigt, nicht exakt parallelausgerichtet, dann vollzieht ~(t) eine enge Przession um ~ref(t). So kommt es in dergesamten Folgezeit zur (nahezu) selektiven Besetzung des oberen bekleideten Zustandes.

    der Phasensprung zwischen beiden Pulsen zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem dieFeldstrke bzw. ~ref(t) nahezu 0 ist, bleibt ~(t) von diesem Ausrichtungswechsel zunchstunbeeinflusst. Tatschlich zeigt sich mit Blick auf die Bewegungsgleichung (2.41), dass indieser Konstellation, = 0, die Zeitableitung von ~(t) verschwindet, so dass die zeitlicheDynamik von ~(t) ber die gesamte Dauer des Hauptpulses eingefroren ist unabhngigdavon, wie intensiv der Hauptpuls ist. So ist whrend des gesamten Hauptpulses derobere bekleidete Zustande selektive besetzt.Besitzt der zweite Puls eine relative Phase von = /2, so wird ~ref(t) in Richtungder positiven v-Achse und somit in Gegenrichtung zu ~(t) orientiert. Auch in dieser Kon-stellation, = , ist die zeitliche Dynamik von ~(t) eingefroren, so dass whrend des

    41

  • Kapitel 2. Theorie

    gesamten Hauptpulses der untere bekleidete Zustand selektiv bevlkert ist. Das Ein-frieren der Bloch-Vektor-Dynamik ist in beiden Fllen Ausdruck des Verschwindens derzeitlichen Populationsdynamik |c1/2(t)|2 im Bild der ungestrten Zustnde. Die Realisie-rung von SPODS fhrt wie bereits im vorherigen Abschn. 2.2.5 diskutiert generelldazu, dass lediglich die quantenmechanischen Phasen der c1/2(t) getrieben werden. DieZustandsbesetzungen bleiben stationr. Das soeben diskutierte Szenario, welches aufeiner Doppelpulssequenz mit diskretem /2-Phasensprung basiert, zhlt zu den elemen-tarsten SPODS-Mechanismen und trgt in der Literatur den Namen Photon Locking(PL) [16,5558,68,90].

    Rapid Adiabatic Passage

    Eine alternative und ebenso elementare Realisierung von SPODS wie das oben beschrie-bene PL ist die sog. Rapid Adiabatic Passage (RAP) [16, 54, 91, 92]. Im Gegensatz zumPL, welches auf Laserpulsen mit diskreten, sprunghaft vernderlichen zeitlichen Pha-sen (t) basiert, beruht RAP auf Pulsen mit kontinuierlich vernderlicher zeitlicherPhase, bzw. kontinuierlich vernderlicher instantaner Verstimmung (t). Das einfachsteund wahrscheinlich prominenteste Beispiel fr einen solchen Puls ist der lineare Chirp,(t) t2, bei dem die Verstimmung (t) linear mit der Zeit ansteigt bzw. absinkt undnach der Hlfte der Zeitentwicklung durch 0 (Resonanz) verluft. Die Auswirkung einessolchen linear gechirpten Laserpulses auf das Zwei-Niveau-Atom ist in Abb. 2.6 anhan