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Retter des Imperiums

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Nr. 125Retter des ImperiumsSie rauben den Zeitumformer und gehen in die Vergangenheit! Das 11.Atlan-Abenteuer!von K. H. Scheer

Crest, der erste arkonidische Freund Perry Rhodans, hatte seinerzeit vorausgesagt, daß die kühnen undtatkräftigen Terraner eines Tages das zerfallene Arkonidenreich übernehmen würden, um aus dessenTrümmern das Sternenreich der Menschheit zu bauen.Ist der Tag bereits gekommen, an dem sich Crests Voraussage erfüllen soll ...? Ist das Solare Imperium imJahre 2106 - also nicht einmal anderthalb Jahrhunderte nachdem die Menschen erstmals in den Weltraumvorstießen - bereits stark genug, um die Arkoniden in ihrer Herrschaft über die bekannten Teile derMilchstraße abzulösen? Atlan, der Imperator, der seinen dekadenten Hofschranzen noch nie genehm war, stießjedenfalls auf so viele Schwierigkeiten, daß er schon seit langem nur mit Hilfe der Terraner seine Positionbehaupten konnte - und mit Unterstützung des mächtigen Robotregenten!Gegen Ende des Jahres 2105 hat der Robotregent Atlan plötzlich alle Hilfe versagt und auf einem»Psycho-Duell« bestanden, dessen Ausgang den neuen Imperator bestimmen soll.Atlan unterlag in diesem Psycho-Duell und wurde somit zugunsten Carbas von der Positronik abgesetzt!Doch weder Atlan noch Perry Rhodan sind Männer, die nach einem Rückschlag sofort die Flinte ins Korn zuwerfen pflegen. Sie suchen einen Weg, um das Geschehene rückgängig zu machen - und finden dabei denRETTER DES IMPERIUMS ...Allan D. Mercant und Nike Quinto Planer des Unternehmens »Verzweiflung«.

Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Ein Herrscher ohne Macht.Perry Rhodan - Der Administrator des Solaren Imperiums macht einen Staatsbesuch.John Marshall - Chef des Mutantenkorps.Epetran - Das Genie aus der Vergangenheit.Auris von Laa-Toor - Das Raumschiff das sie beseitigt, dürfte eigentlich seit Jahrtausenden nicht mehr existieren.

1.

»... sollten mich springen lassen, Sir. Bitte, Sir, Siesind der Aufgabe nicht gewachsen.«

Ich winkte ab. Ras Tschubai, ein Teleporter desterranischen Mutantenkorps, sah mich nochmalsflehend an. Dann ging er.

Der Transmitterbogen wölbte sich auf. Aus denBodenprojektoren stieg blaues Feuer.

Das Dröhnen der Strommeiler übertönte dieanderen Geräusche. Ras Tschubai hatte überHelmfunk gesprochen.

Zwischen den Torbögen des Materietransmittersentstand das energetisch übergeordneteEntmaterialisierungsfeld. Ich legte die Hände um dieBombe, die auf meiner Brust hing.

Sie war in terranischen Kernforschungsanstaltenentwickelt worden. Ihre effektive Wirkung erfolgteauf thermischer Basis. Es würde keine Detonation imgewohnten Sinne erfolgen. Wenn alles wunschgemäßverlief, mußte ich die Gefahrenzone rechtzeitigverlassen können.

Ich drehte den Kopf. Den Druckhelm desarkonidischen Kampfanzuges hatte ich bereits

geschlossen. Die Klimaanlage lief, und dieSauerstoffversorgung war in Ordnung. Ich war aufalles vorbereitet.

Den Individualschirm konnte ich noch nichteinschalten. Er vertrug sich nicht mit denEnergielinien des akonischen Transmitters. Ichumfaßte die Thermalbombe noch fester. Die Akonen!Sie waren die Geheimnisvollen im Hintergrund dergalaktischen Bühne. Ohne ihre Hilfe und ohne ihreTechnik wäre es einem verräterischen Arkonidenniemals möglich gewesen, den Robotregenten aufseine Seite zu ziehen.

Seit meiner Flucht waren etwa zwei Monatevergangen. Nun befand ich mich wieder imKugelsternhaufen M-13, jedoch war ich diesmalnicht als regierender Imperator, sondern ohne Machtgekommen.

»Volleistung in zweiundvierzig Sekunden«, gabmir jemand über Sprechfunk bekannt. Ich erkanntePerry Rhodans Stimme. Er hielt sich in der Zentraleder IRONDUKE auf.

Das terranische Linearschiff war vor einer Minuteaus dem Kalupschen Zwischenraum gekommen.

Zwanzig Lichtjahre vom äußeren Abwehrringentfernt - mehr durften wir nicht riskieren.

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Wahrscheinlich waren wir jetzt schon von denFestungen des Robotgehirns angepeilt worden. EineSchande! dachte ich erbittert. Der Arbeitslärm derReaktoren wurde betäubend. Ich war allein in demTransmitterraum. In den wenigen Sekunden, die mirbis zum Beginn des Unternehmens »Verzweiflung« -wie wir es genannt hatten noch zur Verfügungstanden, liefen die letzten Ereignisse wie einRafferfilm in meinem Gedächtnis ab.

Carba, aus der Familie der Minterol, hatte michschachmatt gesetzt. Vor drei Monaten war er zumImperator Minterol I ernannt worden. Der SolareGeheimdienst hat ermittelt, daß Carba infolge einerzu heftig betriebenen Gehirnaktivierung seinesVerstandes nicht mehr mächtig war. Er mußte dichtvor dem psychischen Zusammenbruch stehen.

Um so mehr war er jenen Intelligenzenwillkommen, die sich seiner Person bedient hatten,um die Macht im Arkonidenimperium zu erringen.

Sie steuerten den Robotregenten durch den vonihm anerkannten Imperator. Das Robotsystem warunfähig, zwischen gewollten und aufgezwungenenAnweisungen Carbas zu unterscheiden.

Es war jene Situation eingetreten, die meineehrwürdigen Vorfahren durch den Bau einesSuperrobots hatten verhindern wollen: Das Reichwurde von Fremden übernommen, aufgesplittert undunter zahllose Interessenten aufgeteilt. Das war dasEnde des zwanzigtausendjährigen Sternenreiches.Wahrscheinlich bedeutete es auch den Untergang derMenschen. Rhodan hatte bereits Wunder vollbracht,aber zaubern konnte er auch nicht. Ohne denBeistand der Robotflotte mußte Terra verloren sein.

Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß man eineOffensive plante. Wahrscheinlich würde dieRegentflotte nicht allein sein. Die zu unbequemgewordenen Terraner wurden nur von wenigenIntelligenzen geliebt. Die meisten haßten sie,darunter vordringlich die Galaktischen Händler,Aras, Antis und neuerdings auch die Akonen, denenRhodan die bedeutendste Niederlage in ihrerGeschichte zugefügt hatte.

Ich hatte keine Macht mehr. Meine Verbundenheitzur Erde mochte für die Terraner sehr schön sein,aber nutzbringend war sie nicht mehr. Ein abgesetzterArkonidenimperator stellte für ihre Außenpolitik ehereine Belastung als eine Unterstützung dar.

Ich hatte mich entschlossen, meinen schwerstenGang anzutreten. Ich war bereit, das zu tun was ichüber hundert Jahre lang mit allen Mitteln verhinderthatte: nämlich das Robotgehirn zu vernichten.

Meine seelische Not war von Rhodan klar erkanntworden. Er hatte weder gefragt noch gebeten, bis ichselbst den Vorschlag unterbreitet hatte, den Regentenzu sprengen. Da hatte ich erst erfahren, daß dieSolare Abwehr schon alles vorbereitet hatte.

Wenn das Robotgehirn ausgeschaltet war, lag es anden Terranern und mir, das Imperium zu retten. Andie damit verbundenen Schwierigkeiten durfte ich indiesen Augenblicken nicht denken.

Der Regent steuerte Industrie,Ernährungswirtschaft und militärische Macht desReiches. Wenn er plötzlich nicht mehr vorhandenwar, mußte es zu einer Katastrophe kommen. Wirhatten uns jedoch gewissenhaft gefragt, ob die zuerwartenden Revolten und Kleinkriegeschwerwiegender sein könnten als eineAufsplitterung unter gierig zugreifenden Mächten derGalaxis.

Ich muß es tun! Carbas verbrecherischeIntelligenzsteigerung führte den Untergang herbei.Der Regent war mit unlauteren Mitteln davonüberzeugt worden, daß Carba infolge seiner hohenIQ-Quote der neue Imperator sein müsse. In einemPsychoduell, das auf der Ebene einer kaumerfaßbaren Robotlogik ausgetragen worden war, hattemein Gegner beweisen können, ich sei ein schlechterHerrscher gewesen. Es war berichtet worden, ichhätte gegen den Willen der Vorfahren dieEntwicklung der Terraner unterstützt, sie mittechnischen Geheimnissen versorgt und somit einenkaum schlagbaren Gegner herangezüchtet.

Meine Sorgen um das Imperium waren von demRobot nicht verstanden worden. Er hatte die uralteKatastrophenprogrammierung Epethus befolgt,wonach ein Imperator sofort abzusetzen war, sobalder nicht ausschließlich um das Wohl des Reichesbesorgt sei.

Es war mir erwartungsgemäß nicht gelungen, aufrein logischer Basis zu beweisen, daß dieFreundschaft mit den aktiven und hochintelligentenTerranern für das Imperium nur hätte nutzbringendsein können.

Carba war zum Imperator ernannt worden. Ichhatte zur Erde fliehen müssen.

»Sprung in drei Sekunden. Viel Glück, Freund«,gab Rhodan durch.

Ich schreckte auf. Die Bombe war rauheWirklichkeit. Ich mußte sie in den Schaltungen desRegenten zünden.

»Du hättest einen Terra-Mutanten schickensollen«, teilte der Logiksektor mit.

Gewiß - ein Teleporter hätte sich im Gefahrenfallebesser helfen können. Es war jedoch meine Sache,das grandioseste Erzeugnis meiner Vorfahren zuvernichten.

Ich mußte kraft meiner Herkunft versuchen, dasImperium zu erhalten.

Der Transmitterbogen war mannshoch. DieEnergiesäulen hatten sich verdichtet.

Als die violette Lampe zu flackern begann, gingich auf den gähnenden Schlund zwischen den

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Feldlinien zu. Noch ein Schritt, und ich mußte imzwanzig Lichtjahre entfernten Robotsystemherauskommen.

Die Terraner hatten es verstanden, die akonischeTechnik auszuwerten. Die ehemals so rätselhaftenFerntransmitter boten keine Geheimnisse mehr.

Ich spürte den Zug des Entstofflichungsfeldes. Tiefeinatmend, alle Überlegungen über Sinn oder Unsinnmeines Vorhabens beiseite schiebend, rüstete ichmich zum Sprung.

»Stopp, zurück«, schrie jemand. »Zurück, Atlan,Gefahr! Die Gegenstation ist kurzgeschlossen.«

Ich handelte, ohne zu denken, so wie ich es in denletzten Jahren immer getan hatte. Ein ständigbedrohter Mann entwickelt einen sechsten Sinn.

Ehe ich die Warnung recht begriffen hatte, sprangich schon zurück. Einen Meter von demTransmitterbogen entfernt fiel ich zu Boden. Dieschwere Ausrüstung hinderte mich an raschenBewegungen. So kroch ich noch weiter in den Raum,bis ich jenseits des markierten Gefahrenkreises hinterdem Thermalschutzschild in Deckung gehen konnte.

Das Schott schwang auf. Zwei Männer, RasTschubai voran, stürmten in den Raum. Sie zerrtenmich, ohne ein Wort zu sprechen, aus demTransmitterraum. Draußen stellten sie mich auf dieBeine.

»Sind Sie in Ordnung, Sir?« fragte ein jungerMann.

Ich erkannte Leutnant Brazo Alkher, einen jenerNachwuchsoffiziere, die später einmal die Geschickedes Solaren Imperiums mitbestimmen würden.

»Danke, ja. Was ist geschehen?« Ich hatte zu leisegesprochen. Das Dröhnen der Umformer war kaumzu übertönen. Ich wiederholte meine Frage.

Alkher drückte auf den Öffnungsknopf meinesHelmes. Er glitt auf die Schulter zurück, wo er sichmagnetisch verankerte. Ras Tschubai nahm dieBombe an sich. Er lächelte mich entschuldigend an,konzentrierte sich und verschwand in einer hellenLeuchterscheinung.

Ich war fassungslos. Mein Gehirn weigerte sich,die Geschehnisse aufzunehmen.

Rhodan und der Kommandant erschienen. JefeClaudrin hatte seinen Mikrogravitator abgeschaltet.Er kam mit gewaltigen Sätzen durch den Ganggesprungen, als herrsche an Bord der IRONDUKEkeine Schwerkraft. Wieder erhielt ich keine Antwort.

Man führte mich hinaus, als wäre ich ein Kind.Anscheinend hatten die Terraner meinebetäubungsähnliche Verfassung erkannt. Ich wurdeschläfrig, als mich Rhodan in der Zentrale auf einKonturlager bettete.

Hier war es still. Das Summen der Aggregatestörte nicht.

Ich wunderte mich über mich selbst.

Normalerweise hätte ich erregt sein müssen. So abermußte ich mir jede Bewegung abringen. Es war wieein Schock. Ich war jählings aus einem Zustandhöchster Konzentration und wochenlangerNervenbelastung herausgerissen worden.

Ein Arzt verabreichte mir eine Injektion. Nachwenigen Augenblicken wurde ich wieder aktiv.

Perry kniete vor mir. Ringsumher standen dieOffiziere der IRONDUKE. Professor Kalupsmächtige Gestalt war nicht zu übersehen. Ich richtetemich auf.

»Unkraut vergeht nicht«, meinte Kalup sehrcharmant. »Wissen Sie auch, mein Herr, daß Sie sichschon im Einflußbereich des Auflösungsfeldebefanden? Wie haben Sie es geschafft, nochrechtzeitig zurückzuspringen?«

»Instinkt, Selbsterhaltungstrieb ich weiß es nicht.«»Schöner Instinkt. Der Transmitter wurde

kurzgeschlossen, als Sie einsteigen wollten. Dasbedeutet, daß die Gegenstation nicht mehrempfangsbereit war. Jeder Körper, der jetzt vomSender abgestrahlt wird, dürfte bei einer solchenSchaltung im Zeitraum von einer Mikrosekunde etwahunderttausendmal hin- und hergeschleudert werden,denke ich mir jedenfalls.«

Rhodan lachte mich an. Es war ein unechtesLachen. Beruhigend klopfte er mir auf die Schultern.

»Vergiß es, Freund. Wir haben es im letztenAugenblick erkannt.«

In meinem Hirn überstürzten sich dieÜberlegungsvorgänge. Während meiner langenAmtszeit als Imperator Gonozal VIII. war es mirgelungen, im Unterbau des Robotregenten einenTransmitter aufzustellen. Nie hatte das SystemVerdacht geschöpft, da es auf Grund seinerKonstruktion unfähig gewesen war, dieübergeordneten Feldlinien des Gerätes zu orten.Außerdem war der Empfänger von terranischenSpezialisten gebaut worden. Es gabSicherheitsschaltungen, die selbst den Akonenunbekannt waren.

Wer hatte das Aggregat kurzgeschlossen? Werkonnte dazu befähigt sein?

Ein seltsamer Ton ließ mich aufhorchen. Es klangwie das Winseln eines Hundes. Rhodan sah auf einenBildschirm, der den Innenraum der Bordstationzeigte. Augenblicke später wurde der Ton schriller,bis er sich zum Kreischen einer Motorsäge steigerte.

»Wir haben einen Roboter in das Feld geschickt«,schrie mir Perry zu. »Da, sieh dir das an!«

Ich sprang auf. Wieder schienen meine Beine ohneBefehlsgebung des Gehirns zu arbeiten. Ich ahnte,daß ich schreckensbleich war.

Das Entstofflichungsfeld zwischen denSchenkelsäulen, normalerweise schwarz, flammte ineinem grünlichen Leuchten. Darin zeichnete sich ein

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nebelhaftes Gebilde ab, das anscheinend mit jederverstreichenden Sekunde mehr und mehr deformiertwurde.

Jefe Claudrin gab einen Befehl. Unser Senderwurde abgestellt. Ein Blitz zuckte aus der Öffnunghervor. Etwas schlug gegen die Panzerwand desEnergieraumes und blieb daran haften.

Als das Grollen der Meiler verhallte, sahen wirimmer noch auf den Bildschirm. Der Robot war zueinem faustgroßen Metallklumpen von anscheinendhoher Verdichtung geworden. Weißglühend, an derOberfläche wie ein Lebewesen pulsierend, klebte eran den Stahlplatten.

Ich sagte kein Wort. Jedermann in der Zentralekonnte sich vorstellen, wie ich ausgesehen hätte,wenn ich nicht zurückgesprungen wäre, nämlich garnicht mehr ...

Rhodan räusperte sich. Kalup wischte sich miteinem Taschentuch über den Kahlkopf.

»Da haben sich die Atomgruppen aber nicht mehrsäuberlich eingeordnet«, meinte er. »Können Sie mirverraten, Sir, was mit Ihrem Transmitter geschehenist? Ich dachte. Sie hätten ihn verstockt?«

Ich unterdrückte meine Erregung. Es war allessinnlos geworden. Niemand sprach etwas, bis ichstockend erklärte:

»Eine gute Frage, Professor! Der Regent hätte ihnnie entdecken können. Carba ebenfalls nicht. Alsomüssen Intelligenzen eingedrungen sein, die etwasvon akonischen Transmittern verstehen.«

»Terranischen Transmittern nach akonischemPrinzip«, verbesserte Kalup gereizt. Ich winkte ab.»Meinetwegen. Ich weiß, daß Sie sich Mühe gaben.Trotzdem ist die Maschine gefunden und offenbarauch technisch begriffen worden. Man wartete, bisunser anlaufender Sender den Bereitschaftsimpulsabstrahlte, und da schloß man kurz. Ich bin nocheinmal davongekommen. Wie wir aber jetzt noch dasRobotgehirn sprengen wollen, ist ein anderesProblem.«

Kalup ging. Ich sah dem fettleibigen Marin nach,bis er in der Ortungszentrale verschwand. SeinPolterton berührte mich nicht mehr. Ich wußte, daß erseinem cholerischen Naturell entsprach. Er meinte esnicht so.

Rhodan hatte die Hände auf einen Kartentischgestützt. Er starrte auf die Platte nieder, als wollte ersie mit den Blicken durchbohren. Ohne aufzusehen,traf er eine Feststellung, die ich nicht widerlegenkonnte.

»Das wäre die letzte Möglichkeit gewesen, dasSystem relativ risikolos anzugreifen. AkonischeWissenschaftler sind eingedrungen. Es wurde ihnenetwas erlaubt, was man uns immer verwehrte. Essteht fest, daß der Regent in seinen wesentlichenSicherheitsprogrammierungen umgeschaltet wurde.

Damit wird er zur gemeingefährlichen Maschine.Nach unseren Feststellungen sind große Teile derRobotflotte ins Arkonsystem beordert worden. Einoffener Angriff wäre nicht nur aussichtslos, sondernauch bedrohlich für die Existenz der Menschheit.Unsere Mutanten können das Robotgehirn nichtbetreten. Der Fiktivtransmitter wäre die letzteLösung.«

Ich horchte auf. Das Gerät befand sich an Bord desFlottenflaggschiffes.

»Es ist erwiesen, daß der Wabenschirm desSystems nicht durchschlagen werden kann. DieAkonen haben die Defensivwaffen modernisiert.Außerdem verfügen sie ebenfalls über Linearschiffe.Was hast du vor?«

Er sah mich seltsam an. Jefe Claudrin wichmeinem Blick aus. Da ahnte ich, daß unter denTerranern etwas besprochen worden war, wovon ichnoch nichts wußte.

»Nichts, Atlan. Oder besser - noch nichts! Es kämeauf deinen Entschluß an.«

»Und der wäre?«»Ich brauchte dein Einverständnis, auf Arkon III

einen Atombrand anlegen zu dürfen. Das bedeutetedie Vernichtung des Planeten. Moment ...« Er hob dieHand, und ich zügelte meine Erregung - »laß michaussprechen. Wir sind uns darüber klar, daß der engeGravitationsverband der drei Arkonwelten erschüttertwerden müßte. Die von deinen Vorfahreneingefangenen Himmelskörper würden fraglos ausden künstlich erschaffenen Umlaufbahnenentweichen, falls die Masse des Kriegsplaneten nichtmehr vorhanden ist. Berechnungen liegen vor. ArkonI und die Industriewelt Arkon II würden vonverheerenden Beben und Flutkatastrophenheimgesucht werden. Eine Wandlung derklimatischen Verhältnisse wäre eine weitere Folge.Das muß gesagt werden.«

Ich ging auf die Ortungszentrale zu. RhodansWorte hatten mich getroffen.

»Ich bin für die Ablehnung des Plans«, sagte er.Da drehte ich mich um. Sein Gesicht warausdruckslos.

»Danke. Es geht nicht. Du kannst nicht MilliardenArkoniden opfern. Mit der Zerstörung von Arkon IIIwäre ich notfalls noch einverstanden. Dort lebt kaumjemand. Eine Evakuierung wäre möglich. DieKristallwelt und Nummer II dürfen jedoch nichterschüttert werden. Noch habe ich nicht aufgegeben.«

Die Panzertür öffnete sich, und ich schritthindurch. Ich wußte, daß wir am Ende unsererWeisheit angekommen waren.

Rhodan folgte mir. Vor den Echoschirmen derEnergietaster blieben wir stehen. Jefe ClaudrinsStimme drang aus der Zentrale herüber. Er ließ dieTriebwerke anlaufen.

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Das Tosen der Strukturtaster traf mich nichtunvorbereitet. Ich hatte damit gerechnet. Rhodandeutete mein müdes Lächeln richtig.

Wir waren gekommen, um den Regenten zuzerstören. Wenn er nicht mehr existierte, war CarbasPlanung hinfällig. Die fremden Machtgruppenwürden das Interesse an ihm verlieren. Vordringlichaber waren etwa hunderttausend Raumschiffe derarkonidischen Robotflotte aktionsunfähig gewesen.Die Akonen, von denen die Revolte der aktivenArkoniden gesteuert wurde, hatten ihr Ziel erreicht.Der Regent handelte unlogisch. Damit stand es fest,daß man ihn entscheidend beeinflußt hatte.

Das Tosen deutete auf Transitionen hin. Alsowurden wir von dem Robotsystem angegriffen.

Ich achtete kaum auf das Heulen der Alarmsirenen.Die IRONDUKE war gefechtsklar. Sekunden nachder ersten Fernortung nahm sie Fahrt auf. DieBefehle schienen sich - wie immer in solchenAugenblicken - zu überstürzen.

Die Männer der Freiwache hasteten auf ihreGefechtsstationen. Die ausgefahrenen Waffentürmeverrieten, daß Terra nicht mehr so hilflos war wie vorhundert Jahren.

Das Eintauchmanöver der angemessenen Raumererzeugte eine zweite Schockwelle, die von denTastern ebenfalls registriert wurde.

Auf den Echoschirmen der Massenpeilererschienen vier grüne Pünktchen. Sekunden späterwurde die Auswertung durchgegeben. Die terranischeÜberlichtortung basierte auf dem Prinzip derHyperkom-Echo-Auswertung. Es war gelungen, auchvon normalmateriellen Körpern eine Rückstrahlungzu erhalten. Man war nicht mehr allein auf dieenergieverwandten Impulswellen der Triebwerkeangewiesen, durch die man zwar Entfernung undStandort eines Objektes feststellen, seinen Umfangaber nicht bestimmen konnte.

Die Stimme des diensthabenden Offiziers drangaus den Lautsprechern. Zu der Zeit raste dieIRONDUKE mit einer Beschleunigung von 600km/sec in den freien Raum hinaus.

»Vier Superschlachtschiffe, Imperium-Klasse, rot33,467, vertikal 7,27465 Grad. Pulkflug,Sammelmanöver, Schwenken ein, eröffnen Feuer.«

Ich runzelte unwillig die Stirn, obwohl dierobotgelenkten Riesenraumer fraglos die Anweisungerhalten hatten, die IRONDUKE zu vernichten.

Trotzdem fand ich es erstaunlich, daß dieZentralepositronik das Feuer eröffnete. Die vierRaumer waren in einer Entfernung von etwa zehnMillionen Kilometer aus dem Hyperraum gekommen.Ihre Fahrt war annähernd lichtschnell. Es warlächerlich, in diesem relativistischen Bereich einenWirkungstreffer anbringen zu wollen. Die Distanzwar ebenfalls zu groß, um einen schnellen Gegner

erfassen zu können.Rhodan kümmerte sich nicht um die

Energiebahnen, die unsichtbar an uns vorbeiglitten.»Breitseitentakt eingeleitet«, gab die Ortung durch.

»Miserabel! Verzeihung, Sir.«Ich rannte zur Zentrale hinüber. Auf den

Großbildschirmen waren die Echopunkte klar zusehen. Die Imperiumsraumer befanden sich imBremsmanöver. Die Faktoren, die somit auf dieSchußunterlagen einwirkten, konnten auch nicht vonder Regentpositronik gelöst werden.

Das Donnern unserer Triebwerke machte einnormales Sprechen unmöglich. Ich ergriff einenFunkhelm, preßte die Muscheln gegen die Ohren undschaltete das Gerät ein.

Sofort vernahm ich Rhodans Befehle. Er saß imKommodoresessel. Nebenan überwachte derKommandant die Maschinen- undGeschützkontrollen.

»... sollten es versuchen. Feuer frei«, sagte Perry.Ich blickte überrascht auf die

Überwachungsschirme. Eine altertümliche Rakete,wie wir sie beim Abwehrkampf gegen die Antiseingesetzt hatten, verließ eine Werferkuppel.

Das Lohen des Mikro-Impulstriebwerks war beimDurchstoßen der umgepolten Abwehrfelder zu sehen.Dann erlosch es. Auf den Schirmen der Energietasterleuchtete jedoch ein grüner Punkt. Die Raketebeschleunigte mit Maximalwerten von 800Kilometern pro Sekundenquadrat. Sie warselbstlenkend. Der Steuerkopf basierte auf dreiverschiedenen Prinzipien, die von einem Robotschiffschlecht erkannt werden konnten. Projektile alsWaffenträger waren seit Jahrtausenden nicht mehrgebräuchlich. »Ob das gelingt?« meldete ich mich.Rhodan zuckte mit den Schultern. »Probieren gehtüber studieren, lautet ein irdischer Wahlspruch. Ichmöchte sehen, wie sie darauf reagieren. Wir arbeitenzur Zeit mit dem Massenorter. Wird er überlagert,schaltet sich der Energietaster ein. Er wirdunwirksam, wenn man sofort die Triebwerke stillegt.Die Reststrahlung ist für die Fernortung zu minimal.Die primitivste Methode verwendet derlaserverstärkte Reflektor-Sucher. Er beginnt zufunktionieren, wenn er in jenes Gebiet kommt, dasder von den Schiffen reflektierte Lichtstrahl schonerreicht hat. Eine Abschirmung der Rückstrahlung istkaum möglich. Allerdings muß das Geschoß demweiterfliegenden Schiff nacheilen.«

Ich war beeindruckt. Diese Männer scheuten sichnicht, von Fall zu Fall die jeweils geeigneten Waffeneinzusetzen; auch dann nicht, wenn es sich um eineuralte Konstruktion handelte, die von anderenIntelligenzen als wirkungslos abgetan wurde.

Die Robotraumer schossen immer noch. IhreKurse näherten sich dem unseren, jedoch war der

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Verbandsflug aufgegeben worden.Ehe wir in den Kalupschen Zwischenraum

eindrangen, meldete die Ortung einen heftigenEnergieausbruch in einer Entfernung von achtMillionen Kilometern.

Ein Echopunkt verschwand. Dafür entstand an dergleichen Stelle ein orangerot leuchtender Fleck.

»Es sind etwa vierzigtausend Megatonnenfreigeworden«, teilte der diensthabendeOrtungsoffizier mit. »Abschuß, Totalverlust.Kerntreibstoffe haben an dem Prozeßteilgenommen.«

Rhodan lehnte sich in seinem Sessel zurück. Ichpreßte die Zähne aufeinander. War der Regent sounfähig geworden, daß seine Schiffe von einemprimitiven Atomgeschoß vernichtet werden konnten?Ich hätte zehn Möglichkeiten gefunden, die deutlicherkennbare Rakete entweder durch Beschuß zuzerstören oder ihr auszuweichen. Ich mied RhodansBlick.

Das Heulen des Kompensationskonverters erstarb.Der sternflimmernde Raum verschwand von denBildschirmen.

Das Phänomen des überlichtschnellen Linearflugesfesselte mich erneut.

Rhodans Stimme klang in meinemHelmlautsprecher.

»Das Robotgehirn ist am Ende. Ich hätte nichtgedacht, einen Imperiumsraumer treffen, geschweigedenn, ihn vernichten zu können. Es wird Zeit, dieMaschine zu zerstören. Sie richtet Unheil an. Inwenigen Monaten wird die Galaxis in Aufruhr sein.Carba dürfte bis dahin dem Irrsinn verfallen sein.Von dem Augenblick an herrschen die Akonen nochmüheloser. Jetzt müssen sie noch etwas Rücksichtnehmen. Kannst du dir vorstellen, was danngeschieht?«

Ich nickte deprimiert. Ja, ich konnte es mirvorstellen. Auch wenn die vier Robotraumerausgesprochen unsinnig gehandelt hatten: Gegenhunderttausend dieser Art konnte die terranischeFlotte trotzdem nicht ankommen.

Die Einheiten der Springer würden zusätzlich inssolare System eindringen, dazu die Schiffe zahlloserKolonialvölker, die nach wie vor demArkonidenimperium unterstanden.

Trotzdem glaubte ich noch daran, den Regentenabschalten zu können. Desaktivierung war inunserem Falle das Schwert, mit dem der gordischeKnoten zerschlagen werden konnte.

2.

Von dem »Männchen«, wie man den schmächtiggebauten Chef der Solaren Abwehr nannte, war ichallerlei gewohnt; aber diesmal hatte der

Solarmarschall die verrückteste Idee unterbreitet, dieich jemals vernommen hatte.

Die Terraner schienen mit fortschreitenderTechnik dazu zu neigen, unlösbar erscheinendeProbleme anderen Möglichkeiten vorzuziehen.

Ich kannte die Menschen seit zehntausend Jahren.Sie waren stets intelligent, entschlußfreudig undbeängstigend wissensdurstig gewesen.

Das waren Charaktereigenschaften, die mich alsehemaligen Arkonidenadmiral nachdenklichgestimmt hatten. Damals, als ich zum ersten Male dieErde betrat, hatte ich auf Grund meiner Erziehung,meines Ranges und meiner arkonidischenWeltanschauung darüber nachgedacht, in welcherForm ich meinen Situationsbericht abzufassen hätte.

Ich war der Meinung gewesen, meineNachkommen darüber informieren zu müssen, daßauf einer unbedeutenden Welt im Neunersystem desSternes Sol ein Volk heranwüchse, das zu beobachtensich lohne.

Nun waren die Terraner zu einem Machtfaktorgeworden. Sie kämpften um ihr Leben, was seitihrem offiziellen Auftreten im politischenGroßraumgebiet der Galaxis nicht hatte ausbleibenkönnen.

Ein wesentlicher Faktor im Rhodanschen Spiel umAnerkennung, Ausdehnung und blitzschnellesZuschlagen war Allan D. Mercant: ein Halbmutantmit geringen telepathischen Fähigkeiten und demGehirn eines Genies.

Ehemals war er Chef des NATO-Geheimdienstesgewesen. Rhodan hatte es ihm zu verdanken, daß diein den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhundertsgegründete Dritte Macht nicht in noch größereSchwierigkeiten gekommen war.

Mercants »Hobby«, wie er sich ausdrückte, wardie Geheimdiensttätigkeit. Für meine Begriffe wardie Arbeit einer solchen Organisation zwarunerläßlich, aber nicht besonders sauber. KeinAbwehrchef kann Mißklänge im Spiel seinesSpezialinstruments verhindern.

Wir waren vor zwei Tagen in Terrania gelandet.Die Stadt war noch größer und moderner geworden.Rhodan wußte selbst nicht genau, wieviel EinwohnerTerrania besaß.

Wir hatten uns auf Mercants Einladung im kleinenKonferenzsaal der Abwehr eingefunden. DieSicherheitsmaßnahmen waren besorgniserregend.Ganz abgesehen von den Robotwachen, schalldichtenWänden und unauffällig umherstreichendenMutanten war der »kleine Konferenzraum« noch inein Abwehrfeld gehüllt worden.

Niemand konnte unser Gespräch belauschen. Wirsaßen zwanglos beisammen. Grüne Tische inHufeisenform gab es bei Mercant nicht. Wenn ereinlud, hatte es immer den Charakter einer Party.

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Die wichtigsten Männer des Solaren Imperiumswaren versammelt. Ich stellte fest, daß niemand unterihnen weilte, der nicht eine lebenserhaltendeZelldusche empfangen hätte.

Sogar Homer G. Adams, unumschränktherrschender aber niemals hervortretender Chef dersolaren GCC, war erschienen. GCC - GeneralCosmic Company - war ein Begriff, der in densiebziger Jahren eines Jahrhunderts geschaffenworden war, das die bemannte Weltraumfahrt kaumgekannt hatte, bis Rhodan am 19. Juni 1971 zumMond geflogen war. Damit hatte ein Spiel begonnen,dessen wichtigste Phase jetzt angebrochen war.

Ich sah mich weiter um. Es waren dieSolarmarschalle Mercant und Freyt anwesend sowiedie Generale Deringhouse und Kosnow, Rhodan,Reginald Bull als Verteidigungsminister, führendeWissenschaftler und andere Männer, die ich nur vomHörensagen kannte.

Ein geheimnisumwitterter Mann war Oberst NikeQuinto, Chef einer Nebenabteilung der Abwehr. Mansagte ihm nach, er wäre ein Meister desVersteckspiels. Fraglos stammte Mercants tolle Ideeteilweise von Quinto, der schwitzend in einer Eckesaß und jedermann, der es hören wollte, von seinemeingebildeten hohen Blutdrucks erzählte.

Ich befand mich inmitten eines Arbeitsteams, dasin der Lage war, die Galaxis zu erschüttern. HomerG. Adams mit der GCC, bei deren Finanzstärke dieAufbringung eines »Sonderzuschusses« vonfünfhundert Milliarden Solar nur ein Nebenkontobelastete; Mercant mit seiner gründlichen Abwehrund Rhodan mit der Solaren Flotte, über deren wahreStärke er keine Auskunft erteilte.

Vor einigen Sekunden hatten wir zu schweigenbegonnen. Mercants Ausführungen klangenunglaublich.

»Sind - sind Sie betrunken, mein Lieber?« fragteRhodan schließlich. Mercant sah zu Quinto hinüber.Ich kannte das verbindliche Lächeln desAbwehrchefs. Niemals hatte ich einen gefährlichenMann mit einem so harmlosen Aussehen getroffen.

»Wenn Sie gestatten - nein«, meinte Mercant.Rhodan schien plötzlich zu frieren. Ein Schauer

überlief seinen Körper. Auch mir war, als rinne kaltesWasser meinen Rücken entlang.

»Mercant - das ist doch Wahnsinn!« sagte ichstockend. Zugleich bemerkte ich verwundert, daß inmir bereits das Feuer der Begeisterung glomm.Mercant zwinkerte mir zu. Er schien den Glanzmeiner Augen richtig zu deuten.

»Jetzt spielen zwei Mann verrückt«, behaupteteBully.

»Wieso?« fiel Professor Kalup mit lauter Stimmeein. »Ich bin auch fasziniert.«

»Wie sich die Meinungen unterscheiden«, lachte

Rhodan trocken auf. »Quinto, haben Sie unseremAbwehrchef die tolldreiste Idee eingegeben?«

Nike Quinto, kurzgebaut und kugelrund, blähteseine Wangen auf.

»Sir, hinsichtlich meines hohen Blutdrucks würdeich mir nie erlauben, meine Vorgesetzten aufzuregen,da dies wiederum Unannehmlichkeiten für michbedeutete. Da aber mein Blutdruck derartigeSpannungen nicht ver ...!«

»Hoffentlich platzen Sie bald«, nörgelte Kalup.Seine Hängewangen bebten.

Quinto lächelte schockiert. Ich fand meine innereRuhe wieder. Rhodan sah mich an. Da entdeckte ichauch in seinen Zügen jenen Ausdruck, den er vorgewagten Unternehmen immer zeigte.

»Nun, alter Pirat?« sprach ich ihn an. »Es kitzeltim Genick, wie?«

Er lachte. Wir hatten uns verstanden.»Gesucht und gefunden«, spöttelte Bully. »Zwei

Verrückte auf höchster Ebene. Euer Erhabenheit a. D.entschuldigen.«

Er verneigte sich ironisch, und ich begannungeduldig zu werden. Mercant hatte uns erst einmalabreagieren lassen.

»Haben Sie meine Unterlagen auf das sorgfältigsteauswerten lassen, Mercant?« erkundigte ich michübergangslos. »Sie wissen, daß der kleinste Fehlerden Untergang bedeuten kann, immer vorausgesetzt,ihr Plan gelingt.«

Der Marshall gab Quinto ein Zeichen. Der Chefdes sogenannten »Gehirntrusts«, oder der »AbteilungIII«, stemmte sich schnaufend aus dem Sessel. FürQuinto war es ein Wagnis, mit beiden Füßengleichzeitig den Boden zu berühren. Behende»rollte« er zum Schalttisch hinüber. Es knirschte, alser sich in den Sessel fallen ließ.

Ein Schalter knackte. Die Leuchtkörper desfensterlosen Raumes wurden abgedunkelt. Auf einemwandgroßen Bildschirm erschien dasdreidimensionale Farbbild eines Raumschiffes.

Ich sprang auf. Fassungslos, die Hände um den vormir stehenden Tisch geklammert, starrte ich nachvorn. Es konnte nicht wahr sein, es sei denn, dieTerraner hätten das Zaubern gelernt!

»Mercant ...!« stöhnte ich. »Haben Sie Nachsichtmit mir. Auch Arkoniden besitzen Nerven.«

»Sie sehen eine Tatsache, Sir. Der Film wurdeheute früh gedreht. Sie erblicken Seiner ErhabenheitTutmor VI. Schweren Kreuzer SOTALA,Kommandant Kapitän Zweiter Klasse, Tresta, aus dervornehmen Familie der Efelith.

Am 10. Februar 2106 werden genau 6023 JahreTerrazeit vergangen sein, seitdem einHyperfunkspruch der SOTALA den Großen Rat vonArkon erreichte. Die Nachricht war so bedeutend,daß sie dem damaligen Imperator Tutmor VI.

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vorgelegt wurde. Kapitän Tresta war es gelungen, imNebelsektor gleich zwei Welten vom Gegner zubefreien. Dabei wurde sein Kreuzer vernichtet. DieSOTALA kehrte nie mehr nach Arkon zurück.Kapitän Tresta ging als Held in die Geschichte IhresVolkes ein, Sir.

Das Raumschiff, das wir unter Einsatz allerFachkräfte und Kosten umgebaut und in die alteSOTALA verwandelt haben, gleicht diesem Kreuzerbis zur letzten Schweißnaht. Es wurde nichtsübersehen. Dafür garantiert die Solare Abwehr. Beidem Umbau waren verschiedene Einzelheiten zuberücksichtigen: Die Außenzelle mußte auf ein Maßvon hundertneunundachtzig Meter verkleinertwerden. Die moderne Vollpositronik hatte derseinerzeit gebräuchlichen zu weichen. Triebwerke,Rechenzentralen, Offiziers- undMannschaftsunterkünfte sind ebenso kopiert wordenwie etwa zehntausend andere Details. Sogar dieTriebwerksleistung wurde nachgeahmt. JederArkonidentechniker aus der Zeit des ImperatorsTutmor VI. könnte diesen Raumer auf Herz undNieren überprüfen, ohne den geringsten Unterschiedzu entdecken. Wir haben uns sorgfältig mit denKonstruktionsplänen befaßt, die wir in den von Ihnengeretteten Mikrobändern gefunden hatten.«

Ich zitterte wie ein Fieberkranker. Mein Extrahirn,identisch mit meinem photographischen Gedächtnis,sprach an. Ich wußte, wie meine Vorfahren gebauthatten.

Wie hypnotisiert schritt ich auf den Bildschirm zu.Ich begann zu prüfen. Der Name SOTALA war inarkonidischen Schriftzeichen an zwei Stellen derKugelhülle aufgemalt worden. Es war das flammendeRot, das man damals verwendet hatte.

»Die Zusammensetzung der Farbe ist richtig«,warf Mercant so gelassen ein, als plaudere er überdas Wetter. Mir wurde plötzlich bange. Die Terranerwaren Meister der Tarnung; aber Mercant hatte sichselbst übertroffen.

Der spitz zulaufende Triebwerks-Ringwulst traffür den SOTALA-Typ zu. Die Mannschleusen warensechseckig. Auch richtig! Die Landebeine besaßenam untersten Ausfuhrglied den typischen Wulst, derdie Zusatzhydraulik enthielt. Die Geschütztürmehatten noch die Tasterantennen fürEinzelfeuer-Punktbeschuß. Damals hatte man sichnicht nur auf die Zentralesteuerung verlassen.

Ich schaute mir jede Kleinigkeit an, aber ich fandkeinen Fehler. »Sieht - sieht das Schiff innen genausoaus, Mercant? Ich meine - so vollendet nachgeahmt?«

»Mein Wort darauf, Sir«, versicherte Quinto. Alsohatte er doch etwas mit der Sache zu tun.

»Heuchler«, knurrte Kalup. »Trotzdem - meinKompliment!«

Benommen schritt ich zu meinem Gliedersessel

zurück. Der auf meiner Brust hängende Zellaktivatorarbeitete heftiger als sonst. Er erinnerte mich wiedereinmal an mein hohes Alter. Die Zellregenerationschien in diesen Augenblicken der Erregungnotwendig zu sein.

Rhodan reichte mir ein Glas Wasser.»Zufrieden? Keine Mängel?«»Keine«, bestätigte ich. »Ich muß mir natürlich

noch die Innenzelle ansehen. Mercant - was soll dasbedeuten?«

Bisher hatte der Abwehrchef nur wenig berichtet.Trotzdem hatte uns sein Plan, der das Thema»Zeitlinienkorrektur und Eindringen in dasRobotsystem« betroffen hatte, schon verblüfft. Wasnun kam, ließ mich hier und da den Atem anhalten.

Mercant blieb sachlich. Er hob nicht einmal dieStimme, wenn er auf wichtige Punkte zu sprechenkam. Außerdem verwendete er den Telegrammstil,was seine Erklärung zerstückelte. Aber dadurchklang sie besonders beeindruckend. Wir hattenkeinen Augenblick lang das Gefühl, einemPhantasten zuzuhören.

»Die SOTALA hat sich nach dem Absetzen ihrerErfolgsmeldung nicht mehr gemeldet. SpätereBerichte des arkonidischen Flottenzentralamtes sagenaus, daß der Kreuzer vernichtet wurde. Wirübernehmen die Rolle der SOTALA, kehren dreiTage nach dem bekannten Eingang derFunknachricht zum Arkonsystem zurück und landen.Atlan spielt den Kommandanten. Uniformen,Ausweise aller Art, damals verwendete Verpflegungin der Form von Trockensubstanz und Konservenwerden soeben fertiggestellt. Die Munitionsvorräteentsprechen mit ihren laufenden Nummern jenen, dievom Ausrüstungschef >Basis T-187< an den Kreuzergeliefert wurden. Es fehlt nichts, meine Herren.Sogar die Fabrikationsnummern in den Innenkragender Kampfkombis stimmen. Arkoniden warengründliche Leute, und uns stehen die altenUnterlagen lückenlos zur Verfügung. Wenn Sie aufArkon III landen, werden Sie die Besatzung derSOTALA sein: Es gibt keine Fehlerquellen.«

»Landung?« fragte Rhodan gedehnt. »Wann? Jetztsagen Sie nur nicht, die Erwähnung derZeitlinienkorrektur hinge damit zusammen.«

»Sie ist die Grundbedingung für das Gelingen desPlanes, Sir«, entgegnete Mercant so verbindlich wiezuvor. »Der Umbau eines terranischen Kreuzers unddie Verwandlung der Besatzung in Alt-Arkonidenaus der Zeit Tutmors VI. ist nur dann sinnvoll, wennes uns gelingt, in jene Epoche einzudringen. Diesdürfte mit einem akonischen Spezialgerät möglichsein, das von den Mutanten und Geheimagenten derAbwehr auf dem Hauptplaneten des Blauen Systemsentdeckt wurde.«

»Nein!« sagte ich fassungslos. »Es ist so, Sir. Ich

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erinnere an den akonischen Angriff auf denRobotregenten kurz nach der Entdeckung desPlaneten Sphinx. Die Geisterflotte griff die Erde an,bis es gelang, das Umformergerät zu vernichten. Einezweite Maschine dieser Art befindet sich auf demZentralplaneten der Akonen.«

»Zeitverschiebung?«Rhodan beugte sich nach vorn.»In etwa, Sir. Durchaus keine Zeitreise, wie

verschiedentlich schon vermutet wurde. Das Geräterzeugt ein fünfdimensionales Absorberfeld, indessen Einflußbereich die bezugsgebundeneZustandsform Zeit verändert werden kann. Es istunmöglich, die Eigenzeit wirklich zu verlassen, umvielleicht anderswann leben zu können.

Man kann nicht beliebig Umherreisen und denBesucher aus der Zukunft spielen. Der engbegrenzteAktionsradius dürfte jedoch für unsere Zweckeausreichen.«

Kalup gab technische Erläuterungen. Das Prinzipwar verständlich, auch wenn niemand erklärenkonnte, wie die Akonen die vorhandenen Zeitlinienbeeinflußten.

Mercant wartete geduldig. Die Konferenz nahmimmer mehr den Charakter einer zwanglosenZusammenkunft an. Diskutierende Gruppen hattensich gebildet. Man wurde wieder aufmerksam, alsRhodan um Ruhe ersuchte.

»Fahren Sie fort, Mercant. Wir sind auf allesvorbereitet.«

»Danke, Sir. Wir haben ermittelt, daß dieMaschine stationär ist. Sie müßte mit einemRaumschiff abtransportiert und im freien Raum inden umgebauten Kreuzer gebracht werden. DieBedienungsmannschaft des Umformers ist bekannt.Es handelt sich um vier akonische Wissenschaftler,die heute noch in der Lage sind, das Gerät zu steuern.Sie sind jedoch unfähig. Maschinenausfälle zureparieren. Das Konstruktionsgeheimnis istverlorengegangen. Gefahren entstehen durch deneventuellen Ausfall des Gerätes nicht. Man kannnicht in einer anderen Zeitepoche abgeschnittenwerden. Sobald das Schirmfeld erlischt, tritt dieStabilisierung ein. Unser Einsatzkommando aufSphinx ist bereits angewiesen worden, die vierAkonen zu beschatten. Die Mutanten werden dafürsorgen, daß sich diese Männer rechtzeitig bei demUmformer einfinden. Er steht in einem Museum. Diepraktische und theoretische Benutzung ist beiTodesstrafe verboten. Experimente unter staatlicherKontrolle sind erlaubt. Damit ergibt sich für uns einAngriffspunkt. Besorgen Sie sich das Aggregat,installieren Sie es in der nachgeahmten SOTALAund fliegen Sie los. Vor dem Arkonidensystemschalten Sie das Zeitfeld ein. Es muß genaueinjustiert werden. Sie hören die Funkmeldung der

echten SOTALA ab, warten zwei Tage und meldensich dann vom erfolgreichen Einsatz zurück. Es istsicher, daß Ihnen der echte Kreuzer keinen Schadenzufügen kann. Wenn Sie landen, wird er bereitsvernichtet sein.«

Ich atmete so flach wie ein Schwerkranker.Mercant mußte verrückt sein! Eine Zeitreise im Sinnedes Wortes war unsinnig. Ein Verschiebungsfeld wareher glaubhaft; aber damit warfen sich Probleme auf,die weder von den Terranern noch von mir beherrschtwerden konnten.

Die akonische Altwissenschaft hatte ein Geräthinterlassen, das niemand mehr verstand.

Die Druckknopfbedienung allein war einKompromiß, der weder die Gewähr für eineinwandfreies Funktionieren noch für dieAbsicherung unseres Kommandos bot.

Zu diesen Schwierigkeiten kamen noch diebeabsichtigte Entführung der Maschine und dererwähnten Wissenschaftler hinzu. Sie hattenwahrscheinlich nach jahrelangen Experimentenherausgefunden, welche Schalter man betätigenmußte, um diesen oder jenen Effekt erreichen zukönnen.

Das war keine echte Bedienung. Ich konnte mirauch nicht vorstellen, wie sich die veränderteZustandsform auf uns auswirken sollte.

Wenn wir tatsächlich 6023 Jahre vor Jetztzeit aufArkon III landen konnten, blieben wir trotzdemenergetische Bestandteile unserer eigenen Epoche.Mercant hatte zugegeben, daß eine Reise oder einstabil bleibendes »Hineingleiten« in Tutmors VI. Äraunmöglich war. Der Plan war unsinnig. MercantsStimme weckte mich aus meiner Erstarrung. Ausseinen Schlußworten ging hervor, daß dieWissenschaftler der Abwehr die Schwierigkeitenkannten.

»Der Wirkungsbereich des Feldes durchmißt etwazweihundert Kilometer bei höchster Aktivierung desVerformers. Niemand darf sich weiter als hundertKilometer von dem Gerät entfernen. Das ist wenig.Es kommt darauf an, die falsche SOTALA möglichstnahe am Robotsystem zu landen, dessen letzterBauabschnitt zu jener Zeit angebrochen war. Es gabdamals noch keinen Schutzschirm. Sie werden mitetwas Geschick und mit Hilfe der Mutanten in dasLabyrinth eindringen und dort eine Kernbombe soverbergen können, daß sie nicht gefunden wird. DieWaffe besitzt eine Uranuhr als Zünder. Genau 6023Jahre später wird der Fusionsprozeß ausgelöst. Daswäre am 15. Februar 2106, also in wenigen Tagen.«

Rhodan stand auf. Er steckte die Hände in dieHosentaschen seiner Kombination, schritt auf denFilmprojektor zu und blieb davor stehen.

»Mercant, diesmal spekulieren Sie zu waghalsig.Wenn die Bombe am 15. Februar detonieren soll,

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bedeutet das theoretisch, daß sie sich jetzt schon imGehirn befindet.«

»Eine relativistische Erklärung«, warf Kalup eifrigein. »Sie muß nicht, aber sie kann! Die Funktion desAkongerätes ist unbekannt.«

»Professor, ich bilde mir ein, einen klarenVerstand zu besitzen. Da komme ich nicht mehrmit.«

»Wir auch nicht, Sir«, gab Mercant zu. »Es solltetrotzdem versucht werden. Eine andere Möglichkeit,das System zu zerstören, sehe ich nicht. Die letztenGeschehnisse beweisen, wie gefährlich der Robotdurch die Umschaltung seiner wichtigsten Anlagengeworden ist. Akonische Energiekommandos sindentdeckt worden. Die Verhaftung der achtWissenschaftler wäre gelungen, wenn dasRobotgehirn nicht kurzgeschlossen und das Feuereröffnet hätte. Atlan konnte seinen Transmitter nichtmehr benutzen. Die Verwendung unserergefährlichsten Waffe scheidet aus da dies denUntergang des ganzen Planeten bedeutete. Mutantenkönnen den Wabenschirm nicht durchdringen. Ichfrage Sie, wie Sie die drohende Gefahr abwendenwollen?«

»Die Abteilung III ist der Auffassung, daß etwasriskiert werden sollte«, sagte Quinto.»Ungewöhnliche Ereignisse erfordernungewöhnliche Mittel. Wir haben einen Einsatzplanausgearbeitet. Daraus geht hervor, wie man handelnmuß. Sie werden den fähigsten Wissenschaftler derArkoniden, den Großen Rat Epetran, noch antreffen.Er starb acht Jahre später. Vielleicht kann Epetran sobeeinflußt werden, daß der Robot umprogrammiertwird, und zwar von Anfang an.«

»Unsinn! Wäre es geschehen, müßte er jetzt schonanders handeln«, behauptete Rhodan. Ich schloßmich seiner Meinung an.

»Das ist nicht gesagt. Die jetzige Situation verrätalles und nichts. Wir können noch nicht feststellen,ob Sie vor 6023 Jahren im Robotsystem gewesensind oder nicht. Der 15. Februar wäre abzuwarten.«

»So warten wir doch!« ächzte ich. Mercant winkteab. Er wirkte plötzlich sehr entschlossen.

»Unmöglich, Euer Erhabenheit. Sie würden denrichtigen Zeitpunkt verpassen. Am 10. Februar vor6023 Jahren läuft der Hyperfunkspruch der SOTALAein. Ihr Kommandant erhält den Befehl, sofortheimzukehren. Er muß zwei Tage später imArkonidensystem eintreffen. Das wäre der 12.Februar, immer in irdischen Begriffen ausgedrückt.Sie erhalten die Umrechnungstabelle mit denArkonidenwerten. Sie haben zwei, höchstenszweieinhalb Tage Zeit, die Bombe zu verstecken,oder den Bauführer Epetran zu zwingen, eine fürunsere Belange zutreffende Sicherheitsschaltungeinzubauen. Am 15. Februar muß die Bombe

explodieren. Versäumen Sie diese entscheidendenAugenblicke, besteht keine Möglichkeit mehr. Sie inder Epoche des Imperators Tutmor VI. auf Arkonlanden zu lassen. Der Umstand, daß die SOTALAeine Erfolgsmeldung funkte, jedoch nicht mehrheimkehrte, ist einmalig. Ein anderes Raumschiffkönnen Sie nicht kopieren.«

»Wieso? Tausende von Arkonraumern sind in dendamaligen Schlachten vernichtet worden.«

»Sicher, Sir! Aber in den wenigen Tagen, die füruns wichtig sind, trifft dies nur auf die SOTALA zu.«

Mein Extrahirn meldete sich, Mercant war einDenkfehler unterlaufen. Ich stand auf. Rhodan warfmir einen fragenden Blick zu. Ich wendete mich anden Abwehrchef.

»Mercant, Sie wissen, wie lange es dauert, bis dieRobotflotte programmiert ist. Ein Angriff auf dieErde steht bevor, aber er wird nicht morgen oder indrei Wochen erfolgen. Warum, frage ich Sie, sollender 15. Februar, der Kreuzer SOTALA und dieanderen Dinge so entscheidend sein? Außerdem kannman mit dem akonischen Umformer die Zeitbeeinflussen. Wenn wir das Unternehmen späterstarten, könnten wir auch noch den richtigen Terminwahrnehmen.«

Ich glaubte, logisch argumentiert zu haben.Trotzdem hatte ich mich geirrt. Die Terraner konntendenken!

»Sicher könnten Sie auch in vier Wochen startenund den Schnittpunkt erreichen, Sir. Sie müßten aberimmer am 12. Februar auf Arkon III eintreffen. Daskann man nicht durch ein Gerät verändern. Um esverwirklichen zu können, muß die SOTALAeingesetzt werden.«

»Ich verstehe nicht.«»Sir, in diesen Tagen vor 6023 Jahren erfolgten die

letzten Handgriffe am Regenten. Wenn Sie nur etwasspäter ankommen, existiert bereits der Wabenschirm.Sie müssen also für Ihre Landung einen Zeitpunktwählen, der noch vor der Einschaltung des Feldesliegt, gleichzeitig aber mit dem Eintreffen derSOTALA zusammenhängt. Das ist eben der 12.Februar. Der Verlust dieses Schiffes ist für uns einglücklicher Zufall. Der 15. Februar wurde reinrechnerisch für den Uranzünder der Bombevorgesehen. Es war ein Problem, unterBerücksichtigung der Halbwertzeit den genauenZeitpunkt einzuhalten. Warum sollten wir esverändern und erneut beginnen? Sie haben nochimmer die Möglichkeit, das Akonengerät zuentführen und den Einsatz zu starten. Die SOTALAläßt sich jedoch nicht umgehen.«

Ich fühle, daß mir der Sicherheitschef eine Lektionerteilt hatte. Außerdem hatte er recht! Wenn derWabenschirm wenige Tage später aufgebaut wordenwar, konnte eine Verzögerung katastrophal werden.

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Die Terraner hatten an alles gedacht.Rhodan schritt zu seinem Sessel zurück. Auch ich

nahm wieder Platz. Wir schauten uns prüfend an. Eswurde still in dem Raum.

Ich nickte ihm zögernd zu, und da spannte sichsein Gesicht.

»Mr. Mercant, lassen Sie den Film noch einmalvorführen. Wir möchten auch die Inneneinrichtungdes Kreuzers sehen.«

Neuer Mut erfüllte mich. Rhodan hatteentschieden. Das Unternehmen würde anlaufen. MeinExtrahirn gab einen Impuls durch, aus dem ich nichtsentnehmen konnte. Wahrscheinlich hatte es micheinen Narren genannt.

Wieder erschien das Bild der SOTALA auf demSchirm. Da meinte Reginald Bull resignierend: »Seitdem Entstehen der Dritten Macht habe ich schonallerlei erlebt; aber das ist das wahnwitzigsteUnternehmen, das ich jemals mitgemacht habe.«

»Irrtum«, korrigierte Rhodan. Seine Stimme bebte.»Du wirst das Kommando über die Flotteübernehmen und warten, bis der Regent in die Luftfliegt. Ist das geschehen, wirst du sofort damitbeginnen, die steuerlos werdenden Robotschiffe zukapern.«

»Was ...?«»Jawohl, sofort damit beginnen«, wiederholte

Rhodan. »Wir haben den Vorteil, zu wissen, daßetwas geschehen wird. Ehe andere Intelligenzenmerken, wie leicht man die wertvollen Einheiten derRegentenflotte erbeuten kann, müssen wir gehandelthaben. Es ist deine Aufgabe, jetzt schon festzustellen,wo man größere Verbände finden kann. Sie werdenzuerst übernommen. Die Einzelgänger, die in denTiefen des Raumes stehen, kommen später an dieReihe. Mercant, schalten Sie um. Ich will dieInnenzelle sehen.«

Ich wurde ganz ruhig. Die Würfel waren gefallen.Rhodan begann, mit gewohnter Aktivität zu handeln.Er dachte bereits an die Dinge, die mir in diesemAugenblick nicht eingefallen waren.

Natürlich, wenn das Robotgehirn zerstört wurde,waren etwa hunderttausend Raumer der Flotte hilflos.Jedermann konnte sie ungehindert erbeuten.

Rhodan war nicht mehr zu sprechen. Er saß ineinem Schaltraum mit wenigstens fünfzigKommandogeräten. Nebenan tagte der Generalstabder Flotte. Ich fühlte mich verloren in dieserhektischen Betriebsamkeit, die nur auf Terra möglichwar. Ein kleines, aber ungeheuer aktives Sternenreichholte zum Schlag aus. Man hatte einen Weg entdeckt,also beschritt man ihn konsequent.

Das war es, was ich an den Menschen bewunderte.Wenn sie zu einem Entschluß gekommen waren,gaben sie nicht eher auf, bis sie ihr Ziel erreichthatten.

Ich zog mich in mein Quartier zurück. Faststündlich wurde ich über Visiphon angerufen und umAuskünfte gebeten.

So wollte man wissen, wie die gesellschaftlicheStellung eines Arkonidenkapitäns Zweiter Klassegewesen wäre.

Ein Uniformschneider der Abwehr forderte meinegenauen Körpermaße an. Waffenspezialisten wolltenerfahren, ob den Offizieren der damaligenArkonidenflotte das Tragen von Privatpistolen mitbesonders schönen Gravuren erlaubt gewesen sei.

Ich war zwei Tage lang damit beschäftigt, denWissensdurst der Terraner zu befriedigen. Dabeigewann ich mehr und mehr den Eindruck, esdurchaus nicht mit Phantasten zu tun zu haben. DieseMänner waren erstklassige Spezialisten, die sich überDinge Gedanken machten, die normalerweise nichtbeachtet wurden.

Ich begann wieder einmal zu warten. Dabeivermied ich es, Rhodans Maßnahmen durchRatschläge zu beeinflussen. Dazu war noch Zeit,wenn mir etwas auffallen sollte.

3.

Die Ereignisse überstürzten sich. Als wir mit derIRONDUKE gestartet waren, um dem RegierendenRat der Akonen einen »offiziellenHöflichkeitsbesuch« abzustatten, war auch dieNachahmung der alten SOTALA abgeflogen.

Stellvertretender Kommandant des Schiffes warMajor Heintz, ein kosmonautisch geschulterSpezialist der Solaren Abwehr.

Die Besatzung bestand aus siebenhundertfünfzigMann, wie es auf den Schweren Kreuzern desImperiums üblich gewesen war. Damals hatten wirnoch genügend Soldaten aufbieten können. DieDegeneration eines herrschenden Volkes hatte erstbegonnen.

Rhodan, ich, Jefe Claudrin und einigeKommandooffiziere der IRONDUKE sollten erstspäter auf den Kreuzer umsteigen. UnsereSpezialausrüstung, darunter in erster Linie dieUniformen, Waffen, Ausweise und was der Dingemehr waren, befanden sich schon an Bord derSOTALA.

Wir waren im direkten Linearflug bis zu denGrenzen des Milchstraßenzentrums vorgestoßen, wowir einen Funkspruch an den Regierenden Ratabgesetzt hatten.

Die blaue Riesensonne AKON, deren fünfterPlanet die Heimatwelt der Akonen war, hatte bereitsauf unseren Bildschirmen geleuchtet, als die Antworteingelaufen war.

Nur zehn Stunden später hatte Claudrin mit demBremsmanöver begonnen, und ich hatte wieder

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einmal Gelegenheit gehabt, Akon V zu bewundern.Rhodan nannte den Planeten Sphinx. Im

akonischen Sprachgebrauch wurde er als Drorahbezeichnet.

Der Empfang durch einige Abgeordnete des Rateswar auffallend kühl gewesen. Wir hatten uns nachder Landung in den terranischen Handelsstützpunktzurückgezogen, wo wir fast alle Mutanten desGeheimkorps vorgefunden hatten.

Zwei Tage waren mit Festlichkeiten undBesichtigungsfahrten vergangen. Die Akonen warennicht umhin gekommen, dem Regierungschef desSolaren Imperiums die nötigen Aufmerksamkeiten zuerweisen. Dabei hatte es sich aber mehr und mehrherausgestellt, daß die Mitglieder des RegierendenRates die arkonidischen Rebellen unterstützten. Mirhatte man zu verstehen gegeben, ich könne aufSphinx geduldet werden, jedoch wäre es im Interesseeiner Verständigung mit dem neuen Imperatorerforderlich, meinen Besuch abzukürzen.

Die Funküberwachungszentrale der Niederlassunghatte einige Hypersprüche aufgefangen undentschlüsselt. Darin war meinem Nachfolger,Minterol I., mitgeteilt worden, mein Erscheinen aufSphinx sei leider nicht zu verhindern gewesen, da ichmich »im Gefolge« des terranischenStaatsoberhauptes befände.

Mir war es gleichgültig geworden, was man übermich dachte und zu beschließen bereit war. Ichwußte, daß die SOTALA in einer Entfernung vonzehntausend Lichtjahren inmitten eines fastunbekannten Raumsektors wartete. Uns kam es nurdarauf an, den Zeitwandler zu erbeuten.

Die Mutanten hatten alle Vorbereitungengetroffen. Rhodan war vor einer Stünde von einemEmpfang zurückgekehrt. Abgespannt saß er in einemGliedersessel und lauschte dem Bericht desKorpschefs John Marshall.

Der Mausbiber Gucky war unterwegs. Ertransportierte den Mutanten Kitai Ishibashi, dessenAufgabe es war, die vier akonischen Wissenschaftlerzu »präparieren«.

Ishibashis Gabe bestand darin, anderen Individuenin Abart einer Hypnose seinen Willen aufzwingen zukönnen. Die Blocksuggestion war von langer Dauerund kaum bemerkbar.

Insofern war alles getan worden, um den Diebstahldes Gerätes zu ermöglichen. Einige schwerwiegendePunkte mußten jedoch noch geklärt werden.

Auf den Bildschirmen der sogenanntenHandelsniederlassung, in Wirklichkeit eine modernausgerüstete Station der Solaren Abwehr, waren dieBauten des Zentralraumhafens von Sphinx erkennbar.Seit der Entdeckung des Blauen Systems durch PerryRhodan waren die Akonen bemüht, eine neueRaumflotte zu entwickeln. Einstweilen jedoch

versahen sie den interstellaren Verkehr nach wie vormit gigantischen Materietransmittern, die in ihrerKonstruktion vollkommen, militärisch aber wegenihrer Störanfälligkeit durch äußere Einwirkungenunpraktisch waren.

Rhodan war es leichtgefallen, mit der terranischenFlotte das System zu erobern und die fliegendenKraftstationen zu vernichten. Von da an hatte derblaue Energieschirm aufgehört zu existieren.

Die Akonen hatten klar erkannt, daß sie trotz ihrervollendeten Transporttechnik keine galaktische Rollespielen konnten, wenn sie nicht eine Raumschiffahrtaufbauten.

Fraglos wäre man nicht so friedfertig gewesen,wenn man zehntausend Schlachtschiffe hätteherbeirufen können. Die Terraner galten alsEindringlinge. Was man von mir, dem gestürztenHerrscher über ein abtrünnig gewordenesKolonialvolk dachte, war mir bekannt. Nachakonischen Begriffen waren Arkoniden degenerierteWilde, gleichsam galaktisches Ungeziefer, das zubeachten sich nicht schickte.

Auf dem neuen Raumhafen der Stadt war es ruhig.Robotraumschiffe des Regenten waren nicht zusehen. Handelsfahrzeuge anderer Völker durftennicht landen. Die Akonen wachten eifersüchtig überihre Interessengebiete, die sich über eine unbekannteAnzahl von Kolonialplaneten erstreckten. All dieseWelten wurden nur mit Hilfe der Großtransmittererreicht und versorgt. Man hatte einVerbindungssystem geschaffen, das so langefunktioniert hatte, bis das Blaue System von Rhodanentdeckt worden war.

Er hatte die Akonen aus ihrer Ruhe aufgeschreckt.Die Folgen davon bekamen wir jetzt zu spüren. DieAgenten hatten ermittelt, daß der Regierende RatBeziehungen zu den Rebellen auf Arkon unterhielt.Vor wenigen Monaten war es noch geleugnetworden. Mittlerweile hatten sich die Verhältnisseverändert.

Rhodan war meinem Blick gefolgt. Sinnendmeinte er:

»Es ist recht einsam da draußen! In wenigenJahren wird es von Raumschiffen aller Art wimmeln.Die akonische Fertigung läuft bald an. Beim hohenwissenschaftlichen Stand dieser Intelligenzen kannmit aufsehenerregenden Konstruktionen gerechnetwerden.«

»Darauf brauchen wir nicht zu warten, Sir«, warfMarshall ein. »Man ist jetzt schon dabei, uns denStrick zu drehen. Imperator Minterol ist politischanerkannt worden. Man weiß, daß er nur eineSchattenfigur ist. Letzte Untersuchungen habenbewiesen, daß die Regierung wissenschaftlicheTeams nach Arkon schickte. Die Guerillatätigkeit istvorbei. Der Regent wird in wenigen Monaten so

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umgeschaltet sein, daß er nur noch eineRechenmaschine ohne befehlsgebende Funktion ist.Damit dürften die Akonen zur führenden Nation inder Galaxis werden. Es werden bereitsVorbereitungen zur Übernahme der Regentenflottegetroffen. Die neuen Werften, die man unter einemerheblichen Kostenaufwand errichtete, sind in ersterLinie für den Umbau der automatischen Schiffevorgesehen. Es wird ernst, Sir!«

Rhodan stand auf. Vor dem exterritorialen Geländeder terranischen Zentrale leuchteten die Kraftliniendes Energieschirms. Unsere Strukturtaster sprachenununterbrochen an. Die akonischen Ferntransmitterwaren wieder in Betrieb.

»Sie schicken Mannschaften nach Arkon, und dasRobotgehirn duldet es«, stellte Rhodan fest. »Alsodenn, John, was haben Sie veranlaßt? DasUnternehmen Verzweiflung wird akut.«

Ich warf einen Blick auf die IRONDUKE. Siestand auf dem Hafenabschnitt, der noch zurterranischen Einflußsphäre gehörte. Jefe Claudrinund die Männer der Besatzung waren an Bord. DasSchlachtschiff war klar zum Gefecht. Noch gab esauf den Planeten des Blauen Systems keinRaumschiff, das dem terranischen Giganten hättewirksam Widerstand leisten gönnen. Die wenigenKleinfahrzeuge der akonischen Energiekommandoswaren im Dezember 2102 vernichtet worden. Damalshatten wir gewußt, daß die Akonen diesen Schlagnicht stillschweigend hinnehmen würden.Andererseits hatten wir mit einer Ruhepause vonwenigstens dreißig Jahren gerechnet. Auch mitakonischen Hilfsmitteln wäre einFlottenbauprogramm in großem Stil nicht früher zuverwirklichen gewesen.

Nun hatte man mit Hilfe meiner rebellierendenLandsleute einen besseren Weg gefunden. DasImperium besaß zirka hunderttausend modernsteRoboteinheiten, die schnell für denMannschaftsbetrieb umgebaut werden konnten. Eswar ein genialer Plan, ganz dem akonischenCharakter entsprechend.

Marshalls Situationsbericht war kurz. Es ging nurnoch darum, die letzten Daten festzulegen.

»Der Zeitumwandler steht in Impton. Derakonische Stolz auf die Leistungen der Vorfahren hatzum Bau einer Museumsstadt geführt, die nach einembedeutenden Physiker IMPTON benannt wurde. DasGerät ist würfelförmig mit einer Kantenlänge von 8,3Metern. Es ruht auf einer quadratischen Plattformvon fünf Metern Stärke. Darin ist die Energiestationuntergebracht. Es handelt sich umHochleistungsreaktoren Fremder Bauart. Manverwendete ein Fusionsprinzip, das von den heutigenAkonenwissenschaftlern nicht nachgeahmt werdenkonnte.

Wir schätzen sie auf etwa fünfzig MillionenKilowatt.«

Ich war beeindruckt. Solche Werte waren nichtungewöhnlich, an Bord von Großraumschiffen sogaralltäglich; aber für ein so kleines Aggregat waren sieungeheuerlich.

»Die Museumsstadt wird von Energiegatternabgeriegelt. Der Luftraum wird überwacht. EineEntführung der Maschine ist nur dann möglich, wenndabei der Zeitumformer eingesetzt wird. Das heißt,daß wir mit Mutantenhilfe unbemerkt eindringen unddas Gerät einschalten müssen. Der Museumskomplexwurde vor etwa dreitausend Jahren erbaut. Wirmüssen um viertausend Jahre in die Vergangenheitspringen. Wir landen wahrscheinlich in freiemGelände. Antigrav-Transporter sind mitzunehmen.Im Wirkungsfeld der Zeitumformung kann derWandler gefahrlos zu jedem Ort gebracht werden, woviertausend Jahre später die terranischeNiederlassung entstand. Damit haben wir dieMaschine hier. Das Museum muß durch eine atomareExplosion vernichtet werden. Das plötzlicheVerschwinden des Wandlers wäre damit erklärt.«

»Inwiefern vernichtet?« fragte Rhodan.»Ein Spezialkommando ist einsatzbereit.

Akonische Dienststellen sind bereits vor Tagendarüber informiert worden, daß unbekannte Agentenin Impton eindringen wollen, um die Erzeugnisse derAltakonen zu studieren. Es wurde dabei aufterranische Einflüsse hingewiesen, was von denhiesigen Abwehrbeamten geglaubt wurde.«

»Kein Wunder«, murmelte ich vor mich hin.Rhodan lachte auf. Nach einem Blick auf die Uhrfuhr Marshall fort:

»Die mit den Schaltungen des Wandlers vertrautenWissenschaftler werden pünktlich eintreffen. Kitaiarbeitet bereits. Das wäre alles, Sir.«

Ich sah mich um. Der Ortungsraum glich einemHeerlager, nur besaßen die anwesenden Kriegerkeine Schwerter und Speere mehr, sondern diemodernsten Energiewaffen der Milchstraße.

Ich trug eine terranische Uniform. Meineweißblonden Arkonidenhaare wurden von einemFunkhelm verdeckt. Die besten Spezialisten Terraswarteten auf einen Einsatz, der über das Schicksaldes Solsystems entscheiden konnte.

Es begann zu dunkeln. Die blaue Sonne desSystems versank hinter dem Horizont. DasSterngewimmel des Milchstraßenzentrums wurde soplötzlich erkennbar, als hätte ein Unsichtbarer einenVorhang hochgezogen.

»Uhrenvergleich«, sagte Rhodan. »DieWissenschaftler treffen in zwei Stunden ein.«

Mein Extrahirn meldete sich. Die Männer derAbwehr hatten zweifellos gründlich gearbeitet.Trotzdem hatte ich Bedenken. Der Plan war etwas zu

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kühn, zumal niemand sagen konnte, wie sich eineZeitverschiebung auswirken würde.

Selbst wenn alles gelang, konnte die Entführungdes Gerätes durch eine Explosion so vertuschtwerden, daß niemand auf die richtige Idee kam?

Ich erfuhr erst später, daß ich Mercant erneutunterschätzt hatte. Dieser Mann verstand sich auf dasSpiel hinter den Kulissen. Der Einfall, die akonischenAbwehrstellen über die Tätigkeit terranischerAgenten zu informieren, war genial gewesen.

*

Das Einsatzkommando bestand aus zwanzigMännern unter der Führung des Telepathen JohnMarshall. Rhodan und ich sprangen zuletzt.

Unsere Transporteure waren der Mausbiber Guckyund der Teleporter Tako Kakuta.

Der Gravitationsneutralisator war bereitsverschwunden. Er war von den drei Teleportern mitvereinten Kräften zur Museumsstadt gebrachtworden.

Wir trugen terranische Kampfanzüge, die nachdem Vorbild der arkonidischen Monturen konstruiertworden waren. Nur hatten die Menschen wesentlicheVerbesserungen eingebaut. So waren beispielsweisedie Deflektorschirme nicht mehr anmeßbar. DieEigenschwingungen wurden von einem zweitenSpezialgerät aufgefangen und absorbiert.

Guckys treue Augen waren auf mich gerichtet.»Nervös?« fragte er mit seiner schrillen Stimme.»Logisch, was sonst!« antwortete Rhodan barscher

als beabsichtigt. Der Kleine verzog beleidigt diespitze Mausenase.

»Ich möchte wissen, warum hier alle die Nervenverlieren. Wir sind gut angekommen. Zwar haben dieAkonen Wachen aufgestellt, dazu Spiongeräte in denEingängen, aber es gibt etwa tausend Säle allein inden physikalischen Museumsabteilungen. Allekönnen nicht sorgfältig überwacht werden.«

»Ist der Raum mit dem Umformer starkabgesichert worden?«

»Nicht mehr und nicht weniger als andere auch.Man ist wohl der Meinung, wir könnten mit derMaschine doch nichts anfangen.«

»Was sich bald ändern wird«, meinte Rhodan.»Fertig, Atlan?«

Ich nickte, bückte mich und nahm den Kleinen aufdie Arme. Gucky trug seinen Spezialanzug, der sogarein Futteral für seinen Schweif besaß.

Der Mausbiber kniff mich in die Nase, wirverstanden uns.

Augenblicke später erfolgte dieEntmaterialisierung. Es war so wie immer. Ehe ichden ziehenden Schmerz richtig erfassen konnte, warich bereits am Ziel angekommen.

Automatisch drückte ich auf den Schaltknopf desDeflektorfeldes. Der Mikroreaktor lief lautlos. Guckyklammerte sich an mich. Er war das einzigeLebewesen, das ich augenblicklich sehen konnte. Diebereits anwesenden Männer des Kommandosbewegten sich im Schutze ihrerLichtbrechungsschirme. Sie waren unsichtbar.

Mein Herz pochte laut und kräftig. Die Waffe inmeiner Hand wirkte inmitten dieser Stille lächerlich.Ich steckte die Pistole weg und blickte mich um.

Wir waren in einem riesigen Saal gelandet. Überallwaren Maschinen und Aggregate zu sehen, derenFunktion ich nicht kannte. Schilder mit Aufschriftenin Altakonisch verrieten jedoch, wozu man dieseGeräte einmal verwendet hatte.

»Absobrille einschalten«, flüsterte mir der Kleinezu.

Ich griff an den Helm und zog das schwenkbargelagerte Sichtgerät nach unten. Es kompensierte inEinweg-Funktion die Deflektorwirkung der Schirmeund ermöglichte dadurch ein einwandfreies Sehen.

Jetzt bemerkte ich die in Deckung gegangenenMänner. Sie hatten sich halbkreisförmig vor einemhohen Bogendurchgang verteilt.

Vorsichtig setzte ich Gucky zu Boden. RasTschubai und der dritte Teleporter des Korps. TakoKakuta, winkten uns zu. Rhodan schritt lautlos zuMarshall hinüber, der hinter einer länglichenMaschine stand.

Wir verständigten uns nur durch Gesten.Jedermann wußte, was er zu tun hatte. Der SpäherWuriu Sengu stand vor der Trennwand zumNachbarsaal. Dort war der Umformer aufgestelltworden. Filmaufnahmen, die von den Mutantenangefertigt worden waren, bewiesen, daß diesesGerät einen Sonderplatz erhalten hatte. Der Raumwar relativ klein und enthielt keine anderenAusstellungsstücke.

Sengu starrte auf die Mauer. Das Licht derwenigen Leuchtröhren schien ihn zu stören. Nacheinigen Augenblicken erhob er die Hand. Viergespreizte Finger verrieten uns, daß die akonischeAbwehr die wahrscheinlich kostbarsteHinterlassenschaft der Ahnen doch stärker bewachenließ, als angenommen.

Gucky stieß mich an. Ehe ich zu Rhodan ging,bemerkte ich noch, daß er zusammen mit denanderen. Teleportern verschwand.

Sie hatten den Auftrag erhalten, die vier mit demUmformer vertrauten Wissenschaftlerherbeizuschaffen. Wenn alles nach Plan abgelaufenwar, mußten sich diese Männer vor wenigen Minutengetroffen haben, um etwas zu besprechen, was ihnenvon Ishibashi suggeriert worden war.

Unser Vorhaben war - von der praktischenRichtung aus besehen nicht besonders schwierig.

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Ungleich bedeutsamer waren die psychologischenFaktoren. Wir mußten verhindern, daß dieEntführung des Gerätes erkannt wurde. Rückschlüssewären sonst unausbleiblich gewesen.

Der zweite »Psychopunkt«, wie sich Marshallausgedrückt hatte, waren die vier Wissenschaftler.Die Solare Abwehr hatte sich dazu entschlossen, siegewaltsam in das Museum bringen zu lassen.

Die Entführung sollte dem akonischenGeheimdienst mitgeteilt werden, sobald die Maschinebetriebsklar war. Dafür war eine telepathischeVerbindung zwischen Marshall und einem draußenwartenden Mutanten vereinbart worden.

Die Folge eines solchen Winkes von unbekannterSeite würde eine sofortige Besetzung desMuseumsgeländes sein. Zu dem Zeitpunkt mußtenwir mit dem Gerät verschwunden sein, jedoch solltenSpezialroboter ein Gefecht eröffnen, in dessenVerlauf eine atomare Explosion zu erfolgen hatte.

Der Plan war kompliziert. Er enthielt einigekritische Punkte, die so gefährlich waren wieNitroglyzerin.

Vor allem durfte die Entführung derWissenschaftler nicht zu früh entdeckt werden. Sietrafen sich auf dem Landsitz eines Physikers namensArtol von Penoral. Dort sollten sie auch überwältigtund durch die Teleporter unbemerkt in dieMuseumsstadt gebracht werden.

Perry deutete auf den Durchgang. Jemand sprachlaut und befehlend. Eine andere Stimme antwortete.

Marshalls Lippen verzogen sich. Er schien denGedankeninhalt der Akonen erfaßt zu haben.

»Schießbefehl für Posten«, raunte er. »DieWarnung wirkt.«

Rhodan überprüfte seinen Schockstrahler. Wirdurften erst dann angreifen, wenn dieWissenschaftler anwesend waren. Ohne ihre Hilfewar eine Benutzung des Wandlers unmöglich. DerSekundenzeiger meiner Uhr schien sich nicht mehrzu bewegen. Es war wie immer in solchenSituationen: Die Zeit verstrich nicht.

Ein rothaariger Sergeant schritt behutsam auf denDurchgang zu. Sengu reichte ihm einen Zettel, aufdem er die Standorte der Akonenwacheaufgezeichnet hatte. Andere Spezialisten desKommandotrupps beobachteten ihre Ortungsgeräte.Jenseits der Wand geschah nichts, was auf eineüberraschende Energieentwicklung hingewiesenhätte. Man schien tatsächlich nicht mit einem Angriffauf den Zeitwandler zu rechnen.

Es dauerte noch zwanzig Minuten, bis dieTeleporter erschienen. In zwei Sprüngen brachten siedie Wissenschaftler und Kitai Ishibashi, dessensuggestive Willensströme die Akonen sobeeinflußten, daß sie ihre Ankunft für völligalltäglich hielten.

Tako Kakuta kam auf uns zu. Das Quietschenseiner Stiefelsohlen war kaum vernehmbar, aber mirschien, als müsse es in allen Räumen des Museumsgehört werden.

Rhodan hob die Hand. Kakuta blieb stehen, um miteinem Tuch über seine Sohlen zu wischen.Anscheinend waren sie mit einem wachsartigenPflegemittel in Berührung gekommen. Als erweiterging, bewegte er sich ebenso lautlos, wie dieanderen Männer.

»Verzeihung«, hauchte er. »Die Entführunggelang. Betty ist informiert. Wir können anfangen.«

Ich musterte die Akonen. Sie trugen dierobenartigen Schulterumhänge als Zeichen ihrerWürde. Noch war in ihren Blicken eine gewisseLeere zu bemerken, was sich aber bald ändern würde.Ich fragte mich, ob eine Totalsuggestion keineunerwünschten Nebenerscheinungen bewirkenkönne. Wenn die Akonen nicht exakt schalteten, wardas Unternehmen unmöglich. Dann half nur noch dieFlucht.

Rhodan kam hinter der Maschine hervor. SeinWink ließ die Männer des Kommandos aktiv werden.Ich drang zusammen mit Marshall in die andere Hallevor.

Es war ein großer, gewölbter Raum, in dem daseigenartigste Gerät stand, das ich je gesehen hatte.

Es glich tatsächlich einem Würfel, der auf einermeterstarken Plattform ruhte. Auf einer Seite diesesquadratischen Fundaments waren Treppenstufeneingelassen. Daneben war ein Stahlschott erkennbar,das den Zugang zur Kraftstation erlaubte.

Ich sah mich nach den Wärtern um. Zwei vonihnen standen am anderen Eingang. Einer kauerteunter der Gerätetreppe, und der vierte Mann war sodicht neben mir, daß ich ihn hätte berühren können.

,Die Terraner handelten schnell und geräuschlos.Je zwei Soldaten sprangen einen Posten an, hindertenihn am Schreien, und ein dritter preßte dieNarkosemasken auf die Gesichter. Diebesinnungslosen Akonen wurden anschließend voneinem Arzt mit zusätzlichen Tiefschlafinjektionenversehen.

Wieder wurde kein lautes Wort gesprochen. KitaiIshibashi hatte die Wissenschaftler völlig in seinerGewalt. Ich könnte mir vorstellen, wie er sie durchseine paramentalen Fähigkeiten zwang, die äußerenUmstände zu übersehen. Sie waren der Meinung,freiwillig gekommen zu sein, um ein vomRegierenden Rat erlaubtes Experimentdurchzuführen. Sie bewegten sich so sicher, alsbefänden sie sich in der Begleitung der höchstenWürdenträger.

Außerdem sprachen sie nicht miteinander.Marshall und Gucky führten sie zu der Maschinehinüber. Einer von ihnen zog einen Kodegeber aus

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der Tasche, mit dem er das mannshohe Energiegatterabschaltete, das die Maschine umgab.

Ich nickte anerkennend. Die Terraner hatten analles gedacht. Wie schnell konnte ein Vorhaben wiedas unsere an solchen Kleinigkeiten scheitern.

Ich blieb in der Halle stehen, bis der ins kleinsteausgeklügelte Plan abgelaufen war. Die Technikerglitten mit dem leistungsfähigen Gravitationsabsorberin den Raum. Er wurde auf der Bodenplatte desUmformers abgestellt und magnetisch verankert.

Zwanzig Kampfroboter nahmen ihre Positionen anden Zugängen ein. Sie waren mit starkenEnergiewaffen ausgerüstet. IhreSpezialprogrammierung war identisch mit einerVernichtungsschaltung. Sie hatten die Stellung zuhalten, bis der Zeitwandler mit uns verschwundenwar. Anschließend sollte die Bombe explodieren.Rhodan kam es auf zwanzig Robots nicht an, wenn esdarum ging, die Erde zu retten.

Nur wenige Soldaten blieben draußen. Ich ging dieStufen hinauf und passierte eine Luftschleuse. ImVerbindungsgang klangen Worte auf. John Marshallwies seine Leute ein.

»Hier entlang, Sir«, sagte der rothaarige Sergeant.»Schalten Sie bitte Ihren Deflektorschirm ab.«

Ich drückte auf den Knopf. Das Summen desProjektors erstarb. Als ich das Sichtgerät im Helmnach oben schob, konnte ich wieder normal sehen.

Der Gang führte in die Zentrale, die nochmalsdurch Schotte abgesichert war. Es handelte sich umeinen ebenfalls würfelförmigen Raum, der mitGeräten aller Art überfüllt war. Er bot nur wenigenPersonen Platz.

Niemand beachtete mich. Ich zog mich in einengeschützten Winkel zwischen dreieckigenBildschirmen zurück und beobachtete dieHantierungen der Akonen. Sie dachten nicht daran,Ishibashis Anweisungen zu umgehen. Außerdemschienen sie wirklich mit den rätselhaften Armaturenvertraut zu sein.

Ein Summen klang auf. Sofort meldete sich meinExtrahirn mit einem Warnimpuls.

»Ich würde damit warten, bis die akonischeAbwehr angreift«, sagte ich laut. »EineEnergieortung wäre möglich.«

Rhodan nickte. Dann befahl er, die Maschinenwieder zu drosseln.

Der Suggestor gab die Anweisung an die Akonenweiter. Augenblicke später kam eine telepathischeNachricht durch. Sie wurde von Marshall und Guckygleichzeitig empfangen.

»Betty meldet sich«, erklärte der Kleine. »Diehiesige Abwehr ist von der Entführung derWissenschaftler benachrichtigt worden.Flugkommandos werden in Marsch gesetzt.Vollalarm für die Museumsstadt.« Er hatte noch nicht

ausgesprochen, als draußen Geräusche aufklangen.Ich horchte auf.

Wir vernahmen das typische Dröhnen einerImpulswaffe. Rhodan sah auf die Uhr. DieWissenschaftler erhielten endlich Sprecherlaubnis.Sofort begannen sie, sich über die Probleme derFeldaktivierung zu unterhalten. Ich verstand nureinen Bruchteil der Ausführungen. UnserenSuggestor hielten sie für den Obmann desRegierenden Rates. Die Soldaten desEinsatzkommandos nahmen sie überhaupt nichtwahr.

Draußen war ein Feuergefecht ausgebrochen. DasDonnern unserer schweren Robotwaffen bewies, daßdie akonische Abwehr erwartungsgemäß reagierthatte.

»Fertigmachen«, rief Rhodan. »Ras, bringen Siedie Bombe an Ort und Stelle.«

Der dunkelhäutige Terraner nickte. Auf seinerBrust hing ein Mikrosprengkörper terranischerFertigung.

Ras Tschubai entmaterialisierte. Als erzurückkehrte, teilte er mit, die Bombe außerhalb derHalle im Nachbarraum niedergelegt zu haben.Diesmal sah ich auf die Uhr. Wir hatten noch zehnMinuten Zeit. Bis dahin mußten die Robots die Fronthalten.

Der Suggestor sprach kein Wort. DieSchweißtropfen, die seit einigen Minuten von seinerStirn perlten, beunruhigten mich Ishibashi mußte sichfraglos anstrengen, um die vier Akonen ständigkontrollieren zu können.

»Aktivieren«, sagte Rhodan um eine Spur zuhastig. »Sie sollen das Wandelfeld so aufbauen, daßnur die Maschine davon eingehüllt wird.«

Der letzte Mann des Kommandos kam an Bord.Die Schotte des Gerätes schlossen sich. Unterunseren Füßen erwachten die Meiler des Kraftwerks.Die Meßzeiger glitten über die Skalen. Mit denEnergiekontrollen war ich einigermaßen vertraut.

Auf altarkonidischen Raumschiffen waren sie inähnlicher Anordnung zu finden gewesen.

Ich bemerkte, daß die Reaktoren mit nur zweiProzent ihrer Leistung ausgefahren wurden. DerPhysiker Artol schien die führende Persönlichkeit zusein. Seine Anweisungen wurden von jedermanngehört. Zumeist erklärte er Dinge, die wir nurunvollkommen erfassen konnten.

»Schneller!« drängte Rhodan. Sein Gesicht warblaß. Ich fühlte die in ihm herrschende Spannung.

Ich versuchte, die Tätigkeit der Akonen zuüberwachen. Die Energie-Stufenschalter desWandlers wurden durch Kontaktknöpfe bedient.Vorerst war jedoch nur das Kraftwerk angelaufen.Der Arbeitsstrom eines Projektors, gleichgültig fürwelche Zwecke er bestimmt war, hörte sich anders

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an.Kitai tastete nach einem Halt. Ich sprang nach

vorn, stieß einen terranischen Techniker zur Seiteund griff dem hageren Mutanten unter die Arme.Marshall verstand ebenfalls.

Ich wartete auf etwas, was ich weder erklären nochberechnen konnte. Eine Verschiebung oderWandlung der gültigen Zeitlinien war für einnormales Gehirn so ungeheuerlich, daß es sichweigerte, die nötigen Denkvorgänge anzustellen.

So mußte ich krampfhaft um ein Vorstellungsbildringen, das der kommenden Situation gerecht werdenkonnte.

Wenn das Feld entstand, bewegte sich derUmformer nicht von der Stelle. Das bedeutete, daßam gleichen Ort viele Dinge auf einmal geschahen,jedoch waren sie durch die verschiedenartigenBezugsebenen voneinander getrennt. Maßgeblich warder Faktor Zeit, nicht aber der Begriff Entfernung.

Ishibashi stöhnte. Ich griff noch fester zu. Seinegläsern blickenden Augen bewiesen mir, daß er amEnde seiner Kräfte angelangt war. Er hatte seit Tagengearbeitet, um die Blocksuggestion herbeiführen zukönnen. Wenn er jetzt zusammenbrach, konnteniemand sagen, wie sich die Akonen verhaltenwürden.

Natürlich konnten wir sie auch anderweitigzwingen. Die Frage war nur, wie lange wir dazubrauchten, um sie willig zu machen.

Das Summen der Energiestation regte mich auf. Eswar ein eintöniges Geräusch, das auf Grund seinerNormalität keine Rückschlüsse auf eine technischeSensation erlaubte.

Rhodan stand in gebeugter Haltung hinter denAkonen. Sie sahen konzentriert auf ihreKontrollgeräte. Die Bildschirme arbeiteten bereits.Einige zeigten die Außenwelt, andere das Gerät.

»Gucky - fertigmachen zum Entschärfen derBombe«, sagte Rhodan.

Ich fuhr zusammen. In zwei Minuten würde derSprengkörper explodieren. Wenn wir bis dahin nichtaus der jetzigen Zeitepoche verschwunden waren,mußten wir zerrissen werden.

»Noch eine Minute. Sprung bei dreißig Sekundenvor Zündung«, warf Marshall ein.

Der rothaarige Sergeant langte ostentativ nachseinem Impulsstrahler. Der Ausbruch aus demMuseum konnte zur Katastrophe werden.Unermeßliche politische Entwicklungen zeichnetensich ab. Wenn ein Terraner verwundet und gefundenwurde, hatte Rhodan nicht nur eine Schlachtverloren.

Der Mausbiber stand neben mir. Kitais Kniebegannen zu zittern. Draußen dröhnten die Waffender Roboter. Dazwischen klangen zirpendeGeräusche auf, denen zumeist eine Explosion folgte.

Es war klar, daß unsere Kampfmaschinenabgeschossen wurden.

Sie hatten nur ein kurzes Gefecht liefern sollen.Der Zeitplan und die Berechnung der Kampfkraftstimmten, nur hätten wir schon aus derJetztzeit-Ebene verschwunden sein müssen. »Gucky...!«

Der Kleine sah Rhodan an. Es fehlten noch fünfSekunden. Er konzentrierte sich auf den Sprung.Jedermann schaute gebannt zu, nur ich fand keineGelegenheit dazu, da Kitai gegen meine Brust sank.

Da erblickte ich die Bildschirme. Die kämpfendenRobots waren plötzlich nicht mehr zu sehen. Untermeinen Füßen begann ein anderes Aggregat zurumoren. Ohne zu denken, schrie ich:

»Stopp, zurück. Wir wandern aus. Hierbleiben,Gucky!«

Ich ließ den Mutanten in Marshalls Arme fallenund sprang nach vorn. Die Akonen unterhielten sichfasziniert. Artol von Penoral hatte sich nach vorngebeugt und starrte auf einen runden Bildschirm überden Druckknopfarmaturen der Feldjustierung.

Ich erreichte den Mausbiber, als er aus seinerKonzentration erwachte. Grob riß ich ihn in die Höheund schüttelte ihn durch.

»Komm zu dir«, schrie ich weiter. »Kleiner, nichtspringen. Es wäre dein Untergang.«

Gucky verstand. Wortlos legte er seinen Kopf anmeine Schulter und schloß die Augen. Ich erkannte,daß auch Mausbiber Nerven besaßen.

Ishibashi lag jetzt auf dem Boden. DerKommandoarzt kümmerte sich um ihn. Rhodan unddie anderen Mutanten achteten auf dieWissenschaftler. Sie schienen Kitais Ausfall nochnicht registriert zu haben, was auf einen tiefsitzendenSuggestivblock schließen ließ.

»Kann man sie aufwecken?« fragte Rhodan hastig.Der Hypno Andre Noir entgegnete gelassen:»Kitai hat gut gearbeitet. Sie wissen noch nicht,

was vorgeht. Wenn sie unruhig werden, schalte ichmich ein. Keine Panik, Sir.«

Ich sah nur noch auf die Bildschirme. Die Bombemußte vor etwa einer Minute explodiert sein, und wirhatten nichts davon gespürt. Man konnte sich kaumvorstellen, daß die große Halle, die wir nun wie ineinem Zeitrafferfilm sahen, bereits zerstört wordenwar.

Ich folgte Artols Blick. Der Leuchtzeiger über denKontrollen schien die Rückspulung der relativen Zeitzu messen. Der grüne Balken überschnitt jedochkeine Zahlengruppen oder Symbole. Es warunmöglich abzulesen, wie viele Jahre wir bereits indie Vergangenheit gereist waren.

Es dauerte einige Augenblicke, bis meinLogiksektor ansprach. Er gab mir bekannt, derBegriff Zeitreise sei verwirrend und außerdem falsch.

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Der Leuchtzeiger verriet die Aktivierungsstärke desWandelfeldes. Es müsse eine synchron laufendeUmrechungsmaschine gesucht werden.

Ich teilte Rhodan meine Überlegungen mit. Von daan war es einfacher, den Computer zu finden. Erstand hinter mir.

Die Diagramme mußten später enträtselt werden.Artol schien sie lesen zu können.

Die Bilder auf den Schirmen wechselten in sorascher Folge, daß wir sie kaum voneinanderunterscheiden konnten. Es war wie ein Film, der vielzu schnell lief. Die Kulturepoche wechselte ständig,aber die Halle war noch immer unverändert zuerkennen.

Dann existierte sie plötzlich nicht mehr. FreiesGelände, in nördlicher Richtung von weiten Wäldernbegrenzt, zeichnete sich ab. Wir hatten eine Zeiterreicht, in der es die Museumsstadt Impton nochnicht gegeben hatte.

Eine Klingel schrillte. Das von der Automatikhochgeschaltete Wandelfeld blieb konstant. Dasbedeutete, daß wir angehalten hatten.

Ich erwachte wie aus einem Traum Rhodan starrteimmer noch auf die Bildschirme.

»Gelungen, Erhabener«, sagte der WissenschaftlerArtol. Seine Augen glänzten wieder stumpf. Andrenickte mir zu. Da wußte ich, daß KitaisSuggestivblock viel stärker war, als wir angenommenhatten.

Ich trat vor, da ich die akonische Sprache besserbeherrschte als die Terraner. Der Physiker schienneuerdings mich für den Obmann des Rates zuhalten.

»Haltet das Gerät in dieser Zeit fest. Wie groß istder Halbmesser des Wandelfeldes?«

»Zwanzig Meter, Erhabener. Es umspannt nur dasEpotron.«

Ich verstand, daß dies die akonische Bezeichnungfür die Maschine war.

»Kann man diesen Raum gefahrlos verlassen, umauf die Außenplattform zu treten?«

»Es ist möglich, jedoch wäre eine Intensivierungdes Umlenkfeldes vorteilhaft.«

»Warum?«»Die Forschungsergebnisse haben euch

vorgelegen. Erhabener«, entgegnete derWissenschaftler reserviert.

Rhodan hüstelte warnend. Ich ging nicht näher aufdie Bemerkung ein. Natürlich hatte ArtolErfahrungsstudien angefertigt. Ich hielt es fürnutzlos, ihn aus seiner Suggestivstarre zu wecken.

Andre drängte mich zur Seite. »Ich übernehme«,flüsterte er. »Kümmern Sie sich um den Transport.«

Ich folgte Rhodan, der bereits die Außenschleuseerreicht hatte. Die atmosphärischen Verhältnisse desPlaneten waren vor etwa viertausend Jahren kaum

anders gewesen als in der Jetztzeit. Wir konnten eswagen, die Schleuse ohne besondere Vorbereitungenzu öffnen.

Als wir auf die Plattform hinaustraten, erlebten wirein Phänomen, dessen Bedeutung ich erst Sekundenspäter erfaßte.

Unlogisch! sagte mein Extrahirn. Etwas stimmtnicht. Wenn das Feld so eng begrenzt ist - wiesoerblickt man außerhalb seines Wirkungsbereichesnicht die Umgebung der Jetztzeit?

Ich umklammerte Rhodans Arm. Der Logiksektorhatte recht! Ich teilte Perry meine Überlegungen mit.Er räusperte sich und hob denn die Schultern an.

»Ich bin überfragt. Wir hätten Kalup mitnehmensollen. Ich vermute, daß ein Mensch innerhalb derWandelzone nicht die Normalwelt erblicken kann.«

»Auch dann nicht, wenn das Feld nur einenBruchteil der erkennbaren Ebene erfaßt?« zweifelteich. »Perry, das beunruhigt mich. Uns wurde erklärt,es handle sich nicht um eine Zeitreise im Sinne desWortes, sondern nur um eine Verfälschung derBezugspunkte. Ich stelle mir vor, alles erblicken zukönnen, was innerhalb der Verformungszoneexistiert. Was dahinter liegt, dürfte entwederüberhaupt nicht zu sehen sein, oder nur schemenhaft.Noch besser: Man müßte - genau genommen! -außerhalb des Wandelfeldes die Gegenstände unsererEigenzeit erblicken können.«

Wenn die anderen Männer ebenfalls so verblüfftwaren wie ich, so zeigten sie es nicht. Sie kümmertensich nur um den Antigravheber, der dieeigentümliche Reise gut überstanden hatte.

»Wir reden später darüber«, lenkte Rhodan ab.»Jetzt wollen wir erst einmal die IRONDUKEerreichen« Ich zog mich zurück und umschritt diePlattform. Östlich unseres Standortes lag dieMuseumsstadt. Wir befanden uns am Ort der Halle,die bereits von der Kernbombe zerrissen worden war.Dennoch sahen wir nichts davon.

»Man könnte verrückt werden«, sagte Gucky.Ich drehte mich um. Der Kleine stand am Rand der

Treppe und sah, unsicher nach unten. Dicht vor unswuchsen akonische Luftwurzelbäume. Weit und breitwar niemand zu sehen.

»Ich möchte am liebsten springen, Atlan. Dannwürden wir wissen, wie es draußen wirklichaussieht.«

»Das wirst du unterlassen.«»Ich käme schon hinaus«, meinte der Kleine. Sein

Nagezahn blitzte unternehmungslustig.Ich nahm ihn wortlos bei der Hand und zog ihn

von der Treppe zurück. Wenn ich auch nichtverstand, welchen physikalischen Gesetzen wirunterlagen, so konnte ich mir doch vorstellen, wasbei einem jähen Verlassen der Wandelzonegeschehen mußte.

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An den Rändern der Fundament-Plattform warendie Männer des Einsatzkommandos in Stellunggegangen. Ihre Waffen drohten. Die Techniker ließenden Antigrav anlaufen und schalteten sein Feld aufdie Masse des Gerätes.

»Ob es sich mit dem Wandelschirm verträgt, wirdsich gleich zeigen«, meinte ein junger Ingenieurbetont gleichmütig.

Rhodan lauschte in den Gang hinein. Er hatteeinen Melder abgestellt, der ihn laufend über dieReaktionen der Wissenschaftler unterrichtete. Siewaren noch immer der Meinung, ein erlaubtesExperiment durchzuführen.

Ein unverhoffter Stoß schleuderte mich zu Boden.Ich klammerte mich an der Fundamentbrüstung festund wartete auf das Kommando.

Die Umformerbank des Antigravs toste. Taumelndund ruckend löste sich der Zeitwandler vom Boden.Drei Meter über der Oberfläche blieb er stehen undwurde von der Automatik ausgependelt.

Ich blieb liegen, drehte mich auf den Rücken undsah zu Rhodan hinüber. Sein Gesicht zuckte. Daahnte ich, daß man sich verkalkuliert hatte. DasAntischwerefeld reichte gerade aus, um die Masseder Station zu neutralisieren.

Ich wartete geduldig, bis die beidenMikrotriebwerke zu pfeifen begannen. Wir hattenihre Bodenplatten mit dem Fundament verschweißt.

Langsam setzte sich der Umformer in Bewegung.Ich gab mir keine Mühe, den Luftwiderstand zuberechnen. Ich dachte auch nicht daran, welcheGeschwindigkeit die große Masse erreichen konnte.Viel konnte es nicht sein. Die Triebwerke besaßeneine Schubleistung von hundertfünfzig Kilopond proEinheit.

Mir genügte es, daß sich der Körper überhauptbewegte. Wir glitten um eine Hügelgruppe herum.Ein neuer Ausblick eröffnete sich. Am Horizontwurden die Spitzen von hohen Gebäuden erkennbar.Die blaue Akonsonne war eben erst aufgegangen. Esmußte früh am Morgen sein.

»Jetzt kommt es nur noch darauf an, genau imexterritorialen Gelände der terranischenNiederlassung zu landen«, meinte Rhodan.

Ich lächelte ironisch. »Nur noch« wie einfach dasklang! Der Mutant Wuriu Sengu schmunzelte. Ichverzichtete auf eine Entgegnung. Die Nervenkraft derTerraner war erstaunlich. Ich wunderte mich immerwieder über ihren Unternehmungsgeist.

Ich stand auf, klopfte den Staub von der Uniformund bemühte mich, möglichst uninteressiert dieunwirkliche Landschaft zu mustern.

»Frühstück in drei Minuten, Sir«, meinte derrothaarige Sergeant. Sein Grinsen verriet mir, daß ermich durchschaut hatte.

Nach etwa zehn Minuten tauchte ein

Bodenfahrzeug auf. Ich wartete voller Neugier aufdie Reaktion der beiden Insassen.

Sie bemerkten uns erst, als wir dicht bei ihnenwaren. Überrascht sahen sie nach oben. Jemand riefetwas, was ich nicht verstehen konnte. Rhodanwinkte gelassen. Da wußten wir, daß wir durch dieVerschiebung der Zeitlinien mit den Bewohnerneiner bestimmten Epoche Verbindung aufnehmenkonnten.

»Die beiden Männer sind seit viertausend Jahrentot«, meinte Sengu. »Und wir sind eigentlich nochnicht geboren - bis auf Sie, Sir.«

Ich antwortete nicht. Aus brennenden Augen sahich zu den kleiner werdenden Gestalten hinüber. Weitvoraus tauchten die ersten Gebäude der Stadt auf. Siewar wesentlich kleiner als die Ansiedlung derJetztzeit. Der Raumhafen existierte noch nicht.

Wir flogen auf die charakteristische Hügelgruppezu, an deren Fuß terranische Ingenieure dieHandelsniederlassung errichtet hatten. Der hoheKalksteinfelsen hatte sich nicht verändert. Er warunser Ziel. Wenn wir genau an seiner tulpenförmigenEinbuchtung landeten, mußten wir etwa dreißigMeter vor einem Landebein der IRONDUKE in dieJetztzeit zurückkehren.

Wir wurden noch zweimal gesehen. Da nahm ichmir vor, gelegentlich in der akonischen Chroniknachzulesen, ob es über die seltsame ErscheinungAufzeichnungen gab.

Rhodan kehrte in den Zeitwandler zurück. Ichblieb auf dem Fundamentsockel stehen, bis wir sanftzu Boden sanken. Das Heulen des überlastetenAntigravs verstummte.

Die Gesichter der Männer hatten sich gespannt. Eswar vorgesehen, die Maschine sofort in die Eigenzeitzurückzubringen. Wie würde das geschehen?

Der Übergang erfolgte so plötzlich, daß er michwie eine Schockwelle traf. Ich fühlte einschmerzhaftes Ziehen. Rote Nebel wallten vormeinen Augen.

Als ich wieder klar sehen konnte, war es Nacht.Über uns leuchteten die Sterne der Milchstraße, undrechts von uns wuchsen die Konturen desSchlachtschiffs In den Himmel.

Am Horizont lohte eine blutrote Atomfackel.Unsere Bombe! Rhodan trat neben mich.Schattenhafte Gestalten sprangen auf uns zu. Eswaren die Soldaten der IRONDUKE. OberstClaudrin stampfte zuerst die Stufen hinauf. Sieerbebten unter dem Gewicht des Epsalgeborenen.

Seine Stimme klang wie gewohnt: lautstark undgrollend. Ich tappte unsicher auf ihn zu und strecktedie Hand aus. Er schob seine Waffe in dieGürteltasche und griff zu.

Ein jäher Schmerz durchfuhr mich. Wenn derGigant zufaßte, so spürte man es.

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»In Ordnung, Sir, ich bin es«, sagte er. »Sieentschuldigen; aber ich war der Meinung, etwasfester drücken zu müssen als üblich. Damit Siewissen, daß Sie wieder da sind, nicht wahr?«

»Es ist ein verrückter Traum«, behauptete Rhodanschwach. »Nehmen Sie auch meine Hand, Jefe. Nein,kraftvoller, meinte ich.«

Ich konnte wieder lachen, als der Terranerstöhnend in die Knie ging.

»Es langt«, preßte er zwischen verkniffenenLippen hervor.

Der Kommandant des Schlachtschiffes trat zurück.»Sie kommen früh, Sir. Wir rechneten erst in einer

Stunde mit Ihnen. Akonische Wachkommandoswollten Sie vor etwa einer Stunde sprechen. Ich habeabgelehnt. Die Explosion erfolgte vor vierundsiebzigMinuten.«

»Da waren wir etwa viertausend Jahre in derVergangenheit, Jefe«, erklärte ich. »Wir sind alsogenau angekommen? Keine Zeitverschiebung?Unsere Vorbereitungen für den Abflug dauerten zirkadreißig Minuten. Der Flug selbst beanspruchte nachmeiner Messung ungefähr fünfundvierzig Minuten.«

»Das kommt genau hin, Sir. Damit ist bewiesen,daß die Abschaltung des Feldes eine sofortigeRückkehr in unsere Zeitebene bewirkt. Die für unsabgelaufene Zeit wird dabei berücksichtigt. Esbesteht in der Hinsicht keine Gefahr. Sie können sichniemals verirren.«

Jemand schrie. Ich drehte mich um. Ein schmalerLichtbalken huschte aus dem aufgleitenden Schott.Es polterte dumpf. Der Schein verschwand.

Sengu war aus dem Innenraum des Zeitwandlersgekommen. Seine Stimme klang sachlich.

»Die vier Wissenschaftler sind munter geworden,Sir. Anweisungen?«

Rhodan überlegte. In der Finsternis unterhalb desgigantischen Kugelrumpfes bewegten sich Männer.Das Landeluk glitt auf. Die Öffnung hätte zweiUmformer auf einmal aufnehmen können.

Alles geschah geräuschlos und bei völligerDunkelheit. Rhodan wartete mit seiner Antwort, bisein Melder die Einsatzbereitschaft der Traktorstrahlerverkündete. Nun war es leicht, mit der Masse derMaschine umzugehen.

»Offiziell verhaften und in die IRONDUKEbringen«, ordnete Perry schließlich an.

»Verhaften?« wiederholte ich überrascht.»Jawohl, verhaften!« bestätigte er. »Die

Ermittlungen des Geheimdienstes beweisen, daß derPhysiker Artol von Penoral maßgeblich an derUmschaltung des Robotregenten beteiligt war. Damitverging er sich gegen den Nichtangriffspakt zwischenTerra und dem Akonenreich.«

»Auf höheren Befehl, Perry.«»Wahrscheinlich, aber für mich unmaßgeblich. Die

drei anderen Wissenschaftler, Kapazitäten des BlauenSystems, waren auch nicht unbeteiligt. Führen Siemeine Anweisung aus, Mr. Claudrin.«

Rhodan wendete sich ab. Mein Extrahirn meldetesich.

Narr! Ist das wichtig? Wichtig, wenn es um dieExistenz seines Volkes geht?

Ich sah mich unbehaglich um. Fast war mir, alswären die Hinweise vernommen worden.

Ich sprang von der Plattform. Das Gerät wurde vonden Beladungseinrichtungen der IRONDUKE erfaßtund in den unteren Laderaum gezogen.

»Gehen wir«, rief mir Gucky zu. »Klasse, was?Mann - das war vielleicht ein Spielchen.«

Der Kleine lachte schrill. Ich ging mit ihm auf dieMannschaftsschleuse zu. Die Rumpfwölbungverdeckte den Himmel. Nur das rote Lohen über derMuseumsstadt Impton zeugte von einemunbegreiflichen Geschehen. Was war aus denMännern geworden, die wir viertausend Jahre zuvorgesehen hatten?

Viertausend Jahre? Für mich war es einAugenblick gewesen. Mir graute vor dieserMaschine, mit deren Hilfe ich den Robotregentenvernichten wollte.

4.

Sie war vor einer Viertelstunde mit einemLuftgleiter angekommen. Leise hatte sie denWachoffizier gebeten, Perry Rhodan sprechen zudürfen.

Uns war keine andere Wahl geblieben, als diejunge Frau in die Zentrale des Schlachtschiffs zubitten. Jetzt stand sie vor uns.

Auris von Laa-Toor faszinierte mich. Ihre dunklenAugen kontrastierten mit dem Kupferrot ihrer Haare.Mir war, als hätte sie unsere Planung durchschaut.Natürlich besaß sie keine Beweise; aber das war auchüberflüssig. Sie kannte die Menschen und PerryRhodan. Auris ahnte, was unser plötzlichesAuftauchen in Verbindung mit den Geschehnissen inder Museumsstadt zu bedeuten hatte.

Sie trug die Uniformkombination des akonischenEnergiekommandos. Nur ihr wallenderSchulterumhang zeugte von ihrer Würde alsWissenschaftlerin eines großen Volkes.

Perry warf mir hilfeflehende Blicke zu. Diesergeniale Mann wurde in Gegenwart einer Frauunsicher; besonders dann, wenn es sich um eineschöne Frau handelte.

Auris war nicht nur schön, sondern auch klug. Ichwußte, daß sie starke Sympathien für den Terranerhegte. Mir hatte sie nur ein Lächeln geschenkt, dasich mit einer Verbeugung erwidert hatte.

Sie hatte über diese auf Terra übliche

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Höflichkeitsform überrascht die Stirn gerunzelt,worauf ich ironisch eingeworfen hatte:

»Es schickt sich für den Geduldeten, dieGebräuche seiner Gastgeber anzunehmen. Ihr werdetverzeihen.«

Sie hatte mir zugenickt und es abgelehnt, in einemder Gliedersessel Platz zu nehmen.

Die Männer der Zentralebesatzung hatten sichentfernt. Nur Oberst Claudrin und Marshall warengeblieben.

Ich achtete beunruhigt auf das kaum merklicheVibrieren ihrer Nasenflügel. Die samtbraune Hautüber ihren hohen Wangenknochen hatte sichgespannt. Auris von Laa-Toor war nicht nur zu einemHöflichkeitsbesuch gekommen.

Als sie sich mit der Hand über die Fülle ihresHaares strich, war es wie eine Entscheidung. Sieverzichtete darauf, das bislang inhaltlose Gesprächfortzuführen.

Rhodan fühlte sich beobachtet. Er räusperte sichunbehaglich, verschanzte seine Gefühle hinter einereisigen Miene und gab mir durch einen Blick zuverstehen, ich solle das Wort ergreifen.

Ich überlegte sekundenschnell. Es gab nur eineMöglichkeit, Perry entlasten zu können.

Ich winkte Claudrin zu und trat vor. Auris war nurum wenige Zentimeter kleiner als ich.

»Willkommen an Bord meines Schiffes, Erhabene.Oder darf ich Auris sagen?«

Sie schaute mich lange an. Ihre vollen Lippenbebten leicht, Oberst Claudrin verstand. SeineVerblüffung legte sich.

»Seid Ihr der Kommandant, Euer Erhabenheit?Oder darf ich Atlan sagen?« Ich lachte sie an.»Ausgezeichnet. Ich bitte darum, Auris. Jawohl, ichbin der Kommandant dieses Schlachtschiffs, zugleichBefehlshaber des VierundachtzigstenSchlachtkreuzerverbandes der Solaren Flotte. EuerBesuch erfolgt zu ungewohnter Stunde. Ich mußEuch leider darauf aufmerksam machen, daß ich infünfzehn Minuten starte.«

»Dies zu entscheiden, dürfte im Ermessen desAdministrators liegen« Rhodan wich ihrem Blickaus. »So lauten meine Befehle, Madam. MeineHeimkehr ist dringend erforderlich. Es steht mir nachterranischer Gepflogenheit nicht zu, dieEntscheidungen eines Verbandschefs undSchiffskommandanten zu beeinflussen. Ich bin hierGast, das ist alles.«

Noch beherrschte sie sich. Ich musterte sieeindringlicher. Dabei stellte ich erneut fest, wiebegehrenswert sie war.

Unsere Blicke trafen sich. Abrupt das Themawechselnd, kam sie auf den Grund ihres Besuches zusprechen.

»Schön, dann startet eben. Zuvor darf ich Euch

jedoch ersuchen, meinen Oheim auf freien Fuß zusetzen, seine drei Assistenten ebenfalls zu entlassenund ein gewisses Gerät auszuladen. Ich würde michverpflichten, die Angelegenheit stillschweigend zuregeln. Mein Einfluß auf die Mitglieder desRegierenden Rates ist beträchtlich.«

Rhodan hob überrascht die Brauen. Ich schautemich verwundert um. »Wie bitte? Ich nehme an,niemand der Anwesenden hat verstanden.«

Sie blieb gelassen und meinte: »Ich dachte es mir.Mein Oheim ist der Hyperphysiker Artol vonPenoral. Das erwähnte Gerät ist angeblich durch eineAtomexplosion vernichtet worden. Ich bin allein undohne Wissen der zuständigen Abwehrbeamtengekommen, um Komplikationen in Eurem undunserem Interesse zu verhindern. Oder nehmt ihretwa an, ich hielte die Geschehnisse für zufällig?Eure Landung auf dieser Welt garantiert sozusagendas Gegenteil.«

»Ich verstehe noch immer nicht, Auris.«»Ich würde gerne mit dem Administrator

verhandeln«, wies sie mich ab.»Admiral Atlan besitzt mein volles Vertrauen«,

warf Perry ein.Zorn und Unruhe verdunkelten ihre Augen. Ich sah

zu Marshall hinüber. Er lauschte mit seinenunbegreiflichen Sinnen. Als sie um eine Spur zuauffällig an ihr Handgelenk faßte, um ein Armbandhöher zu schieben, begann der Telepath, hastiger zuatmen.

Rhodans Haltung wurde sprungbereit. Ich zwangmich zur Ruhe. Nachdenklichkeit heuchelnd, ging ichauf sie zu und blieb so dicht vor ihr stehen, daß ichden verführerischen Duft ihres Haares spürte.

Ohne ein Wort zu sprechen, ergriff ich ihre Hand,riß sie nach oben und schlug sie mit dem Armbandauf die Verkleidungsbleche eines Rechenautomaten.Das Band zerbarst und löste sich von ihrem Gelenk.Ihr Aufschrei berührte mich nicht.

Der Aufprall konnte nicht schmerzhaft gewesensein.

Rhodan bückte sich und hob das breiteSchmuckstück auf. Auris von Laa-Toor lehnte blaßund zitternd an der Wand. Ich wartete, wohl wissend,daß mein Gesicht keine Freundschaft ausdrückte.

Hinter mir klirrte etwas. Ich drehte mich erst um,als Rhodan die Edelmetallfolie aufgehoben hatte. Indem Spalt erschienen mikroskopisch kleine Dinge.

»Nicht übel«, sagte er gedehnt. »Ihr hättet denSender sofort einschalten sollen, Auris.«

»Barbar«, fauchte sie. »Ich möchte gehen!«Ich nahm das getarnte Funkgerät an mich und

kontrollierte die Einrichtungen. Es war einHochleistungssender. Mein nächster Blick galt derUhr. Ehe ich etwas sagen konnte, ergriff Rhodan dieInitiative.

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»Oberst Claudrin, klar zum Alarmstart. Nachrichtan Energiezentrale. Der Schirm ist zu öffnen. Aurisvon Laa-Toor bleibt hier.«

Er nickte unpersönlich und schritt auf dasPanzerschott zu. Im Rumpf der IRONDUKEbegannen die Sirenen zu heulen. Die Männer ranntenauf ihre Manöverstationen. Drei Minuten späterliefen die Maschinen an.

Während dieser Zeit stand ich neben der jungenFrau, die keinen Versuch gemacht hatte, sich gegenRhodans Entscheidung aufzulehnen. Es gab auchnichts mehr zu verbergen. Sie hatte uns durchschaut.

»Es tut mir leid, Auris. Ihr werdet uns begleitenmüssen. Es ist nicht das erstemal, nicht wahr?Letztens waren wir Eure Gäste, nun steht uns dieEhre zu, einer bezaubernden Frau Gastfreundschaftbieten zu dürfen.«

Sie beherrschte sich mustergültig. Nur die Blässeihrer Wangen konnte sie nicht verheimlichen.

»Ihr geht zu weit, Atlan! Der Regierende Ratverdächtigt Euch, den Zeitwandler entführt zu haben.Die Gewitterwolken am Horizont des politischenHimmels drängen nach einer Entladung.«

Ich hielt ihre Aussage für aufrichtig, bis ichMarshalls spöttisch verzogene Lippen bemerkte.Anscheinend gelang es ihm, den natürlichenWillensblock der Akonin zu durchbrochen.

»Ich darf Euch berichtigen, Madam«, meldete ersich. »Niemand verdächtigt uns, das Gerät in unserenBesitz gebracht zu haben. Man ist lediglich derMeinung, wir hätten in das Museum eindringenwollen, um dort gewisse Informationen technischerArt zu erlangen. Man glaubt ferner, unsere Agentengestellt und durch die Atomexplosion getötet zuhaben. Ihr seid ohne Wissen des Rates und desSicherheitsdienstes gekommen.«

»Ihr phantasiert!«»Ich bedauere, Madam, aber ich bin gegenteiliger

Auffassung. Euer Mikrosender war dazu bestimmt,die von Euch geführten Gespräche aufzunehmen undabzustrahlen. Ihr wolltet die Unterredung auf einTonband der automatischen Empfängerstationaufnehmen, anschließend das Schiff verlassen, umdann zu versuchen, uns mit Hilfe des Bandes zuzwingen, die Maschine auszuliefern. Wir danken fürEuer Entgegenkommen, Madam.«

Ich verstand endgültig! Diese wundervolle Frauhatte uns eine Chance geboten; besser gesagt: Siehatte Rhodan nicht in Schwierigkeiten bringenwollen.

Echte Verzweiflung zeichnete sich auf ihremGesicht ab. Ihr umherhuschender Blick verriet, daßsie nach einem Ausweg suchte.

Ich legte meine Hand auf ihren Arm. Die Männerder Zentralebesatzung hatten ihre Plätzeeingenommen. Offiziere der Solaren Abwehr

diskutierten über Auris Auftauchen. Ich flüsterte ihrzu:

»Es geht um das Fortbestehen der Menschheit,Auris. Ihr solltet begreifen, daß wir euch nicht mehrentlassen können. Euer Verdacht ist zu begründet,als, daß wir das Risiko eingehen könnten, Euch vorklugen Akonen sprechen zu lassen. Man hält denUmformer für vernichtet. Euer Oheim ist bei guterGesundheit. Ich möchte Euch bitten, diese Reisemitzumachen und den Ausgang unseresUnternehmens abzuwarten.«

Sie streifte meine Hand ab. Ihr Blick galt Rhodan,der sich soeben im Kommandantensitz festschnallte.

»Ihr zwingt mich, zur Verräterin zu werden.«»Unsinn! Ihr könnt ohnehin nichts beweisen. Oder

glaubt Ihr gar, der Erste Administrator wäre mit einerDurchsuchung der IRONDUKE einverstanden?«

Wieder schaltete sich der Telepath ein. Ich konntenicht genau feststellen, ob Auris ihrenparapsychischen Willensblock absichtlichvernachlässigte, um John die Möglichkeit zumErkennen ihrer Gedanken zu geben.

»Ein Schlachtschiffverband der Regentenflotte istim Anflug, Sir« meldete Marshall. »Es istempfehlenswert, den Start zu forcieren.«

Perry drehte sich um, um Auris mit einemeigenartigen Lächeln zu bedenken. Sie schleudertemit einer Kopfbewegung die Haare zurück und setztesich endlich in einen Gliedersessel. Da wußte ich,daß sie die Informationen wissentlich preisgegebenhatte.

Ich räusperte mich und setzte mich neben sie.»Vielen Dank, Auris. Wie ist der Regent

benachrichtigt worden? Unsere Funkstation nahmkeinen Spruch auf.«

»Kurier per Transmitter, Sir«, antwortete Marshall.Allmählich schien es ihm peinlich zu werden, dieoffenliegende Gedankenwelt der jungen Frau zusondieren. Ich gab ihm einen Wink. Er verneigte sichund ging. Auris sagte nichts mehr. Wir lauschten aufdie Durchsage des Sektorchefs. Rhodan meldete sichpersönlich bei den Akonen ab. Man versuchte, dasSchlachtschiff zurückzuhalten, jedoch wagte man esnicht, gewaltsam vorzugehen.

Rhodan bedauerte die Vorkommnisse in Imptonund fragte an, ob jemand zu Schaden gekommen sei.

Der Obmann des Regierenden Rates brach dasVisiphongespräch brüsk ab. Es war klar, daß manzwar an eine Agententätigkeit der Terraner dachte,aber auf die richtige Spur war man nicht gestoßen.

Minuten später dröhnte das Riesenschiff in denHimmel. Auf den Bildschirmen tauchte dernachglühende Explosionskrater auf. Er war nichtgroß. Es war nur ein kleiner Teil der Museumsstadtzerstört worden.

Ich atmete erst auf, als wir uns außer Schußweite

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der akonischen Raumforts befanden. Wir stießen mithoher Fahrtbeschleunigung in den Raum vor, wo wirkurz darauf die Eintauchschocks von etwa zwanzigschweren Schiffen orteten. Niemand achtete auf dasTosen in den Strukturtastern. Die Robotschiffe desRegenten waren zu spät gekommen.

Rhodan setzte sich zu uns. Der Kommandantbereitete den Linearflug vor.

»Warum habt Ihr Euren Verdacht nicht derakonischen Abwehr mitgeteilt, Auris?« fragte er.

Sie sah ihn nur stumm an. Ich warf ihm einenironischen Blick zu. Dieser Terraner mochte einhervorragender Staatsmann und ein noch bessererFlottenbefehlshaber sein; aber von Frauen verstand ernichts.

Er schaute mich verwirrt an, errötete wie einSchuljunge, stammelte eine Entschuldigung und gingdavon. Ich lachte leise.

»Er wird bald begreifen, Auris«, sagte ichbeiläufig. »Wenn wir Euer Armband-Funkgerät nichtentdeckt hätten - was wäre dann geschehen?«

Sie senkte den Kopf. Offenbar hatte sie sich inGewissensnot befunden und die Entscheidung demSchicksal überlassen.

Sie hatte versucht, ihrem Volk gegenüber loyal zusein, und dabei gehofft, es würde etwas geschehen,was sie nicht zu einer Preisgabe ihrerVerdachtsmomente zwingen würde.

Jetzt ahnte ich auch, warum sie so auffällig an dengetarnten Schalter gegriffen hatte. Wahrscheinlichwußte niemand, daß sie die IRONDUKE betretenhatte. Rhodan rechnete damit, denn er hatte beiseinem Gespräch mit dem Obmann kein Wort überihre Anwesenheit verloren. Er war auch nicht nachAuris gefragt worden.

Sie blickte starr in eine Ecke des Raumes. IhrGesicht hatte sich entspannt. Mir war, als husche hinund wieder ein Lächeln über ihre Lippen.

Ich erhob mich seufzend. Mein Platz war vor denKontrollen. Marshall nickte mir zu. Er würdeaufpassen. Ehe ich davonging, fragte sie leise:

»Atlan - wer ist dieser neue Imperator?«Ich blieb stehen. Sie hatte mich übergangslos an

meine Aufgabe erinnert.»Ein Schurke und Geisteskranker, der von

akonischen Intriganten mißbraucht wird.«»Seid Ihr der Meinung, das Große Imperium

würde zerfallen oder in unrechte Hände geraten?«»Falls Minterol I nicht gestürzt wird, ganz gewiß!«»Demnach versagt Euer Robotregent?«»Jawohl. Die Maschine wurde beeinflußt. Euer

Oheim spielte dabei eine wesentliche Rolle. Erbefindet sich als Kriegsgefangener an Bord.«

»Was habt Ihr mit dem Zeitwandler vor?« Ichdrehte mich endlich um. Ihre Augen waren klar undwach. Sie suchte nach der Wahrheit.

»Auris, Ihr seid den rechten Weg gegangen. WennEuch daran liegt, den galaktischen Frieden zuerhalten, so fragt nicht länger. Ich habe michentschlossen, das genialste Erzeugnis meinerVorfahren zu zerstören. Ein Robot, der falsch zureagieren beginnt, ist auf jeden Fall unberechenbar.Der Regent wird sogar gefährlich. Er muß vernichtetwerden, oder die Völker der Milchstraße ...«

»Ja, ich weiß«, unterbrach sie mich. EinOrtungsergebnis wurde über die Rundrufanlagebekanntgegeben. Wir näherten uns relativistischenGeschwindigkeitsbereichen. Auf den Echoschirmender Fernpeilung waren grüne Pünktchen erschienen.Die Robotraumer befanden sich im Bremsmanöver.

Einige verschlüsselte Raffersprüche wurdenaufgefangen. Sie interessierten uns nicht mehr.

Wenige Minuten später tauchten wir im Schutz desKalupschen Kompensationsfeldes in den Halbraumein. Auf dem Zielschirm der Paraortung leuchteteeine einsame, grüne Sonne. Dort wartete dieNachahmung des Imperiumskreuzers SOTALA.

Ich klappte meinen Sessel zurück, Auris grübeltevor sich hin. Ab und zu überlief sie ein Frösteln. Siehatte uns zu verstehen gegeben, daß sie zu unsgehörte.

Zu uns? Ich blickte zu Rhodan hinüber. Zu ihm,Narr! teilte mir mein Logiksektor mit.

Ich nickte unwillkürlich. Viele Monate warenvergangen, seitdem Rhodan die junge Fraukennengelernt hatte. Mittlerweile waren ihre Gefühlezu ihm gereift. Ich hatte jede Hoffnung aufgegeben,sie jemals heimführen zu dürfen.

Anschließend dachte ich daran, was wohlgeschehen wäre, wenn der Regierende Rat oder dieakonische Abwehr nur die Spur eines Verdachtesgewonnen hätten.

Ohne jeden Zweifel hätte man alles getan, um dieIRONDUKE am Start zu hindern. Der verrückte Plander Terraner war bis jetzt gelungen. An meineAufgabe durfte ich in diesen Augenblicken nichtdenken. Beklemmung überfiel mich, als ich mir dieFunktion des Zeitwandlers vorzustellen versuchte.

Die Triebwerke dröhnten. In wenigen Stundenwürden wir die falsche SOTALA erreicht haben.Dann begann die Endphase im Spiel um die Macht.

Die vier akonischen Wissenschaftler fielen mir ein.Welche Rückschlüsse würde man aus ihremVerschwinden ziehen? Die Agenten auf Sphinxhatten der akonischen Abwehr einen Wink gegeben,als die Physiker bereits entführt worden waren.

Wahrscheinlich war man der Auffassung, dieSpezialisten seien bei der Explosion umgekommen.Wenn man aber daran glaubte, so mußte manParallelen zu dem Zeitwandler entdecken.

Wenn es jedoch möglich war, in einer anderenZeitepoche Arkon III zu erreichen, wurden alle

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Maßnahmen der Akonen bedeutungslos. Sie hättenunseren Angriff aus dem Nichts nur dann verhindernkönnen, wenn es ihnen rechtzeitig gelungen wäre,uns das Gerät wieder abzujagen.

Im jetzigen Stadium der Ereignisse hatten dieHerrscher über das Blaue System verloren. Wenn sietrotzdem noch die richtigen Schlußfolgerungenzogen, so blieb ihnen keine andere Wahl mehr, alsauf einen Versager zu hoffen.

Meine Augen wurden feucht. Ich steigerte michdurch meine Grübeleien in einen Zustand derErregung hinein, der für die kommende Aufgabenicht tragbar war. Ich müßte mich fangen. »Nervös?«erkundigte sich Auris.

Ihr Gesicht war wieder so ausdruckslos wie kurznach ihrem Eintreffen.

Ja, ich war nervös. Schließlich war es nichtalltäglich, wenn ein Mann Wesen der fernenVergangenheit begegnete.

5.

In den Lautsprechern der Hyperkomempfängerzirpte es. Es handelte sich um einen chiffriertenRafferspruch auf der Sonderfrequenz derintergalaktischen arkonidischen Einsatzflotte unterdem Oberbefehl von Admiral Notath.

Der Spruch war an das Flotten-Oberkommando aufArkon III gerichtet. Das Anrufzeichen war nichtverschlüsselt. Wir warteten, bis die Geräteschwiegen. Der automatische Auswerter schob dieFolie mit der Magnetaufzeichnung in den Entraffer.Nach der Aufgliederung wurde der Kodespruch demComputer in der mathematischen Abteilungzugeleitet. Der Schlüssel war uns bekannt. DieDechiffrierung dauerte zwölf Minuten, was auf einenMöglichkeitswert von etwa sechs Milliarden hinwies.Die alten Arkoniden hatten es verstanden, ihreGeheimnisse zu wahren.

Auf der Erde schrieb man den 10. Februar 2106.Wir waren mit Hilfe des Zeitwandlers um 6023 Jahrein der Vergangenheit eingetaucht, um auf dasEinlaufen des historischen Hyperfunkspruchs zuwarten. Nur wir wußten, daß die echte SOTALAschon zwei Stunden später vernichtet worden war.Wir nahmen ihren Platz ein.

Es war ein unfaßliches Geschehen. Dernachgeahmte Schwere Kreuzer wurde von demabsorbierenden Zeitlinienfeld eingehüllt. Für michwar es nur schwer begreiflich, daß man innerhalbdieser Verschiebungshülle aus unsichtbaren undunfühlbaren Kraftlinien einen Funkspruch empfangenkonnte, der vor mehr als sechstausend Jahren voneinem Raumschiff meines Volkes abgestrahlt wordenwar.

Mercant und Oberst Nike Quinto befanden sich

ebenfalls in der Zentrale, deren Einrichtung großartigkopiert worden war. Wir trugen die grauenUniformen der Arkonidenflotte. Auf den Schulternund Brustteilen der Kombis leuchteten die buntenSymbole und Rangabzeichen, wie man sie damalsgetragen hatte.

Rhodan war der Erste Offizier, ich spielte denKommandanten. Die siebenhundertfünfzigköpfigeBesatzung hatte nochmals eine Hypnoschulung inAltarkonidisch und der Technik jener Epocheabsolviert.

Ich hatte mich bemüht, einige Männer zuverfänglichen Aussagen zu zwingen. Sie hatten aufmeine Fangfragen nicht reagiert. Sie warenArkoniden aus der Epoche des Imperators TutmorVI.

Ich hatte mich nach meiner Ankunft in diechemischen Labors eingeschlichen, eine derUniformen zerschnitten und Analysen vorgenommen.Als ich bemerkt hatte, daß die Solare Abwehr sogardie seinerzeit gebräuchlichen Kunstfasernnachgeahmt hatte, hatte ich es aufgegeben. DiesenMännern war kein Fehler unterlaufen!

Vor vierundzwanzig Stunden hatten wir meinHeimatsystem erreicht Wir standen acht Lichtjahrevon der Arkonsonne entfernt im Raum. AlsOrtungsschutz diente ein roter Stern, in dessenGravofeld wir relativ sicher waren. Wir wußten, daßder äußere Festungsgürtel bereits existierte.

Niemand in der Zentrale sprach ein Wort. Dafürwaren die Gesichter der Terraner von derNervenbelastung gezeichnet. Rhodan hatte sichwieder hinter einer ausdruckslosen Miene verschanzt.Mercant lächelte herzlicher als zuvor, und Quintoschwitzte wie ein Sauna-Wärter.

Jeder reagierte auf seine Weise. Die Mutantenbefanden sich im unteren Laderaum der SOTALA.Die Telepathen, der Suggestor Ishibashi und derHypno Noir bewachten die vier Wissenschaftler, vonderen Schaltungen das Gelingen des Unternehmensabhing.

Das Wandelfeld schwankte nicht. Die fixierteZeitebene blieb konstant.

Auris von Laa-Toor hatte sich endgültig auf unsereSeite geschlagen. Für sie gab es keine Kompromissemehr.

Zur Zeit interessierte mich nur eines. DerFunkspruch jenes Mannes, den ich nun darstellte undder eigentlich schon über sechstausend Jahre tot war,lag im Klartext auf einem Rechentisch.

Ich beugte mich darüber. Rhodans Atem gingflach. Er war viel nervöser, als er zugab. Vielleichtbewirkte das Ungeheuerliche in unserem Vorgehen,daß die Herzen schneller schlugen und die Nervenvibrierten.

»CCFK-1919-ABOAT, Schwerer Kreuzer

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SOTALA, Kommandant Kapitän II-K Tresta, anFlottenzentralkommando Arkon, zu Händen SeinerAllessehenden Erhabenheit, Tutmor VI.

Einsatz Nebelstern, Sonderbefehl vierter Askant,beendet. Vier Methankreuzer vernichtet, zweiFunkstationen zerstört. Räumung Nummer II und IVIlatzi-System. Erbitte Transporter mit Landetruppen.Halte Stellung. gez. Tresta, K-II-K, SeinerErhabenheit Schiff SOTALA.«

Ich las die Meldung zweimal. Sie stimmte mit demüberlieferten Wortlaut überein. Rhodan hüstelte. Esklang trocken. Seine Kehle mußte ausgedörrt sein.

Abwehrchef Allan D. Mercant griff nach derKlartextfolie.

»In wenigen Minuten müßte die Antwort desFlottenzentralkommandos einlaufen. Tresta wirdangewiesen, sofort den Heimflug anzutreten. BeimSpezialeinsatz Nebelstern wurde erstmals eine neueWaffe eingesetzt. Es war ein Test. Der Krieg gegendie Methanatmer näherte sich seinem Ende.«

Er erwähnte bekannte Dinge. Wir hatten nur nocheine Minute zu warten. Die Soldaten aus Tutmors VI.Ära hatten schnell und folgerichtig gehandelt.Damals waren die Degenerationserscheinungen nurden Wissenschaftlern aufgefallen. Es sprach für dasungeheure Maß an Voraussicht der führendenExperten, sofort den Bau eines Superrobotsanzuordnen.

Der Spruch liefern und wurde ebenfallsentschlüsselt. Der Wortlaut war richtig. Tresta erhieltden Befehl, unverzüglich heimzukehren und einenErfahrungsbericht abzugeben.

Wir blieben weiterhin auf Empfang, aber dieSOTALA meldete sich nicht mehr. Mercant sah aufdie Uhr. Schließlich reckte er den schmächtigenKörper und sah sich um.

»Meine Herren, der Schwere Kreuzer wird soebenin einem Rückzugsgefecht von überlegenenFeindeinheiten vernichtet. Keine Überlebenden! EinNotruf konnte nicht mehr abgestrahlt werden.«

Meine Stimme verweigerte den Dienst. Ich mußteeinige Male den Mund anfeuchten, ehe ich einwerfenkonnte:

»Ich beginne, an meinem Verstand zu zweifeln.Sagten Sie, die SOTALA wird soeben vernichtet?«

»Jawohl, Sir. Wir stehen genau in ihrerZeitepoche.«

Ich setzte mich. Meine Beine zitterten. Wenn manwenigstens körperlich gespürt hätte, daß eineunbegreifliche Maschine arbeitete. Es war aber nichtszu fühlen.

Auf den Bildschirmen glitzerten die Sonnen desKugelsternhaufens M-13. So hatte ich sie immergekannt. Nichts hatte sich verändert. Natürlich wardie Zeitspanne von nur sechstausend Jahren viel zugering, um eine sichtbare Umstellung der

Konstellation bewirken zu können.Mercant wendete sich an Rhodan. Er war ebenso

verstört wie ich. Also besaßen auch Terraner Nerven.»Sir, es wäre nun erforderlich, mit schwacher

Sendeenergie an das Flottenzentralkommandoabzustrahlen. Wir müssen den Empfang desRückzugsbefehls bestätigen.«

»Wie Sie meinen«, entgegnete Rhodan kehlig. Ernickte dem Funkoffizier zu. Hinter der transparentenPanzerwand zur F-Zentrale begannen die Spezialistenzu arbeiten. Die Bestätigung wurde auf gleicherFrequenz und im gleichen Kode gesendet.

Mercant nickte zufrieden. Ich schaute an meinerschmucklosen Uniform hinab. Das Symbol desGroßen Imperiums leuchtete auf meiner Brust.

Ich schüttelte die Gedanken an die Vergangenheitab. Sekunden später fiel mir ein, daß ich mich indieser Vergangenheit befand. Es war falsch, in einerGegenwart zu denken, die keine mehr war. Das Jahr2106 irdischer Rechnung war gegenstandslosgeworden, obwohl wenige Meilen von der falschenSOTALA entfernt die Jetztzeit existierte.

Ich sagte mir immer wieder, daß die relativistischeBeziehung nur innerhalb des Wandelfeldes Gültigkeithabe. Dennoch war mir unbehaglich dabei: Ich hatteja zu dieser Zeit als Schiffbrüchiger auf der Erdegelebt!

»Essenszeit«, rief Quinto. Schwitzend ging er aufden Fahrstuhl zu, der nach der Bauweisealtarkonidischer Kreuzer von der Zentrale aus zurOffiziersmesse führte. Es war ein einfacher Korb.

Ich erhob mich. Rhodan hustete wieder.»Du solltest den Arzt aufsuchen, Terraner«, sagte

ich unlustig. Er knurrte etwas, was ich nichtverstehen konnte. Jedermann an Bord wußte, daß wirnun zweimal vierundzwanzig Stunden zu wartenhatten. Vor dem 12. Februar hätte die echte SOTALAnicht eintreffen können. Sie war ein typischesSprungschiff gewesen, dessen unausgereifteHyperautomatik langwierige Transitionsrechnungenerforderlich gemacht hatte. Dennoch hatte sich anden modernsten Typen der Robotflotte nicht vielgeändert, wenn man vom Fehlen denkenderLebewesen an Bord absehen wollte.

Wir gingen. Ein Gespräch kam nicht auf. Ichschlang die widerlich aussehende Synthesenahrunghinunter, was mich wieder an die Zeit vorzehntausend Jahren erinnerte.

Damals war ich aus dem Arkonsystem abgeflogen,um die Planeten eines unbedeutenden Sternes zuerreichen. Die Kolonisten der zweiten Welt hatteneinen Hilferuf gesendet.

Der Stern war die irdische Sonne gewesen. Ichmußte meine Erinnerungen unterdrücken, um nichtins Phantasieren zu kommen. Um mir diese Aufgabezu erleichtern, schob ich den rötlichblauen Brei

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zurück. An Bord arkonidischer Kampfschiffe hatte eskeine andere Verpflegung gegeben. SozialeUnterschiede zwischen Offizieren und Mannschaftenwaren während eines Einsatzes zumindest in Bezugauf den Proviant nicht aufgetreten.

Ich zog mich in meine Kabine zurück. DieErinnerungen überfielen mich erneut. Schließlich batich den Bordarzt um eine Tiefschlafinjektion. Als ererschien, erfuhr ich, daß viele Männer darum ersuchthatten. Perry gehörte auch zu ihnen.

Lächelnd schlief ich ein. Es war der beste Weg,um die Wartezeit zu überbrücken.

Ein Phänomen zeichnete sich ab! Es erhärteteKalups Theorie, die wir wenige Stunden zuvorverworfen hatten. Der geniale Wissenschaftler hatteaus der Tatsache, daß wir außerhalb desWandelfeldes nicht die Umgebung der Jetztzeit,sondern nur jene der relativistischen Vergangenheitsehen konnten, Rückschlüsse gezogen. Vor dem Starthatte er uns mit seinen Forschungsergebnissenvertraut gemacht.

Er behauptete, wir - die SOTALA und jedes Atominnerhalb des Umlenkfeldes - seien nach wie vorBestandteile der Jetztzeit. Darunter wurde der II.Februar 2106 terranischer Rechnung verstanden.

Die Existenz im Rahmen dieser Jetzt-Epoche seiaber relativ. Für Betrachter aus derbezugsgebundenen Ebene der Ära Tutmors VI. wärenwir stofflich stabile Körper aus deren Eigenzeit.Daraus resultiere ein merkwürdiger Effekt.

Kalup hatte abschließend erklärt, wir wären fürjedermann aus dem Jahre 6023 vor Jetztzeit ein klarerkennbarer Gegenstand; auch dann, wenn dieFunktion des Wandlers einen sofortigen Rückfall indas Jahr 2106 bewirke, falls man das Feldunvorsichtigerweise verließe.

Aus der Endauswertung wurde ersichtlich, wieverworren diese Zeitreise war. Wir konnten unsereEpoche nicht wirklich verlassen, wurden aber fürjeden Außenstehenden zum festen Bestandteil seinerEigenzeit.

Wenig später waren wir gestartet. Zuvor hatten wirein Beiboot ausgeschleust. Ein Triebwerk desRingwulstes war durch einen gezieltenWirkungstreffer zerstört worden. Wir wollten miteinem havarierten Schiff ankommen, um zuversuchen, den Landeplatz bestimmen zu können.

Wir hatten die glühende Öffnung abkühlen lassenund waren in die Transition gegangen, die uns auf derBahn des sechsten Arkonplaneten insEinstein-Universum zurückbrachte. Dabei war keineVeränderung der künstlich beeinflußten Zeitlinienerfolgt, was eindeutig bewies, daß dieEnergieaufwendung des Wandlers jenseits derfünfdimensionalen Gesetze lag.

Dann hatte Kalup Grund zu triumphieren! Wir

waren von einigen Wachkreuzern des innerenAbwehrringes geortet und angerufen worden, obwohlunser zweihundert Kilometer durchmessendesWandelfeld nicht bis zu diesen Schiffen reichte.

Also konnten sie uns sehen und sogar auf derFunkechobasis orten. Dies bewies Kalups Theorie.Wir waren für die Toten existent und sie ebenfalls füruns.

Ich hatte das Kodesignal und die Rufnummer derSOTALA abstrahlen lassen. Die Antwort warbefriedigend gewesen. Das Flottenkommando hattesofort die Landeerlaubnis erteilt.

Zur Zeit flogen wir mit mäßiger Fahrt auf ArkonIII zu. Ein Leichter Kreuzer begleitete uns. Ich erhieltzum ersten Male Gelegenheit, mit einem längstVerstorbenen zu sprechen. Der Kommandant, es warein Kapitän Vierter Klasse, behandelte mich, denfalschen Tresta, sehr respektvoll. Anscheinend wußteman schon von meinem Erfolg im Nebelsektor.

Da ich auf der Rangliste um zwei Stufen höherstand und außerdem ein längeres Dienstalteraufzuweisen hatte, wurde ich von dem jungen Mannmit »Erhabener« angesprochen.

In der alten Flotte des Arkonidenreiches warensolche Dinge wichtig gewesen. Die Rangliste warvon niemand ignoriert worden. Ich bat über Funk umdie Zuweisung eines Landeplatzes nahe denZentralwerften. Wir wußten, daß der Robotregent zujener Zeit in unmittelbarer Nähe erbaut worden war.

Mein Ersuchen wurde auf dem vorgeschriebenenDienstweg weitergegeben. Mir stand es nach denVorschriften nicht zu, in Gegenwart einesWachschiffskommandanten die Hafenzentralepersönlich anzurufen.

Als ich auf die Bestätigung wartete, meinteRhodan spöttisch lächelnd:

»Es lebe die Bürokratie. Euer Papierkrieg dürftebeachtlich gewesen sein.«

Ich zuckte mit den Schultern. Wo gab es keineBürokratie? Sobald intelligente Wesen wahrhaftig zudenken begannen, verschanzten sie sich erst einmalhinter Formularen und Vorschriften, die zumeist vonsolchen Leuten erlassen wurden, die von der Praxiskeine Ahnung hatten.

Ich konnte mich gut an die Blütezeit desImperiums erinnern. Obwohl ich der Kristallprinz desReiches und Oberbefehlshaber einer Spezialflottegewesen war, hatte ich fünf Unterschriften leistenmüssen, bis man mir auf einem Kolonialplaneten dieFrischwasserübernahme genehmigt hatte.

Ein ähnlicher Fall spielte sich jetzt ab. DerKreuzerkommandant teilte mir mit, die Anfrage andie Hafen Verwaltung sei gebilligt worden. Alsohatte ich dort anzurufen und die gleiche Bitteauszusprechen.

Der Hafenkommandant verwies mich an den

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Werftoffizier, der sich wieder beimZentralkommando erkundigen mußte, ob dieLandung genehmigt sei. Als wir bereits mitdröhnenden Triebwerken in die Atmosphärevorstießen, wurde mir endlich von einem jungenLeutnant mitgeteilt, wir sollten auf Piste KP-176niedergehen.

»Großer Jupiter!« rief Major Heintz aus. »Ich willalles vergessen, was ich jemals gegen die terranischeDienstordnung gesagt habe.«

Ich blickte ihn wütend an. An Bord der SOTALAbegannen siebenhundertfünfzig Männer zu grinsen.Die Terraner besaßen einen seltsamen Humor. Er tratmeistens dann zutage, wenn andere Intelligenzen vorNervosität zu weinen begannen. Vielleicht war dasdas Großartige an diesem jungen galaktischen Volk.

Ich schalte auf die Bildschirme derAußenerfassung. Der Kommandant desBegleitkreuzers meldete sich bei mir ab. Als ich esgenehmigt hatte, mußte er dem Oberbefehlshaber derbodengebundenen Abwehrfestungen mitteilen, ich seimit seinem Durchstarten einverstanden. Erst danndurfte er mit dem Kugelschiff in den Raumvorstoßen.

Ich ahnte in diesem Augenblick nicht, daß diezermürbende Bürokratie der arkonidischen Beamtenden Terranern half, die vor uns liegende Aufgabe mitdem Interesse von Hochleistungssportlern anzusehen.Diese Männer amüsierten sich über mich und diekleinlichen Seelen in den Ämtern.

Wir überflogen die Titanenanlagen desKriegsplaneten. Die Fernsteuerzentrale fing uns einund lenkte uns in den vorgeschriebenen Flugkorridor.

Mein energischer Protest führte zu einem »mildenVerweis« durch den Platzkommandanten. DerBeamtenoffizier gab mir zu verstehen, meinTriebwerksschaden »sei eine Bagatelle«. Daraufentgegnete ich wütend, dies zu entscheiden sollte ergefälligst einem aktiven Soldaten überlassen, der sichan Bord des havarierten Schiffes befände.

Rhodan besaß Galgenhumor genug, trotz dergefährlichen Situation Tränen zu lachen. Er schiendas Unternehmen plötzlich sehr unterhaltsam zufinden.

In den einzelnen Abteilungen der SOTALAerfolgten die letzten Textbefragungen. Die Besatzungdes echten Schweren Kreuzers war uns namentlichbekannt. Helden waren in der arkonidischenGeschichte schon immer aktenmäßig erfaßt worden.

Das Hypnotraining bewährte sich. Jeder wußte,wie er angeblich hieß, woher er stammte und wie seinLebensweg gewesen war. In diesem Falle hatte unsdie Pedanterie der Flottenverwaltung einen Diensterwiesen. Es konnte keine Pannen geben, es sei denn,wir begegneten Arkoniden, die den wirklichenKommandanten, die Offiziere oder Mitglieder der

Mannschaft von Person kannten. Dann half nur dasblitzschnelle Eingreifen der Mutanten.

Die Solare Abwehr hatte an alles gedacht. Mercanterteilte noch Anweisungen über dieRundsprechanlage, als bereits die Landebeineausgefahren wurden. Unter uns lag derZentralraumhafen von Arkon III.

Wir erhaschten einen Blick auf dieMammutbaustelle westlich der Werften. Dort wurdeder Robotregent von den fähigsten Wissenschaftlernund Technikern meines ehrwürdigen Volkesvollendet. In wenigen Tagen würde derundurchdringliche Energieschirm entstehen.

Als wir den Boden berührten und dieHydraulikbeine des Landewerks wippend nachgaben,nahm ich mir vor, die Spezialbombe schleunigst insInnere des Robotsystems zu bringen und die Fluchtzu ergreifen. Es mußte dazu auf dem Dienstweg eineentsprechende Order erlassen werden, damit wirwieder abfliegen konnten.

Mit dem Kreuzer wären wir ohne Starterlaubnisnicht weit gekommen. Die Arkoniden dieser Epochewaren harte und scharfsinnige Kämpfer gewesen.Niemand konnte von Arkon III aufsteigen, wenn esdie Befehlshaber nicht wollten. Das galt auch füreinen Perry Rhodan.

Die Maschinen liefen grollend aus. Da warnte ichPerry nochmals:

»Hör zu, kleiner Barbar! Als diese Arkonidenwirklich lebten, hausten deine Vorfahren noch inverräucherten Höhlen und riefen ihre Götter an beijedem Donnerschlag eines Gewitters. Komm nurnicht auf die Idee, die draußen wartenden Soldatenmit den Arkoniden des Jahres 2106 zu vergleichen.Du würdest eine böse Überraschung erleben. Schätzemeine Vorfahren so ein, wie deine fähigstenElitesoldaten. Dann weißt du, wie du dich zuverhalten hast.«

»Verstanden, Sir«, antwortete Mercant an PerrysStelle. »Noch wichtiger ist die Funktion desZeitwandlers. Wenn er versagt, stehen wir plötzlichvor dem Regenten unter dem Befehl einesakonischen Energiekommandos. Ich frage mich, waswohl schlimmer wäre.«

Ich schaute ihn abschätzend an. Er war dieBeherrschung in Person.

Major Heintz, offiziell der Zweite Offizier, reichtemir den grünen Schulterumhang des Kommandanten.Ich drückte die Magnethalterungen an den Polen derSchulterstücke fest. Mein Funkhelm war prächtiggearbeitet. Kapitän Tresta hatte das Privileg besessen,eine Privatausführung tragen zu dürfen. Auch daswar im Bericht über die SOTALA-Besatzungaktenkundig auf Mikro-Bildtonband festgehaltenworden. Die Nachahmung des Helmes warterranischen Spezialisten einwandfrei gelungen.

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»Soll dich jemand begleiten?« fragte Rhodanzögernd.

»Ausgeschlossen. Der Kommandant geht alleinvon Bord, besteigt wie üblich - das Fahrzeug einerRobot-Begrüßungseskorte und meldet sich imHauptquartier. Die Besatzung, darunter auch dieOffiziere, hat an Bord zu bleiben, bis der Kapitänzurückkehrt. Danach liegt es in seinem Ermessen, dieMannschaften zu beurlauben.«

Perry sah sich um. Die Tatsachen waren bekannt.»Wir haben uns nach arkonidischen Gebräuchen

zu richten«, fügte ich meiner Erklärung hinzu.Mercant räusperte sich. »Die Schwierigkeitenbeginnen, Sir. Passen Sie auf, daß Sie nicht vonjemand angesprochen werden, der den echten Trestazu kennen glaubt.«

Quinto sah auf die Uhr. Noch wußten wir nichtgenau, wie spät es war. Wir konnten im Verlauf derZeitverformung den Tag bestimmen, nicht aber dieStunde. Die Astronomen arbeiteten bereits. DieEigenrotation von Arkon III konnte sich nichtverändert haben.

Ehe ich ging, wurde die gültige Tageszeitbekanntgegeben. Es war 13.24 Uhr. Als ich dieMannschleuse betrat und das Zeremoniell ablief,erschien der Telepath John Marshall. Er teilte mirmit, die akonischen Wissenschaftler seien gefügig.Ob freiwillig oder nicht, wurde nicht erwähnt.

6.

Vor drei Stunden war die Sonne hinter demHorizont versunken, aber auf dem Kriegsplanetenwar es nicht Nacht geworden.

Zahllose Lampen, Schwebeatomsonnen undKreiselscheinwerfer erhellten das Gelände. DasLohen aus den Triebwerken der abfliegendenRaumschiffe täuschte ein grandioses Feuerwerk vor.Das Grollen nahm kein Ende.

Über den Zentralwerften, den modernsten desPlaneten, war der Himmel blutrot beleuchtet. Dortspien die Gebläse der atothermischen Schmelzöfendie vergasten Schlacken auf die Halden. Arkon IIIschlief niemals. Die robotgesteuerte Serienfertigungvon Raumschiffen aller Art war der Lebensnerv desImperiums.

Auf dieser Welt wußten nur die Terraner und ich,wie es sechstausend Jahre später hier aussehenwürde. Zur Zeit war das Heer der arkonidischenRaumfahrer unübersehbar. Die Städte wimmeltenvon Soldaten aller Waffengattungen. Obwohl dieBlütezeit des Reiches schon vorüber war, konntenwir noch immer hunderttausend bemannte Fahrzeugein den Raum schicken. Hilfsvölker wurden auf demKriegsplaneten nicht geduldet. Man verwendete siebestenfalls auf Kolonialwelten.

Gucky und Ras Tschubai waren soebenzurückgekehrt. Sie hatten die Lage erkundigt. Derdritte Teleporter war noch mit dem Suggestorunterwegs. Kitai Ishibashi sollte versuchen, denWissenschaftler Epetran zu testen.

Meine Vorsprache war erfolglos gewesen. Epetranbewohnte keinen Trichterpalast, sondern nur einOffiziersquartier, wie es auch mir zugestanden hätte.Ich war von seinen Untergebenen höflich, aberbestimmt abgewiesen worden. Epetran hatteaugenblicklich keine Zeit für die Vorschläge einesFrontoffiziers. Ich war um die schriftlicheNiederlegung meiner Ideen gebeten worden.

Abwehrchef Mercant hatte nach meiner Rückkehrnur genickt und gemeint, so hätte er sich die Sacheauch vorgestellt. Logischerweise hätte der größteWissenschaftler der Arkoniden andere. Dinge zu tun,als mit einem Kapitän Zweiter Klasse zu diskutieren.

Nach unserer Umrechnungstabelle schrieb man aufder Erde den 13. Februar. Wir durften nicht mehrlange zögern.

Gucky hatte sich erschöpft auf einem Konturlagerzusammengerollt. Auch Ras Tschubai atmete schwer.Wir ahnten, daß der Einsatz nicht einfach gewesenwar.

Wir mußten warten, bis sich die beiden Mutantenerholt hatten. Währenddessen besuchte ich die vierakonischen Wissenschaftler.

Der Zeitwandler lief ununterbrochen. Da wir unsnach wie vor in der Epoche des Imperators TutmorVI. befanden, konnte an der Betriebssicherheit derMaschine nicht mehr gezweifelt werden.

Artol von Penoral überwachte das Gerät. ZweiTelepathen des Korps beobachteten ihn. Auris befandsich auch im Laderaum. Sie hatte es seit zwei Tagenvermieden, die Zentrale aufzusuchen. Ich erkundigtemich nach ihrem Befinden.

»Den Umständen entsprechend. Wann werdet Ihrhandeln?«

Ich konnte die Frage nicht beantworten. Wirwechselten noch einige Worte, aus denen ichentnahm, daß sie beunruhigt war.

Als ich wieder in der Zentrale ankam, herrschtedort Hochbetrieb. Tako war mit dem Suggestorzurückgekommen. Gucky berichtete, dasRobotgehirn sähe bereits so aus, wie wir es aus derJetztzeit kannten. Das bedeutete, daß es praktischvollendet war.

»Wie wird der Regent bewacht?« erkundigte sichQuinto.

»Sehr stark, Sir«, erklärte Tschubai. »Wir mußtenpausenlos springen, um einer Entdeckung zuentgehen. Zweimal hat eine Alarmanlageangesprochen, und einmal wurde auf michgeschossen.«

»Womit?«

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»Desintegrator, Sir.«»Mit einer tödlich wirkenden Waffe?«»Jawohl. Man meinte es ernst. Wir haben das

wissenschaftliche Team gesehen. Etwa hundertSpezialisten sind damit beschäftigt, die Endschaltungzu überprüfen. Man wird nur eingelassen, wenn manSpezialausweise vorzeigen kann. Sie enthalten einIndividual-Schwingungsmuster, das in denWachstationen regelmäßig kontrolliert wird. Einunbefugtes Eindringen dürfte unmöglich sein. Auchwenn der Energieschirm noch nicht existiert, habendie Arkoniden doch alles für die Sicherheit desRobots getan.«

Ich blickte mich um. Die Gesichter der Männerwaren verkniffen. Mercants Fingerspitzentrommelten auf dem Rechentisch. Rhodan stellte fest:

»Also bleibt keine andere Wahl, als mit Hilfe derTeleporter einzudringen. Welche Erfolge haben Sieaufzuweisen, Kitai?«

Der hagere Mann wischte sich den Schweiß vonder Stirn. Der biologisch lebende Haarersatz, der denSchöpf des Arkoniden vortäuschte, glänzte feucht.

»Nichts, Sir, oder fast nichts. Wir haben Epetran inder mathematischen Abteilung getroffen. SeineWohnung liegt nebenan. Wahrscheinlich fertigte erProgrammierungsfolien mit Spezialbefehlen an.«

»Er konstruierte die Sicherheitsschaltung A-1«,warf Quinto ein.

»Es mag sein, daß er sich soeben damitbeschäftigt«, bestätigte der Mutant. »Ich habeversucht, ihn zu beeinflussen, jedoch weiß ich nicht,ob es mir gelungen ist. Epetran besitzt einen extremstarken Willensblock. Außerdem behauptet Tako, wirwären trotz der Deflektorschirme von Epetranerkannt worden.«

Eisiger Schreck durchfuhr mich. Wenn niemandsonst unsere Maske durchschauen konnte, der greiseWissenschaftler war dazu fähig. Er besaß einaktiviertes Gehirn mit besonderen Fähigkeiten.Rhodan ahnte meine Befürchtungen und winkte ab.

»Sieh nicht zu schwarz, Freund! Auch Epetran istnicht allwissend. Wenn er Verdacht geschöpft hätte,wäre jetzt schon allerlei geschehen.«

Die Behauptung war nicht zu widerlegen.Trotzdem wurde ich von Sekunde zu Sekundeunruhiger. Ich bereute es bitter, Admiral Aichot umeine Besuchserlaubnis gebeten zu haben. Bei den vonKitai geschilderten Umständen war es besser,Epetran nicht zu begegnen. Mercant blickte auf dieUhr. »Sie werden spätestens nach Sonnenaufgang aneinigen Empfängen teilnehmen, Sir«, erklärte er. Ichnickte. Die Einladungen lagen bereits vor. Meine»Kollegen« wollten Kapitän Tresta sehen. DieSituation wurde allmählich unhaltbar.

Quinto wollte etwas einwerfen, als sich die Wachemeldete.

»An Kommandant. Ein seltsames Fahrzeug hat vordem Kreuzer angehalten.«

Rhodan fuhr zusammen. Heintz drückteautomatisch auf den Alarmknopf. Die Männer derFreiwache wurden aus dem Schlaf gerissen.

Die Wache schaltete um. Auf den Bildschirmender Zentrale erschien ein unförmiger Wagen. Er liefauf breiten Raupenketten und war mit zahlreichenAntennen ausgerüstet.

Ehe wir ihn richtig erkennen konnten, rollte erschon wieder davon. Er verschwand hinter einemSchlachtschiff, wurde wieder sichtbar und tauchte ineinem Oberflächen-Panzerschacht unter.

Wir schauten uns verblüfft an, bis Mercant miteinem besonders herzlichen Lächeln fragte:

»Können mir die Herren Wissenschaftler verraten,was das zu bedeuten hatte?«

Kalup sah noch immer auf die Bildschirme. SeineAugen hatten sich so verengt, daß sie in denFettpolstern seiner Wangen fast verschwanden.

»Das war ein Meßfahrzeug«, behauptete er. »Esgibt keinen Zweifel. Wer lenkte es vor die SOTALA?Wer wollte etwas erfahren?«

»Erfahren?« fiel Quinto hastig ein. »Sagten Sieerfahren?«

Kalup antwortete nicht mehr. Eilig stampfte er aufdas Schott zu. Dabei murmelte er etwas, was sich wie»Taster überprüfen« anhörte.

Als er verschwunden war, fühlte ich, daß meinZellaktivator lauter als sonst arbeitete. Ich war jetztschon, im Jahre 6023 vor der Realzeit, ein uralterMann.

Ich unterbrach die Diskussion. Rhodan standimmer noch vor den Bildschirmen.

»Es ist sinnlos, das Rätsel lösen zu wollen. Eineparapsychische Beeinflussung Epetrans scheintunmöglich zu sein. Ich lege auf seine Bekanntschaftkeinen Wert mehr. Sie könnte nur gefahrbringendsein, was Kitais Aussage beweist. Wir greifen an,dringen mit Mutantenhilfe in das System ein,installieren die Zeitbombe und gehen.«

»Wie?« fragte Rhodan. Er war hellwach.»Es dürfte wesentlich einfacher sein, in der

gültigen Jetztzeit von Arkon III zu entkommen, als inTutmors VI. Ära. Jedermann an Bord hat erlebt, wievorzüglich die Sicherheitsmaßnahmen sind. Ichschlage vor, nach Planphase Nummer zwei zuhandeln. Wir schalten den Umformer ab, nehmeneinen Robotangriff in Kauf und starten. Die unterBullys Befehl wartende Flotte kann unseren Rückzugdecken.«

»Das ist auch meine Meinung«, nickte Mercant.»Zuvor wäre aber noch allerlei zu erledigen. Mirwäre es sympathischer gewesen, wenn es unsgelungen wäre, den Fall mit Epetrans Hilfe zuklären.«

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»Soll ich dem Mann sagen, ich käme aus derZukunft, um mein Volk zu retten?« entgegnete ichspöttisch. Er musterte mich ernst. »Sir, das wärevielleicht noch nicht einmal verkehrt.«

»Sie phantasieren, Mercant«, rief Rhodan aus.»Ich bin nicht Ihrer Auffassung, Sir. Dieser

Wissenschaftler war der einzige Arkonide, der diebeginnende Degeneration mit all ihren Folgenfrühzeitig erkannte. Außerdem besitzt er genügendspekulative Phantasie, um sich die Funktion einesZeitwandlers vorstellen zu können. Ich spiele mitdem Gedanken, Epetran zu informieren.«

Rhodan lehnte schroff ab. Mein Extrahirn meldetesich. Zu meiner Verblüffung befürwortete esMercants Plan. Dennoch meinte auch ich, aufEpetrans Mitarbeit verzichten zu müssen.

Rhodan verließ seinen Platz und trat an dieComputerkonsole. Er begann zu schalten.

»Eine Logikauswertung dürfte sinnlos sein«,unterbrach ich die Stille. »Mr. Mercant, ich mußebenfalls ablehnen. Die Bombe wird zuverlässigexplodieren. Epetrans Reaktion ist völlig ungewiß.Wir können nicht das Risiko eingehen, infolge seinerMeldung verhaftet oder gar getötet zu werden. Wirgreifen an wie ursprünglich geplant. Ich werde dieBombe installieren.«

Der Abwehrchef verbeugte sich. Die Entscheidungwar gefallen. Möglicherweise hatten wir einen Fehlerbegangen. Niemand konnte es sagen.

Der Computer klickte. Als ich noch auf dasErgebnis wartete, meldete sich der diensthabendeWachoffizier von der unteren Polschleuse. SeinGesicht erschien auf einem Bildschirm.

»Leutnant Pinch, Sir. Für Sie ist ein Briefabgegeben worden.«

»Was ...?«»Ein länglicher Umschlag, Sir. Er wurde von

einem Roboter überbracht.«Rhodan unterbrach sein Rechenexempel. Nervös

sahen wir der Ankunft des Schreibens entgegen.»Wieder eine Einladung?« fragte Major Heintz

unsicher.Ich schüttelte den Kopf. Wenn es eine war, dann

kam sie nicht von anderen Offizieren. Es war üblich,solche Dinge über Sprechfunk zu erledigen.

Der Brief kam an. Es handelte sich um einenfluoreszierenden Folienumschlag mit dem Symboldes Großen Rates.

Rhodans Hände waren schweißfeucht. Er überreichte mir die Nachricht, und ich zog amPatentverschluß. Der Bogen faltete sich auf.

»Handschriftlich!« sagte Quinto. »Wer ist das?«Ich glaubte, mein Herz müsse stehenbleiben.

Unterschrift und Siegel waren unverkennbar. Ich ließden Bogen sinken und sah die Männer der Reihenach an.

»Doch eine Einladung! Epetran bittet um meinenBesuch, da er von Admiral Aichot gehört hätte, ichhätte Vorschläge zur Verbesserung derTransitionstechnik zu machen« Rhodan las dieBotschaft ebenfalls. »Dahingehend informierteOffiziere sind gleichfalls willkommen«, murmelteich. »Allerhand! Was plant der Mann?«

Gefahr! signalisierte mein Extrahirn. Fast gegenmeinen Willen stellte ich fest:

»Die Einladung ist nicht zu umgehen. WennEpetran bittet, ist das gleichbedeutend mit einemBefehl. Wer geht mit?«

Rhodan rief seinen Bedienungsrobot an.»Meine Extrauniform, schnell!« befahl er.Schon eine halbe Stunde später hielt ein

Dienstfahrzeug vor der Mannschleuse des Kreuzers.»Der Herr erwartet als selbstverständlich, daß wir

in dreißig Minuten fertig sind«, sagte Rhodangrimmig. »Also, gehen wir. Nein, Kitai, es tut mirleid. Ich werde Sie nicht mitnehmen! Wenn dieserWissenschaftler über ein aktiviertes Gehirn verfügt,sind Ihre Anstrengungen ohnehin sinnlos.«

Der Suggestor blieb zurück. Wir glitten imAntigravschacht nach unten und bestiegen dasRobotfahrzeug.

Es trug das Wappen des Großen Rates. JohnMarshall, der versuchen sollte, den Gedankeninhaltdes Gelehrten zu erfassen, war der dritte Mann inunserem Team. Offiziell galt er als Chefingenieur derSOTALA.

Wir fuhren los. Dabei wußten wir nicht, was uns inEpetrans Quartier bevorstand. An einen Galaempfanghatte er sicherlich nicht gedacht. Wahrscheinlichwürde die Unterredung sehr nüchtern verlaufen.Arkoniden vom Range eines Epetran waren klareDenker gewesen. Sie interessierten sich nur fürTatsachen. Besonders dem Chefwissenschaftler desGroßen Rates sagte man nach, er hätte nur selten anrauschenden Festen teilgenommen, obwohl er in derGunst des Imperators stünde.

Wir fuhren in das Sperrgebiet nahe derGroßbaustelle ein. Langgestreckte Hallen tauchtenvor uns auf. Epetran hielt es anscheinend nicht fürungewöhnlich, uns mitten in der Nacht zu einemBesuch aufzufordern. Er gehörte zu jenen Arkoniden,die der Auffassung waren, Soldaten hätten zu jederStunde für das Reich einzustehen.

Rhodan wurde unruhig, als keine Kontrollenerfolgten. Man ließ uns ungehindert dieenergetischen Sperrgitter passieren.

Mein Extrahirn meldete sich nicht mehr. MeinSchädel schien von einem eisernen Reif umspannt zuwerden. Wir wußten, daß Epetran einer der wahrhaftgroßen Wissenschaftler der arkonidischen Geschichtegewesen war. Es war nervenzermürbend, einersolchen Persönlichkeit gegenüber zu treten.

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»Kapitän Tresta?« fragte ein Wachoffizier. Ergehörte zur berühmten Eliteeinheit der Tentonen.

»Das bin ich. Die Offiziere Telater und Toote.« Ichdeutete auf Rhodan und Marshall.

»Der Erhabene erwartet Euch. Euer Besuch wirdauf eine Stunde begrenzt.«

Er salutierte, ich nickte, und der Wagen ruckte an.Vor einem Turmbau stiegen wir aus. Wir warenangekommen.

*

Marshalls Gesicht hatte sich verfärbt. Die Bräune,die durch das Bio-Haar besonders zur Geltunggekommen war, war einem grauen Farbton gewichen.Ich hatte sein Handzeichen verstanden. Es wargefährlich, Epetrans Bewußtseinsinhalt belauschenzu wollen. Fast war mir, als hätte der Telepathmitteilen wollen, der Wissenschaftler hätte dieBemühungen bemerkt.

Sollte das zutreffen, dann war Epetrans eiserneSelbstbeherrschung bewundernswert. Er hatte unsfreundlich empfangen. Er war ein hochgewachsenerArkonide mit schlohweißen Haaren, die bis auf seineSchultern niederhingen. Nie hatte ich einen Mann miteiner so hohen Stirn und so einem klugen Blickgesehen.

Als wir eingetreten waren, hatte sich dieser Blickverdunkelt. Ich hatte das Gefühl gehabt, als hätte unsder Große Rat innerlich zum Tode verurteilt. Dannwar - seltsamerweise - das Drohende verschwunden.

Mein Vortrag hatte zwei Stunden gedauert. SeineFragen hatten mein technisches Wissen erschöpft.Epetran hatte schon nach wenigen Augenblickenverstanden, in welcher Weise dieAbweichungsberechnungen vorgenommen werdenmußten, um die Sekundärsprünge schneller undzielgenauer gestalten zu können. Aus derarkonidischen Geschichte ging hervor, daß er kurzvor seinem Tode wesentliche Verbesserungeneingeführt hatte. Wenn mich nicht alles täuschte,hatten wir, die Besucher aus der Zukunft, denAusschlag dafür gegeben.

Auch Rhodan und Marshall waren zu Wortgekommen. Bei dieser Gelegenheit hatte es derTerraner gewagt, auf das Prinzip des linearenHalbraumfluges Bezug zu nehmen.

Epetran war jetzt noch fasziniert Er schien Perrymit seinen Blicken durchdringen zu wollen. Seinetiefe Stimme vibrierte vor innerer Spannung, wenn erFragen stellte.

Wir befanden uns in einem physikalischen Labor,dessen Einrichtungen auf eineProgrammierungsstation hinwiesen. Wir waren vonGeräten und Maschinen umgeben. Epetran hattetatsächlich keinen Galaempfang beabsichtigt.

Als Rhodan zu meiner Erleichterung auf weitereHinweise verzichtete und den Unwissendenhervorkehrte, zeigte der Greis wieder sein stillesLächeln. Er trug die Montur der praktisch tätigenWissenschaftler. Nur das Symbol des Großen Rateswies auf seinen Rang hin.

»Ich danke Euch, Major Telater. EureAusführungen waren interessant. Für uns dürfte esvorteilhafter sein, vorerst auf die Vorschläge EuresKommandanten einzugehen und die erprobtenTriebwerke zu verbessern. Ihr werdet von mir hören.Wie lange bleibt Ihr auf Arkon III?«

Ich fühlte mich angesprochen. Er sah mich voll an.»Auf alle Fälle bis zur Überholung meines

Kreuzers, Erhabener. Danach werde ich neue Befehleerhalten.«

Er nickte sinnend und meinte: »Seid Ihr mit derKampfkraft Eures Kreuzers zufrieden?«

»Sie dürfte besser Sein, Erhabener.« Diesmalverschloß sich seine Miene.

»Die Bewaffnung der SOTALA ist optimal.«»Sie dürfte bald nicht mehr ausreichend sein,

Erhabener. Die Feinde des Imperiums schlafen nicht.Ich bitte Euch, mir ein offenes Wort zu erlauben.«

»Natürlich, wie Ihr meint. Ich kenne keingalaktisches Volk, das in der Lage wäre, unsereFlotte zu schlagen.«

»Ich dachte mehr an dieEntwicklungs-Intelligenzen, Erhabener. Niemandweiß, was die Zukunft bringt.«

Er erhob sich. Damit waren wir verabschiedet.Seine letzten Worte machten mich hellhörig.

»Das Imperium wird mächtige Freunde finden,wenn wir nicht mehr sind. Dann kommt es darauf an,die rechten Maßnahmen zu treffen.«

Wir gingen. Der alte Mann blieb inmitten seinerMaschinen zurück und sah uns nach. Marshall schrittzuerst hinaus. Ich folgte ihm. Dann vermißte ichRhodan. Als ich mich umdrehte, sah ich ihnhochaufgerichtet im Saal stehen. Seine und EpetransBlicke schienen ineinander verschmolzen zu sein.

Marshall seufzte unterdrückt, als wir PerrysAbschiedsworte hörten:

»Ganz gewiß wird das Imperium einmal Freundefinden, Erhabener. Man wird sich an Euch und anEure genialen Leistungen erinnern.«

Er salutierte und kam nun endlich auf den Gang.Das Schott schloß sich.

»Mußte das sein?« zischte ich wütend. »Ich habeohnehin das Gefühl, als hätte er uns durchschaut.«

»Ich auch«, antwortete er tonlos. »Soll er vonmeiner Erklärung halten, was er will.«

»Ruhe!« flüsterte der Telepath. Weiter vorntauchten zwei Soldaten der Wache auf. Meine Handberührte den Griff der Dienstwaffe. Wir wurdenjedoch nur darauf aufmerksam gemacht, daß wir

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unsere Sprechzeit weit überzogen hätten. Es wäreungehörig, einen Mann wie Epetran durchhartnäckige Befragung zu einer Verlängerung zuzwingen.

Ich erinnerte mich an die Gastlichkeit meinesVolkes. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruckgewonnen, als hätte sich der Greis zu einer so langenUnterredung nötigen lassen. Fraglos hätte er uns aufdie Minute genau entlassen, wenn er uninteressiertgewesen wäre.

Ich entschuldigte mich bei dem Wachoffizier, deruns ungnädig entließ. Eine halbe Stunde späterbetraten wir wieder die Zentrale der SOTALA.

»Keine besonderen Vorkommnisse, Sir«, meldeteMajor Heintz.

Draußen ging die Sonne auf. Ich fragte mich, wannEpetran einmal schliefe. Rhodan schaute auf die Uhr.Nach der Umrechnungstabelle mußte der 14. Februarangebrochen sein.

»Morgen, um zwölf Uhr, explodiert die Bombe«,sagte er mit seltsamer Betonung. »Gucky und RasTschubai, fertigmachen zum Einsatz. Marshall IhrGesicht ist noch immer grau. Was war los?«

Der Telepath schaute uns aus stumpfen Augen an.Seine Worte erschütterten unser Selbstvertrauen.

»Epetran weiß vermutlich, wer wir sind und woherwir kommen. Wir sind kurz nach unserem Eintretenauf parapsychischer Ebene getestet worden. Sie undAtlan waren für eine halbe Minute besinnungslos. Ichkonnte Widerstand leisten. Ich weiß jedoch nicht, obes Epetran gelungen ist, Ihre Psychoblöcke zudurchschlagen. Bei Atlan halte ich es fürausgeschlossen. Wie steht es aber mit Ihnen, Sir?«

Rhodan setzte sich. Sprachlos sah er den Chef desMutantenkorps an.

»Besinnungslos? Irren Sie sich auch nicht?«»Auf keinen Fall, Sir. Ich war wach. Sie und Atlan

schliefen mit offenen Augen. Wahrscheinlich erfolgtjetzt die Auswertung des aufgenommenenParapsychogramms. Ich rate dringend, die Bombesofort im Robotsystem zu verstecken und dieseZeitepoche zu verlassen.«

Ich blickte unwillkürlich auf die Bildschirme.Draußen landeten und starteten die Raumschiffemeines Volkes. Mannschaftsfahrzeuge überquertendas Gelände. Niemand näherte sich der SOTALA.

Rhodan schaltete die Rundrufanlage ein.»An alle. Gefahrenstufe eins. Es ist möglich, daß

wir angegriffen werden. In diesem Falle ist derZeitwandler abzuschalten. Wenn wir unverhofft indie Jetztzeit eintauchen sollten, werden wir uns nahedem Regenten und seiner Robotflotte befinden.Eröffnen Sie das Feuer ohne vorherige Rückfragen.Funkzentrale: Notruf an Flotte vorbereiten, klar zumAlarmstart. Das ist alles, danke sehr.«

Er schaltete ab. Die Ausrüstungsspezialisten

erschienen mit terranischen Kampfkombinationen.Sie waren den arkonidischen Erzeugnissen ausEpetrans Epoche weit überlegen. Die Energieschirmewaren stärker und die Deflektorprojektoren vollendet.

Gucky und Ras Tschubai meldeten sich. Wirwaren klar zum Sprung. Zwei Waffentechnikerbrachten die Bombe. Der Uran-Zünder lief bereits.Die Halbwertszeit-Uhr würde in 6023 Jahren denImpuls geben. Mercant wurde nervös. »Ich halte esfür unklug, wenn die führenden Männer beiderImperien ihr Leben aufs Spiel setzen. Da wir am 10.Februar unsere Eigenzeit verlassen haben, könnenwir nicht feststellen, ob Sie am 14. Februar nochgelebt haben. Das wäre heute nach Jetztzeit.«

»Machen Sie mich nicht ganz konfus, Mercant«,entgegnete Rhodan mit einem humorlosen Verziehenseiner Lippen. »Ebenso gut könnte ich behaupten,niemals gelebt zu haben. Das wäre doch so, wenn mirjetzt etwas geschehen wäre, oder?«

Mercant sah sich hilflos nach Professor Kalup um.Der Wissenschaftler sagte nichts. Er studierte die aufMikrotonband festgehaltenen Worte Epetrans.

»Er sprach orakelhaft«, behauptete Kalup. »Wennman zwischen den Zeilen liest, lassen sich allerleiSchlüsse ziehen. Warten Sie, bis die Auswertungvorliegt. Auf Anhieb kann ich nichts beweisen.«

»Abgelehnt. Wir springen. Die Bombe muß insInnere des Regenten. Fertig, Atlan?«

Ich nickte Rhodan zu. Auf die Druckhelme hattenwir verzichtet. Es gab überall atembare Luft. Ichzeigte den Teleportern nochmals den abgelegenenEnergieraum, in dem ich zu operieren wünschte. Ichkannte ihn aus meiner Zeit als Imperator. Ich hattedas System jederzeit betreten können. Dann sprangenwir.

7.

Die Wiederverstofflichung erfolgte in einemmittelgroßen Raum. Er enthielt einenNotstromreaktor mit angeschlossenerUmformerbank. Weiter links war die Steuerschaltungmontiert und durch armdicke Kabel mit dem Reaktorverbunden worden.

Hochdruckleitungen führten durch die thermischglasierten Felswände in einen Nebenraum, der dieTanks mit dem katalysierten Reaktionsstoff enthielt.Dort standen auch die Sosatorpumpen, derenAufgabe es war, die Leistung des Reaktors durcheine mehr oder weniger große Einspritzmenge zuregulieren.

Ich wußte, daß der Notstrommeiler niemalsbeansprucht worden war. Ich hatte ihn bei meinenzahlreichen Inspektionsgängen gefunden und amZählwerk festgestellt, daß man ihn nie benutzt hatte.

Der Bauart entsprechend, stand das Gerät auf

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einem schulterhohen Fundamentsockel ausPanzerplast. Ein Reparaturluk unterbrach die eineWandung. Durch den dahinterliegenden Gang konnteman zur Säuberungsöffnung der Reaktionszonekriechen. Dieses Luk war ebenso wenig benutztworden, wie das Stromaggregat. Hier war der Platzfür unsere Bombe; hier konnte sie ungestört sechsJahrtausende liegen und auf den Impuls desUran-Zündwerks warten.

Gucky suchte die umliegenden Säle ab. Erentdeckte einige Techniker, dieRoutineuntersuchungen vornahmen. Einzelne Relaiswurden überprüft.

Der Bau des Riesenrobots hatte Jahrtausendegedauert. Der Reaktorraum, in dem wir uns nunbefanden, mußte vor etwa zwanzig Jahreneingerichtet worden sein. Installationsarbeitenerfolgten in diesem Sektor nicht. Es konnte nurgeschehen, daß wir von einem Kontrollteamaufgespürt wurden.

Ich schaltete das Deflektorfeld ab. Der Raumwurde von einer ewig brennenden Notlampeerleuchtet. Wir warteten, bis sich unsere Augen anden schwachen Schein gewöhnt hatten.

Es war warm. Der Kampfanzug wurde lästig. Ichwagte es aber nicht, die Klimaanlage anzuschalten.Es war wegen der Ortungsgefahr besser, wenn derMiniaturreaktor überhaupt nicht zur Leistungsabgabegezwungen wurde. Seine Reststrahlung war schonauffällig genug.

Gucky kam von einem weiteren Sprung zurück.Ras Tschubai stand an der verschlossenen Stahltürund lauschte nach draußen.

»Alles in Ordnung«, hauchte der Kleine. Ängstlichsah er sich um. »Außer den Technikern ist niemandda.«

»Fast etwas zu einfach, wie?« meinte Rhodan.Ich dachte an Epetran und an Marshalls

Behauptungen. Wenn uns der Gelehrte durchschauthatte, so verhielt er sich sehr seltsam. Warum löste erkeinen Alarm aus? Oder ahnte er nicht, was wirbeabsichtigten? Hatte er uns als hochinteressanteBesucher aus der Zukunft angesehen, die ihmbestimmte Erkenntnisse vermitteln wollten?

Nein - Epetran war zu klug, um nicht auf denGedanken zu kommen, wir wollten sein Lebenswerkzerstören. Wollte er sich das gefallen lassen?

Ich war ratlos. Schließlich teilte mir meinExtrahirn mit, Epetran hätte zwar unsere Herkunfterraten, unseren Bewußtseinsinhalt aber nichtenträtseln können. Er sei auf die ungenauenMeßergebnisse von Maschinen angewiesen.

Die Auskunft erleichterte mich. Auf alle Fällewaren wir bisher nicht gestört worden. Niemandschien, uns hier unten zu vermuten. Über uns lagenetwa tausend Meter gewachsener Fels. Die wenigen

Zugänge wurden streng bewacht. Die Posten würdennur hereinkommen, wenn sie einen Hinweiserhielten. Das war offenbar nicht geschehen, oderman hätte längst nach uns gesucht.

»Worauf wartest du?« riß mich Rhodans Stimmeaus meinen Gedanken. Ich erkannte verblüfft, daßmir der Terraner mißtraute. Seine verengten Augenverrieten seine Gefühle. So schaute er andereIntelligenzen immer an, wenn der Argwohn in ihmerwacht war.

»Terranischer Halbwilder«, sagte ich erbost. »Jetztmeinst du wohl, ich würde im letzten Momentzurückschrecken, wie? Du lernst es auch nie!«

Der Chef über das Solaren Imperiums grinsteplötzlich wie der jüngste Raumkadett. Gucky zeigteseinen Nagezahn.

»Er ist wieder einmal typisch menschlich, oder?«Ich löste die zylinderförmige Bombe aus den

Traggurten. Rhodan hielt sie, während ich dasReparaturschott öffnete. Ich kroch hinein, ließ mirden Sprengkörper reichen und klebte ihn mit einemSoforthafter an die Stahlplastikwand.

Eine Überprüfung erübrigte sich. Die Waffe warversiegelt. Es gab nichts mehr nachzusehen.

Zögernd verließ ich den Gang und schloß das Luk.Gucky lauschte mit seinen telepathischen Sinnen aufHirnimpulse.

»Fast zu schön, um wahr zu sein, Sir«, meinte RasTschubai. »War das alles?« Ich nickte. »Alsospringen wir zurück«, ordnete Perry an.»Sechstausend Jahre können wir nicht warten« Erversuchte zu lächeln, aber es mißglückte. Gucky liefauf mich zu. Ich nahm ihn auf die Arme, da wir indieser Haltung am besten teleportieren konnten.

»Wird der Reaktor auch bestimmt nichtüberprüft?« erkundigte sich Rhodan nochmals. DieFrage war schon oft gestellt worden. Ich konnte keineandere Auskunft geben, als die, daß der Meilerniemals gebraucht worden war. Die Hauptaggregatehatten nicht versagt.

Ich erkannte zu spät, warum Ras plötzlich stöhnte.Er und Rhodan standen einige Meter entfernt. Eheich begriff, warum sie sich zusammenkrümmten,wurde ich ebenfalls von einem qualvollen Schmerzüberfallen.

Gucky kreischte auf. Seine Glieder zuckten. Mirwar, als ränne flüssiges Feuer durch meine Adern.Ich ging in die Hocke und ließ den wimmerndenKleinen auf den Boden rollen.

Nach drei Sekunden war alles vorbei. Der Schmerzklang so unvermittelt ab, wie er gekommen war.

Rhodans Reaktion bestand darin, blitzschnell zurWaffe zu greifen. Mein umflorter Blick klärte sich.Ich wollte nach der Ursache fragen, aber da stöhnteRas erneut. Seine Augen glichen Steinkugeln. Ichdrehte den Kopf; da verstand ich!

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Der Notstromreaktor hatte sich verändert! Dieeben noch makellose Isolationsverkleidung warfleckig geworden. Hier und da zeigten sich Risse undandere Zerfallserscheinungen. Eine dickeStaubschicht lag auf dem Fußboden und den Geräten.

Ich sprang auf. Rhodan stand schon auf denBeinen. Gucky wälzte sich noch auf dem Boden.

»Wieso kann ein neuer Reaktor in drei Sekundenzu einem Schrotthaufen werden?« sagte Rhodan.Seine Stimme klang rauh. Ich verzichtete auf eineAntwort. Wir kannten sie beide.

»Das - das Zeitfeld«, stammelte Tschubai entsetzt.»Sir, wir sind aus dem Wandelfeld gekommen. DieMaschine hat versagt.«

Ich half Gucky auf die Beine. Sein Mausgesichtwar verzerrt.

»Das Feld ist weg«, bestätigte er. »Ich empfangeviele Impulse. Das sind Akonen. Wir sind wieder inunserer Zeit. Die Bombe ...!«

Ich fuhr herum und starrte auf das Schott, das icheben erst verlasset hatte. Eben erst? Perry beruhigteuns.

»Keine Aufregung. Wir haben die SOTALA am14. Februar verlassen. Länger als eine Stunde habenwir uns hier nicht aufgehalten. Wir haben nochzwanzig Stunden Zeit.«

Die letzten Worte wurden von einemnervenzermürbenden Geheul übertönt. Draußenliefen die Alarmsirenen an. Der Regent hatte unsgeortet Vor sechstausend Jahren war seineInnenkontrolle noch nicht aktiviert gewesen. Nunhatten wir uns wieder daran zu gewöhnen, daß erdurch die Umschaltung von A-1 entartet war.

Gucky hatte sich beruhigt. Ich nahm ihn erneut aufdie Arme. Rhodan klammerte sich an Ras Tschubaifest.

»Wohin?« fragte der Teleporter gefaßt Er wardaran gewöhnt, seinem Gegner auf paramentalerEbene zu entkommen.

Ich zögerte. Wohin sollten wir fliehen? Wenn derZeitwandler ausgefallen war, befand sich der Kreuzerebenfalls in der Jetztzeit. Das bedeutete ein Gefecht,das über kurz oder lang zur Vernichtung des Schiffesführen mußte. Eine andere Erklärung für unsereplötzliche Rückkehr in die Eigenzeit gab es nicht.Die Maschine mußte versagt haben! Ob zufällig odergewollt, war jetzt nebensächlich.

»Ziel ist die SOTALA«, entschied Rhodan. »Dannsehen wir weiter.«

Ich wartete auf den Entmaterialisierungsschock,aber er kam nicht. Gucky begann zu zittern. SeineAugen verschleierten sich. Ras Tschubai wankte.Rhodan hielt ihn fest. Ich fühlte, daß ich blaß wurde.»Gucky ...!«

»Antis - Antis sind in der Nähe«, erklärte er. »Ichkann mich nicht konzentrieren, sie absorbieren meine

Psikräfte. Atlan, ich kann nicht springen.«Tschubai bestätigte die Mitteilung. Ich fragte nicht

mehr lange. Wir wußten, daß die Akonen von denBaalol-Priestem unterstützt wurden.

Ich zerrte das Minikomgerät aus dem Kampfgürtelund schaltete es ein. Mein Notruf erfolgte auf derHyperfrequenz der Flotte. Der Wabenenergieschirmdes Robotgehirns konnte von schwach energetischenImpulsen durchdrungen werden. Wenn dieFunkspezialisten der SOTALA aufmerksam waren,mußten sie mich hören. Das setzte allerdings voraus,daß der Kreuzer tatsächlich in die Jetztzeitzurückgekehrt war.

Wir lauschten atemlos. Gucky nahm Hirnimpulseauf. Dann spürte er nichts mehr. Die Antis kamenalso auf uns zu.

Die SOTALA antwortete nicht. Dafür hörten wireine fremde Stimme. Es war eine Zeitansage inenglischer Sprache. Jemand sendete auf unsererFrequenz.

»IRONDUKE - es ist jetzt 11.43 Uhr, 15. Februar2106...!«

Die Durchsage wurde laufend wiederholt, nur dieTageszeit änderte sich. Ich erstarrte. Kaum fühlte ichRhodans Griff.

»Fünfzehnter Februar«, sagte Ras fassungslos.»Sir, die Bombe explodiert in siebzehn Minuten.«

»Die Tabelle ...«»Stimmte nicht«, unterbrach ich ihn. »Der

Wandler arbeitete nicht so genau wie angenommen.Freund, ich werde nervös.«

Er löste seine Hand von meinem Arm. Gucky gabbekannt, seine Paragaben wären völlig zum Erliegengekommen. Draußen warteten gnadenlose Gegner.Wir verständigten uns durch Blicke. An und für sichkonnte es uns gleichgültig sein, wodurch wir starben.Ein Strahlschuß mochte sogar unangenehmer sein alsdie sonnenheiße Glut einerFünfzig-Megatonnen-Explosion.

»Wir benutzen den Nebengang. Fertig?«Wir schalteten unsere Individualschirme ein. Sie

waren stark genug, um die Entladung einerHandfeuerwaffe absorbieren zu können.Robotbeschuß wurde jedoch schon gefährlich. DieDeflektorschirme machten uns unsichtbar. Ich zogdie Absobrille über die Augen. Da konnte ich dieGefährten wieder sehen.

Ras öffnete das Notschott im Hintergrund derHalle. Ein schwach erleuchteter Gang wurdeerkennbar. Noch war niemand zu erspähen.

Der Hypersender der IRONDUKE funkte immernoch die Tageszeit. Es war jetzt elf Uhrsechsundvierzig.

8.

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Die Deflektorschirme wurden mechanisch erzeugt.Auch den Antis gelang es nicht, die lichtablenkendenEnergielinien mit Hilfe ihrer mentalen Fähigkeiten zuorten.

Es war unsere einzige Chance gewesen, doch dannerschienen akonische Techniker mit Energieortern,die auf unsere Mikroreaktoren ansprachen. Dievielgerühmten Absorberisolationen der Terranererwiesen sich als nutzlos. Es ließ sich nicht leugnen,daß die Akonen über eine weiter entwickelte,ausgereifte Technik verfügten.

Arkoniden waren nicht zu sehen; ein Zeichendafür, daß die Eindringlinge aus dem Blauen Systemzur offenen Unterwerfung übergegangen waren.

Wir befanden uns in einem langgestreckten Saal,den ich nie zuvor betreten hatte. Über das Labyrinthder Gänge und Räume konnte man sich nur danneinen Überblick verschaffen, wenn man Lageplänebesaß. Unsere Orientierung wurde durch dieverschiedenartigen Ebenen noch erschwert. VieleHallen wurden zwei- bis dreifach vonZwischendecken unterteilt.

Ich lag hinter einem Sammelrelais, von dem starkeKabel zu anderen Schaltungen führten. Das Summenunter den Verkleidungsblechen zeugte davon, daß derRegent mit voller Leistung arbeitete. Er schiensämtliche Nebenabteilungen eingeschaltet zu haben.

Die Beleuchtung war mangelhaft. Wir konnten diehuschenden Schatten der Angreifer kaum sehen,zumal Tausende von Kontrollampen ständigaufglühten und wieder erloschen. Die Blendwirkungwar unangenehm.

Rhodan kauerte wenige Meter entfernt hinter demSockel eines Umformers. Das Brummen des Geräteserlaubte ein Flüstern.

Ich bemerkte, wie der Terraner seinen schwerenImpulsstrahler an die Schulter zog. Wir hatten unsereGürtelwaffen noch nicht benutzt. DieAnti-Schutzschirme waren infolge ihrer mentalenStrukturaufladung kaum zu durchschlagen. Dieneuartigen Kombilader zur Bekämpfung des Baalolshatten wir nicht mitgenommen. Niemand hatte damitgerechnet, gegen die Unheimlichen kämpfen zumüssen.

Ich erblickte eine Gestalt am Ende des Ganges.Ihre Körperformen schienen zu zerfließen; einBeweis dafür, daß der Götzenpriester seinenAbwehrschirm voll aktiviert hatte. Es war sinnlos,ihn unter Feuer zu nehmen. Ich schaute auf die Uhr.Ich hatte sie nach der Zeitansage einreguliert, umstets zu wissen, wann der Augenblick gekommenwar. Der Toleranzwert der terranischenHalbwertszeit-Zünder lag bei plusminus dreiMinuten.

Jetzt hoffte ich auf einen Versager, der aberniemals eintreten würde.

Ein Dröhnen riß mich aus meinen Überlegungen.Ras Tschubai hatte geschossen. Die Glut einesThermostrahls hellte die Düsternis auf. Jemand schriegellend. Hinter einem zerberstenden Gerät taumelteein Akone hervor.

Ich schoß nicht, obwohl er anscheinend nurverletzt war. Zwei Antis zogen ihn in die Deckungeiner Speicherbank zurück.

Ras wechselte die Stellung. Die grünlichenWaffenstrahlen des Gegners schlugen lautlos ein. Wosie auftrafen, verwandelte sich das Material zu Staub.

Der Regent gab wieder Alarm. Immer, wenn einTeil seiner Einrichtungen zerstört wurde, begannenneue Sirenen zu heulen.

Rhodan sprang über den Gang und warf sich nebenmir auf den Boden.

»Zurück zur Zwischentreppe, wir gehen nachoben«, sagte er. »Fertig?«

Ich winkte Gucky und Ras zu. Dann rannten wirlos. Im gleichen Augenblick wurde meine bisherigeDeckung von einem Desintegratorstrahl getroffen.Die Schaltung zerplatzte. Meterlange Blitze zucktenunter den Verkleidungsblechen hervor.

Das Heulen der Sirenen steigerte sich. In ihremGetöse konnten wir uns gerade noch verständigen.Vor uns tauchte die Treppe auf. Rhodan schrie unszu, wir sollten vor dem Aufstieg nochmals inDeckung gehen. Wir befolgten seinen Zuruf.

Die Kampftaktik hatte sich in wenigen Minutenherauskristallisiert. Wir mußten einen Feuerüberfallwagen und dann sofort die Stellung wechseln. Esdauerte immer einige Zeit, bis uns die Ortungsgeräteder Akonen wieder aufgespürt hatten.

Eigentlich - so überlegte ich - hatten wir eine guteChance, solange der Gegner nicht auf die Idee kam,seine Abwehr ausschließlich auf unserMündungsfeuer zu richten. Dazu war es erforderlich,daß er feinen Frontalangriff startete und mitzahlreichen Schützen im Hinterhalt lauerte.

Wir waren dann auf einen Fleck festgenagelt, under konnte sich blitzschnell auf den Ausgangspunktunserer Waffenstrahlen einschießen. Ich wußte, daßes nicht lange dauern konnte, bis die Akonenfolgerichtig handeln würden.

Wir verständigten uns durch Handzeichen. Guckydeutete an, daß wir umzingelt waren. Im Hintergrundder Halle tauchten die Kampfroboter des Regentenauf. Sie schienen über Funk auf unsere Stellungeneingewiesen zu werden. Möglicherweise konnten sieuns auch orten. Es war mir in diesen Augenblickengleichgültig.

Rhodans Hand ruckte nach unten. Wir begannengleichzeitig zu schießen. Ich hielt wahllos auf dieEinrichtungen des Robotgehirns, sprang einige Meterweiter und feuerte erneut.

Das Tosen unserer Energiewaffen übertönte den

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Sirenenlärm. Unersetzbare Schaltanlagenexplodierten. Bruchstücke flogen durch die Luft undbeschädigten andere Geräte.

Nach dem Überfall setzten wir alles auf eine Karte.Als unsere verlassenen Stellungen angegriffenwurden und die Qualmwolken die Sicht vernebelten,flogen wir mit Hilfe der Antigravgeräte in die Höhe.

Ich justierte den Schwerkraftabsorber, drückte dieHandflächen gegen die Decke und kroch wie eineFliege auf den Treppendurchbruch zu.

»Stopp!« schrie Rhodan. Ich stemmte die Füßegegen das Geländer, zog sie jedoch zurück, als diegewendelte Treppe von Kampfrobotern unter Feuergenommen wurde. Wir hielten uns an einigenKühlrohren fest, um von den Druckwellen nichtabgetrieben zu werden.

Glühende Trümmerstücke prasselten neben unsgegen das Material. Anstelle der Treppe entstand einblasenwerfender Kunststofffladen.

Unsere Abwehrschirme reflektierten die Hitze. Wirhuschten durch das Luk und schwebten sofort wiederempor.

Augenblicke später hingen wir an der Decke desanderen Raumes. Eine Etage tiefer schien es zueinem Irrtum gekommen zu sein. Das Dröhnen derRoboterwaffen nahm kein Ende. Stickige Gaseschossen aus der Bodenöffnung hervor.

»Sie nehmen die Antis unter Feuer«, schrie Ras.»Wohin? Wir haben eine Verschnaufpause.«

»Von nun an fliegen wir«, brüllte ich zurück.»Man hat noch nicht entdeckt, daß wir schwebenkönnen. Vorwärts. Seht euch nach weiterenDeckenöffnungen um. Irgendwo muß es einenAusweg geben. Nicht schießen, bis wir untergezieltes Feuer genommen werden. Es kann sein, daßman uns durch pausenlose Schüsse zur Preisgabeunserer Stellung verlocken will.«

Gucky entdeckte das nächste Luk. Wieder führteeine Kunststofftreppe nach oben.

Wir glitten hindurch und gelangten in einendomartig gewölbten Saal, der die Speicherzentralefür eine Nebenstation enthielt. In den Bänken warenviele Milliarden Daten abrufbereit aufgezeichnet.

Als wir glaubten, einigermaßen in Sicherheit zusein, wurden wir wieder geortet. Gucky vernahmeinige Hirnimpulse, die aber sofort wieder erloschen.Die Antis waren überall. Sie schienen darum bemühtzu sein, die Fähigkeiten unserer Mutantenauszuschalten.

Dann waren wir endgültig gefangen. Überalltauchten Kampfroboter und Akonen auf. Zu diesemZeitpunkt sah ich wieder auf die Uhr. Es war vierMinuten nach zwölf am 15. Februar 2106.

Die Zeitansage der IRONDUKE konnten wir nichtmehr hören. Ein Störsender war auf die gleicheFrequenz geschaltet worden. Im Lautsprecher meines

Minikoms war nur noch ein Pfeifen zu vernehmen.Wir ließen uns nach unten sinken und gingen

hinter einem Maschinensockel in Stellung. Rhodanhing seine Waffe resignierend über die Schulter.Dann schaute er starr auf meine Uhr.

Die Explosion mußte jeden Augenblick erfolgen.Weiter vorn schoß jemand. Robotwaffen fielen ein.Wieder explodierten Maschinen. Wir achteten nichtmehr auf die Druckwellen.

Ein fürchterliches Tosen ließ michzusammenfahren. Ras warf sich auf den Boden undklammerte sich an dem Sockel fest. Wir warteten aufden Tod, aber er kam nicht. Das Geräusch wurdeimmer stärker. Dieses orkanartige Heulen war nichtidentisch mit einer atomaren Explosion. Es war, alshätte sich im Labyrinth des Robotregenten einHurrikan entwickelt.

Tschubais Gesicht war verzerrt. Rhodan hattemeine Schultern umspannt. Wir lauschtenangestrengt. Das Schießen war verstummt. Unter unsbebte der Boden. Hier und da fauchten Druckwellendurch die Panzerschotts der Zugänge. Der Regentöffnete sämtliche Tore.

Ich war fassungslos. Rhodan deutete nach vorn.Eine Stahlpforte schwang auf. Die Maschinen in demdahinterliegenden Raum glühten. Blitzentladungenzerstörten das Material.

Es war klar, daß der Regent vernichtet wurde,obwohl unsere Bombe nicht explodiert war. Wirschauten uns erstaunt an.

Gucky richtete sich auf. Er lauschte mitschiefgehaltenem Kopf. Dann schrie er uns zu:

»Ich empfange eine telepathische Nachricht. DieAntis sind tot, oder ziehen sich zurück.«

»Kannst du wieder teleportieren?« fragte Rhodan.Sein Gesicht hatte sich wieder gespannt. Ein FunkeHoffnung glomm in seinen Augen.

»Nein, noch nicht. Achtung, jemand nähert sich.Er sendet auf Paraebene. Wortlaut: Nicht schießen,ich komme als Freund. Immer wieder der gleicheWortlaut.«

Wenn auch in allen Abteilungen die Vernichtungwütete, so blieb es in unserer Halle still. KeineMaschine explodierte, nur erlosch das Summen derSpeicherbänke. Sie waren plötzlich tot.

In dem Verbindungsgang erschien ein seltsamerKörper. Es war ein Gelenkfahrzeug, das sich wie eineRaupe voranschlängelte.

»Der Sender!« rief Gucky erregt. Wir warteten, bisdas Gefährt vor uns anhielt. Die Seitenwand klaffteauseinander. In dem Hohlraum entdeckten wirSitzreihen. Ich erkannte, daß es sich um einInspektionsfahrzeug handelte. Dieses hier schien eineSpezialkonstruktion zu sein.

Ich zögerte nicht länger. Es war in dieser Situationohnehin gleichgültig, wohin wir uns wendeten. Ich

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betrat den Innenraum, setzte mich und wartete auf dieGefährten.

Das Luk glitt zu. Die Inspektionsmaschine warvollautomatisch. Vor uns leuchtete ein Bildschirmauf. Ich fuhr zusammen, als ich Epetrans Gesichterblickte. Sein Lächeln war ohne Falsch. AllesGeheimnisvolle war daraus verschwunden.Lautsprecher knackten. Epetrans Stimme war nichtzu verkennen.

»Dies ist eine Bandaufzeichnung, angefertigt nachdem Besuch seiner Erhabenheit, Imperator GonozalVIII. und des Solaren Administrators, Perry Rhodan.Es wird mir nicht mehr gelingen, das Prinzip einesZeitwandlers zu berechnen. Mein Leben ist begrenzt.Obwohl ich aus dem Psychoverhör entnommen habe,woher Ihr kommt und was Ihr beabsichtigt, habe ichmich nach dem Studium der Zukunft entschlossen,den Regenten dann zu zerstören, wenn er vonfremden Mächten beeinflußt wird und damit widerdas Interesse des Reiches handelt. Ich lege dasSchicksal des Großen Imperiums in Euer ErhabenheitHände.«

Epetran schwieg und neigte das Haupt. Ich begannzu verstehen. Rhodan war erblaßt.

»Die Meßergebnisse meines Spezialfahrzeugs, dasvon der SOTALA-Besatzung erkannt wurde, weisenaus, daß Ihr keine Gefahren und Schwierigkeitengescheut habt, um das Sternenreich im Sinne derAlten zu erhalten. Euer Gedankengut ist mir bekannt.Ich bin über die Situation in Eurer Zeitepocheinformiert. Wenn Ihr meine Stimme hört, werdet IhrEuch wieder auf Eurer Ebene befinden. Um denProzeß abzukürzen, habe ich nach Eurem Eindringendas Robotgehirn veranlaßt, die nachgeahmteSOTALA auf einen anderen Landeplatz zu bringen.Ich weiß, daß Euer Erhabenheit in Gefahr kommenwerden, aber ich habe keine bessere Lösunggefunden. Dieser Robotwagen ist ausschließlich dazubestimmt, Euch und Eure Begleiter in Sicherheit zubringen. Ich bedauere es schmerzlich, meinLebenswerk zerstören zu müssen. Ich habe mirerlaubt, die Zeitbombe aus dem Reaktorsockel zuentfernen. Dafür wurde das Robotgehirn mit einerzusätzlichen Sicherheitsschaltung versehen, die dannanspricht, wenn Ihr, der rechtmäßige Imperator mitWahrheit im Herzen, in Lebensgefahr kommensolltet. Dies ist geschehen, die Irrsinnsschaltungwurde soeben ausgelöst. Der Regent wird sich selbstvernichten. Ich danke für die Informationenbezüglich der neuen Sprungtechnik. Ich grüße diewahren Freunde des Imperiums. Was weiterhingeschehen wird, ist mir nicht mehr bekannt. Ichkonnte Euren Bewußtseinsinhalt nur bis zum Februar2106 verfolgen. Übernehmt das Erbe der Ahnen. Ichtat mein Bestes.«

Die Stimme verstummte, das Bild verschwand.

Beschwörend rief ich den Namen des Alten, aber ererschien nicht mehr. Rhodan rüttelte mich am Arm.Da fing ich mich wieder.

Jetzt wußten wir, was der Meßwagen bedeutethatte. Marshalls Mutmaßung war richtig gewesen.Rhodan und ich waren verhört worden, ohne, daß wires bemerkt hatten. Als wir uns von Epetranverabschiedet hatten, war er schon darüber informiertgewesen, was im Laufe der Jahrtausende geschehenwürde. Er war klug genug, den Regenten nicht vorherzu zerstören, da er damit den Gang der Geschichtebeeinflußt hätte. Dafür hatte er den 15. Februar alsStichtag gewählt.

Ich war erschüttert. Wir erkannten jetzt erst, wiegroß dieser Mann gewesen war. WelcherWissenschaftler aus Tutmors VI. Ära hatte soweitreichende Beschlüsse fassen können? Epetranhatte nichts übersehen. Wir, die Besucher aus derZukunft, waren von ihm anerkannt worden.

Die Verkettung der Gegebenheiten warsinnverwirrend. Wir, die Intelligenzen der Jetztzeit,mußten das Genie des Greises bewundern. Er hattemittelbar um sechstausend Jahre in die Zukunftgegriffen, um uns zu retten, als wir noch nicht geahnthatten, wie wir von Arkon III entkommen sollten.

Draußen dröhnte es immer noch. Der Wagendurchfuhr unbekannte Hallen, glitt in Antigravs nachoben und hielt schließlich in einerOberflächen-Panzerkuppel. Die Reise war beendet.

Wir stiegen aus. Die Stahlpforten waren weitgeöffnet. Vor uns lag der Zentralraumhafen, den wirin einer anderen Zeit betreten hatten. Von derSOTALA war nichts zu sehen. Epetran hatte sie aneinen anderen Ort bringen lassen. Mit wachsenderEntfernung waren wir aus dem Einflußbereich desWandelfeldes gekommen. Auch diese Maßnahmewar richtig gewesen, selbst wenn sie uns inLebensgefahr gebracht hätte. Anscheinend hatte derGreis aber die letzte Gewißheit gewinnen wollen.Wenn der Regent nicht von Akonen beeinflußtgewesen wäre, hätte er nicht die Selbstvernichtungausgelöst. Einen besseren Sicherheitsfaktor hätteEpetran nicht einbauen können, um nicht auf eineneventuellen Betrug hereinzufallen.

Auf dem Landefeld lagen Tausende vonRobotraumschiffen. Sie rührten sich nicht mehr.Unter uns grollte es immer noch. Die»Irrsinnsschaltung« mußte alle Abteilungen desRegenten auf einmal erfaßt haben.

Das bedeutete den totalen Ausfall der Robotflotte,der vom Regenten gesteuerten Abwehrfestung, derIndustrie, Versorgung und was der Dinge mehrwaren. Augenblicklich war das Imperium einSchrotthaufen ohne die geringste Verteidigungskraft.

Wir warteten im Schutz der Panzerkuppel. Hierund da brach der Boden auf. Unten explodierten

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Maschinen.Ich glaubte zu träumen. Das UnternehmenVerzweiflung war beendet. Die auf Arkon IIIweilenden Antis und Akonen hatten verloren. Ohneden Regenten waren sie hilfloser als zuvor.Rhodan rief die SOTALA an. Der Anruf wurdeprompt beantwortet. Die Besatzung war in dieJetztzeit zurückgekehrt. »Heintz spricht. Wir greifenein Akonenschiff an. Geben Sie uns anschließendPeilzeichen.«Minuten später dröhnte es in der Ferne. Ein dunklerPunkt blähte sich auf, um in einer sonnenhellenExplosion zu zerbersten. Die SOTALA wurdeebenfalls erkennbar. Sie senkte sich taumelnd auf denBoden zu, streifte ein Robotschlachtschiff und schlugdann auf. Die unteren Abteilungen brannten. DasSchiff mußte einen schweren Treffer erhalten haben.Rhodan schaute starr nach Westen, bis es in derAtmosphäre des Planeten zu tosen begann. Dieterranischen Superschlachtschiffe erschienen zuerst.Mit ungeheurer Wucht griffen sie die Raumschiffeder Akonen und Antis an.Eine Stunde später wimmelte es auf demZentralraumhafen von terranischen Landetruppen.Wir wurden nach einem Funkanruf von Bullypersönlich abgeholt.Das tollkühnste Unternehmen der neuerenGeschichte war beendet. Terras Flotte kreiste imArkonsystem. Jeder Widerstand wurde zerschlagen.Die arkonidischen Verwaltungsbeamten wurden ihrerÄmter enthoben, Akonen und Antis verhaftet. Es wareine unblutige Eroberung gewesen. Wenn der Regentnoch existiert hätte, wäre es fraglos zurVernichtungsschlacht gekommen.Zwanzigtausend lahmliegende Roboteinheiten warenvon terranischen Raumfahrern besetzt worden. GroßeTeile der Flotte stießen bereits in den Raum vor, umdie dort postierten Regentenschiffe ebenfalls zuentern.Wir standen vor dem ausbrennenden Wrack derfalschen SOTALA. Zweiundachtzig Terraner warengefallen. Auris von Laa-Toor und die vier akonischenWissenschaftler gehörten ebenfalls zu den Toten.Ich vermied es, Perry anzusprechen. Mit Auris hatteer die zweite Frau verloren, obwohl sie noch nichtoffiziell die seine gewesen war.Der Zeitwandler war von dem Wirkungstreffervernichtet worden. Ich war zutiefst erleichtert, als unsdiese Nachricht überbracht wurde. Die unheimlicheMaschine konnte nun nie mehr eingesetzt werden.Der Kommandeur der auf Arkon I gelandetenEinheiten gab über Interkom durch, der wahnsinnigeImperator Carba sei im Gefecht mit denRobotwachen des Kristallpalastes gefallen.

Ich achtete kaum auf die Mitteilung. Die von derSOTALA ausgehenden Hitzewellen versengtenmeine Haare. Wir warteten lange, bis der Chef desBergungstrupps bedauernd die Schultern hob. VonAuris und den Akonen war nichts mehr gefundenworden.Zusammen mit Perry ging ich auf die IRONDUKEzu. Nur John Marshall begleitete uns. Ich hatte ihmkurz den Wortlaut von Epetrans Nachricht mitgeteilt.Er hatte nur genickt.Jefe Claudrin stand in der Mannschleuse. ReginaldBull war bereits gestartet, um die Wachkreuzer derarkonidischen Heimatflotte einzufangen. Von nun anwar Terra stark, stärker als jemals zuvor.Ich verzichtete darauf, in diesen Augenblicken zufragen, welche Stellung ich zukünftig einnehmensollte. Wahrscheinlich würde ich das schwererschütterte Reich übernehmen müssen.An die bevorstehenden Revolten auf denKolonialplaneten durfte ich nicht denken. Die Zeitwürde lehren, ob Terra und Arkon zu einer Einheitverschmolzen werden konnten.Rhodan zog sich in seine Kabine zurück. Wir bliebenunter dem mächtigen Kugelrumpf der IRONDUKEstehen. Major Heintz kam vorüber. Ich machte ihmkeine Vorwürfe wegen seiner Angriffe auf diefliehenden Akonen.»Es tut mir leid, Sir«, sagte er. »Kann ich IhnenAuskünfte geben?«»Ja! Wann erhielten Sie den Verlegungsbefehl?«»Etwa vierzig Minuten nach dem Beginn desEinsatzes. Wir wurden von zwei Schlachtschiffenflankiert. Ein Antigravtender schleppte uns ansandere Ende des Platzes. Es wäre sinnlos gewesen,den Wandler abzuschalten. Wir wußten nicht, ob Siedie Bombe schon gelegt hatten oder nicht.«»Danke, mehr wollte ich nicht wissen. Sie sollteneinen Arzt konsultieren.«Er salutierte und ging. Ich überblickte nochmals denRaumhafen. Mehr als fünfhunderttausend Terranerwaren mit den Transportern angekommen. Nunbestiegen sie die Schiffe des Imperiums. Wer hättedas gedacht, als ein Mann namens Perry Rhodan imJahr 1971 mit einer primitiven Rakete zum irdischenMond flog?Ich ging ebenfalls. Es wurde Zeit, demSchlafbedürfnis nachzugeben. Als ich die Augenschloß, dachte ich an den Großen Rat Epetran. Erhatte das Imperium gerettet, nicht ich.

E N D E

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Der Robotregent wurde durch die von Epetran eingebaute »Irrsinnsschaltung« zerstört und größeres Unheilfür die bewohnten Welten der Milchstraße vermieden.Nach dem Ausfall der gigantischen Positronik zeigt es sich aber ganz eindeutig, wie prekär die Situation in derMilchstraße geworden ist. Sämtliche Sternenvölker machen Jagd auf die durch den Ausfall des Regentenparalysierten Roboteinheiten - und noch eine andere Gefahr taucht auf: DIE SCHATTEN!

DIE SCHATTEN GREIFEN AN

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