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Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land Eine Untersuchung am Beispiel der in Deutschland lebenden syrischen Autoren Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Arabistik am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin vorgelegt von Arig Saleh Berlin 2011

Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

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Page 1: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch-land

Eine Untersuchung am Beispiel der in Deutschland lebenden syrischen Autoren

Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der

Arabistik am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien

Universität Berlin

vorgelegt von Arig Saleh

Berlin 2011

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Erstgutachterin: Prof. Dr. Angelika Neuwirth Seminar für Semitistik und Arabistik Freie Universität Berlin Altensteinstr. 34 14195 Berlin Zweitgutachter: Dr. Andreas Pflitsch Seminar für Semitistik und Arabistik Freie Universität Berlin Altensteinstr. 34 14195 Berlin Tag der Disputation: 08.12.2010

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Danksagung

Allen, die durch ihren Rat und Hilfe zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle aufrichtig danken. Besonderer Dank ge-hört meiner Doktormutter und Betreuerin, Frau Professorin Dr. Angelika Neuwirth, die mit großem Vertrauen mein Forschungsprojekt begleitete. Mein Dank richtet sich auch an Herr Dr. Andreas Pflitsch der als Zweitgut-achter meiner Doktorarbeit betreut hat. Ich möchte der Tischreen Universität in Syrien meinen Dank aussprechen, dass sie mir mit einem Stipendium eine finanziell sorgenfreie Promotionszeit ermöglicht hat. Der Freien Universität in Berlin danke ich für die Möglich-keit, am Institut für Arabistik meine Promotion zu realisieren. An diese Stelle möchte ich meinen Eltern danken, die mich in meiner akade-mischen und persönlichen Entwicklung stets unterstützt und bestärkt haben. Meinen Geschwistern danke ich für die unermüdliche Unterstützung während dieser Jahre. Sie haben mich in allen Umbrüchen und Veränderungen gestärkt und mir vieles ermöglicht, was ohne ihre Hilfe undenkbar gewesen wäre. Berlin, den 03.08.2010 Arig Saleh

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I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

1 Einleitung ............................................................................................ 6

1.1 Frühe Rezeption arabischer Literatur vor 1950 ......................................... 6

1.2 Entstehung der Migrationsliteratur in Deutschland.................................. 11

1.3 Gegenstand der Arbeit ........................................................................... 18

1.4 Aufbau der Arbeit .................................................................................. 24

2 Migrationsliteratur: Definitionen und Konzepte ............................ 26

2.1 Die Etablierung der Migrationsliteratur .................................................. 26

2.2 Die literarischen Anfänge der Immigranten ............................................. 32 2.2.1 Die italienischen Schriftsteller ................................................................. 32 2.2.2 Die türkischen Schriftsteller ..................................................................... 34

2.3 Die Akzeptanz arabischer Autoren und die Entwicklung der Rezeption arabischer Literatur .......................................................................................... 39

2.4 Die Entwicklung der deutschen Rezeption deutschsprachiger Migrations-literaur ............................................................................................................. 44

2.5 Die Rolle der Literaturpreise in der Rezeption – Adelbert-von-Chamisso-Preis………. .................................................................................................... 46

3 Die wissenschaftliche Rezeption der Migrationsliteratur ............... 50

3.1 Die italienischen Schrifsteller ................................................................. 51

3.2 Die türkischen Schriftsteller ................................................................... 53

3.3 Die griechischen Schriftsteller ................................................................ 54

3.4 Die arabischen Schriftsteller .................................................................. 55

3.5 Die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen ...................................... 60

4 Die Rezeption arabischer Migrationslieratur .................................. 62

4.1 Die öffentliche Wahrnehmung arabischer Literatur ................................. 62 4.1.1 Die arabische Präsenz in den literarischen Vereinen in den 80er Jahren - Südwind und Polynationaler Literatur- und Kunstverein ......................................... 62

4.2 Die Problematik der Rezeption arabischer Literatur ................................ 67 4.2.1 Exotismus und Folklore ........................................................................... 67 4.2.2 Die orientalischen Märchen ..................................................................... 77

4.3 Aspekte der Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen Autoren . 79 4.3.1 Die erzählende Literatur .......................................................................... 81 4.3.2 Die realistische Prosa ............................................................................... 91 4.3.3 Die Satire ................................................................................................. 97 4.3.4 Die Lyrik ............................................................................................... 100

Page 5: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

4.4 Die Rezeption der auf Deutsch schreibenden arabischen Schriftstellerinnen …………………………………………………………………………105

4.4.1 Die Präsenz arabischer Frauenliteratur in Deutschland .......................... 105 4.4.2 Die Rezeption arabischer Schriftstellerinnen in Deutschland .................. 111 4.4.3 Die Wahrnehmung der auf Deutsch schreibenden Arabischen Schriftstellerinnen ................................................................................................. 113

5 Die deutsche Rezeption syrischer Schriftsteller ............................. 126

5.1 Der syrisch- deutschsprachige Roman .................................................. 126 5.1.1 Die arabische Erzählkunst...................................................................... 127

5.1.1.1 Die Erzählkunst zwischen Aussterben und Wiederbelebung ............... 130

5.2 Zur deutschen Rezeption Rafik Schamis ............................................... 133 5.2.1 Biographie ............................................................................................. 133 5.2.2 Die Frage des Schreibens bei Rafik Schami ............................................ 138

5.2.2.1 Das Schreiben auf Arabisch ............................................................... 139 5.2.2.2 Die Initiation in das Schreiben auf Deutsch ........................................ 141 5.2.2.3 Die Schritte der Entwicklung seines Schreibstils ................................ 144 5.2.2.4 Die Quellen der Geschichten .............................................................. 145

5.2.3 Die Aufnahme und Anerkennung von Schami ....................................... 150 5.2.3.1 Der mündliche Erzähler ..................................................................... 150 5.2.3.2 Der Märchenerzähler und die Märchen aus Malula ............................ 153 5.2.3.3 Schami als Essayist, politischer Schriftsteller und Kinder- und Jugendautor ....................................................................................................... 158

5.2.4 Die Entwicklung der Rezeption Rafik Schamis ...................................... 166 5.2.5 Die Auszeichnungen und die literarischen Preise ................................... 171 5.2.6 Schami und die deutschen Kritiker......................................................... 172 5.2.7 Die Übertragung Schamis Werke ins Arabische bzw. die Rezeption im arabischen Sprachraum ......................................................................................... 179

5.3 Die syrisch- deutschsprachige Lyrik - Adel Karasholi als Beispiel......... 184 5.3.1 Biographisches....................................................................................... 184

5.3.1.1 Der syrische Lyriker und die Migration nach Deutschland ................. 186 5.3.1.2 Die ersten Jahre in Deutschland ......................................................... 188 5.3.1.3 Der syrische Dichter und die deutsche Sprache................................... 190 5.3.1.4 Die Gedichtbände ............................................................................... 193

5.4 Die Aufnahme in Deutschland .............................................................. 199 5.4.1 Die Teilnahme an der „Sächsischen Dichterschule“ ............................... 199 5.4.2 Karasholi und die deutsche Gesellschaft ................................................. 200 5.4.3 Die öffentliche Wahrnehmung ............................................................... 202

5.4.3.1 Der Einzelfall..................................................................................... 202 5.4.3.2 Der Exot und die deutsche Rezeption ................................................. 204 5.4.3.3 Die deutsche Wahrnehmung in den vier Schaffensperioden ................ 208 5.4.3.4 Die Literaturpreise und die Folgen ..................................................... 212

5.4.4 Die lyrische Sprache und der deutschen Leser ........................................ 215 5.4.5 Artikel und Rezensionen über Adel Karasholi ........................................ 217 5.4.6 Die Übertragung Karasholis Werke ins Arabische bzw. die Rezeption im arabischen Sprachraum ......................................................................................... 221

5.5 Die Übersetzung vom Arabischen ins Deutsche - Suleiman Taufiq als Beispiel .......................................................................................................... 223

5.5.1 Biographisches....................................................................................... 223 5.5.2 Die Aufnahme in Deutschland ............................................................... 224

5.5.2.1 Der Prosaschreiber ............................................................................. 224 5.5.2.2 Der Lyriker ........................................................................................ 227 5.5.2.3 Der Übersetzer und Herausgeber ........................................................ 228

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6 Ergebnis der Arbeit ........................................................................ 231

7 Summary ......................................................................................... 242

8 Literaturverzeichnis ....................................................................... 244

8.1 Primärliteratur ..................................................................................... 244

8.2 Sekundärliteratur ................................................................................. 248

8.3 Arabische Literatur .............................................................................. 262

8.4 Plattformen in Internet ......................................................................... 263

Page 7: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

6

1 Einleitung

1.1 Frühe Rezeption arabischer Literatur vor 1950

Die Diskussion über die gegenwärtige Rezeption arabischer Literatur in

Deutschland seit den 50er Jahren verweist auf die gängige Rezeption arabi-

scher Literatur in früheren Jahrhunderten und fasst diese zusammen. Was die

gängige Rezeption arabischer Literatur in Deutschland betrifft, so blickt die-

se auf eine lange Rezeptionsgeschichte zurück zwischen der arabischen und

der deutschen Kultur.1 Jacob vertritt die Meinung, dass der morgenländische

Einfluss auf das Abendland älter ist als der abendländische Einfluss auf das

Morgenland. Die europäische Bildung, das Alphabet und die Ziffernschrift

sind laut Jacob eine „Gabe des Ostens“.2 Die Arabismen in der deutschen

Sprache geben eine klare Vorstellung vom Umfang dieses Einflusses.3

Auch wenn die erste gedruckte deutsche Übersetzung aus dem Arabischen

erst 1616 erschien, geht die universitäre Beschäftigung der Orientalisten mit

der arabischen Literatur auf das Jahr 1311 zurück. Arabische Werke, die von

arabisch sprachigen Gelehrten übersetzt wurden, umfassten Werke aus der

Poesie, der religiösen und der wissenschaftlichen Literatur und schließlich

der schönen Literatur wie aus Tausendundeiner Nacht. Bei der Poesie stand

die altarabische Dichtung im Vordergrund, aus dem religiösen Bereich waren

1 Vgl. LITTMANN, Enno: Abendland und Morgenland. Tübingen: Mohr Verlag. 1930. S. 14. – Vgl. SPIES, Otto: Der Orient in der deutschen Literatur. 2. Bände. Ohne Ort: Ke-velaer, Butzon & Bercker Verlag. 1951. Bd., I. S. 1. 2 Vgl. JACOB, Georg: Der Einfluss des Morgenlands auf das Abendland vornehmlich während des Mittelalters. Hannover: Lafaire Verlag. 1924. S. 24. 3 S. LITTMANN, Enno: Morgenländische Wörter im Deutschen. Berlin: Curtius Verlag. 1920. – JACOB: Der Einfluss des Morgenlands auf das Abendland vornehmlich während des Mittelalters. S. 10f. – LOKOTSCH, Karl: Etymologisches Wörterbuch der europäi-schen Wörter orientalischen Ursprungs. Heidelberg: Universitätsverlag. 1927. – HUNKE, Sigrid: Allahs Sonne über dem Abendland. Unser arabisches Erbe. Stuttgart: Fischer Ver-lag. 1960. - TAZI, Raja: Arabismen im Deutschen. Lexikalische Transferenzen vom Ara-bischen ins Deutsche. Berlin: W. de Gruyter Verlag. 1998. – OSMAN, Nabil (Hrsg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. München: C. H. Beck Verlag. 2003. 7 Aufl.

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7

es Übersetzungen von Koran4 und die Aussprüche des Propheten (arab.

ÍadÐ×).5

Die orientalischen und islamischen Kulturgüter gelangten auf fünf unter-

schiedlichen Wegen nach Europa: Ein intensiver Austausch zwischen dem

damals als Abendland verstandenen Teil Europas und den muslimischen Kul-

turgütern fand in Andalusien im (7. – 10. Jahrhundert.) nach der Errichtung

eines unabhängigen Kalifats durch ÝAbd al-RaÎmÁn (708-756) statt. Dabei

dürften die Gelehrten und Studenten an den maurischen Universitäten für

einen regen Austausch gesorgt haben. Eine weitere Periode des kulturellen

Austauschs, wenn auch nicht primär auf friedlichem Wege, erfolgte zur Zeit

der Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert.). Zu dieser Zeit wurden vor allem orien-

talische Märchen und Erzählungen nach Europa überliefert. Hiernach dürften

die Handelsbeziehungen mit Italien eine wichtige Rolle gespielt haben. Durch

diese Handelsbeziehungen wurden arabische Termini aus dem Handelswesen

in die europäische oder italienische Sprache aufgenommen. Wichtige Kultur-

träger (12.-14. Jahrhundert.) waren jüdische Gelehrte, die in ihrer Funktion

als Übersetzer und Lehrer für islamische Kultur an den Hochschulen in Spa-

nien, Frankreich und Italien lehrten. Schließlich sind durch die osmanische

Besatzungsmacht (14.-17. Jahrhundert.) orientalische Erzählungen und Mär-

chengut auf dem Balkan und zum Baltikum verbreitet worden.6

In der deutschen Literaturgeschichte existieren zahlreiche Werke und Arbei-

ten, die ihre Inspiration in der arabischen Literatur fanden.7 Der berühmteste

Vertreter dieser Strömung war der deutsche Kritiker Johann Gottfried Her-

4 Die erste deutsche Koranübersetzung – die Megerlin anfertigte – erschien im Jahre 1772 in Frankfurt. Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., I. S. 18. 5 Zu den historisch-kulturellen Kontakten zwischen Morgenland und Abendland siehe MAHER, Mustafa: Das Motiv der orientalischen Landschaft in der deutschen Dichtung von Klopstocks „Messias“ bis zu Goethes „Divan“. Stuttgart: Akademischer Verlag Hans-Dieter Heinz. 1979. 6 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 5f. 7 Namhafte Kritiker und Schriftsteller, die Übersetzungen aus dem Arabischen anfertigten oder intertextuelle Bezüge herstellten, sind u.a. Herder, Goethe, Hammer, Rückert, Platen, Wieland, Hamann, Stieglitz, Heine.

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8

der, der sich insbesondere mit der orientalischen Lyrik beschäftigt.8 Insbe-

sondere übernahmen die genannten deutschen Dichter, welche die Kenntnis

über die arabische Literatur aus Übersetzungen erlangt hatten, Stoffe und

Vorlagen aus dem Orient und gaben sie als Anregung, die diesen Stoffen

nach „persönlich[er] dichterischer Gestaltung“ neue Formen gaben.9 Be-

sonders im 18. Jahrhundert gab es eine starke deutsche literarische Strö-

mung, die sich mit den orientalischen Literaturen beschäftigt hat. Annemarie

Schimmel bezeichnete Johann Jakob Reiske als den „erste[n] eigenständi-

ge[n] Arabist[en] und Islamwissenschaftler“ im heutigen Sinne.10

Bei der Untersuchung von deutschen Schriftstellern, die von der arabischen

Kultur und Literatur inspiriert wurden, dürfte Goethe (1710-1782) als be-

rühmtestes Beispiel gelten.11 Er verfügte über ein breites Wissen über die

orientalische und arabische Literatur;12 das sich besonders in seinem Werk

West-östlicher Divan widerspiegelt. Zudem verfasste er Gedichte, in denen

Stilelemente wie die Wüste oder Kamelkarawanen aufgenommen wurden.

Goethes erste Begegnung mit der arabischen Literatur basierte auf englischen

und französischen Übersetzungen, die ihn wenig beeindruckten. Dies änderte

sich jedoch mit der steigenden Anzahl deutscher Übersetzungen aus dem

Arabischen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der österreichische Orientalist

Joseph Hammer hat hierzu einen großen Beitrag geleistet und viele lyrische

und prosaische Werke der östlichen Literatur ins Deutsche übertragen, wobei

8 Vgl. MAHER: Das Motiv der orientalischen Landschaft in der deutschen Dichtung von Klopstocks „Messias“ bis zu Goethes „Divan“. S. 25. 9 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 1. 10 Vgl. SCHIMMEL, Annemarie: West-östliche Annährungen: Europa in der Begegnung mit der islamischen Welt. Stuttgart/ Berlin/ Köln: Kohlhammer. 1995. S. 52. 11 Goethes Orient-Begeisterung verdankt er u.a. vor allem den Reiseberichten von M. Polo, P. d. Valle, Olearius, Sommerat. 12 Goethes Beziehung zum Orient wurde ausführlich und intensiver anhand nach seinen Studien zum Korans und der vorislamischen Dichtung.

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besonders seine Übersetzung des Gedichtbands des persischen Dichters ÍÁ-

fiÛ aš-ŠÐrÁzÐ hervorzuheben ist.13

Über seine, dem orientalischen entliehenen Motive und Elemente hat Momm-

sen zwei wichtige Werke geschrieben. Das erste trägt den Titel Goethe und

die arabische Welt14, in dem sie die arabischen und die islamischen Einflüsse

in Goethes Werken behandelt. Sie stellt die Einflüsse der altarabischen Ge-

dichte MuÝallaqÁt besonders auf Goethes Divan und Zahme Xenien dar. Sie

behandelt und analysiert die Anspielungen auf die islamische Kultur und den

Koran in Divan und den Theaterstücken. Mommsens Studie gilt als eine um-

fangreiche Studie über Goethes Beziehung mit der arabisch-islamischen Kul-

tur und Literatur.15 Die Einflüsse der orientalischen Erzählsammlung aus

Tausendundeiner Nacht auf Goethes Werken wurden im zweiten Werk von

Mommsen unter dem Titel Goethe und 1001 Nacht16 untersucht.

Goethes Werk West-östlicher Divan hat sichtbare Einflüsse auf die deutschen

Schriftsteller hinterlassen. Zudem förderte dieses Werk die wissenschaftliche

Beschäftigung mit dem Orient. Viele Zeitgenossen Goethes begannen die

arabische und persische Sprache zu lernen und die arabische Literatur zu

lesen. Beispielsweise hat Wilhelm Hauff drei Sammlungen von Geschichten

verfasst, in denen er die Schreibweise der Sammlung Tausendundeiner Nacht

nachahmte. Heinrich Heine (1797-1856) verwendete in seinen Gedichten

Themen und Motiven östlicher Literatur.17 August V. Platen (1796-1835)

lernte die persische Sprache in Erlangen und verfasste Schriften über die

abbasidischen Kalifen. Platen übertrug die poetische Form des „Ghasels“

13 Vgl. FISCHER, Wolf Dietrich: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. Naqluhu wa at-taÝarrufu ilaihi wa taÞ×Ðruhu. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 63-73. Besonders S. 67. 14 S. MOMMSEN, Katharina: Goethe und die arabische Welt. Frankfurt am Main: Insel- Verlag. 1988. 1. Aufl. 15 Die frühere Studien über Goethe beschränkten sich auf seine Beziehung zum Orient nur auf persischer Literatur und den persischen Dichter Schirazi, die Goethe durch die Übersetzung der Gedichtbände des Schirazis von Hammer zugänglich wurden. 16 S. MOMMSEN, Katharina: Goethe und 1001 Nacht. Berlin: Akad.-Verlag. 1960. 17 Vgl. FISCHER: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. S. 69.

Page 11: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

10

(arab. Çazal/dt. Liebespoesie) aus der persischen Dichtung ins Deutsche;

Dank seiner Arbeit hat sich der Begriff „deutsches Ghasels“ etabliert.18

Besonders Erwähnung verdient Friedrich Rückert (1788-1866), dem eine

Sprachbegabung nachgesagt wird und der einer der bekanntesten deutschen

Orientalisten war. Rückert gilt bis heute als einer der ersten Übersetzer östli-

cher Literatur ins Deutsche. Er untersuchte neben Platen die künstlichen Ge-

dichtformen, Reim, Versmaß und Strophe.19 Zudem gelang es ihm lyrische

Übersetzungen für den deutschen Leser zu schaffen und er verwendete zum

ersten Mal persische und arabische Elemente in seinem Werk. Die MaqÁmÁt

von al-ÍarÐrÐ und die arabischen Wortspiele und Reimkünste hat er „mit der

genialen Sprachvirtuosität“20 vermittelt, neben den Übersetzungen des Ko-

rans und den Übersetzungen arabischer Lyrik sind diese gute Beispiele der

hervorragenden Arbeit Rückerts.21 Dies war die Zeit, in der deutschen Lite-

ratur orientalisierenden Strömung blühte; die Beschäftigung mit dem Orient

galt wegen der Übersetzungen und der Werke von Rückert und Goethe als

„Modesache“.22

In der Mitte des 19. Jahrhunderts – dem Übergang von Romantik zum Rea-

lismus – verschwand allmählich auch das deutsche Interesse an der orientali-

schen Literatur und erklärt, weshalb die deutsche Rezeption der arabischen

Literatur vorerst von rein literarischem Interesse war. Seit den 40er Jahren

des 19. Jahrhunderts war dieses Interesse von den politischen Entwicklungen

geprägt. Das Aufkommen der deutschen Nationalbewegung seit der Mitte

des 19. Jahrhunderts führte zu einer Hinwendung zu der Beschäftigung mit

nationalistischen Themen und einer Abkehr von der Beschäftigung mit dem

Orient.

18 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 21. 19 Vgl. ebd. S. 19. 20 Vgl. ebd. S. 20. 21 Vgl. FISCHER: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. S. 69. 22 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 24.

Page 12: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

11

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs kann man ein geringes Interesse an

der orientalischen Literatur in der deutschen Gesellschaft beobachten, nur

Spezialisten interessieren sich für die klassische Literatur, besonders die Ly-

rik der östlichen Literatur, weiterhin.23 Im 20. und 21. Jahrhundert wird die

deutsche Rezeption der arabischen Literatur mit dem Interesse an der ara-

bisch-islamischen Gesellschaft gekoppelt und wird institutionell verankert.

Das Fach „Arabische Literatur“ wird einzelner Schwerpunkt innerhalb der

Orientalistik.

1.2 Entstehung der Migrationsliteratur in Deutschland

In Deutschland leben seit den 50er Jahren Immigranten, die aus verschiede-

nen Ländern und aus unterschiedlichen Gründen emigrierten. Gastarbeiter

wie Studenten und politische Flüchtlinge fanden sich in Deutschland als An-

gehörige einer ethnischen Minderheit wieder. Viele Migranten hatten ihre

Heimat auch aus ökonomischen Gründen verlassen, lediglich um ein besseres

Leben zu suchen.24 Diese Emigranten stellen laut Heinze nicht mehr nur eine

ökonomische Notwendigkeit dar, sondern sind ein wichtiger Bestandteil des

wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Lebens geworden.25

23 Vgl. FISCHER: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. S. 71f. 24 Heiko KÖRNER meint in seinem Artikel über die ökonomischen Migrationsgründe, dass die Migration das Ergebnis einer individuellen Entscheidung ist. Die Menschen su-chen in der Modernisierung vorindustrieller Gesellschaften ein neues Schicksal und ein besseres Leben. Vgl. KÖRNER, Heiko: Reichtum und Armut - Einige theoretische Aspek-te. In: BÖHME, Gernot/CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlichkeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 59-62. Beson-ders S. 59. 25 Vgl. HEINZE, Hartmut: Migrantenliteratur in der Bundesrepublik Deutschland. Be-standsaufnahme und Entwicklungstendenzen zu einer multikulturellen Literatursynthese. Berlin: Express Edition Verlag. 1986. S. 11.

Page 13: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

12

In der Regel sind die Gründe für die Einwanderung in ein anderes Land

hauptsächlich politischer26, wirtschaftlicher27, religiöser oder kriegerischer

Natur.28 Jedoch sind längere Besuchsreisen, geschäftliche Niederlassungen

im Ausland oder auch Gastarbeiterverpflichtungen mit dem Begriff Migration

ebenso wenig zu kennzeichnen.29 Summarisch und vereinfacht kann man

festhalten, dass das Push-und-Pull-Faktoren-Modell die Migrationsgründe

am besten erklären kann. Push-Faktoren finden sich in Behandlung des Her-

kunftslands und die Pull-Faktoren sind die positiven Lebensbedienungen im

Zielland.30

Der Blick auf die Geschichte der Arbeitsmigration in Deutschland zeigt, dass

der wirtschaftliche Aufschwung der 1950er und 60er Jahre die Anwerbung

von Gastarbeitern erforderlich machte.31 1955 schloss die deutsche Regie-

rung die ersten Anwerbeverträge mit Italien ab. Im Jahre 1960 folgten die

Verträge mit Griechenland und Spanien. In den folgenden Jahren wurden

weitere Verträge abgeschlossen: 1961 mit der Türkei, 1965 mit Marokko

und Tunesien, 1964 mit Portugal, 1965 mit Tunesien und zuletzt 1968 mit

Jugoslawien.32

Aber die Bedingungen ließen viele ausländische Arbeiter in ihre Heimat zu-

rückkehren: Die Zahl der ausländischen Erwerbstätigen sank von 2,6 Mio. im

26 Vgl. LIEKE, Winfried: Politische Verfolgung. In: BÖHME, Gernot/CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlichkeit. Darmstadt: Wis-senschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 39-46. Besonders S. 39. 27 Vgl. MANFRASS, Klaus: Reichtum und Armut-Entwicklung und Unterentwicklung. In: BÖHME, Gernot/CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlichkeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 47-58. Besonders S. 47. - Vgl. KÖRNER: Reichtum und Armut. S. 59. 28 Vgl. SCHEFFRAN, Jürgen: Kriegs- und Umweltflüchtlinge. In: BÖHME, Gernot/ CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlich-keit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 23-38. Besonders S. 23. 29 Vgl. WINZER, Fritz: Emigranten: Geschichte der Emigration in Europa. Frankfurt am Main/Berlin u.a.: Ullstein- Sachbuch Verlag. 1986. S. 99. 30 Vgl. ebd. S. 7. 31 Vgl. REEG, Ulrike: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Essen: Klartext Verlag. 1988. 1. Aufl. S. 11. 32 Vgl. SENOL, Sengül: Kurden in Deutschland. Fremde unter Fremden. Frankfurt am Main: Haag und Herchen Verlag. 1992. S. 59.

Page 14: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

13

Jahr 1973 auf ca. 1,9 Mio. und bis 1989 auf ca. 1,7 Mio. Trotzdem stieg die

ausländische Wohnbevölkerung 1973 (3,97 Mio.) und 1979 (3,98 Mio.) auf

knapp 4 Mio. an. Sie stieg bis 1989 auf knapp 4,9 Mio. (,3%) an.33 Die

Nachkommen der ausländischen Arbeitnehmer bauten sich ihre Existenz in

Deutschland in gesellschaftlicher, politischer, kultureller und insbesondere

literarischer Hinsicht aus; damit entstand die Migrationsliteratur.

Die Migranten in Deutschland können vereinfacht in zwei Gruppen eingeteilt

werden; die erste davon ist die ‚Arbeitergruppe‘; die zweite ist die ‚Schrei-

bergruppe‘, die sich mit Wissenschaft und Literatur beschäftigt. Die zweite

Gruppe bildet den Schwerpunkt des zu behandelten Themas von zahlreichen

Literaturwissenschaftlern in Deutschland; die erste Gruppe wurde aus päda-

gogischer beziehungsweise historischer oder soziologischer Perspektive ein-

gehend untersucht.

Was die von der Arbeitsmigration abgeleitete Literatur betrifft, hat sich die

Migrationsliteratur seit einigen Jahren in der deutschen Gegenwartsliteratur

zunehmend als eigenes, starkes, deutschsprachiges Literaturmilieu und als

bedeutender literarischer Kanon herausgebildet. Aus dem Begriff Gast- oder

Fremdarbeiter wurden literarische Bezeichnungen für die deutschsprachige

Migrationsliteratur abgeleitet. Die Bezeichnung Migrationsliteratur spiegelt

die soziologischen und kulturellen Entwicklungen der Zeit wieder. Bezeich-

nungen wie Gastarbeiterliteratur, Ausländerliteratur, Minderheitenliteratur,

Literatur der Betroffenheit u.a. sind nicht mehr gebräuchlich, weil sie unzu-

treffende Aussage über die schriftstellerischen Migranten in der Zeit zwi-

schen 50er und 90er Jahren vermittelten.

33 Vgl. BADE, Klaus J.: Einheimische Ausländer: ´Gastarbeiter´- Dauergäste- Einwande-rer. In: Ders. (Hrsg.): Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland: Migration in Ge-schichte und Gegenwart. München: C.H. Beck Verlag. 1992. S. 393-400. Besonders S. 396.

Page 15: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

14

Seit den 90er Jahren werden die Terminus Migrationsliteratur,

Migrantenliteratur, deutschsprachige Literatur oder die germanophone Lite-

ratur -wie die Begriffe frankophone und anglophone Literature- als Ersatz

für alle vorherigen Begriffe verwenden. Im folgenden Absatz wird die Ent-

stehung des Begriffs Gastarbeiterliteratur näher erläutert.

Der Terminus Gastarbeiterliteratur wurde in den 80er Jahren verwendet.

Schami und Biondi haben den Begriff Gastarbeiter in dem Manifest Literatur

der Betroffenheit geprägt. Diesen Begriff haben Anna Picardi-Montesardo34

und Sigrid Luchtenberg35 in ihrem Beitrag über die interkulturelle Pädagogik

und Horst Hamm36 in seiner Dissertation verwendet. Monika Frederking37

benutzt den Begriff Migrantenliteratur und bestätigt ebenso wie Ulrike

Reeg38 in ihrer Arbeit die ästhetischen Qualitäten der Migrantenliteratur.

Frederking hat eine andere Bezeichnung für diese Literatur vorgeschlagen:

authentische Literatur. Sie liest die literarischen Texte ausländischer Autoren

in der Bundesrepublik als soziologische Dokumentationen. Horst Hamm ver-

steht im Gegensatz zu Monika Frederking und Ulrike Reeg die Texte als

authentische Literatur. Harald Weinrich39verwendet den Begriff Gastarbeiter-

literatur. Heimke Schierloh40 und Dieter Hörn verwenden den Begriff

Migrantenliteratur.41

34 Vgl. PICARDI-MONTESARDO, Anna: Die Gastarbeiter in der Literatur der Bundesre-publik Deutschland. Berlin: Express Edition Verlag. 1985. 35 Vgl. LUCHTENBERG, Sigrid: Gastarbeiterliteratur in der Berufsschule: Zum Beispiel „Ich heiße Yusuf Toprakoglu“. In: Sprache und Beruf. Bd., 2. 1986. S. 37-52. 36 HAMM, Horst: Fremdgegangen Freigeschrieben. Einführung in die deutschsprachige Gastarbeiterliteratur. Würzburg: Königshausen & Neumann Verlag. 1988. 37 FREDERKING, Monika: Schreiben gegen Vorurteile. Literatur türkischer Migranten in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Express Edition Verlag. 1985. 38 REEG, Ulrike: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bun-desrepublik Deutschland. Essen: Klartext Verlag. 1988. 1. Aufl. 39 WEINRICH, Harald: Deutschland - ein türkisches Märchen. Zu Hause in der Fremde: Gastarbeiterliteratur. In: HAGE, Volker (Hrsg.): Deutsche Literatur. Ein Jahresüberblick. Stuttgart. 1983. S. 230-237. 40 SCHIERLOH, Heimke: Das alles für ein Stück Brot. Migrantenliteratur als Objektivie-rung des „Gastarbeiterdaseins“ mit einer Textsammlung. Frankfurt am Main / Bern / New York: Peter Lang Verlag. 1984. 41 HORN, Dieter: Schreiben aus der Betroffenheit. Die Migrantenliteratur in der Migration und Bundesrepublik Deutschland. In: TUMAT, Alfred J. (Hrsg.): Migration und Integrati-on: Ein Reader. Baltmannsweiler: Pädagogischer Verlag. 1986. S. 213-236.

Page 16: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

15

Heide Rösch42 hat als eine der ersten die Texte der ausländischen Autoren als

eine multiperspektivische Darstellung verschiedener Bevölkerungsgruppen

dargestellt. Autoren wie Franko Biondi und Rafik Schami haben in den frü-

hen 80er Jahren den Begriff „Die Literatur der Betroffenheit“ geprägt und

satirisch kommentiert. Der Streit über den Begriff und die sich daran an-

schließenden Diskussionen gingen in verschiedene Richtungen. Harald Wein-

rich sah in dem Begriff Literatur der Betroffenheit „diejenige Wirklichkeit,

die von der Gastarbeiterliteratur am meisten angestrebt wird“ repräsen-

tiert.43 1983 bezeichnete er die Migrantenautoren als „die deutschen Schrift-

steller, die von außen kommen“.44 Biondis und Schamis Aufsatz hält er für

eine „Ars poetica“ dieser Literatur.

Was die immigrierten Schriftsteller in Deutschland betrifft, hat Reeg die Au-

toren in vier Gruppen eingeteilt: In der erste Gruppe sind die Migranten, die

im Zuge der Migrationsbewegung seit den 50er Jahren aus den Mittelmeer-

anrainerstaaten in die Bundesrepublik eingereist sind und im Dienstleistungs-

und Industriesektor oder in akademischen Berufen tätig waren und sind. Die

zweite Gruppe ist die nachfolgende Generation, meistens Jugendliche, die

bereits in Deutschland geboren wurden. Die dritte Gruppe sind die Exilierten,

die auf Grund der politischen Verhältnisse ihre Herkunftsländer verlassen

mussten und vielfach in der Bundesrepublik Asyl suchten. Die vierte und

letzte Gruppe sind die ausländischen Studenten.45

Nach Hamm reflektieren die literarischen Werke der Migranten, dass die

Migranten Deutschland als Paradies imaginierten.46 In diesen Werken analy-

sierten die Autoren die verschiedenen Ursachen der Migration, Situationen

42 RÖSCH, Heidi: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören, Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. 1992. 43 HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 36. 44 WEINRICH, Harald: Um eine deutsche Literatur von außen bittend. In: Merkur Nr. 5. 1983. S. 911-920. Besonders S. 920. 45 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 12. 46 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 70.

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16

und Erfahrungen in der alten und neuen Heimat. Er stellt fest, dass die Mig-

ranten auf Grund sozialer oder politischer Not ihre Heimat verlassen haben.47

Hamm meint: „mehrere Autoren verweisen in ihrem Schreiben darauf, dass

Armut und Gefühle von Ausweglosigkeit die häufigsten Ursachen der Emig-

ration sind.“48

Was die arabischen Migranten betrifft, bilden die arabischen Migranten in

Deutschland eine verhältnismäßig große Minderheit. Ihre Zahl liegt bei etwa

280.000, die aus diversen arabischen Ländern kommen; dazu kommt eine

unbekannte Anzahl von Palästinensern. Aus dem Libanon flohen zwischen

1979 und 1990 mehr als 50.000 libanesische und fast 20.000 palästinensische

Asylsuchende nach Deutschland. Während des libanesischen Bürgerkriegs

(1975/1989) hatte es konzentrierte Auswanderungen gegeben. Zudem gibt es

Migranten aus Ägypten, Syrien, Libyen, Jemen und teilweise aus Saudi Ara-

bien.49 Autoren aus den Maghreb-Staaten emigrierten aufgrund der kolonia-

len Vergangenheit und der sprachlichen Verbindung viel eher nach Frank-

reich als nach Deutschland.50

Die arabische Minderheit in Deutschland ist in der Öffentlichkeit weniger

präsent als die größeren russischen, türkischen, italienischen oder polnisch

stämmigen Minderheiten. Die Mehrheit eingewanderter Araber kam als Stu-

denten oder als politische Flüchtlinge und nicht als Gastarbeiter nach

Deutschland wie die Mehrheit der anderen Minderheiten. Die arabischen

Migranten arbeiten häufig in Deutschland für ein paar Jahre und kehrten dann

in ihre Heimat zurück, um dort mit dem gesparten Geld eine Existenz aufzu-

47 Vgl. ebd. S. 59. 48 Ebd. 49 Vgl. SCHMIDT-FINK, Ekkehart: interessanten Exoten zu verdächtigen Nachbarn- Arabische Migranten in Deutschland vor und nach dem 11. September. http://www.papyrusmagazin.de/archiv/2002_2003/september/9_10_2002_arabischemigranten.html. Besucht am: 22.10.2006. 50 Vgl. KHALIL, Iman: Arabisch-deutsche Literatur. In: LÜTZELER, Paul Michael (Hrsg.): Schreiben zwischen den Kulturen. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsli-teratur. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. 1996. S. 149-164. Besonders S. 149.

Page 18: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

17

bauen. Eine geringe Zahl arabischer Migranten blieb in Deutschland, aber

nach langer Diskussion stellte die Bundesregierung im Jahre 1978 fest, dass

die Ausländer besser integriert werden müssen.51

Was die arabischen Autoren betrifft, stieg insbesondere die Anzahl arabischer

Intellektueller dem Ersten und dem Zweiten Golfkrieg, dem Bürgerkrieg im

Libanon (1975/1989), dem Sechs-Tage Krieg etc. und die Kriege mit Israel

(1957/1968/1973). In Deutschland leben die arabischen Autoren, die sowohl

zur ersten Generation als auch zur zweiten Generation gehören. Die syri-

schen Migranten bilden bis heute eher eine kleine Gruppe. Sie besteht aus

einer sehr überschaubaren Zahl von Autoren, drei von ihnen sind aktiv, sind

literarisch sehr aktiv und veröffentlichen regelmäßig in Deutschland. Als ers-

ter arabischer Dichter hat Adel Karasholi Gedichte auf Deutsch geschrieben.

Im Romanbereich hat Rafik Schami viele Werke veröffentlicht. Suleiman

Taufiq sowie Karasholi beschäftigten sich mit Lyrik und mit Übersetzungen.

Irakischen Exilautoren wie Khalid Al-Maaly, Abdul Jabir und Najem Wali,

die zu Beginn der 80er Jahre dem BaÝ×-Regime entflohen, emigrierten nach

Deutschland.52

Aus dem Irak kamen zahlreiche Autoren, die wegen der zunehmenden politi-

schen Unruhen und politischem Druck auf die Autoren, sich zur Flucht ver-

anlasst sahen. Die Angst vor der Diktatur und das Bedürfnis nach der Aus-

übung des Schreibens in Freiheit zwangen sie, ihre Heimat zu verlassen und

nach Deutschland zu fliehen.

51 Vgl. EL-KOURAI, Ahmad: Geschichtliche Entwicklung der Migration. Aus dem Inter-netportal der Marokkanisch-Deutschen Assoziation für Beratung und Gemeinwesene. http://www.marokkodabg.de/Migration_Arabische_Migration.html. Besucht am: 17.11.2006. 52 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 161.

Page 19: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

18

1.3 Gegenstand der Arbeit

In der vorliegenden Studie werden die Schwerpunkte der deutschen Rezept-

ion der, seit den 50er Jahren in Deutschland lebenden, arabischen Schriftstel-

ler untersucht. Das Thema meiner Arbeit ist die Rezeption der in Deutsch-

land lebenden arabischen Autoren in der deutschen Öffentlichkeit.53 Die Er-

klärung der Bedeutung der Rezeptionstheorie führt zu den theoretischen

Fragen und Aufgabe dieser Studie.54 Rezeptionstheorie ist eine literaturtheo-

retische Schule oder eine Modell Textanalyse, die vor allem von dem Roma-

nist Hans Robert Jauß und dem Anglist Wolfgang Iser entwickelt wurde.

Laut der Rezeptionstheorie gibt es eine starke Kommunikation zwischen

Autor, Text und Leser. Insbesondere hat der Leser eine wichtige Rolle in der

Interpretation der literarischen Werke. In diesem Sinne hat die Literaturwis-

senschaft die Aufgabe, über den Text gründlicher nachzudenken und auszu-

loten, was er für seinen Leser anbietet. Die Literaturwissenschaft kann Be-

deutungen entfalten, die reale Leser bislang nicht entfalteten- dann wenn sie

nachweist, welches ästhetische Erlebnis der Sender dem Rezipienten vorge-

staltete. Um die Erwartungshorizont zu erklären, kann zusammenfassend

gesagt werden, dass in dem Text sich immer bereits Geschehens bzw. Be- 53 In dieser Studie wird die Bezeichnung „arabische Migrationsliteratur“ übernommen, weil die Bezeichnung „arabische Exilliteratur“ sich nur auf die Exilanten beschränkt. Exilliteratur bedeutet die literarische Produktion von Autoren, die wegen politischer, reli-giöser oder rassistischer Verfolgung gezwungen sind, sich an einem anderen als dem von ihnen gewünschten Lebens- und Arbeitsort aufzuhalten. Anders bedeutet Migration eine freiwillige Auswanderung, deshalb hat die Migrationsliteratur als Begriff eine umfassende Bezeichnung für die in Deutschland lebenden arabischen Autoren. In Deutschland leben die arabischen Autoren meistens als Studenten. Als Exilanten leben Adel Karasholi und Fadhil Al-Azzawi. Aufgrund eines Haftbefehls entschied Karasholi sich, ins Exil zu flie-hen. Al-Azzawi floh aus dem Irak wegen der politischen Verfolgung. 54 Ende der 60er Jahre tritt die Rezeption mit dem Anspruch in Erscheinung, die literari-sche wissenschaftliche Praxis von einer Fixierung auf werkimmanente und produktionsäs-thetische Phänomene zu befreien und stattdessen den Dialog von Text und Leser in den Blick zu nehmen. Eine interdisziplinär erweiterte Forschergruppe, zu deren Kernanliegen die Entwicklung der Rezeption gehörte, wird als Konstanzer Schule bezeichnet. Seit dem Ende der 80er Jahre tritt die Rezeption als Forschungsansatz zurück. Vgl. Metzler Lexi-kon Literatur. Begriffe und Definitionen: Begründet von Günther und Irmgard Schweikel. (Hrsg.) von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moennighoff. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag. 2007. 3. völlig neu bearb. Aufl. S. 649f.

Page 20: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

19

kanntes finde und rufe im Leser eine Erinnerung hervor, aus der heraus er mit

einer gewissen Erwartung weiterlese und interpretiere.55 Literarische Texte

enthalten bestimmte Elemente (Leerstellen), welche die Leser zur Bildung

von Hypothesen über das fiktionale Geschehen auffordern.

In dieser Studie geht die Untersuchung von einem spezifischen Rezeptions-

begriff aus, den der Forschungsgegenstand nahelegt. Seine Spezifik rührt

daher, dass er sich hier auf die Rezeption arabischer Literatur in Deutschland

bezieht. Rezeption wird als Darstellung der literarischen Präsenz arabischer

Autoren und ihrer Resonanz in der deutschen Literaturszene verstanden. Die

Leserrezeption bzw. Publikumswirksamkeit, die den Haupt-gegenstand empi-

rischer Rezeptionsforschung in Deutschland darstellt, kann hier nur berück-

sichtigt werden, wo der Publikumserfolg sich in einer zu ermittelnden Aufla-

genzahl manifestiert. Dazu wird die Rolle der Literaturpreise in der Verbrei-

tung der Popularität eines Autors darlegt.

In dieser vorliegenden Studie geht die Untersuchung von der Grundthese

aus, dass die Rezeption der arabischen Migrationsliteratur in Deutschland

verschiedene Rezeptionsarten der Autoren reflektiert. Deshalb teile ich mit

Ulrich Merkel die Ansicht, dass es sowohl „gelungene“ als auch „mißlunge-

ne“ Rezeptionsfälle gibt.56 Eine gelungene Rezeption setzt nicht nur geeigne-

te soziokulturelle Bedienungen in der aufnehmenden Region voraus, die ein

Verstehen des fremden Kunstwerks ermöglichen, sondern auch eine entspre-

chende literaturkritisch-interpretatorische Vermittlung. Der Literaturkritiker

hat eine wichtige Aufgabe, den Leser über den soziokulturellen Kontext, in

dem das Werk steht, zu informieren. Dank der Arbeit des Literaturkritikers

55 Ein Werk kann den mit ihm verbundenen Erwartungshorizont bestätigen oder zu dessen Modifikation beitragen; ferner können die historische Aufnahme eines Werkes sowie des-sen „Kunstcharakter“ nach Maßgabe der Differenzen zwischen Werk und Erwartungsho-rizont beurteilt werden. Vgl. ebd. S. 207. 56 Vgl. MERKEL, Ulrich: Erfahrungen mit und Beobachtungen zur Rezeption deutscher Gegenwartsliteratur in Ländern der Dritten Welt. In: STÖCKER, Karl (Hrsg.): Literatur der Moderne im Deutschunterricht. Königstein/Ts. 1981. S. 81.

Page 21: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

20

nimmt der Leser einen vollkommenen Überblick über die Gesellschaft, Kultur

und Literatur der arabischen Autoren. Außerdem schätzen die Kritiker die

Werke ein.

Deshalb wegen der wenigen Aufmerksamkeit mit arabischen Autoren, wird

ihre literarische Präsenz untersuchbar mehr als ihre Resonanz bei den deut-

schen Kritikern. Die Mängel der begleiteten Kritik an dieser seit den 50er

Jahren entstehenden Migrationsliteratur führen zu einer Trennung zwischen

den Autoren und Lesepublikum oder zu einer falschen Interpretation ihrer

Werke oder zu einer Fehlrezeption ihrer Werke. Die Lücken der Rezeption

arabischer Autoren und die Mängel an der Aufmerksamkeit werden allmäh-

lich erfüllt. Die arabischen Autoren, die in zahlreichen Genres beheimatet

sind, sind ständig bemüht ihren Leserkreis in Deutschland zu erweitern, aber

lediglich die literarischen Produkte von den bedeutenden arabischen Autoren

haben den Löwenteil von den deutschen Kritikern und Wissenschaftlern.

Die Zahl der in Deutschland lebenden Autoren arabischer Herkunft ist aller-

dings beträchtlich. Diese Autoren, die aus verschiedenen Ländern und aus

unterschiedlichen Gründen nach Deutschland kamen, sind ihre Werke zum

Zweck geworden. Die arabischen Autoren in dieser Studie werden in zwei

Generationen eingeteilt. Die erste Generation bezieht sich auf Autoren, die in

den 40er und 50er Jahren geboren wurden; die zweite Generation bezeichnet

die seit den 60er Jahren geborenen arabischen Autoren. Zur ersten Generati-

on gehören Ghazi Abel-Qadir, Salim Alafenisch, Khaled Al-Maaly, Hussain

Al-Mozany, Adel Karasholi, Hassouna Mosbahi, Jusuf Naoum, Rafik Scha-

mi, Wadi Soudah, Suleiman Taufiq, Najem Wali, Huda Al-Hilali, Fadhil Al-

Azzawi, Sumaya Farhat-Naser, Mona Yahia u.a. Zur zweiten Generation

gehören Halima Alaiyan, Sherko Fatah, Anis Hamadeh, Raid Sabbah, Jamal

Tuschick, Abdellatif Youssafi, Fouad Awwad, Ryad Alabyd, Kaouther

Tabai, Amal Al-Jubouri u.a.

Page 22: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

21

Die Rezeptionsgeschichte arabischer Literatur kann in zwei Perioden einge-

teilt werden. Die Rezeption arabischer Literatur als Teil der entstehenden

gesamten Migrationsliteratur in Deutschland seit den 70er Jahren. Oder wie

in meiner vorliegenden Arbeit als eine Fortsetzung der gängigen Rezeption

arabischer Literatur, die seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland vorherrscht.

Gemäß dieser Rezeptionssicht ist die arabische Literatur entweder erzähleri-

sche Literatur, oder emotionale Lyrik. Dies erklärt die zunehmende Auf-

merksamkeit auf die arabischen Erzählern wie Rafik Schami, Jusuf Naoum,

Salim Alafenisch, Huda Al-Hilali u.a. zu Teil wird. Seit 90er Jahren kann eine

zunehmende Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen Autoren be-

obachtet werden.

Die Popularität der arabischen Erzählkunst hat positive sowie negative Ein-

flüsse auf die Rezeption arabischer Literatur. Die gängigen bekannten Ge-

schichten in der orientalischen Sammlung Tausendundeine Nacht und ihre

Beliebtheit beim deutschen Publikum werden hier wiedererweckt. Zum einen

hilft dies den arabischen Autoren an bekannte Genres anzuknüpfen, verhin-

dert aber auch eine Beschäftigung mit arabischsprachiger Literatur ohne die

gängigen Bilder über den Orient. Ihre Werke wurden als orientalischen Er-

zählungen und Märchen rezipiert ohne Berücksichtigung ihrer persönlichen

Besonderheiten und der Weiterentwicklung ihrer Werke.

Der Versuch einer Positionierung arabischen Autoren innerhalb der Migrati-

onsliteratur und der deutschen Literatur und einer Darstellung der deutschen

Rezeption arabischer Literatur erfordern eine intensive Beschäftigung mit

Leben und Werk der in Deutschland lebenden arabischen Autoren. In der

folgenden Arbeit wird insbesondere der literarische Beitrag von syrischen

Autoren untersucht. In der Studie werden einige Aspekte der Rezeption der

syrischen Literatur in Deutschland untersucht. Die Studie beschränkt sich auf

den Roman, Lyrik und Übersetzungstätigkeit. Für diese Abgrenzung des

Forschungsbereichsliegen sowohl objektive als auch subjektive Gründe vor.

Page 23: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

22

Subjektiv gesehen hatte sich die Verfasserin während ihres Hauptstudiums

vorwiegend für die arabische Migrationsliteratur interessiert, was dazu führ-

te, dass sie sich mit ihr intensiver als mit anderen Themen befasste. Objektiv

spielt gerade der moderne syrische Roman aufgrund seiner Gattungsspezifi-

schen Merkmale eine zentrale Rolle im gesamten Rezeptionsprozeß der ara-

bischen Literatur in Deutschland. Die syrischen Romane, Gedichte und Über-

setzungen vermitteln dem deutschen Leser nicht nur ästhetische Qualitäten,

sondern auch Informationen über Gesellschaft und Kultur in Syrien. Der For-

schungsgegenstand dieser Studie umfasst ein breites Spektrum, das sich auf

Werke von Rafik Schami, Adel Karasholi und Suleiman Taufiq erstreckt.

Ausschlaggebend für die Entscheidung, die Untersuchung nicht auf einen

Autor oder sogar ein einziges Werk zu beschränken, war die Überlegung,

dass es beim gegenwärtigen Stand der Forschung und Information sinnvoller

ist, das Spektrum breit zu halten.

Syrische Werke werden verfasst, publiziert und unter die Leser gebracht, um

aufgenommen zu werden. 57 Erst durch die Rezeption werden sie zu wirkli-

che Kunstwerke. Die in dieser Studie drei syrischen Autoren werden als Bei-

spiel für die gelungene produktive Rezeption behandelt. Diese Autoren bie-

ten neue Geschichten, Informationen und literarische Bilder, die den deut-

schen Erwartungen von dem deutschen Lesepublikum nicht entsprechen. Die

syrischen Werke haben den deutschen Leser verunsichert, um über die ge-

wohnten Codes und Erwartungen zu reflektieren und so zu neuen Erkennt-

nissen zu gelangen. Die Artikel über die syrischen Autoren enthalten Infor-

57 Die in dieser Studie behandelten syrischen Autoren sind, die seit den 50er Jahren in Deutschland leben. Einige dieser Autoren publizieren in ihrer Muttersprache oder werden durch Übersetzertätigkeit zu Kulturvermittlern zwischen Herkunfts- und Ankunftsland. Von der Ausgangsposition ist dabei zu unterscheiden nach Autoren, die bereits in ihrer Heimat und in ihrer Muttersprache einen Status als Autoren erworben hatten (so Adel Karasholi), anderen die erst in der oder durch die Erfahrung der Migration zum schreiben kommen und sich dann (z.B. Suleiman Taufiq). Nur Rafik Schami hat nach seiner Aus-wanderung die Chance genutzt, seine Erzählungen auf Deutsch zu publizieren. Arabische Autoren, die mit deutschen Sprachraum aufgewachsen und von Kind an zweisprachig sind, gehören nicht zur syrischen Autorengruppe.

Page 24: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

23

mationen über die Inhalte, Bewertungen und Interpretationen ihrer Werke.

Die Mehrheit der Literaturkritik spricht sich positiv über ihre Werke aus.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Karasholi und Schami sich als

Mittler zwischen den Kulturen verstehen. Sie sehen sich als Botschafter der

arabischen Welt, die ihre Aufgabe darin findet, Vorurteile und Missverständ-

nisse zu relativieren und mit ihren Werken dem deutschen Publikum die kul-

turellen Leistungen des arabischen Kulturraums zu vermitteln. Es wird zei-

gen, dass Taufiq die Fähigkeit besitzt, sich der poetischen Sprache zu bedie-

nen und nicht nur mit dem Wörterbuch zu übersetzen. Darin unterscheidet

sich Taufiq formbetonter Texte von Übersetzer inhaltsbetonter, und darin

besteht der schöpferische Aspekt des literarischen Übersetzens. Taufiq be-

mühte sich um stilistische Korrespondenz, ohne allerdings das Original skla-

visch nachzuahmen, wie es bei den im wörtlichen Sinne treuen Übersetzun-

gen der Fall ist. Seine Rolle beginnt bei der Wahl des zu übersetzenden Wer-

kes, die auf einer genauen Kenntnis der kulturellen Bedürfnisse der aufneh-

menden Gesellschaft berühren müsste.

Bleibt zu sagen, dass die Darstellung der literarischen Werke der arabischen

Autoren die vielfältigen Werke dieser Autoren zeigt. Diese umfassen nicht

nur Prosaschreiber oder Lyriker, sondern einige von ihnen sind auch Essayis-

ten, Herausgebern und Übersetzern. Das Auswahlkriterium der Autoren, die

in dieser Arbeit untersucht werden, ist der Zusammenhang ihres literarischen

Schaffens mit ihrer interkulturellen Erfahrung. Denn die kulturellen und bio-

graphischen Hintergründe der arabischen Autoren spielen in ihren literari-

schen Werken eine wichtige Rolle. So versuchen die Autoren unter Einbezug

der arabischen Kultur und Literatur, jeweils bestimmte politische und soziale

Themen zu erfassen. Die persönlichen Erfahrungen im Exil, als Stoff der

meisten Romane, ist insbesondere bei den arabischen Schriftstellerinnen Ge-

genstand ihrer Erzählungen. Zudem lassen sich die Autoren von den arabi-

schen Erzählungen und europäischen lyrischen Schreibarten beeinflussen.

Page 25: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

24

1.4 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit besteht aus vier Hauptteilen. Im ersten Teil geht es

um Entstehung des Phänomens „Migrationsliteratur“ in der modernen deut-

schen Literatur. Diskutiert werden die literarischen Anfänge von den Migran-

ten, die als die ersten schreibenden Migranten betrachtet werden. Die italieni-

schen und türkischen Autoren sind hier die ersten Pioniere, die die Migrati-

onsliteratur seit den 50er Jahren etablierten. Nach dieser Einführung wird ein

allgemeiner Überblick über die Akzeptanz arabischer Autoren und ihrem

Beitrag zur Migrationsliteratur gegeben. Untersucht wird die Rolle der Lite-

raturpreise in der Rezeption der Migrationsliteratur. Im Hinblick auf die

Wichtigkeit der wissenschaftlichen Rezeption der Migrationsliteratur werden

im zweiten Teil die wissenschaftlichen Werke über die italienisch, türkisch,

griechisch und arabisch Schreibenden dargestellt.

Im dritten Teil wird die deutsche Rezeption arabischer Migrationsliteratur

ausführlich dargestellt. Hier werden die öffentliche Wahrnehmung arabischer

Literatur, die Entwicklung der Rezeption und die Problematik der Rezeption

arabischer Literatur beleuchtet. Ausführlich werden auch die Aspekte der

Rezeption arabischer Autoren untersucht. Anhand von Artikeln, Vorträgen

und Pressemitteilungen wird die Resonanz der arabischen Autoren unter-

sucht. Hier werden die literarischen Angebote interpretiert, die präferierten

Genres der arabischen Autoren diskutiert und die Rezeptionsart gezeigt. Die

Untersuchung der Rezeption arabischer Frauenliteratur wird anschließend

diskutiert.

Im letzten Teil wird die deutsche Rezeption syrischer Autoren untersucht.

Rafik Schami, Adel Karasholi und Suleiman Taufiq werden als Vertreter die-

ser Literatur untersucht. Aufgrund ihrer unterschiedlichen literarischen Be-

schäftigung repräsentieren sie drei unterschiedliche Darstellungsformen:

Page 26: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

25

Schami als erzählerischer Prosaschreiber, Karasholi als Lyriker und Taufiq

als Übersetzer.

Die Untersuchung der Rezeption syrischer Romane basiert auf der Darstel-

lung der arabischen Erzählkunst und orientiert sich an der Rückkehr zum

Erzählerbe. Die Sammlung Tausendundeiner Nacht spielt in der deutschen

Rezeptionsgeschichte arabischer Literatur eine wichtige Rolle. Schamis Po-

pularität, die auf seinen Romanerfolgen beim deutschen ist ein weiterer

Grund für die Beschäftigung mit seinem Werk und seinem Verhältnis zu

Deutschland. Diese Untersuchung umfasst insgesamt einen Zeitraum von den

50er bis Ende der 60er Jahren während seiner Zeit in Syrien und in Deutsch-

land seit den 70er Jahren. Dasselbe Kapitel konzentriert sich auf die Aufnah-

me und Anerkennung Schamis und die Frage wie sich seine Popularität in

Deutschland erklärt. Ausführlich wird Schami als Essayist, Märchenerzähler,

politischer Schriftsteller und Kinder- und Jugendautor, untersucht. Schließ-

lich wird sein Eintreten in die Weltliteratur anhand der Übertragung seiner

Werke in anderen Sprachen untersucht.

Karasholis Rezeption wird chronologisch dargestellt. Hier wird zuerst seine

Biographie behandelt, dann werden seine Gedichtbände interpretiert. Seine

Rezeption wird in Phasen behandelt, in denen Karasholi und sein Werk The-

ma in den deutschen Medien war. Hier wird seine Resonanz anhand der vor-

handenen Artikel, Pressemitteilungen und Vorträge dargestellt.

Schließlich wird Taufiqs Arbeit und sein Schaffen als Übersetzer behandelt.

Die Frage, welchen Beitrag er durch seine Anthologien und Übersetzungen

der arabischen Literatur leistete, wird hier untersucht sowie seine Rolle als

Übersetzer analysiert.

Page 27: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

26

2 Migrationsliteratur: Definitionen und Konzepte

2.1 Die Etablierung der Migrationsliteratur

Die Migrationsliteratur ist ein neues Phänomen innerhalb der modernen

deutschen Literatur. Die deutsche Gegenwartsliteratur enthält einen

beträchtlichen Teil von Werken, die von deutschsprachigen Autoren aus dem

Ausland geschrieben wurden. Durch diesen Anteil zeichnet sich in der

deutschen Literaturlandschaft eine interkulturelle Vielfalt ab. Insbesondere

entsteht diese Vielfalt aus dem Sprach- und Kulturwechseln und entfaltet eine

große Wirkung. Allmählich haben die Vertreter dank ihrer Bemühungen und

Publikationen diese interkulturelle Literatur auf dem deutschen Buchmarkt

verankert.

Alle Studien über Migrationsliteratur sind sich darüber einig, dass die Phase

des Bekanntwerdens und der Akzeptanz innerhalb der hiesigen Literatursze-

ne von den 50er bis hin in die 70er Jahre dauerte. Etwa zwanzig Jahren benö-

tigen die ausländischen Autoren ihre literarische Präsenz aufzubauen.

Die Migrationsliteratur hat ihren Ursprung in den 50er Jahren, deren Anfang

italienische Autoren, die ihre Texte in Zeitschriften und in Einzelveröffentli-

chungen publizierten, markiert. Im Jahr 1951 erschienen die ersten Texte

ausländischer Autoren. In der Regel waren die Gedichte, Briefe, Romane und

Erzählungen von italienischen Arbeitsmigranten, die in, von katholischen

Missionaren herausgegebenen, Zeitschriften publiziert wurden.58 In diesem

Zeitraum blieb die Migrationsliteratur innerhalb der deutschen Literaturszene

unbemerkt, da die Leserschaft auf einen kleinen Kreis beschränkt blieb.59 Die

58 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 14. 59 Vgl. ebd. S. 11.

Page 28: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

27

Migrationsliteratur wurde mit geringem Interesse als biografische und au-

thentische Literatur rezipiert.60

Neben den italienischen Migranten, mit ihren wichtigen Vertretern, Franco

Biondi und Gino Chiellino, gibt es auch schriftstellerische Migranten türki-

scher Herkunft wie Yüksel Pazarkaya, den Herausgeber der Literaturzeit-

schrift Anadil, und Achmed Dogan, den Gründer des Ararat-Verlags. Diese

italienischen und türkischen Autoren gelten als bedeutende Pioniere in der

Entstehungsphase der Migrationsliteratur. Insbesondere gilt Pazarkaya als

Wegbreiter der von den türkischen Migranten geschriebener Literatur. Seit

1960 veröffentlichte er Gedichte, Erzählungen, Theaterstücke, Essays, Dreh-

bücher und Hörspiele zum Thema Migration. Seine Werke schreibt er sowohl

in deutscher wie türkischer Sprache. Insbesondere wurde sein Theaterstück

Ohne Bahnhof in Stuttgart 1967 aufgeführt, während die Migrationsliteratur

damals noch nicht bekannt war. Neben den italienischen und türkischen Au-

toren traten einige der arabischen Autoren an, wie Rafik Schami, Adel

Karasholi, Jusuf Naoum und Suleiman Taufiq.

Zum Thema Migration erschienen zwischen Ende der 70er Jahre und Anfang

der 80er Jahre Einzelveröffentlichungen von ausländischen Autoren diverser

Nationalitäten. Mit großem Interesse formulierten diese Texte der Frühphase

das Migrationsthema. Kaum findet sich unter den Migranten ein Autor, der

keine Texte über den Migrationsprozess schrieb. Jeder Autor versucht aus

seiner individuellen Perspektive die Schmerzen der Trennung von seiner

Heimat und seine Qualen und Probleme in der Fremde zu bewältigen. Künst-

lerisch wurden so die eigenen Erfahrungen bearbeitet.

60 Vgl. PUGLIESE, Rosaria: Franco Biondi - Grenzgänger der Sprachen, Wanderer zwi-schen den Kulturen. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. 2006. S. 9.

Page 29: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

28

Die von den Migranten, auf allen Gebieten, wahrgenommenen Unterschiede

schockierten sie und inspirierten sie zugleich beim Schreiben. Biondi und

Schami schreiben über diesen Aspekt:

Die Gastarbeiter kommen meist aus südlichen Ländern, sie kommen aus ländlichen Gebieten und sind von der dortigen kul-turellen Entwicklung geprägt. Sie kommen hierher und erleben einen Bruch, denn sie werden in eine festgefügte, auf einem an-deren Stand der kulturellen Entwicklung sich befindende Kultur hineingeworfen. Dieser Bruch in der kulturellen Entwicklung ähnelt sehr der kulturellen Katastrophe, die die Kolonialvölker erlitten. Das Resultat ist eine Phase des literarischen Verstum-mens, die kurz oder lang dauern kann. In dieser Phase versucht der Gastarbeiter zuerst mit seiner Umwelt und seiner Identität klar zu werden. Es ist ein umwälzender Prozeß, durch den ei-nerseits mancher fließend schreibende Literat für immer stumm wurde, andererseits ein Gastarbeiter, auch mit geringer Schul-bildung, zum ersten Mal begreift, wie wichtig es ist, seine Er-fahrung zu vermitteln.61

Die Anthologien gelten als eine besondere Form, um die deutschsprachige

Migrationsliteratur innerhalb der deutschen Literaturszene bekannt zu ma-

chen. Die meisten Anthologien wurden von Irmgard Ackermann vom Institut

für Deutsch als Fremdsprache der Universität München herausgegeben.62

Beispielsweise erschienen in München im Jahre 1982 Als Fremder in

Deutschland. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Ausländern, und im Jahr

1983 In Zwei Sprachen leben. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Auslän-

dern. Die Anthologien hatten damals eine beachtliche Resonanz beim deut-

schen Publikum. Die beiden Herausgeber dieser Anthologien, Ackermann

61 Vgl. PUGLIESE: Franco Biondi. S. 10. 62 Wichtig ist zu erwähnen, dass einige der seit den 90er Jahren erschienen Anthologien, in den Titeln die diskutierten Begriffe Migrationsliteratur, Migrantenliteratur, Literatur der Fremde oder Interkulturelle Literatur nicht verwendet. Die Begriffe Gastarbeiter- und Ausländerliteratur ebenfalls nicht. Folgende Anthologien sind erschienen: Kanaksta (Hrsg.) von Fridun Zaimoglu. (1999); Döner in Walhalla (Hrsg.) von Ilija Trojanow. (2000); Morgen Land (Hrsg.) von Jamal Tuschick. (2000); Feuer, Lebenslust. Erzählun-gen deutscher Einwanderer. (2003). Vgl. ABEL, Julia: Positionslichter. Die neue Genera-tion von Anthologien der „Migrationsliteratur“. In: ARNOLD, Heinz Ludwig: Literatur und Migration. München: Edition Text + Kritik Verlag. 2006. S. 233-245. Besonders S. 233f.

Page 30: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

29

und Harald Weinrich unterstützten immigrierte Schriftsteller dabei ihre Texte

zu veröffentlichen. Laut Hamm sind die in den 80er Jahren erschienenen An-

thologien ein negatives Merkmal in der Geschichte der Migrationsliteratur,

welche die Autoren als Vertreter der Gastarbeiterliteratur präsentieren:

In den Jahren des Anfangs erschienen vorwiegend Anthologien, in denen sich Gastarbeiterautoren und -autorinnen als Einheit vorstellen: Sieht man einmal von Aras Ören ab, der bereits in den siebziger Jahren als Buchautor Berühmtheit erlangte und bezeichnenderweise in keiner Anthologie zu finden ist, dann fie-len Einzelautoren allenfalls Kennern der Szene auf. Heute sind Namen wie Franco Biondi, Aysel Özakin, Saliha Scheinhardt, Rafik Schami oder Sinasi Dikmen ein Begriff. Mit ihren Namen verbinden sich bestimmte Schreibhaltungen, Erfahrungen, Er-zählweisen oder Gattungen.63

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die zunehmende Zahl der Institutio-

nen wie das Institut für Deutsch als Fremdsprache in München und auch der

bedeutende Adalbert-von-Chamisso-Preises der Robert-Bosch- Stiftung eine

beträchtliche Unterstützung für die Autoren bedeuten. Bis zum Beginn der

80er Jahre erschienen sozial-dokumentarische Werke, die literaturwissen-

schaftlich allmählich ihre Bedeutung Manifestierte. Die Rezeption der Migra-

tionsliteratur stieg seit den 90er Jahren deutlich an und wird meist nicht als

„Exotikum“ rezipiert sondern als Bereicherung der deutschen Literatur ange-

sehen.64

Dank der Bemühungen der ersten in Deutschland lebenden nichtdeutschen

Autoren, besonders die aktiven Pionieren, hat die Migrationsliteratur ihre

bedeutende Stellung in der deutschen Literaturlandschaft immer weiter aus-

bauen können. In den 90er Jahren wandeln sich die kritischen Urteile über die

deutschsprachigen Autoren fremder Herkunft zum Positiven. Ackermann

63 HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 164f. 64 Vgl. ACKERMANN, Irmgard: Nachwort. In: Dies. (Hrsg.): Fremde Augenblicke. Mehrkulturelle Literatur in Deutschland. Bonn: Inter Nationes Verlag. 1996. S.168-171. Besonders S. 170f.

Page 31: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

30

schrieb im Jahr 1996 in ihrem Buch Fremde Augenblicke über die verbesser-

te gegenwärtige deutsche Rezeption:

Auch die Rezeption dieser Literatur hat in den letzten zehn Jah-ren durch Medien, Tagungen, Podiumsdiskussionen, Lesereisen im In- und Ausland und auf mehreren Ebenen koordinierte Ver-anstaltungen eine neue Dimension gewonnen. Sie hat Widerhall gefunden.65

In demselben Buch erklärt Ackermann die Unterschiede zwischen der Ver-

breitung und der literarischen Qualität:

Auflagenhöhe, Anzahl der Lesereisen und Zustrom bei Lesun-gen können Hinweise geben, sind aber allein noch kein Maßstab für literarische Qualität. Es ist kein Geheimnis, daß sich zum Beispiel Lyrik schwer verkauft.66

Frauen waren unter der ersten Schreibergeneration kaum vertreten, was sich

aber im Laufe der Zeit änderte.

Zur Literatur von Frauen: es ist eindeutig, daß Männer unter den ausländischen Autoren deutscher Sprache zahlreicher ver-treten sind als Frauen, daß vor allem die erste Etappe fast aus-schließlich von Männern geprägt war. Inzwischen haben sich jedoch Frauen ebenfalls ihren Platz erschrieben und wichtige Akzente in dieser Literatur gesetzt.67

Ackermann erklärt ausführlich die Lage der Autorinnen und diskutiert die

deutsche Rezeption ihrer literarischen Produktion. Beispielsweise verlegte

Aysel Özakin68 ihren Wohnsitz aus der Türkei nach England und schreibt nur

auf Englisch; damit gehören ihre Werke nicht mehr zur multikulturellen Lite-

65 Ebd. S. 168. 66 Ebd. S. 169. 67 Ebd. S. 170. 68 Die türkische Schriftstellerin hat fünf Werke in den 80er Jahren veröffentlicht, die auf Türkisch übersetzt wurden. Sie gilt neben Saliha Scheinhardt als die bedeutendste türki-schen Schriftstellerinnen in Deutschland. Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 145.- Vgl. ACKERMANN: Nachwort. S. 171.

Page 32: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

31

ratur in Deutschland. Die wichtigsten Autorinnen, die literarische Texte in

Deutschland veröffentlicht haben, werden auch von Ackermann zusammen-

getragen. Aus der Türkei stammen u.a.: Alev Tekinay, Renan Demirkan,

Saliha Scheinhardt, Zahra Cirak und Emine Sevgi Özdamar; aus Griechen-

land: Eleni Torossi, Fotini Ladaki und Dadi Sideri-Speck; aus dem ehemali-

gen Jugoslawien: Dragica Rajcic und Irena Vrkljan; aus Ungarn: Zsuzsanna

Gahse und Christina Viragh; aus Bulgarien: Rumjana Zacharieva und

Rumjana Ebert; aus Portugal: Luisa Hölzl; aus Persien: Fahimeh Farsaie und

Torkan; aus Japan: Yoko Tawada.69

Auffällig ist, dass keine arabische Literatin in dieser summarischen Darstel-

lung vertreten ist. Dies bestätigt meine Annahme, dass die arabischen Schrift-

stellerinnen in diesem Zeitraum kaum Aufmerksamkeit bekamen, und daher

in den Studien unerwähnt bleiben. Jedoch gibt es eindrucksvolle Autorinnen,

wie die irakische Schriftstellerin Huda Al-Hilali, die zur ersten arabischen

Generation von Schriftstellerinnen zählt. Ein Grund für ihre geringe Rezepti-

on ist sicherlich, dass sie ihre Erzählungen mündlich bei Abendlesungen vor-

trug und sich weniger mit der Publizierung oder Verschriftlichung ihrer Texte

beschäftigte.

Abschließend ist festzuhalten, dass es viele Gründe für die Akzeptanz der

Migrationsliteratur in der deutschen Literaturszene gibt. Die wichtigen Ver-

treter der Migrationsliteratur stammten aus diversen Minderheiten, aber die

arabischen Autoren sind lediglich einige Pioniere. Im folgenden Abschnitt

wird gezeigt, dass die Etablierung der Migrationsliteratur in Deutschland

auch von den türkischen und italienischen Autoren geleistet wurde.

69 Vgl. ebd. S. 171.

Page 33: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

32

2.2 Die literarischen Anfänge der Immigranten

2.2.1 Die italienischen Schriftsteller

Wegen der bedeutenden Zahl der italienischen und türkischen Schriftsteller,

die seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. in Deutschland leben, erscheinen diese

zwei Gruppen häufig in den deutschen Forschungen zum Thema Migration

und Migrationsliteratur. Der Kontakt zwischen diesen Gruppen untereinan-

der war wegen der Zusammenarbeit in den 80er Jahren in kulturellen und

literarischen Vereine wie „Polykunst“ und „Südwind“ möglich. Das Interesse

und die Bemühungen der immigrierten Schriftsteller dieser Minoritäten wa-

ren in den 80er Jahren - für die Migrationsliteratur - in Deutschland prägend.

Die deutliche Wirkung dieser Schriftsteller in der deutschen Sprache er-

scheint in der Schöpfung neuer sprachlicher Bilder und in der Aufladung alter

Bilder mit neuen fremdartigen und interessanten Bedeutungen.70 Die Darstel-

lung der Entstehung und Entwicklung der Migrationsliteratur der italieni-

schen Minderheit seit den 50er Jahren bis in die 80er Jahre verlangt zuerst

eine Darstellung des Status der Autoren, die zwischen ihrer Muttersprache

der deutschen Sprache pendelten.

Seit 1955 bildete sich die italienische Minderheit in Deutschland. In den 60er

Jahren erschien auf dem deutschen Buchmarkt eine Literatur der italienischen

Gastarbeiter, die in den 50er Jahren eine große Gruppe von Arbeitsmigranten

bildeten.71 Ihre Veröffentlichungen in den 60er Jahren wurden nur als die

ersten literarischen Versuche betrachtet. Der Italiener Gino Chiellino hat

diese Phase beschrieben, in der der Migrant sich durch das Blatt Papier als

Schreibpartner, Mitteilungsbasis an den Leser, als einen Ersatz für den

70 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 36. 71 Vgl. SPAICH, Herbert: Fremde in Deutschland - Unbequemes Kapitel unserer Ge-schichte. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. 1981. S. 32.

Page 34: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

33

menschlichen Kontakt, richtete.72 Gino Chiellino erklärt in dem folgenden

Zitat die Isolation und die Notwendigkeit den Weg zum Partner in der Frem-

de zu finden:

Die erste Stufe stellt die Zeit der Isolation der einzelnen Auto-ren dar. Die Zeit der Entdeckung des Papierblattes als Ge-sprächspartner in der Isolation, als Partner gegen die Isolation. Es ist dies die Zeit der ersten zaghaften Versuche, gegen eine doppelte Isolation anzugehen. Der Schreibende fühlt sich durch die eigene Fremdheit von der deutschen Umgebung isoliert. Er muß erfahren, daß ihm nicht nur die deutsche Umgebung fremd ist, sondern daß er selbst Träger von Fremdheit ist.73

Ende der 70er Jahren wurde das Interesse an dieser neuen Literatur gestei-

gert. Die Autoren wendeten sich nun, nachdem sie jahrelang ihre Werke auf

Italienisch geschrieben haben, der deutschen Sprache als der Sprache ihrer

Werke. In dieser Zeit entstanden einige italienischen Vereine, wie ALFA

(Associazione Letteria Facolta Artistiche) im Jahr 1974 und Zeitschriften,

wie die zweisprachige Zeitschrift Incontri im Jahr 1975.74 Allmählich wurde

die deutsche Sprache die Sprache der meisten veröffentlichten Texte. Wer

nicht auf Deutsch schrieb, ließ seine Werke ins Deutsch übersetzt.75 Die

Gastarbeiter haben damals ein geringes Publikum, zumeist bestehend aus

italienischen Landsleuten, gehabt.76

Die deutsche Sprache nimmt in dieser Zeit immer mehr an Wichtigkeit zu,

dies vor allem, weil sie als Verständigungsmittel für die Minderheiten unter-

einander wird: Die deutsche Sprache wird „Ausdruck multinationaler Soli-

darität“.77 Die in Deutschland lebenden Italiener verwendeten die deutsche

Sprache untereinander und einige von ihnen haben auf ihren Besonderheiten

72 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 32f. 73 Vgl. CHIELLINO, Gino: Literatur und Identität in der Fremde. Zur Literatur der italie-nischen Autoren in Bundesrepublik. Augsburg: Bürgerhaus Kresslesmühle. 1985. S. 29f. 74 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 33f. 75 Vgl. ebd. 76 Vgl. ebd. S. 35. 77 Vgl. ebd.

Page 35: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

34

und ihrer kulturellen Tradition beharrt.78 Die bedeutenden Autoren in den

80er Jahren waren Franco Biondi, Gino Chiellino und Guiseppe

Giambusso.79 In 80er Jahren waren die italienischen Schriftsteller wichtige

Mitglieder in „Südwind“ und „Polykunst“. Biondi und Chiellino waren die

bekanntesten aktiven Schriftsteller, die mit anderen Autoren zusammen arbei-

teten. In „Südwind“ erschienen zwei Anthologien, deren Beiträge nur von

italienischen Lyrikern geschrieben worden waren. Die erste Anthologie Wur-

zeln hier / Le radici qui, wurde im Jahr 1982 veröffentlicht. Die zweite An-

thologie trug den Titel Nach dem Gestern / Dopo ieri; sie wurde im Jahr

1983 veröffentlicht.80

Wie bereits erwähnt, kann man die Entwicklung der italienischen Migrations-

literatur chronologisch einteilen. Es gibt drei Stufen; jede Stufe bedeutet ei-

nen Fortschritt, jede dauerte etwa ein Jahrzehnt:

In den 50er Jahren geschah die Initiation der Migrationsliteratur

durch Veröffentlichung der Übersetzungen der Werke, die von

den italienischen Autoren geschrieben wurden.

In den 60er Jahren erschienen die Schreibversuche in deutscher

Sprache.

In den 70er Jahren dominierte das Deutsche als Literatursprache

der Migranten. Die Rezeption dieser Literatur stieg an.

2.2.2 Die türkischen Schriftsteller

Die Türken arbeiteten vor dem 1.Weltkrieg als Wanderarbeiter in Zigaretten-

fabriken im Deutschen Kaiserreich. Dank der Beziehungen des deutschen

Kaiserreiches zu dem Osmanischen Reich kamen damals viele türkische Ar-

78 Vgl. ebd. 79 Vgl. ebd. S. 37. 80 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 94.

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35

beiter und bleiben in Deutschland als Arbeitskräfte. In den Jahren 1939 bis

1945 wurden 7,5 Millionen Menschen als Zwangsarbeiter, aus vielen Län-

dern, wie Polen, Sowjetunion, Frankreich u.a. in das Deutsche Reich ge-

bracht.81

Später als die Anwerbung italienischer Arbeiter begann die Anwerbung türki-

scher Arbeiter, nämlich im Jahr 1963. Folglich gab es bis dahin keine tür-

kisch-literarischen Produkte in deutscher Sprache. Bemerkenswert ist, dass

bereits 1965 die ersten türkischen Werke auf dem deutschen Buchmarkt er-

schienen. Im Vergleichen zu den arabischen Autoren scheint es wichtig zu

erwähnen, dass das erste arabische Werk in der BRD 1969 publiziert wurde:

Mustapha El-Hajaj.82

Als die Wirtschaftskriese 1973 einsetzte, lebten über 100.000 Türken in der

BRD. Zu der ersten Generation türkischer Einwanderer zählten Nevzat Üs-

tün (1924-1979), Bekir Yildiz (1933-1998) und Yüksel Pazarkaya (geb.

1940). Sie haben ihre ersten Werken in den Jahren 1965/66 in türkischer

Sprache geschrieben.83 Üstün (1924-1979) hat sein Roman Almanya,

Almanya im Jahr 1965 veröffentlicht, in dem zum ersten Mal ein türkischer

Schriftsteller die Folgen der Migration darstellt.84 Man kann dieses Werk als

das erste Werk zum Thema Migration in der türkischen Migrationsliteratur

betrachten.

Yildiz schrieb als der erste Betroffene über verschiedene Themen in seinen

Werken. Sein Roman Die Türken in Deutschland bekam keine große Reso-

nanz, wie der Roman Pazarkayas.85 Pazarkaya, der dritte Pionier, ist ein be-

81 Vgl. SPAICH: Fremde in Deutschland - Unbequemes Kapitel unserer Geschichte. S. 209. 82 EL-HAJAJ, Mustapha: Vom Affen, der ein Visum suchte und andere Gastarbeiterge-schichten. Wuppertal: Jugenddienstverlag. 1969. 83 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 40. 84 Vgl. ebd. S. 41. 85 Vgl. ebd.

Page 37: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

36

deutender Schriftsteller in der Türkei. Er schrieb auf Türkisch die ersten Ge-

dichte zum Thema Arbeitsmigration. Er hat neben eigenen Werken Überset-

zungen aus dem Deutschen ins Türkische und umgekehrt veröffentlicht. Er

schreibt auf Türkisch und Deutsch. In den Jahren 1965/66 veröffentlichte er

seine ersten Gedichte zum Thema Migration in einer türkisch-sprachigen

Metaller-Zeitung in Stuttgart.86 In den 70er Jahren erschienen auch einige

türkische Autoren, die in den Sprachen Türkisch und Deutsch ihr Alltagsle-

ben literarisch verarbeitet haben. Zu den Betroffenen gehört auch Fethi

Savaşçi (1930-1989).87 Zu den bedeutendsten Autoren in der Türkei gehört

auch Fakir Baykurt (1929-1999), der seit 1980 in Deutschland lebte. Bevor

er in die BRD immigrierte, hat er in der Türkei mehr als zwanzig Werke ver-

öffentlicht. Er schrieb zuerst Türkisch, später Deutsch. Ararat Verlag hat die

Aufgabe, einige Übersetzungen von seinen Werken ins Deutsche zu über-

nehmen.88

Aras Ören (geb. 1939) genießt den größten Bekanntheitsgrad unter den tür-

kischen Autoren. Er ist der prominenteste türkische Autor, der auch in

Deutschland als der meistgelesene gilt.89 Seit 1969 lebt er in Deutschland. Im

Jahr 1970 veröffentlichte er seinen Gedichtband Disteln für Blumen, aber

dieser Band bleibt ohne Echo. Im Jahr 1973 veröffentlicht der Verlag Rot-

buch seine Werke in deutscher Übersetzung. Der literarische Durchbruch

gelang ihm mit seinem Werk Was will Niyazi in der Naunynstraße. Die Ver-

kaufszahlen lagen bei über 10.000 Exemplaren. Schließlich scheint es wichtig

zu erwähnen, dass er 1983 den Adalbert-von-Chamisso-Preis gemeinsam mit

Franco Biondi erhielt.90 Nach Bazarkaya wird Güney Dal (geb. 1944) als der

wichtigste türkische Schriftsteller betrachtet.91 Die Schriftstellerin Aysel

86 Vgl. ebd. 87 Vgl. ebd. S. 42. 88 Vgl. ebd. 89 Vgl. ebd. 90 Vgl. ebd. S. 43. 91 Vgl. ebd.

Page 38: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

37

Özakin (geb. 1942) lebt seit 1980 in Deutschland. Sie schreibt Romane, da-

von sind einige ins Deutsche übersetzt worden.92

1980 erschienen die ersten Texte der zweiten türkischen Genration in der

Anthologie Täglich eine Reise von der Türkei nach Deutschland.93 In dieser

Zeit schreiben andere Autoren neben den Autoren der ersten Generation auf

Deutsch. Zur ersten Genration gehören Saliha Scheinhardt (geb. 1950) und

Şinasi Dikmen (geb. 1945). Sie erlernten die deutsche Sprache und veröffent-

lichten später ihre Werke auf Deutsch. Neben Pazarkaya sind sie die einzigen

Autoren der ersten Generation, die auf Deutsch schreiben.94 Dikmen wurde

unter den türkischen Autoren als der einzige bedeutende Satiriker betrachtet.

Scheinhart beschreibt in ihren Romane die Erfahrungen einer türkischen im-

migrierten Frau in der Fremde sowie in der Türkei. Sie zeichnet ein klares

Bild der türkischen Frau in ihren Romanen. Was ihre Schreibweise auszeich-

net, ist die Nähe zur Wirklichkeit.95 Laut Rösch schreibt Scheinhardt aus

einer einseitigen Perspektive und entwickelt keine interkulturelle Perspekti-

ve.96 Alev Tekinay (geb. 1951) wird auch zur aktiven türkischen Schriftstel-

lerinnen gezählt.97 Zielke-Nadkarni erwähnt, dass seit 1982 türkischen Frau-

en in der deutschen Literaturlandschaft auftauchen. Sie begonnen vereinzelt

bevor dieser Datierung in den Anthologien zu veröffentlichen.98 Die türki-

schen Autorinnen Özakin, Scheinhardt und Tekinay schreiben aus symboli-

schen, utopischen und Erfahrungsperspektiven. Diese Autorinnen verarbeiten

literarisch reale Personen in ihren Erzählungen. Manchmal sind die Geschich-

ten Erlebnisse realer Personen.99

92 Vgl. ebd. 93 Vgl. ebd. S. 44. 94 Vgl. ebd. 95 Vgl. ebd. 96 Vgl. RÖSCH: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. S. 52. 97 Vgl. ebd. S. 59. 98Vgl. ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Frauenfiguren in den Erzählungen türkischer Au-torinnen. Identität und Handlungs(spiel)räume. Frankfurt: Centaurus Verlag. 1996. S. 11. 99 Vgl. ebd. S. 7f.

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38

Die Schreibmotive der türkischen Autorinnen wurden von Zielke-Nadkarni in

ihrer Studie eingeteilt: Die „empfundene Lust, ein Bedürfnis zu schreiben“

und „die Last der sozialen, politischen und rechtlichen Probleme in der

Türkei und in der Bundesrepublik“ sind die hauptsächlichen Schreibmoti-

ve.100

Die bedeutende Zeitschrift Anadil, die Texte der türkischen Autoren veröf-

fentlichte, wurde später wegen des geringen Publikumsinteresses und der

Finanzierung nach der zwölften Nummer eingestellt. Wegen den fehlenden

Wettbewerben und Auseinandersetzungen in den 80er Jahren bleiben von den

türkischen Schreibenden nur zwei bedeutende Autoren, Ören und Bazarkaya,

übrig.101 Nach den 80er Jahren, etwa nach dem Austreten aus den Vereine

„PoliKunst“ und „Südwind“, veröffentlichten die türkischen Autoren verein-

zelt. Der deutsche Schriftsteller und türkischer Herkunft Feridun Zaimoglu

wird seit den 90er Jahren der berühmte Vertreter der türkischen Autoren in

Deutschland.

Nach den oben dargestellten Informationen über die italienischen und türki-

schen Autoren, wird ein Vergleich mit den arabischen Autoren möglich. Die

Italiener kamen seit den 50er Jahren in die BRD aufgrund der Arbeitsmigra-

tion. Sie kamen und lebten in der BRD als Gastarbeiter. Unter den türkischen

Autoren gibt es aber kaum Gastarbeiter.102 Die biografischen Notizen über

die sozioökonomische Situation der türkischen und arabischen Schriftsteller

lassen feststellen, dass sie aus intellektuellen Gründen in die BRD eingewan-

dert sind. Die meiste Autoren benutzten die Chance, in der BRD ihre Ausbil-

dung fortzusetzen; viele von ihnen haben einen Doktortitel erlangt. Unter den

arabischen Autoren haben Rafik Schami, Adel Karasholi, Fawzi Boubia und

Fouad Awwad promoviert. Anis Hamadeh hat einen Magisterabschluss er-

langt. Die arabischen Autoren, die zur ersten Generation gehören, leben seit

100 Vgl. ebd. S. 12. 101 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 45. 102 Vgl. ebd. S. 46.

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39

den 50er Jahren in der BRD, arbeiteten und studierten, gehörten aber nicht

zum Gastarbeitermilieu. Aus diesem Grund wurde in ihren Gedichten und

Prosatexten das Thema Gastarbeiter kaum behandelt.

Wie bereits erwähnt wurde, haben die italienischen und türkischen Schrift-

steller die wichtigen Schritte der Etablierung der Migrationsliteratur in

Deutschland geleistet. Von den 50er bis Ende der 80er Jahren waren sie lite-

rarisch sehr aktiv. Im folgendem wird die literarische Präsenz der arabischen

Autoren beleuchtet. Es wird gezeigt dass, trotz der geringen Zahl der arabi-

schen Pioniere, sie in der Entstehung und Entwicklung der Migrationslitera-

tur in Deutschland einen großen Teil beigetragen haben.

2.3 Die Akzeptanz arabischer Autoren und die Entwicklung der Re-

zeption arabischer Literatur

Die arabischen Schriftsteller waren insgesamt in ihren Anfängen eine kleine

Gruppe. Zu der ersten Generation dieser Autoren gehörten Rafik Schami,

Adel Karasholi, Jusuf Naoum, Suleiman Taufiq, Salim Alafenisch und Huda

Al-Hilali. Am Anfang der 80er Jahre pflegten sie enge Beziehungen zueinan-

der. Schami und Taufiq arbeiteten für eine Zeitschrift der palästinensischen

Linken. Naoum und Schami haben sich über Bekannte kennengelernt.103 Die-

se Autoren hatten nicht lediglich kollegiale Beziehungen, sondern sie waren

ebenso Mitherausgeber der „Südwind- Gastarbeiterdeutsch“ Anthologien

und der „Jahrbände des Polynationalen Literatur- und Kunstvereins“. Sulei-

man Taufiq und Khalid Al-Maaly übersetzen gemeinsam. Als Musiker beglei-

tet Fouad Awwad den Erzähler Jusuf Naoum bei seinen Autorenlesungen.104

Schami, Naoum und Taufiq trugen u.a. mit Essays, Debatten, und Veranstal-

tungen dazu bei, den Stellenwert ausländischer Literatur bei deutschen Kriti-

103 Vgl. WILD, Bettina: Rafik Schami. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. 2006. S. 78. 104 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 161f.

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40

kern zu erhöhen. Schami und Biondi haben gemeinsam den ersten Artikel

über Migrationsliteratur geschrieben und veröffentlicht. Leila Kater, Taufiq

Hamdoch, Osman Saad, Jabir Abdul und Sami El-Sadiq haben vereinzelt

eigene Lyrikbände bei Selbst- oder in Kleinverlagen veröffentlicht. Jedoch

bleiben ihre Namen als Dichter in der deutschen Literaturlandschaft weitest-

gehend unbekannt.105 Khalil findet, dass nur Adel Karasholi in der ehemali-

gen DDR ein Einzelfall unter den Arabern war. Er trat erst in den 70er Jah-

ren als arabischer deutschsprachiger Autor in Erscheinung und hat sich in der

anfänglichen Phase der Gastarbeiterliteratur nicht beteiligt.106

Von Beginn an haben die arabischen Autoren in Deutschland um ihre literari-

sche Präsenz gekämpft, soviel steht fest. Seit den ersten deutsch-arabischen

literarischen Bemühungen, mit Ackermann und Weinrich bis in die 80er Jah-

re, waren die arabischen Migranten bemüht ihre Rezeptionsraum auszuwei-

ten.107 Zusätzlich förderten sie die Akzeptanz von Literatur verschiedener

Minderheiten in Deutschland, da nach Schami ausländische Autoren von

deutschen Kritikern nach ungleichen Maßstäben beurteilt werden:

Oft wird unsere Literatur entweder mit Samthandschuhen oder mit eiserner Zange angefasst. Die Samthandschuhe sind mit Mitleid getränkt und lassen deshalb die Hände über die Oberflä-che dieser Literatur gleiten. Die Zange dagegen zerquetscht auch die schönsten Märchen, Novellen oder Gedichte, so dass

105 Vgl. ebd. S. 156. 106 Vgl. ebd. S. 150. 107 Hartmut Fähndrich teilt die Präsenz der arabischen Literatur in Deutschland in drei Phasen ein. Die erste Phase der öffentlichen Wahrnehmung der arabischen Literatur lag in den 60er und 70er Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Es fanden sich damals wenige Übersetzungen von Mahmoud Darwisch und Ghassan Kanafani in den Regalen kleiner Läden, die Waren aus südlichen Ländern verkaufen. Damals erschienen zwei wichtige Buchreihen: In der BRD Erkundungen, in der DDR Erzähler der Welt. Geschichten aus Syrien, Ägypten und Algerien wurden in dieser Reihe veröffentlicht. Diese beiden Buch-reihen gelten als die ersten Bemühungen, arabische Literatur dem deutschen Publikum vorzustellen. In der zweiten Phase, in den 80er Jahren, war die arabische Literatur stärker auf dem deutschen Buchmarkt vertreten. Die Ignoranz gegenüber dem Wert dieser Litera-tur prägte diese Phase; die arabische Literatur wurde damals nicht als eine reife Literatur behandelt. In der dritten Phase kam es zur „Stabilisierung“ der Präsenz der arabischen Literatur. Vgl. FÄHNDRICH, Hartmut: ÍuÃÙr al-adab al-ÝarabÐ al-mutarÊam fÐ SÙq al-bÐlād al-mutakallima bi-l-almānÐya. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 39-48. Besonders S. 40f.

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41

nur wenig von dem Saft ihrer Inhalte zum Vorschein kommt […] unsere Literatur hat keinen Mitleidbonus nötig. Sie stellt sich der Kritik, indem sie erscheint. Mehr kann eine Literatur nicht tun. Es liegt also an den Kritikern der Mehrheit, den Stel-lenwert dieser Literatur tastend zu erfahren, ohne Samthand-schuhe und ohne Zangen.108

Taufiq schlug vor, die deutschen Kritiker müssten die Geschichte, die Her-

kunft und die Gegenwart der ausländischen Autoren kennenlernen, um die

Texte zu verstehen. Nach Taufiq sollen die Kritiker den Text entdecken und

seine Bedeutung aufzeigen, aber ihn nicht vergewaltigen. Schließlich meinte

Taufiq, dass der Inhalt eines Textes, seine Authentizität und die Betroffen-

heit, die er beim Leser auszulösen vermag, nicht allein ausschlaggebend sind.

Vielmehr ist es die Aufgabe der Kritik, seine ästhetische Besonderheit zu

zeigen.109 Das Zitat Suleiman Taufiqs erklärt die literarische Integration, die

die Migranten mithilfe ihrer Werke beabsichtigen. Sie wollen ein Teil des

kulturellen Lebens in Deutschland werden:

[…] und diese Art, wie wir Literatur schreiben, ist aus unserer Sicht eine Bereicherung der deutschen Literatur, und unser Ziel ist es, daß diese Gastarbeiterliteratur als ein Teil der deutschen Literatur anerkannt wird. Darum kämpfen wir und setzen uns ein.110

Der literarische Kampf trug seine Früchte; die arabischen Autoren begannen,

ihre Texte nach und nach zu veröffentlichen. Die Migrationserfahrung prägte

ebenfalls die in den 80er und 90er Jahren erschienenen Werke wie Eine Hand

voller Sterne und Erzähler der Nacht von Rafik Schami und Der rote Hahn,

108SCHAMI, Rafik: Eine Literatur zwischen Minderheit und Mehrheit. In: ACKERMANN, Irmgard/WEINRICH, Harald (Hrsg.): Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der „Ausländerliteratur“. München u.a.: Piper Verlag. 1986. S. 55-58. Besonders S. 58. 109 Vgl. TAUFIQ, Suleiman: Natürlich: Kritik. In: ACKERMANN, Irmgard/WEINRICH, Harald (Hrsg.): Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der „Auslän-derliteratur“. München u.a.: Piper Verlag. 1986. S. 74-78. Besonders S. 77. 110PHOTONG-WOLLMANN, Pimonmas: Literarische Integration in der Migrationslitera-tur anhand der Beispiele von Franco Biondis Werken. Dissertation. 1996. S. 57.

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42

Der Scharfschütze und Kaktusfeigen von Jusuf Naoum.111 Die Grenzen zwi-

schen der „heimischen“ und „ausländischen“ Literatur verschwanden, weil

alle Autoren in derselben Sprache schreiben und sich an das deutsche Publi-

kum wenden. Schließlich wurden die arabischen Autoren zur deutschen Lite-

ratur zugehörig und als ein Teil der deutschen Literatur angesehen. Insbe-

sondere nach der Vereinigung Deutschlands spürten die arabischen Autoren

ihren Erfolg; im Ost und West begann die starke öffentliche Wahrnehmung

arabischer Autoren. Karasholi erfreute sich in Westdeutschland einer guten

Rezeption. Die drei im Westen lebenden Autoren Schami, Naoum und

Alafenisch wurden von der Kritik positiv aufgenommen. 1993 feierte Schami

eine erfolgreiche Premiere in Ostdeutschland. Einen solchen Erfolg erlebten

auch Naoum und Alafenisch 1994 in Dresden.112

Ein bedeutender Schritt in der Verbreitung und Popularisierung arabischer

Literatur waren arabische Beiträge in Anthologien, Literaturzeitschriften

oder Sammelbänden, die nicht spezifisch Migrationsliteratur behandelten.

Anfangs hatten die arabischen Autoren vorwiegend in ausländerspezifischen

Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht. In Sammelbänden und

Literaturzeitschriften, die nicht spezifisch Migrationsliteratur behandeln, er-

scheinen inzwischen arabische Texte. Hierzu wird die Veröffentlichung von

Al-Maalys Gedichten und Übersetzungen in der Zeitschrift Akzente als Bei-

spiel genannt.113 1985 wird in Akzente die irakische Lyrik seit 1945, zusam-

mengestellt von Al-Maaly und Stefan Weidner vorgestellt.

In der freien Begegnung mit dem deutschen Publikum auf Lesungen, die in

Bibliotheken, Buchhandlungen, Stadt- und Gemeindebüchereien, Kirchenor-

111Vgl. TAUFIQ, Suleiman: Impressionen einer Stadt. In: ACKERMANN, Irm-gard/WEINRICH, Harald (Hrsg.): Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestim-mung der „Ausländerliteratur“. München u.a.: Piper Verlag. 1986. S. 148-150. Besonders S. 150f. 112 KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 119f. 113 Vgl. Khalid Al-Maalys Gedichte in Akzente Nr. 40. 1993. Im selben Heft veröffentlich-te Heribert Bekker einen Artikel über ihn.

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43

ganisationen usw. stattfinden, bildeten die arabischen Autoren eine Brücke,

um die Völkerverständigung und die Annäherung zwischen den Kulturen zu

realisieren. Dies zeigt die zunehmende arabische Präsenz und die verbesserte

deutsche Rezeptionslage.114

In den deutschen lokalen Zeitungen, Tageszeitungen und Zeitschriften kann

man seit den 80er Jahren zahlreiche Äußerungen arabischer Autoren im Hin-

blick auf die Rezeption ihrer Werke in Deutschland finden. Dazu erscheinen

Veröffentlichungen, Gespräche und Essays einzelner arabischer Autoren in

Zeitungen wie Die Zeit, der Süddeutschen Zeitung und in der Frankfurter

Allgemeinen Zeitung.115

Anders ist die arabische Präsenz in Sammelrezensionen und Publikationen.

Die arabischen Autoren sind entweder völlig übersehen worden oder werden

nur am Rande behandelt. Beispielsweise wurden 1988 Interviews mit auslän-

dischen Künstlern in dem Sammelband Die Reise hält an veröffentlicht; kein

arabischer Autor wurde in diesem Band behandelt. Ein weiteres Beispiel ist,

dass Fritz J. Raddatz in dem Artikel „In mir zwei Welten“ für Die Zeit von

1994, in dem er ausländische Autoren beschrieben hat, er die arabischen Au-

toren übersehen hat – bis auf eine zweimalige Erwähnung Schamis. Raddatz

erwähnte Schami einmal als einen der Bestsellerautoren und das andere Mal

am Ende des Artikels, als er einigen Autoren dankt: Chiellino, Ladaki,

Fakioglu, Schami u.a.116

Wie bereits erwähnt wurde, wurden die arabischen Autoren unterschiedlich

rezipiert. In der Öffentlichkeit wurden sie mit Begeisterung vom deutschen

Lesepublikum empfangen. Anders wurden sie mit Ignoranz von den Kritikern

und Fachleuten aufgenommen. Im folgendem wird kurz beleuchtet, wie sich

114 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 125. 115 Vgl. ebd. 116 Vgl. ebd.

Page 45: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

44

die literarische Präsenz der ausländischen Autoren entwickelte und wie sich

die Rezeptionslage dieser Autoren verbesserte.

2.4 Die Entwicklung der deutschen Rezeption deutschsprachiger Mig-

rationsliteratur

Dank der Analysen, Untersuchungen und Berichte von Wissenschaftlern,

Literaturtheoretikern und Journalisten steigt die Akzeptanz der Migrationsli-

teratur. Die gemeinsamen Bemühungen der Verleger und der deutschen Lite-

raturwissenschaft seit den 80er Jahren unterstützen die Rezeption der Migra-

tionsliteratur, wenngleich sich die Literatur langsamer als die „deutsche“ Li-

teratur etabliert hat.117 Der italienische Schriftsteller Gino Chiellino teilt die

Entstehung und die Entwicklung der Migrationsliteraturgeschichte in drei

Phasen ein. Die erste Phase ist die Entdeckung des Schreibens als Mittel ge-

gen die Isolation in der Bundesrepublik Deutschland; die zweite Phase be-

steht in dem Drang der Autoren, zu verfassen und zu veröffentlichen; die

dritte Phase bildet die Verbreitung der Literatur bei dem deutschen Lesepub-

likum.118

Von der wissenschaftlichen Seite wurden Einordnungsversuche unternom-

men sowie die ästhetischen Werte und Reaktionen des deutschen Lesepubli-

kums lange diskutiert. Das bedeutet nicht, dass alle deutschen Kritiker diesen

Werken mit Lob begegneten. Amir Mansour Bavar hat in seinem Werk an-

gemerkt:

Nicht unbeobachtet bleibt jedoch, dass bei manchen Arbeiten die Kommentare hin und wieder zu einer gönnerhaften Sprache tendieren und manchmal sogar „herablassend“ gelesen werden können. Mehr oder weniger explizit kommt in fast allen Annä-herungen an die deutschsprachige Migrationliteratur die Hoff-

117 Vgl. BAVAR, Amir Mansour: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. Ludicium Verlag. 2004. S. 16f. 118 Vgl. CHIELLINO: Literatur und Identität in der Fremde. S. 29.

Page 46: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

45

nung zum Ausdruck, dass sich über den Umweg literaturwis-senschaftlicher Fragestellungen auch die soziologisch gestellte Frage „Wer und wie sind die Inländer?“ beantworten ließe. Dass die Antworten den literarischen Gegenstand etwas aus den Augen verlieren, lässt sich bei solchen Herangehensweisen nicht immer vermeiden.119

Die Autoren, die ihre Werke auf Deutsch schreiben, bekommen von der Öf-

fentlichkeit und den Kritikern mehr Aufmerksamkeit, wenngleich sie ihre

Werke unmittelbarer der Übersetzung veröffentlichten. Laut Hamm wurden

seit Ende der 80er Jahre die Übersetzungen aus der türkischen und italieni-

schen Sprache zu einer Ausnahme.120 Hamm schreibt über die neuen Zustän-

de und Gattungsspezifikum der immigrierten Autoren:

Die Werke Saliha Scheinhardt interessieren nur ein deutsches Publikum, die Märchen Rafik Schamis fänden im arabischen Lebensraum nur schwer einen Zuhörer. Der deutsche Litera-turmarkt hat sich dieses Genres bemächtigt.121

Die Autoren der zweiten Generation haben eine wichtige Rolle in der ge-

schichtlichen Entwicklung der Migrationsliteratur gespielt. Zu dieser Gruppe

gehörten vor allem Levent Aktoprak, Jose F.A. Oliver, C. L. Mura, Hülya

Özakan, Zahra Cirak und Zafer Senocak.122 Die arabischen Autoren der

zweiten Generation spielten ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Autoren dieser

Generation lassen sich in solche Autoren einteilten, die in ihrer arabischen

Muttersprache schreiben und direkt aus ihrer Heimat nach Deutschland ge-

kommen sind wie u.a. Amal Al-Jubouri, Kaouther Tabai; oder Autoren, die

in der deutschen Sprache schreiben, diese erst erlernen mussten oder die in

Deutschland geboren sind wie Anis Hamadeh. In der Regel bedienen sich

diese Autoren der deutschen Sprache mehr als der arabischen und sind oft-

mals mit einem Identitätskonflikt konfrontiert. Trotz ihrer nicht fest umrisse-

119 Ebd. S. 16f. 120 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 164. 121 Ebd. 122 Vgl. BUZ, Metin: Literatur der Arbeitsemigration in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt am Main: Tectum Verlag. 2002. S. 7.

Page 47: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

46

nen Identität, wie Hamm123 in Bezug auf die Kinder der zweiten Generation

betont hat, nimmt jeder dieser Autoren eine eigene Tendenz an. Das Leben

mit arabischen Eltern in einer deutschen kulturellen Umgebung hat ihnen

kulturelle und literarische Wurzel gegeben. Einige bleiben der arabischen

Erzählkunst verbunden, andere haben über ihre Heimatsituationen aus einer

individuellen Perspektive geschrieben. Eine Ausnahme stellen die Autoren

dar, die für sich eine Sprache oder mehrere entscheiden.

Die Entwicklung der arabischen Literatur in Deutschland wird in den folgen-

den Abschnitten ausführlich untersucht. Insbesondere bei Schami, Karasholi

und Taufiq. Im Folgenden wird die Förderung der ausländischen Autoren

von den deutschen Institutionen untersucht. Vor allem spielen die Literatur-

preise die wichtigste Rolle in der Verbreitung der Rezeption der Migrations-

literatur. Der Adelbert-von-Chamisso-Preis ist hier ein gutes Beispiel.

2.5 Die Rolle der Literaturpreise in der Rezeption – Adelbert-von-

Chamisso-Preis

Seit den 80er Jahren wird in Deutschland der Adelbert-von-Chamisso-Preis

von der Stuttgarter Robert-Bosch- Stiftung vergeben. Die Stiftung des Adel-

bert-von-Chamisso-Preises und der daran angeschlossene Förderpreis haben

zum Ziel Autoren, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, zu fördern. Seit

2007 ist der Preis mit fünfzehntausend Euro dotiert. Daneben werden bis zu

zwei Förderpreise vergeben, bei denen auch unveröffentlichte Texte berück-

sichtigt werden; sie sind mit jeweils siebentausend Euro dotiert. Seit 1997

verleiht die Stiftung in unregelmäßigen Abständen auch eine (nicht dotierte)

Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis an Persönlichkeiten, die durch

ihr Lebenswerk in besonderer Weise im Sinne des Chamisso-Preises gewirkt

haben. Die Bekanntgabe der neuen Preisträger erfolgt jährlich auf der Frank-

123. Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 92.

Page 48: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

47

furter Buchmesse. Die feierliche Preisverleihung findet jeweils im Februar in

München statt.

Adelbert-von-Chamisso-Preis trägt den Namen des französisch-deutschen

Schriftsteller, Louis Charles Adelaide Chamisso de Boncourt. Der als Emig-

rant unter dem Namen Adelbert von Chamisso bekannter deutscher Dichter

geworden ist. 1781 wurde er auf einem Schloss in der Campagne geboren,

die Wirren der Französischen Revolution trieben seine Familie aus dem Land.

Erst mit fünfzehn Jahren lernte Chamisso im Berliner Exil die deutsche Spra-

che. Heinrich Heine hat Chamissos Empathie erklärt:

Sein Herz ist ja so jung und blühend; in ihm ist der Mensch nicht geschieden von dem Dichter, sein Wort ist sein Herz, und dieses Herz ist groß und schön und jung und blühend.124

Chamisso, der zwischen zwei Länder, Kulturen und Literaturen lebte, suchte

sich seine Welt. Als Vorbild aller ausländischen Emigranten, besonders der

deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, kann man ihn neh-

men um die Denkmethode der Emigranten zu erklären. Er fand in der deut-

schen Sprache was er in Napoleons Frankreich nicht entdecken könnte, reali-

sierte es in seiner neuen Heimat. Er sagte:

Ich habe mich angebaut, in meinem Lande, der ewig steten Welt der Wahrheit, der Ideen, der Dichtung. Verblasst ist vor mei-nem Blick die sogenannte Wirklichkeit mit ihren wechselnden Zufälligkeiten; Notwendigkeit, Ewigkeit und inneres Leben ist meine Wohnung.125

Dieser Preis leistete einen Beitrag zur Anerkennung der Gastarbeiterliteratur;

der Südwindgruppe in den 80er Jahren und offenbarte die ästhetischen Quali-

täten der deutschsprachigen ausländischen Schriftstellerinnen und Schriftstel-

ler in Deutschland. Der Preis gilt auch als eine Ermutigung für die ausländi-

124 Ebd. S. 10. 125 Ebd. S. 106.

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48

schen deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller weiterhin in

deutscher Sprache zu veröffentlichen. Das Ziel war, den Wert der Sprache

als geistigem Mittler zwischen den verschiedenen Völkern und Nationen zu

bekräftigen und Grenzen abzubauen. Diese Grundgedanken wurden bereits

1985 bei der ersten Verleihung des Chamisso-Preises an die Autoren Rafik

Schami und Aras Ören realisiert. Jeder Preisträger wird nach der Verleihung

des Preises als Chamissos Enkel bezeichnet und betrachtet.

Im Juni 1984 wurde erstmals ein literarischer Förderpreis an einen deutsch-

sprachigen Autor, der auch nur auf Deutsch veröffentlichte, verliehen. Sei-

nerzeit hat der Vortrag von Professor Harald Weinrich, Leiter des Instituts

für Deutsch als Fremdsprache an der Universität München, Aufsehen und

Aufmerksamkeit erregt. Laut Weinrich haben diese Autorinnen und Autoren

neue Ausdrucksformen und sie entdecken deren Ausdrucksreichtum und

deren sensible Differenzierung.126

Die arabischen Schriftsteller, die den Adelbert-von-Chamisso-Preis seit 1985

erhalten haben, sind nur vier, unter ihnen gibt es keine Schriftstellerinnen

(Arabische Schriftsteller wurden 1985, 1992, 1993, 1998 und 2003 nomi-

niert). Rafik Schami wurde 1985 zusammen mit Aras Ören der Förderpreis

verliehen und 1993 zusammen mit Smet Elci ein zweites Mal. Adel Karasholi

wurde 1992 mit Galsan Tschinag nominiert. Abdellatif Belfellah wurde 1998

mit Natascha Wodn nominiert. 2003 wurden Ilma Rakusa, Marica Bodroži

und Hussein Al-Mozany nominiert.

Schami wurde für sein Werk als Märchenerzähler geehrt und betont in seiner

Dankesrede, dass er als Märchenerzähler einen Platz für seine Märchen in der

deutschen Literatur zu finden sucht. Seine Erzählkunst war der Ausdruck

seines Schreibens und durch seine Werke in den 80er Jahren wurde sein Bild

126 Vgl. FRIEDRICH, Heinz: Vorwort. In: Ders. (Hrsg.): Chamissos Enkel: Zur Literatur von Ausländern in Deutschland. München: Deutsche Taschenbuch Verlag. 1986. S. 7-9. Besonders S. 8.

Page 50: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

49

des Märchenerzählers geformt. In seinen Vorlesungen und Werken hat er

sein Dasein als deutscher Schriftsteller bekräftigt.

In den nächsten Abschnitten wird ausführlich über Schami und Karasholi

sowie die Rolle der Literaturpreise, die als eine Anerkennung in der zeitge-

nössischen deutschen Literatur bei der Vergrößerung ihrer Popularität in

Deutschland gelten können, dargestellt.

Nach der Darstellung der Rolle der Literaturpreise in den 80er Jahren als

Indikator für die Verbreitung der Aufnahme der Migrationsliteratur, wird die

akademische und wissenschaftliche Rezeption der Migrationsliteratur unter-

sucht. Die wissenschaftlichen Werke sind Beweise für die Reaktion der deut-

schen Wissenschaftlern und Fachleuten auf die Migrationsliteratur. Es wird

gezeigt, dass die arabischen Autoren und Autorinnen bis in die 90er Jahre

unbeachtet von der Literaturwissenschaft blieben.

Page 51: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

50

3 Die wissenschaftliche Rezeption der Migrationsliteratur

Zum Thema multikulturelle Literatur finden sich in den wissenschaftlichen

Werken bzw. in den akademischen Studien in Deutschland eine Vielzahl von

Dissertationen und Magisterarbeiten über Migrationsliteratur. Seit den 80er

Jahren verbreitert sich die wissenschaftliche Forschung über die von Migran-

ten geschriebener Literatur. In diesen Untersuchungen wird jede Minder-

heitsliteratur alleine oder neben anderen Minderheitsliteraturen behandelt. In

der Regel untersuchen die Forschungen die Autoren der großen Minderhei-

ten in Deutschland: die italienische, türkische und griechische. Wegen der

Schriftstelleranzahl oder der zahlreichen vielfältigen Publikationen dieser

Minderheiten, gelten sie als bedeutende Phänomene. Das Forschungsfeld, das

die gesamte Migrationsliteratur als allgemeines Phänomen untersucht, kon-

zentriert sich häufig auf Schriftsteller-Pionieren der Minderheiten, beispiels-

weise der syrische Schriftsteller Rafik Schami, der italienische Autor Franco

Biondi oder die türkischen Schriftsteller Aras Ören und Aysel Özakin. Einige

Studien umfassen die zum Migrationsprozess gehörenden Fragen wie die

gesellschaftlichen und soziologischen Probleme, die Frage von Identität und

Integration, Ästhetik der Migrationsliteratur, die Anerkennung und die Ein-

bettung in der deutschen Literaturlandschaft. Schließlich beschränken sich

andere Studien auf bestimmte Fragen wie die Frauenliteratur einzelner Min-

derheiten, die einzelnen Minderheiten oder auf Untersuchung einzelner

Schriftsteller.

Der Blick auf den Titel erklärt, dass es wichtig ist, auf zwei Punkte hinzuwei-

sen: Zum einen gibt es keine selbständige Studie zum Thema Rezeption der

Migrationsliteratur in Deutschland als einzelner Schwerpunkt; auch wenn

einige Studien die Vielfältigkeit und Entwicklung der Migrationsliteratur im

deutschen Sprachraum und das deutsche Interesse an der Migrationsliteratur

behandeln. Der zweite Punkt ist, dass die Untersuchungen die arabische

Page 52: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

51

Minderheitsliteratur miteinbezieht. Selten wurden Beispieltexte von einem

arabischen Autor erwähnt oder untersucht. Lediglich die Werke der bekann-

testen arabischen Autoren wie Rafik Schami, Jusuf Naoum, Adel Karasholi

und Suleiman Taufiq wurden neben den Autoren aus anderen Minderheiten

untersucht.

Im Folgenden werden die wichtigen akademischen Studien der 80er und 90er

Jahre dargestellt, um den Anteil arabischer Literatur als Forschungsobjekt in

den wissenschaftlichen Werken bzw. in den akademischen Forschungen auf-

zuzeigen. Zuerst werden die Studien in fünf Gruppen eingeteilt. Die erste

Gruppe umfasst die Studien, die die italienische Migrationsliteratur behan-

deln. Die zweite Gruppe beschränkt sich auf die türkische Minderheitenlitera-

tur. Die dritte Gruppe umfasst die griechischen Autoren. Die vierte Gruppe

umfasst die Studien der Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen. Die fünf-

te Gruppe behandelt die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen.

3.1 Die italienischen Schrifsteller

Unter den vorhandenen Studien über die Autoren der italienischen Minder-

heit finden sich fünf wichtige Studien, entstanden in den 80er Jahren: Die

erste entstand im Jahre 1984 und wurde von Heimke Schierloh verfasst. Der

Titel dieser Studie war Das alles für ein Stück Brot. Migrantenliteratur als

Objektivierung des Gastarbeiterdaseins.127 Schierloh behandelt die Migrati-

onsliteratur anhand von Texten, die hauptsächlich von den italienischen Au-

torinnen und Autoren geschrieben wurden. Sie untersucht die Migrationslite-

ratur aus einer sozialen Perspektive und unterstreicht, dass der Schreibakt ein

Befreiungsakt ist.

127 SCHIERLOH, Heimke: Das alles für ein Stück Brot. Migrantenliteratur als Objektivie-rung des „Gastarbeiterdasein. Mit einer Textsammlung. Frankfurt am Main/Bern/New York: Peter Lang Verlag. 1984.

Page 53: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

52

Die ausländischen Autoren, wie Schierloh behauptet, können mit dem

Schreiben nach einer eigenen Kultur der ausländischen Gastarbeiter suchen

und realisieren. Was die arabischen Schreibenden betrifft, untersucht

Schierloh in ihrer Studie Gedichte von zwei arabischen Autoren, Jusuf

Naoum „Als Hund“ und „Die großen Bauten“; und von Suleiman Taufiq

„Schreien“, „Die Frage“ und „wie schwer, geduldig zu sein“.

Über die italienischen in Deutschland lebenden Schriftstellerinnen und

Schriftsteller gibt es zwei wichtige Arbeiten von Ulrike Reeg128 und Gino

Chiellino129. Beide behandeln in ihren Arbeiten nur die literarische Präsenz

der italienischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller und ihrer Veröffentli-

chungen im deutschen Sprachraum. Reeg stellt die Geschichte der Migrati-

onsliteratur der italienischen Autorinnen und Autoren dar. Dazu untersucht

sie die Entwicklungsphasen in der Migrationsliteraturgeschichte und stellt die

wichtige Rolle der ersten ausländischen Autoren in dieser Entwicklung dar.

Sie spricht ebenso über die verschiedenen Organisationsformen und Publika-

tionsformen, dann stellt sie die wichtige Rolle der Organisation „Polykunst“

in den 80er Jahren bis zu ihrer Selbstauflösung im Jahr 1987.

Der italienische Dichter und Wissenschaftler Chiellino schrieb über die Lite-

ratur italienischer Autoren in der Bundesrepublik. Er behandelt die wichtigen

Fragen der Fremde und der Identitätsentwicklung. In seiner Arbeit erläutert

er, dass die Literatur ausländischer Autoren in Deutschland eine Kommuni-

kationsform neben anderen ist. Dabei untersucht er die Kommunikations-

und Lebensformen von Ausländern und beschreibt die Literatur als literari-

sche Kommunikationsform. 1995 veröffentlichte er eine weitere Studie über

die italienische Minderheitenliteratur.130 Die Studie besteht aus drei Teilen

128 REEG, Ulrike: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bun-desrepublik Deutschland. Essen: Klartext Verlag. 1988. 1. Aufl. 129 CHIELLINO, Gino: Literatur und Identität in der Fremde. Zur Literatur italienischer Autoren in der Bundesrepublik. Augsburg: Bürgerhaus Kresslesmühle. 1985. 130 CHIELLINO, Gino: Am Ufer der Fremde. Literatur und Arbeitsmigration 1870-1991. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag. 1995.

Page 54: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

53

und umfasst die Teilhabe der Gastarbeiter an der deutschen Literatur zwi-

schen 1965-1975. Er stellt verschiedene Überlegungen über die alte und neue

deutsche Literatur an und behandelt den wichtigen Beitrag der italienischen

Autoren in der deutschen modernen Literatur. Dazu behandelt er die Rezep-

tion italienischer Literatur in Deutschland. Seine Werke beschränken sich auf

die italienischen Autoren, weil Chiellino selbst zur italienischen Minderheit

gehört, dabei untersucht er als Autor und Migrant die falschen Urteile und

Vorstellungen über Migrationsliteratur. Seine Werke kann man als ausrei-

chenden Studien über die italienischen Schreibenden in Deutschland betrach-

ten. Photong-Wollmann131 verfasste im Jahre 1996 eine Arbeit, die das Ge-

samtwerk Franco Biondis, die Frage nach dem Schreiben in deutscher Spra-

che und von der Integration aus literatursoziologischer Perspektive behan-

delt.

3.2 Die türkischen Schriftsteller

Drei vorhandene Studien sind über die türkischen Autorinnen und Autoren

verfasst worden. Eine von Frederking132 veröffentlichte Arbeit versucht aus-

führlich die Einbettung der Migrationsliteratur in ihren gesellschaftlichen und

soziologischen Rahmen aufzuzeigen. Im Jahre 1986 erschien von Hartmut

Heinze133 eine Studie, die die Lage und Entwicklung der Migrationsliteratur

analysiert. „Trotz der im Titel angekündigten Bestandsaufnahme gilt Heinzes

Interesse vornehmlich der Literatur von Migranten-autorinnen und-autoren

türkischer Herkunft“.134

131 PHOTONG-WOLLMANN, Pimonmas: Literarische Integration in der Migration-literatur anhand der Beispiele von Franco Biondis Werken. Dissertation. 1996. 132 FREDERKING, Monika: Schreiben gegen Vorurteile. Berlin: Express Edition Verlag. 1985. 133 HEINZE: Hartmut: Migrantenliteratur in der Bundesrepublik Deutschland. Bestands-aufnahme und Entwicklungstendenzen zu einer multikulturellen Literatursynthese. Berlin: Express Edition Verlag. 1986. 134 THORE, Petra: „Wer bist du hier in dieser Stadt, in diesem land, in dieser neuen Welt“. Die Identitätsbalance in der Fremde in ausgewählten Werken der deutschsprachi-gen Migrantenliteratur. Stockholm: Elanders Gotab. 2004. S. 25

Page 55: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

54

Zielke-Nadkarni135 veröffentlichte eine Arbeit; ebenfalls mit Fokussierung auf

die Literatur immigrierter türkischer Autoren. Die Auswahlursachen dieser

Gruppe wurden von Heinze in seiner Magisterarbeit dargestellt. In der Einlei-

tung schreibt Heinze:

Daß diese Arbeit „türkeilastig“ geworden ist, d.h. daß Beispie-le, Belege und Vergleiche sich in erster Linie auf die Türkei und die türk stämmigen Migranten beziehen, liegt an der (sekundär-)Literaturlage, die im die türkische Migrantenkultur und -literatur betreffenden Bereich im Vergleich zu anderen Minder-heiten am günstigsten ist. Während für den italienischen Bereich noch eine gewisse Anzahl von Materialen verfügbar ist, existiert meines Wissens z.B. über portugiesische Migranten kaum etwas Greifbares. Als weitere Gründe für die überwiegende Berück-sichtigung von Migranten türkischer Herkunft und deren Kultur und Literatur könnten u.a. gelten, daß diese Gruppe rein zah-lenmäßig weitaus am größten ist, daß die kulturellen Unter-schiede hier am krassesten auftreten und daß diese Minderheit kulturell am aktivsten ist.136

Annette Wierschke schrieb im Jahr 1996 eine Arbeit über die drei türkischen

Autorinnen Özdamar, Tekinay und Özakin.137 Sie behandelt die Identitäts-

prozesse und ihre Bedeutung im Bezug der authentischen Identität. Sie zeigt

die literarische Darstellung dieser sogenannten Identität in den literarischen

Werken von den türkischen Autorinnen.

3.3 Die griechischen Schriftsteller

Die griechischen Autoren wurden in einigen Studien im Laufe der 1990 un-

tersucht. Die erste Dissertation mit diesem Schwerpunkt erschien im Jahr

135 ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Frauenfiguren in den Erzählungen türkischer Autorin-nen. Identität und Handlungs(spiel)räume. Frankfurt: Pfaffenweiler. 1996. 136 Vgl. HEINZE: Migrantenliteratur. S. 6. 137 WIERISCHKE, Anette: Schreiben als Selbstbehauptung. Kulturkonflikt und Identität in den Werken von Aysel Özakin, Alev Tekinay und Emine Sevgi Özdamar. Mit Inter-views. Frankfurt am Main: Verlag für interkulturelle Kommunikation. 1996.

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55

1992 und wurde von Michel138 vorgelegt. Er behandelt die Frage der Identi-

tät als Zentralproblem in der Migrantenliteratur und das komplementäre Ver-

hältnis als ein wichtiges Problem zwischen der Ich-Identität des Einzelnen

und der kollektiven Identität. Ebenfalls 2002 erschienen ist Aglaia Blioumis

wichtiger Beitrag über die Interkulturalität als Dynamik.139 Sie behandelt die

deutsch-griechische Migrationsliteratur seit den 70er Jahren und wählt dafür

Werke deutscher und griechischer Autoren und Autorinnen in Deutschland

und Griechenland und untersucht die literarischen Bilder des Eigenen und des

Fremden und der Umriss der Imagologie.

3.4 Die arabischen Schriftsteller

Zwar erschienen zunächst einige Artikel, Beiträge, Essays, Vor-und Nach-

worten in Anthologien mit migrationsliterarischen Texten und Interviews

über die gesamte Migrationsliteratur in Deutschland, in denen wurden selten

die ersten arabischen Pionieren behandelt oder erwähnt, dann erschienen die

wissenschaftlich-akademischen Studien über die arabischen Autoren, dabei

fällt es hier auf, dass die arabische Gruppe nach den 90er Jahren intensiver

betrachtet wird. Wegen der gesteigerten Akzeptenz von Schamis Werken

beim deutschen Lesepublikum wird die arabische Gruppe mehr in den er-

schienen Studien bzw. Kritiken behandelt.

Über die Literatur deutsch-arabischer Autoren existierten vor dieser Arbeit

bereits wichtige Studien und einige wichtige Beiträge und Essays vier arabi-

scher Wissenschaftler. Die vorhandenen Beiträge und Essays von Mustafa

Al-Slaiman und Iman Omar Khalil stellen die ersten einzelnen Untersuchun-

gen arabischer Literatur in Deutschland dar. Der erste Wissenschaftler Al-

138 MICHEL, Herbert: Odysseus im Wüsten Land. Eine Studie zur literarischen Verarbei-tung des Identitätsproblems in der griechischen Migrantenliteratur. Köln. 1992. 139BLIOUMS, Aglaia: Interkulturalität als Dynamik. Ein Beitrag zur deutsch-griechischen Migrationsliteratur seit den siebziger Jahren. Tübingen. 2001.

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56

Slaiman ist ein in Jordanien beheimateter Übersetzungswissenschaftler. Er

untersucht in seiner Arbeit die Präsenz arabischer Sprache und Kultur im

Werk Karasholis. Die zweite Wissenschaftlerin ist die ägyptische Germanistin

Iman Omar Khalil.140 Die dritte Wissenschaftlerin ist Manar Omar, die ägyp-

tische Germanistikdozentin und Übersetzerin.141 Die vierte Wissenschaftlerin

ist die ägyptische Germanistin Haimaa El Wardy, die ihre Doktorarbeit über

das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken

Günter Grass‘ und Rafik Schamis geschrieben hat.

Abgesehen von den Diplomarbeiten, erschienen wichtige Studien über Scha-

mi und Karasholi. Beispielsweise schrieb Friederike Händler142 im Jahre 1999

eine Magisterarbeit über Karasholi. Die ägyptische Germanistin Haimaa El

Wardy143 hat eine Studie über Rafik Schami und Günter Grass geschrieben.

Die Studie trägt den Titel Das Märchen und das Märchenhafte in den poli-

140 Zu den Beiträgen über die arabische Literatur in Deutschland: AL-SLAIMAN, Musta-fa: Literatur in Deutschland am Beispiel arabischer Autoren- Zur Übertragung und Ver-mittlung von Kulturrealien-Bezeichnungen in der Migranten-und Exilliteratur. In: AMIRSEDGHI, Nasrin/BLEICHER, Thomas (Hrsg.): Literatur der Migration. Mainz: Donata Kinzelbach Verlag. 1997. S. 74 -88. - KHALIL, Iman: Arabisch-deutsche Litera-tur. In: LÜTZELER, Paul Michael (Hrsg.): Schreiben zwischen den Kulturen. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. 1996. S.149-164.- KHALIL, Iman: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutsch-land. In: FISCHER, Sabine/ MCGOWAN, Moray (Hrsg.): Denn du tanzt auf einem Seil. Positionen deutschsprachiger Migrantenliteratur. Tübingen: Stauffenburg Verlag. 1997. S. 115-131. – KHALIL, Iman: Zum Konzept der Multikulturalität im Werk Rafik Schamis. In: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur. 86. Jg. 1994. S. 201-217. - KHALIL, Iman: Narrative Stratigies as Cultural Vehicles: On Rafik Schami´s Novel Er-zähler der Nacht. In: BLACKSHIRE-BELAY, AISCHA, Carol (Hrsg.): The German Mo-saic. Cultural and Linguistic Diversity in Society. Westport. CT (Greenwood) 1994. S. 217-224. 141 Manar Omar ist eine Dozentin an der Deutschabteilung der Universität Helwan in Kairo in Ägypten. Sie arbeitet frei als Übersetzerin und Dolmetscherin. Nach ihrer Absol-vierung an der Deutschen Schule in Kairo studierte sie anschließend Germanistik an der Kairoer Universität. In ihrer Dissertation von 2006 beschäftigte sie sich mit den deutsch-sprachigen Autoren arabisch Herkunft. Abgesehen von ihren Vorträgen hat sie eine Bibli-ografie deutscher Übersetzungen arabischsprachiger Werke von 1990 bis 2004 herausge-geben. 142 HÄNDLER, Friederike: Adel Karasholi. Leben und Werke eines deutschschreibenden Autors nichtdeutscher Muttersprache. Dresden. 1999. 143 Haimaa El Wardy wurde 1977 in Kairo geboren, studierte Germanistik an der Ain Shams Universität in Kairo, von 2004 bis 2006 war sie DAAD-Stipendiatin in Berlin und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie arbeitet als Dozentin für Germa-nistik an der Ain Shams Universität und beschäftigt sich mit interkulturellen Themen.

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57

tisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami.144 El Wardy

behandelt zwar nur Schamis Werke, aber sie betrachtet das Thema Märchen

nicht nur bei Schami, sondern in der modernen arabischen und europäischen

Literatur generell. Die Untersuchung beginnt mit der Auseinandersetzung mit

der Geschichte des Märchens als Gattung sowie mit der Geschichte der An-

wendung des Märchens als Medium zur Gesellschaftskritik und gleicherma-

ßen der Kritik an politischen Verhältnissen in den arabischen und deutschen

Kulturen. Nach der Darstellung, dass im Orient sowie im Okzident vor dem

18. Jahrhundert Sagen, Legenden, Mythen und Fabeln herrschten, wird ge-

zeigt, dass sich ein Wandel durch die verschiedenen Epochen in der Mär-

chenauffassung vollzieht. Dieser Wandel beschränkt sich, was die Gattungs-

bestimmung anbetrifft, lediglich auf den Okzident. Im Orient gab es kaum ab

dem 19. Jahrhundert eine bedeutende Auseinandersetzung mit der Märchen-

gattung. Ebenfalls wird die europäische Beschäftigung mit der Sammlung

Tausendundeiner Nacht und ihre Einflüsse gezeigt. Darüber hinaus wird

festgestellt, dass die Märchen bis zum 18.Jahrhundert lediglich der Unterhal-

tung dienten. Dagegen wurden die europäischen Märchen seit etwa dem Be-

ginn des 20. Jahrhunderts als Kinderliteratur betrachtet.

Schließlich ergibt die Untersuchung, dass die beiden Autoren, die Frage nach

der Tauglichkeit der Märchenform in einer postmodernen Zeit gestellt haben.

Grass und Schami lehnen die Begrenztheit und Oberflächlichkeit der Volks-

märchen der Brüder Grimm ab. Endlich kann man sagen, dass die innovative

Märchenphantasie bei Grass und Schami als die einzig übrig gebliebene Al-

ternative zu einer reduzierten Wirklichkeit gilt. Diese Märchenphantasie führt

die Menschheit zur Illusion.145

144 EL WARDY, Haimaa : Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagier-ten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. Frankfurt am Main / Berlin / Bern u.a.: Peter Lang Verlag. 2007. 145 Vgl. ebd. S. 284.

Page 59: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

58

Ebenfalls 2003 erschienen ist Uta Aifans Dissertation zum Thema Araberbil-

der.146 Aifan erklärt in der Einleitung, dass in der germanistischen Forschung

kaum Studien zum Araberbild sich zu finden sind. Insbesondere zur For-

schung des Araberbildes in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur finden

sich keine Studien. „Zusätzlich offenbaren thematisch benachbarte Arbeiten

zum Orient-und Islambild zumeist eine Emotionalisierung infolge mangeln-

der Systematisierung und wissenschaftlicher Distanz.“147 So versucht Aifan,

die Lücke zu schließen und teilt ihre große Studie in sieben Kapiteln ein.

Aifan wählt bestimmte Autoren aus, die aus den arabischen Ländern nach

Deutschland kamen und einen wichtigen Beitrag zur deutschsprachigen Lite-

ratur leisteten. Der besondere Status dieser Autoren verspricht besondere

Ergebnisse literarischer Araberbilder:“Einerseits sind sie als Araber Betrof-

fene und Teil des Bildes, das sie in den Köpfen ihrer Leser zu gestalten in-

tendieren; andererseits leben und arbeiten sie nicht nur räumlich außerhalb

des arabischen Kulturkreises. Diese Distanz schafft die Auseinandersetzun-

gen für eine sensiblere, eine veränderte Wahrnehmung.“148 Wichtige Annä-

herungen wurden von Aifan geschafft, wie Annäherung an das Leserbild

deutsch-arabischer Autoren und Annäherung an die literarische Verarbeitung

von Araberbildern durch deutsch-arabische Autoren in der zweiten Hälfte des

20. Jahrhunderts. schließlich analysiert Aifan das literarische Araberbild drei-

er Autoren: Karasholi, Schami und Alafenisch. Sie betrachtet diese Autoren

als die Hauptvertreter für die ermittelten Strömungen. Was Karasholi betrifft,

wurde die Verweigerung des Exotischen zur lyrischen Synthese Karasholis

dargestellt. Dann wurde der inszenierte Exotismus Schamis untersucht. Bei

Alafenisch wurde die Entzauberung des Exotischen untersucht. In dem sieb-

ten Kapitel geht sie zusammenfassend auf die Araberbilder der besprochenen

drei Autoren im Kontext ihrer poetologischen Konzeption und literarischen

146AIFAN, Uta: Araberbilder. Zum Werk deutsch-arabischer Grenzgängerautoren der Gegenwart. Aachen: Shaker Verlag. 2003. 147 Ebd. S. 1. 148 Ebd. S. 2.

Page 60: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

59

Methoden ein. Die wichtigen Elemente ihrer Araberbilder wurden mit den

ermittelten Elementen der Araberbilder deutschsprachiger Literatur vergli-

chen.

Amer Mansour Bavar beschäftigt sich in seiner Arbeit Aspekte der deutsch-

sprachigen Migrationsliteratur lediglich mit den beiden Autoren Rafik

Schami und Alev Tekinay. Die Werke von den ausgewählten Autoren sind

Belege für verschiedene Tendenzen innerhalb der deutschsprachigen Migra-

tionsliteratur. Trotzdem wurden sie nicht als Regel betrachtet. Er hat gezeigt,

„wie sich die Sichtweise in Bezug auf die Darstellung der Einheimischen in

einzelnen Fällen auf ganz unterschiedliche Art ausformuliert“.149

Die Untersuchung ergibt, dass Schami eine eigene Perspektive hat. Anders

hat Tekinay in ihrer übertriebenen positiven Einstellung zu den Einheimi-

schen eine einseitige Beschreibungsweise ausgesucht, die keine komplette

Charakterbildung zulässt. Sie beschreibt ideale Situationen, so wie sie sie

sehen würde und nicht wie sie wirklich sind. bleibt zu sagen, dass ihr Wunsch

ist, einem harmonischen Zusammenleben zwischen der Ausländer und der

Deutschen zu basieren. Dagegen hat Schami eine realistische Vorstellung, die

verwirklichbar wäre. „Das Zusammenleben, das er sich zwischen den In-

und AusländerInnen vorstellt, basiert auf Erfahrungen und Tatsachen.“150

Schami beschreibt verschiedene Seiten der Charakter und bekam dafür Lob

und Zustimmung sowie Kritik und Enttäuschung für seinen inländischen Cha-

rakter. Schließlich schreibt Bavar die Ergebnisse seiner Untersuchung am

Ende der Arbeit:

Beide AutorInnen haben aber eine affirmierende Sichtweise eingesetzt, die einladend ist. in ihren Werken sehen sie die ein-heimischen Figuren mit einem positiven Blick an, mit dem die Distanz abgebaut wird. Während die negative Sichtweise den

149 BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 121. 150 Ebd. S. 122.

Page 61: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

60

Blick zur gegenüberliegenden Seite blockiert und dadurch nur Bruchteile einer Darstellung erlaubt, öffnet die positive Per-spektive den Blick auf die Komplexität der anderen Seite und breitet den Weg zu einer Wahrnehmung des Ganzen vor.151

3.5 Die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen

Die erste Studie, die die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen betrach-

tet, wurde von Zielke152 im 1985 verfasst. Sie zeigt darin, dass die Migrati-

onsliteratur durch die kulturelle Integration der ausländischen Arbeitnehmer

in den 70er Jahren immer mehr an Wichtigkeit gewinnt. Dazu zeigt sie die

literarischen Identitätsentwicklungen und ihre Folgen. 1993 erschien von

Zielke eine Dissertation zum Thema Migrantenliteratur im Unterricht.153 In

dem behandelt Zielke die Aufnahme der Migrationsliteratur in den Schulka-

non.

Hamm154 veröffentlichte 1988 seine Arbeit, in der er sich mit dem Leiden der

ersten Generation unter der Missachtung in der Minderheitensituation und

die Identitätsprobleme der zweiten Generation auseinandersetzte. Er unter-

sucht die Autoren, die hauptsächlich zur italienischen und türkischen Min-

derheit gehören. In seiner Studie wurden Beispieltexte von den ersten arabi-

schen Pionieren der 80er Jahren, Rafik Schami, Jusuf Naoum und Suleiman

Taufiq untersucht. Zwei Abschnitten widmet er der arabischen Erzählkunst in

Deutschland, in denen analysiert er die bekanntesten arabischen Erzähler;

nämlich der Märchenerzähler und der Kaffeehauserzähler, Schami und

151 Ebd. 152 ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Standortbestimmung der „Gastarbeiterliteratur“ in deutscher Sprache in der bundesdeutschen Literaturszene. Pfaffenweiler: Centaurus Ver-lag. 1985. 153 ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Migrantenliteratur im Unterricht. Der Beitrag der Migrantenliteratur zum Kulturdialog zwischen deutschen und ausländischen Schülern. Hamburg: Kovac. 1993. 154 HAMM, Horst: Fremdgegangen – freigeschrieben. Einführung in die deutschsprachige Gastarbeiterliteratur. Würzburg: Königshausen & Neumann Verlag. 1988.

Page 62: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

61

Naoum. Er versucht aufzuzeigen, dass das gesprochene Wort bei Schami und

Naoum auf ihren Veranstaltungen seine frühere Bedeutung zurückerhält.

Rösch veröffentlichte im Jahre 1992 die Studie Migrationsliteratur im inter-

kulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören,

Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami.155 Rösch behandelt die

interkulturelle Erziehung und die wichtige Rolle der Migrantenliteratur in

diesem Zusammenhang. Ein ganzes Kapitel widmete sie dem syrischen

Schriftsteller Rafik Schami und seinen Werken. Schließlich erschien ein Werk

von Amodeos156, das die Ästhetik der Literatur ausländischer Autoren in der

Bundesrepublik behandelt.

Wie bereits erwähnt, beleuchteten die wissenschaftlichen und akademischen

Werke die wichtigen Fragen im Bereich der Entstehung und Entwicklung der

Migrationsliteratur. Aber die Frage von Identität, Integration und Ästhetik

der arabischen Werke sind noch nicht untersucht. Die Studien über die arabi-

schen Autoren beschränken sich lediglich auf die berühmtesten Autoren.

Im Folgenden wird gezeigt, dass die arabischen Autoren einen wichtigen

Beitrag zur Migrationsliteratur in den 80er Jahren geleistet haben. Dieser

Beitrag ist der Grund für die zunehmende deutsche Aufmerksamkeit von

arabischen Autoren in den 90er Jahren.

155 RÖSCH, Heide: Migrationliteratur im interkulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören, Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. 1992. 156 AMODEOS, Immacolata; Die Heimat heißt Babylon. Zur Literatur ausländischer Au-toren in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdt. Verlag. 1996.

Page 63: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

62

4 Die Rezeption arabischer Migrationslieratur

4.1 Die öffentliche Wahrnehmung arabischer Literatur

4.1.1 Die arabische Präsenz in den literarischen Vereinen in den 80er

Jahren - Südwind und Polynationaler Literatur- und Kunstve-

rein

Aus der Zusammenarbeit verschiedener ausländischer Autoren und Autor-

innen in den 80er Jahren entstanden einige wichtige kulturelle Vereine. 1980

gründeten die Syrer Rafik Schami und Suleiman Taufiq, der Italiener Franco

Biondi und der Libanese Jusuf Naoum gemeinsam mit anderen Malern,

Musikern, Literaten, Bildhauern, Kabarettisten mit Migrationshintergründen

die Vereine „Südwind Gastarbeiterdeutsch“ und „Polynationaler Literatur-

und Kunstverein“ (1981-1987). Der „Polynationale Literatur- und Kunst-

verein“ wurde nach sechs Jahren aufgelöst,157 da dieser wie Schami in einem

Interview mit Iman Khalil ausführte, unter finanziellen Schwierigkeiten litt.158

Die Gründer dieser Vereine zielten auf die „Toleranz und

Völkerverständigung auf allen Gebieten der Kultur“.159 Auch dieser Verein

widmet sich der Publikation der Kunst und Literatur von Migranten und

bezweckt, die Literatur der Betroffenen zu fördern. Die Mitglieder haben

ihre Arbeit in drei Jahrbüchern dokumentiert. Die Veranstaltungen wie

Lesungen und Ausstellungen wurden im gesamten Bundesgebiet von den

Mitgliedern organisiert. Der Verein verstärkte die Kontakte zwischen allen

Migranten. Parallel dazu wurde die Situation der Migranten dargestellt und

untersucht. Der Bekanntheitsgrad deutschsprachiger Migrantenautoren stieg

157 Vgl. VON SAALFELD, Lerke: Vorwort von Lerke von Saalfeld. Mit doppelter Zunge. In: Ders. (Hrsg.): Ich habe eine fremde Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch. Gerlingen: Bleicher Verlag. 1998. S. 7-28. Besonders S. 13f. 158 Vgl. KHALIL: Zum Konzept der Multikulturalität im Werk Rafik Schamis. S. 205. 159 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 36.

Page 64: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

63

in Deutschland allmählich auch beim deutschen Publikum an. 1980 wurde

eine literarische Gruppe unter dem Namen „Münchner Projekt“ gegründet.

Diese Gruppe hat bis 1995 viele Veranstaltungen durchgeführt, zum Beispiel

die Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises. Diese Gruppe wurde von

dem Institut für „Deutsch als Fremdsprache“ der Universität München unter

Leitung von Harald Weinrich und Irmgard Ackermann geführt.

Schami erklärte die Gründungsursachen einer literarischen Gruppe in einem

Interview. Demnach sei es den Autoren eine geschichtliche Notwendigkeit

und ein literarisches Bedürfnis eine Zusammenarbeit mit Migranten anzustre-

ben und sich aus der Isolation zu lösen:

Es war ein Bedürfnis aller isolierten Schriftsteller, zusammen-zukommen. Wir hatten eine Anthologie-Reihe, die in ganz be-scheidenen Auflagen herausgegeben wurde. Das war kein Sprungbrett für Erfolge, das hat uns aber geholfen, noch andere kennen zu lernen; zum Schluss waren wir mehr als dreißig Au-torinnen und Autoren. Das sind die Verdienste dieser Gruppe, sie hat Mut gegeben, Bewusstsein gestärkt, wir mussten uns nicht schämen und darauf warten, bis die deutschen Autoren uns sagen, wie es uns geht.160

Die Suche nach einem Verlag war die erste Hürde. Nach langer Suche hat

Detlef Ziegert beim CON Verlag die ersten sechs Bände der Reihe „Süd-

wind-Gastarbeiterdeutsch“ veröffentlicht, bevor der Verlag sein Interesse an

der Reihe verlor. 1983 kam es zur Trennung vom CON Verlag. Durch einen

Zufall trafen Schami und Chiellino den Redakteur der Zeitschrift Linkskurve.

Unter dem neuen Namen „Südwind-Literatur“ hat die Gruppe eine neue An-

thologie herausgegeben. Nach einem Streit hat Habib Bektas die Gruppe

nach dem ersten Treffen verlassen.161 Aus Gründen, die den Verlag betrafen,

wurde Südwind aufgegeben. Die Auflösung Südwinds bedeutet kein literari-

160 SCHAMI, Rafik: Ein ehrlicher Lügner. In: VON SAALFELD (Hrsg.): Ich habe eine fremde Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch. Gerlingen: Blei-cher Verlag. 1998. S. 29-56. Besonders S. 33f. 161 Vgl. ebd. S. 78f.

Page 65: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

64

sches Scheitern, sondern ein Schritt in die Einzelpublikation der Autoren.

Über die Frühtexte schreibt Taufiq:

Wenn man nach den Wurzeln unserer Texte sucht, kann man sie in unserer eigenen Entwurzelung finden. Aber schon diese Aus-sage ist umstritten. Ota Filip hasst (Wurzeln), sie riechen ihm zu stark nach blutgetränkter Erde – also gibt es für ihn auch keine (Ent-Wurzelung). Solche Widersprüche sind nicht verwirrend, sie sind produktiv, weil sie die ganze Spannbreite literarischen Schreibens offenbaren.162

Nach drei Jahren haben die Mitglieder die Bezeichnung von Südwind zur

„Südwind Literatur“ geändert.163 Dieser Verein gibt mehrere Jahre lang in

einem kleinen Bremer Verlag eine Reihe von Anthologien unter dem Titel

„Südwindgastarbeiterdeutsch“ heraus. Das Grundthema der Gastarbeiter-

literatur war die Auseinandersetzung mit der Bewertung des Wortes „Gast“,

für die in Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländer. Die ausländi-

schen Autoren nutzten diese Literatur zur Beschreibung von Rassismus und

Diskriminierung. Im Rahmen der Rezeption galten viele der veröffentlichten

Texte nicht als reife literarische Werke. Ihre Sprache war uninteressant, wies

weder reife Formen noch einen besonderen Stil auf. Schami erklärte in dem

folgenden Zitat dieses Problem:

Manche Texte von uns waren todlangweilig, und die sind dann auch todlangweilig, ohne dass man, wenn man es feststellt, so-fort den Verdacht eines Rassismus hervorspuckt. Es gibt schlechte Texte in unseren Reihen, wir schreiben auch manch-mal dummes Zeug. Das soll man dann auch genau so benennen, nicht mit der Zange und nicht mit Samthandschuhen, sondern ganz verbindlich sagen: dieses Stück Lyrik gefällt mir nicht, dieses Pathos, diese Weinerlichkeit gefällt mir nicht. Bevor das Wort Multikulturell verbreitet hat Polykunst ihre große Rolle geschafft, indem internationale Begegnungen zusammenge-schafft und nicht nur eine Selbstverständigung und Herausfor-derung an das deutschen Publikum. „Südwind-Gastarbeiter-deutsch“ war der erste Versuch, die Literatur der Gastarbeiter

162 Ebd. S. 15ff. 163 Vgl. ebd. S. 14.

Page 66: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

65

selbständig und kontinuierlich herauszugeben. Die Rezeption dieser Literatur war sehr gering, aber sie gab Zeugnis über die Verhältnisse, unter denen die Gastarbeiter lebten und unter de-nen ein Mensch zum Gastarbeiter gemacht wird, damit sie auf-gehoben werden können.164

Bis zur Auflösung des Vereins 1985 lag die Zahl der von der Südwind-

Gruppe herausgegebenen Reihe „Südwind-Gastarbeiterliteratur“ bei 13 Bän-

den. 1980 erschien der erste Band mit dem Titel Im neuen Land. Ein Jahr

danach, 1981, erschien in der Reihe “Südwind-Gastarbeiterdeutsch“ eine

zweite Anthologie unter dem Titel Zwischen Fabrik und Bahnhof. Im Jahre

1982 erschien der dritte Band unter dem Titel Annäherung. Ein weiterer

Band, Zwischen zwei Giganten folgte 1983. Beim Malik Verlag erschien

1983 eine Anthologie in der umbenannten Reihe „Südwind-Literatur“ unter

dem Titel Das Unsichtbare sagen!. Nach dem Rückzug von Suleiman Taufiq

hatte er eine neue Buchreihe namens Unterwegs herausgegeben.

Es stellt sich die Frage, wie Südwind der Literatur der Betroffenen diente.

Wegen der Haltung großer deutschen Verlage, die der Migrantenliteratur

keine Aufmerksamkeit schenkten, war Südwind die einzige Publikationsmög-

lichkeit für die Migrantenliteratur. So dürften die Migranten ihre Texte als

„Migrationsliteratur“ in der deutschen Kulturszene vorstellen. Nicht zu ver-

gessen ist, dass dank dieser Gruppe ein eigenes Forum für immigrierte

Schriftsteller, Dichter und Künstler entstand.

Über die Rezeption der Migrationsliteratur in den 80er Jahren durch literari-

schen Vereine und ihre veröffentlichten Bände kann man sagen, dass die Au-

toren einen guten Platz für sich in Deutschland gefunden haben. In der Regel

stärkten die Autoren ihr Selbstbewusstsein als Autoren und Künstler und

bildeten ein eigenes Selbstverständnis heraus. Durch das Schreiben und Ver-

öffentlichen erreichten die Autoren ihre Ziele und traten später separat an.

Einige der arabischen Migranten wie z.B. Schami und Naoum wurden da-

164 Ebd.

Page 67: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

66

nach hauptberufliche Schriftsteller. Ihre literarischen Werke sind beim deut-

schen Publikum beliebt.

1983 hat Taufiq nach der Herausgabe der ersten Bücher die Gruppe „Süd-

wind“ verlassen. Nach ihm traten der italienische Literaturwissenschaftler

Gino Chiellino und der türkische Autor Habib Bektas in der Gruppe ein. Der

libanesische Schriftsteller Jusuf Naoum hat nach seinem Austrat zahlreiche

Bücher als freier Schriftsteller veröffentlicht wie Die Kaffeehausgeschichten

des Abu al Abed in zwei Auflagen, die erste 1989 und die andere 1993. Seine

weiteren Veröffentlichungen waren Der Scharfschütze und Karakus und

andere orientalische Märchen.

In der Reihe „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“ veröffentlichte Schami Das

letzte Wort der Wanderratte und Das Schaf im Wolfspelz. Diese zwei Titel

ebneten ihm den Weg zum deutschen Publikum. In diesen beiden Büchern

schrieb er über die Probleme der Migranten wie Unterdrückung und Benach-

teiligung. Das Schaf im Wolfspelz erzählt davon, wie ein Schaf sich einen

Wolfspelz überzieht. Das Schaf wollte lieber unter den starken Wölfen blei-

ben. Als seine List entdeckt wird, wird er sofort von den Wölfen gefressen.

Diese Geschichte hat symbolische Bezüge und richtet sich gegen eine voll-

ständige Aufgabe der eigenen Identität. In den veröffentlichten Texten

Schamis in diesem Zeitraum wird das Zusammenleben verschiedener Men-

schen unterschiedlicher Herkunft und Kultur das Hauptthema der Erzählun-

gen. Schami thematisiert die Anpassung der Fremden in der neuen Gesell-

schaft. Im Sommer 1985 verließ er die Gruppe Südwind. Kurz darauf löste

sie sich auf.165

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Trennung zwischen deutschen

und nicht-deutschen Autoren als die erste Schwierigkeit der Migrationslitera-

tur in den 80er Jahren nicht mehr gültig ist. Die arabische Literatur war ein

165 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 81.

Page 68: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

67

wichtiger Bestandteil der sogenannten Gastarbeiterliteratur. Da einige Prob-

leme die Aufnahme arabischer Literatur in den 70er und 80er Jahren in

Deutschland begleiten, werden im Folgenden die Rezeptionsprobleme arabi-

scher Autoren untersucht. Vor allem stehen Exotismus, Folklore und die

arabische Märchen als Hindernis bei der richtigen Rezeption arabischer Lite-

ratur im Weg. Nach der Darstellung der Rezeptionsprobleme wird die entwi-

ckelte Rezeptionslage seit den 90 Jahren beleuchtet.

4.2 Die Problematik der Rezeption arabischer Literatur

4.2.1 Exotismus und Folklore

Um sich ein klares Bild von der deutschen Rezeption arabischer Autoren zu

machen, ist es angebracht, in diesem Abschnitt die Problematik der Rezeption

arabischer Literatur heranzuziehen. In diesem Abschnitt wird die Rolle der

Exotik und Folklore in der Rezeption arabischer Literatur in Deutschland

behandelt. Vor allem wird das Augenmerk dabei auf die Erklärung der

Begriffe Exotik und Folklore und deren Motive und Verwendung in der

Rezeption sowie auf die Kritik an dieser Rezeption durch die arabischen

Autoren gelegt.

Exotik stammt aus dem Griechischen und bezeichnet etwas Ausländisches,

z.B. Menschen, importierte Früchte und Tiere aus fernen Ländern, die fremd

erscheinen oder als besonders fremd wahrgenommen werden. 166 Außerdem

bezeichnen Exotika aus fernen Ländern stammende Kunstgegenstände. Lite-

rarisch gesehen wurde die ausländische Literatur in den 70er und 80er Jahren

in Deutschland als etwas Exotisches betrachtet. Die dominierenden Etikettie-

166 Vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch (Duden-DUW): (Hrsg.) von Kathrin Kunkel-Razum, Werner Scholze-Stubenrecht, Matthias Wermke. Unter Mitwirkung von Anette Auberle, Angelika Haller-Wolf u.a. der Dudenredaktion. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. 2003. 5. überarb. Aufl. S. 505.

Page 69: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

68

rungen wie u.a. Gastarbeiterliteratur, Minderheitenliteratur und Ausländerli-

teratur zeigen, dass eine Trennung zwischen der deutschen Literatur und der

sich entwickelnden Minderheitenliteratur entstand. Die Schwierigkeiten der

Ausländerliteratur, in Deutschland seit den 70er Jahren Fuß zu fassen, hän-

gen zum Teil mit der Rezeption der Ausländerliteratur als exotische oder

folkloristische Literatur zusammen. Rezeption reduziert die Werke auf ihren

(vermutlichen) exotischen oder folkloristischen Inhalt und berücksichtigt

andere Aspekte nicht.167 Diese folkloristische und exotische Interpretation

der Ausländerliteratur führte zu einer Trennung zwischen den deutschen und

nichtdeutschen Autoren.

Bei den arabischen Autoren kommt zu diesem Problem pauschaler Klassifi-

zierung eine spezifisch auf den arabischen Kulturraum bezogene Komponen-

te hinzu. Die literarischen Werke eines arabischen Autors werden oft als Dar-

stellung orientalischer Exotik, als Folklore im Stile von Tausendundeiner

Nacht rezipiert.168 Außerdem scheinen die Wundergeschichten der arabischen

Autoren in Deutschland geeignet, in eskapistischer Manier den Leser in eine

Zauberwelt zu entführen.

Der Begriff Folklore bezeichnet alle volkstümlichen Überlieferungen wie

Erzählungen, Märchen, Fabeln, Legenden, Volkslieder, Witze, Zaubersprü-

che, Sprichwörter, Rätsel, Reime, Schwänke u.a. Er enthält alle Formen der

Kultur, wie Musik, Tanz und Dichtung, die für die Leute einer bestimmten

Region typisch sind. Die Wirkung ist deutlich; die Literatur wird als pseudo

ethographische Reportage über „die Araber“ etc., auf ihre Funktion als Rei-

seberichte reduziert.

167 Die Geschichte der Präsenz der arabischen Literatur auf den Buchmärkten in Deutsch-land zeigt dass, die arabische Literatur in Deutschland als Literatur der Dritten Welt be-trachtet wird, und unter Dritte Welt alles fällt, was zu südlichen Ländern zählt. Vgl. FÄHNDRICH: ÍuÃÙr al-adab al-ÝarabÐ al-mutarÊam fÐ SÙq al-bÐlād al-mutakallima bi-l-almānÐya. S. 40. 168 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120.

Page 70: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

69

Die arabische Folklore kann in vier Gruppen unterteilt werden: Das Brauch-

tum wie Trachten, die mündlichen Überlieferungen wie Märchen und Legen-

den, die kulturelle Folklore wie die Moral des Volkes und endlich die Zere-

monien wie Hochzeitszeremonien. Die arabische Folklore ist reich an volks-

tümlichen Überlieferungen, die in Büchern von al-ÉÁÌiÛ, al-AÒfahÁnÐ und

Ibn ËaldÙn erwähnt wurden. Das volkstümliche Märchenbuch Tausendund-

eine Nacht ist ein gutes Beispiel für die bekannten Überlieferungen, die eine

enorm große Wirkung auf die arabische und europäische Literatur hatten. In

der arabischen Folklore werden auch die Heldentaten überliefert, wie die

Geschichten über Ali Baba und die vierzig Räuber, Sindbad oder die sÐrat

Ýantar, Abu Zaid al-HilÁlÐ u.a. Berühmte Figuren der arabischen Folklore

sind bspw. AšÝab und ÉuÎÁ.

In der Rezeption anderer Literaturen spielen die Volkserzählungen und Folk-

lore eine sehr wichtige Rolle. Historisch und kulturell gesehen sind diese

fremden Elemente nicht nur interessant, sondern führen die Leser in die ara-

bische Welt. Dazu geben diese Elemente einen klaren Überblick über die

arabische Gesellschaft und die dominierenden Sitten, Moral, Traditionen u.a.

Es ist hervorzuheben, dass die arabischen Autoren zwar aus der arabischen

Kultur schöpfen, aber das bedeutet nicht, dass sie lediglich ein beduinisches

Araberbild zeichnen wie z.B. Kamele, Wüste, und Zelt. Sie bieten ebenso

Beschreibungen des modernen Lebens der Menschen in entwickelten arabi-

schen Städten wie Damaskus und Beirut. Die dargestellten Araber in den

Werken arabischer Autoren nicht immer folkloristisch sind. Das folkloristi-

sche Araberbild ist nur ein Aspekt der vielfältig dargestellten Araberbilder.

Deshalb bedienen einige Rezeptionen über die arabische Literatur in

Deutschland ein Orientbild des Arabers. Diese Literatur ist nicht so folkloris-

tisch, wie sie rezipiert wird.

Durch der Darstellung der Rezeptionsproblematik der arabischen Literatur in

Deutschland ergibt sich folgende Frage: Welche Rolle spielen Exotik und

Page 71: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

70

Folklore in dieser Rezeption? Um diese Frage zu beantworten, kann man

erwähnen, dass Exotik und Folklore eine wichtige Rolle in dieser Rezeption

spielen. Hier darf man durchaus erwähnen, dass sie- so problematisch es ist,

auch ein Motor für diese Art der Literatur ist, der Leser für sie gewinnt. Ins-

besondere bestätigt die Dominanz des märchenhaften Erzählens bei der Re-

zeption arabischer Literatur die behauptete Erwartungshaltung des deutschen

Empfängers.

Die Rezeption arabischer Autoren in Deutschland als Vermittler von Exotik

und Folklore lässt ein Problem zwischen den arabischen Autoren und den

deutschen Kritiker entstehen. Die arabischen Autoren klagen seit den 60er

und 70er Jahren über die stereotype Klassifizierung ihrer Literatur. In der

ersten Linie kommen zwei stereotypische Klassifizierungen ihrer Literatur am

häufigsten vor: Exotik und Folklore. Dafür gibt es eine Erklärung: Das durch

die Orientalistik des 19. Jahrhunderts geprägte Verständnis orientalischer

Literatur hat zu einem hohen Maße ästhetisch wie thematisch die Erwartun-

gen in Deutschland geprägt.169 Das erklärt die Betrachtung arabischer Litera-

tur als etwas Exotisches. Zudem galt die arabische Literatur, die bereits sehr

früh im deutschen Kulturraum rezipiert wurde, als ungewöhnlich. Infolgedes-

sen dominierten Vorurteile und Vorwissen über die arabische Literatur. Die-

se Rezeptionsart wurde fast mit jedem neuen literarischen arabischen Werk

wiedererweckt. Bis heute kann man in Deutschland die Rezeptionsart - arabi-

sche Literatur als Exotismus - finden. Jedes arabische Werk wurde als ent-

täuschend empfunden, wenn es den Erwartungen – wie oben beschrieben,

Folklore und Exotik – nicht entsprach.170

Die Herkunft arabischer Autoren spielt immer eine Rolle bei der Rezeption

ihrer Werke – egal, ob es sich um ihre Stellungnahmen in Zeitungsartikeln

oder theoretischen Diskussionen handelt. Die Wissenschaftler wie Khalil be-

169 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120. 170 Vgl. ebd.

Page 72: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

71

tonen, dass die deutschen Kritiker die uralte arabische Kultur der klassischen

Lyrik und der Erzählkunst wiedererwecken und betrachten die Literatur ara-

bischer Autoren als Fortsetzung der klassischen Lyrik und Prosa. Manche

Kritiker sehen auch in den Texten arabischer Autoren die Klischees lyrischer

Emotionalität und die Stereotypen über Araber in den prosaischen Texten. In

dieser Art wird die Phantasie der Leser angeregt und wiedererweckt.

Exotische Elemente in Themen, Motiven und Metaphern bleiben bis heute ein

Dilemma in der Rezeption arabischer Migrationsliteratur, weil das Exotische

durch das deutsche Publikum und von den deutschen Kritikern als etwas

fremdartig-arabisch-exotisches wahrgenommen wird. Andrea Wörle ist der

Meinung, dass beim Absatz arabischer Bücher in Deutschland das Exotische

generell als Kaufanreiz eine Rolle spielt. Dies wird zum Problem, wenn das

Interesse an der arabischen Welt aussschließlich zu einem Interesse an Folk-

lore wird.171 Jürgen Wertheimer betrachtet die arabischen Autoren als Ver-

mittler von Exotik und als „Blut- und Rohstofflieferanten“ der deutschen

Literatur.172

Wie haben die arabischen Autoren auf diese Rezeption reagiert und wie ha-

ben sie sich gegen die weit verbreiteten Stereotype und Klischeevorstellun-

gen gewehrt? Um diese Fragen beantworten zu können, muss man auf die

Aussagen und Reden dieser Autoren zurückgreifen. Beispielsweise klagte

1986 Suleiman Taufiq über die Rezeption arabischer Literatur als Exotismus

und Folklore:

Unsere Literatur [wurde] häufig folklorisiert, indem man uns zu interessanten, exotischen Objekten des Literaturbetriebs mach-te. Verlage, Kritiker und Kulturfunktionäre sollten jedoch mit unseren Texten normal umgehen, damit sie soweit wie möglich

171 Vgl. ebd. S. 124. 172 Vgl. WERTHEIMER, Jürgen: Das Eigene und das Fremde als Kategorien der Wahrnehmung und des Verhaltens. In: Palette. Bamberger Zeitschrift für neueste Literatur. Bd., 12. 1990. S. 110-114. Besonders S. 114.

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72

aus ihrer isolierten Situation herausfinden und ihren natürlichen Platz in der bundesdeutschen Kulturlandschaft einnehmen.173

Auf der anderen Seite unterstreicht Khalil, dass, wenn man über die arabi-

schen Autoren spricht, man berücksichtigen muss, dass das Exotische ein

natürlicher Aspekt ihres kulturellen und sprachlichen Hintergrundes und ein

Teil ihrer Entwicklung und ihrer Erfahrungen ist. So scheint es normal, wenn

arabische Autoren exotische Themen, Motive und Metaphern in ihren

deutschsprachigen Werken gebrauchen.174

Beispielhaft für scheinbar exotische Themen, Motive und Metaphern in den

arabischen Texten sind die ersten Gedichte von Karasholi, Taufiq und

Naoum. In Naoums Gedicht „Selbstporträt“ beispielsweise tauchen arabische

Bilder auf. Die Bildelemente wie Orangenbäume, Olivenbäume, heiße Sonne,

Datteln, Feigenfrüchte, Thymian u.a. wurden beim Leser und Kritiker her-

vorgehoben:

Ich bin geboren in einem Land,

wo Orangenbäume und Olivenhaine

unter heißer Sonne wachsen,

wo Datteln und Feigenfrüchte

unter heißer Sonne reifen,

wo Thymian und Rosmarin blühen

Ein weiteres Beispiel findet sich ebenfalls bei Karasholi. In den ins Deutsche

übersetzten Gedichten im Band Wie Seide aus Damaskus spielt das Exoti-

sche und das Orientalische in den Bildern eine wichtige Rolle. „Das orientali-

sche Kolorit dieser frühen Gedichte steckte dann auch den Rahmen für die

Rezeption ab, die sehr positiv ausfiel“.175 Karasholi sagt hierzu:

173 Vgl. TAUFIQ: Natürlich: Kritik. S. 75. 174 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 124. 175 Ebd. S. 116.

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73

Man nahm mich auch als einen Exoten gern an, bereitete mir volle Veranstaltungssäle und begeisterte Leser. Nur ich wollte nicht als ein Exote gelten und als solcher wirken. Ich wollte nicht wie eine Orchidee gezüchtet werden in einer netten, zu-friedenen Stube. Krampfhaft versuchte ich, mich verständlich zu machen. Man merkte dies und hatte mich ständig mißverstan-den.176

Karasholi hat, neben seinen arabischen Kollegen, die ebenfalls exotisch ein-

geordnet werden, sich lange mit dem Dilemma der Rezeption seiner Werke

beschäftigt. Dies wird deutlich an Karasholis Anspruch, eine „Normalität“ in

der Beschäftigung mit der arabischen Literatur erreichen zu wollen. Diese

„Normalität“ ließe die arabische Literatur nicht als eine „Extravaganz“ er-

scheinen.177

Insbesondere in Schamis Roman Der ehrliche Lügner erscheinen das Exoti-

sche und das Orientbild. Schami beschreibt drei Gruppen: eine indische Zir-

kusgruppe, eine christliche und eine arabische Gruppe. Bei den Indern er-

scheinen exotische Vorstellungen wie Zauberspiele, Bauchtanz u.a. Hier

werden die gängigen Vorstellungen über den indischen Zauber und die mär-

chenhafte Welt von Tausendundeine Nacht wiedererweckt. Darüber hinaus

stellt Schami „Unehrlichkeit im Handel, Unzuverlässigkeit, Neureichtum

und Polygamie“ dar wenn er arabisch-muslimische Figuren in dem Roman

beschreibt.178 Diese negativen Stereotype sind den deutschen Lesern bekannt.

Die Hauptfiguren im Roman sind Christen, die christliche Namen tragen.

Indem Schami keine muslimische Namen und Figuren verwendet, konzen-

triert er sich darauf, die christlichen Figuren dem deutschen Publikum vorzu-

stellen. Dazu thematisiert Schami den Kontakt zwischen Muslimen und

Christen.

176 Vgl. KARASHOLI, Adel: Der verlorene Schatten: Dankrede zur Verleihung des Adelbert -von-Chamisso-Preises 1992. In: Leipziger Volkszeitung 06.05.1992. 177 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 127. 178 Vgl. OMAR, Manar: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag - Zur germano- phonen Literatur arabischstämmiger Schriftsteller. In: BOTROS, Atef: Der Nahe Osten - ein Teil Europas? Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeptionen im modernen Nahen Osten. Würzburg: Ergon Verlag. 2006. S. 265-287. Besonders S. 275.

Page 75: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

74

Nach der Darstellung der Problematik der Rezeption arabischer Literatur als

etwas Exotisches muss man die Lösung für die Befreiung von dieser Rezep-

tionsart darstellen. Die zunehmend angefertigten Übersetzungen moderner

arabischer Werke und die arabische Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse

im Jahr 2004 bedeuteten gute Lösungen dieser Problematik. Dies erklärt,

inwiefern die vorgestellte arabische Literatur staatlich zensiert und bestimmt

wurde. Das scheint wichtiger als die Meinungen einiger deutschen Kritiker.

Besonders in den 90er Jahren nach der Verleihung des Nobelpreises an

Machfuz (1988) setzte in Deutschland eine Übersetzungsflut arabischer Lite-

ratur ein. Im deutschen Sprachraum sind Hartmut Fähndrich und die 2008

verstorbene Doris Kilias die bekanntesten deutschen Übersetzer. Sie über-

setzten viele namhafte arabische Schriftsteller. Die publizierten Übersetzun-

gen verschiedener Schriftsteller wie Adonis, Mahmoud Darwisch, Hanna

Mina, Jusuf Idris, Sahar Khalifa, Tayeb Saleh, Sonallah Ibrahim u.a. verän-

derten die dominierende Rezeption arabischer Literatur grundlegend. Die

Übersetzungen zeigen, dass die arabische Gesellschaft nicht einheitlich ist,

sondern von Land zu Land und Region zu Region unterschiedlich. Die politi-

sche, religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Vielfältigkeit und Reichhaltig-

keit sind die wesentlichen Besonderheiten, die die arabische Gesellschaft prä-

gen. Die Vielseitigkeit der arabischen Gesellschaft wird literarisch themati-

siert.

Die arabischen Länder wurden als Ehrengast im Jahr 2004 auf der Frankfur-

ter Buchmesse vorgestellt. Dabei stand die gesamte Situation der gegenwär-

tigen arabischen Kultur und Literatur im Mittelpunkt. Diese Teilnahme re-

flektierte das deutsche Interesse an dieser Kultur. Etwa 150 arabische Ver-

lagshäuser haben ihre Bücher aus der gesamten arabischen Welt auf der

Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Einige wichtige arabische Werke wurden

speziell für diese Veranstaltung in Englisch und Deutsch übersetzt. Zu die-

Page 76: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

75

sem Anlass wurden auch etwa 350 arabischen Autoren und Intellektuelle

eingeladen. Es wurden Lesungen, Ausstellungen und kulturelle Veranstaltun-

gen organisiert. Arabische Autoren, Darsteller, Denker, Künstler und Medi-

envertreter haben auch am Rahmenprogramm „Arabische Kulturtage“ mit-

gewirkt.

Die Ergebnisse der arabischen Teilnahme waren damals umstritten. Die Re-

sonanz der Präsenz der arabischen Literatur auf der Frankfurter Buchmesse

war damals in den deutschen Medien vernehmbar. Die Zeitungen und Zeit-

schriften berichteten ausgiebig über die Buchmesse, über die Vorbereitungen

und über die arabische Teilnahme. In der deutschen Presse wurden viele Ar-

tikel, Berichte und Interviews zum Thema arabische Literatur und über die

politische, gesellschaftliche und literarische Situation in den arabischen Län-

dern veröffentlicht.

Das deutsche Magazin Der Spiegel veröffentlichte am 6. Oktober 2004 einen

langen Bericht über arabische Autoren, die auf der Frankfurter Buchmesse

repräsentiert sind: Assia Djebar, Tahar Ben Jalloun u.a. Der Bericht spricht

über den Erfolg der Integration dieser Autoren in die europäischen Gesell-

schaften und über ihre erfolgreichen literarischen Werke. Die Zeit hat auch

damals eine 104 Seiten starke Beilage über das Programm der Buchmesse

veröffentlicht. Zu lesen waren darin Artikel von über 80 arabische Bücher

und Romane. Der Tagesspiegel berichtete über die jungen Schriftsteller und

Schriftstellerinnen wie Miral Al-Tahawi und Mustafa Zikri aus Ägypten. Der

Bericht enthält Zusammenfassungen über ihre Biographien und ihre veröf-

fentlichten Werke. Mahmud Darwisch gab in der Frankfurter Allgemeine

Zeitung eine spannende Analyse über sein Werk Wo du warst und wo du bist.

In dem Artikel bezeichnet er seine Gedichte als Stimme Palästinas.

Es ist von Bedeutung, darauf hinzuweisen, dass die arabische Teilnahme an

der Frankfurter Buchmesse und die modernen Übersetzungen arabischer Li-

Page 77: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

76

teratur eine zunehmende Aufmerksamkeit von deutscher Seite mit arabischer

Literatur bewirkt haben. Allmählich wird die Präsenz arabischer Literatur

nicht als oberflächliches Phänomen oder etwas Exotisches oder Folkloristisch

wahrgenommen, sondern als Literatur befreit von den orientalischen Vorstel-

lungen der romantischen Zeit. Seit den 90er Jahren kann man auch eine zu-

nehmende Rezeption dieser Literatur erkennen.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Fokussierung auf Exotisches

einen ernsthaften kulturellen Austausch verhindert. Dazu beeinträchtigt auch

die Rezeption arabischer Literatur als folkloristisches Schriftgut eine adäqua-

te Rezeption arabischer Literatur als vielfältige und reichhaltige Literatur,

weil in diesem Fall nur die fremden Kulturrealien in den Werken hervorgeho-

ben werden.179 Ebenfalls kann gesagt werden, dass die in deutscher Sprache

verfasste arabische Literatur Gefahr läuft, keinen Zugang zu einem breiteren

deutschen Lesepublikum zu finden und somit ausgegrenzt zu werden. Es ist

ebenso festzustellen, dass exotistische, folkloristische und stereotype Darstel-

lungen die Komplexität der arabischen Region und die Vielfalt der arabischen

Gesellschaft reduzieren.

In den nächsten Abschnitten über Karasholi wird sein Standpunkt über Exo-

tik und Folklore dargelegt. Schami ist unter den arabischstämmigen in

Deutschland lebenden Autoren ein Sonderfall. Sein Erfolg verdankt sich zum

großen Teil seiner Rezeption als Erzähler, der mündlich bzw. schriftlich einen

bedeuten Platz für sich in Deutschland fand. In dem folgenden Kapitel wird

ausführlich über die Rolle der Erzählkunst Schamis als Grund seines Erfolges

diskutiert.

179 S. PFLITSCH, Andreas: Das Ende der Illusionen, zur arabischen Postmoderne. In: NEUWIRTH, Angelika/PFLITSCH, Andreas und WINKLER, Barbara: Arabische Litera-tur Postmodern. München: Edition text + Kritik Verlag. 2004. S. 25.

Page 78: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

77

4.2.2 Die orientalischen Märchen

Die Märchen spielen neben Satiren und allen szenisch-dialogischen bzw.

theatralen Ausdrucksformen in der Migrationsliteratur in Deutschland eine

wichtige Rolle. Insbesondere in der arabischen Migrationsliteratur finden sich

viele Texte, die ihre Inspiration aus der arabischen Märchenkunst schöpfen.

Außerdem wurden die bekannten Schriftsteller wie Schami, Naoum,

Alafenisch und Al-Hilali als Märchen- oder Geschichtenerzähler rezipiert.

Im Hinblick auf die Vielfalt der Märchen, die von orientalischen oder westli-

chen Traditionen beeinflusst sind, wird die Rezeption dieses beliebten Genres

problematisch. Nicht selten wurde Schami als orientalischer Erzähler be-

zeichnet ohne Berücksichtigung der eigenen Charakteristika, Eigenschaften

und Ziele seiner Märchen. Solche Dilemmas lassen die arabischen Autoren,

die als Märchenerzähler bezeichnet werden, in Konflikt mit den Kritikern

geraten. Außerdem wurden die Schriftsteller, die nichts mit Märchen zu tun

haben, als Erzähler rezipiert.

Über den problematischen Zusammenhang zwischen den arabischen Autoren

und dem Genre „arabische Märchen“ im deutschen Rezeptionsfeld schreibt

Khalil:

Die literarische Produktion eines Autors oder einer Autorin aus dem arabischen Sprach- und Kulturraum wird oft voreilig als Darstellung orientalischer Exotik, als Folklore im Stile von Tausendundeiner Nacht aufgefaßt. So erscheint der Araber als Märchenerzähler, die Araberin als moderne Scheherezade. […] Den arabischen AutorInnen wird durch das Übersehen ihrer in-dividuellen Leistungen quasi bescheinigt, was Naoum 1986 in seinem Essay „Aus dem Ghetto heraus“ polemisch schrieb: „Bauchtanz und Kebab, das sollte man ihnen lassen.“180

180 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120.

Page 79: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

78

Die Märchen von Naoum und Schami sind zwei Beispiele für zwei unter-

schiedliche Märchen. Trotzdem wurde beiden Märchenerzählern dasselbe

Etikett (traditioneller Märchenerzähler) verliehen. Dies erfordert tatsächlich

eine unterschiedliche Aufnahme, spezifische Kritik und separate Bewertung.

Die Themen der Märchen von Naoum sind meist orientalische Themen, und

das ist der Unterschied zwischen ihm und Schami, der sich mehr von den

westlichen Traditionen beeinflussen lässt als Naoum. Schami hat, anders als

Naoum einen akademischen Beruf erlernt. Was sie unterscheidet ist, dass

Naoum lediglich von den volkstümlichen Erzählern gelernt hat. Er versucht,

aus der Sicht des kleinen Mannes diese Kaffeehausgeschichten zu erzählen,

mit gesunder Naivität und philosophischem Hintergrund. Er versucht nicht,

von anderen Autoren etwas zu übernehmen und zu bearbeiteten, er konstru-

iere auch nicht. Deswegen haben seine Geschichten auch ein ganz anderes

Publikum, vielleicht würden unter Intellektuellen die Märchen von Schami

besser ankommen als Naoums Märchen. Seine Märchen orientieren sich mehr

an der volkstümlichen Tradition.181

Die Auseinandersetzung mit der Märchenkunst hinsichtlich der Rezeption

arabischer Autoren erklärt ein Dilemma in der Rezeption. Dieses Dilemma

dominierte bis etwa Ende der 90er Jahre. Suleiman Taufiq kritisiert die Fehl-

rezeption der Migrantenliteratur:

Wir sind selbst Schuld an der Misere – daran, daß unsere Lite-ratur bis heute entweder als Folklore dargestellt wird oder, um zu beweisen, wie schlecht es uns in dieser Gesellschaft geht, für die Argumentation von Sozialarbeitern missbraucht wird.182

Zwar hat Taufiq die Lösung des Problems, warum die Autoren Schuld sind,

nicht ausführlich diskutiert, aber auf der Grundlage seiner Aussage kann man

verstehen, dass die Autoren selbst ihre Ansprüche, Auseinandersetzungen 181 Vgl. Tagungsprotokolle - Evangelische Akademie Iserlohn. Hrsg. von der Evangeli-schen Akademie Iserlohn. Heft 26. 1985. S. 70f. 182 Vgl. Diskussionen. In: AMIRSEDGHI, Nasrin/BLEICHER, Thomas (Hrsg.): Literatur der Migration. Mainz: Donata Kinzelbach Verlag. 1997. S. 116-137. Besonders S. 132f.

Page 80: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

79

und Kritik nicht in renommierten Zeitungen diskutieren. Die Autoren selbst

müssen die falschen Stereotypen und Klischees erklären und korrigieren.

In dem folgenden Kapitel wird die Rolle der arabischen Traditionen wie

Märchenkunst, Erzählkunst und das arabische Erbe ausführlich diskutiert. Es

wird gezeigt werden, welche Rolle diese bereits erwähnten Motive in der

Rezeption von Schamis Werken spielen.

4.3 Aspekte der Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen

Autoren

Bei der Untersuchung der Studien und der Beiträge über Migrationsliteratur

ergibt sich, dass nur bei Khalil die arabischen Autoren in Gruppen eingeteilt

wurden.183 Sie untersuchte Texte arabischer Autoren, die aus der arabischen

Region stammen und als Teil der Migrationsliteratur in Deutschland angese-

hen werden. Sie versuchte, alle arabischen Autoren in Deutschland zu erfas-

sen. In ihrem Beitrag „Arabisch-deutsche Literatur“ von 1996 bietet Khalil

einen guten Überblick über die arabischen Autoren in Deutschland und teilt

die arabischen Autoren entsprechend der von ihnen präferierten Genres in

acht Gruppen ein:

1. mündliches Erzählen: Huda Al-Hilali, Jusuf Naoum, Salim Alafenisch,

Rafik Schami.

2. Lyrik: Jusuf Naoum, Suleiman Taufiq, Fouad Awad, Adel Karasholi, Kha-

lid Al-Maaly.

3. erzählende Literatur.

4. Kinderliteratur: Schami, Taufiq, Ghazi Abdel-Qadir.

183 Bezüglich der Rezeption arabischer Autoren in Deutschland hat Iman Khalil nicht nur die Probleme der deutschen Rezeption arabischer Autoren diskutiert, sondern auch die gesamte Situation der arabischen Literatur in Deutschland dargestellt. In ihrem wichtigen Beitrag „Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland“ von 1997 kritisierte sie die deutsche Nichtbeachtung arabischer Autoren.

Page 81: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

80

5. Satire: Wadi Soudah.

6. realistische Prosa: Romane, Erzählungen oder Kurzgeschichten: Suleman

Taufiq, Huda Al-Hilali, Mohammed Mhaimah, Hassona Mosbahi, Najem

Wali.

7. Essayistik und Journalismus: Hassona Mosbahi, Najem Wali.

8. Übersetzungen und Herausgabe von Anthologien: Suleiman Taufiq, Khalid

Al- Maaly.184

Allerdings schließt Khalil Autoren wie Fatima Mohamed Ismail, Elham Abd-

El-Attif Mohamed und Iman Ragab Abdou aus, da diese Autoren kaum ver-

öffentlichten bzw. nicht als Schriftsteller betrachten werden, weil sie lediglich

„nach kurzen Studienaufenthalten in Essen drei kurze Beiträge im Rahmen

eines literarischen Preisausschreibens (1983) lieferten“.185 Die Auflistung

von Khalil zeigt, dass die arabischen Autoren verschiedene literarische Gen-

res bedienen. Die Rezeption arabischer Autoren erfordert es, die Unterschie-

de zwischen den arabischen Autoren zu zeigen; welche literarischen Angebo-

te bieten sie und inwieweit wurden sie unterschiedlich rezipiert.

Aus der Untersuchung der in Deutschland lebenden arabischen Autoren geht

hervor, dass arabische Autoren nicht adäquat rezipiert wurden. Es wird in

den folgenden Paragraphen gezeigt, wie arabische Autoren rezipiert wurden

und welche Rolle die arabische Erzählkunst, das Vorwissen und Vorver-

ständnis über die arabische Literatur in dieser Rezeption spielt. Bei der Un-

tersuchung der deutschen Rezeption arabischer Autoren ergibt sich, dass sie

kaum Anerkennung in den Medien fanden und selten von den Literaturkriti-

kern betrachtet wurden. So ist beispielsweise die Präsenz von arabischen

Autoren in Sammelrezensionen, die sich kritisch mit der Migrationsliteratur

auseinandersetzen, relativ gering und taucht nur am Rande auf. Außerdem

werden Werke arabischer Autoren, aufgrund der geringen Rezeption oft

184 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 151ff. 185 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 93f.

Page 82: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

81

falsch interpretiert. Dementsprechend stellt sich die Aufgabe, die Rezeption

der arabischen Autoren im Hinblick auf die vorhandenen Rezensionen und

kritischen Aussagen darzustellen. Zudem werden weitere Wirkungsbereiche

dieser Autoren beschrieben wie z.B. Übersetzung, Herausgeber-Tätigkeiten

und das Verfassen von Essays und Beiträgen.

Die Einteilung der arabischen Autoren in den folgenden Paragraphen wird

aus der Auflistung der arabischen Autoren von Khalil übernommen. Weitere

arabische Autoren werden zum ersten Mal in dieser Studie untersucht. Insbe-

sondere werden die arabischen Autoren untersucht, die in den letzten zwan-

zig Jahren neue Werke veröffentlichten. Außerdem werden die von Khalil

ausgeschlossenen arabischen Autoren nicht behandelt. Es ist wichtig darauf

hinzuweisen, dass die arabischen Autoren in dieser Studie in zwei Generatio-

nen eingeteilt werden. Die erste Generation bezieht sich auf Autoren, die in

den 40er und 50er Jahren geboren wurden; die zweite Generation bezeichnet

die seit den 60er Jahren geborenen arabischen Autoren.

4.3.1 Die erzählende Literatur

Zur ersten Generation gehören wichtige arabische Erzähler, Romanciers,

Dichter, Journalisten und Kinder- und Jugendbuchautoren. Trotz ihrer Prä-

senz als Vertreter verschiedener Genres, wurden sie vom Anfang an in

Deutschland als „Erzähler“ bezeichnet und rezipiert.186 Von den lebenden

arabischen Schriftstellern in Deutschland gibt es nur vier Erzähler, die haupt-

sächlich als Vertreter dieses Genres bekannt sind. Diese Erzähler sind: Scha-

mi, Naoum, Alafenisch und Karkutli.187 Die hier besprochenen Autoren wur-

den von den deutschen Kritikern positiv aufgenommen. Wegen ihrer zahlrei-

186 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 152. 187 Khalil erwähnt in ihrer Beiträge nur die Erzähler: Schami, Naoum, Al-Afenisch und Al-Hilali. Burhan Karkutli wurde -vielleicht wegen seiner Tätigkeit als Künstler- nicht neben den arabischen Erzählern erwähnt.

Page 83: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

82

chen mündlichen und schriftlichen Erzählungen und Märchen prägte sich die

arabische Literatur seit den 80er Jahren im deutschen Bewusstsein als „erzäh-

lerische Literatur“ ein. So kann man sagen, dass die Popularität arabischer

Erzähler problematisch auf Rezeption anderer arabischen Autoren wirkt, die

mit Erzählen nichts zu tun haben. Wegen dieser Popularität werden alle ara-

bischen Autoren, als Märchen- und Geschichtenerzähler eingestuft.188

Die literarischen Werke arabischer Autoren werden oft voreilig als Darstel-

lung orientalischer Exotik, als Folklore im Stile von Tausendundeiner Nacht

aufgefasst. So erscheinen die arabischen Autoren als Märchenerzähler und

die arabischen Autorinnen als moderne Scheherazade. Nach Khalils Meinung

hat sich das orientalische Märchen in Deutschland vom Standpunkt der litera-

rischen Gattungen aus als ein „beliebtes Genre“ erwiesen.189 Sie argumen-

tiert, dass die realistischen Bücher weniger verbreitet sind als die orientali-

schen Märchen und Kaffeehausgeschichten. In dem folgenden Zitat spricht

sie über die Folgen der Hinwendung zum Erzählen der Märchen und der Kaf-

feehausgeschichten:

In dieser Hinsicht decken sich westliche Publikumserwartungen mit einem Aspekt der literarischen Produktion arabischer Auto-rInnen in Deutschland, und zwar da, wo diese auf Erzähltechni-ken aus dem volkstümlichen Bereich ihres Kulturgutes zurück-greifen. Aber die verbreitete Tendenz, sie hauptsächlich als „Märchenerzähler“ zu rezipieren, birgt in sich die Gefahr, die Arbeit dieser AutorInnen als exotische Attraktion aus Tausend-undeiner Nacht erscheinen zu lassen. In dieser Hinsicht führt das beim deutschen Publikum besonders erfolgreiche freie Er-zählen von Alafenisch, al-Hilali, Naoum und Schami ebenfalls zu Rezeptionsmissverständnissen.190

In den folgenden Abschnitten wird die Rezeption arabischer Erzähler anhand

der Werke der Erzähler Naoum und Alafenisch untersucht. Zwar bedienen

188 Vgl. ebd. 189 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 123. 190 Ebd. S. 123.

Page 84: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

83

sie die mündlich und schriftlich erzählende Literatur, aber die Untersuchung

zeigt die Unterschiede zwischen den beiden Erzählern.

Naoum (geb. 1941) ist ein libanesischer Kaffeehausgeschichtenerzähler; er

wurde in El Mina bei Tripoli im Libanon geboren. Er lebt seit 1964 in

Deutschland,191 wo er als Kellner neben seiner Ausbildung im Hotel- und

Gaststättengewerbe arbeitete. Er absolvierte ebenso eine Umschulung zum

Masseur und medizinischen Bademeister und begann zu schreiben. Seit 1983

ist er in Deutschland als orientalischer Geschichtenerzähler bekannt.192

Naoum zählt zu den arabischen, in Deutschland lebenden und schreibenden

Pionieren, die lange um die Anerkennung ihrer Literatur durch deutsche Kri-

tiker und Wissenschaftler gekämpft haben. Durch viele Veranstaltungen,

Abendlesungen und Autorenlesungen wurde er dem deutschen Publikum

bekannt. In literarischen Kreisen fand er auch Anerkennung als Erzähler.

Naoums Werk greift verschiedene Themen wie unterhaltsame, ernste, gesell-

schaftliche, geschichtliche und individuelle Geschichten auf. Neben Roma-

nen, Erzählungen und Gedichten hat er zahlreiche Hörspiele und ein Fernseh-

spiel verfasst; daneben veröffentlichte er auch einige Aufsätze und Essays.

Sein erster in deutscher Sprache verfasster Roman Der rote Hahn erschien

1974. Seine Geschichten und Märchen lehnen sich an orientalische Stoffe an.

Nicht nur die Stoffe der Geschichten sind orientalisch, sondern auch seine

Erzählstrategien und Erzähltechnik.

Der Großteil seiner Popularität in Deutschland gründet in seinem Festhalten

an mündlicher und schriftlicher Erzählkunst und in der Aktualisierung der

Charaktere seiner Geschichten Abu al-ÝAbd und Abu as-SÙs. Er gilt als orien-

191 Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. Und 20. Jahrhun-derts. Heidelberg: Palmyra Verlag. 2004. S. 202. 192 Vgl. ebd.

Page 85: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

84

talischer Märchen- und Kaffeehausgeschichtenerzähler.193 Er erzählt öffent-

lich auf Kleinkunstbühnen, im Theater, in Stadtbüchereien, Buchhandlungen,

Kulturcafés etc., unterbricht seine Geschichte, um ein Schluck Tee oder

Wasser zu trinken, wonach er den berühmten Satz der arabischen Kaffee-

hauserzähler spricht: „Wo bin ich stehengeblieben?“.194 Während des Erzäh-

lens „arbeitet“ der Zuhörer mit Naoum. Diese Arbeit ist ein wichtiger Teil

seiner Erzählstrategie. Der Zuhörer hat die Möglichkeit, den Erzähler zu

unterbrechen und zu korrigieren oder die Geschichte zu ergänzen. Was ihn

besonders von den anderen arabischen Erzählern unterscheidet ist, dass er

seine Geschichten immer in Form des Ich-Erzählers darbiet und dabei von

Instrumenten wie Klavier, Sopransaxophon und Percussion begleitet wird.

Außerdem veröffentlichte er zwei Bände in Erzählprosa: Die Kaffeehausge-

schichten des Abu al Abed und Nacht der Phantasie. Abu al-ÝAbd ist die

berühmteste libanesische fiktive Figur, über die zahlreiche Anekdoten im

Libanon erzählt werden. Naoum präsentiert seinem deutschen Publikum noch

zahlreiche humorvolle Geschichten wie den 1995 erschienenen Band Kara-

kus und andere orientalische Märchen. KarÁkÙz195 ist ähnlich wie Abu al-

ÝAbd ein schlauer Charakter, entstammt jedoch der türkischen Volksdich-

tung. In den arabischen Ländern ist dieser Charakter sehr bekannt und be-

liebt. Die absichtliche Wahl dieser beiden Charaktere durch Naoum ist ein

wichtiger Schritt, um die berühmten erzählerischen Figuren dem deutschen

Publikum vorzustellen.

Seit den 80er Jahren entfernt sich Naoum thematisch in seinen realen Roma-

nen von dem Minderheitenthema in Deutschland. Aber sein Roman Kaktus-

193 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 153. 194 Vgl. ebd. 195 Karagöz (türk. Schwarzauge): lustige Person des islamischen Puppenspiels, ursprüng-lich Hauptfigur des türkischen Schattenspiels: junger, volkstümlich-derber, schlagfertig-witziger, auf animalische Bedürfnisse fixierter Typus. Sein Partner ist meist der ältliche, wichtigtuerische, halbgebildete Spießer Hadschiwat, dessen Worte Karagöz stets missver-steht oder ins Unflätig-Komische verdreht. Vgl. Metzler Lexikon Literatur. S. 34.

Page 86: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

85

feigen widmet sich offensichtlich einem Thema der Migrantenliteratur. In den

gesellschaftskritischen Erzählungen liegt der Handlungsort im Libanon. Bei-

spielsweise berichtet sein Roman Nacht der Phantasie von 1994 über die

Periode zwischen den 60er und den 70er Jahren in Libanon. Das Thema ist

die durch den Bürgerkrieg zerstörte Kultur in seiner Heimat. Dieser Krieg

zerstörte alles in Libanon, vor allem die Menschen. Naoum beschreibt die

Rolle der US-Amerikanern und amerikanischen Medien bei der Zerstörung

der libanesischen Kultur und beschreibt, dass der libanesische Ex-Präsident

KamÐl ŠamÝÙn verantwortlich ist für den Bürgerkrieg. Weiter beschreibt

Naoum, dass nach der Zerstörung der Kultur der Beruf Kaffeehauserzähler

gefährdet wird, aus dem libanesischen Alltag zu verschwinden. Omar be-

schreibt Naoums Technik in der Erzählung und die Rolle des Erzählens in

diesem Roman:

In allen Kapiteln von Naoums Text sind die Erzählsituationen so aufgebaut, dass die zuhörenden Figuren ständig kommentie-ren, korrigieren und nicht selten den Haupterzähler Abu al Abed unterbrechen, um selbst zur vorgetragenen Geschichte ei-ne damit verbundene Anekdote oder weitere Geschichte hinzu-zufügen. Die Kürze oder Länge dieser Unterbrechungen, die den Erzählgang sprengen, wird von Abu al Abed gesteuert, in-dem er sie entweder zulässt oder ablehnt. Das Erzählen hat im Text eine gesellschaftliche Funktion: Nachrichten und histori-sche Ereignisse werden gemeinsam dokumentiert und beur-teilt.196

Wichtig ist es hier festzustellen, dass er in seinen Texten die religiöse und

kulturelle Vielfalt der libanesischen Gesellschaft darstellt. Er bietet keine fes-

ten christlichen oder muslimischen Typen dar, sondern verarbeitet die realen

Ereignisse in seinen Texten literarisch. Diese Darstellung enthüllt die wichti-

gen Ereignisse der modernen Geschichte des Libanons, in der der Volkskrieg

die Kultur und die Menschen verändert hat.

196 OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 271.

Page 87: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

86

Was die Darstellung weiblicher Figuren betrifft, wählt Naoum häufig Frauen

als Protagonistinnen bzw. als Mittelpunkt seiner Erzählungen und stellt sie

differenzierter als die bekannten typischen Frauencharaktere dar. Die schwa-

che analphabetische Frau als Figur spielt bei Naoum keine Rolle, sondern ist

in der Regel die Frauenfiguren in seinen Texten starke und freie Figuren im

Gegensatz zu den Frauenfiguren bei Schami und Alafenisch, aber sie schei-

tern öfter im Kampf gegen die Gesellschaft bzw. die Traditionen. Er be-

schreibt ihre Schicksale und lässt ihr Handeln abstoßend erscheinen, so bleibt

ihr Handeln inakzeptabel für die Leser. Die weiblichen Figuren bei ihm sind

Witwen, Lehrerinnen, Geliebte, Schriftstellerinnen u. a.; sie sind stark, selb-

ständig und werden von der Gesellschaft respektiert.

1996 schrieb er in seinem Roman Nura über den Bürgerkrieg in Libanon und

über die Situation der Frauen in dieser Gesellschaft und die Verhältnisse der

Frauen aus verschiedenen Religionen. Im Mittelpunkt dieses Romans stehen

zwei Frauen, eine muslimische und eine christliche Frau. Naoum behandelt

verschiedene Themen wie Frauen, Religion und Emotionen. Nura, die Prota-

gonisten, ist eine junge Libanesin und kommt nach Deutschland. Sie wächst

im Laufe der Erzählung an ihrem Konflikt mit gesellschaftlich dominierenden

Traditionen, aber sie scheitert im Kampf gegen die Gesellschaft und Traditi-

onen und stirbt schließlich.

Weitere weibliche Figuren erscheinen in seinem Roman Nacht der Phantasie.

Hier stellt Naoum gebildete Frauen, eine Heiratsvermittlerin ÍÁlÙn, Schrift-

stellerin ÍabÐba, Lehrerin Mademoiselle Marie Antoinette und eine Ge-

schäftsfrau Ïdma vor. Ïdma, die erfolgreiche Geschäftsfrau mit starker Per-

sönlichkeit, ist eine Witwe mit zwei Söhnen. Die Frauen beneiden Ïdma und

betrachten sie als eine Außenseiterin. Ïdma wird von den Männern in der

Erzählung nicht nur bewundert, sondern geachtet.

Page 88: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

87

Der zweite Erzähler ist Salim Alafenisch (geb. 1948). Er ist ein Deutsch

schreibender palästinensischer Schriftsteller, wurde als beduinischer Erzähler

in Deutschland rezipiert. Alafenisch wurde als Sohn eines Beduinenscheichs

aus der Negev-Wüste geboren. Mit vierzehn Jahren lernte er Lesen und

Schreiben, ab 1987 begann er seine Kindheit literarisch in seinen Erzählungen

zu dokumentieren und zu verarbeiten. Seit 1973 lebt er in Heidelberg.197

Seine literarische Laufbahn begann erst in Deutschland. Als Gastarbeiter hat-

te er keine Rolle gespielt, weil er später seine Geschichten auf Deutsch veröf-

fentlichte; in dieser Zeit endete allmählich die Phase der sogenannten Gastar-

beiterliteratur. Er merkt 1996 in einem Interview an, dass die Gastarbeiterli-

teratur seine Aufmerksamkeit weckte, und er so begann zu schreiben.

Alafenischs in deutscher Sprache geschriebene Geschichten richten sich glei-

chermaßen an Erwachsene, Jugendliche und Kinder.198 In Anlehnung an die

orientalische Erzähltradition trägt er seine Geschichten frei in Lesungen vor,

im Jahr sind es etwa hundert Veranstaltungen.199 Hauptsächlich erzählt und

berichtet er über die Lebensweise, Sitten und Mythen der Nomadenstämme

in der arabischen Wüste. Die Hauptmotive, die ihn zum Erzählen bzw. zum

Schreiben leiten, sind: seine Verbundenheit mit der beduinischen Erzählkunst,

seine Beschäftigung mit den Debatten über Islam, die Araber und über den

Orient in Deutschland und seine Suche nach einer Lebensarbeit.200

197 ALAFENISCH studierte Ethnologie, Soziologie und Psychologie in Heidelberg; er ist Kulturbotschafter der Deutschen Welthungerhilfe. Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 28. 198 Die Veröffentlichungen sind: Das versteinerte Zelt (1993), Die acht Frauen des Groß-vaters (1989) und Die Nacht der Wünsche (1996). Für Kinder und Jugendliche schreibt er: Feuerprobe (2003), Der Weihrauchhändler (1988), Amira im Brautzelt (1998), Amira - Prinzessin der Wüste (1994), Azizas Lieblingshuhn (1997) und Das Kamel mit dem Na-senring (1990). Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 28. 199 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 152. 200 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 333ff.

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88

Bevor er als Autor zu publizieren begann, veröffentlichte er Vorträge über

die Geschichte der arabischen Kultur, über den Islam, die arabische Kultur in

Europa und die Rolle der arabischen Kultur in der Weiterentwicklung euro-

päischen Kulturgutes an Volkshochschulen und in akademischen Kreisen in

Berlin, Essen und Bielefeld.201

Alafenisch orientiert sich an Schamis Werken, so ähnelt sein einziges politi-

sches Werk Das Kamel mit dem Nasenring sehr Schamis Roman Der ehrli-

che Lügner. Aber was ihn besonders auszeichnet, ist seine von der Wüsten-

atmosphäre geprägte Sprechweise und der rezitative Ton. In seinen Ge-

schichten, die mündlich vorgetragen oder niedergeschrieben sind, ist sein

Erzählrhythmus

ruhig, der Erzählfluß ist geradlinig, die Sprache [ist] schlicht, die Parataxe überwiegt. Wortkarg, direkt, ohne Schnörkel und Ornament, ist der Stil hier ganz anders als Schamis labyrinthi-sche, komplexe Verschachtelung von Episoden, Naoums Kaf-feehaus-Erzählstrategie und reiche Metaphorik oder Al-Hilalis abwechslungsreiche und temperamentvolle Sprechweise.202

Der Blick auf seine Werke weist auf beduinische Einflüsse nicht nur in seinen

Geschichten und Erzählungen, sondern auch in der Auswahl der Protagonis-

ten hin. Die beduinischen Elemente prägten seine Bücher wie Das Kamel mit

dem Nasenring, Das versteinerte Zelt und das Kinderbuch Amira, Prinzessin

der Wüste. Zusätzlich sind die persönlichen Erfahrungen die Basis, auf der

Alafenisch seine Erzählungen entstehen lässt. So beschäftigt er sich mit Bil-

dern der beduinischen und arabischen Kultur, die geprägt sind von den Le-

bensumständen als Nomaden in der Wüste. Sein Werk kreist um die Negev-

Beduinen und ihren Lebensraum.

201 Vgl. ebd. S. 334. 202 KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 155.

Page 90: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

89

In Das Kamel mit dem Nasenring stellt Alafenisch den sozialen Wandel dar.

Die Beduinen gingen über vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit und werden

nicht mehr Beduinen, sondern Bauern und leben in Häusern statt Zelten. Das

Werk schildert mit Humor, Ironie und Satire den Lebenswandel der palästini-

schen Beduinen im Negev und umfasst einige Phasen in der Beduinenge-

schichte, nämlich die Zeit der osmanischen Herrschaft, der britischen Besat-

zung und der Staatsgründung Israels. Husain, der Erzähler des beduinischen

Stammes, erzählt die Geschichte der Vorfahren und wurde kaum von den

Zuhörern unterbrochen. Andere Figuren übernahmen selten das Erzählen von

Episoden, weil Husain als allwissende und nahezu alleinige Erzählinstanz

geschildert wird.203 Bei Alafenisch kann der Leser eine literarische Entwick-

lung finden. Zwar verwendet er die dominante Erzähltechnik der arabischen

Volksmärchen, aber das bedeutet nicht, dass er identische unentwickelte Er-

zähltechnik verwendet. Wie in den klassischen arabischen Märchen enthält

Alafenischs Werk ein gutes Ende. Anders als die in den arabischen Märchen

dominierenden Figuren sind die Protagonisten in Alafenischs Werk zwei ein-

fachen Beduinen.204

Alafenisch stellt in seinen Erzählungen die beduinische Lebensweise dar, be-

schreibt den Männerkreis im Zelt, wo keine Frau sich dazu setzen darf. Diese

realen Beschreibungen vermittelt dem Leser die Elemente des Beduinenle-

bens wie u. a. die Wüste, Oasen, Palmen, Gastfreundschaft und die Beschrei-

bung von Themen wie Polygamie, Despotie, Patriarchat u.a. Aifan sieht sich

selbst als der erfolgreichste Autor in Bezug auf das Araberbild.205

Die Untersuchung der literarischen Produktionen und erzählerischen Ange-

boten bei Naoum und Alafenisch hat ergeben, dass Naoums Werk verschie-

dene Themen aufgreift. In seinen Werken können die Leser zwei unterschied-

liche Themen finden: einerseits die Darstellung ernster realistischer Geschich-

203 Vgl. OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 276f. 204 Vgl. ebd. S. 277. 205 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 396.

Page 91: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

90

ten und andererseits die erzählerischen Unterhaltungsgeschichten. In den

erzählerischen Texten kehrt er zur arabischen Erzählkunst zurück und ver-

wendet bekannte Figuren. Hier bedient er die unterhaltsame Literatur und

verwendet die bekannte Form des Erzählens mit einigen Zusätzen wie die ihn

begleitende Musik. Anders verarbeitet er die realen Ereignisse in seinen ge-

sellschaftlichen Romanen und präsentiert in diesen Romanen starke weibliche

Figuren. Er verweigert sich in seinen realistischen Erzählungen, Gedichte und

Romanen dem Exotischen und dem Klischee des heiteren Orients darzustel-

len. In den beiden realen Romanen und unterhaltenden Erzählungen kehrt

Naoum zum arabischen Sprach- und Kulturraum zurück, insbesondere in den

Libanon.

Bei Alafenisch hingegen, der über die Lebensweise, Sitten und Mythen der

Nomadenstämme in der arabischen Wüste erzählt, beschränken sich seine

Erzählungen lediglich auf das beduinische Leben in der Wüste, weil er dort

lebte: Er präsentiert beduinische Figuren und stellt dar, wie die Beduinen in

der Wüste leben. Was ihn auszeichnet ist, dass er reale und fantastische Ele-

mente aus der beduinischen Gesellschaft zusammen mischt. Er widerlegt

nicht die exotischen Vorstellungen über Beduinen, sondern arbeitet mit exo-

tischen Elementen ohne die exotischen Vorstellungen neu zu inszenieren. Er

versucht, die Darstellung der einzelnen Persönlichkeiten dem deutschen Le-

ser näher zu bringen und versucht, das Exotische durch alltägliche Begeben-

heiten zu entzaubern. Weil er als Beduine in einer Stammesgesellschaft mit

vornehmlich oraler Tradition und Kultur lebte, so beschäftigt er sich mit be-

duinischen Elementen in seinen Geschichten und wurde bis heute als beduini-

scher Erzähler rezipiert.

Page 92: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

91

4.3.2 Die realistische Prosa

Die arabische realistische Prosa enthält Romane, Erzählungen und Kurzge-

schichten. Taufiq, Al-Hilali, Mosbahi, Wali, Al-Mozany, Mhaimah, Belfellah,

Boubia, Skif und Al-Dahoodi206 schreiben realistische Texte. Die ersten fünf-

ten Autoren sind aber bekannter und auch heute aktiv. Die anderen Autoren

haben mehrere Werke veröffentlicht, aber ihre Werke sind von den deutschen

Kritikern unbeachtet. Anfang der 90er Jahre erschienen neue arabische

Schriftsteller in der Literaturszene in Deutschland, die sich als deutsche

Schriftsteller verstehen, wie zum Beispiel Anis Hamadeh, Abdellatif Youssafi

und Scherko Fatah.207 Einige haben deutsche Mütter wie Hamadeh und Fa-

tah. Diese Autoren, die entweder in den 60er Jahren in Deutschland gebore-

nen wurden oder aus arabischen Ländern als junge Migranten eingereist wa-

ren, ließen die arabische Gruppe größer werden.

Wichtige Autoren wie Raid Sabbah, Anis Hamadeh und Scherko Fatah

schreiben zwar auf Deutsch, aber ihre Themen sind über den Orient und ihre

arabische Heimat. Ein Islambild wird in ihren Werken nicht dargestellt; sie

schreiben nicht über die radikalen Muslime, sondern über die einfachen Men-

schen in ihren arabischen Regionen. In der Regel richten sie sich besonders

an den deutschen Leser, weil ihre Muttersprache Deutsch ist. Omar stellt

fest, dass es Fatah, Sabbah und Hamadeh gelingt, „den deutschen Leser da-

für zu sensibilisieren, dass der Nahe Osten weder der idyllische Orient von

Tausendundeiner Nacht noch der Ort des religiösen Fanatismus allein ist,

206Abdellatif Belfellah (geb. 1954) ist ein deutscher Schriftsteller marokkanischer Ab-stammung. Fawzi Boubia (geb. 1948) ist ein marokkanischer Schriftsteller. Hamid Skif (geb. 1951) ist ein französisch schreibender algerischer Journalist, Romancier, Erzähler und Lyriker. Zuhdi Al-Dahoodi (geb. 1940) ist kurdischer Romancier, Erzähler, Litera-turwissenschaftler. 207Anis Hamadeh (geb. 1966) ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und Songwriter pa-lästinensischer Abstammung. Abdellatif Youssafi (geb. 1960) ist marokkanischer Schrift-steller. Sherko Fatah (geb. 1964) in Ost-Berlin, siedelte 1975 nach West-Berlin über, lebt in Irak und Deutschland, ist Sohn einer deutschen Mutter und eines Kurden aus dem ira-kischen Kurdistan.

Page 93: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

92

sondern eine Region, die von Konflikten hochkomplexer Natur geprägt ist,

denen der einzelne Mensch meist hilflos ausgeliefert ist.“208

Tuschick209 beschreibt die Schriftsteller der zweiten Generation in seiner An-

thologie Morgenland. Neueste deutsche Literatur und findet, dass manche

Schriftsteller Irritationen aus Fremdungserlebnissen in den Ursprungsgesell-

schaften beschreiben.210

Unter den arabischen Romanciers empfing der tunesische deutschsprachige

Schriftsteller, Übersetzer, freie Journalist und Literaturkritiker Mosbahi (geb.

1950) positive Aufnahme in Deutschland. Sein Leben im tunesischen Dorf

wird in vielen seiner Erzählungen widergespiegelt. Hauptsächlich behandelt

er politisch-soziologische Themen vermischt mit seiner eigenen Erfahrung im

Exil. Seine Werke sind ins Deutsche übersetzt. Regina Karasholi übersetzte

den Erzählungsband Der grüne Esel (1996) und den Roman Rückkehr nach

Tarschisch (2000). Die Erzählungen Ölbaum der Kamele (2001) erschien

zuerst unter dem Titel So heiß. So kalt. So hart und wurden 1989 von Erd-

mute Heller und Mohamed Zrouki übersetzt; 2004 erschien sein Roman Adi-

eu Rosalie in der Übersetzung von Erdmute Heller. Für seinen Roman Rück-

kehr nach Tarschisch erhielt er im Jahre 2000 den Tukan-Preis der Stadt

München.

Unter den arabischstämmigen Romanciers ist Hussein Al-Mozany (geb.

1954) ein bekannter irakischer Schriftsteller und Übersetzer. Im Jahre 1999

verfasste er seinen ersten Roman in deutscher Sprache, Der Marschländer.

2002 folgte sein zweiter deutschsprachiger Roman über das deutsch-

208 OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 286. 209 Jamal Tuschick (geb. 1961) verbrachte seine Jugend in Nordhessen. 1987 führte ihn ein Literaturstipendium nach Frankfurt. Als freier Schriftsteller lebt er seither dort und veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau. 210 Vgl. TUSCHIK, Jamal: Träger von Zukunftsinformationen. In: Ders. (Hrsg.): Morgen-land. Neueste deutsche Literatur. Frankfurt am Main: Fischer Verlag. 2000. S. 283-291. Besonders S. 290.

Page 94: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

93

arabische Verhältnis, Mansur oder Der Duft des Abendlandes. In der Regel

zählen zu den in seinen Romanen behandelten Themen der Krieg im Libanon

und im Irak, die Flucht, die Emigration, die Entfremdung, aber auch die In-

tegration. Sein Schreibstil ist melancholisch, enthält einen guten Anteil Ironie

und Witz.211 Wegen seiner zahlreichen Übersetzungen kann man ihn als einen

der aktivsten arabischen Übersetzer in Deutschland betrachten.

Najem Wali (geb. 1956) ist auch ein bekannter irakischer Schriftsteller,212 er

lebte in Florenz, Oxford und Madrid, bevor er sich 1980 für Deutschland

entschied. Als Korrespondent arbeitet er für arabische Zeitungen wie al-

ÍayÁt und schreibt für die deutschen Zeitungen wie Die Zeit, Der Spiegel,

Süddeutsche Zeitung und Neue Zürcher Zeitung. Seine Romane und Ge-

schichten schreibt er auf Arabisch; einige seiner Werke sind ins Deutsche

übersetzt. Folgende Titel sind im Original und deutscher Übersetzung er-

schienen: al-Íarb fī Îay aÔ-Ôarab (1989) ist ein Roman über den irakisch-

iranischen Krieg; 1993 wurde dieser Antikriegsroman auf Deutsch unter dem

Titel Krieg im Vergnügungsviertel publiziert. 1993 erschien seine Geschich-

tensammlung Lailat Marī al-aÌīra; 1997 sein Roman Makān ismuhu Kumait,

1999 seine Geschichtensammlung Fāls maÝ Matilda, 2001 sein Roman Tal

al-lÁÎm ein Roman über die Kriege im Irak wurde 2004 ins Deutsche unter

dem Titel Die Reise nach Tell Laham übersetzt; 2005 folgte der Roman

Ñūrat Yūsuf, der 2008 unter dem Titel Jussifs Gesichter ins deutscher Spra-

che übersetzt wurde. Die drei Romane wurden von Imke Ahlf-Wien über-

setzt. In seinem Roman Die Reise nach Tell Laham benutzt Wali als Erzähler

alle Möglichkeiten, um einen komplexen Roman zu schreiben.

Peter Schütt in seiner Rezension „Weder West - noch östlich“ verreißt Walis

Erzählband Hier in dieser fernen Stadt. Die Erzählungen in diesem Band

211 Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. Und 20. Jahrhun-derts. S. 198. 212 Najem Wali studierte Germanistik an der Universität Bagdad und fortsetzte sein Studi-um in Deutschland fort, lebt heute in Bonn. Vgl. ebd. S. 271.

Page 95: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

94

wurden teilweise direkt auf Deutsch geschrieben, teilweise vom Arabischen

ins Deutsche übersetzt. Im Band beschäftigt sich Wali nicht mit den exoti-

schen bzw. folkloristischen Themen, so wurde Walis Erzählband als enttäu-

schend von dem deutschen Kritiker empfunden, weil es auf Folklore bzw.

Exotik ausgerichteten Erwartungen nicht entspricht. In seiner Rezension kri-

tisiert Schütt die direkt auf Deutsch geschriebenen Erzählungen und lobt die

vom Arabischen ins Deutsche übersetzten Erzählungen, die ließen „etwas von

der Klarheit und Sinnlichkeit erkennen, die der arabischen Literatursprache

eigen ist“.213

Schütt zeigt sich enttäuscht über den Erzählband, weil Wali, der in Deutsch-

land lebende irakische Schriftsteller, keine kulturelle Vermittlung zwischen

Orient und Okzident und keine Verschmelzung literarischer Traditionen in

seinem Band geschaffen hat. Khalil verweist in seinem Beitrag auf den Irrtum

Schütts; im zweiten Teil des Bandes Walis, der von Schütt gelobt wurde,

finden sich nur zwei Geschichten, die ursprünglich auf Arabisch geschrieben

und von Thomas Schade ins Deutsche übersetzt wurden. Demnach hat

Schütt Walis auf Deutsch geschriebene Geschichten gelobt.214

Unter den arabischen Autoren der zweiten Generation gehören auch einige

junge Romanciers. Raid Kassab Abdallah Sabbah (geb. 1973) ist Journalist,

Drehbuchautor und Dokumentarfilmer. Seine Familie stammt aus Dschenin

im Westjordanland. Er selbst wurde in Konstanz geboren.215 In seinen beiden

Romanen griff er Themen aus Dschenin auf. Er beschrieb ausführlich das

Leben der Palästinenser, die in die Armut leben und nichts außer ihren Kör-

213 KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120f. 214 Vgl. ebd. S. 128. 215 Raid Sabbah absolvierte das Studium der Semitistik und Vergleichenden Literaturwis-senschaften. Er arbeitet als freier Mitarbeiter beim Radio und überregionalen Tageszeitun-gen, studierte auch seit 2001 an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg; hat u.a. Drehbücher für Dokumentarfilme geschrieben: Der Hakawati (1998), Regie: Gé-rard Samaan & Marianne Rosenbaum; Sheherazades Töchter (2000), Regie: Husam Chadat (HFF München) und führte auch selbst Regie in Träume aus Trümmern (1998); Lenny Kravitz - (Dokumentation für ARTE); Inschallah (2001); Husam, der aus dem Teppich kam (2002).

Page 96: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

95

pern besitzen. Über ihr Leiden, Schmerzen und Armut schrieb er in Der Tod

ist ein Geschenk - Geschichte eines Selbstmordattentäters und Der Wind

trägt meinen Schmerz davon - Aus dem Leben einer palästinensischen Mut-

ter.

In seinem Werk Der Tod ist ein Geschenk erzählt der Ich-Erzähler über den

neunjährigen Helden namens SaÝid. SaÝid ist palästinensischer Kämpfer und

erzählt von seiner Familie und seiner Heimat. Er ist Selbstmordattentäter und

wartet auf seinen Einsatz. Die Geschichte schildert an mehreren Stellen die

Folterszene und lässt die Leser mit dem Held mitleiden. Was die Exotik und

Klischees betrifft, verweist die Geschichte auf die gängigen Klischees über

Palästinenser als Terroristen und reproduziert die dominanten Begriffe Fana-

tismus und Terrorismus als Klischees über Palästinenser.

In seinem zweiten Roman Der Wind trägt meinen Schmerz davon erzählt er

von Dschenin, Palästinensern und Israelis. Im Mittelpunkt der Geschichte

steht Um MuÎammad, die Lehrerin in Dschenin. Sie muss den Kontrollpunkt

passieren, um zu ihren Schülern zu gelangen. In dieser Erzählung stellt

Sabbah das Leiden der palästinensischen Frauen und das typische Alltagsle-

ben dar.

Die Auseinandersetzung der deutschen Rezeption arabischer Romanciers

versucht darzustellen, wie die arabischen Romanciers der ersten und zweiten

Generation aus einer distanzierten Perspektive die arabische Kultur betrach-

ten und wie diese Romanciers sich von der Auseinandersetzung mit exoti-

schen Themen distanzieren. Weil es schwer ist, die Rezeption aller arabischen

Autoren darzustellen, werden in den Paragraphen Autorenbeispiele ausge-

wählt. Es wurde die Vielfalt der literarischen Angebote bei jedem Romancier

separat summarisch aufgezeigt. Es zeigt auch, mit welchen Themen sich die

arabischen Autoren beschäftigen. Sie entfernen sich von der erzählenden Li-

teratur und schreiben reale Geschichten. Als Vertreter der realistischen Prosa

Page 97: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

96

verarbeiten sie literarisch die Wirklichkeit in ihrer Heimat. Mosbahis Werke

wurden ins Deutsche übersetzt. Al-Mozani wird Dank seiner Übersetzungen

und Werke ebenfalls gut rezipiert. Wali, der exotische Motive benutzt, be-

hauptet selbst, dass er fehlrezipiert wurde, weil sein Werk das Vorverständ-

nis über die arabische erzählerische Literatur wieder erweckte.

Diskutiert wird das deutsche Interesse an der Übertragung von Walis Wer-

ken ins Deutsche und die Fehlrezeption und das Verreißen seines Werkes.

Der Kritiker, hat ohne es zu wissen, die deutschen Erzählungen Walis im

zweiten Teil des Bands gepriesen, einfach weil er sie für Übertragungen aus

dem Arabischen hielt. Eigentlich beruht das Urteil auf einem Irrtum aufgrund

eines Druckfehlers, der den zweiten Teil des Bandes als übersetzt angibt,

während es sich in Wirklichkeit nur um die zwei letzten Geschichten handelt.

Anders als bei Wali verursachen die Klischees und Stereotype keine negative

Auswirkung auf die Rezeption Sabbahs Romane. Er beschreibt das schwere

Leben in Dschenin und präsentiert reale Ereignisse und lässt die Leser mehr

über die armen Menschen in seiner Heimat wissen. Was Exotik und Klischee

über Palästinenser betrifft, hat er in seinen Romanen bekannte exotische und

klischeehafte Figuren dargestellt. Beispielsweise die starke Frauen und die

muslimischen Terroristen, die bei dem deutschen Leser bekannt sind.

Die arabischen Autoren erfuhren durch bedeutende Literaturpreise eine zu-

nehmende Anerkennung, die sich positiv auf die Rezeption auswirkte. Bei-

spielsweise erhielt Belfellah 1998 für seine „Bekenntnisse eines Barbaren“

den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis. 2002 erhielt Fatah den Sonderpreis

des Deutschen Kritikerpreises; 2001 erhielt er den Aspekte-Literaturpreis für

seinen ersten Roman Im Grenzland. 2005 erhielt Skif den Hilde-Domin-Preis

für Literatur im Exil der Stadt Heidelberg für seinen Briefroman Sehr geehr-

ter Herr Präsident.

Page 98: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

97

4.3.3 Die Satire

Der einzige bekannte Satiriker unter den arabischen Autoren ist Soudah.

Wadi Soudah (geb. 1948) ist ein palästinensischer Schriftsteller, wurde in

Nablus geboren und wuchs in einer Schäferfamilie auf. Er studierte in Beirut

von 1969 bis 1977 Soziologie und islamische Philosophie. Er lebte danach in

Jordanien (1977-1979). 1979 kam er nach Deutschland und setzte sein Sozi-

ologiestudium in Bielefeld fort. Er verfasste literarische Bücher in deutscher

und arabischer Sprache.

In seinen Büchern erscheinen deutliche Bezüge zu seinem persönlichen Le-

ben, besonders seine Jahre in Deutschland und die Erlebnisse seiner Familie.

Seine Werke sind immer Satiren mit dem Handlungsort der BRD in der Ge-

genwart. In diesen Satiren gibt sich der Ich-Erzähler explizit als Soudah aus.

Seine anderen Werke sind Erzählungen mit dem Handlungsort Palästina in

der Vergangenheit.216 In seinen Werken setzt er sich hauptsächlich für eine

friedliche Koexistenz der verschiedenen Religionen ein. Dazu will er die

deutschen Leser über die politische Situation in Palästina aufklären und ver-

sucht, in seinen Geschichten die Besatzung als Teil des Alltags in seiner Hei-

mat darzustellen.

Unter den arabischstämmigen in Deutschland lebenden Autoren zählt Soudah

zu den satirischen Autoren. Weil er sich als Satiriker versteht, hält er sich

nicht für einen „Märchen- oder Geschichtenerzähler“. Er erinnert sich an

seine erste Lesung, wo einige Zuhörer enttäuscht den Saal verließen, weil er

ihre Erwartungen auf einen orientalischen erzählerischen Lesungsabend nicht

erfüllte.217 Das erklärt das Dilemma der Rezeption arabischer Autoren in

Deutschland, wo die Erwartung „exotischer“ Themen, Motive und Meta-

phern dominiert.

216 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 122. 217 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 123

Page 99: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

98

Voll Humor und satirischem Stil sind Soudahs Geschichten, manchmal iro-

nisch, manchmal sarkastisch. Beispielsweise in seiner autobiographischen

Geschichte Blutwäsche beschreibt er seine Erfahrungen als fremder Kranker

in Deutschland. In dieser Geschichte ist sein Stil bitter satirisch. In einem

besonderen Stil hat er sein Werk Scheherazade im NATO-Land geschrieben;

die Hauptfigur ist ein Erzähler mit arabischen Wurzeln; er erzählt über die

Akzeptanz der Araber in Deutschland und das irakisches Mädchen Schehera-

zade. Er schildert das deutsche Interesse an der arabischen Region und Kul-

tur, das nach dem Golfkrieg 1991 wiederentdeckt wird. In satirischem Ton

hat der Erzähler begonnen:

Das Interesse am Abendland, an arabischen Märchen, orientali-schem Essen, Bauchtanz usw. ist wieder erwacht. In klaren Worten: Der Araber ist wieder Star in Europa. Wir Araber in der Fremde bedanken uns für den Golfkrieg, der all dies ins Rollen gebracht hat!218

Der Erzähler findet, dass das deutsche Interesse sich heute auf den Orient

und seine Klischees und Märchen richtet. Zwar wählt Soudah Deutschland

als unexotischen Handlungsort, aber die arabischen Elemente, wie Kamele,

Bauchtanz, Teppich u.a. haben die deutsche Atmosphäre zur arabischen At-

mosphäre verändert. Hier erweckt Soudah die gängige Vorstellung über den

Orient und erinnert die Leser beispielsweise an den orientalischen Teppich:

Solche orientalischen Teppiche sind auch für uns märchenhaft. Wir kennen sie nicht aus ‚Tausend und eine Nacht’ sondern aus ‚Tausend und ein Ölland’. Man erzählt sich, dass man dort die kostbaren Teppiche für die Garagen benutzt. Sogar das Kamel ist auf solchen Festen in Europa immer dabei. Natürlich nicht persönlich, sondern billiger: Es hängt als Bild in allen Größen an der Wand. Ich bekam Märchenfieber, nicht von den Bildern, die blonde Frauen auf einem Kamel reitend zeigen, sondern von

218 SOUDAH, Wadi: Sheherezade im NATO-Land. In: Absturz aus dem Paradies. Ge-schichten eines Eingewanderten. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel. 1998. S. 40-47. Besonders S. 40.

Page 100: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

99

der märchenhaften Begeisterung der Abendländer über die ori-entalischen Märchen.219

Das neunjährige Mädchen Scheherezade, die die dominante Vorstellung einer

arabischen Frau trägt, reiste nach Deutschland und erfährt nach vielem Lei-

den wie eine Brandverletzung und einem rechtsradikalen Angriff wegen ihrer

Hautfarbe ein gutes Ende. Hier verliert nicht Soudah seine Ironie, weil das

Happy End darin besteht, dass die irakische Scheherazade endlich Asyl und

eine finanzielle Kompensation erhält.

Was die Rezipientenerwartungen betrifft, vermittelt Soudah eine Erzählung

von einem „märchenhaften Orient“, aber aus seiner modernen Perspektive.

Omar erklärt die ästhetischen Werte der Erzählung in ihrem Vortrag:

Soudahs Satire ist durch die Überlagerungen und Interferenzen der Wahrnehmungsdarstellungen gekennzeichnet: Im Text han-delt es sich einerseits um die westliche Wahrnehmung vom exo-tischen Orient und das Bild der orientalischen Frau als Opfer ih-rer rückständigen arabischen Gesellschaft. Auf der anderen Sei-te wird nur flüchtig ein Bild von einem undemokratischen Irak - nicht vom so genannten "Orient" - entworfen, aus dem Sheherazade flieht.220

Ausführlich beschreibt der Autor die schwierige Situation, in der die arabi-

schen Frauen im Irak leben. Der Autor zeigt die Niederlage im Irak und aber

gleichzeitig auch die Diskriminierung durch Rechtsradikalen in Deutschland.

Der erste Teil entspricht der deutschen Erwartungshaltung „exotisch“, dage-

gen holt der zweite Teil den Leser in die Gegenwart zurück. In seinem Werk

Kafka und andere palästinensische Geschichten erscheinen die Verhältnisse

der Gewalt zwischen der arabischen Welt und dem Westen. Aifan kritisiert

Soudah und vergleicht ihn mit den anderen arabischen Autoren; während die

219 Ebd. S. 40f. 220 OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 280f.

Page 101: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

100

arabischen Autoren sich mit der Migrantenthematik beschäftigen, erscheint

sein Ansatz politischer als andere arabische Autoren:

Er legt viel Wert auf eine Darstellung des Alltagslebens im ländlichen Palästina sowie kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland. Jedoch weicht der aufklärerische Grundton in Kafka einem zynisch-bitteren in Absturz. Die „unzivilisierten Araber“ bleiben in seinen Augen das „Lieblingsthema“ der Deutschen. Sieben Jahre nach Soudahs erster Publikation ver-liert sich sein Optimismus, literarisch gegen die vorgefertigte Meinung seiner Leser anschreiben zu können. Er beklagt die ewige Wiederkehr derselben Frage: „Tourismus, Fundamenta-lismus, die Sicherheit Israels, die Gefährlichkeit der Araber.221

Von den bisher diskutierten Werken Soudahs wurde gezeigt, dass der einzige

Satiriker sich mit den politischen Ereignissen in der arabischen Welt beschäf-

tigt. Obwohl er orientalische Elemente und Motive verwendet oder klischee-

hafte Vorstellungen bietet, dienen sie dazu, seine satirische Schreibart und

seine politischen Darstellungen zu verstärken.

4.3.4 Die Lyrik

Von den renommierten arabischen Dichtern in Deutschland sind es in erster

Linie die irakischen Dichter Fadhil Al-Azzawi (geb. 1940) und Khalid Al-

Maaly und die syrischen Dichter Fouad Awwad und Ryad Alabyd. Al-Maaly

ist in der Lyrik-Szene in Deutschland der bekannteste und von den deutschen

Kritikern beachtet. Was die anderen Dichter betrifft, wurden sie unterschied-

lich rezipiert.

Die deutschen Übersetzungen Al-Azzawis Werke sind: Auf einem magischen

Fest (Gedichte, erschienen 1998). Seine Gedichte erschienen übersetzt eben-

221 AIFAN: Araberbilder. S. 130.

Page 102: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

101

so in Anthologien von Khalid Al-Maaly, Suleiman Taufiq und Stefan Weid-

ner. Awwad (geb. 1965) ist der zwölf Jahre jüngere Bruder Suleiman

Taufiqs. Er schreibt Lyrik, Erzählungen, Kindergeschichten und veröffent-

lichte Beiträge, Übersetzungen und Kindergeschichten für den Rundfunk. Er

übersetzte Gedichte und Erzählungen sowohl aus dem Arabischen als auch

aus dem Deutschen und veröffentlicht seine Übersetzungen in einigen Antho-

logien.222

Awwad ist von Musik derart fasziniert, dass sie ihn dazu anregte, poetisch zu

schreiben. Er gründete mehrere Musikgruppen, die die arabische und deut-

sche Kultur zueinander bringen wollten; 1987 gründete er die Gruppe „Kahn

Yama Kahn“ (dt. Es war ein Mal), die sich auf arabische Musik und orienta-

lische Geschichten konzentrierte. 1994 gründete er die Gruppe „Al Maya“,

die sich auf die orientalische und westliche Musik fokussierte und vor allem

experimentelle und orientalische Jazz-Musik spielte. Für eine Begegnung der

Kulturen auf einer poetischen Ebene gründete er 2004 den „Deutsch-

Arabischen-Lyrik-Salon“.

Der dritte Dichter ist Ryad Alabyd (geb. 1960).223 Er ist ein syrischer freier

Journalist und Schriftsteller; er ist Mitbegründer und Leiter des Arbeitskrei-

ses „Ausländische Literatur und Poesie“ an der Universität Trier und Her-

ausgeber der Zeitschrift Fremde Verse. 1986 wurde ihm der Poetik- und Li-

teraturpreis der Universität Damaskus verliehen.

222 Fouad El-Auwad veröffentlichte bis 2000 unter dem Namen Awad und dann unter El-Auwad. Unter Fouad Awad erschienen drei Bücher; sein erstes lyrisches Werk Gesicht der Nacht (1991), das zweite Am achten Tag (1994), und die Erzählung Der Namens-händler (1994). Unter dem Namen Fouad El-Auwad veröffentlichte er Mit den Buchsta-ben unterwegs (lyrische Prosa, 2003), und Das elfte Gebot (Lyrik ,2004), und Baum des Regens (Lyrik, 2006). 223 Seine Werke sind: Umwandlung in die Erde. (Gedichte, 1990); Gebete im Tempel der Zeit. (Gedichte, 1991); Koran der Auswanderer. (Gedichte, 1992); Garten der Begierden. (Erzählungen und Gedichte aus dem Abend- und Morgenland, 1992); Über das freie Den ken. (Zwischen islamischer und westlicher Kultur, 1997); Die Gerechtigkeit im Islam unter besonderer Berücksichtigung des Koran. (2001).

Page 103: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

102

Bei Al-Maaly kann man ausführlich die deutsche Rezeption der arabischen

Lyrik diskutieren. Khalid Al-Maaly ist ein arabisch-deutscher Lyriker, Erzäh-

ler und Übersetzer. Er hat verschiedene Gedichtbände und Anthologien her-

ausgegeben. Seine Beduinenfamilie stammt aus dem Südirak, hat Ende der

60er Jahre ihr Nomadenleben aufgegeben und zog nach Bagdad. In Bagdad

brach er aus der traditionellen Stammesordnung aus und wurde zum Außen-

seiter. Sein Außenseitertum bzw. die Fremdheit des Dichters sind bei ihm

zentrale Themen.

In Deutschland wurde er zunächst als Übersetzer und Herausgeber von

Übersetzungen und Anthologien bekannt. Er übersetzt arabische Lyrik ins

Deutsche und deutschsprachige Lyrik ins Arabische. Zusammen mit Sulei-

man Taufiq hat er entsprechende Anthologien herausgegeben. Beispielsweise

gab er gemeinsam mit Suleiman Taufiq die Anthologien Mittenaus,

Mittenein, Lyrik aus dem Irak (1993), Zwischen Zauber und Zeichen. Mo-

derne arabische Lyrik von 1945 bis heute (2000) und Rückkehr aus dem

Krieg (2006), eine Anthologie zeitgenössischer Lyrik aus dem Irak, heraus.

Die Übersetzungen wurden von ihm selbst und Heribert Becker angefertigt.

Beeinflusst ist Al-Maaly von den arabischen Mystikern des 9. und 11. Jahr-

hunderts sowie von den europäischen Existentialisten, Surrealisten und Da-

daisten. Durch Lektüre verschiedener Dichter hat er Distanz zu allem Tradi-

tionellen und Überlieferten gewonnen.224

Obwohl viele arabische Autoren sich als Kulturvermittler verstehen, lehnt Al-

Maaly für sich ab, als Vermittler zu fungieren oder sich als solcher zu be-

zeichnen.225 Seine Gedichte lassen sich am Besten als hermetisch beschrei-

ben. Heribert Becker erwähnt, dass Al-Maaly glaubt, dass die Dichtung die

inneren Welten, die historische Welten und poetische Augenblicke reflektie-

re, aber keine sozialen Fragen thematisiere.

224 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 157. 225 Vgl.ebd.

Page 104: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

103

Al-Maaly ist einer der renommiertesten in Deutschland lebenden arabischen

Autoren. Er hat den in Köln ansässigen Palmyra Verlag gegründet, der Über-

setzungen vom Arabischen ins Deutsche und umgekehrt publiziert.226 Er hat

zudem selbst arabische und deutsche Lyrik übersetzt, zum Beispiel Texte von

Mahmud Darwisch, Paul Celan und Gottfried Benn. Gemeinsam mit Mona

Najjar hat er ein wertvolles Lexikon arabischer Autoren des 19. und 20.

Jahrhunderts verfasst. Dieses Werk ist das erste deutschsprachige Lexikon

arabischer Autoren überhaupt. Darin werden etwa 300 der bedeutendsten

arabischen Autorinnen und Autoren der letzten beiden Jahrhunderte in Ein-

zelbeiträgen porträtiert. Dieses Lexikon bekam viel Lob seitens der deut-

schen Literaturwissenschaft.

In seinem Prosaband Gedanken über das Lauwarme stellt er persönliche Er-

fahrungen aus einem Asylbewerberheim in der Bundesrepublik dar. Diese

Darstellung wurde in einem Artikel von Peter Schütt in der Zeit vom 14.

September 1990 als Versöhnung zwischen den Religionen ausgelegt. Al-

Maaly korrigierte dieses Missverständnis Schütts in der auflagenschwächeren

Literaturzeitschrift Listen und erklärte, dass er in seinem Buch nicht die östli-

che und westliche Lebensweise und Religiosität dargestellt habe.227 Das be-

deutet entweder, dass Schütt das Buch nicht gelesen hat oder er hat es falsch

verstanden. Solche Kritik bzw. ein solches Verständnis lässt die Intention des

Autors verloren gehen und vermittelt dem Leser ein falsches Bild des veröf-

fentlichten Werks.

Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass Al-Maaly sich nicht nur mit Dich-

ten beschäftigt, sondern auch mit Übertragung lyrischer Texte vom Arabi-

226 Als Verleger bemüht sich Al-Maaly ebenfalls um die Übersetzungen moderner deut-scher Literatur ins Arabische. Deutsche Schriftsteller wie Nicolaus Born, Ingeborg Bach-mann, Christa Wolf, Günter Grass, Peter Handke, Barbara Frischmut, Rainer M. Rilke und andere werden ins Arabisch übersetzt. Auch deutsche Lyriker wie Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger und Christian Morgenstern. Neben diesen Namen gibt es auch noch die wissenschaftlichen Werke von Haynts Halm, Gozif Van Iss, Annemarie Schimmel und anderen Orientalisten. 227 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 121.

Page 105: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

104

schen ins Deutsche und umgekehrt. Sein Name als Lyriker, Übersetzer und

Herausgeber hat eine gute Resonanz in der deutschen Literaturszene erfah-

ren. Trotzdem geriet er manchmal in Fehlrezeption wegen bestehender Vor-

urteile oder Missverständnisse seitens der deutschen Kritiker.

Schließlich scheint es wichtig zu erwähnen, dass die Behandlung der Rezep-

tion arabischer Autoren in Deutschland eine ambivalente Haltung in der deut-

schen Öffentlichkeit enthüllt. Die Untersuchung der Rezeption arabischer

Autoren zeigt die Rolle des Exotischen, der Folklore, des Vorwissens, des

Vorverständnisses u.a. in der Wahrnehmung arabischer Autoren. Einige Au-

toren genießen breite Aufnahme und adäquate Rezeption und andere Auto-

ren geraten in eine Fehlrezeption. Im Mittelpunkt der deutschen Rezeption

stehen vor allem die arabische Prosa, ebenso wie die erzählende Literatur und

ihre Vertreter.

Die Auseinandersetzung mit den arabischen Autoren zeigte, dass die meisten

arabischen Autoren entweder Gedichte oder Romane schreiben, daneben

schreiben sie Kurzgeschichten bzw. geben Anthologien heraus. Einige der

Autoren sind zusätzlich als Übersetzer tätig. Wichtig zu erwähnen ist, dass

alle arabischen Autoren mit großem Unbehagen auf die falsche Rezeptions-

sicht reagieren wie bspw. Wali und Al-Maaly. Soudah versteht sich als Sati-

riker, nicht als „Märchen- oder Geschichtenerzähler. Naoum, der bekannte

Erzähler, hat nicht nur die erzählende Literatur bedient, sondern er schreibt

auch reale gesellschaftliche Romane und Gedichte.

Die Untersuchung hat ergeben, dass die Untersuchung der Rezeption arabi-

scher Autoren in Deutschland nicht frei von Missverständnissen ist, die durch

ein bestimmtes Vorwissen und Vorurteile geprägt werden. Vielmehr er-

scheint die Rezeption arabischer Autoren als Fortsetzung der Rezeption ara-

bischer Literatur seit Jahrhunderten, in denen lediglich die Märchen und fan-

tastischen Erzählungen die arabische Literatur prägten.

Page 106: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

105

4.4 Die Rezeption der auf Deutsch schreibenden arabischen Schrift-

stellerinnen

Durch die Darstellung der Rezeption arabischer Autorinnen in Deutschland

wird ein kurzer Blick auf die frühe Präsenz arabischer Frauenliteratur in

Deutschland geworfen. Es geht hier lediglich um das erste auf Deutsch ge-

schriebene Buch von der arabischen Schriftstellerin Salme Bint Said und de-

ren Rezeption in Deutschland. Anschließend wird die Präsenz der arabischen

Autorinnen in der deutschen Literatur näher beleuchtet. Gezeigt werden soll,

mit welcher Thematik sich die arabischen Schriftstellerinnen beschäftigen und

welche Besonderheiten ihre Texte beinhalten. Die Schriftstellerinnen tragen

zur Verbreitung der Rezeption arabischer Literatur in Deutschland zu einem

nicht unbedeutenden Teil bei und streben eine Anerkennung der Frauenlitera-

tur innerhalb der arabischen Migrationsliteratur an.

4.4.1 Die Präsenz arabischer Frauenliteratur in Deutschland

Es ist schwer, über eine vollkommene Rezeptionswelle gegenwärtiger arabi-

scher Frauenliteratur in Deutschland zu sprechen, da dies eine ausführliche

Untersuchung nötig macht, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann.

Denn die Schwierigkeiten einer Untersuchung sind der Mangel an Informati-

onen über die Rezeptionsgeschichte arabischer Frauenliteratur, insbesondere

über die Resonanz der in Deutschland lebenden arabischen Autorinnen. Zu-

dem basieren die vorhandenen Informationen entweder auf biographischen

Angaben oder sind in den besten Fällen kurze Interpretationen ihrer Werke.

Um die Lücke in der wissenschaftlichen Rezeption zu schließen, wird in der

folgenden Untersuchung die Auflagenzahl, Literaturpreise und die wichtigen

kritischen Artikels über arabischer Frauenliteratur analysiert.

Page 107: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

106

Da sich die Studie auf die deutsche Rezeption arabischer Literatur seit den

50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts beschränkt, werden im folgenden

lediglich die arabischen Autorinnen behandelt, die seit den 50er Jahren in der

deutschen Literaturszene präsent sind. Die Memoiren der Prinzessin Salme

Bint Said 228 sind ein Beispiel für die Rezeption dieser Art und im folgendem

soll die Rezeptionslage der Memoiren der Prinzessin Bint Said dargestellt

werden. Die Memoiren stehen stellvertretend für eine gängige Rezeption

arabischer Frauenliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts im deutschen Sprach-

raum und wurden bislang nicht eingehend untersucht.

Der Name der Prinzessin229 Bint Said ist in der Rezeptionsgeschichte arabi-

scher Literatur in Deutschland aus zwei Gründen wichtig: Einerseits weil sie

die erste arabische Frau ist, die ein Werk auf Deutsch veröffentlichte. Ande-

rerseits weil ihr Werk auf große Resonanz im deutschen Sprachraum stieß.

Deshalb werden im folgenden Absatz zwei Rezeptionsperioden arabischer

Frauenliteratur behandelt. Im ersten Teil wird die Biografie der Autorin Sal-

me Bint Said, ihre Erfahrungen als Migrantin in Deutschland und die Aus-

wirkungen auf ihre Biographie sowie ihr auf Deutsch erschienenes Werk Le-

ben im Sultanspalast dargestellt. Hier wird gezeigt, dass die arabische Frau-

enliteratur in Deutschland seit etwa zwei Jahrhunderten eng mit den Biogra-

fien der Autorinnen verbunden ist. Außerdem werden Biografien von den

Kritikern und dem Publikum besser rezepiert als andere Werke.

228 Salme Bint Said wächst als Tochter von Said Bin Sultan, dem Sultan von Oman und Sansibar und einer Sklavin tscherkessischen Nebenfrau auf. 1866 lernt sie den Kaufmann Heinrich Reute aus Hamburg kennen, der in einem dem Sultanspalast benachbarten Ge-bäude wohnt. 1866 flüchtete sie aus Sansibar und fährt nach Aden. 1867 lässt sie sich taufen und nimmt den Namen Emily an und heiratete ihren Mann. Sie lebte in Deutsch-land als Lehrerin für Arabisch. 1924 starb sie in Jena. 229 SaÝÐd Bin SulÔÁn, der Sultan von Oman war, verlegte 1840 seinen Regierungssitz von Oman in die ostafrikanische Küstenstadt. Seit er die Macht im Jahre 1806 übernahm, breitete sich seine Macht bis Sansibar, das tropische Insel vor der Küste Ostafrikas. In dieser Zeit lebten die Araber, Asiaten und Afrikanern zusammen. In seiner Regierungszeit blühten die Wirtschaft und der Handel mit China, Indien u.a. Damals haben Frankreich und Großbritannien um ihre diplomatische Beziehungen mit Oman zu verbessern ver-sucht. Insbesondere hat Frankreich ihre Handelbeziehungen mit Oman verbessert.

Page 108: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

107

Der Blick auf die Rezeptionsgeschichte arabischer Schriftstellerinnen zeigt,

dass die Prinzessin von Oman und Sansibar Salme Bint Said (1844-1924) die

erste arabische Frau war, die ein Werk auf Deutsch schrieb. 1886 erschien ihr

erstes Werk, Memoiren, auf Deutsch. Ihre Biografie ist ausführlich in ihrer

Memoiren dargestellt. Die Prinzessin Bint Said hat nach ihrer Heirat mit dem

deutschen Überseekaufmann Heinrich Ruete und nach ihrer Auswanderung

nach Deutschland den Namen Emily Ruete angenommen. Ihr Mann Heinrich

Ruete, ein Hamburger Überseekaufmann, verunglückte 1870 tödlich bei ei-

nem Unfall mit einer Straßenbahn, in derselben Zeit gebar Salme ihr drittes

Kind. Fortan lebte sie mit ihren Kinder und musste den Lebensunterhalt mit

einer geringen Rente bestreiten.230

Die 45-jährige Verfasserin gesteht in ihren Memoiren Leben im

Sultanspalast, dass sie ihre Heimat als Araberin und „gute Mohammedane-

rin“ verlassen hat, jedoch nun eine schlechte Christin und etwas mehr als eine

halbe Deutsche sei.231 Ihre Taufe, wodurch sie zur Christin wurde, war eine

unversöhnliche Tat für ihre muslimische Familie.232 Dies erklärt, dass diese

arabische Migrantin, die als Prinzessin in ihrer Heimat lebte, viele Schwierig-

keiten in ihrem Leben in Deutschland erlebte. Obwohl die Prinzessin in ihrer

Memoiren betont, dass ihr Bruder Sultan MaÊÐd ihrer Heirat mit dem deut-

schen Kaufmann nicht im Wege gestanden hat,233 haben ihre Verwandten in

Oman und Sansibar, ihr noch immer nicht vergeben, dass eine arabische Prin-

zessin der Liebe und nicht dem Gebot der Religion und Staatsräson folgte, so

dass sie zu einer „Abtrünnigen“ wurde.234 Deshalb hat die Trennung von

ihrer Heimat, Familie und Umgebung starke Einflüsse auf sie als einsame

230 Vgl. WALDSCHMIDT, Julius: Kaiser, Kanzler und Prinzessin (Ein Frauenschicksal zwischen Orient und Okzident). Berlin: Trafo Verlag. 2005. 1. Aufl. S. 25f. 231 Vgl. SALEH, Salima: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. Köln: Palmyra Verlag. 2006. 2. Aufl. S. 349. 232 Vgl. WALDSCHMIDT: Kaiser, Kanzler und Prinzessin. S. 25f. 233 Vgl. DONZEL, E.V.: An Arabian Princess between Two Worlds (Memoirs, Letters, Home, Sequels to the Memoirs, Syrian Customs and Usages. Leiden/New York/Köln. 1993. S. 406ff. – Vgl. SALEH: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. S. 326. 234Vgl. Jenaische Zeitung 17.03.1924.

Page 109: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

108

Frau und fremde Migrantin in Deutschland. Dies erklärt ihre Zuneigung zu

ihrer Heimat in ihrer Memoiren, obwohl sie versucht hat, am Anfang des

Kapitels das zu verleugnen.235

Bint Said hat ihre Memoiren im Jahr 1886 geschrieben, nicht jedoch mit der

Absicht, sie zu veröffentlichen, sondern nur wegen und für ihre drei Kinder.

Sie fürchtete, dass sie wegen ihrer Krankheit früh sterben könnte und ihre

Kinder somit nichts über ihr Leben in Sansibar erfahren würden. Sie behan-

delt in den Memoiren ihre Stellung als arabische Frau in der arabischen Ge-

sellschaft, beschreibt, wie sie in Europa wahrgenommen wurde. Sie be-

schreibt sich selbst als kluge Frau, die die ihre zugewiesene Rolle der Mutter

und der Hausfrau nicht spielen will, sondern die einer Frau, die sich wegen

ihres Aufenthaltes in Deutschland mit der Politik, Diplomatie und mit den

Problemen ihrer Heimat Sansibar beschäftigt. Sie beschreibt in ihrer Memoi-

ren, dass sie in Deutschland als arabische Prinzessin behandelt wurde. Sie

lernte die deutsche Sprache, um mit den deutschen Politikern über ihre Hei-

mat zu diskutieren. In ihren Briefen an ihren Bruder Sultan MaÊÐd, den Sul-

tan von Oman und Sansibar, werden ihre Gedanken über die deutschen Poli-

tikern und die Rolle ihrer Heimat deutlich.

Welche Rolle spielt Bint Said als arabische Migrantin und Kulturvermittlerin

am Ende des 19. Jahrhunderts und was ist der Inhalt ihrer Memoiren, in de-

nen zum ersten Mal eine arabische Migrantin ihre arabisch-muslimische Um-

gebung auf Deutsch beschreibt. Die Tatsache, dass ihr Leben in zwei ver-

schiedenen Gesellschaften die Möglichkeit zu einer kritischen vergleichenden

Perspektive gab, erleichtert die Beantwortung dieser Frage. Salmes Kennt-

nisse des Orients beschränkten sich auf Sansibar und insbesondere Oman, wo

sie lebte.

235 Vgl. REUTE, Emily: Leben im Sultanspalast: Memoiren aus dem 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Athenäum. 1989. S. 131.

Page 110: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

109

Durch einen einfachen erzählenden Stil versucht die Prinzessin in ihren Me-

moiren den Mangel an Informationen über den Orient zu beheben. Die Vor-

urteile und die daraus hervorgehenden Stereotypen und Klischees entstehen

vorwiegend durch fehlende oder gebrochen überlieferte Informationen. Sie

versuchte, Anschauungen und Sitten des Orients dem europäischen Leser

näher zu bringen. Dabei erklärt sie in ihren Memoiren bestimmte Charakteris-

tika der arabischen Gesellschaft.

Ihre Urteile und Darstellungen bemühen sich um eine realistische Darstellung

der damaligen Gesellschaft. Ein ganzes Kapitel widmet sie der „Stellung der

Frau im Orient“, obwohl sie betonte, dass sie kein Lehrbuch schreiben will.236

Die Verfasserin beschreibt ausführlich die Situation der Frauen in der musli-

mischen Gesellschaft, versucht, ein gerechtes Bild darzustellen. Sie be-

schreibt die verschiedenen Lebensumstände der Frauen im Orient - Frauen,

die wegen der Sitten in Isolation leben und Frauen, die ihre Gatten mit einer

oder vielen anderen Frauen teilen müssen. Sie beschreibt die Polygamie in

der islamischen Gesellschaft und vergleicht die Polygamie mit der Heiratssi-

tuation in Europa.

Wegen der geringen Informationen über die deutsche Rezeption der Memoi-

ren kann man lediglich einen summarischen Blick auf die Rezeption geben.

Die erwähnten Informationen über sie in ihrer Memoiren erklären, dass ihre

Position als Prinzessin ihre deutsche Rezeption beeinflusste, aber vielmehr

Thema in den deutschen Zeitungen war. Die Biografie der Prinzessin, beson-

ders ihre Heirat und die Verhältnisse ihrer Brüder spielen hier eine Rolle und

ihr gesellschaftlicher Status als Prinzessin erleichterten die Rezeption ihrer

Memoiren. Im Bereich der wissenschaftlichen Studien wurden die Memoiren

während ihrer Entstehungszeit nicht untersucht, aber man kann sagen, dass

die Memoiren als Werk eine beachtete Rezeption erfuhren bleibt zu sagen,

236 Vgl. ebd. S. 131.

Page 111: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

110

Das Werk unter dem Titel Briefe nach der Heimat blieb ohne beachtlichen

Publikumserfolg.

Die arabische Rezeption der Memoiren Salme Bint Saids verdeutlicht die

unterschiedliche Wahrnehmung einer arabischen Frau in Deutschland aus

arabischer und deutscher Sicht. Die Memoiren erschienen seit ihrer Erstver-

öffentlichung im Jahre 1886 zwei Mal auf Arabisch. Zwei Übersetzungen

wurden von Abd al-Majeed al-Qaysi veröffentlicht, im Jahr 1888 und noch-

mals im Jahr 1905.237 Der Übersetzer stützte sich auf zwei verschiedene eng-

lische Übersetzungen. Neben der indirekten Übertragung, die notwendiger-

weise zur Verfremdung des getreuen Wortlauts führt, änderte al-Qaysi auch

die Kapitelfolge und einige Abschnitte.

Im Jahr 2002 wurde im al-Kamel-Verlag eine arabische Übersetzung des

deutschen Originals veröffentlicht; diese Übersetzung wurde von der iraki-

schen Übersetzerin Salima Saleh238 angefertigt. Den Titel übersetzte sie

wörtlich mit MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya (dt. Memoiren einer arabischen

Prinzessin). Ihre Übersetzung bleibt durch die direkte Übersetzung aus dem

Deutschen näher am Original als die al-Qaysis. Sie vermeidet außerdem gro-

be Veränderungen am Originaltext.239 Im Jahr 2006 hat der al-Kamel-Verlag

eine zweite Auflage der Salima Saleh-Übersetzung veröffentlicht.

Abgesehen von der übersetzerischen Rezeption der Memoiren der Prinzessin

im arabischen Sprachraum, gibt es keine Artikel oder Aufträge über Bint

237 Vgl. SALEH: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. S. 6. 238 Salima Saleh (geb. 1942) ist eine irakische Übersetzerin und Autorin; sie schreibt Kurzgeschichten. 1977 kam sie nach Deutschland. Im Jahre 1978 studierte sie Publizistik an der Universität Leipzig. Sie promovierte 1986 im Fach Journalistik und hat zahlreiche Beiträge in arabischen und irakischen Zeitschriften veröffentlicht. Unter anderem über-setzte sie zahlreiche Werke deutscher Autoren wie Ingeborg Bachmann und Christa Wolf ins Arabische. Vgl. Al-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 229. 239 Die Fehler vorhergehender Übersetzungen von al-Qaysi wurden von Saleh in ihrer Einführung benannt; sie hält seine Übersetzungen für mangelhaft; er habe einige Kapitel miteinander vermischt und einige Paragraphen in andere Kapitel verlegt. Dazu kämen viele Übersetzungsfehler.

Page 112: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

111

Said, die arabische Migrantin in Deutschland oder über ihre Memoiren. Nur

Manar Omar hat in ihrem Artikel über die deutschsprachige Literatur

arabischstämmiger Schriftsteller einen kurzen Überblick über Bint Said und

ihr Beitrag in diesem Bereich gegeben. Schließlich kann man sagen, dass Bint

Said nach heutigem Verständnis eine Frau mit doppelter Identität geblieben

ist, zerrissen zwischen der Welt ihrer Jugend und jener Welt, in der ihr Mann

und ihre Kinder zu Hause waren und sind.

4.4.2 Die Rezeption arabischer Schriftstellerinnen in Deutschland

Die Präsenz der arabischen Autorinnen ist in Deutschland auf einen engen

literarischen Raum beschränkt. Nur wenige Frauen schreiben bzw. sind litera-

risch tätig. Dagegen ist die Anzahl in Frankreich oder Großbritannien leben-

der arabischer Schriftstellerinnen größer als die in Deutschland. Deshalb

spielt dort die Kolonisationsgeschichte und Integrationspolitik eine wichtige

Rolle. Außerdem spielt die Beherrschung der französischen Sprache eine

wichtige Rolle im Schreibprozess der Autorinnen, die aus dem Libanon oder

dem marokkanischen Raum stammen. Im Vergleich auch zu anderen Schrift-

stellern in Deutschland sind die arabischstämmigen Schriftstellerinnen weni-

ger bekannt.

Die seit den 50er Jahren in Deutschland lebenden arabischen Schriftstellerin-

nen sind sechs Frauen, drei von ihnen sind Dichterinnen, die neben ihren Ge-

dichtbänden einige Prosawerke veröffentlicht haben. Amal Al-Jubouri und

Mona Yahia sind zwei aus dem Irak stammende Dichterinnen. Al-Jubouri

schreibt ihre Gedichte nur ins Arabisch, Yahia in englischer Sprache. Die

Prosa schreibenden Schriftstellerinnen sind vier Frauen: aus Palästina/ Israel

sind dies Halima Alaiyan und Sumaya Farhat-Naser, aus dem Irak Huda Al-

Hilali und aus Tunesien Kaouther Tabai. Alle diese Schriftstellerinnen nutzen

ihr persönliches Leben als literarisches Material und verarbeiten es in autobi-

Page 113: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

112

ografischen Romanen. Grundsätzlich reflektieren die aus Palästina/Israel

kommenden Schriftstellerinnen die politische und gesellschaftliche Situation

ihrer Heimat und das Leben der Frau in der arabischen Gesellschaft. Die an-

deren Schriftstellerinnen konzentrieren sich mehr darauf das gesellschaftliche

Leben in ihrer arabischen Heimaten literarisch zu reflektieren.

Es ist festzuhalten, dass die arabischen Schriftstellerinnen keine annähernd so

große Bedeutung wie die arabischen Schriftsteller erfahren und weniger etab-

liert sind. Insbesondere dadurch, dass die Autorinnen zur zweiten Generation

gehören und mit dem Schreiben später begonnen haben als die Autoren. Im

Zeitraum der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute erschienenen im Ver-

gleich zu denen der arabischen Schriftsteller eher wenige Werke. Die Auto-

rinnen Halima Alaiyan und Kaouther Tabai haben nur zwei bzw. drei Werke

veröffentlicht. Zudem blieben diese Werke ohne nennenswerte Resonanz.

Aber die Werke von den Salme Bint Said, die Prinzessin von Oman und San-

sibar, und von der Palästinenserin Sumaya Farhat- Naser wurden in Deutsch-

land stark rezipiert. Nur Huda Al-Hilali betrat im Jahr 1984 die literarische

Bühne, und stieß als Erzählerin auf positive Rezeption. Hier stützen sich die

deutschen Kritiker auf die Werte der arabischen Erzählkunst und ihre Ein-

flüsse auf das deutsche Publikum. Vermutlich war es Al-Hilali, die das erste

Werk auf Deutsch geschrieben hat; im Jahr 1945 erschien ihr Erzählband Von

Bagdad nach Basra. Horst Hamm hat festgestellt, dass Frauen aus verschie-

denen Nationen in Deutschland im Jahr 1985 in einer Anthologie ihre ersten

Texte veröffentlicht haben.240 Dabei gilt Al-Hilali als eine Pionierin, die mutig

ihre mündlichen Erzählungen und ihr einziges Werk der deutschen Leser-

schaft bot.

Was bieten die arabischen Schriftstellerinnen den deutschen Leser in ihren

Werken und mit welcher Thematik beschäftigen sich die arabischen Schrift-

stellerinnen? Um diese Fragen zu beantworten, kann der Forscher sagen, dass

240 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 37.

Page 114: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

113

die arabischen Schriftstellerinnen die Erwartungshaltung der deutschen Leser

erfüllen. Die deutschen Leser, die engagierte politische Werke von den

männlichen gegenwärtigen arabischen Autoren lesen, erwarten, dass sie en-

gagierte politische Werke von den arabischen Schriftstellerinnen lesen kön-

nen, oder im besten Fall nicht nur Biografien der arabischen Schriftstellerin-

nen. Aber was die Thematik der arabischen Frauenliteratur betrifft, enthalten

die Werke in der Regel biografische Züge der Verfasserinnen oder sind bes-

tenfalls Erzählungen aus der Wirklichkeit. Die eigenen Erfahrungen im Le-

ben, entweder im Deutschland oder in der Heimat, werden literarisch verar-

beitet. Diese Eigenschaft ist allen Autorinnen in Deutschland, die Erzählun-

gen, Geschichten oder Romane verfassen, gemein. So wurden die politischen

und gesellschaftlichen Seiten der arabischen Welt durch die Frauenliteratur in

Deutschland deutlich klar beschrieben.

4.4.3 Die Wahrnehmung der auf Deutsch schreibenden Arabischen

Schriftstellerinnen

Der Versuch einer Darstellung der deutschen Aufnahme der arabischen Frau-

enliteratur erfordert eine Beschäftigung mit Leben und Werk der Schriftstel-

lerinnen. So geht es hier um eine Interpretation des Gesamtwerks der arabi-

schen Schriftstellerinnen und die Darstellung der Reaktionen, die die arabi-

schen Schriftstellerinnen als Menschen sowie in ihrer Eigenschaften als

Schriftstellerinnen in Deutschland hervorzurufen vermochte. Es wird gezeigt,

dass die arabischen Schriftstellerinnen in Deutschland auf wenige Resonanz

stoßen. Es erscheinen kaum Artikel, Essays oder Berichterstattungen über

die arabischen Frauen und ihre Werke. Die meiste vorhandenen Informatio-

nen sind biographisch oder im bestenfalls einen Überblick auf die Gesamt-

werk.

Page 115: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

114

Weil die Werke der arabischen Schriftstellerinnen offensichtlich deutlich bio-

grafische Züge enthalten, werden in der Darstellung der Rezeption zuerst die

Biografien der Schriftstellerinnen dargestellt. Dies erklärt ihre bevorzugten

Genres, ihre literarischen Aktivitäten und Werke.

Sumaya Farhat-Naser (geb. 1948) ist in Birzeit bei Jerusalem geboren. Sie

wuchs in einer christlichen Familie auf. Heute lebt sie als engagierte palästi-

nensische Friedensaktivistin im Westjordanland. In Deutschland wurde sie

von Anfang an als Friedensaktivistin rezipiert. In Hamburg promovierte sie in

Angewandter Botanik. Von 1997 bis 2001 war sie die Leiterin des Jerusalem

Center for Women. Sie diskutiert im Fernsehen, Radio und auf Veranstaltun-

gen über die Situation der Frau in Palästina und Israel und über das politische

Geschehen im Nahen Osten, erhielt für ihre Arbeit und Werke viele Preise,

besonders für ihre Aktivitäten im Bereich der Menschenrechte.

In der Regel dokumentieren ihre Werke ihr Leben und ihre politische Aktivi-

tät. Hauptsächlich schreibt sie über den arabisch-israelischen Konflikt, um

ihre Ablehnung der Macht beider Seiten darzustellen. Ihr Roman Thymian

und Steine ist eine palästinensische Lebensgeschichte. In ihren Werken Dis-

teln im Weinberg und Verwurzelt im Land der Olivenbäume hat sie ihre Er-

lebnisse als Friedensaktivistin dokumentiert. In ihrem Werk Verwurzelt im

Land der Olivenbäume berichtet sie über die patriarchale Gesellschaft, die

Probleme und das Schicksal der Frau in dieser Gesellschaft:

Ich wuchs in einer patriarchalen Gesellschaft auf. Mein Großva-ter versuchte, die Mädchen so früh wie möglich zu verheiraten, um seine Familie von der Verantwortung für die Töchter zu entlasten. Als ich vernahm, dass ich mit vierzehn verheiratet werden sollte, wehrte ich mich erfolgreich. Ich blieb im Mäd-cheninternat Talitha Kumi bei Bethlehem und kehrte erst zu-rück, als ich die Schule beendet hatte und meine Pläne für ein Studium in Deutschland reif waren.241

241 FARHAT-NASER, Sumaya: Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Hrsg. von Doro-thee Wilhelm/ Manuela Reimann/Chudi Bürgi. Basel: Lenos Verlag. 2002. 2.Aufl. S. 13.

Page 116: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

115

Thymian und Steine ist in verschiedenen Kapiteln unterteilt. Gesammelte

Fotos in den Kapiteln illustrieren ihre Erzählung. Diese Biographie erklärt

das Leben in einem besetzten Land, das Leben in Deutschland als Palästinen-

serin und die Intifada in ihrer Heimat. Die Erzählung beginnt im Jahr 1948, in

dem Israel gegründet wurde. An diesem Punkt beginnt Farhat-Naser ihre

Erzählung:

Heute, am 2. November 1994, während ich versuche, meine Lebensgeschichte mit ihren guten und ihren quälenden Erinne-rungen aufzuschreiben, sind es siebenundsiebzig Jahre her, seit Palästina von Fremden an Fremde versprochen wurde. Dies war der Beginn des palästinensisch-israelischen Konflikts.242

Über die Vorarbeiten an ihrem Roman Thymian und Steine sagte sie, dass

das Schreiben „ein Erinnern an Vergangenes“243 verlangt. Das Werk ist ein

neutrales Erinnern der Autorin, in dem sie die Form der Ich-Erzählerin bzw.

der Wir-Erzähler verwendet. Unter diesem „Wir-Erzähler“ fasst sie alle Fa-

milienangehörige oder Verwandte nebst alle betroffenen Menschen.

Die Informationen über die Rezeption ihre Werke sind nur kurze Erwähnun-

gen in den wenigen vorhandenen Artikel, die meist über die Biografie der

Verfasserin berichten. Die drei Werke von Farhat-Naser zeigen, dass sie sich

mehr mit Politik als mit Literatur beschäftigt. Die zahlreichen Auflagen des

Titels Thymian und Steine bestätigen die gute deutsche Rezeption. Hier kann

der Forscher finden, dass die biographischen Romane zunehmende Rezeption

bekommen mehr als andere Werke. Eine Erklärung für die gute Resonanz

ihres Werks Thymian und Steine ist, dass das Werk eine palästinensische

Lebensgeschichte der Verfasserin ist und anders als ihre anderen Werke Poli-

tik stärker thematisiert. Disteln im Weinberg ist ein Tagebuch aus Palästina

mit einem Essay von Ernest Goldberger. Verwurzelt im Land der Oliven-

242 FARHAT-NASER, Sumaya: Thymian und Steine. Hrsg. von Rosmarie Kurz/Chudi Bürgi. Basel: Lenos Verlag. 1996. 4. Aufl. S. 11. 243 Ebd. S. 12.

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116

bäume erzählt über die Verfasserin, einer Palästinenserin im Streit für den

Frieden. Ihr Werk Verwurzelt im Land der Olivenbäume wurde 2003, ein

Jahr nach der Veröffentlichung auf Deutsch, ins Englische unter dem Titel

Daughter of the Olive Trees. A Palestinian Woman’s Struggle for Peace

übersetzt. Hilary Kilpatrick hat die Übersetzung angefertigt.244

Über die Rezeption im Sinne der Literaturpreise kann man betonen, dass die

Verfasserin bedeutende Literaturpreise erhalten hat; 1989 erhielt sie die Eh-

rendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster, 1995

den Bruno-Kreisky-Preis für ihre Verdienste um die Menschenrechte, 1997

den Mount Zion Award für Versöhnung, im selben Jahr erhielt sie auch den

Evangelischen Buchpreis, 2000 den Augsburger Friedenspreis, 2002 Her-

mann-Kesten-Medaille des P.E.N.-Zentrums und den Bremer Solidaritäts-

preis und 2003 den Profax-Preis der Pädagogischen Hochschule Zürich. Die-

se Preisen reflektieren, dass Farhat-Naser sich einen guten Namen als enga-

gierte palästinensische Friedensaktivistin gemacht hat.

Huda Al-Hilali (geb. 1947) ist eine irakische Schriftstellerin und wurde als

ältestes von sechs Geschwistern in Bagdad geboren. Als Zwölfjährige kam

sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie lebte zwischen 1959 und 1964 in

der Bundesrepublik, da ihr Vater hier arbeitete. Sie erzählt über ihre Kindheit

in Deutschland in einer autobiografischen Erzählung: Über das Wasser in ein

neues Leben. Von Bagdad nach Hamburg. Sie verarbeitete literarisch, wie

ihre Mutter erkrankte und starb. 1964 kehrte sie mit sechzehn Jahren in den

Irak zurück. Dort arbeitete sie als Grundschullehrerin und begann zu schrei-

ben. Ihre ersten Werke waren Geschichten und Theaterstücke für Kinder.

Beim irakischen Fernsehen begann sie 1972 als Redakteurin eines Kinder-

programms. Später kehrte sie nach Deutschland zurück und studierte in Kas-

sel Filmgeschichte und Dramaturgie. Nach ihrem Abschluss studierte sie in

244 FARHAT-NASER, Sumaya: Daughter oft he Olive Trees. A Palestinian Woman`s Struggle for Pease. Übersetzt von Hilary Kilpatrick. Leons Verlag. 2003. 1. Aufl.

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117

Hamburg Islamwissenschaft und Germanistik. 1984 begann sie in Hamburg

zu erzählen. Aifan findet, dass sie als moderne Scheherazade betrachtet wur-

de bzw. als „Ein-Frau-Theater“ bezeichnet.245

Was sie auszeichnet ist, dass sie realistische Geschichten in den 80er Jahren

auf der Bühne darbot und ihre Begabung als Erzählerin und Schauspielerin

auf der Bühne präsentierte. In ihren vorgetragenen Erzählungen ist deutlich

das Interesse an der Interaktion mit dem Publikum zu erkennen. Auch die

Erzähltechnik hat bei ihr eine neue Gestalt angenommen; sie schloss Diskus-

sionen mit dem Publikum aus, indem sie ihr Publikum mit Bildern konfron-

tierte. Über ihre Erzählmethode sagte sie: „Ich beschreibe nicht einen Zu-

stand, ich lasse die Frau reden. Sie beschreibt ihren eigenen Zustand“.246

Während langer Erzählnächte stellte sie ihrem Publikum das Alltagsleben der

irakischen Frauen vor und erzählte über verschiedene traditionelle und mo-

derne Frauen in der irakischen Gesellschaft; so beschrieb sie deren Kleidung

und Lebensstil. Insbesondere konzentrierte sie sich darauf, die Frauen, die

Trachten tragen, als normale Frauen zu zeigen.247 Durch die Erzählabende

bekam sie eine Aufmerksamkeit und wurde unter den arabischen Schriftstel-

lerinnen als die erste namhafte arabisch-deutsche Erzählerin betrachtet.

Sie veröffentlichte Erzählungen in Sammelbänden und schrieb 1992 die Ge-

schichten aus dem Irak in ihrem Werk Von Bagdad nach Basra nieder. Ihre

Geschichten handeln vom Alltag der Menschen im Irak. Insbesondere hinter-

fragt sie die Stellung der irakischen Frauen. In diesem Band ist Irak mit sei-

nen Problemen und seiner politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Situation präsent. Die Erzählerin spricht über ihre Hoffnungen und Träume

und entführt als mündliche Erzählerin ihr Publikum in die Basare Bagdads,

greift besondere Themen auf, die wenig Beachtung finden wie die

245 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 102f. 246 Ebd. 247 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 154.

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118

Einparteiendiktatur, Unterdrückung von Minderheiten und Oppositionen,

Aufrüstung.

Ihr Werk Geschichten aus der 1002. Nacht ist ein Zeichen für ihre Beschäf-

tigung mit dem arabischen Erbe der Erzähltradition. Die Hauptfigur bei Huda

Al-Hilali ist im Gegensatz zu allen dargestellten weiblichen Typen bei den

arabischen Schriftstellerinnen eine starke Frauenfigur, die eigenständig ihren

Mann ausgesucht hat, den sie später auch heiratet. Omar findet, dass dieser

weibliche Typ als seltene Ausnahme gilt und die deutschen Leser überrascht

und begeistert. Omar betont auch, dass das Werk sprachliche und stilistische

Schwächen aufweist.248 Das folgende Zitat zeigt, dass die Verfasserin ihren

eigenen Schreibstil verwendet und die Kritik von Omar unbegründet ist. Der

Leser des Werkes wird bemerken, dass die Verfasserin eine mündliche Er-

zählung niederschreibt. Sie verwendet insbesondere erzählerische Worte oder

Ausdrücke als rege erzählerische Sprache:

Als sie ihn das erste Mal in der Gasse sah, da wusste sie es. Noch nie hatte sie einen Menschen so erblickt, der so groß war und sooo schüchtern. Und als er anfing zu stolpern, wenn sie ihn beim Vorbeigehen anschaute, da wusste sie, dass er sie auch mochte. Aber sie wollte, dass er auch zu ihr aufschaute. Einfach so. [...] aber ich werde ihn heute nicht einfach so an mir vorbei-gehen lassen. Und schon ließ sie die Tasche mit den freigekauf-ten Eiern fallen. ‚Oh’, sagte er, beugte sich zu Boden und fing an, die noch heilen Eier aufzusammeln. Er schaute ein wenig hilflos zu ihr hoch, wusste nicht so recht, wohin mit den Eier-schalen. Sie stand aufrecht und stolz da und schaute zu ihm herunter, als hätte sie gewonnen. Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, dachte sie.249

Was die deutsche Rezeption betrifft, werden im Folgenden einige kritische

Rezensionen über Al-Hilalis Erzählband Von Bagdad nach Basra als Beispie-

le dargestellt. Weil der Umgang mit der Realität eine große Rolle im Werk

248 OMAR, Manar: Zur deutschsprachigen Literatur arabischstämmiger Schriftsteller. In: Der Bürger im Staat. 56. Jahrgang. Heft 2. 2006. S. 122-130. S. 128. 249 AL-HILALI, Huda: Von Bagdad nach Basra. Geschichten aus dem Irak. Heidelberg: Palmyra Verlag. 1992. S. 15f.

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119

spielt, lässt sich in den Rezensionen eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung

feststellen. Zum Teil ist der Kritik ein Lob wie in dem erwähnten Zitat von

Aifan:

Noch nie war die Aufgabe der Klageweiber und der gleicher-maßen pragmatische wie ekstatische und ungehemmte Umgang mit Gefühlen so nachvollziehbar, so greifbar. Fast fühlt man trotz herbstlicher Witterung den Schweiß nur so am Körper kleben, hört man Huda luftfächelnd von den großen Datteln sprechen, die in Basra in der glühenden Mittagshitze prall und süß werden.250

Anders finden sich aber auch Rezensionen, die stärker auf den fiktiven Cha-

rakter in dem Band eingehen, ohne jedoch den authentischen Bezug zur ira-

kischen Gegenwart außer Acht zu lassen. Peter Schütt in seinem Artikel

Blick hinter den Schleier schreibt über die „Emotionalität der Morgenlän-

der“, die in Al-Hilali Erzählungsband deutlich erscheint. Diese „Emotionali-

tät“ gilt bei den deutschen Kritikern als altes Klischee. Schütt beschreibt wei-

ter: die „Freude am erzählerischen Detail, die orientalische Lust am Fabu-

lieren, die Vorliebe für den Reiz des Augenblicks stoßen dort an Grenzen,

wo es um die großen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge

geht“.251

Wie vorher erwähnt wurde, bekam Al-Hilali eine gute Rezeption wegen ihres

erzählerischen Stils. Der Forscher bemerkt, dass sie nicht typische Charakte-

re bietet, sondern neue Charaktere und eine neue Darstellung der irakischen

Gesellschaft.

Halima Alaiyan (geb. 1948) wurde in Ibdis bei Jaffa geboren. Als arabische

Migrantin lebt sie in Deutschland und veröffentlichte einen Roman auf

Deutsch. Ihr Roman Die Vertreibung aus dem Paradies ist ein autobiografi-

scher Roman, in dem sie ihre Lebenserfahrungen beschreibt und das Unrecht

250 AIFAN: Araberbilder. S. 106. 251 Ebd. S. 109.

Page 121: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

120

der Vertreibung aus der Heimat, die fehlenden Frauenrechte und Unterdrü-

ckung anprangert. Im Roman flüchtet ihre Familie 1948 nach Ägypten, wo

Halima als jüngste Tochter aufwächst. Das Gefühl des Fremdseins begleitet

Alaiyan und ihrer Familie im israelischen Gebiet ebenso in Ägypten. Sie fühl-

te sich unerwünscht und unterdrückt. In ihrem Roman Die Vertreibung aus

dem Paradies beschreibt Alaiyan ihre Heirat und ihr Leben in Kuwait mit

ihrer eigenen Familie. Die erzählte Zeit beginnt 1948 und erstreckt sich bis in

die heutige Zeit. Immer wieder zieht sie in ihrem Buch die Verbindung ihrer

persönlichen Erlebnisse zu den historischen Ereignissen im Nahen Osten.

Ein bedeutender Abschnitt in ihrem Leben begann in Deutschland, wohin sie

ihrem Mann folgte. Sie selbst betont, dass Deutschland für sie das Paradies

bedeutete. Mit drei Kindern absolvierte sie ihre Ausbildung zur Orthopädin.

Außerdem musste sie sich um ihren kranken Sohn kümmern. Wegen einer

unheilbaren Blutkrankenheit starb ihr Sohn ÓalÝat, nach dem ihre Stiftung

benannt ist, im Jahre 1989 im Alter von 23 Jahren. Nach einem Besuch in

ihrem Heimatdorf hat sie eine Stiftung für Jugendliche aus Israel und Palästi-

na gegründet. Sie hatte zum Ziel, dass das Wissen über die Juden und Paläs-

tinensern nicht mehr lückenhaft bleibt und die Feindbilder, mit denen die

Kinder erzogen werden, auf beiden Seiten behoben werden. 2003 hat sie die

ÓalÝat-ÝAlayÁn-Stiftung gegründet. 2004 fand die erste Begegnung zwischen

israelischen, palästinensischen und deutschen Jugendlichen statt. Vier Begeg-

nungen hat Alayian bis 2007 bisher organisiert. Die Stiftung übernimmt die

Kosten der Begegnungen, die zweiwöchige Aufenthalte der Jugendlichen u.a.

Es ergibt sich, dass Alayians Motivation aus dem schmerzlichen Verlust ihres

Sohnes entsprungen ist.252

252 Vgl. HEESS, Jutta: Die Fronten aufbrechen. Halima Alayian bringt deutsche, israeli-sche und palästinensische jugendliche zusammen. In: Tages Zeitung 2007. http://www.taz.de/zeitung/taznews-verlag/panterpreis/panterpreis-2007/nominierte/nom6/. Besucht am: 04.10.2007.

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121

Schlussfolgernd wird erwähnt, dass Alaiyan einen wichtigen Beitrag in der

Kulturvermittlung und der Verständigung zwischen den Völkern in Deutsch-

land geleistet hat. Ihr einziges Werk hat nur eine kurze Darstellung in den

deutschen Verlagen bekommen oder kurze Erwähnungen in den wenigen

erscheinenden Artikeln wie in Omars Artikel gefunden. Insgesamt bleibt

festzuahalten, dass sich Alayian als arabische Schriftstellerin nicht weit von

der Thematik der arabischen Frauenliteratur entfernt. Die Probleme einer

Frau in ihrer Heimat oder in Deutschland sind das Kernthema ihres Romans.

Kaouther Tabai (geb. 1964) ist eine tunesische Autorin und Übersetzerin. Sie

lebt seit 1983 in München, wo sie Informatik studierte. Sie schreibt auf Ara-

bisch und Deutsch und veröffentlichte Kurzgeschichten in Anthologien, Zeit-

schriften im tunesischen Nationalrundfunk sowie in Deutschland. Wie viele

arabische Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die in zwei Sprachen leben,

bedeutet das Arabische für sie eine Heimat, die immer bei ihr bleibt. Deutsch

ist eine Möglichkeit, in Kontakt mit den Deutschen zu treten.253 Ihr Werk

Das kleine Dienstmädchen. Aus dem Leben tunesischer Frauen beschreibt

sie das arabisch islamische Leben, Denken und den Glauben. Von Ariana, die

Kleinstadt in der Nähe von Tunis, bis in ein steriles Münchner Bürohaus be-

richtet sie in ihren Erzählungen über verschiedene Themen wie das Leben der

Frauen in Tunesien, die Rolle der Religion, die Menschen in der Welt, die

sich überall gleichen. Man kann dieses Werk als Autobiografie betrachten.

Ihre deutsche Rezeption beginnt mit der Veröffentlichung ihres Romans auf

Deutsch. Der Titel Das kleine Dienstmädchen des Romans spiegelt das

Kernthema ihres Romans wider. Die deutschen Leser, die eine Erzählung aus

dem Leben tunesischer Frauen vor sich haben sind von dem Thema begeis-

tert. Die Schriftstellerin verwendet keine neuen Darstellungen oder Informa-

tionen, sondern bietet bekannte typische arabische und muslimische Charak-

tere und bekannte arabische gesellschaftliche Lebensweisen u.a. Als arabische

253 Vgl. ebd.

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Schriftstellerin in Deutschland hat sie nicht nur ein Werk veröffentlicht, son-

dern beschäftigt sich mit der Übersetzung zeitgenössischer arabischer Litera-

tur ins Deutsche. Sie spielt dabei eine wichtige Kulturvermittlungsrolle, in

dem sie versucht die zeitgenössische arabische Literatur bei dem deutschen

Lesepublikum bekannt zu machen.

Mona Yahia (geb.1954) ist eine irakische Künstlerin und Schriftstellerin. Sie

wurde in Bagdad geboren, emigrierte mit ihrer Familie nach Israel. Von 1986

bis 1992 studierte sie Kunst in der BRDutschland; lebt seit 1997 als Künstle-

rin und Autorin in Köln. Sie schreibt in englischer Sprache Gedichte, Erzäh-

lungen und Romane. 2001 erhielt sie den Wingate-Literaturpreis. Sie veröf-

fentlichte auf englischer Sprache einen autobiografischen Roman unter dem

Titel When the Grey Beetles Took over Bagdad, in dem sie die Geschichte

einer im Irak lebenden Jüdin erzählte. Diskriminierung, Identität und Flucht

sind die Themen dieses Romans. Ausführlich beschreibt sie darin eine jüdi-

sche Kindheit und Teenagerzeit in Bagdad. Hier können die deutschen Leser

die Minderheitsthematik finden und über das Leben der jüdischen Minderheit

im Irak lesen.

Was die deutsche Rezeption ihres Romans betrifft, ist erwähnenswert, dass

2002 beim Eichborn Verlag die deutsche Übersetzung ihres Romans veröf-

fentlicht wurde. Die Übersetzerin Susanne Aeckerle hat die Übersetzung

vom Englischen ins Deutsche unter dem Titel Durch Bagdad fließt ein dunk-

ler Strom angefertigt. In einigen deutschen Zeitungen findet sich eine Rezen-

sionen über den Roman. Uwe Stolzmann kritisiert in der Züricher Zeitung

die Diskrepanz zwischen Form und Inhalt des Romans.254 Stefan Weidner

lobt den Roman in einer Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.255

Viola Keeve bezeichnet den Roman als „Entwicklungsroman, faszinierendes

Geschichtsdokument, Erzählepos einer modernen Scheherazade und Auto-

254 Vgl. STOLZMANN, Uwe in Zürcher Zeitung. 07.12.2002. 255 Vgl. WEIDNER, Stefan: Die letzten Juden von Bagdad. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17.01.2003.

Page 124: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

123

biographie“ in ihrer Rezension.256 Nach Keeves Ansicht hat Yahia eine arabi-

sche Erzählung geboten. Dies erinnert an das Lob der Al-Hilalis Erzählun-

gen. Die beiden Schriftstellerinnen stammen aus dem Irak, bieten erzähleri-

sche Romane und reflektieren die politischen und gesellschaftlichen Seiten

ihrer Heimat. Eine Erklärung für die Betrachtung ihrer Werke als Erzähllite-

ratur und die Bezeichnung als Scheherazade wird hier erwähnt: Die beiden

Schriftstellerinnen erzählen über ihre Biographie und ihre Heimat. Die Ge-

schichten, die im erzählerischen Schreibstil geschrieben wurden, erinnern an

dem bekannten Erzählstil in den arabischen Ländern.

Wegen des geringen Interesses mit der arabischen Lyrik im Vergleich zum

bedeutenden Interesse mit der Prosa bekamen die arabischen Dichterinnen

kaum Beachtung oder werden nicht in Artikeln, Vorträgen und Pressemittei-

lungen erwähnt. Lediglich Amal Al-Jubouri hat eine gute Reputation in

Deutschland nicht nur als erfolgreiche Dichterin, sondern als Herausgeberin,

Übersetzerin und Journalistin erfahren.

Amal Al-Jubouri (geb.1967) ist eine irakische Dichterin. Sie gilt als die be-

deutendste jüngere, aus dem Irak stammende Dichterin in Deutschland. Im

Irak arbeitete sie nach ihrem Studium der Anglistik als Journalistin für Presse

und Fernsehen. Sie verließ ihre Heimat und ging zuerst nach München und

1997 nach Berlin. Sie gründete in Deutschland die erste und einzige zwei

sprachige Zeitschrift Diwan, eine Zeitschrift für arabische und deutsche Poe-

sie. Unter den arabischen Schriftstellerinnen ist sie eine aktive Dichterin, die

immer in der Presse über die Probleme ihrer Heimat spricht. Im Jahre 2000

war sie die Organisatorin eines erfolgreichen arabisch-deutschen

Lyrikfestivals in Sanaa im Jemen.

256 Vgl. KEEVE, Viola: Purim, Putsch und Pubertät „Durch Bagdad fließt ein dunkler Strom“: Mona Yahias Roman einer jüdischen Kindheit im Irak. In: Jüdische Allgemeine. http://www.juedische-allgemeine.de/leobaeck/belletristik/buch-04580.html. Besucht am: 28.08.2007.

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124

Ihr lyrischer Stil ist geprägt von stilistischer Schlichtheit und tiefem gedankli-

chen Gehalt. Ihr erster Gedichtband erschien in Bagdad unter dem Titel Der

Wein der Wunden, ihr zweiter Band Befreit mich, ihr Worte wird im Am-

mann Verlag veröffentlicht. In London 1999 erschien ihre Gedichtsammlung

Enheduanna, die Priesterin der Verbannung. Die Sammlung hat sufische

und mythologische Themen. Für diesen Band erhielt sie auf der Beiruter

Buchmesse den Preis für das beste arabische Buch des Jahres 1999. 2003

erhielt sie für ihren Gedichtband 99 Schleier den Preis des Arabisch-

Libanesischen Klubs in Paris. Als Übersetzerin hat sie etwa fünf Bücher

übersetzt, darunter The death of alhalaj, ein lyrisches Theaterstück und den

Roman Where the rivers meet des amerikanischen Autors Herbert Mason,

eine Auswahl Hans Magnus Enzensbergers und Joachim Sartorius’ Lyrik.

Die Untersuchung hat ergeben, dass die arabischen Schriftstellerinnen dem

deutschen Publikum ein breites Spektrum an literarischen Genres bieten. Ins-

besondere auf dem Gebiet der realistischen Prosa haben sich die Autorinnen

mit Romanen beschäftigt. Die einzige Erzählerin Huda Al-Hilali hat sich vor

allem mit Erzählungen beschäftigt. Es wurde festgestellt, dass alle arabischen

Schriftstellerinnen in Deutschland kaum mit Märchen, Klischees und Stereo-

typen zu tun haben. Ganz im Gegenteil sind sie abgeschweift von den domi-

nanten literarischen Angeboten, so wird die Realität in den arabischen Län-

dern das Hauptthema in ihren Texten. Politische Probleme in Palästina/ Isra-

el, alltägliches Leben im Irak und das Leben der Frauen in Tunesien sind die

Themen der prosaischen Texte. Dazu sind die Frauen die Hauptfiguren in

ihren Erzählungen. Die Untersuchung hat auch ergeben, dass die arabische

Frauenliteratur in Deutschland durchaus ähnliche ästhetische Entwicklungen

durchmacht und inhaltliche Positionen vertritt wie die Vielzahl der internati-

onalen „Frauenliteraturen“. Entweder im Inhalt, in der Handlung oder im Ton

bleibt die arabische Frauenliteratur in Deutschland eine Fortsetzung der ara-

bischen Frauenliteratur in der arabischen Welt. So kann man sagen, dass die

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125

Autorinnen häufig mit der Form der Ich-Erzählerin erzählen und das Leben

einer Frau in der arabisch-islamischen Gesellschaft darstellen.

Es ist festzustellen, dass die arabischen Schriftstellerinnen in Deutschland der

arabischen Kultur und Literatur dienen, indem sie die Missverständnisse über

die heutige arabische Gesellschaft bei Lesungen, Erzählabenden aufzuklären

suchen. Es ist hervorzuheben, dass sie vor allem gegen die weit verbreiteten

Vorurteile über Politik und Gesellschaft in der arabischen Welt in ihren Wer-

ken ankämpfen.

Page 127: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

126

5 Die deutsche Rezeption syrischer Schriftsteller

5.1 Der syrisch- deutschsprachige Roman

In der vorliegenden Untersuchung der deutschen Rezeption syrisch-

deutschsprachiger Romane wird zeigen, dass die syrischen Autoren in

Deutschland sich außerhalb der Migrations- bzw. Gastarbeiterthematik be-

deutende literarische Präsenz geschaffen haben. Vor allem die Auseinander-

setzung mit dem arabischen Orient oder die Benutzung orientalischer Erzähl-

traditionen und Motive sind die besonderen Eigenschaften der syrisch-

deutschen Romane. Es sei hier an Schamis Romane erinnert. Schami hat sei-

ne Texte in erzählerischer Form veröffentlicht. Die Märchen, Kurzgeschich-

ten und Romane Rafik Schamis finden im deutschen Sprachraum große Po-

pularität unter den Zuhörern und Lesern.

Dank der jahrhundertelangen Berühmtheit der Sammlung Tausendundeine

Nacht in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern hat Schami

mit seinen erzählerischen Werken ein großes Lesepublikum innerhalb und

außerhalb Deutschlands gewonnen. Wegen seiner zahlreichen Referenzen

zum arabischen Erzählerbe soll im Folgenden zuerst ein Überblick über die

arabische Erzählkunst gegeben werden. Dieser Überblick wird zeigen, dass

die Rückkehr zum arabischen Erbe sich großer Beliebtheit in der modernen

arabischen Literatur erfreut. Zunächst ist es wichtig, die Wichtigkeit und die

Einflüsse der Sammlung Tausendundeine Nacht auf die Literatur in Europa

darzustellen. Hier spielen die Übersetzungen der Sammlung eine wesentliche

Rolle in der Rezeption arabischer erzählerischer Literatur. Die breite Popula-

rität der Sammlung in Deutschland hat Schami geholfen, sich in der deut-

schen Literaturszene als Erzähler in Deutschland zu etablieren und seine

Werke als Weiterentwicklung der arabischen Erzählkunst anzuerkennen.

Page 128: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

127

5.1.1 Die arabische Erzählkunst

Im Folgenden wird einen Überblick über die arabische Erzählkunst darge-

stellt. Es wird gezeigt, dass diese Kunst seit Jahrhunderten zugleich missfiel

und begeisterte und dass sie verschiedene Entwicklungsphasen durchlief bis

sie zu einem Beruf wurde. Die Darstellung historischer Hintergründe wird

ebenfalls verstehen helfen, warum arabische Erzähler in Deutschland von

einigen Kritikern häufig negativ aufgenommen werden. Deutsche Kritiker,

die die arabische Erzählkunst als Trivialliteratur betrachten, vertreten diese

Meinung seit Jahrhunderten, weil die Araber diese Kunst selbst als Triviallite-

ratur betrachteten.

Die Erzählkunst gilt in der arabischen Literaturgeschichte als Unterhaltungs-

literatur. Die Araber waren von jeher besonders gute Erzähler. Den Stoff der

Unterhaltungsliteratur bildeten in der vor-islamischen Zeit (arab. Ğāhilīya)

an erster Stelle die Heldentaten des Stammes, die Abenteuer einzelner Hel-

den. Während der Ausbreitung des Islams wurden inerhalb und außerhalb der

Städten Arabiens darüber hinaus jene Erzählungsstoffe allmählich ersetzt

durch Legenden über den Propheten und die früheren Gottesgesandten, über

die großen Kämpfe gegen Perser usw.

Unter den Beduinen wurden die alten Erzählungen bewahrt. Die Ritterroma-

ne wie die sÐrat Ýantar werden als ihre direkten Nachkommen betrachten.

Den Hauptbestandteil der Unterhaltungsliteratur bilden Weisheitssprüche,

kurze Erzählungen und Anekdoten.257 Eine eigentümliche Art der Unterhal-

tungsliteratur sind die Maqāmāt, deren Held ein literarisch gebildeter Vaga-

bund ist, der sich durch große Gewandtheit in gebundener Sprache, durch

Schlauheit und Witz durchs Leben schlägt. Die Maqāmāt wurden neben

257 Vgl. SCHMIDT, Erich: Die orientalischen Literaturen. Mit Einleitung: Die Anfänge der Literatur und die Literatur der primitiven Völker. Die Kultur der Gegenwart. Hrsg. von Paul Hinneberg. Berlin: Teubner Verlag. 1925. S. 141f.

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128

Risālat al-Èufrān und Íay bin YaqÛān auf Arabisch geschrieben. Die beiden

Sammlungen Tausendundeine Nacht und Kalila und Dimna gelten als über-

lieferte Erzählungen, die auch bekannte Arten der Unterhaltungsliteratur wa-

ren.

Obwohl die Geschichte des Erzählens in den arabischen Büchern nur im

Rahmen der arabischen Literaturgeschichte behandelt wird,258 zeigen die ara-

bischen Quellen, dass das Geschichtenerzählen als Beruf kaum bewertet

wurde. Wiebke Walther ordnet Volksgeschichten und Märchen seit der Blü-

tezeit der arabisch-islamischen Kultur zwischen etwa 850 und 1200 bis Mitte

des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus als Trivial- oder Subliteratur ein.259

Dazu bemerkt sie, dass das Publikum meist aus Analphabeten bestand und

die Erzählsprache zugleich Umgangssprache war.260

Verfolgt der Forscher die Rezeptionsgeschichte der Erzählkunst in den

Schriften der arabischen Gelehrten wie Ibn An-Nādīm, zeigt die Untersu-

chung auch, dass diese Gelehrten sich davon distanzierten, weil sie die Er-

zählkunst als Trivialkunst betrachteten.261 Weil die Geschichten der Samm-

lung Tausendundeine Nacht in der einfachen, schlichten gesprochenen Spra-

che der Zeit, dem Mittelarabischen, abgefasst war, wurde sie Jahrhunderte

lang von den arabischen Intellektuellen unterschätzt.262

Der Ursprung des Geschichtenerzählens als beruflicher Tätigkeit findet sich

in den ersten beiden Jahrhunderten des Islams. Damals teilte sich das Ge-

schichtenerzählen in zwei Teile: In religiöse Erzählungen und in säkulare

258 S. WALTHER, Wiebke: Kleine Geschichte der arabischen Literatur. München: C.H. Beck Verlag. 2004. 259 Vgl. ebd. 260 Vgl. ebd. S. 22. 261 Vgl. SHARAF, Muhammad Zouheir: August von Platen und die arabische Welt. Berlin: dissertation.de-Verlag im Internet. 2003. S. 69. 262 Vgl. EL WARDY, Haimaa: Tradition und Innovation. Die Anwendung von 1001 Nacht als Medium der politischen und sozialen Kritik in der europäischen und der arabischen Literatur. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Nr. 16/2005. http://www.inst.at/trans/16Nr/07_1/elwardy16.htm. Besucht am: 27.11.2007.

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129

Erzählungen. Die Erzähler erzählten damals islamische Erzählungen und reli-

giös erbauliche Geschichten über Propheten in den Moscheen; daneben wur-

den ebenso die bekannten Volksgeschichten erzählt.263 Diese Erzähler wur-

den damals als QuÒÒāÒ bezeichnet.264 Als die QuÒÒāÒ auf den Marktplätzen zu

erzählen begannen, wurden sie mit Misstrauen betrachtet, weil deren Interes-

se weniger in erbaulichen Zielen lag, sondern von finanziellen Zielen be-

stimmt war. Dennoch entwickelte sich das Geschichtenerzählen als beliebter

und einträglicher Beruf.265

Nach Irwin sind die säkularen Erzählungen aus der Tradition des Theaters

hervorgegangen. Die arabischen Quellen zeigen, dass die Schauspielkunst

nach dem Ende des byzantinischen Reiches in der arabischen Welt weiter-

entwickelt wurde. Der Ursprung säkularer Erzählungen geht auf Possenspie-

le zurück, die wiederum ihren Ursprung im griechischen und römischen

Reich haben. Diese Possenspiele wurden später in arabischen Regionen auf-

geführt.266

Nach Irwin wurde das Kaffeehauserzählen in den arabischen Ländern nach

der Eroberung Ägyptens und Syriens 1516 durch die Osmanen zum Beruf.267

Die Erzähler haben in jedem arabischen Land unterschiedliche Bezeichnun-

gen: in Ägypten werden sie rāwī bezeichnet, in Marokko MuÎaddī× und in

Syrien Îakawātī. Jeder Erzähler verfügt über seine eigene Erzählmethode;

durch sie unterscheidet er sich von anderen Erzählern.

263 Vgl. IRWIN, Robert: Die Welt von Tausendundeiner Nacht. Aus dem Englischen übersetzt und für den deutschen Leser ergänzt von Wiebke Walther. Frankfurt am Main: Insel Verlag. 1997. (Originalausgabe London 1994). S. 131. - Vgl. WALTHER: Kleine Geschichte der arabischen Literatur. S. 255. 264 Vgl. EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 30. 265 Vgl. ebd. S. 132. 266 Vgl. ebd. S. 133. 267 Vgl. IRWIN: Die Welt von Tausendundeiner Nacht. S. 136f

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130

Die Kaffeehauserzähler besetzen Narrenfreiheit und dürfen die Obrigkeit

kritisieren. Ihre Erzählungen haben sozialkritische Hintergründe, und das

Wichtigste ist ihre Glaubwürdigkeit, trotz vieler Übertreibungen. Zwar über-

treiben die Erzähler in ihren Erzählungen, aber es bleibt dabei immer ein

Stück Wahrheit erhalten. Die Erzähler erfüllen zwei wichtige Aufgaben. Zum

einen mussten sie für die Unterhaltung ihrer Zuhörer sorgen. Zum anderen

hatten sie das Wissen um bestimmte historische Ereignisse an das Volk wei-

terzugeben. Durch Erzeugen von Spannung versuchen die Erzähler ihre Zu-

hörer wach zu halten. Erreichte die Erzählung ihren höhenpunkt, unterbra-

chen sie sie, um sie am folgenden Abend fortzusetzen. Sie mussten ihre Zu-

hörer mit ihrer Erzählungen so fesseln, damit sie am nächsten Tag ins gleiche

Cafe zurückzukehren. Das Honorar bekommt der Erzähler normalerweise

vom Kaffeehausbesitzer.

Heute beschränkt sich das arabische Geschichtenerzählen der Kaffeehauser-

zähler auf ein kleines Publikum in den Kaffeehäusern. Vor allem während

religiöser Feiertage und besonders während des Ramadan trifft man vermehrt

auf Kaffeehauserzähler. Von den bekannten Volksgeschichten werden die

Erzählungen über AÛ-Úaher Bibirs, ÝAntar Bin ŠaddÁd und AbÙ Zaid al-

HilÁlÐ immer wieder in den Kaffeehäusern erzählt. Die Kaffeehauserzähler

greifen jedoch nicht nur die klassischen Themen auf. Die besten unter ihnen

machen die Zeit, in der sie selbst leben, zum Thema. Schließlich kann man

sagen, dass das Fernsehen Bzw. das Radio die Volkskunst zerstören haben.

Fast in jedem Cafe steht inzwischen ein solcher Apparat.

5.1.1.1 Die Erzählkunst zwischen Aussterben und Wiederbelebung

Die Erzählkunst hat in Arabien ebenso wie in Deutschland eine lange Traditi-

on. In Arabien war die Erzählkunst seit Jahrhunderten eine beliebte mündli-

che Kunstform, in der Volksgeschichten, Heldenerzählungen und Märchen

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131

entstanden und entwickelt wurden. Gleichzeitig löste diese Kunst seit ihrer

Entstehung Missfallen in den arabischen Ländern aus. Trotz der negativen

Urteile bleibt diese Kunst bis heute lebendig. In ihrer frühen Entstehungszeit

war vor allem die Wüste die große Förderin dieser Kunst.

Das nomadische Leben und die langen Reisen waren die wichtigen Gründe

für die Entstehung und der Entwicklung der oralen Kunst als ein Unterhal-

tungsmittel. Heute, seit den 50er Jahren ist die Funktion der Erzählkunst im

Orient laut Enno Littmann eine andere als in den früheren Epochen. In dem

folgenden Zitat beschreibt Littmann das Erzählen als ein Unterhaltungsmittel,

das von anderen Unterhaltungsmitteln verdrängt wurde:

Die Märchenwelt ist jetzt eine andere geworden: früher ging man zum Erzähler, und beim Anhören der Märchen mag man-cher arme Lastträger nach des Tages Mühe sich glücklich ge-fühlt haben in dem Gedanken, dass auch ihm einmal eine Prin-zessin beschert werden könne wie dem Helden in der Geschich-te; jetzt hat, wenigstens in den größeren Städten des vorderen Orients, das Lichtspieltheater die Erzähler verdrängt.268

Im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts kehrte man in der arabischen Literatur

zur Erzählkunst zurück, und es erschienen zahlreiche Werke, die grundsätz-

lich von der Sammlung Tausendundeine Nacht inspiriert wurden.269 Zahlrei-

che arabische Schriftsteller, die in arabischen Ländern oder im Exil leben,

beschäftigen sich zunehmend mit der Erzählkunst und sind von den Erzäh-

268 LITTMANN, Enno: Arabische Märchen. Leipzig: Insel-Verlag. 1968. 3. Aufl. S. 413. 269 Die Rückkehr zu literarischen Quellen half dabei der modernen arabischen Literatur, einen besonders innovativen Charakter zu entwickeln. Wichtig ist zu erwähnen, dass die moderne arabische Werke, die von Scheherazade inspiriert wurden, nicht von der arabi-schen Originalsammlung direkt beeinflusst wurden, sondern von den europäischen Über-setzungen der Sammlung, in denen deutlich romantischen Züge erscheinen. Die Untersu-chung der modernen arabischen Werke ergibt, dass die Inspiration von Tausendundeine Nacht nicht nur auf dem Gebiet des Romans deutlich erscheint, sondern auch auf dem Gebiet des Theaters. Dies wird insbesondere in den Dramen des 19. Jahrhunderts und später in den Dramen der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts deutlich. Vgl. WALTHER, Wiebke: Tausendundeine Nacht. München: Artemis Verlag. 1987. S. 162.

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132

lungen der Sammlung Tausendundeine Nacht inspiriert. Dies erscheint

schriftlich in den veröffentlichten Werken bzw. in den Veranstaltungen.270

Ebenso blühte in Deutschland das Erzählen von Märchen und Erzählungen

seit dem 18. Jahrhundert und in der Epoche der Romantik auf und erfreute

sich großer Beliebtheit. Die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm

sind neben Wilhelm Hauffs Märchen und einigen bekannten orientalischen

Geschichten aus Tausendundeiner Nacht gute Beispiele dafür.271 Aber nach

dem Zweiten Weltkrieg ist diese Kunst fast ausgestorben.

Das mündliche Erzählen im letzten Jahrzehnt in Deutschland ist beim Publi-

kum wieder auf große Beliebtheit gestoßen,272 deshalb hat diese Rückkehr

zur Erzählkunst die in Deutschland lebenden arabischen Erzähler ermutigt,

neue Erzählungen zu erfinden und bekannten Erzählungen neue Formen zu

verleihen. Dabei nutzten die arabischen Vertreter dieses Genres die deutsche

Literaturszene, in der sie Gehör fanden. Unter den arabischen Erzählern in

Deutschland ist Schami der Bekannteste. Er erneuerte die Erzählkunst und

betonte, dass diese Kunst Erneuerungskraft trotz des neuen Lebensstils ent-

hält. Er ließ es nicht nur auf dem erzählerischen Stil in seinen Werken be-

wenden, sondern betrieb selbst für lange Jahre das mündliche Erzählen in

Deutschland.

270 In Ägypten haben die Schriftsteller Taufiq El-Hakim (1898–1987) und Taha Hussain (1889–1973), die beide in Frankreich studiert hatten, indirekte soziale und politische Kri-tik in ihre Vorträge eingearbeitet. Beide gelten nicht nur als Vertreter der modernen arabi-schen Literatur, sondern auch als namhafte Schriftsteller, die die Märchensammlung Tau-sendundeine Nacht für die arabische Literatur wiederentdeckt haben. In ihren eigenen Werken tauchen Elemente auf, die deutlich durch die Sammlung Tausendundeine Nacht inspiriert wurden. Taufiq El-Hakims Werk Scheherazade (1934) gilt als das erste moderne Drama, das deutlich als eine Nachahmung von Tausendundeiner Nacht gilt. Außerdem sind deutliche Einflüsse französischer Dramenkunst, insbesondere der französischen Sym-bolik in diesem Drama zu erkennen. 1936 schrieb Taufiq El-Hakim gemeinsam mit Taha Hussain, einem renommierten ägyptischen Autor, einen Märchenroman mit dem Titel al-QaÒr al-MasÎūr (dt. Das Zauberschloss). 1943 veröffentlichte Taha Hussain eine phanta-sievolle Märchenallegorie unter dem Titel AÎlÁm ŠahrazÁd (dt. Scheherezades Träume). Siehe auch MACHFUZ, Nagib: LayÁlÐ alf lailÁ (dt. Die Nacht der tausend Nächte). (1982). – ED-DAHABI, Cheiri: LayÁlin ÝarabÐya (dt. Arabische Nächte). (1978). 271 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 91. 272 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 151.

Page 134: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

133

Schami betont den Mangel an Erzählern in Deutschland, obwohl die Erzähl-

kunst ein beliebtes Genre ist. Mit Ausnahme von Patrick Süskind, erzählten

seiner Ansicht nach die deutschen Schriftsteller nicht. Schami nutzt die

Chance und füllt die Marktlücke:

Hier [in Deutschland] aber gebe es keine literarischen Abende mit Erzählgut, nur Lesungen mit wichtigen Texten – das erinne-re ihn [Schami] an Predigten von der Kanzel. Woher die Ar-mut? Hunger und Not als Quelle des Erzählens, nein, das ist ihm zu einfach. Vielleicht liege es daran, dass an den Menschen jetzt das Leben zu schnell vorbeirausche, denn ein guter Erzäh-ler benötige ein langes Gedächtnis.273

Schami tritt hier vor allem als Kulturschaffender auf, der wie ein Botschafter

die Kunst des arabischen Erzählens in Deutschland vermitteln und verbreiten

will. Durch diesen Kulturaustausch verändert sich Schamis Erzählkunst un-

vermeidlich und hebt sich von der klassisch arabischen ab. Dieser Prozess des

Vermittelns und des Umformens soll in den folgenden Abschnitten eingehend

analysiert werden. Wichtig ist hierbei besonders die Frage, inwiefern er sich

von den orientalischen Stereotypen und Klischees entfernt oder wieweit er

sich den Erwartungen des deutschen Publikums annähert.

5.2 Zur deutschen Rezeption Rafik Schamis

5.2.1 Biographie

Rafik Schami „SuhÐl FaÃil“ ist ein Deutsch schreibender Autor syrischer

Herkunft. Als Angehöriger der arabischen Minderheit lebt er seit etwa 38

Jahren in Deutschland. Aufgrund seines Erfolges in Deutschland ist er ein

Sonderfall unter den deutsch-arabischen Schriftstellern und gilt bis heute als

273 AIFAN: Araberbilder. S. 257.

Page 135: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

134

der bekannteste deutschsprachige Schriftsteller nichtdeutscher Herkunft.274

Schami begann in Syrien zu schreiben; zu publizieren jedoch begann er erst in

Deutschland. Für seine Werke hat er zahlreiche Auszeichnungen und Litera-

turpreise erhalten. In etwa 25 Sprachen wurden seine Werke übersetzt. In

Syrien ist er bis heute kaum bekannt; seine Bücher - außer sein Roman Der

geheime Bericht über den Dichter Goethe - sind noch nicht ins Arabische

übersetzt worden.

Schami wurde am 23. Juni 1946 in Damaskus als Kind einer aramäisch-

christlichen Familie geboren. Seine Eltern stammen aus Malula275, aber er

lebte mit seiner Familie in einem christlichen Viertel der Altstadt von Damas-

kus, zu einer Zeit, in der es keine Trennung zwischen den Vierteln gab. Die

Stadt seiner Kindheit, Damaskus, ist eine der ältesten Städte der Welt. In

dieser Stadt leben verschiedene Religionsgruppen: Muslime, Christen und

Juden; zudem kleine Religionsgemeinschaften wie Drusen und Yeziden sowie

unterschiedliche ethnische Gruppen wie Araber, Aramäer, Kurden, Tscher-

kessen, Armenier und Palästinenser. Schamis Angehörigkeit der christlichen

Religionsgruppe in Damaskus und der arabischen Minderheit in Deutschland

hat deutlich seine Beschäftigung mit Minderheitsprozessen in seinen Werken

beeinflusst.

Der Blick auf Schamis Biografie zeigt seine sprachlichen Fähigkeiten. Die

deutsche Sprache ist eine von fünf Sprachen, die Schami beherrscht; die an-

deren vier sind Arabisch, Aramäisch, Französisch und Englisch. Seine Mut-

tersprache ist Aramäisch, die in seiner Herkunftsstadt Malula gesprochen

wird. Die Sprache seiner Kindheit ist Arabisch; Französisch lernte er in den

ersten Schuljahren und in einem Kloster-Internat im Libanon, wo er zwei

Jahre nur Französisch sprach. Sein Vater wollte, dass Schami Priester wird.

274 Vgl. BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 90. 275 Malula ist ein kleines Dorf in Syrien, das in der Nähe von Damaskus liegt und ist von etwa 5.000 Christen bevölkert, die aramäisch sprechen. Vgl. ROTTER, Gernot: Syrien. Nürnberg: Edition Erde. BW Verlag. 1995. S. 170.- Vgl. TRAUZETTEL, Helmut: Syrien. Berlin: VEB Verlag. 1988. S. 45.

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135

In der Oberschule lernte er Englisch. Deutsch hat Schami im Exil gelernt;

Deutsch und Arabisch sind seine literarischen Sprachen. Essays und Beiträge

für arabische Zeitungen schreibt Schami auf Arabisch; Arabisch war auch die

Sprache seiner früheren unveröffentlichten literarischen Texte. Es gab viele

Beweggründe für seine Auswanderung: politische Instabilität und politische

Verfolgung in seinem Heimatland, die Angst vorm Militärdienst, die schlech-

te Situation in seiner Heimat und der Wunsch, weiter zu studieren, waren die

wichtigen Gründe, um ins Exil zu gehen. Beispielsweise benannte Schami in

dem Werk Ich habe eine fremde Sprache gewählt zwei Gründe für seine

Auswanderung:

Ich kam in die Bundesrepublik aus zwei Gründen: um zu stu-dieren und um dem Militärdienst in meiner Heimat zu entkom-men – beide Schritte sind mir gelungen, ich habe studiert, und ich habe nie einen Militärdienst leisten müssen.276

In mehreren Interviews betonte Schami seine Ablehnung von Waffen. Er hat

sich geschworen, niemals in seinem Leben eine Waffe zu tragen. Immer wie-

der wiederholt er seine Ablehnung kriegerischer Auseinandersetzungen. In

seinem Roman Der ehrliche Lügner thematisiert er seinen Hass gegen Waf-

fen:

Cousin Michael erzählte mir vom Leid des fortdauernden Krie-ges entlang der Grenze, von dem weder Israelis noch Araber je etwas erfuhren. Täglich starben junge Menschen auf beiden Sei-ten der Grenze, heimlich, als wären sie Verbrecher. In jenen Tagen reifte meine Abneigung gegen die Militärs zum Ekel, und ich schwor, niemals eine Waffe in die Hand zu nehmen. Bis heute habe? ich diesen Schwur nicht gebrochen, obwohl er mich viel gekostet hat, aber das ist eine andere Geschichte.277

Seine Entscheidung für Deutschland war ein purer Zufall. Er musste inner-

halb von drei Monaten Syrien verlassen, sonst wäre er in die Armee eingezo-

276 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 32. 277 SCHAMI, Rafik: Der ehrliche Lügner. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. 1992. 1. Aufl. S. 364.

Page 137: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

136

gen worden. Er schrieb an Bewerbungen für einen Studienplatz von Australi-

en bis Heidelberg, die dann auch die schnellste mit ihrer Zusage war. Er woll-

te eigentlich nach Paris, aber die Franzosen waren langsam mit den nötigen

Formalitäten.278

Schami floh aus Syrien zunächst in den Libanon und dann nach Deutschland.

1971 emigrierte er in die Bundesrepublik. In den Jahren 1971-79 studierte er

an der Universität Heidelberg und schloss sein Studium der Chemie mit der

Promotion ab. Während seines Studiums arbeitete er als Aushilfskraft in Res-

taurants und Kaufhäusern.

1973 begann er seine literarische Tätigkeit. In den 70er Jahren veröffentlichte

er Texte und Vorträge in arabischen und deutschen Zeitschriften und Antho-

logien. In dieser Zeit war er Mitbegründer der Literaturgruppe „Südwind“

und des Vereins „Polikunst“. In der Zeit von 1980 bis 1985 war er Mithe-

rausgeber und Autor der Reihe „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“.279 Seit 1982

lebt er als freier Schriftsteller und wurde im Jahre 2002 Mitglied der Bayeri-

schen Akademie der Schönen Künste.

In Syrien war Schami vorwiegend als Essayist in Erscheinung getreten, hatte

jedoch bereits zahlreiche kürzere Prosatexte, Lieder und Theaterstücke ver-

fasst. Diese Texte blieben lange ohne Publikationsmöglichkeit. Deshalb be-

zeichnet er diese Schwierigkeiten als Hürden und verwendet den Hürden-

lauf280 als Metapher für seinen langen Kampf zu publizieren. In seinem Werk

Hürdenlauf beispielsweise schrieb er über die Dominanz seines Vaters281 und

278 Vgl. OHSWALD, Alfred: Interview mit Rafik Schami. In: Buchkritik 09.11.2004. 279 Vgl. AL–MAALY/NAJJAR: Lexikon arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 239ff. 280 SCHAMI, Rafik: Hürdenlauf. Frankfurt am Main: Freundeskreis des Inset. Für Jugendbuchforschung. 1996. 281 Sein Vater teilt mit ihm nicht das Interesse an Studium und Schriftsteller zu werden. Der Vater behauptete, dass Schriftstellerei als Beruf so wenig verdient. Trotzdem wollte Schami nicht als ein Bäcker wie sein Vater zu werden, so entschied er sich Texte zu schreiben und versuchte immer zu veröffentlichen.

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137

den Raub seiner ersten literarischen Schreibversuche durch einen Redakteur

des Rundfunks in Damaskus. Dazu beschreibt er seine ersten dichterischen

Versuche, die er schrieb, nachdem er viele klassische arabische Gedichte

auswendig gelernt hatte. Er selbst aber betrachtet sich nicht als ein Dichter,

sondern will lediglich Geschichten erzählen und schreiben. Ein besonderer

Einschnitt in seiner Kindheit wird deutlich in seinem biographischen Roman

Eine Hand voller Sterne beschrieben.

Unter den arabischstämmigen in Deutschland lebenden Autoren ist Schami

ein Autor, der viel publiziert. Mit seinen Büchern wurde Schami nicht nur

einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern

bekannt. Bis heute veröffentlichte er etwa 30 Werke der Genres Kinder- und

Jugendliteratur oder Romane für Erwachsene. Zu den wichtigsten seiner

Publikationen gehören die folgenden: In Märchen aus Malula erzählt Schami

die schönsten überlieferten Geschichten aus Malula. Die Geschichten sind

von dem Zauber des Orients geprägt, voller Witz und Weisheit. In Erzähler

der Nacht, der bis heute als einer seiner erfolgreichsten Romane gilt, er-

scheint die arabische Erzählkunst als Erbe von Scheherazade aus Tausend-

undeiner Nacht. Eine Hand voller Sterne ist ein Tagebuch; darin beschreibt

Schami sein Leben in Damaskus als Kind. In Die Sehnsucht fährt Schwarz

erzählt Schami, im Gegensatz zu seinen anderen Werken, die Geschichte

eines Arbeitsemigranten in den 70er Jahren in Deutschland. Zusammen mit

zwei anderen Autoren veröffentlicht er zwei Werke; gemeinsam mit Marie

Fadel schrieb er ein Buch über Damaskus mit dem Titel Damaskus im Her-

zen, in dem sie alles Wissenswerte über diese Stadt zusammengetragen ha-

ben. Zusammen mit Uwe Michael Gutzschhahn schrieb er Der geheime Be-

richt über den Dichter Goethe. Mit fremden Augen ist eine Essaysammlung,

die aus dem Wunsch nach einer friedlichen Aussöhnung zwischen Israel und

den Palästinensern heraus entstand. Es besteht aus Tagebuchnotizen und

umfasst den Zeitraum vom Oktober 2001 bis Mai 2002; Schami kommentiert

darin wichtige Aspekte der Terroranschläge vom 11. September 2001 mit

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138

Humor und Ironie. Vom Zauber der Zunge enthält vier Diskurse über das

Thema Erzählen; Schami nutzte den Adelbert-von-Chamisso-Literaturpreis

als Anlass, um über seine Arbeit zu erzählen und den Leser daran teilhaben

zu lassen. Er sprach über die arabische Erzählkunst, die fiktive Gestalt Onkel

Salim und sein Damaskus, vor allem über sich als Erzähler und Schriftsteller.

Einige seiner Werke wurden als Kinder- und Jugendliteratur kategorisiert,

wie Reise zwischen Nacht und Morgen und Der geheime Bericht über den

Dichter Goethe. Die anderen Kindergeschichten hat er bewusst für Kinder

und Jugendliche geschrieben, wie u.a. Das ist kein Papagei, Wie ich Papa

die Angst vor Fremden nahm. Dank der guten Rezeption einiger Werke

konnte er sich eine Existenz als Schriftsteller in Deutschland aufbauen. Fol-

gende Werke fanden in Deutschland eine breite Leserschaft: Erzähler der

Nacht, Eine Hand voller Sterne und Die dunkle Seite der Liebe. Als Prosa-

schreiber gilt Schami als der erste Autor unter den arabischen Autoren, der

ein großes Publikum innerhalb und außerhalb Deutschlands hat. Insbesondere

hatte der Roman Eine Hand voller Sterne ihn international bekannt gemacht

und ihm positive Kritik eingebracht.

5.2.2 Die Frage des Schreibens bei Rafik Schami

Bevor der Aspekt des Schreibens bei Schami untersucht werden wird, soll an

dieser Stelle kurz die Geschichte seines Pseudonyms dargestellt werden. Die

Geschichte des Pseudonyms „Rafik Schami“ begann in Syrien. SuhÐl FaÃil, so

lautet sein bürgerlicher Name, wollte sich aus politischen Gründen einen an-

deren Namen zulegen. „Rafik Schami“ bedeutet „Damaszener Freund“, SuhÐl

bedeutet auf Arabisch „Morgenstern“ und FaÃil bedeutet „vortrefflich“. Als

Kommunist verlieh Schami seiner kommunistischen Ideologie in Syrien einen

Ausdruck; „RafÐq“ ist eine Bezeichnung aus dem Milieu der kommunisti-

schen Partei, in der die Mitglieder sich mit RafÐq (Genosse) anstatt mit ihren

bürgerlichen Namen ansprechen. Aus Furcht vor politischer Verfolgung, gab

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139

er sich diesen Namen. Er wollte auch keinen christlichen Namen wählen oder

sich Maluli nennen, obschon er sich beinahe Rafik Maluli genannt hätte. Der

Name „MaÝlÙlГ hätte ihn mit seiner Geburtsstadt verbunden, der Name

„Schami“ jedoch verband ihn vielmehr mit seiner geliebten Stadt Damaskus.

So hat er „Schami“ ausgewählt, weil „Schami“ ein in Syrien weitverbreiter

Name ist, den viele Menschen unterschiedlicher Religionen tragen. So ent-

schied sich der Kommunist für „Rafik Schami“.282

1998 hat Schami in einem Interview die Geschichte der Namenswahl und die

Gründe dafür dargelegt:

[Schami] bin ich, ich lebte in Damaskus, und das Wort hört sich im Arabischen schön an. (Rafik Schami) ist mehr als Pseudo-nym, es ist ein Stück Identität von mir (Rafik) bedeutet (Freund), (Genosse), (Weggefährte) und (Schami) bedeutet Damaszener. (Scham) ist einer Liebeserklärung an Damaskus, und (i) bedeutet – wie im Deutschen die Endsilbe –er). Ich habe das Namenselbst gewählt und dieser Name gewährte mir Schutz. Nur eine Person wusste in Damaskus, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Es ist ein Name, der mir sehr nahe ist. Als ich nach Deutschland kam, war für mich das größte Ge-schenk, dass (Rafik) und (Schami) ohne Fehler ausgesprochen werden können. Der Name hat aber vor allem etwas mit mei-nem neuen Weg in der Literatur zu tun, ich habe nur unter die-sem Namen Literatur geschrieben.283

5.2.2.1 Das Schreiben auf Arabisch

Das Schreiben auf Arabisch hielt bei Schami nicht lange an, besonders nach

den vielen misslungenen Versuchen, seine Werke bei arabischen Verlagshäu-

sern zu verlegen. Bereits nach er nach Deutschland auswanderte entschied

sich Schami schließlich, seine Manuskripte ins Deutsche zu übersetzen und

an deutsche Verleger zu schicken. Bei der Untersuchung seiner ersten auf

282 SCHAMI: Hürdenlauf. S. 14. 283 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 31.

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140

Arabisch verfassten Schriftstücke wird deutlich, dass er als Junge surrealisti-

sche Texte und Märchen schrieb; als Fünfzehnjähriger (damals in Damaskus

lebend) schrieb er sein erstes satirisches Theaterstück Die Buchstaben, in

dem er die Alphabetisierungskampagne der Regierung zum Thema nahm. Er

schickte diesen Text zu einem Kulturredakteur, der ihm jedoch das Stück

stahl und unter seinem eigenen Namen hat aufführen lassen. Diese persönli-

che Geschichte erzählte Schami in seinen Roman Eine Hand voller Sterne.284

In Die dunkle Seite der Liebe, Kassiber und Eine Hand voller Sterne verar-

beitete er literarisch seine Begegnung mit Amin Mardini, einem Mitglied der

Kommunistischen Partei Syriens. Voller Angst hat er seine ersten Texte

Mardini vorgelegt, der ihn ermutigte und ihn in Sprache und Stil unterwies.

Von Mardini lernte Schami den Grundsatz: „Je revolutionärer ein Text, um-

so verständlicher muss er sein.“285 Die gesammelten Erfahrungen Mardinis

nutzte Schami in seinen Texten, die er für die regierungskritische Zeitung aš-

ŠarÁra (dt. Der Funke) schrieb.286 Mardini ermutigte den damals 17-Jährigen,

in die kommunistische Partei Syriens einzutreten und Werke der Weltliteratur

zu lesen.

Insbesondere las Schami die Werke linker europäischer und russischer Auto-

ren wie William Faulkner, Amado, Gamus und Gorki. Über Mardinis Einfluss

schrieb Schami in seinem Buch Hürdenlauf:

Und weil er mir von Amado, Gorki und Camus vorschwärmte, wagte ich eines Abends, ihm meine Texte zu zeigen. Diesen ei-nen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen, weil er meine Überwindung der Hürde Schule einleitete. Er fragte mich, ich war gerade 16, warum ich meine Fähigkeit nicht im Dienste unseres Volkes einsetzte. Er kenne viele Jugendliche, die gern meine Texte lesen würden. Amin Mardini war Kom-munist. Ein Jahr darauf war ich auch einer […] Von Amin näm-

284 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 40. 285 SCHAMI: Hürdenlauf. S. 10. 286 Ein Jahr vor dem Abitur gründete Schami mit vier anderen Jungen die Zeitung aš-ŠarÁra.

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141

lich lernte ich: Je revolutionärer ein Text, umso verständlicher muss er sein. Ein heikler Satz, der mir später Probleme machte […] Meine Schulaufsätze waren nicht besonders gut, weil ich bei jedem Thema das Wort Kampf nach drei Zeilen einflechten musste. Ich lebte nur noch mit diesem Vokabular.287

Schon 1975 in Heidelberg begann er, deutsch zu schreiben und seine arabi-

schen Texte ins Deutsche zu übersetzen. Der Entschluss, mit dem Schreiben

auf Arabisch aufzuhören, fiel im Januar 1977.288 Trotz der Angst und heftiger

Selbstzweifel erkannte Schami, dass seine Texte seinem Publikum gefielen.

Verglichen mit seinen auf Deutsch geschriebenen Texten hält er seine arabi-

schen Texte für nichtig. Dagegen hält er, trotz des Lobes von Freunden und

Bekannten, seine auf Deutsch geschriebene Texte für „primitiv“ und sein

Deutsch als spröde und bar jeglicher Eleganz.289 So fing Schami an, an sei-

nem Stil zu arbeiten und die bevorzugt deutschen Schriftsteller wie Karl

Kraus und Oskar Panizza zu lesen und von ihren Schreibstils zu lernen.

5.2.2.2 Die Initiation in das Schreiben auf Deutsch

Die erste Eigenveröffentlichung in deutscher Sprache war Andere Märchen.

Diese Sammlung wurde 1978 in der Bundesrepublik verlegt. Dann schrieb

Schami märchenhafte Texte, die in rascher Folge publiziert worden waren.

Als nächstens wurde sein erstes Bilderbuch Der Wunderkasten veröffentlicht.

Diese Werke erschienen nach langen Jahren, in denen Schami kein Werk zu

publizieren versuchte. Er war beschäftigt mit dem Erlernen der deutschen

Sprache und mit den mündlichen Erzählungen, die er auf Veranstaltungen

vortrug. In Interviews sagte er, dass er für etwa dreieinhalb bis vier Jahre in

Deutschland verstummt war. Dieses geschah aufgrund des Schocks, sich als

Migrant in neuem Land mit neuen Umständen wiederzufinden. Über die Lö-

sung sagt Schami:

287 Ebd. 288 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 32f. 289 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 75.

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142

Das Verstummen ist eine Realität, hervorgerufen durch die Überraschung von allem neuen und andererseits durch die Sprache. Ich bin mit der Sprache befreundet, mit mehreren Sprachen, und deshalb hatte ich den Anspruch, die deutsche Sprache lieb zu gewinnen, nicht zu beherrschen. [...] Verstum-men, das heißt, die Gedanken, tiefgehende Gedanken konnte ich nicht ausdrücken, das war eine aufgezwungene Stummheit. Es dauerte etwa dreieinhalb bis vier Jahre; ab dem vierten Jahr fing ich an, mich in kleinen Artikeln und Mini-Essays zu äußern. Diese Zeit war notwendig, um die deutsche Sprache näher ken-nen zu lernen.290

Neben kleiner Artikel schrieb Schami ganze Bücher bedeutender deutsch

schreibender Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts ab, wie Bertolt Brecht,

Heinrich Heine, Anna Seghers, Karl Kraus und Peter Altenberg. So lernte er

die deutschen Stile, Schreibweisen und die Schönheit der Wörter. Er studier-

te auch die Techniken, die Tricks und die Unzulänglichkeiten der Autoren.

Besonders Thomas Mann, Kurt Tucholsky oder Günter Grass dienten ihm als

sprachliche Vorbilder.291

Nach der Fertigstellung eines Textes feilt Schami noch lange an ihm. Diese

Schleifarbeit beansprucht eine lange Zeit, bis er sicher ist, dass sein Text fer-

tig ist. Er nennt diesen Schritt Haltbarkeit, in dem der Text warten muss und

bearbeitet wird.292 Zunächst überarbeitet ihn ein Lektor. Der Lektor ist für

Schami sehr wichtig, weil seine Arbeit an dem Text ihm hilft, den Text in

eine passende Form zu bringen und die Fehler zu reduzieren. Zudem ist er ein

kritischer Leser und bearbeitet den Text auf der sprachlichen, grammatischen

und künstlerischen Ebene. Beispielsweise entdeckte Schami in der 10. Aufla-

ge seines 900-Seiten-Romans Die dunkle Seite der Liebe Fehler, die trotz

eines Verlagskorrektorats übersehen wurden und obwohl er selbst an dem

Roman lange gearbeitet hat.293

290 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 32. 291 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 76. 292 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 39. 293 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 76f.

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143

Der Lektor spielt in Schamis Werken eine zentrale Rolle. Er beurteilt Scha-

mis Text und weist auf die sprachlichen Schwächen, grammatischen Fehler

u.a. hin. Seit dem Beginn seiner literarischen Tätigkeit in Deutschland be-

schäftigte Schami private Lektoren, die seine Texte von den für einen

Fremdsprachler grammatikalischen Fehlern frei machen. Von Anfang an war

Schami sich bewusst, dass ein schon korrigierter Text größere Chancen hat,

von einem Verlag angenommen zu werden. So versuchte er, korrekte Texte

vorzulegen.294

Schami ist überzeugt, dass das Schreiben einen hohen Grad harter Arbeit

erfordert, bis Autor und Leser das Werk zufrieden in den Händen halten

können. Sein eigener Stil wächst und entwickelt sich weiter. In seinem Che-

miestudium lernte er die Exaktheit, die in seine Erzählkunst einfließt. Über

die Rolle seines Chemiestudiums und seine Erfahrungen schreibt Schami:

Die Chemiker sind exakt in ihrer Sprache, das trage ich in mir. Dazu trage ich in mir die List eines Orientalen, der durch die Jahrhunderte der Unterdrückung durch einen Zentralkalifen oder Sultan gelernt hat, dem nicht direkt zu sagen, du bist ein Dummkopf, sondern zu sagen: ich erzähle dir von einem Lö-wen, der ziemlich dumm war. Diese beiden Strömungen synthe-tisiere ich in meinem Inneren, in meiner Seele [...]Aber ich durchstöbere auch die Literatur, das ist der Chemiker in mir. Ich wollte nicht über Zirkus schreiben, sondern über Lüge und Wahrheit – das ist ein pathetisches, scheußliches Thema -, so-bald sie anfangen zu schreiben, fangen sie an zu predigen. [...] Das Leichte – nicht Seichte -, das Daherschwebende hat mich immer fasziniert. Das ist die Synthese von Chemie und List, nicht diese schwerfällige Literatur, für die man einen Notiz-block und Bleistift braucht, um alles zu notieren und tief beein-druckt ist, wie viel der Autor weiß und gearbeitet hat, der sich so wichtig fühlt. [...] Oder nehmen wir Italo-Calvino, der sagt nicht „leicht wie eine Feder“, die bei jedem Windstoss hin- und herschwebt, sondern „leicht wie ein Vogel“, der genau weiß, wo er landen will – aber ganz leicht hoch und runter geht – so

294 Vgl. ebd. S.136.

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144

soll Literatur sein. Das ist die Synthese von Chemiker und Ori-entale. 295

5.2.2.3 Die Schritte der Entwicklung seines Schreibstils

Die ersten Veröffentlichungen in den 80er Jahren waren Kinderbücher und

Erzählsammlungen. Ihr Sprachstil ist einfach und schmucklos. Trost findet er

bei Brecht und dessen schmucklose, aber genial präzise Sprache. Zudem

schweift Schami in seinen Erzählung inhaltlich häufig ab. Im Vergleich zu

seinen literarischen Anfängen in den 80er Jahren, veränderte und verfeinerte

Schami seinen Schreibstil zunehmend in den folgenden Jahrzehnten.

Die künstlerische Entwicklung Schamis ist deutlich seinen Texten aus den

90er Jahren anzumerken; beispielsweise seine Romane Erzähler der Nacht

von 1989, Der ehrlicher Lügner von 1992 und besonders sein Roman Reise

zwischen Nacht und Morgen von 1995. Dazu auch sein Roman Die Sehn-

sucht der Schwalbe von 2000 und Der geheime Bericht über den Dichter

Goethe von 1999, in denen die künstlerische Entwicklung deutlich wird. In

diesen Romanen ist seine Schreibweise reif, literarisch und kunstvoll.

Seit Mitte der 80er Jahre erweiterte Schami seinen Erzählkosmos und wagte

den Sprung von der kleinen zur großen Erzählform. Sein Roman Eine Hand

voller Sterne von 1985 markiert seine Hinwendung zur größeren Erzähl-

form.296 Ein weiteres Beispiel ist sein Roman Reise zwischen Nacht und

Morgen, mit dem Schami einen erzählerisch geschlossenen Text vorlegte.297

Diesen Romanen ist anzumerken, dass die Erzählungen länger werden und

ihre Handlungsstränge komplexer. Nicht nur die zunehmende sprachliche und

stilistische Entwicklung ist der Grund seines literarischen Erfolgs, sondern

vor allem sein erzählerischer Stil. Dabei durchsetzt Schami die deutsche

295 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 34ff. 296 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 135. 297 Vgl. ebd.

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145

Sprache mit arabischen Metaphern und bietet seinem Publikum reife kunst-

volle Texte.298

5.2.2.4 Die Quellen der Geschichten

In diesem Abschnitt wird verweisen, dass Schamis Werke mehr von der ara-

bischen als von der deutschen Kultur geprägt worden: Einerseits dient die

arabische Kultur als Hintergrund, als Handlungsort in Schamis Werke, wie

seine Romane u.a. Der ehrliche Lügner, Eine Hand voller Sterne, Erzähler

der Nacht, Die dunkle Seite der Liebe. Damaskus in den 50er und 60er Jah-

ren ist der Handlungsort in diesen Romanen.299 Die Darstellung der Quellen

der Schamis Geschichten wird erklären, dass Schamis Erzählungen an das

gesamte arabische Kulturgut anknüpfen.

Die Quellen für Schamis Geschichten werden in vier Gruppen eingeteilt: Ers-

tens ist es die Erzählsammlung Tausendundeine Nacht300, von der er das

Erzählen erlernte. Er selbst bezeichnet sich als Schüler von Scheherazade -

so bezeichnen ihn auch seine Kritiker. In mehreren Märchen, Erzählungen

und Geschichten knüpft Schami an die Erzähltradition von der Sammlung

Tausendundeiner Nacht an, übernimmt Titel berühmter Märchen aus der

298 Vgl. ebd. S. 136. 299 Vgl. ebd. S. 134. 300 Tausendundeine Nacht ist eine Sammlung von märchenhaften Erzählungen. Ihre Popularität überstieg alle Erwartungen im Orient wie im Okzident. Der ursprüngliche Kern der Sammlung Tausendundeine Nacht stammt aus Persien und trug den Titel Hazar Afsana. Die ersten arabischen Übersetzungen tauchten ca. im Jahr 800 in Bagdad auf. Etwa 960 tauchte bei al-MacÝÙdÐ (345/46–956/57) die erste Erwähnung dieser Sammlung in seinem Werk MurÙÊ aÆ-Æahab wa MaÝÁdin al-ÊawÁhÐr (dt. Goldwächen und Edelsteinminen). Trotz deutlicher persischer und indischer Motive entstand die Sammlung auf arabischen Boden. Die Geschichten der Tausendundeinen Nacht wurden hauptsächlich in Syrien und Ägypten erneut erweitert und umgeformt. Im 18. Jahrhundert wurde die Sammlung in Europa bekannt. Vgl. DIECKMANN, Hans: Zauber aus 1001 Nacht. Märchen und Symbole. Urania: Königsfurt Verlag. 2000. S. 15f.

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Sammlung als Requisit oder parodiert Geschichten aus der Sammlung.301 An

zweiter Stelle stehen die Kaffeehausgeschichten, in denen die arabischen Kaf-

feehauserzähler traditionelle Geschichten erzählen. Die Gestalt des traditio-

nellen arabischen Erzählers ist in mehreren Werken Schamis aufgetaucht, wie

zum Beispiel in seinen Romanen Erzähler der Nacht und Der ehrliche Lüg-

ner. Drittens sind es die alten arabischen Maqāmāt von al-HamaÆānÐ und al-

ÍarÐrÐ. Diese Maqāmāt haben die arabische Erzählkunst berühmt gemacht

und dominierten die Erzählstile in der arabischen Literatur für lange Zeit.

Viertens ist es die berühmte Fabelsammlung aus der abbasidischen Zeit

Kalila und Dimna302. Als Beispiele dafür kann man seine Märchensammlun-

gen Der fliegende Baum und Das Schaf im Wolfspelz erwähnen. Fünftens

und letztens sind es die Volksmärchen aus der Heimatstadt von Schamis

Vorfahren in Malula. In seinem Werk Märchen aus Malula werden Märchen

301 Als konkrete Figur taucht Scheherazade in Schamis Werk Erzähler der Nacht auf; Schami stellt die Erzählerin Fatimah am Ende der Geschichte vor. Der begabte Erzähler Onkel Salim wurde in der Geschichte wegen der Magie einer Fee stumm und nur sieben Geschichten von seinen sieben Freunden sind die Lösung, damit Salim seine Stimme wie-dererlangt. Salim verdankt die Wiedererlangung seiner Stimme Fatimahs wunderbarer Geschichte. Im Gegensatz zur modernen arabischen Literatur verändert Schami die erzäh-lende Figur in mehreren seiner Geschichten wie Eine Hand voller Sterne, Reise zwischen Nacht und Morgen und Erzähler der Nacht, indem er sie nicht als weibliche Scheheraza-de, sondern in der Gestalt der männlichen Erzähler darstellt. Im Vergleich mit Schehere-zade zeigt Salim, dass die beiden Erzähler ihre Leben durch das Erzählen retten. Der Kutscher Salim verdient sein Brot damit, dass er seinen Reisenden interessante Geschich-ten erzählt. Während die Kutscher sich streiten, damit mehr Reisende in ihre Kutsche einsteigen, benutzt Salim sein erzählerisches Talent um sein Geld mit dem Geschichtener-zählen zu verdienen. Der Kutscher Salim wurde mit der Zeit bekannt als berühmter Er-zähler und die Reisenden reisten lieber mit ihm. Diese Variante taucht in Schamis Roma-nen Eine Hand voller Sterne und Erzähler der Nacht. 302 Kalila und Dimna ist eine Fabelsammlung, die in der abbasidischen Zeit aus dem Per-sischen ins Arabische von Ibn al-MuqaffaÝ übertragen wurde. Der Übersetzer Ibn Al-MuqqafaÝ lebte im 8. Jahrhundert in der irakischen Stadt Basra. Die Geschichten in Kalila und Dimna werden von Tieren erzählt. In allen Geschichten erscheinen die Figuren Kalila und Dimna, zwei Schakale. Die Geschichten stecken voller Weisheit, Lebenserfahrung und listiger Kritik an den Machthabern. Die Geschichten umkreisen Themen wie Treue und Untreue oder Verrat. Die Serie der Geschichten begann, als „DibšalÐm“, der König von Indien, den Philosophen und Lebenserfahrenen „BÐdpÁ“ um eine Erklärung eines Problems bat. Der begabte Philosoph erzählt ihm eine unterhaltsame Geschichte um so seine Frage zu beantworten. Die Sammlung hat die Aufgabe, die Leser Weisheit zu lehren und sie zu erbauen.

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147

und Erzählungen aus Malula verarbeitet. Auch in anderen späteren Erzählun-

gen berichtete Schami über dieses Dorf.303

Aus diesen Quellen speist sich die arabische Erzählkunst Schamis. Insbeson-

dere hatten Märchen aus Malula und aus Tausendundeiner Nacht starken

Einfluss auf seinen Erzählstil. Er lernte aus diesen Märchen und Geschichten,

wie eine Erzählung die Zuhörer neugierig machen kann. Aus Maqāmāt lernte

er, wie eine Erzählung humorvoll geschrieben werden muss. Schließlich er-

scheint der Einfluss durch die Fabeln Kalila und Dimna in seinen Texten für

Kinder und Jugendliche. Tiere sind in den meisten seiner Geschichten die

Hauptfiguren, die ihre Probleme durch Weisheit, Mut und Tapferkeit lösen.

Explizit trägt Schami als Verfasser den Charakter des Philosophen BÐdpÁ,

der die Erzählfäden in der Hand hält. Aber in Schamis Texten ist der Erzäh-

ler/Philosoph innerhalb des Geschichtsrahmens nicht sichtbar. Er verwendet

diese Schreibart in den Geschichten und Märchen, die politische Motive ent-

halten. Aus der Sammlung Kalila und Dimna entnimmt Schami Motive, In-

halte und Formen. Beispielsweise erscheinen diese Einflüsse in seinen Wer-

ken Der fliegende Baum und Das Schaf im Wolfspelz; in diesen Texten er-

zählt er einige Geschichten, die ähnlich mit manchen aus Kalila und Dimna

sind.

Neben den oben beschriebenen Quellen sind Schamis eigene Erfahrungen

eine wichtige Quelle. Schami bearbeitet sein Leben in Damaskus bis in die

70er Jahre literarisch, und die Figuren, die er dort traf oder kannte, treten in

seinen Geschichten auf. In anderen Geschichten verarbeitet er seine eigenen

Erfahrungen als Immigrant in Deutschland. Schami ist von seinen eigenen

Erfahrungen und seinem Leben beeinflusst. Ein Beispiel ist sein Roman Eine

Hand voller Sterne. Darin diente ihm die eigene Kindheit als Material zu

diesem Roman. Die persönlichen Erfahrungen prägen seine Geschichten. In

303 Vgl. EL WARDY: Das Märchen, und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 141-147.

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148

erster Linie erscheint Damaskus, in dem er lebte, als eine unerschöpfliche

Quelle von Geschichten. Er betont, dass sein Leben in Damaskus ihm sehr

geholfen hat, ein Erzähler zu werden. In dieser Stadt hat er zahlreiche Ge-

schichten gehört und erlebte vieles, was er später in seiner literarischen Ar-

beit benutzten konnte:

Meine Kindheit verbrachte ich in der Altstadt von Damaskus. Wenn man aber von Damaskus erzählen will, muß man aufpas-sen, denn Damaskus ist ein Meer von Geschichten. Im Exil verwandelte sich diese Stadt meiner Kindheit in eine Idylle, ihr Staub in Perlen und die düstersten Gassen wurden von golde-nem Licht durchflutet. Es sind die Gassen meiner Sehnsucht.304

Vom bisher erwähnten Zitat kann man die Verklärung des Orients in Schamis

Werken finden. Seine eigenen persönlichen Erfahrungen werden zunehmend

von Sehnsucht und Nostalgie überzogen. Hier spricht er auch ein rhetori-

sches Element seiner Erzählungen an, wie das „goldene“, orientalische Licht.

Es ist also zu fragen, inwiefern Schamis eigene Abstammung noch relevant

ist, wenn er sich trotz seiner persönlichen Erfahrung in orientalischen Stereo-

typen verfängt, die nichts mit dieser Realität zu tun haben.

Das Sprechen mit anderen ist ebenso eine wichtige Quelle. Er hört viele Er-

zählungen von den Leuten in Syrien und Deutschland. Dazu sind die realen

Ereignisse Kerntexte Schamis. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass ihm nach

einem Mord auf offener Straße in Damaskus in 1962 die Idee zu seinem Ro-

man Die dunkle Seite der Liebe kam.305 Diese reale Szene war sein Impuls zu

Schreiben.

Der Roman Erzähler der Nacht entstand aus einer Rede, die Schami zur Ver-

leihung des Thaddäus-Troll-Preis gehalten hatte. Aus tiefer Dankbarkeit für

die Verleihung dieses Preises an ihn, schrieb er eine ungewöhnliche Rede.

304 SCHAMI, Rafik: Murmeln meiner Kindheit: Geschichten aus Damaskus.. Frankfurt am Main. 1995. S. 11. 305 Vgl. HALTER, Martin: Geradlinig ist nur der Tod. Lieben mit Erschwernis Zulage: Rafik Schamis Damaskus-Roman. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.06. 2005.

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149

Diese Rede wurde zum späteren Kerntext dieses Romans.306 Die Gefahr des

Aussterbens der arabischen Erzählkunst stellt das Hauptthema in dem Roman

dar, und Schami versucht zu sagen, dass die Erzähler ihre Stimme wiederfin-

den werden.307 Statt des einzigen Ich-Erzählers verwendet Schami verschie-

dene Erzähler, die ihre Geschichten auf verschiedenste Art und Weise erzäh-

len. Die Berufe der Erzähler weisen ebenfalls auf ihr soziales Milieu, das Ni-

veau ihrer Bildung und ihr sozialen Leben hin. So das reale Leben in den

Gassen Damaskus’ wurde in seinen Roman Erzähler der Nacht sehr prägnant

eingefangen.

Oft entwickelt Schami die Idee für einen Roman nach einem Gespräch und

Anmerkungen des Gegenübers. Eine solche Begegnung beschreibt Schami

wie folgt:

Eines meiner Bücher „Das ist kein Papagei“ besteht aus einem einzigen Sprachspiel, das mir ein Freund geschenkt hat. Er sitzt bei mir und sagt, hör mal zu, ich hab mir was überlegt, du kannst was daraus machen; nämlich, warum sagen die Leute immer <Papagei>, es gibt doch auch vielleicht eine <Mamagei>, die niemand erwähnt. Und prompt war die Idee da, ich mache ein Buch über eine Mamagei. Die Mamagei sieht wie ein Papagei aus, aber sie wiederholt nicht gerne, was die andern sagen, sie sagt ihre Meinung. Diese Geschenke der an-deren können manchmal versteckt sein, passieren aus irgendei-ner Begegnung heraus. Das war charakteristisch für die Dich-ter, mit denen ich mich geschichtlich verbunden fühle.308

Von dem bisher Erwähnten kann man betonen, dass Schami von allen vor-

handenen Möglichkeiten profitiert, um eine neue Geschichte zu formulieren.

Zuerst lässt sich das arabische Erzählgut nennen, aus dem Schami in seinen

Geschichten schöpft. Dies erklärt die intensive und lebenslange Beschäfti-

gung Schamis mit dieser Quelle, so man kann ihn als einen guten Kenner

seiner arabischen Erzähltradition bezeichnen. Die erfolgreiche Verwendung

306 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 42. 307 Vgl. SCHAMI: Damals dort heute hier. S. 106. 308 Ebd. S. 40f.

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150

und das Profitieren von den Geschichtenquellen haben den Weg für die Ver-

breitung der Literatur von Schami in Deutschland gebahnt.

5.2.3 Die Aufnahme und Anerkennung von Schami

5.2.3.1 Der mündliche Erzähler

Als mündlicher Erzähler trat Schami in Deutschland in den 80er Jahren auf

Literaturveranstaltungen zum ersten Mal auf. Dabei stellte er dem Publikum

keine herkömmlichen deutschen Erzählungen vor, sondern typisch arabische

Erzählkunst. Neben seinem Erzähltalent verfügt er über eine schauspieleri-

sche Begabung; indem er sich auf der Bühne bewegt, macht er seine Erzäh-

lungen lebendig. Im Gegensatz zur bekannten arabischer Erzählform und

zum statischen Repertoire der arabischen Kaffeehauserzähler, reicherte

Schami seine Erzählabende mit eigenen Geschichten an.

Das Kaffeehauserzählen hat einen unsichtbaren Einfluss auf Schamis Erzähl-

technik. Schami ist der Ansicht, dass diese Erzählform keine literarische

Schöpfung ist. Schami distanziert sich jedoch als Erzähler vom Îakawātī:

Der offizielle Kaffeehauserzähler war mir als Kind, wenn ich Vater begleiten durfte, zu laut, zu theatralisch und zu primitiv. Er ist ein elender Nachfolger dieser erhabenen Erzähler, denn er erzählt nie seine eigene Geschichten, sondern ein merkwürdiges Konglomerat aus allen möglichen Versatzstücken bekannter Werke.309

Der Erfolg Schamis beim deutschen Publikum fußt zum großen Teil auf sei-

ner eigenen Erzählart. So hat er sich auf dem Gebiet der Erzählkunst durch

zahlreiche neue Erzählungen ausgezeichnet. Er beschreibt seine eigene Er-

zählart wie folgt:

309 Ebd. S. 99.

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151

Ich ging davon aus, dass meine Art zu erzählen hier eher einem Ein-Mann-Theater als einer Lesung im eigentlichen Sinne glich. Viele rieten mir davon ab vorzutragen. Ich fragte mich, warum soll ein selbstbewusster Araber Europäer nachahmen? Warum kopieren Deutsche 1001 Neuheiten aus den USA und wären nicht imstande, meine neue Art zu erzählen zu akzeptieren.310

Die Sammlung Tausendundeine Nacht beeinflusste Schamis Erzähltechnik

sehr. Er lernte von der Erzählerin Scheherezade, dass man die Sprache in

eine starke Waffe gegen den Tod verwenden kann. Bei Schami wird die

Sprache zu einer Waffe gegen das Verstummen. Als „Schüler der Schehere-

zade“ hat er seine Erzählungen nicht nur mündlich erzählt, sondern auch

schriftlich niedergeschrieben. Er versteht es, mit seinen Erzählungen beim

deutschen Publikum die Sehnsucht nach einer Form des Fantastischen

wiederzuwecken. Indem er seine orientalischen Märchen erzählt, führt er sein

Publikum in die Zeit vor dem 19. Jahrhundert zurück.

1980 stand er zum ersten Mal als Erzähler auf der Bühne und begann, seine

kurzen Geschichten zu erzählen. Sein Publikum war damals ein kleiner Kreis,

bestehend aus seinen Freunden und engagierten Linken. Seine vorgetragenen

Geschichten dauerten nicht länger als 10 bis 15 Minuten, weil er in einer ihm

fremden Sprache erzählte. Später beherrschte er die Erzähltechnik und die

Sprache besser und verlängerte seine Erzählungen. Im Verlauf der 80er Jahre

wurde er vielfach von Universitäten, Bibliotheken, Volksschulen, Schulen,

Buchhandlungen oder auch von Vereinen im Rhein-Neckar-Raum zu Lesun-

gen eingeladen. Für jede Erzählung erarbeitete er eine eigene Form, um die

Lesungen abwechslungsreich zu gestalten. Damals erzählte er Geschichten,

Satiren, Märchen und gesammelte Kurzgeschichten. Diese Vielfalt seiner

Erzählungen befriedigte alle unterschiedlichen Geschmäcker des Publikums.

Nach und nach wurde der Kreis seines Publikums größer: wegen des Lobs

310 WILD: Rafik Schami. S. 100.

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152

von seinen Zuhörern, die selbst Werbung für Schami machten und neue Zu-

hörer mitbrachten.311

Was die Rezeption betrifft, so wurde Schamis Literatur als orientalische Lite-

ratur in deutscher Sprache, als Fortsetzung der Geschichten aus Tausend-

undeiner Nacht bewertet. Der Einfluss der Scheherazade erscheint besonders

deutlich in seinen Romanen Erzähler der Nacht und Reise zwischen Nacht

und Morgen. Er parodierte auch einige Geschichten aus Tausendundeiner

Nacht und benutzte zum Beispiel die Titel der berühmtesten Märchen in der

Sammlung als Requisite. Er verwendete Motive und Formen der Sammlung.

Die Gestalt der traditionellen arabischen Märchenerzähler erscheint in einigen

seiner Werke wie Der ehrliche Lügner und Erzähler der Nacht. Schami be-

schreibt im folgenden Zitat den deutlichen Einfluss der Scheherezade in sei-

ner Erzählkunst:

Ich muss gestehen, dass ich zum Ärger vieler radikaler Orienta-listen ein großer Bewunderer von Scheherazade bin. Ich nenne mich Schüler dieser großartigen Frau. [...] Scheherazade zeigte die Macht eines gut erzählten Wortes, sprich die magische Kraft der schönen Literatur, die eine zauberhafte Macht ist. [...] Sie hat an den Zauber des Wortes geglaubt, mit dem sie Folgendes erreichen konnte: sie schafft eine Verständigungsebene mit dem Zuhörer, verwandelt ihn – durch Berühren tief in jedem/r Zuhö-rer/in sitzender Kindheitserinnerungen, Geborgenheiten und Zu-traulichkeiten – in ein fasziniertes Kind, das nur noch von Ge-schichte zu Geschichte Sehnsucht nach Fortsetzung spürt. [...] Dabei kann sie, wie Sie sagen, Ängste reduzieren, Mut machen, Traurigkeit besiegen, Freude erzeugen etc., aber handeln muss der Zuhörende selber.312

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass zugleich wegen der mündlichen als

auch der schriftlichen Erzählungen Schami als Beispiel einer gelungenen lite-

rarischen Integration in der deutschen Literaturszene verstanden werden

kann.

311 Vgl. ebd. S. 100f. 312 EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 141.

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153

5.2.3.2 Der Märchenerzähler und die Märchen aus Malula

In den 70er und in den 80er Jahren gab es in Deutschland eine Welle der

Entdeckung des Märchens im 20. Jahrhundert, wo sich Schriftsteller in

Deutschland mit der Rolle des Märchens auseinandersetzten. Die Neigung

zur Phantasie war mit dem Zeitgeist der 70er und der 80er Jahre verbunden

und erweckte ein bereites Interesse bei der Literaturwissenschaft. Die Be-

schäftigung mit Märchengattung auszeichnete durch zwei Typen. Der erste

Typ war die Parodie der ursprünglichen Märchen durch die Erfindung neuer

Märchen mit gegenwärtigen, satirischen Inhalten. Der Mechanismus des

zweiten Typus stützte sich darauf, bekannte Märchenfiguren, Märchenele-

mente, oder Märchenmotiven in die literarischen Werke der Autoren einzu-

betten und sie als Vehikel zur politischen und Gesellschaftskritik einzuset-

zen.313

In den Märchen von Schami wird der Versuch unternommen, entweder an

das vertraute arabische oder deutsche Märchengut anzuknüpfen und manch-

mal es in einer parodistischen Form zu verfremden, um das Märchen als An-

spielung auf die Geschichte der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und

militärischen Turbulenzen entweder in Arabien in den 50er Jahren oder im

national-sozialistischen Deutschland zu verwenden, wie sein Märchen „Die

Wunderlampe“.314 Dazu konzentriert sich Schami auf die Erfindung neuer

Märchen, die die politische Erziehung durch Märchenphantasie erstreben.

Beispiele dafür kann man die beiden Märchen „Das letzte Wort der Wander-

ratte“ und „Als der Meister auftrat“ erwähnen, in denen die Probleme der

80er Jahre wie die Umweltverschmutzung und Ausländerfeindlichkeit ange-

sprochen.315

313 Vgl. ebd. S. 281. 314 Vgl. ebd. S. 282f. 315 Vgl. ebd. S. 83.

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154

Als Märchenerzähler publizierte Schami zahlreiche Bände und eine beträcht-

liche Anzahl einzelner Märchen und Erzählungen; z.B.: Der Wunderkasten,

Sehnsucht der Schwalbe, Märchen aus Malula, Erzähler der Nacht, Die

Sehnsucht fährt Schwarz, Das Schaf im Wolfspelz und Das letzte Wort der

Wanderratte. In diesen Werken erscheinen die märchenhaften fabulierten

Elemente neben seinen eigenen Erfahrungen als Migrant im Exil. 1991 publi-

zierte Schami drei Märchenbände unter dem Titel Der fliegende Baum. Ne-

ben diesen Bänden publizierte er ein wichtiges märchenhaftes Band mit dem

Titel Malula, in dem er in seinem eigenen Stil die aramäischen Märchen aus

Malula nacherzählte.

Schami legte seit Beginn der Publikation seiner Märchenbände Wert darauf,

sich von den arabischen und europäischen Märchen zu unterscheiden. Be-

sonders deutlich wird dies bei der Wahl des Titels seines ersten Märchenban-

des: Andere Märchen. Die Märchen sind keine Kunstmärchen, sondern echte

aramäische Volksmärchen. In den Märchen dieses Bandes tauchen neue un-

erwartete Handlungsstränge auf, die fern von den Märchen der Tausend-

undeinen Nacht und denen der Gebrüder Grimm sind. Schami hat die Mär-

chen auf ganz eigene Weise erzählt. Wie ein oraler Erzähler hat er die Mär-

chen aus seinem Heimatdorf nacherzählt. Seine Märchen sind voller Humor,

Witz, Weisheit und Magie des Orients; der Leser kann darin viele Anekdoten

aus seinem reichen Erfahrungsschatz und Gedächtnis finden. Die Märchen

aus Malula sind voll Fantasie, Witz und Poetik. Alle Kleinigkeiten sind von

Freude geprägt. Die Menschen in Malula erscheinen in den Geschichten als

Helden, die um ihr Leben kämpfen. Schami beschreibt absichtlich die Men-

schen ohne sie als Vorbilder zu stilisieren oder ihre Charaktere zu verschö-

nen; so erscheinen die Malulianer in den Texten als gutemütige, normale

Menschen.

Auf welche Weise Schami die Märchen aus Malula wiedererzählt und welche

inhaltlichen und formalen Änderungen er vornahm, kann man einer Rede, in

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155

der Schami über sein Nacherzählen der Märchen aus Malula spricht und seine

Erzählmethode erklärt:

Ich gebe die Märchen und Geschichten meines Dorfes so wei-ter, wie ich mir vorstelle, dass sie einst fabuliert wurden. Viel-leicht habe ich die eine oder andere auch erzählt, wie ich mir wünsche, dass sie so erzählt worden wäre. Es ist ein elementa-rer Bestandteil der Märchentradition, dass die Nacherzähler sich keine Zwänge und Grenzen auferlegen lassen, denn die Grenzen einer Geschichte sind die ihrer Erzähler. Sicher wur-den und werden manche Märchen und Geschichten aus Malula auch anderswo erzählt. [...] Unentbehrlich für mich als Erzähler waren aber die Freunde, die meinen ersten Fassungen der Ge-schichten zugehört haben, damit die jetzige Form der Märchen entstehen konnte.316

Schami hat mit seiner Sammlung Malula das deutsche Interesse an dem alten

märchenhaften Orient geweckt. Die Märchen aus Malula wurden zum ersten

Mal in Göttingen 1881 veröffentlicht: Die beiden Ethnologen Eugen Prym

und Albert Socin hatten sie sich im Jahre 1869 von den Einwohnern Malulas

erzählen lassen, um sie in aramäischer Lautschrift und deutscher Übersetzung

für Studienzwecke herauszubringen. Die Märchen wurden noch mal im Jahre

1915 in Leipzig veröffentlicht.317

Wild findet, dass Schamis Erfolg beim deutschen Publikum zu einem nicht

geringen Teil auf diesen Märchensammlungen gründet.318 Der Handlungsort

liegt im Orient, in einem kleinen Dorf in Syrien. Die Personen sind Araber.

Schami beschwört eine orientalische märchenhafte Atmosphäre, bietet aber

eine neue Darstellung der arabischen Märchen. Er erfüllt die Erwartungen

des deutschen Publikums auf eine andere Weise: Die Personen sind realisti-

sche Menschen und auch die Elemente der Geschichten sind realistisch.

316 SCHAMI, Rafik: Eine Vorgeschichte. In: Märchen und Märchenhaftes aus meinem Dorf/Rafk Schami. Kiel: Neuer Malik Verlag. 1987. S. 9-13. Besonders S. 13. 317 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 91. 318 Vgl. ebd.

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156

Wie sich Schamis Märchen von den anderen Märchen unterscheiden, kann

man mit einem näheren Blick auf die Inhalte der Märchen feststellen. Zwar

sind Schamis Märchen in der Tradition arabischer Fabulierkunst verwurzelt,

entstanden sind sie aber in Deutschland. Der nähere Blick zeigt, dass sie nicht

typische arabische Märchen sind, sondern arabische Märchen, die aus dem

Boden deutscher Wirklichkeit emporgewachsen sind. Inhaltlich verarbeitet er

in seinen erzählerischen Werken einen großen Abschnitt seines eigenen Le-

bens in Syrien und Deutschland. Zwischen den Zeilen seiner Erzählungen

werden die Probleme der Gastarbeiter in Deutschland thematisiert.

Die Kritik an Politik und Gesellschaft ist das Kernelement in Schamis Stil.

Diese Gesellschaftskritik ist ein Bestandteil in der traditionellen arabischen

Erzählkunst. Der Erzähler darf die Obrigkeit kritisieren, und seine Erzählun-

gen haben sozialkritische Hintergründe. Beispielsweise zeigt die berühmte

Erzählung Sīrat Ýantar deutlich die Diskriminierung der Farbigen in jener

Zeit; der Schluss der Geschichte aber ist optimistisch, denn Antar gelingt es,

die Gesetze, die gegen seine Leute gerichtet sind, zu durchbrechen. Im fol-

genden Paragraphen wird ein Märchenbeispiel von Schami behandelt, um

seine politische und Gesellschaftskritik darzustellen. Märchen, die einen kla-

ren Bezug zu politischen Alltagsproblemen und gesellschaftlichen Problemen

aufweisen, werden aus der Erzählsammlung Der fliegende Baum ausgewählt.

Zwar hat das Märchen „Die Wunderlampe“ in der Sammlung Der fliegende

Baum einen klaren Bezug zum arabischen Volksmärchen „Aladin und die

Wunderlampe“ aus Tausendundeine Nacht und Schami knüpft in seinem

Märchen an die Erzählstruktur von Tausendundeine Nacht an, aber Schamis

Märchen unterscheidet sich von den typischen Zaubermärchen dadurch, dass

die übernatürliche Kraft des Geistes der Zauberlampe als zerstörende Kraft

erscheint, weil sie in die falschen Hände geraten ist und aus blindem Gehor-

sam die zur Vernichtung führenden Befehle des Königs ausführt.

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157

In dem Märchen richtet sich Schamis Kritik gegen das arabische Volk, das

von einem Diktator in den Abgrund geführt wurde und in die schlechten Zu-

stände zu leben gezwungen ist. Dieses Märchen lässt sich als Anspielung auf

die Geschichte der arabischen Länder, insbesondere auf die Geschichte der

kolonialen Ausbeutung der arabischen Länder im 19. und Anfang des 20.

Jahrhundert und die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung durch die darauf

folgenden Diktatoren sowie auf die Geschichte der sozialen, politischen,

wirtschaftlichen und militärischen Turbulenzen der 50er und der 60er Jahre

verstehen. Dazu übt er eine starke Kritik an den von den Diktatoren Unter-

drückten, die auf eine übernatürliche Macht warten, die sie von der Unter-

drückung der Diktatoren befreien soll. Er betont auch, dass diese Kraft nur

zur Zerstörung führt.319

Was die soziale Kritik betrifft, hat Schami die Sitten und gesellschaftlichen

Regeln aus kritischer Perspektive dargestellt. In den meisten Märchen von

Tausendundeine Nacht kann nur der arme schlaue Held am Ende die

Sultanstochter problemlos heiraten. In Schamis Märchen werden die sozialen

Unterschiede und die Konflikte zwischen den verschiedenen Schichten dar-

gestellt. Die niedrige soziale Herkunft des Helden im Märchen bedeutet, dass

die armen Menschen keine Chance haben, die Sultanstochter zu heiraten.

Dazu wurden diese Menschen von den anderen Menschen, die zu besseren

sozialen Schichten gehören, mit wenigem Respekt behandelt.

Von Schamis Märchen sprechend, beschreibt Ulrike Reeg das Motiv der Ge-

sellschaftskritik folgendermaßen: „Die bewusste, Umkehrung der Welt‘, die

Verschiebung der Macht- und Herrschaftsverhältnisse wird im Märchen

durchgespielt.“320 Schließlich kann man zusammenfassend sagen, dass der

Erfolg Schamis in Deutschland zu einem großen Teil auf seinen erfundenen

und nacherzählten Märchen gründet. Insbesondere spielt seine politische und

319 Vgl. EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 156. 320 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 189.

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158

Gesellschaftskritik eine wesentliche Rolle in diesem Erfolg, weil die Beschäf-

tigung mit Märchen, die politische und soziale Kritik enthalten, eine bedeu-

tende Welle in Deutschland in den 70er und in den 80er Jahren erfährt.

5.2.3.3 Schami als Essayist, politischer Schriftsteller und Kinder- und Jugendautor

Wegen des Konflikts zwischen Palästina und Israel spielt Politik nicht nur bei

Schami, sondern bei vielen anderen arabischen Schriftstellern der Gegenwart

eine bedeutende Rolle. Schami thematisiert in seinen Werken die politischen

Entwicklungen in der arabischen Region in seinen Romanen, Büchern und

Vorträgen, wie zum Beispiel der Nahost-Konflikt, der erste und zweite Golf-

krieg und der libanesische Bürgerkrieg. Wild betont, dass Schamis litera-

risch-politischen Werke erfolgreicher sind als seine direkten Diskussionen.

Seine Überzeugungkraft in literarischen Arbeiten in denen er über Umstürze,

Verfolgung und unruhige Zustände schreibt, scheint größer zu sein als in

seinen theoretischen Werken.321

In Schamis Werken finden sich drei wichtige Bereiche politischen Wirkens:

seine politische Aktivität in Syrien, seine politischen Aktivitäten als Teil der

arabischen Migrationsgruppe in Deutschland und die literarische Thematisie-

rung des Politischen in seinen Werken. In Syrien beschäftigte er sich mit der

damaligen politischen Situation in den arabischen Ländern und sammelte

selbst politische Erfahrungen, die er später in seinen Texten verarbeitete.

1964 hat er als junger Politiker mit zwei anderen Kommunisten in Syrien die

Jugendzeitschrift aš-ŠarÁra (dt. Der Funke) gegründet. Zwei Jahre später hat

er die Wandzeitung al-MunÔalaq (dt. Der Start) 1966 ins Leben gerufen. Bei-

de Zeitungen waren nur für kurze Zeit auf dem Markt bis sie verboten wur-

den. Später veröffentlichte er Essays in arabischen Zeitschriften. In Syrien

erlebte er etwa 17 Militärputsche und bis 1970, als ÍÁfiÛ al-Asad die Macht

321 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 111.

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159

übernahm, 40 verschiedene Regierungen.322 1976 schrieb er unter dem Pseu-

donym „SamÐr ÓallГ Artikel über die Bürgerkriegssituation im Libanon und

opponierte gegen die Macht in seiner Heimat.323

In Bezug zum arabisch-israelischen Konflikt stimmt Schami der These von

Alexander Flores zu, die besagt, dass der arabisch-israelische Konflikt ein

politischer Interessenkonflikt sei, der ursächlich mit der Religion nichts zu

tun habe.324 In verschiedenen Romanen betont Schami das Zusammenleben

von Muslimen und Juden in den arabischen Ländern. Er beschreibt den Streit

zwischen den Angehörigen der beiden Religionen, als einen Streit, der zu den

alltäglichen Streitigkeiten gehört. In seinem Roman Die Sehnsucht der

Schwalbe beschreibt Schami die Freundschaft zwischen Mischa, einem deut-

schen Juden, und Lutfi, dem syrischen Protagonisten in Deutschland. Er ver-

sucht, die Figuren im Roman von den Ängsten voreinander zu befreien. Dazu

versucht er, die Stereotype und Klischeevorstellungen, wie die bösen Araber,

die Gegner u.a., zu korrigieren und neue menschliche Beziehungen zu bauen.

In seinem Roman Die dunkle Seite der Liebe zeigt Schami die Feindlichkeit

der beiden christlichen Glaubensgemeinschaften Syriens, der römisch-

katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche. Farid Muschtak und

Rana Schahin sind ineinander verliebt, gehören jedoch zu zwei verfeindeten

Familien. Schami zeigt, wie die Feindlichkeit zwischen den Familien in arabi-

schen Ländern allgemein der Liebe keinen Raum gibt. Die Religion und die

soziale Organisationsform der Familie bestimmt das Individuum in seinem

Entwicklungs- und Entscheidungsprozess und hemmt schließlich auch einen

Modernisierungsprozess der gesamten Gesellschaft. Die Geschichte lehnt

sich an das Romeo-Julia Prinzip an mit dem Unterschied, dass die Liebenden

nicht sterben. Am Ende fliehen sie nach Europa, um dort ihre Liebe leben zu

322 Vgl. ebd. S. 46f. 323 Vgl. ebd. S. 155. 324 Vgl. EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 130.

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160

können. Ein glückliches Ende gibt es allerdings nicht. Die beiden jungen

Menschen sind durch physische und psychische Gewalt für ihr ganzes Leben

geprägt.

In seinem Roman Der ehrliche Lügner beschreibt Schami das Leben der jü-

dischen Minderheit in den arabischen Ländern und geht auf die zwischen-

menschlichen Beziehungen zwischen Muslimen, Christen und Juden ein. Er

erläutert, dass die Juden in den arabischen Ländern niemals in Gettos isoliert

gelebt haben, sondern dass sie gemeinsam mit Muslimen und Christen zu-

sammenlebten. Die Sinnlosigkeit des Konfliktes wird auch von dem Protago-

nisten Sadik hervorgehoben. Er schwört, niemals eine Waffe in die Hand zu

nehmen, weil täglich junge Menschen auf beiden Seiten der Grenze zwischen

Israelin und Arabern sterben, heimlich, als wären sie Verbrecher.325

In seinen Romanen Eine Hand voller Sterne und Die dunkle Seite der Liebe

schildert er die politische Situation in Syrien. Der Liebesroman Die dunkle

Seite der Liebe zeigt ein Panorama der syrischen Gesellschaft von 1870 bis

1970, die in ihren Strukturen politisch und historisch dargestellt wird. Es ist

ein in sich verschlungener Text, in dem die Lebensgeschichte jeder tragenden

Figur in einem eigenen Bild erzählt wird, das mit den Bildern der anderen

Figuren verbunden ist. Farid Muschtak ist die männliche Hauptfigur, die Ra-

na Schahin liebt. Die beiden Figuren gehören zu zwei miteinander verfeinde-

ten Familien. Schami beschäftigt sich während der Arbeit an dem Roman

intensiv mit der Geschichte und der Tagespolitik der syrischen Gesellschaft.

Schami präsentiert dem Leser zum ersten Mal die Maske der Diktatur und

die sozialen Missstände in Syrien.

Mit seinem Buch Angst im eigenen Land (2001) verfasste er politische Bei-

träge und Erzählungen israelischer und palästinensischer Literaten und Intel-

lektuelle über den israelisch-arabischen Konflikt. In Tagebuchform formuliert

325 Vgl. SCHAMI: Der ehrliche Lügner. S. 364.

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161

er unter dem Titel Mit fremden Augen (2002) seine Stellungnahme zu den

Anschlägen am 11. September 2001. Dazu beschreibt er die Ursachen und

die Folgen des Terroranschlags in New York und in Washington. Er spricht

über seine Erfahrungen in der Fremde und seine Präsenz als politischer Akti-

vist und Autor mit dem Germanisten Erich Jooss in seinem in Interviewform

publizierten Buch Damals dort und heute hier (1998); zudem schrieb er

Pamphlete und zahlreiche Essays, in denen er alle arabischen Regierungen

kritisierte.

Schami ist seit den 70er Jahren bis heute politisch aktiv. Nach dem Yom-

KippurKrieg 1973 meldete er sich zum Israel-Palästina-Konflikt zu Wort und

setzte sich für die Beilegung dieses Konflikts ein. 2000 nach der zweiten

Intifada erhielt er erneut Gelegenheit, einen öffentlichen Dialog zwischen

israelischen und palästinensischen Intellektuellen zu organisieren und zu lei-

ten. In jenem Jahr war er literarischer Gast des Kollegium Helveticum der

ETH Zürich. Er diskutierte in seiner Vorlesung Exilgespräche das Thema

Dialog, wobei er auch das Gespräch miteinbezieht und argumentiert, dass das

Wort Gespräch eigentlich Gehörspräch heißen müsste. Er widmet auch dem

Thema Gespräch ein von ihm geleitetes Seminar. Dazu hatte er in einer Sit-

zung einen Dialog zum Thema der arabisch-israelischen Feindlichkeit entwi-

ckelt. Aus diesem Seminar hat Schami die Idee für ein Symposium entwi-

ckelt, das israelische und palästinensische Intellektuelle in Zürich zum Dialog

zusammenbringen sollte.326

In Deutschland begleitete Schami die Diskussionen um die Probleme der

Migranten. Er kritisierte wichtige Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Ras-

sismus, Anti-Arabismus und Anti-Islamismus, Integrations- und Identitäts-

probleme. In einem Gespräch mit Erich Jooss in Damals dort und heute hier

benennt er mögliche Lösungsansätze der Probleme von Migranten wie bspw.

die Errichtung eines unabhängigen Minderheitenrates. Die Hauptaufgabe

326 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 155.

Page 163: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

162

eines solchen Rates wäre die öffentliche Debatte problematischer Fragen das

Zusammenleben betreffend. Schami hat dieses Projekt als ein Ansatz zur Klä-

rung von Missverständnissen zwischen Deutschen und Ausländern vorge-

schlagen; dieses Projekt blieb unrealisiert. In demselben Gespräch erklärte

Schami die Funktion einer gepanzerten Haut, die der Migrant haben muss,

um in Deutschland zu leben. Dieses Thema beschrieb Schami in seiner

gleichnamigen Erzählung Gepanzerte Haut:

Die gepanzerte Haut hilft gar nicht. Sie ist trügerisch. Wer sich wegen der Hautfarbe, der Zugehörigkeit zur EU, der Religions-zugehörigkeit als etwas besonderes vorkommt, wird eines Ta-ges brutal aus seinem Schlaf geweckt. Fremdheit läßt sich nicht tarnen […] Nicht Panzerhaut, sondern starke Nerven verlangt die Fremde. Wenn einer wie ich so oft herumreist und öffentlich auftritt und in fünfundzwanzig Jahren dreimal verbal und kör-perlich angegriffen wird, ist das nicht tragisch.327

Wie bisher erwähnt, nahm Schami an politischen Auseinandersetzungen teil,

hat Vorträge auf Kongressen und Kulturveranstaltungen gehalten und zahl-

reiche Essays veröffentlicht über die politische Situation in Syrien und den

arabischen Ländern. Er versucht, gegen Konflikte, Rassismus, Feindlichkeit

zwischen Angehörigen verschiedener Religionen u.a. anzukämpfen. Seine

Bücher und Romane tragen offensichtlich deutlich zur Aufklärung bei. Als

politischer Autor und Essayist hat er eine bedeutende Präsenz und einen

wichtigen Beitrag geleistet.

Auf der anderen Seite hat Schami auch einen wichtigen Beitrag als Kinder

und Jugendautor geleistet. Für Kinder und Jugendliche schrieb Schami zahl-

reiche positiv aufgenommene Werke328, einerseits realistische Geschichten,

andererseits Märchen. Einige seiner Kinder- und Jugendgeschichten reflektie-

327 SCHAMI: Damals dort heute hier. S. 48. 328 Beispiele dafür sind Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm, Der Schnabelsteher, Albin und Lila, Der geheime Bericht über den Dichter Goethe, Das ist kein Papagei, Der Löwe Benilo, Der Schnabelsteher, Der Wunderkasten, Fatima und der Traumdieb u.a.

Page 164: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

163

ren Schamis eigene Kindheit in Syrien. Am deutlichsten ist dies im autobio-

graphisch geprägten Jugendroman Eine Hand voller Sterne zu erkennen.

Schami glaubt, dass das Lachen eine wichtige Rolle in Kindergeschichten

spielt. Wenn Kinder viel lachen, lernen sie schneller.329 Schami regt die Phan-

tasie der Kinder an, indem er absurde Geschichten erzählt, und dadurch die

Vorstellungskraft der Kinder weckt. Er versucht, Kinder von der Angst vor

den Problemen zu befreien, wie in seinem Bilderbuch Wie ich Papa die Angst

vor Fremden nahm. Hervorzuheben ist, dass Schami die Probleme der Mig-

ranten in Deutschland im Rahmen der Kindergeschichte thematisiert. Die

Geschichte „Bobo und Susu“ ist ein gutes Beispiel für die Behandlung der

Migrantenprobleme in Schamis Werke für Kinder. In der Geschichte „Bobo

und Susu“ erzählt er eine Liebesgeschichte zwischen einer Maus und einem

Elephanten. Der Elephant Bobo hat ein Integrationsproblem mit seiner Her-

de – er sieht keinen Sinn in Rang- und Machtkämpfen. Bobo und Susu tau-

schen ihre Körper, um zu verstehen, wie die anderen leben und denken. Sie

verstehen sich besser nach diesem Tausch und respektieren einander. Diese

Geschichte hat Rösch in ihrem Buch als Beispiel für Schamis Beitrag zur

Kinder- und Jugendliteratur und interkulturellen Literatur erwähnt. Insbe-

sondere lobt sie diese Geschichte, weil Schami darzustellen versucht, wie die

Missverständnisse zwischen Migranten und Deutschen entstehen und zu wel-

chen Folgen diese Probleme führen.330

Die Bilder in Schamis Kinderbüchern trugen zu einem großen Teil zum Er-

folg der Bücher bei. Denn Schamis Kinderbücher wurden von namhaften

Illustratoren bebildert. Der Wunderkasten (1989) wurde von Peter Knorr

illustriert; zu dem 1999 erschienenen Das ist kein Papagei! gestaltete Wolf

Erlbruch die Bilder; Ole Könnecke bebilderte das Kinderbuch Wie ich Papa

die Angst vor Fremden nahm (2003); Els Cools und Oliver Streich illustrier-

329 Vgl. SCHAMI: Damals dort heute hier. S. 82. 330 Vgl. RÖSCH: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. S. 190.

Page 165: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

164

ten Der Schnabelsteher, Fatima und der Traumdieb und Albin und Lila. Als

erstes Kinderbuch erschien 1983 Luki. Durch einen glücklichen Zufall, als ein

Lektor des Fischer-Verlages während einer Lesung in Göttingen die Ge-

schichte hörte, regte er an, sie als Buch zu drucken. Man kann viel Lob über

die Illustrationen in Schamis Büchern in den zahlreichen Zeitungsartikeln

finden – sie haben zweifellos zum Erfolg von Schamis Büchern beigetra-

gen.331 Die kleine pädagogische Geschichte Wie ich Papa die Angst vor

Fremden nahm handelt davon, wie ein kluges kleines Mädchen dem Vater

die Angst vor Fremden nimmt. Ole Könnecke wird wie der Verfasser der

Geschichte gelobt und seine Bilder positiv bewertet. Andreas Obst schreibt:

Könnecke ist der eigentliche Meister dieser Geschichte. Seine Bilder füllen die Phantasieräume zwischen den Worten - am schönsten in jener Passage, da der Vater der namenlosen Erzäh-lerin seine Ressentiments gegen Schwarze aufreiht und die Bil-der dazu die Stereotypen widerlegen.332

Nicht leicht war Schamis Weg zum erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchau-

tor. Schami traf auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung sei-

ner Werke. So erwähnt Schami, dass er das Manuskript des Romans Eine

Hand voller Sterne an zehn verschiedene Verlage verschickt hat, aber alle

lehnten es ab bis es schließlich von Beltz angenommen wurde. Die Verleger

wollten eine Fortsetzung der arabischen Märchenwelt, aber Schami lehnt es

ab, sein Text in Märchenform zu schreiben. Seine Mühen werden hingegen

durch die positive Rezeption und hohe Auflagezahl entschädigt. Der Roman

Eine Hand voller Sterne wird ein großer Erfolg und wird mit acht Literatur-

preisen ausgezeichnet. Dazu wird er auf die Auswahlliste des Deutschen Ju-

gendliteraturpreises gesetzt.333

331 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 94f. 332OBST, Andreas: Angst vorm schwarzen Mann. Mit leiser Ironie gegen Zerrbilder: Ra-fik Schami und Ole Könnecke. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.10.2003. 333 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 113.

Page 166: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

165

Die Schwierigkeit der Verleger mit der Zuordnung Schamis Werke erscheint

hier zusätzlich als ein wichtiges Kriterium. Obwohl Schami die meisten seiner

Werke als Kunstwerke beschrieb, wurden diese Werke als Kinderliteratur

zugeordnet. Manche seiner Bücher wurden zwei Kategorien zugeordnet:

einmal als Belletristik und ein anderes Mal als Kinder- und Jugendliteratur.

Neben Eine Hand voller Sterne wurden auch Der Erzähler der Nacht, Die

Reise zwischen Nacht und Morgen u.a. beiden Kategorien zugeordnet.

Die Zuordnung zur Kinder- und Jugendliteratur birgt die Gefahr, dass Scha-

mis Werke lediglich als Kinder- und Jugendliteratur betrachtet und bewertet

werden. Schami lehnt es ab, als Kinder- und Jugendbuchautor eingeordnet zu

werden oder dass seine Geschichten didaktisch interpretiert werden. Schami

versteht sich als Prosaautor und schreibt Geschichten, die sowohl für Kinder

und Jugendliche als auch für Erwachsene geeignet sind, weil die Trennung

zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur in der arabischen Literatur unüb-

lich ist. Schami sagt dazu:

Ich bin ein Prosaschriftsteller, ein Erzähler ohne Zusätze, also weder ein Märchenerzähler noch ein Kinderbuchautor. Ich hof-fe immer, dass mein allerschönstes Buch für Erwachsene gerade gut genug für Kinder ist. Ich kann solche Begriffe nicht teilen, weil es sie in meiner Kultur nicht gibt. Bei uns werden Ge-schichten im Kreis erzählt, und wenn Kinder da sind, wird Rücksicht genommen, indem man die Geschichte etwas span-nender macht.334

Die Untersuchung hat ergeben, dass Schami sich trotz der Schwierigkeiten

als Kinder-und Jugendautor etabliert hat. Seine Geschichten, Märchen und

Romane für kleine und jugendliche Leser sind bunt und poetisch erzählt. Von

Liebe, Lachen, Sehnsucht und List erzählt er auf seine ganz eigene Art und

Weise. Schami bietet seinem jungen und jugendlichen Publikum Geschichten

von Menschen und Tieren, von seiner Heimat und fernen Ländern und von

Deutschland.

334 BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 89.

Page 167: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

166

5.2.4 Die Entwicklung der Rezeption Rafik Schamis

Nach der Verleihung des Adalbert-von-Chamisso-Förderpreises an Schami

im Jahre 1985 wurde er zu einem der bekanntesten Erzähler in Deutschland.

Anfang der 80er Jahre wurde er als eigenständiger Autor rezipiert, weil er

entschied, sich von den Autoren der Südwindgruppe zu trennen. Der haupt-

sächliche Grund seiner Trennung war sein eigener Erzählstil, der sich von

dem der anderen Autoren der Gruppe wie Taufiq, Biondi und Naoum unter-

schied. Die vier Autoren haben gemeinsam einige Veranstaltungen als Grup-

pe von Herausgebern durchgeführt; aber die unterschiedlichen literarischen

Gattungen und Stile führten zur ihrer Trennung.

In den Jahren 1982 bis 1984 trat Schami ausschließlich als eigenständiger

Künstler allein auf. Außerdem trat er als Mitorganisator und Verantwortli-

cher zahlreicher Vorträgsreihen, Seminare, Arbeitsgruppen und Kongresse

auf. 1984 hat er sein erstes eigenes Buch unter dem Titel Das letzte Wort der

Wanderratte veröffentlicht. Mit dieser Veröffentlichung hat er seinen ersten

kleinen Soloerfolg als Buchautor geschafft. Der Malik Verlag hat für ihn die

erste eigene Lesereise organisiert; Schami stand frei auf der Bühne und er-

zählte seine Geschichten; im ersten Jahr hat er bereits 30 Lesungstermine von

Berlin bis Wien hinter sich gebracht.335 In derselben Zeit stiegen die Ver-

kaufszahlen seiner Bücher in Deutschland. Der Erfolg seiner Lesungen mach-

te Schami zu einer Berühmtheit. Dieser Erfolg trug ebenfalls zu dem welt-

weiten Erfolg seines Romans Erzähler der Nacht bei.336

Mit seinem Roman Sieben Doppelgänger (1999) endete Schamis Erzähl-

Phase. Er reduzierte die Anzahl seiner Erzählveranstaltungen, um Zeit für das

Schreiben seiner Geschichten zu haben. Damals betrachtete er sein mündli-

335 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 101. 336 Vgl. ebd. S. 103.

Page 168: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

167

ches Erzählen als „Motor seiner Kreativität als schreibender Autor“.337

Schami hat zwischen 1980 und 2005 über 1.500 Lesungen abgehalten. Die

meisten Lesungen fanden zwischen 1985 und 1992 statt. Manchmal hat er

drei Lesungen an einem Tag durchgeführt.338 Nach Meinung Bettina Wilds

sind harte Arbeit und intensive Vorbereitungen der Grund für Schamis Er-

folg. Weil er den Lesungen jedes Mal eine neue Darstellungsform gibt, ver-

dankt er seinen Erfolg hauptsächlich seiner Fantasie und seiner Ausstrahlung

als Erzähler, zusätzlich auch seiner Disziplin und seiner Geduld.339

In der Beschreibung des mündlichen Erzählens schreibt Khalil, dass Schami

der größte Erfolg unter den arabischen Autoren gelang; er wurde als mündli-

cher Erzähler und zwar zunächst als Märchenerzähler rezipiert und erzielte

etwa 120 Einladungen im Jahr. Diese hohe Veranstaltungszahl veranschau-

licht seinen Erfolg beim deutschen Publikum.340 Khalil erklärt die Gründe für

Schamis Erfolg folgendermaßen:

[Schami] ist durch mündliches Erzählen von Märchen, Fabeln und phantastischen Geschichten bekannt geworden. Schami er-zählt frei: nicht nur Märchenhaftes, sondern auch Satiren, rea-listische Erzählungen und ganze Episoden aus seinen Romanen. Seine Märchen sind nicht unbedingt orientalisch, sondern eine Verarbeitung westlicher und östlicher Motive aus Märchen, Sa-gen und Legenden in einem Märchen, das er „das andere Mär-chen“ nennt. Er improvisiert, schiebt spontan Kommentare, Witze, Anekdoten ein und experimentiert gern mit Wortspielen und Pointen, bevor er sie niederschreibt. Er geht auf das Publi-kum ein und versteht es, durch Fragen und Antworten die Zu-hörer in die Textgestaltung einzubeziehen und sie zum Mitwir-ken zu animieren. Schami legt Wert auf eine lebhafte Interakti-on zwischen Erzähler und Zuhörerkreis. Diese Interaktion wird auch im geschriebenen Text geschickt nachgestaltet.341

337 Vgl. ebd. S. 104f. 338 Vgl. ebd. S. 106. 339 Vgl. ebd. S.103. 340 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 152. 341 Ebd.

Page 169: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

168

Was die Rezeption von Schamis Märchensammlungen auszeichnet, ist die

Wahrnehmung Schamis als Kinder- und Jugendbuchschriftsteller. Weil diese

Werke zu den ersten veröffentlichten Texten Schamis gehören, ordnen Kriti-

ker, Verleger und Publikum Schami als Märchenerzähler für Kinder und Ju-

gendliche ein. Hinzu kommt, dass die Einordnung häufig verlegerischen As-

pekten folgt und Märchen in der Regel eher der Kinder- und Jugendliteratur

zugeordnet werden. Schami selbst rechtfertigt diese Einordnung, weil seine

Werke für Leser jeden Alters geeignet sind. Sein Publikum besteht aus Kin-

dern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Die deutsche Rezeption von Schamis Märchen in den 80er Jahren war Teil

der gesamten deutschen Rezeption arabischer Schriftstellern. In diesem Zeit-

raum nahm in Deutschland die Rezeption deutschsprachiger arabischer Lite-

ratur zu. In der Konsequenz stieg die Zahl der Lesungen, während derer die

arabischen Erzähler ihre Erzählungen vortrugen. Hier spielte die mündliche

Werbung eine wichtige Rolle; der Publikumskreis wurde allmählich größer.

Sein Publikum stieg von etwa 20 Menschen in den ersten Veranstaltungen in

den 80er Jahren auf ein weit größeres Publikum zum Zeitpunkt Schamis

größten Erfolges als öffentlicher Erzähler.

Nach Meinung Wilds gestaltet sich die Aufnahme Schamis durch das deut-

sche Publikum vielfältig: zum einen erwartet ein Teil seines Publikums einen

arabischen Abend mit arabischen Elementen wie Tanz, Weihrauch und Tur-

ban. Zum anderen erwartet ein Teil seines Publikums eine Kritik des auslän-

dischen Autors. Schami bietet seinem Publikum weder eine rein orientalisch-

exotische Tanzveranstaltung, noch eine harsche Gesellschaftskritik eines Au-

ßenseiters. Er verbindet das Erzählen seiner Märchen, durch das er das Pub-

likum in eine Fantasiewelt führt, mit seiner Kritik an der gegenwärtigen Ge-

sellschaft. Diesen beiden Elementen fügt er außerdem das, was die meisten

Zuschauer anzieht, hinzu. Durch diese Verbindung der Elemente eines orien-

talische-exotischen Orients, seinen eigenen Erfahrungen als Immigrant in der

Page 170: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

169

deutschen Gesellschaft konnte Schami ein großes Publikum an sich ziehen

und somit seinen Erfolg als Solokünstler begründen.342

Ausgehend von den eben erwähnten Entwicklungen kann gesagt werden,

dass Schami für lange Jahre lediglich als Märchenerzähler rezipiert wurde. Er

selbst war sich bewusst, dass die Befreiung von der Kategorie „Märchener-

zähler“ nicht leicht sei; daher hat er nach seinem Band Der fliegende Baum

(1991) keine neuen fantastischen Geschichten mehr veröffentlicht. Mit den

nächsten Romanen Der ehrliche Lügner (1992) und Reise zwischen Nacht

und Morgen (1995) gelang es Schami, Geschichten in der arabischen Welt

dem deutschen Publikum vorzustellen. So wird er als Romancier, der realisti-

sche Romane schreibt, rezipiert. Sein Publikum, das sich nach dem fantasti-

schen Orient sehnte, hat ebenfalls sein Schmachten nach den realistischen

Geschichten gewechselt.

Insbesondere mit Die dunkle Seite der Liebe (2004) hat Schami einen Wan-

del in seiner Rezeption durchlebt. Der Roman erzählt die dramatische Ge-

schichte der Liebe zwischen Farid Muschtak und Rana Schahin, die zu zwei

miteinander verfeindeten Clans gehören, und handelt davon, wie die Liebe

die Grenzen zwischen Konfessionen und Sippen sprengen und welche Schä-

den die Diktatur anrichten kann. All das erschüttert die Grundfesten des

Staates.343 Schami erzählt über ein Jahrhundert syrische Geschichte, nämlich

von 1870 bis 1970, in dem Politik und Religion das Volk stark kontrollieren.

Mit glücklichem Ende hat er das Alltagsleben in der Altstadt von Damaskus

dargestellt.

Die Pressestimmen, kritischen Artikel und Zeitungsberichte erklären den

überwältigenden Erfolg des Romans Die dunkle Seite der Liebe. Der Roman

wird im Feuilleton der großen überregionalen Tages- und Wochenzeitungen

342 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 102. 343 Vgl. KORFF, Christian: Die Rolle der Wüste. Interview mit Rafik Schami. In: Focus Nr. 41. 2004.

Page 171: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

170

als opus magnum gefeiert und eroberte bereits wenige Wochen nach dem

Erscheinen als erster Roman Schamis die Bestsellerlisten von Spiegel, Stern

und Fokus, wo sich der Roman 30 Wochen lang halten konnte. Die Aufla-

genzahlen erreichten im August 2005 etwa 120.000 Exemplare. Zusätzlich

wurde der Roman in die wichtigsten Weltsprachen übersetzt und als Hör-

werk von 21 CDs und 2 MP3 gemacht. Der Roman wurde ebenfalls mit der

begeisterten Aufnahme durch das Publikum gefeiert und wurde zum großen

Erfolg bei den Lesungen, in denen Schami sein Roman als Hörfilm präsen-

tiert.344

Die Darstellung der kritischen Urteile über den Roman lässt die literarische

Entwicklung und den Wandel von märchenhaften Geschichten hin zu realisti-

schen Romanen bei Schami erklären. Die Kritiker loben Schamis Wendung

zur realistischen Geschichte vor allem wegen des Erfolgs des Romans Die

dunkle Seite der Liebe. Wild findet, dass Schami eine neue Form des moder-

nen Romans geschaffen hätte, indem er verschiedene Entwicklungslinien zu-

sammenführt und einen orientalischen Teppich aus verschiedenen Gattungen

und Erzähltraditionen webt und mit diesem Roman sich endgültig vom Image

des orientalischen Märchenonkels und des Kinderbuchautors befreit.345 Rad-

datz lobt an Schamis Roman insbesondere die Kunstfertigkeit, mit der Scha-

mi seinen Roman geknüpft hat und die erzählerische Schreibart, die die Leser

eine Scheherazade in blitzender Farbigkeit miterleben lassen.346 Schmidt be-

schreibt den Roman als „Schelmenroman, Sittengeschichte, Familiensaga,

Thriller, Polittraktat, Heimatroman, Liebesgeschichte, Epochenepos und

Abenteuerroman in einem.“347

Aus der Untersuchung ergibt sich, dass die Kritiker und das Publikum Scha-

mis Wandel mitmachten. Er schaffte in seinen Romanen den Höhenpunkt

344 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 164. 345 Vgl. ebd. S. 165f. 346 Vgl. RADDATZ, Fritz J.: Der erzählende Teppich. In: Die Zeit Nr.42.7.10.2004. 347 Vgl. SCHMIDT, Bettina. Sächsische Zeitung 9.10.2004.

Page 172: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

171

seiner literarischen Entwicklung und bekam dafür eine adäquate Rezeption

und begeisterte Aufnahme. Schami selbst bezeichnete sich in einem Interview

als „der erfolgreichste syrische Autor weltweit“. Seine Bücher haben eine

Auflage von mehreren Millionen.348

5.2.5 Die Auszeichnungen und die literarischen Preise

Schami ist seit seiner ersten Veröffentlichung beim deutschen Publikum be-

liebt. Hierzu trugen vor allem seine märchenhaften Erzählungen bei. Bis 1987

hat er in rascher Folge zahlreiche Sammelbände, Märchen, fantastische Ge-

schichten und Erzählungen veröffentlicht. Diese zahlreichen Publikationen

bahnten ihm den Weg zur internationalen Bekanntheit. Die Literaturpreise

spielen ebenso eine große Rolle bei der Rezeption seiner Literatur; sie haben

das akademische Interesse innerhalb des deutschen Literaturbetriebs auf ihn

gelenkt und seinen Leserkreis größer werden lassen.

1985 begann Schami, seinen Erfolg als deutschsprachiger Schriftsteller zu

spüren. Von diesem Zeitpunkt an erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und

Literaturpreise. Parallel dazu stieg die Verkaufszahl seiner Bücher. Bei-

spielsweise wurde 2005 bei dtv der Verkauf des millionsten Exemplars von

Schamis Taschenbüchern registriert, was seine große Beliebtheit beim deut-

schen Publikum aufzeigt. Als Kinder- und Jugendautor hat er ebenfalls meh-

rere Preise gewonnen. Diese Preise erhielt er sowohl für einen bestimmten

Roman als auch für sein Gesamtwerk. In Deutschland, Österreich, der

Schweiz, den Niederlanden und in den USA hat er ebenfalls Literaturpreise

gewonnen. Aufgrund dieser Preise und der Übersetzung seiner Werke in an-

dere Sprachen ist er auch einem internationalen Publikum zugänglich ge-

348 Vgl. LUIK, Arno: Emigranten sterben jung - oder werden weltberühmt. Interview mit Rafik Schami. In: Der Spiegel 26.09.2004.

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172

macht worden.349 Wichtig zu erwähnen ist, dass der Jugendroman Eine Hand

voller Sterne Schamis internationaler Erfolg war. Zudem sind Erzähler der

Nacht, Der ehrliche Lügner und Eine Hand voller Sterne seine erfolgreichs-

ten Romane. Für diese Romane hat er mehrere literarische Preise erhalten.

Insbesondere hat ihm der Roman Die dunkle Seite der Liebe den Ruf als

Bestsellerautor eingebracht. Dieser Roman ist ein Meilenstein in seiner litera-

rischen Laufbahn; in ihm hat er auf neunhundert Seiten die Geschichte Syri-

ens erzählt. Nach der Veröffentlichung dieses Romans wurde er zu einem

erfolgreichen deutschsprachigen Schriftsteller.

5.2.6 Schami und die deutschen Kritiker

Die Untersuchung kritischer Aussagen und Urteile über Schamis Werk zeigt,

dass parallel zum Lob einiger Kritiker sich scharfe kritische Stimmen finden.

Für die Polarisierung der Kritiken gibt es eine Erklärung: Manche Kritiker

betrachten Schami als deutschen Schriftsteller; sie legen Maßstäben an seine

Werke, die für deutschstämmige Autoren üblich sind. Andere wiederum be-

trachten ihn als deutschsprachigen Autor arabischer Herkunft und sein Werk

als „syrische Literatur in deutscher Sprache“.350 Hierbei werden arabische

und deutsche Einflüsse in Schamis Werk berücksichtigt. Im Folgenden wer-

den die beiden unterschiedlichen Standpunkte dargestellt und der Unter-

349 Die erste Auszeichnung war im Jahr 1985 von Adelbert-von-Chamisso-Preis als Förderpreis für sein Gesamtwerk. Im Jahr 1986 erhielt er Thaddäus-Troll-Preis (BRD) für seinen Roman Der Fliegenmelker, 1987 erhielt er fünf literarischen Preisen: Die blaue Brillenschlange (Schweiz), La vache qui lit, der Preis der Leseratten (ZDF), und schließlich Züricher- Kinder- und Jugendbuchpreis (Schweiz). Der vierte Preis ist für seinen Roman Eine Hand voll Sterne. Für das Gesamtwerk hat er auch im selben Jahr Ehrenliste des Staatspreises (Österreich) Preis erhielt. Für seinen Roman Erzähler der Nacht erhielt er zwei literarische Preise. Für Eine Hand voller Sterne erhielt er 1991 Mildred L. Batchelder Award Preis. 1993erhielt er den Förderpreis des Adelbert–von-Chamisso-Preis. Für seinen Roman Der ehrliche Lügner erhielt er 1994 Hermann-Hesse-Preis. 1999 erhielt er den Preis „Buch des Monats Februar“ für seinen Roman Der geheime Bericht über den Dichter Goethe. Schließlich erhielt er 2007 den Nelly- Sachs- Preis. 350 DANKERT, Birgit: Tagebuch aus Damaskus. In: Die Zeit. 10.4.1987. S. 27.

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173

schied zwischen den kritischen Urteilen erklärt. Erstens werden die positiven,

dann die negativen Meinungen über Schamis Werke diskutiert.

Schamis Werke, die von deutschen Lesern positiv aufgenommen werden,

haben seine Popularität in Deutschland begründet. Es gelang ihm, auf sich

und auf seine Werke aufmerksam zu machen und erfolgreich zu sein.351 Unter

den Kritikern, die Schamis Geschichten und Erzählungen positiv aufgenom-

men haben, ist beispielsweise die Dichterin Renate Schmadalla, die 1990

schrieb, dass sie Schamis orientalischen Märchen und Geschichten stunden-

lang zuhören könne.352 Der Germanist Dr. Lutz Tantow bezeichnet Schami

als den „erfolgreichste[n] deutsche[n] Schriftsteller nicht deutscher Mutter-

sprache“353:

Vielen gilt er als Instanz, als einer, der über das schwierige Mit-einander von Westen und Islam zu berichten weiß. Doch Rafik Schami ist nicht nur ein erfolgreicher Schriftsteller, er ist auch ein faszinierender mündlicher Erzähler.354

Einige Kritiker sehen in Schamis Erzählungen nicht nur eine traditionelle

orientalische Geschichte, sondern vielmehr eine Zusammenfügung der alltäg-

lichen politischen Realität in der arabischen Welt mit einem romantischen

orientalischen Erzählstil. Diese geschickte Kombination von politischen In-

halten mit phantasievollem literarischem Erzählstil ist eine Besonderheit in

Schamis Werk, die einige Kritiker hervorheben.355 Ebenfalls in Studien loben

Literaturwissenschaftler Schamis Texte und heben hervor, dass seine Stärke

zweifellos in seiner politischen Einstellung liegt.

351 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 156. 352 Vgl. ebd. 353 TANTOW, Lutz: Nur über das Ohr wird die Zunge klug. Rafik Schamis Geschichten von tausendundeinem Nachbarn. In: Sächsische Zeitung 22/23.05.1993. S. 144. 354 SCHAMI, Rafik: Ein Mann zwischen zwei Welten. In: Radio Bremen 23.06.2006. (Interview). 355 Vgl. ULRICH, Anna Katharina: Jeden Tag will ich schreiben! Rafik Schamis Tagebuchroman „Eine Hand voller Sterne“. In: Neue Zürcher Zeitung 01.11.1987. S. 39.

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174

Der Journalist Patrik Landolt stellt in einem Gespräch mit Schami die These

auf, dass besonders die Schilderung kleiner Alltagsmomente, die eine von

Schamis Stärken ist, Klischees und Exotismen in der Manier des Orientalis-

mus’ verwendet. In seiner Antwort erläutert Schami seine Absichten in sei-

nen Schilderungen alltäglicher Realität der arabischen Welt:

Wer meine Geschichten liest, soll die Farben des Morgenlandes sehen, die Düfte riechen, die Klänge hören. Wenn ich aber er-fahre, daß Leser meiner Bücher in das Land fahren, das mich ausgestoßen hat, nur um die von mir geschilderte Welt kennen-zulernen, werde ich mißtrauisch und denke, daß meine Sehn-sucht diese Welt verklären könnte. Ich bin mir bewußt, daß ich mich beim Schreiben auf einer Gratwanderung befinde. Ich ste-he jeden Tag vor der Frage, wie lassen sich die Schattenseiten beschreiben, ohne die Geschichte zu ersticken, und wie kann ich Schönheiten preisen, ohne kitschig zu werden.356

Wer die Bedeutung arabischer Erzählkunst in Schamis Werken hervorhebt,

lobt seine Texte. Die meisten Kritiker vertreten diese Meinung, aber ihre

Urteile weichen voneinander ab, wenn sie die Werte des Werkes einschätzen

bzw. beurteilen. Ebenfalls wurde Schamis erzählerische Sprache von den

Wissenschaftlern und Kritikern mit viel Lob bezeichnet. Der Wissenschaftler

Amir Bavar ist der Meinung, dass seine realistischen und unrealistischen Ge-

schichten „eine sozial-kritische Sprache [besitzen], die Respekt und Tole-

ranz, aber auch Aktivismus und eine starke Überzeugung vermittelt.“357

Für seine Werke, in denen Schami die Verhältnisse zwischen Angehörigen

der Minderheiten und der Mehrheit darstellt, bekam Schami viel Lob von

Wissenschaftlern und Kritikern. Viele Kritiker verwiesen darauf, dass in

Schamis Werken die Integration als eine Alternative zur Assimilierung darge-

stellt wird. Die Germanistin Iman Khalil lobt Schamis Begabung und betont

die Koexistenz von Minderheiten mit der Mehrheitsgesellschaft in Schamis

Werken:

356 LANDOLT: Die Bestie Exil. S. 27. 357 BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 118.

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175

The implicit theme in Schami´s tales is, in sum, that people should develop an understanding for each other and a unity among themselves, notwithstanding ethnic, social, religious, cultural, and gender differences.358

Auf der einen Seite erhielt Schami deutlich positive Kritik zu seinen Werken,

auf der anderen Seite erhielt er jedoch scharfe Kritik seit seiner ersten Er-

scheinung auf der Bühne als Erzähler. Das Lob der Kritiker bezog sich vor

allem auf Schamis arabische Erzählkunst, andere Kritiker wiederum missbil-

ligten seine Erzählungen und bezeichneten sie als unreife Kunstwerke. Insbe-

sondere gab es viele Auseinandersetzungen über Schami mit Kritikern nach

Schamis literarischem Durchbruch im Jahre 1989 mit Erzähler der Nacht.

Diese Auseinandersetzung dauerten bis zum Erscheinen seines erfolgreichs-

ten Romans Die dunkle Seite der Liebe an.

Von einigen Kritikern wurde Schami als „Bediener deutscher Klischees vom

Orient“ bezeichnet. Außerdem sehen sie in Schami einen Autor, der sein

Heimatland und die dort lebenden Araber diffamiere. Schami erwidert, dass

diese Kritiker, die solche Meinungen vertreten, entweder mit den Kultusmini-

sterien und offiziellen Zeitungsredaktionen in den arabischen Ländern arbei-

ten, oder sie zu einem Kritikerkreis gehören, der lediglich die arabische Lite-

ratur aus eurozentristischer und neokolonialer Sicht betrachte. Dabei begüns-

tigten sie solche Literatur, die die europäische Literatur nachahme.359

Schamis Beitrag zur deutschsprachigen Literatur wurde ebenfalls von einigen

Kritikern wenig beachtet. Einige Kritiker betrachten seine Texte als erzähle-

rische Trivialliteratur. Siggi Seuss, freischaffender Journalist und Übersetzer,

meint, dass der Leser, der Schamis Werke liest, „sich nicht in einem geschlif-

fenen Werk belletristischer Prosa befindet, sondern in einem arabischen

358 KHALIL, Iman: Rafik Schami´s Fantasy and Fairy Tales. The International Fiction. Review Volume 17. Nr. 2. 1990. S. 121-123. Besonders S. 121. 359 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 112.

Page 177: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

176

Caféhaus zwischen zwei Buchdeckeln“.360 Ein weiteres Beispiel für die gerin-

ge Bewertung Schamis Literatur ist Prof. Dr. Martin Lüdkes Kritik. Er dis-

kutierte mit Schami über gute und schlechte Literatur und benutzte den Er-

kenntniswert und Modernität als Maßstab für seine Kritik. Nach Lüdke ha-

ben Schamis Erzählungen keinen modernistischen Inhalt. Seine Märchen

spielen in vorindustriellen Welten. Sie seien abgestanden wie „der Mief aus

unseren Wohnküchen in den 50er Jahren“.361

Weitere scharfe Kritik tauchte auch in einem Artikel von dem Dichter,

Schriftsteller, Übersetzer und Redakteur Hans Magnus Enzensberger in der

Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. Dezember 1991 auf. Darin führt

Enzensberger an, dass er eine sehr klare Medienkritik formulierte und die

Entwicklungen in der arabischen Welt in seinem Buch Schreckens Männer

sehr kritisch betrachtet, und mit diesem Hintergrund den ausländischen

Schriftstellern unterstellen könne, dass sie nach Adelbert von Chamisso keine

wertvolle Literatur mehr geschrieben haben bzw. dass es nach ihm keinen

nennenswerten ausländischen Schriftsteller mehr in der deutschen Literatur

gegeben hat. Laut Enzensberger hat die deutsche Kultur nach Chamisso kei-

ne Bereicherung vonseiten der Migrantenliteratur erfahren. Diese Kritik be-

traf alle ausländischen Schriftsteller. Schami verteidigte sich gegen dieses

Urteil und betonte, dass ausländische Schriftstellerinnen und Schriftsteller

sich bemühen, die deutsche Sprache zu lieben und durch sie Literatur zu

schöpfen. Diese Bemühungen sind eine wertvolle Bereicherung für die deut-

sche Sprache. Schami hält diese Kritik für einen Angriff auf die Kultur, zu

der alle ausländischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller gehören.362

360 SEUSS, Siggi: Alle guten Geister der vereinigten Morgenländer..In: Sächsische Zei-tung. 08.01.1995. S. XII. 361 Vgl. BURKHARD, Angelika: Voll vom „Mief der Wohnküche?“. Rafik Schami und Martin Lüdke diskutieren über gute und schlechte Literatur. In: Frankfurter Rundschau 10.11.1990. S. 18. 362 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 46f.

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177

Einige Kritiker befürworten den Nutzen von Exotik und Klischees. Die Wis-

senschaftler und Kritiker analysieren diesen Nutzen als Vorteil in Schamis

Werken. Beispielsweise diskutiert die Wissenschaftlerin Heide Rösch den

Nutzen der Exotik, der ethnischen Darstellung und Klischees bei Schami und

zeigt, wie Schami „Außenseitertum, Migration und interkulturelle Kommu-

nikation als Chance zum Aufbruch und zur individuellen und gesellschaftli-

chen Weiterentwicklung thematisiert“.363 Laut Rösch funktionalisiert Schami

in seinen Märchen und Erzählungen das Vorwissen seiner deutschen Leser,

um neue, unterschiedliche Vorstellungen über den Orient, die arabischen

Märchen und das Märchenhafte zu schaffen. Ebenso verfährt er in seinen

realistischen Romanen: Auch hier nutzt er das Vorwissen seiner Leser, um

neue Vorstellungen über das reale Leben, die Araber und die Wirklichkeit der

arabischen Welt aufzubauen. Der Leser steht somit vor der Aufgabe, die Ste-

reotype und Klischees über Schamis Herkunftsland zu korrigieren.

Schami reproduziert Klischees nicht, sondern nutzt sie für seine Zwecke und im Kontext interkulturellen Lernens. Ich möchte sogar soweit gehen, dass er neue Klischees bildet, solche von den pfiffigen ImmigrantInnen, die Migration als Aufbruch be-greifen und ihren Mitmenschen kurz, präzis und knapp eine interkulturelle Utopie vorspielen.364

Schami sichert sich die Aufmerksamkeit seines Publikums, indem er auf Be-

kanntes verweist. Ein weiteres Kritikbeispiel ist Uta Aifan. Aifan betont, dass

Schamis Popularität zweifellos an seiner Inszenierung eines Exotismus liegt,

der Stereotype des Arabischen, wie z.B. Fabulieren oder Langsamkeit (laut

Schami ist Langsamkeit ein Kennzeichen des orientalischen Stils), aufgreift

und rezeptionslenkend für die Verbesserung des Kenntnisstandes seiner Le-

ser nutzt.365

363 Vgl. RÖSCH: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. S. 187f. 364 Ebd. S. 190. 365 Vgl. AIFAN, Uta: Über den Umgang mit Exotismus im Werk deutsch-arabischer Auto-ren der Gegenwart. In: SCHENK, Klaus (Hrsg.): Migrationsliteratur. Schreibweisen einer Interkulturellen Moderne. Tübingen: Francke Verlag. 2004. S. 205-220. Besonders S. 218.

Page 179: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

178

Was seine realistischen Romane betrifft, legt Schami starken Wert auf die

Überzeugungskraft seiner fiktiven Geschichten durch sorgfältig recherchierte

Wirklichkeitsnähe. Das literarische Verfahren der inszenierten Realität findet

sich in seinen späteren Romanen. Insbesondere verändert sich Schamis arabi-

sches Fabulieren nach seinem Roman Der ehrliche Lügner hin zu einer eher

europäischen Literaturtradition- die klassische Romanform mit auktorialem

Erzähler tritt an die Stelle der Rahmenhandlung mit Binnenerzählungen: Man

kann Schami als Kulturvermittler in seinen realistischen Romanen kritisiert.

In diesen Romanen wurden Syrien und Deutschland unterschiedlich darge-

stellt. Damaskus als Romanschauplatz taucht in den meisten Geschichten und

Romanen von Schami auf. Vor allem in seinen gut rezipierten Romanen Die

dunkle Seite der Liebe, Eine Hand voller Sterne und Das Geheimnis des

Kalligraphen. Er führt die Leser immer wieder in die Damaszener Stadtvier-

tel seiner Jugend, wo er in der Ýabbara-Gasse 25 Jahre lang lebte. Schami,

der 1971 auswanderte, beschränkt seine Geschichten auf die Zeit von den

50er bis 70er Jahren, in der Zeit, in der er sein Leben in Syrien verbrachte.

Den Stoff für seine Romane liefern ihm zurückgelassene Freunde, Verwand-

ten und Bekannten, deren Erlebnisse er literarisch in seine Romane verarbei-

tet. Schami entfernt sich also nicht von Zeit und Raum seiner Jugend in Syri-

en, sondern verwendet immer die gleichen Elemente wie Stadtviertel, Gas-

sen, arabische Protagonisten und Atmosphäre, Märkte u.a.

Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen seit den 70er

Jahren in Syrien tauchen jedoch nicht in seinen Romanen auf. Dies suggeriert

seinen Lesern, dass Syrien keinen Aufschwung oder keine Entwicklungen

seit den 70er Jahren erlebt habe. Mit anderer Perspektive nutzt Schami

Deutschland als Schauplatz seiner Geschichten. Man bemerkt, dass Deutsch-

land kaum in seinen Romanen dargestellt wird, und auch nur den Rahmen der

Migrationsthematik bildet. Insbesondere beschäftigt er sich mit der Darstel-

lung der multikulturellen Gesellschaft in Deutschland. Heimat, Identität und

Page 180: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

179

Integration sind die diskutierten Themen in seiner Darstellung Deutschlands.

Syrien bezeichnet zwar ein wichtiges, aber beschränktes räumliches Element

in seinen Geschichten, um die religiöse, ethnische und nationale Vielfalt der

syrischen Gesellschaft wie im Roman Erzähler der Nacht zu zeigen. Im Ge-

genteil scheint Deutschland als konkretes räumliches Element, um die

Migrantenprobleme oder die der multikulturellen Gesellschaft zu zeigen.

Schlussfolgernd ist festzustellen, dass Schamis Literatur mit zwei unter-

schiedlichen kritischen Perspektiven gesehen wurde. Die Kritiker, die Scha-

mis Literatur scharf kritisieren, haben ihre Aussagen oder Meinungen ohne

ausführliche Argumentationen dargestellt. In der Zeit, in der Schami betont,

dass das Märchen, eine Literaturgattung aus seinem arabischen Kulturkreis,

ein Stück seiner Identität ist,366 kritisieren die Kritiker die märchenhaften

Inhalte und Formen in Schamis Geschichten und betrachten diese Geschich-

ten als Kunstwerke aus der Zeit der Vormoderne. Andererseits haben die

Verleger Schami empfohlen, weiter märchenhafte Geschichten zu schreiben.

Die Verleger und das Lesepublikum haben seine Märchen mit viel Lob emp-

fangen. Aber im Allgemeinen hat Schami nach der Veröffentlichung seines

Romans Die dunkle Seite der Liebe keine scharfe Kritik mehr erhalten, son-

dern viel Lob sowohl von Kritikern, als auch von Verlegern und Lesern.

5.2.7 Die Übertragung Schamis Werke ins Arabische bzw. die Rezep-

tion im arabischen Sprachraum

Schamis Werke wurden bisher in 24 Sprachen übersetzt: Deutsch, Englisch,

Französisch, Griechisch, Hebräisch, Italienisch, Japanisch, Chinesisch, Spa-

nisch, Türkisch u.a., jedoch nicht ins Arabische. In Folgendem wird Schamis

Rezeption im arabischen Sprachraum dargestellt. Die Übersetzung Schamis

366 Vgl. KHALIL, Iman: Zum Konzept der Multikulturalität im Werk Rafik Schamis. In: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur. 86. Jg. 1994. S. 201-217. Beson-ders S. 203.

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180

in andere Sprachen war bisher nur selten Gegenstand der Forschung. Als ein

Zeichen für seinen Erfolg wird lediglich flüchtig erwähnt, dass seine Werke in

etwa 24 Sprachen übersetzt wurden. In einem Gespräch mit Khalid Al-Maaly

hat Schami berichtet, dass seine Werke seit den 80er Jahren in verschiedene

Sprachen übersetzt wurden. Die Anzahl der Übersetzungen nahm nach dem

Erscheinen seines Romans Eine Hand voller Sterne zu; in einem Zeitraum

von zwei Jahren wurde dieser Roman in mehr als zwanzig Sprachen über-

setzt.367

Ins Arabische wurden seine Werke bisher nicht übersetzt. So ist Schami bis

heute dem arabischen Publikum in den arabischen Ländern kaum bekannt.

Sein erster ins Arabische übersetzter Roman Das geheime Bericht über den

Dichter Goethe wurde 2005 von Nuha Forst übertragen. Im Jahre 2008 folgt

die Übersetzung seines Romans Eine Hand voller Sterne. Der syrische Über-

setzer Kameran Hug (geb. 1968) hat die Übersetzung ins Arabische angefer-

tigt. Man kann sagen, dass die Übertragung Schamis Werke ins Arabische

sehr langsam verläuft im Vergleich zu den anderen Übertragungen in zahlrei-

chen Sprachen.

Die Untersuchung arabischer Rezeption Schamis Werke ins Arabisch hat

ergeben, dass Schami unter den Missverständnissen seiner literarischen Wer-

ke und politischen Meinungen von den arabischen Verlegern, Kritiker und

Journalisten leidet. Andererseits vermischen sie seine Literatur mit seinen

politischen Artikeln. Diese Missverständnisse erschweren die Übersetzung

Schamis Werke ins Arabische und ermutigen nicht die arabischen Verleger,

seine Werke ins Arabische zu veröffentlichen. In der folgenden Diskussion

werden diese Missverständnisse und Schamis Verteidigung verdeutlicht.

367 Vgl. AL-MAALY, Khalid: Interview mit Rafik Schami. In: an-nahÁr Zeitung 13.11.2007.

Page 182: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

181

Was die arabische Rezeption Schamis kennzeichnet, ist das Missfallen und

die gleichzeitige Begeisterung von arabischen Kritikern und Journalisten.

Trotz der deutlichen arabischen Züge in Schamis Geschichten, wurde er

scharf von einigen arabischen Journalisten kritisiert. Dagegen loben einige

Journalisten seine Werke. Die Kritiker stützen sich auf die geringe Anzahl

auf Arabisch erschienener Essays, in denen Schami seine politische Meinung

dargestellt und Kritik geübt hat an den Machthabern in den arabischen Län-

dern. Auf der Grundlage dieses Materials haben einige arabische Kritiker sich

ihre Vorstellung über die gesamte Literatur Schamis gebildet. 2004 erschie-

nen anlässlich der Buchmesse in Frankfurt mehrere Streitartikel zu Schami in

arabischen Zeitungen.

Der ägyptische Autor, Journalist und Chefredakteur der literarischen Wo-

chenschrift AÌbÁr al-Adab (dt. Literaturnachrichten) ÉamÁl al-ÇÐtanÐ (geb.

1945) stellte in einem seiner Artikel die beiden Autoren Schami und

Karasholi vergleichend gegenüber und lobte darin Karasholi, weil er ein posi-

tives Bild seiner Heimat in seinen lyrischen Werken, in Interviews, Aussagen

und Vorträgen malt. Insbesondere lobte der Journalist die patriotische Identi-

tät bei Karasholi, die er lyrisch formuliert. al-ÇÐtanÐ erwähnte auch, dass

Karasholi seine Heimatstadt Damaskus jährlich besucht, während Schami

nach seiner Auswanderung niemals seine Heimat besuche. Schami, der auf

Deutsch schreibt, distanziere sich von seiner Heimat nicht nur literarisch,

sondern in seinem eigenen Leben. al-ÇÐtanÐ plädiert in seiner Kritik für die

Loyalität zur Heimat und zur Sprache. Dazu kritisiert er das negative Ara-

berbild bei Schami. Er glaubt, dass Schami negative und schlechte Araberbil-

der in seinen Werken darstellt. Eine indirekte Antwort auf die Vorwürfe gab

Schami in einem Interview; darin sagte er, dass er etwa 4.500 Seiten veröf-

fentlicht habe, ohne in auch nur einer einzigen Zeile die arabischen Menschen

oder die arabische Kultur zu beschimpfen oder zu beleidigen. Schami

schlussfolgerte, dass die arabischen Kritiker zwischen seiner Kritik an den

arabischen Machthabern und seinen gesamten Werken nicht unterschieden.

Page 183: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

182

In seinen Romanen formuliert Schami politische Kritik an den Machthabern

in der arabischen Welt. Er wendet seine Kritik nur an die arabischen Politiker

und Machthaber, im Gegenteil beschreibt er wahre und positive Bilder über

die Araber. Er beschreibt die Mächtigen in der arabischen Welt als Diktatu-

ren, dazu wurde von ihm die BaÝ×-Partei und die syrische Regierung stark

kritisiert und verspottet, sowohl in seinen Geschichten als auch in seinen In-

terviews. Obwohl er nicht zur Opposition in Syrien gehört, ist aber seine

politische Kritik deutlich zu dieser Gruppe zuzuordnen, wie in seinen Roma-

nen Eine Hand voller Sterne, Der ehrliche Lügner und Die dunkle Seite der

Liebe. Zusätzlich wurden in den meisten Werken Schamis der arabische Na-

tionalismus und die sozialistisch-doktrinäre BaÝ×-Partei angeprangert; in sei-

nem Roman Erzähler der Nacht führt der Minister ein Gespräch mit dem

Friseur Musa und äußert sich kritisch über die Verführung durch Stimme und

Sprache politischer Reden, die keinen Inhalt haben, und verweist auf die Re-

den des ehemaligen ägyptischen Präsidenten ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒÐr. In den

Augen des Erzählers sind die Worte des Herrschers betrügerisch, aber die

einfachen Leute glaubten ihm:

‚Die Präsidenten reden immer länger, und die Leute werden immer schweigsamer,´ sagte Faris angewidert […]´, Nasser hat aber einen verdammt guten Kehlkopf. Wenn ich ihn höre, be-komme ich Gänsehaut und Tränen´, schwärmte Musa trotzig. ‚Ja, das stimmt´, erwiderte Faris, ‚und das ist das Problem.’368

In seinem Roman Der ehrliche Lügner erfindet Schami Namen für arabische

Städte wie „Morgana“ und „Tania“. Er wollte die politische und die soziale

Atmosphäre in der arabischen Region beschreiben. Der Diktator in dem Ro-

man heißt „Hadahek“, was im syrischen Dialekt „so ist es“ bedeutet. Viel-

leicht haben die Benennungen keine große Bedeutung, aber die gesamte Kri-

tik an den politischen Missständen erschwert die Übersetzung ins Arabische.

In diesem Roman wurden auch die politischen Lügen der Regierung des Dik-

tators und der staatlichen Presse negativ bewertet und scharf, aber listenreich

368 SCHAMI, Rafik: Erzähler der Nacht. Weinheim: Beltz Verlag. 1989. S. 32f.

Page 184: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

183

kritisiert. Auch spottet Schami über die Erklärung der Wahlergebnisse durch

die Regierung. Die Menschenrechte in der arabischen Welt in Bezug auf das

Wahlrecht wurden ebenso thematisiert.

Literarisch thematisiert er außerdem die Zensur in seinem Roman Eine Hand

voller Sterne; darin gründet ein Junge eine Untergrundzeitung, die gegen die

politischen und gesellschaftlichen Missstände in Syrien anschreibt. Der Ich-

Erzähler gibt am Ende des Romans nicht nach und beschließt mit seinem

Freund Mahmud trotz der Verhaftung Habibs, des „Urhebers der Unter-

grundzeitung“ den Widerstand fortzusetzen. Der Roman endet mit den Wor-

ten: „Habib braucht die Zeitung. Wir werden den Militärs zeigen, wie viele

Habibs dieser gefangene Journalist zur Welt gebracht hat.“369 Im Roman

Die dunkle Seite der Liebe ist die Zensur das schrecklichste Instrument der

Diktatur. Wer das Regime kritisch beurteilt oder auch nur die Wahrheit aus-

spricht, wird verfolgt, gefoltert und getötet. Aufgrund der Zensierung der

Medien kann, nach Schamis Meinung, keine ernsthafte Literatur in den arabi-

schen Ländern entstehen.370 Der Roman zeigt, wie die arabische Gesellschaft

durch Kolonialmacht und Diktatur negativ beeinflusst wurde. Vor allem aber

wird aufgezeigt, wie sehr die Sippenstruktur das Verhalten und Handeln der

Menschen in den arabischen Ländern bestimmt. Diktatur, in welcher Form

auch immer, und die Sippenstruktur werden im Roman als wichtigste Fakto-

ren genannt, die die arabische Gesellschaft blockieren.

Wie gezeigt wurde, spielt Schamis Kritik an den politischen und gesellschaft-

lichen Seiten der arabischen Gesellschaft eine große Rolle in den Überset-

zungsschwierigkeiten seiner Werke durch arabische Verlage. Außerdem blei-

ben seine zwei ins Arabische übersetzten Romane ohne Resonanz im arabi-

schen Raum. So wartet Schami auf die zukünftige arabische Rezeption und

beschreibt seine Hoffnungen in dem folgenden Zitat:

369 SCHAMI, Rafik: Eine Hand voller Sterne. Weinheim: Beltz Verlag. 1987. S. 198. 370 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 159f.

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184

Im nächsten Jahr sollen meine Werke beim Verlag Al-Kamel in Köln erscheinen. Dass es sich dabei um einen Exilverlag han-delt, zeigt wieder das Verhältnis der syrischen Machthaber zu meiner Person. In China hat man meine Bücher zugelassen, nicht aber in Syrien. Die arabischen Ausgaben werden in Köln produziert und gelangen dann auf leisen geduldigen Sohlen von Kamelen auch nach Syrien. Es freut mich, durch die Hintertüre in mein Land zurückkehren, ohne dass meine Freunde dort mich auf Französisch oder Englisch lesen müssen. Sie werden meine Stimme hören, ohne dass ich körperlich dort sein muss. 371

Die Untersuchung hat ergeben, dass die arabische Rezeption Schamis Werke

nicht ohne Probleme, Schwierigkeiten oder Missverständnisse gekennzeich-

net ist. Schließlich kann man sagen, dass Schami angeboten wurde, einige

seiner Werke ins Arabische zu übersetzen. Dieser Vorschlag von staatlicher

Seite hätte jedoch zur Folge gehabt, dass Textstellen zensiert worden wären,

was Schami ablehnte. Obwohl es für Schami eine Enttäuschung darstellt; in

den arabischen Ländern nicht gelesen zu werden, ist es für ihn ein großer

Erfolg auf den „schwarzen Listen“ der arabischen Länder zu stehen.372

5.3 Die syrisch- deutschsprachige Lyrik - Adel Karasholi als Beispiel

5.3.1 Biographisches

Adel Karasholi ist ein deutscher arabischstämmiger Lyriker, Essayist und

Übersetzer. Seine Muttersprache ist arabisch. Seine Gedichtbände erschienen

auf Deutsch. Karasholi, ein bilingualer Autor, gilt als der älteste unter den in

Deutschland lebenden arabischen Schriftsteller. Ebenfalls ist er einer von den

wenigen arabischstämmigen Schriftstellern, die sowohl auf Arabisch als auch

auf Deutsch literarisch erfolgreich tätig sind. Er lebt bald 50 Jahre in

371 FEHRENBACH, Achim: Durch die Hintertür nach Syrien. Interview mit Rafik Schami. In: Die Zeit Nr. 47. 2002. 372 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 149.

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185

Deutschland; seit 1961 lebt er in Leipzig; seit 1992 besitzt er die deutsche

Staatsbürgerschaft. Ab 1964 arbeitete er am Germanistischen Institut der

Karl-Marx-Universität Leipzig; von 1968 bis 1993 war er Lektor an der Uni-

versität Leipzig. Seit 1993 arbeitet er als freier Schriftsteller.

Karasholi wurde am 15. Oktober 1936 als Sohn einer wohlhabenden kurdi-

schen Familie in Damaskus geboren. Er war eines von sieben Geschwistern.

Sein Vater, ein Gutsbesitzer, konnte zwei Neigungen seines Sohnes nicht

teilen: die marxistische Gesinnung und den Wunsch, ein Dichter zu wer-

den.373 Die islamische Religion hat lediglich eine untergeordnete Bedeutung

in seinem Leben. Auch seine kurdische Abstammung spielte für Karasholi

keine wesentliche Rolle. er bezeichnet sich selbst als „kulturell religiösen“

Menschen.374

In Syrien begann er früh, Gedichte zu schreiben; mit etwa 15 Jahren schrieb

er sein erstes Gedicht auf Arabisch. Er hat dieses Gedicht aus Liebeskummer

geschrieben. Die folgenden Gedichte waren stark von der Tradition der ara-

bischen Volkskunst geprägt. Bald wurde die Literatur zum alles beherr-

schenden Thema in seinem Leben. Er las die Werke der Weltliteratur und

besuchte Bibliotheken. Als er 16 Jahre alt war, gründete er eine Zeitung. Sein

Vater finanzierte sie, aber wegen sogenannter staatsfeindlicher Äußerungen

wurde sie bereits nach dem ersten Exemplar verboten.

In den 50er Jahren wurde er als junger Lyriker und Journalist bekannt. Er,

der kommunistisch und linksbürgerlich orientiert ist, hat sich seit den 50er

Jahren mit Politik beschäftigt. Seine Gedichte trugen nun vorwiegend tages-

373 Vgl. HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 11. 374 Vgl. HÄNDLER: Interview mit Adel Karasholi zu Leben und Werk. Januar 1999. In: Ders.: Adel Karasholi. S. 83.

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186

politischen Charakter. Nach der Einheit zwischen Syrien und Ägypten375 im-

migrierte er nach Deutschland.376

Literarisch aktiv war er in Deutschland vor allem als Lyriker. Er veröffent-

lichte vier Gedichtbände, daneben übersetzte er aus dem Arabischen ins

Deutsche und umgekehrt. Darüber hinaus verfasste er Essays, Kurzgeschich-

ten und arbeitete an Hörspielen mit. In Interviews diskutierte er verstärkt in

den letzten Jahren über gesellschaftliche und politische Ereignisse sowie über

den Nahost-Konflikt.

5.3.1.1 Der syrische Lyriker und die Migration nach Deutschland

Karasholi war in verschiedenen Bereichen tätig, bis ihm als Lyriker der

Durchbruch gelang. In den Jahren 1952 bis 1958 war er bei verschiedenen

syrischen Zeitungen als Literaturreporter tätig und leitete auch eine Studen-

tensendung bei Radio Damaskus. Er war mit 20 Jahren als Autor in Ägypten

und dem Libanon in engen Literaturkreisen bekannt.377

Karasholi war zwar nie Mitglied der kommunistischen Partei, seine politische

Gesinnung war aber sozialistisch. Zudem war der arabische Schriftstellerver-

band, dem Karasholi angehörte, marxistisch orientiert. Im Zuge des 1958

vollzogenen Zusammenschlusses Syriens und Ägyptens zu der Vereinigten

Arabischen Republik unter der Führung des ägyptischen Präsidenten an-

NÁÒÐr wurde nicht nur der marxistisch orientierte Schriftstellerverband verbo-

ten, sondern auch alle politischen Parteien und Massenorganisationen. Da-

375 Syrien und Ägypten schlossen sich 1958 zur Vereinigten Arabischen Republik unter der Führung des ägyptischen Präsidenten ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒÐr zusammen, aber diese Einheit wurde 1961 aufgelöst. Die Syrer fühlten sich als Junior-Partner Ägyptens, deshalb putscht das Militär in Syrien 1961. 376 Vgl. HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 12f. 377 Vgl. ebd. S. 13.

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187

mals übte Literatur großen Einfluss auf die Menschen aus. Viele Schriftsteller

wurden wegen ihrer politischen und sozialen Kritik verfolgt oder verhaftet.

Nachdem auch gegen Karasholi ein Haftbefehl erging, entschied er sich, ins

Exil zu fliehen. 1959 floh er in den Libanon; nach zwei Jahren Herumirrens

durch die Welt als Exilant, fand er schließlich 1961 in der DDR seine zweite

Heimat. Die DDR war für ihn eine sichere Zuflucht. Über diese Periode in

seinem Leben sagt Karasholi:

[…] Das politische System in Syrien wurde dem in Ägypten angeglichen und in Ägypten herrschte ein Einparteiensystem. Es folgte eine Verhaftungswelle, auch gegen Mitglieder unseres Schriftstellerverbandes. Einige Mitglieder flohen nach Libanon, so auch ich. Ich hätte relativ gefahrlos zurückkehren können. Mein Vater war im Libanon und wollte mich zurückholen. Ein Verwandter meiner Familie war Innenminister in Syrien. Aller-dings hing eine Bedingung an meiner Rückkehr: Ich sollte mei-ne Kontakte offenbaren. Doch ich habe meinem Vater geant-wortet: Ich verkaufe meinen Bleistift nicht!378

Im Libanon lebte er im Untergrund und schlug sich als Gelegenheitsarbeiter

durch. Sein erster Besuch in der DDR fiel auf das Jahr 1959 anlässlich der

Leipziger Buchmesse. Karasholi erwähnte in einem Gespräch, dass der be-

kannte libanesische Philosoph Íusain MurÙÙa ein Flugticket für ihn besorg-

te.379 Ein jordanischer Dichter, der bei Radio Berlin International arbeitete,

hat Karasholi geholfen, in Deutschland zu bleiben. Dieser Dichter hatte als

Moderator der Studentensendung im Damaszener Rundfunk Karasholis ers-

ten Gedichte gesendet und sich gefördert.380

Karasholi hat in der DDR um Asyl gebeten; jedoch nach einem mehrwöchi-

gen Aufenthalt im Aufnahmelager Fürstenwalde wurde sein Asylgesuch ab-

378 Ebd. S. 79. 379 Vgl. KARASHOLI, Adel: Daheim in der Fremde. In: VON SAALFELD: Ich habe eine fremde Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch. Gerlingen: Blei-cher Verlag. 1998. S. 109-140. Besonders S. 111. 380 Ebd. S. 110.

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188

gelehnt. Es geriet Karasholi zum Nachteil, dass er kein Mitglied in der kom-

munistischen Partei Syriens war. In Ost-Berlin übernahm der Vertreter der

Partei die geforderte Bürgschaft für den prominenten syrischen Dichter nicht.

Karasholi wurde nach West-Berlin abgeschoben.381 Ein neues Kapitel in

Karasholis Leben begann in der BRD, wo er seine lyrische Präsenz als

deutschsprachiger Dichter gründete.

5.3.1.2 Die ersten Jahre in Deutschland

Schon als arabischer Migrant begann Karasholis Leben in Deutschland mit

Schwierigkeiten. In München arbeitete er neun Stunden täglich am Fließband

in einer Fabrik. Er lebte von einem geringen Lohn in ärmlichen Verhältnissen.

In dieser Zeit erfuhr er am eigenen Leib, was es bedeutet, Gastarbeiter und

Fremder zu sein. Über diese Periode seines Lebens kann der Leser einige

Gedichte in seinem Gedichtband Wie Seide aus Damaskus lesen, in dem er

seinen Alltag, seine Gefühle und sein Leben in München und Westberlin be-

schrieb:

Allein bin ich

Kein Trost ist hier für mich in blauen Augen

gar kein Trost

Vergessen bringt mir nicht der Sterne Schatten

Kein Vergessen

Vorm Fenster fällt der Schnee auf leere Wege

ohne Ziel

Auf unfruchtbare Äcker und auf Grenzen fällt

er weiß382

381 Vgl. HÄNDLER: Interview mit Adel Karasholi zu Leben und Werk. S. 79f. 382 S. KARASHOLI, Adel: “Wände”. In: Wie Seide aus Damaskus. Gedichte. Berlin: Ver-lag Volk und Welt. 1968.

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189

1961 ging er wieder nach Ost-Berlin, wo er mit Hilfe des kurdischen Studen-

tenverbands ein Stipendium bekam. Als Student lebte er in Leipzig, nahm an

einem Sprachkurs am Herder-Institut teil. Zunächst studierte er Theaterwis-

senschaften, dann am Johannes-R.-Becher-Institut Literaturwissenschaften

und promovierte anschließend über Bertolt Brecht. Bis 1970 arbeitete er an

seiner Dissertation.

Am Leipziger Literaturinstitut traf er auf die sogenannte „Sächsische Dich-

terschule“. 1965 wurde der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben, aber er blieb

aus persönlichen Gründen in Leipzig, wo er Mitglied des deutschen Schrift-

stellerverbands wurde. Mit der Aufhebung des Haftbefehls gegen ihn endete

sein „offizielles“ Exilleben; er blieb aber dennoch in der DDR und lebte mit

seiner deutschen Frau, übersetzte, dichtete und arbeitete seit 1968 an der

Karl-Marx-Universität in Leipzig als Lektor bis er sich ab 1993 als freier

Schriftsteller dem Schreiben widmete.

In seinem Gedichtband Wie Seide aus Damaskus formuliert er die Verwirkli-

chung der sozialistischen Utopie, die die Fremde für den Dichter ertragbar

macht. Die 60er Jahre waren die Zeit einer beginnenden Verwurzelung in der

DDR. Seine Ankunft in Leipzig war die Ankunft im Paradies, wie Karasholi

in einem Interview sagte:

Und dann kam ich nach Leipzig. Der erste Tag im Haus der Freundschaft: man gab mir ein Zimmer, geheizt, und die Lehre-rin ging mit mir ins Konsument, kaufte mir einen Mantel und einen Anzug und gab mir 300 Mark. Davon habe ich einen Plat-tenspieler gekauft und die 6. Sinfonie von Tschaikowski. Das weiß ich bis heute. Und ich fühlte mich als Mensch. Und da war die DDR für mich das Paradies.383

Karasholi hat in den ersten Jahren in Leipzig sich als ein deutscher

arabischstämmiger Lyriker in Deutschland begründet. Diese Begründung

383 HÄNDLER: Interview mit Adel Karasholi zu Leben und Werk. S. 81.

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190

thematisierte er später in seinem Gedichtband Daheim in der Fremde. Als

Literat bekam Karasholi bereits nach kurzem Aufenthalt in Leipzig Aufmerk-

samkeit. Er wurde zu zahlreichen Lesungen mit deutschen Lyrikern wie u. a.

Volker Braun und Sarah Kirsch eingeladen; er bekam großen Zuspruch sei-

tens des deutschen Publikums.

5.3.1.3 Der syrische Dichter und die deutsche Sprache

Während seiner zwei Jahre in Westdeutschland hat Karasholi seine Deutsch-

kenntnisse nicht verbessert, weil er damals eine Abneigung gegen die gesam-

te westdeutsche Gesellschaft empfand. Am Herder-Institut begann er,

deutsch zu lernen. Er erlernte die deutsche Sprache sehr schnell und nach

fünf Monaten veranstaltete er seine erste zweisprachige Lesung und trug

seine ins Deutsche übersetzten Gedichten vor. Es störte ihn damals, dass er

seine Gedichte nicht selbst ins Deutsche übertragen konnte. Er wusste, dass

die Übersetzung nie das Originalwerk ersetzen kann. Karasholi betont seine

Unzufriedenheit mit Übersetzungen, weil sie nicht in seiner Sprache waren,

sondern in der Sprache der Nachdichter. Er wollte mit seinen Worten sagen,

wie er etwas empfand.384

In den ersten sechs Jahren in Deutschland studierten am Becher-Institut, an

dem Karasholi studierte, viele Schriftsteller, die später bekannt wurden.

Karasholi beschäftigte sich in dieser Zeit ständig mit Literatur und pflegte

zahlreiche Freundschaften mit Schriftstellerkollegen. Karasholi profitierte

von seinem Studium und der Promotion über Brecht; vor allem verbesserten

sich seine Deutschkenntnisse, und der Umgang mit der deutschen Literatur

beeinflusste sein eigenes Schreiben. Als Karasholi Brechts Werke las, geriet

er in eine Schaffenskrise, weil Karasholis Gedichte gefühlsbetont und reich

384 Vgl. ebd. S. 85.

Page 192: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

191

an Metaphern waren. Nach einer intensiven Beschäftigung mit Brecht erlern-

te Karasholi die Verdichtung und die weniger emotionale Schreibweise.385

Auch die deutschen Schriftsteller Friedrich Hölderlin, Friedrich Gottlieb

Klopstock, Rainer Maria Rilke, Hans Magnus Enzensberger, Gottfried Benn,

Georg Maurer u.a. hatten Einfluss auf ihn gehabt. Als er auch souveräner mit

der Sprache umzugehen wusste, hat er versucht, sich von diesen Einflüssen

zu befreien und zu sich selbst zurückzufinden.

Karasholi verbesserte nicht nur seine deutsche Sprache, sondern entwickelte

seine Meinungen über Kommunikation, Sprachspiele, Kontakt mit dem Ad-

ressat u.a. Er schrieb deutsche Gedichte, die reine Kommunikationsmittel

waren; erst später, als er mit der Sprache besser umzugehen wusste, hatte er

auch Spaß am Experimentieren mit der Sprache, an Auseinandersetzung mit

der deutschen Literaturgeschichte. Da war für ihn dann der Adressat nicht

mehr so wichtig wie am Anfang. Das Ich war in den Mittelpunkt gerückt.

Diese Gedichte kann er mit gutem Gewissen der Öffentlichkeit zugänglich

machen.386

Seine ersten in deutscher Sprache verfassten Gedichte waren Liebesgedichte.

Karasholi nennt diese Gedichte operative Gedichte. Er findet, dass Wagnis

oder Torheit die Gründe des Schreibens waren. Aber er hat es aus der Not-

wendigkeit heraus getan, sich in der Sprache zu artikulieren, aus der er die

Signale der Wirklichkeit erhalten hat, in der er sich bewegt, die ihn von allen

Seiten seines Daseins umgab und belagerte. Er dachte zunächst nicht an eine

Veröffentlichung.387

Karasholis Lehrer Georg Maurer ermutigte ihn, eine Sammlung zusammen-

zustellen und zu veröffentlichen. Er meinte, es seien interessante und eigen-

385 Vgl. KARASHOLI: Daheim in der Fremde. S. 109-140. Besonders S. 112. 386 Ebd. S. 118ff. 387 Ebd. S. 110ff.

Page 193: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

192

ständige Gedichte, die einen Duktus hätten, den deutsche Dichter nicht haben

können. Karasholi publizierte 1978 den Band Umarmung der Meridiane, in

dem sich in deutscher Sprache geschriebene Gedichte fanden. In diesem

Band beschrieb Karasholi sein Experiment, als Lyriker mit zwei Sprachen zu

leben. „Zu Hause“ fühlt sich der Lyriker sowohl in Leipzig als auch in Da-

maskus. Dieses Gefühl ist ein Mittel gegen den Verlust in den beiden Welten.

Sein eigenes Schicksal hat Karasholi von einem negativen zu einem positiven

Schicksal verändert und seine Identitätsprobleme gelöst. Das Ergebnis war

eine Doppelzüngigkeit. Die Worte „Umarmung der Meridiane“ erklären die

Gefühle eines arabisch-deutschen Dichters, der mit zwei Sprachen lebt:

Hin und her

Her und hin

Wo bin ich zu Haus

In zwei Sprachen bildet sich der Satz

In zwei Welten greifen die Hände

Im Traum spricht in Deutsch mit mir die Mutter

In Arabisch mein sächsisch Weib

Von Meridian zu Meridian

Leichtfüßig springen meine Träume

Weiten sich aus meines Baumes Zweige

Und jede Blüte trägt die Tätowierung

Altvertrauter Sonnenkarawanen

Die durchpulsen meines Baumes Adern388

Im Folgenden soll nun Karasholis Weg zum deutschen Lesepublikum anhand

seines deutschsprachigen lyrischen Werkes untersucht werden.

388 KARASHOLI, Adel: Umarmung der Meridiane. Gedichte. Halle-Leipzig: Mitteldeut-scher Verlag. 1978.

Page 194: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

193

5.3.1.4 Die Gedichtbände

Es geht hier um eine kurze Interpretation von Karasholis Gesamtwerk; davon

ausgehend wird die Rezeption seiner Werke skizziert. Karasholi hat sieben

Lyrikbände veröffentlicht, daneben Übersetzungen Bertolt Brechts Werke

und eine Studie über ihn. 1962 erschien sein Gedichtband MawwÁl fī al-

Èurba in arabischer Sprache, 1968 seine ins Deutsche übersetzten Gedichte

„Wie Seide aus Damaskus“, dann die in deutscher Sprache publizierten Bän-

de Umarmung der Meridiane von 1978, Wenn Damaskus nicht wäre und

Also sprach Abdulla. In diesen Lyrikbänden fanden sich Karasholis Liebes-

gedichte und philosophische Gedichte, in denen die Einflüsse der beiden ihn

beeinflussenden Lebensperioden in Syrien und in Deutschland deutlich zu

erkennen sind. In seinen Gedichten zeichnete er eine Mischung aus den ver-

schiedenen Erfahrungen und verschiedenen Zeichensystemen aus dem Orient

und dem Okzident – insbesondere in seinem Gedichtband Umarmung der

Meridiane. Sowohl die Fremde als auch die Heimat prägten seine Schreib-

weise, nur schwer kann man ein Gedicht von ihm ohne Züge der Fremde

finden.

1968 erschien der Band Wie Seide aus Damaskus im Verlag Volk und Welt.

Die Gedichte wurden von befreundeten deutschen Lyrikern nachgedichtet.

Nach Abschluss der Übersetzungsarbeit bearbeitete Karasholis die übersetz-

ten Gedichte mit befreundeten Lyrikern.389 Die meisten Gedichte wurden in

der DDR-Zeit geschrieben; daneben finden sich darin Gedichte, die im Liba-

non und in Westdeutschland geschrieben wurden. Die Gedichte kreisen um

die Themen der Liebe, des Kampfes und des Abschieds, in denen Karasholi

seine Liebe zur Heimat thematisierte und seine Erfahrungen in der DDR be-

schrieb. Er setzt sich mit dieser neuen Wirklichkeit auseinander.

389 Vgl. RICHTER, Lutz: Im Gespräch mit Adel Karasholi. In: Deutsch als Fremdsprache. Literarisches Sonderheft. 1986. S. 96-103. Besonders S. 100.

Page 195: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

194

An Karasholis metaphorischer gefärbter Sprache sind Einflüsse von Pablo

Neruda, Georg Maurer, Nazim Hikmet und Federico García Lorca deutlich

sichtbar.390 In diesem Band wird für den Leser Karasholis Liebe zu seiner

Frau spürbar, die mit ihm in seiner neuen Heimat lebt. Die Frau ist „wie Da-

maszener Seide“ goldfarben und weich. So findet Karasholi in der Liebe sein

Weg, sich in der neuen Heimat zu integrieren. Mithilfe dieser Liebe überwin-

det er ebenso die Grenzen zwischen zwei verschiedenen Ländern.

1959 veröffentlicht Karasholi den Gedichtband Also sprach Abdullah.

Karasholi schrieb 11 Gedichte zuerst auf Arabisch um sie dann ins Deutsche

zu übersetzen. Der Band erschien in drei Auflagen; die dritte überarbeitete

Auflage erschien 2006. Mit diesem Band wurde Karasholi berühmt. In den

Gedichten dieses Bandes formulierte der Dichter seine dialektischen Betrach-

tungen über seine Lebenserfahrungen in der Form der altislamischen Sufi-

Texte des 9. Jahrhunderts. Die Gedichte fügen sich förmlich wie Arabesken

ineinander. Thematisch kreisen sie um das unlösbare Paradox von Einheit

und Vielheit ebenso wie um Karasholis Sehnsucht nach Kommunikation mit

den anderen ohne sich selbst aufzugeben.

Anders als die Sufis, die davon ausgehen, Dass Gott der einzig Existierende

ist. Sie streben den Zustand des Aufgehens, des Entwerdens in Gott an. Die

Spaltung in Subjekt und Objekt soll aufgehoben werden, um in die göttliche

Einheit zurückzukehren, stellt Karasholi eine neue Formulierung der Bezie-

hung zwischen Subjekt und Objekt dar, indem sich das Subjekt nicht selbst

aufgibt.391 Zwar interessiert sich Karasholi in diesem Band für den Unter-

schied zwischen Verwurzelung und Entfremdung, aber insbesondere interes-

siert er sich für „aktive Anpassung“, die „keine Assimilierung“ ist.392 In ande-

ren Worten: die Gratwanderung ist die Hauptidee dieser Gedichte. In diesem

Band wie in anderen seiner Gedichtbände verwendet der Dichter die Technik

390 Vgl. ebd. S. 99. 391 Vgl. KARASHOLI: Daheim in der Fremde. S. 109-140. Besonders S. 137. 392 Vgl. ebd.

Page 196: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

195

der Verdichtung und der metaphorischen Bilder, die zur philosophischen

Besinnung führen. Der Gedichtband thematisiert die Fremde und ihre sprach-

lichen, psychischen, philosophischen Ebenen. Von an-NiffarÐ393 und aus dem

Alten Testament übernahm Karasholi den Satz „und er sprach“, mit dem an-

NiffarÐ jede seiner Zeilen beginnt. Ähnlich wie die Bibelduktus „Lies Dir mal

Genises“ beginnt auch jedes Gedicht Karasholis mit dem typischen biblischen

Stil „und also sprach Abdulla zu mir“.

Karasholi nutzt einen philosophischen Monolog mit sich selbst; er spricht mit

sich. Abdullah ist eine fiktive Gestalt, die dem zweisprachigen Lyriker

Karasholi die Möglichkeit bietet, mit sich selbst Zwiesprache zu halten. Diese

zweite Person ist kein anderer als der innere Charakter des Dichters.

Karasholi beschreibt die durch die Fremde ausgelösten Veränderungen in

einer anderen Person und versucht, den inneren Zweifel bei ihm zu enthüllen.

Dazu sucht er nach Liebe, Heimat, Identität, Freude, Ehrlichkeit, Gerechtig-

keit und nach Zufriedenheit im Leben.

Das Gedicht „Seiltanz“ thematisiert das ganze Leben des Dichters und erklärt

sein Leben als Fremder in zwei Fremden. Der Dichter entzieht sich dem har-

ten unerträglichen Leben der zweiten Fremde und wendet sich der ersten,

leichteren Fremde seiner Heimat zu. Dort sind die Erinnerungen und die Er-

eignisse zart und fein. Dazu setzt sich der Dichter mit seinem Schicksal aus-

einander und lässt den Leser seinen Kampf gegen sein Schicksal als Fremder

spüren. Das Gedicht, zeigt dass der Tänzer Mut und Kraft braucht, um sich

Schritt für Schritt fortzubewegen und das andere Ende des Seils zu erreichen.

Dieses Bild umfasst die Idee des Gedichts. Karasholi schreibt:

Seiltanz394

393 an-NiffarÐ ist ein islamischer Mystiker aus dem 10. Jahrhundert. 394 KARASHOLI, Adel: Also sprach Abdulla. München: a1 Verlag. 2006. 3.überarbeitete Aufl. S. 11ff.

Page 197: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

196

Und also sprach Abdulla zu mir

Fremde ist zu deiner Rechten

Und zu deiner Linken ist Fremde

Denn du tanzt auf einem Seil

Und er sprach

Die Frage steht der Frage im Wege

Die Antwort der Antwort desgleichen

Denn du tanzt auf einem Seil

Und er sprach

Weder der Osten ist Osten

Noch der Westen Westen in dir

Denn du tanzt auf einem Seil

Und er sprach

Schließe deine Augen

Und laufe so schnell du laufen kannst

Denn du tanzt auf einem Seil

Und er sprach

Näher als die Hand dem Körper

Und dem Auge die Pupille

Näher als dem Gedächtnis die Erinnerung

Und dem Kind die Mutterbrust

Ich aber sprach

Die Fremde ist mir nicht fremd

In der Wurzel nistet sich Fremde ein

Und immer

Ins Ungebundene gebet eine Sehnsucht

Ruft mich zurück

In den einsamen Nächten

Hinter die sieben Berge

Page 198: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

197

Der Gedichtband Umarmung der Meridiane umfasst fünf Kapitel und er-

schien in zwei Auflagen. Die erste erschien im Jahr 1978; im Jahr 1982 folgte

die zweite Auflage. Die Überschriften entsprechen jeweils einem Gedichttitel

des jeweiligen Kapitels. In der zweiten Auflage hat der Dichter einige Ge-

dichte weggelassen und einige Kapitelüberschriften geändert. Der Titel bleibt

ohne Änderung. Der erste Teil enthält Gedichte, die die Exilsituationen the-

matisieren; der letzte Teil kommentiert internationale Ereignisse, wie den

„September 1973 in Chile“ – am 11. September putschte das Militär in Chile

gegen Präsident Salvador Allende –; in dem wichtigen Gedicht dieses Ban-

des, „Der alte Turban“, setzt sich der Autor mit den Stereotypen über die

arabische Welt auseinander. Der vierte Teil ergänzt den dritten Teil mit dem

Gedicht „Du fragst, warum ich dich Minze nenne“; darin finden sich Gedich-

te über Liebe und Tod. Im zweiten und dritten Teil schreibt er Gedichte über

seine Existenz in der Gesellschaft der DDR.

1984 veröffentlichte Karasholi seinen dritten deutschsprachigen Gedichtband

Daheim in der Fremde; dies geschah in einer Phase, die Enttäuschung und

Ernüchterung für Karasholi bedeutete. In dieser Phase kritisierte er die ge-

sellschaftliche Situation und verwies auf die Widersprüche und Mängel des

realen Sozialismus; er konnte sich nicht mit der Unzulänglichkeit der DDR-

Führung arrangieren. An seinen Gedichten waren sein Kampf für ein Leben

zwischen zwei Kulturen und Welten und seine Suche nach einer Identität

ablesbar. Weil Karasholi ein Grenzgänger zwischen Kulturen und Idiomen

ist,395 hat er für sich selbst eine Lösung gegen das begleitende Fremdgefühl

gefunden: Er beschreibt Leipzig als Heimatstadt und empfindet sie wie Da-

maskus eine echte Heimat. Wie er behauptet, können in ihm sich Meridiane

umarmen.396 „Daheim in der Fremde“ bedeutet seine innere Ankunft in der

395 Rolf Richter bezeichnet Karasholi als Grenzgänger zwischen Kulturen und Idiomen. In: RICHTER, Rolf: Von Lust & Last des Lebens in zwei Ländern & Sprachen. Der sy-risch-deutsche Dichter Adel Karasholi wird heute 60 und bleibt hoffnungsvoll. In: Leipzi-ger Volkszeitung 15.10.1996. S. 6. 396 KARASHOLI, Adel: Daheim in der Fremde? Leben in Leipzig und die Umarmung der Meridiane. In: Wochenpost Nr. 38. 10.09.1992. S. 3.

Page 199: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

198

Stadt Leipzig. Dies bedeutet nicht, dass er so sehr an Leipzig gehangen hätte,

dass keine andere Stadt in Frage gekommen wäre. Erst durch die lange Zeit,

die er in Leipzig lebte, entstand eine innige Beziehung. In anderen Worten

kann man sagen, dass er Leipzig mag und dort seine Pläne realisieren kann.

Im folgenden Zitat erklärt Karasholi seine Beziehung zu dieser Stadt:

Heimat hat auch mit Orten, wo die Erinnerung Bescheid weiß, zu tun. Und in Leipzig kennt sich die Erinnerung am besten aus. Und das Beziehungsgeflecht ist eigentlich zumeist mit Leipzig entstanden. Und deshalb ist die Bindung zur DDR oder zu Deutschland durch Leipzig gekommen. Sicher spielt auch der Zufall eine Rolle. In Leipzig habe ich studiert, dort habe ich meine Frau kennengelernt. Ich wohne dort und hatte meine Arbeit an der Universität.397

In diesem Band formulierte Karasholi seine Gefühle und Gedanken in Bezug

auf die Fremde und beschrieb daneben die täglichen persönlichen Probleme.

Die darin behandelten Themen wie Fremde, Identität, Schmerzen, Sehnsucht

u. a. verloren in der nächsten Schaffensphase des Dichters in den 90er Jahren

an Bedeutung. Er wendet sich stattdessen philosophischen Themen und so-

phistischen Formen zu, wodurch die Gedichte abstrakt und weit von den

täglichen persönlichen Themen liegen.

Seit der Veröffentlichung des Gedichtbands Daheim in der Fremde zählt

Karasholi zu den bedeutenden deutschschreibenden Autoren. Die deutschen

Kritiker schätzen seine Begabung und seine Lyrik wert. Mit Hilfe dieser posi-

tiven Kritik und Rezensionen wurde Karasholi einem breiteren deutschen

Publikum bekannt.

397 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 21.

Page 200: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

199

5.4 Die Aufnahme in Deutschland

5.4.1 Die Teilnahme an der „Sächsischen Dichterschule“

Die sächsische Lyrikwelle398 dauerte von 1962 bis 1965 und war ein Zeichen

der „kurzzeitigen Liberalisierung der Kulturpolitik“399; die „Sächsische

Dichterschule“ war Ausdruck der Aufbruchsstimmung und Euphorie der

60er Jahre. Volker Braun etablierte sich als Wortführer dieser Gruppe. Die

Gruppe umfasste ungefähr 20 Lyriker, einige von ihnen waren bereits sehr

bekannt wie Volker Braun, Heinz Czechowski, Sarah und Rainer Kirsch und

Wolf Biermann. Die meisten Lyriker waren Kollegen am Literaturinstitut

Johannes R. Becher oder studierten zumindest an einer sächsischen Universi-

tät. Die vorgetragenen Gedichte erinnerten damals an Brecht, Hölderlin,

Lorca und Kleist.

Karasholi war ein gern gesehener Gast auf den Lyrikveranstaltungen und hat

damals einige seiner in diesem Rahmen vorgetragener Gedichte in der Antho-

logie Auftakt 63 veröffentlicht. Aufgrund seiner positiv bewerteten Gedichte,

hatte Karasholi sich damals schnell einen guten Namen beim einheimischen

Publikum gemacht. In der Forschungsliteratur wird Karasholi allerdings nicht

zur „Sächsischen Dichterschule“ gezählt; obwohl er viele Gemeinsamkeiten

mit den Lyrikern dieser Gruppe aufwies. Seine vorgetragenen Gedichte, mit

denen Karasholi sich dem Publikum vorstellte, waren Gedichte, die den

Schmerz des Exillebens ausdrückten und Probleme wie Krieg und Frieden

thematisierten; beispielsweise die Gedichte „Appell für Vietnam“, „Wo ist

398 Die sächsische Lyrikwelle ist eine Propaganda- Erfindung war, um die DDR Kulturpo-litik in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Außerdem führte diese Lyrikwelle zu verstärkter Veröffentlichungstätigkeit von Lyrik in Zeitschriften und beispielsweise Ver-anstaltungen von Lyrikabenden und Debatten mit Jugendlichen. In den frühen 60er Jahren wurden die Autoren der sogenannten Sächsischen Dichterschule, mit vor allem sozialisti-scher Lyrik bekannt. 399 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 83.

Page 201: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

200

Dada“, „Carola und Buseina“, „Unser Sieg“ und „Blut fließt in Bagdad“.

Diese Gedichte erschienen nicht in seinem 1968 publizierten Gedichtband

Wie Seide aus Damaskus, jedoch wurden darin andere Gedichte wie „Meine

Geliebte kommt“, „Das Lied des emigrierten Vogels“, „Die Leute in meinem

Viertel“ und „Ich gelobe“ in diesen Band aufgenommen.

Für Karasholi war es wichtig, Möglichkeiten der Begegnung mit dem deut-

schen Publikum durch eine kleine Lyrikergruppe zu schaffen. In dieser Grup-

pe fühlte sich der Dichter nicht mehr als Fremder, und Leipzig entstand als

Pendant zu Damaskus in seinen Gedichten.

5.4.2 Karasholi und die deutsche Gesellschaft

Nach Iman Khalil können die in der DDR-Zeit entstandenen Werke

Karasholis in drei Schaffensphasen eingeteilt werden: Die erste Phase um-

fasst die in den 60er Jahren entstandenen Gedichte. In dieser Periode er-

schienen seine zwei Gedichtbände MawwÁl fī al-Èurba (1962) und Wie Seide

aus Damaskus (1968). Karasholi setzte sich kaum mit der Realität der DDR

auseinander. Deutlich sichtbar ist hingegen eine starke Verbindung mit orien-

talischen Elementen und Themen. Insbesondere tauchte seine Heimat als

Zentralthema in zahlreichen Gedichten auf.

In seiner zweiten Schaffensphase in den 70er und den frühen 80er Jahren

wandte sich Karasholi der DDR-Realität zu. 1978 erschien sein Gedichtband

Umarmung der Meridiane. Allerdings kritisierte Karasholi in diesem Band

einige Teile der Gesellschaft, um die Gesellschaft zu verbessern, nicht um das

dominierende System abzuschaffen.

In seiner dritten Schaffensphase in den 80er Jahren dominierten Melancholie

und Ratlosigkeit in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Gesell-

schaftsordnung. Karasholi hatte die Hoffnung aufgegeben, dass eine neue

Page 202: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

201

verbesserte Gesellschaft aufgebaut werden könnte. In dieser Schaffensphase

veröffentlichte Karasholi den Gedichtband Daheim in der Fremde (1984).400

Von 1984 bis 1992 schreibt er weiter, ohne jedoch zu veröffentlichen, weil er

an den Einfluss der Literatur nicht mehr glaubte. Er hörte auch auf zu versu-

chen, den Kommunikationsprozess lyrisch zu schaffen. Seine Gedichte hatten

in den folgenden Jahren eine psychotherapeutische Funktion. Karasholi, sozi-

alistisch orientiert, sagt über seine Isolation im folgenden Zitat:

Ich dachte, gut, ich lebe hier, aber meine Gedichte können nicht viel bewirken. Ich habe mich in Gespräche eingeschaltet. Viel-leicht hätte ich auch irgendwann einmal wieder veröffentlicht, ich habe mich nicht völlig isoliert, aber das war nicht mehr so wichtig und primär für mich.401

Wie vorher erwähnt wurde, zeigt Karasholi deutliche Entwicklungen in sei-

ner Beziehung zur DDR. Der Dichter änderte sich von Isolation zu Integrati-

on. Die drei Schaffensphasen reflektieren allmählich seine lyrische Entwick-

lung und seine Behauptung an der Funktion der Lyrik in der Welt. Seit sei-

nem Gedichtband Also sprach Abdulla 1992 hat er keine weiteren Gedichte

veröffentlicht und widmete sich neben seiner Autobiographie vermehrt dem

Schreiben von Essays, was sich ebenfalls in der Berichterstattung nieder-

schlug.

400 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 158. 401 KARASHOLI, Adel in: Diskussionen. In: AMIRSEDGHI, Nasrin/BLEICHER, Tho-mas (Hrsg.): Literatur der Migration. Mainz: Donata Kinzelbach Verlag. 1997. S. 116-137.

Page 203: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

202

5.4.3 Die öffentliche Wahrnehmung

5.4.3.1 Der Einzelfall

Die Auseinandersetzung mit dem Dichter Adel Karasholi zeigt, dass man ihn

von anderen in Deutschland lebenden Schriftstellern einfach unterscheiden

kann. Sein literarisches Wirken in der DDR der 60er Jahre begann er nicht als

Ausländer oder Migrationsautor, sondern als ein aus Syrien stammender Ly-

riker und als Einzelfall402. Während die Migrantenautoren in Westdeutsch-

land sich intensiv mit bestimmten Themen wie der Migration, der Exotik und

den Arbeitsprozessen beschäftigen, fand Karasholi für sich selbst als Dichter

einen eigenen Platz in der deutschen Literaturszene. Er hatte keine Veröf-

fentlichungsprobleme und musste auch nie zu einem kleinen Verlag gehen,

um seine Bände zu publizieren. Ganz im Gegenteil erschienen seine ersten

Gedichtbände 1968 im Verlag Volk und Welt und die folgenden Gedichtbän-

de wie Umarmung der Meridiane und Daheim in der Fremde im Mitteldeut-

schen Verlag. Beide waren zu DDR-Zeiten renommierte Verlage.

Zwar markieren die 60er Jahre die Anfänge von Karasholis literarischer Kar-

riere, aber die breite Anerkennung verdankt er mehr seiner sozialen Ausei-

nandersetzung in der Presse und in Interviews. Dazu trug auch die „Lyrik-

Welle“ bei; die Autoren der sogenannten Sächsischen Dichterschule und ihrer

sozialistischen Lyrik bekamen großen Zuspruch des ostdeutschen Publikums.

Der Dichterkreis umfasste nach Berendse 19 Lyriker der Jahrgänge 1935 bis

1940, die entweder aus Sachsen stammten oder dort studierten. Dazu er-

schienen auch viele Lyriker am Johannes-R.-Becher-Institut. Zu diesem

Dichterkreis gehörten damals Kurt Bartsch, Wolf Biermann, Thomas Brasch,

Volker braun, Heinz Czechowski, Adolf Endler, Elke Erb, Uwe Gressmann,

Bernd Jentzsch, Rainer Kirsch, Sarah Kirsch, Wulf KIrsten, Reiner Kunze,

402 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 150.

Page 204: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

203

Richard Leising, Kito Lorenc, Karl Mickel, Inge Müller und Walter Werner.

Sie verfügten über „kollektive Erfahrungen, gemeinsame Aufbruchstimmung

und ein Netz lyrischer Korrespondenz und Anspielungen.“403

Mit den Lyrikern Volker Braun, Heinz Czechowsky, Helmut Preissler, Sarah

Kirsch, Heinz Kahlau und Rainer Kirsch trat Karasholi während dieser Lyrik-

Euphorie vor die deutsche Öffentlichkeit. Und schon 1962, nur ein Jahr nach

seiner Ankunft in der DDR, erschien ein Bericht über Karasholis Lesung in

der Theaterschule in der Leipziger Volkszeitung.404 Zudem erschienen re-

gelmäßig seine in die deutsche Sprache übersetzten Gedichte in Zeitungen.

Diese Gedichte erschienen ebenfalls in seinem 1968 publizierten Gedichtband

Wie Seide aus Damaskus.

Der Vietnamkrieg, der in den 60er Jahren häufig in der Lyrik thematisiert

wurde, wurde auch von Karasholi aufgegriffen; zum ersten Mal 1961 in dem

Gedicht „Appell für Vietnam“, das in der Zeitung Neue Welt veröffentlicht

wurde. Die Verwendung eines Verses aus einem Gedicht Adel Karasholis

lässt einerseits auf wachsende Bekanntheit seiner Gedichte schließen – wie

die Verwendung der ersten Zeile des Gedichtes „Schütteln will ich die

Träumenden auf der Straße“, die bereits 1967 als Überschrift eines Artikels

über ein Theaterstück in der Leipziger Volkszeitung diente.405 Aber auch den

politischen Anspruch an seine Dichtung schließen.

403 Vgl. EMMERICH, Wolfgang: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Leipzig: Kiepen-heuer Verlag. 1996. S. 382. 404 Vgl. SCHERENSCHMIDT, Hans: „Die Straße blutet“. Ein syrischer Poet liest Gedich-te. In: Leipziger Volkszeitung 30.06.1962. S. 9. 405 Vgl. MATHOW, Edith: „Schütteln will ich die Träumenden auf der Straße...“. In: Leipziger Volkszeitung 22.09.1967. S. 6.

Page 205: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

204

5.4.3.2 Der Exot und die deutsche Rezeption

Die Frage, ob Karasholis Motive aus dem arabischen Raum verwendet wie

Beduine, Wüste, Kamele und Ölscheichs, um das deutsche Publikum anzu-

sprechen, lässt sich eindeutig mit Nein beantworten. Er übernimmt keine

Klischees oder Vorstellungen von den Arabern, sondern entlehnt sie einigen

Gedichten wie „Der alte Turban“ und „So wollen sie uns“. Karasholi, der

seine Kindheit nicht in einer Wüste verbrachte, vermittelt die arabische Reali-

tät in einer Stadt in Syrien. Er benutzt nicht das Wunderbare und die Wüste,

weil diese Motive eine naive Vorstellung über das Leben in der arabischen

Welt bilden, wo es nicht nur die Wüste gibt, sondern auch vielfältige geogra-

fische Räume wie moderne Städte. Karasholi ist der Ansicht, dass die deut-

schen Medien oft eine wesentliche Rolle bei der verzerrten oder ungenügen-

den Darstellung politischer Ereignisse in der arabischen Welt spielten. Hier

ist Karasholis Rolle als Kulturvermittler sehr wichtig. Er versucht, viele Vor-

urteile und Missverständnisse zu relativieren und dem deutschen Publikum

ein wenig von den arabischen kulturellen Leistungen näherzubringen.406

Während Karasholi die Exotik vermeidet, wurden seine frühen Geschichten

als exotisch-emotionale Gedichte rezipiert. In einem Bericht über eine ge-

meinsame Lesung von Werner Lindemann und Adel Karasholi wurden

Karasholis Gedichte als exotische Texte mit orientalischen Zügen bezeichnet.

Der Bericht verwies auf die orientalische Hinwendung an das Gefühl, die im

Kontrast zur Geistigkeit von Lindemanns Texten stand. In diesem Fall wurde

das Stereotyp des gefühlsbetonten Arabers auf Adel Karasholi angewandt.407

Wie sich Karasholi von der Verwendung exotischer und emotionaler Bilder

in seiner Lyrik loslöste, hat er in einem Gespräch erklärt, in dem Karasholi

darlegte, dass er in zwei Welten und zwei Kulturen lebt. Die arabische und

406 Zitiert bei RICHTER: Im Gespräch mit Adel Karasholi. S. 100. 407 LISCHKE. In: Neuer Tag. 23.01.1964. S. 4.

Page 206: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

205

deutsche Welt haben verschiedene Zeichensystem. So prägen diese Kulturen

und Welten ihn und seine Lyrik. Anfangs hat er versucht, in den deutschen

Gedichten alles zu eliminieren, was auf Exotik hindeuten könnte. Er hat be-

wusst versucht, dies zu tun, weil er irgendwie verärgert oder fast beleidigt

war, wenn man ihn nur als einen Exoten akzeptiert. Deshalb wollte er sozu-

sagen rein deutsche Gedichte schreiben.408 Die beste Methode sei, wie

Karasholi erklärt, wenn er sich keine Gedanken darüber macht, ob seine Me-

taphern arabisch, deutsch oder gemischtsind. Wie aber die Kritiker seine Ge-

dichte werten, ist etwas anderes. Bis heute wird Karasholi von einigen Kriti-

kern vorgeworfen, seine Gedichte seien lediglich exotisch.

Auch wenn Karasholi sich später entschieden von dem Exoten-Image distan-

ziert hatte, hat ihm dies ohne Zweifel großen Erfolg und Bekanntheit be-

schert. In der Leipziger Volkszeitung wird ein Vortrag von ihm sogar als

„emotionaler Höhepunkt öffentlicher Veranstaltungen“ bewertet.409

Karasholi sagte selbst, dass die Gedichte seines ersten Gedichtbandes, da

dieser auf Arabisch entstand, „fest verankert in der arabischen

Lyriktradition“ waren.410 Auch hoffte er 1965 bei der Veröffentlichung eini-

ger seiner Gedichte in der Zeitschrift Neue Deutsche Literatur, dass trotz

Nachdichtungen, einige Eigenheiten und [der] Reichtum der arabischen Poe-

sie den deutschen Leser erreichen werde.411

Für die 60er Jahre kann das Bild, das die Presse von Adel Karasholi zeichne-

te, als einerseits überlagert von propagandistischen Äußerungen über den

Westen und andererseits als Reduzierung auf einen orientalischen Märchen-

erzähler zusammengefasst werden. Treffend formulierte dies Heiduczek, als

er die Rezensenten der damaligen Zeit beschrieb: „[Die Rezensenten], die

408 KARASHOLI: Daheim in der Fremde. S. 109-140. Besonders S. 116f. 409RICHTER, Helmut: Wiederbegegnung mit Adel. In: Leipziger Volkszeitung 30.05.1970. S. 4. 410 RICHTER: Im Gespräch mit Adel Karasholi. S. 97. 411 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 70

Page 207: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

206

ihn als exotischen Bruder umarmten und auf dem Altar des proletarischen

Internationalismus stellen wollten.“412

In den 70er Jahren berichteten Medien über Karasholis Leben und Veröffent-

lichungen in den 60er Jahren, aber nicht über seinen Konflikt mit sich selbst

und seiner Zweisprachigkeit. Hier wurde die Thematik seiner Gedichte oder

ihrer Besonderheiten nicht diskutiert. Karasholi hat eine lyrische Entwicklung

gemacht, dabei sind seine Gedichte direkt auf Deutsch entstanden. Allerdings

auch mit dem Wissen, dass die Dichtung dadurch immer und unausweichlich

etwas vom Stil des Nachdichtenden erhielt.413 Hier verschwand das Exoti-

sche aus seinen Gedichten.

In späteren Interviews sprach Karasholi über die deutsche Sprache, die zu

seiner Literatursprache wurde. Trotz seines Erfolges neigte Karasholi früh

dazu, seine Entscheidung, Gedichte in deutscher Sprache zu schreiben, als

„töricht aber […] schicksalhaft und unabwendbar“ zu bezeichnen.414 Auch

begleitete ihn, wie er selbst behauptet, eine unentwickelte Kritik seit seiner

ersten Publikation in den 60er Jahren, obwohl er verschiedene Schaffenspha-

sen durchmachte. Über die unveränderte Kritik sagte er:

Heute verkaufe ich die Exotik und die Leidenschaftlichkeit nicht mehr, aber die Reaktion ist ähnlich. Heute bezeichnet und behandelt man mich als Migrationsautor. Das kränkt mich manchmal mehr, eben weil ich es heute nicht mehr verkaufe.415

Seit Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre distanzierte sich der

Dichter stark in seinen Gedichten von dem Image des Exoten und kritisierte

412 HEIDUCZEK, Werner: Also sprach Abdulla oder Die augenblicklichen Leiden des neuen K.. In: Die Andere Zeitung Nr. 45. 12.1990. S. 15. 413 Vgl. MIEREAU, Fritz: Mitternachtstrolleybus. Neue sowjetische Lyrik. Düsseldorf: Brücke-Verlag. 1965. S. 210f. Hier bezieht sich die Analyse auf Nachdichtungen aus dem Russischen, die allerdings zwar für Dichtung eine ‚Verfälschung‘ bedeutete, aber als sehr wichtig für die literarische Entwicklung der Nachdichter betrachtet wurde. 414 AIFAN: Araberbilder. S. 173. 415 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 77f.

Page 208: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

207

das Metabild des Arabers.416 Er spricht sich für eine modernere Beurteilung,

im Gegensatz zu einer Verklärung des Orients aus. Das Gedicht „Der alte

Turban“ von 1978 beinhaltet scharfe Kritik Karasholis an den stereotypen

Vorstellungen von den Arabern und an der das Exotische erwartenden Re-

zeptionshaltung deutscher Leser. Karasholi kritisierte, dass das Araberbild

der Deutschen auf Vorstellungen des Nomadentums und Neureichtums we-

gen der Öleinnahmen reduziert wurde.

Hierbei verweist Karasholi auf die Rolle deutscher Medien bei der Konstruk-

tion von Klischees und Stereotypen über die Araber. Seit Jahrhunderten

wurde der Orient als ein märchenhafter Orient in den Illustrierten und Kin-

derbüchern konstruiert. Man kann dieses Gedicht als Kontrast gegen Karl

Mays exotische Geschichten über die Araber betrachten.417 Die bekannte

Figur „Hadji Chalif Omar“ aus Mays Geschichten wird hier abgelehnt:

Setzt ab von meinem Haupt

Den alten Turban

Zersprengt die Fesseln in euren Geschichten

Aus den Illustrierten und Kinderbüchern

Ich bin Hadji Chalif Omar nicht

Nicht der wandernde Beduine auf dem Kamel

Und der Ölscheich nicht mit falschen Zähnen

Kamel hinter Kamel

Und barfuß der Mann mit dem Turban

Sand grenzt den Himmel ab

Sand die Zukunft

Sand und Kamele...

So stehen wir in den Schaufenstern

416 Das Metabild ist das Feindbild des Anderen bezüglich des Eigenen. Vgl. AIFAN: Ara-berbilder. S. 206f. 417 Vgl. OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 281.

Page 209: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

208

Derer, Die davon leben

Die Zeile „So stehen wir in den Schaufenstern“ veranschaulicht, dass Araber

wie Handelsgut behandelt werden. „Der Zusammenhang zwischen der Etab-

lierung von Stereotypen und deren Kommerzialisierung wird mit der Meta-

pher („So stehen wir in den Schaufenstern“) bildhaft dargestellt“.418

Karasholi verwendete nomadische Elemente in seinem Gedicht wie die Wüs-

te, das Kamel, Ölscheichs, Beduine und Sand. Diese Elemente prägen die

Reproduktion aller Vorstellungen und Klischees über die Araber. Karasholi

gibt die Vorstellungen wieder, ohne sie zu beheben. Er begegnet der Erwar-

tungshaltung auf andere Art, indem die dominanten Klischees und Vorstel-

lungen ablehnt statt, sie zu reproduzieren.

Karasholi hat von Anfang an die Klischees und Vorstellungen über die Ara-

ber abgelehnt. Zwar prägten die arabischen emotionalen lyrischen Traditio-

nen seine ersten Gedichte, aber dies bedeutet nicht, dass er den dominieren-

den Vorstellungen über die Araber dient. Er betont immer, dass das Leben in

der arabischen Welt sich entwickelte und die arabische Gesellschaft vielfältig

wird.

5.4.3.3 Die deutsche Wahrnehmung in den vier Schaffensperioden

Im Folgenden wird die deutsche Rezeption von Adel Karasholis vier Schaf-

fensperioden dargestellt. Hier soll gezeigt werden, wie sich die Wahrneh-

mung des Dichters weg von dem „Exoten“ und hin zu einem deutsch schrei-

benden „Dichter“ veränderte. Es wird gezeigt werden, wie die deutschen

Berichterstattungen ihn als Angehörigen der arabischen Minderheit darstellte.

Zuerst wurden seine Gedichte als orientalische Gedichte rezipiert. Erst seit

den 90er Jahren werden seine Gedichte weder als Ausländerliteratur noch

418 Ebd.

Page 210: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

209

Migranten- oder Gastarbeiterliteratur, sondern schlicht und einfach als „Ge-

dichte“ rezipiert.

Vor der Veröffentlichung des Gedichtbandes Umarmung der Meridiani er-

schienen einige Artikel, die sich mit Karasholis Lesungen befassten. In einem

Bericht der „Mitteldeutschen Neusten Nachrichten“ aus dem Jahr 1975 wur-

de über einen Abend mit Karasholi, an dem neben einer Lyriklesung auch

eine Diskussion stattfand, berichtet.419 Hierbei wird auf eine Diskussion über

das von Karasholi genutzte, in der deutschen Sprache so nicht vorhandene,

Wort: ‚Quellfeuer‘, das er mit den Worten rechtfertigt, er würde es eben

mögen, was seinen Gegenüber scheinbar überzeugte. Hier wird unterschwel-

lig deutlich, dass man dem nichtdeutschen Muttersprachler hier Anerkennung

für seine Sprachgewalt zollt, ihn also beginnt, auf Augenhöhe als Dichter zu

betrachten. Karasholi wird in eben diesem Artikel als in Leipzig Zweitbehei-

mateter420 beschrieben. Der Mitteldeutsche Verlag hat eine Lesung für drei

Autoren veranstaltet, dabei berichtete 1978 die Leipziger Volkszeitung von

dieser Lesung. In dem Bericht wird explizit auf das nicht nur Orientalische

hingewiesen, und Adel Karasholi eine Internationalität zugesprochen. 421

Alles hat Witz, atmet nicht bloß die Märchenfarben seiner syri-schen Heimat und berührt durch die Selbstverständlichkeit sei-nes Bekenntnisses zum Internationalismus.422

1979 erschien in der Neuen deutschen Literatur die erste Rezension über

Karasholis Gedichtband Die Umarmung der Meridiane. Eckhard Mieder

kritisierte darin die orientalisch-blumigen Gedichte Karasholis und deren ok-

kasionelle Wendungen und individuelle Neologismen423 Hier verwies Mieder

419 Vgl. “Mir gefällt Quellfeuer”. Im Klub der KMU: Begegnung mit Karasholi. In: Mit-teldeutsche Neueste Nachrichten Nr.14. 15.06.1975. S. 5. 420 Ebd. 421 FOERSTER, Christel: Komödiantengeschichte. Versuche und Lyrik voller Witz. “Abend der Autoren” beim Mitteldeutschen Verlag. In: Leipziger Volkszeitung Nr. 18.19.03.1978. S. 2. 422 Ebd. 423 MIEDER, Eckard: Bekenntnis - nicht fraglos. Rezension zu “Umarmung der Meridia-ne. In: Neue deutsche Literatur. Heft 8. 1979. S. 147-150.

Page 211: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

210

auf brechtsche Einflüsse in Karasholis Gedichten. Seine Kritik richtete sich

sowohl gegen den Inhalt als auch gegen die Methode der Gedichte, die eine

deutliche Ähnlichkeit zu Brechts Lyrik aufwiesen. Er kritisiert ebenso die

angestrengte Sachlichkeit.424

Später, 1990, kritisierte Heiduczek in seinem Artikel in der DAZ Karasholis

Gedichtband Die Umarmung der Meridiane und stellte fest, dass Karasholi

sich von seinem Exoten-Image befreit hat. Diese Entwicklung würde – so

prognostizierte Heiduczek damals –Karasholis Popularität reduzieren.425 Da-

zu „bringt das Buch ihm nicht die erwarteten Streicheleinheiten der Rezen-

senten. Er wird auch nicht verprügelt, das wäre ja wenigstens eine Form der

Anerkennung. Der Kamel reitende Beduine wäre wahrscheinlich willkom-

mener.“ 426

Anlässlich Karasholis Aufnahme in den Schriftstellerverband im Jahr 1980

und der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Leipzig im Jahr 1985, er-

schienen weitere Berichte und Meldungen in den deutschen Medien, in denen

Karasholi positiv charakterisiert wurde. Beispielsweise bezeichnete ihn die

Leipziger Volkszeitung als Teil der deutschen Literatur und sprach von einem

Glücksfall für unsere Literatur.427 Weitere positive Kritik erhielt Karasholi in

der Universitätszeitschrift der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Ein darin

abgedruckter Aufsatz trug den Titel: Eine einzigartige Stimme in der Lyrik

unseres Landes.428 1984/85 wurde Karasholi als Vermittler zwischen den

Kulturen bezeichnet, insbesondere in der Berichterstattung der Leipziger

424 Ebd. 425 Vgl. HEIDUCZEK: Also sprach Abdulla oder Die augenblicklichen Leiden des neuen K. In: Die Andere Zeitung. Nr. 45. 12.1990. S. 15. 426 Ebd. 427 HEUBLEIN, U.: Sein Gedicht kennt Eiche und Ölbaum. Adel Karasholi, der syrische Dichter an unserer Universität, erhielt den Kunstpreis der Stadt Leipzig. In: Leipziger Volkszeitung 04.10.1985. S. 6. 428 H.-STARS, Marianne: Eine einzigartige Stimme in der Lyrik unseres Landes. In: UZ Leipzig 10.05.1985. S. 7.

Page 212: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

211

Volkszeitung.429 Im Jahr 1985 erschien ein Bericht in den Mitteldeutschen

Neuesten Nachrichten über eine Autorenlesung mit Karasholi; wobei der

zwanglose Umgang mit dem Dichter hervorgehoben wird.430

In der Neuen deutschen Literatur schrieb Wolfgang Gabler 1985 über Da-

heim in der Fremde eine Kritik und stellte fest, dass Karasholi sich von den

Fesseln der Fremde und den Fremdheitsproblemen befreit hatte. Karasholi –

laut Gabler – ist in Deutschland kein Fremder mehr. Der Titel des Gedicht-

bandes wurde von Gabler als „koketter Versuch“ beschrieben,431 „Widersprü-

che aufzurufen, die für den Autor eigentlich gelöst sind“.432 1986 erschien

ein Interview mit dem Dichter in derselben Zeitschrift.433

1986 erschien erneut in der Leipziger Volkszeitung ein Bericht über eine Le-

sung Adel Karasholis anlässlich der 8. Leipziger Buchmesse. Seine Lyrik

wurde darin als „Bilder[…] überzeugender poetischer Ausdruckskraft“434

beschrieben. Im selben Jahr wurde ein Interview mit Adel Karasholi veröf-

fentlicht, sein Leben und seine literarische Karriere beleuchtete. Bemerkens-

wert darin war, dass Karasholi den Begriff „Terrorismus“ als Zuschreibung

zu den Arabern diskutierte. Er erklärte, dass dieser Begriff für die Bezeich-

nung von durch die Mafia ausgeführten Anschlägen von keinem benutzt

würde.435 In diesem Interview hat Karasholi sich zum ersten Mal über die

arabische Welt geäußert, was ab den 90er Jahren einen immer größeren

Raum in der Berichterstattung über den Dichter einnahm.

429 Vgl. H.-STARS, Marianne: Vermittler zwischen zwei Kulturen: Adel Karasholi. S. 7 – Vgl. „Meine zwei Länder und ich.“ In: Leipziger Volkszeitung 12.10.1985. S. 13. 430 Vgl. KARASHOLI, Adel: Ölbaum und Eiche, ungleiches Paar in mir. In: Mitteldeut-sche Neueste Nachrichten. Leipzig Nr. 4. 05.05.1985. S. 3. 431 Ebd. 432 Vgl. GABLER, Wolfgang: Zwischen Heimat und Fremde. In: Neue Deutsche Literatur. 9.1985. S. 145-147. Besonders S. 145. 433 Vgl. RICHTER: Im Gespräch mit Adel Karasholi. S. 97. 434 Adel Karasholi las seine Verse. In: Leipziger Volkszeitung 16.09.1986. S. 6. 435 Vgl. FLORSTEDT, R.: Scheitert ein Traum dürfen wir den Traum nicht verdammen. In: Leipziger Volkszeitung 23.10.1986. S. 6. (Interview).

Page 213: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

212

In den 90er Jahren gibt es wieder mehr Pressemitteilungen, die sich mit Adel

Karasholi beschäftigen. In den Kritiken werden seine Werke sehr gelobt –

insbesondere nach der Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises im

Jahr 1992. Die überregionale westdeutsche Presse berichtete über Karasholi

und seine Gedichtbände.

5.4.3.4 Die Literaturpreise und die Folgen

Karasholi erhielt seit den 80er Jahren viele Literaturpreise. Die Verleihung

des Adelbert-von-Chamisso-Preises fand am 21. Februar 1992 statt. Die Be-

gründung für die Verleihung des Preises wurde anlässlich des 65. Geburts-

tages Karasholis in der Leipziger Volkszeitung abgedruckt. Sein Beitrag als

deutschsprachiger Dichter wird folgendermaßen beschrieben „Seine Lyrik

vereint auf glückliche Weise Orient und Okzident in vertraut-unvertrauten

Bildern. Seine Essays sind hellsichtige Auseinandersetzungen mit einer un-

übersichtlich gewordenen Welt, in der das Individuum verloren zu gehen

droht. Aus seinen Werken spricht die Formkraft und Ideenfülle eines Dich-

ters – zusammen mit der Weisheit eines Weltenbürgers“.436

Die überregionalen westlichen Medien berichteten damals über Karasholi.

Einige Berichte bezeichneten Karasholi als Migranten und andere berichteten

über seine literarische Karriere und Gedichtbände. Insbesondere wurden zwei

Aspekte hervorgehoben: Seine Ausbildung zum Dichter in der DDR, wobei

auch erwähnt wurde, dass er sich damals vom realsozialistischen Gesell-

schaftssystem abwandte. Dieser Aspekt wurde deutlich betont. Der andere

Aspekt war Karasholis Status als Nichtdeutscher.437

436 RICHTER: Von Lust & Last des Lebens in zwei Ländern & Sprachen. S. 6. 437 Wobei hiermit nur die Herkunft gemeint ist, da Adel Karasholi zu diesem Zeitpunkt bereits die deutsche Staatbürgerschaft angenommen hatte.

Page 214: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

213

Wichtig ist zu erwähnen, dass Karasholi indirekt in den Pressemitteilungen

und Berichterstattungen als ausländischer Migrantautor bezeichnet wurde,

weil nur die ausländischen Migrantenautoren diesen Literaturpreis erhalten.

In den folgenden Beispielen werden diese Anmerkungen besonders deutlich.

Bemerkenswert ist, dass die Süddeutsche Zeitung aus diesem Anlass zwei

Artikel innerhalb eines Monats veröffentlichte.438 In den beiden kurzen Arti-

keln wurde betont, dass er und Galsan Tschinag in der DDR „die Dichter-

sprache erlernt“439hätten. Er wurde darüber hinaus als Teil der DDR-

Literaturgeschichte bezeichnet, wobei auch betont wurde, dass er seit 1985

kein weiteres Werk in der DDR veröffentlicht hatte. Einige Zeitungen veröf-

fentlichten damals ein paar seiner Reden, in denen Karasholi über seine

Flucht aus Syrien und seine Fremde sprach. Dazu betonte Karasholi seine

Verbundenheit mit der Stadt Leipzig und seine Liebe zu ihr genauso wie sei-

ne Sehnsucht nach seiner zweiten geliebten Stadt Damaskus. In der Leipziger

Volkszeitung wurde ein Teil seiner Rede veröffentlicht, in der Karasholi seine

Rede mit den Worten Chamissos beendete: „Ich glaube fast, ich sei ein deut-

scher Dichter.“440

Auf der anderen Seite wurde Karasholi aufgrund der Verleihung des Adel-

bert-von-Chamisso-Preises als Migrantautor bezeichnet. Die Berichterstat-

tung ging hier in zwei unterschiedliche Richtungen: Einerseits gab es kriti-

sche Auseinandersetzungen mit der Ausgrenzung der Migrationsliteratur und

andererseits die Ankündigungen der Veranstaltungen, die diese wiederum

verdeutlichen. Beispielsweise wurde Karasholi in einem Artikel in der Tages-

zeitung 1995 als Migrantautor bezeichnet. Diese Zeitung schrieb damals über

zehn Autoren der sogenannten Migrationsliteratur. Karasholi erklärte damals,

438 Vgl. VON SCHIRNDING, Albert: Die Dichtersprache in der DDR gelernt. Chamisso-Preis für Adel Karasholi und Galsan Tschinag. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 45. 24.02.1992. S. 10. 439 Ebd. 440 KARASHOLI; Adel: Der verlorene Schatten: Dankesrede zur Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises 1992. In: Leipziger Volkszeitung. Beilage zur Leipziger Buchmes-se. 06.05.1992. S. 8.

Page 215: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

214

dass die Literatur einfach Literatur sei und dass ihre Identität im ästhetischen,

nicht im soziologischen Inhalt läge. Karasholi argumentiert, dass die Literatur

nicht den Migranten allein oder nur den Deutschen gehöre.441 Im gleichen

Jahr kritisierte Karasholi in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau die

Migrationsliteratur als abgegrenzt. Karasholi diskutierte die deutsche Auf-

merksamkeit für die Dichter, die wenig die ästhetischen Werte der Dichtung

betrachten.442

In den Jahren 1994 und 1995 erschienen in der Leipziger Volkszeitung zwei

Artikel, in denen die Spannung zwischen Heimat und Fremde thematisiert

wird. Diese Artikel spiegeln eine kritische Auseinandersetzung mit der Be-

zeichnung der Dichtung Adel Karasholis als Migrationsliteratur wider. Tho-

mas Böhme verweist schon in dem Untertitel seines Artikels auf die unter-

schiedlichen Identitäten des Dichters, indem er ihn mit den Worten „Adel

Karasholi, Kurde, Syrer, als Wahlleipziger inzwischen Deutscher“443, vor-

stellte. 1995 äußerte sich der Dichter selbst zu der Frage, was er als Heimat

betrachtet, abhängig von seinem jeweiligen Aufenthaltsort- oder -land.

Es erschienen Berichte über Veranstaltungen. Hier wird Karasholis Auftreten

in Lesungen neben anderen Chamisso-Preisträgern erwähnt. Es wurde be-

richtet, dass er die Dresdner Chamisso-Poetikdozentur444 übernimmt, an Le-

sungen mit anderen Chamisso-Preisträgern445 bzw. nichtdeutschen Autoren

441 SENOCAK, Zafer: Gegen die Verortung ins Reservat. Migrationsliteratur 2000 - ein-gewanderte Autoren äußern sich zu Deutschland, ihrer Literatur und ihren Perspektiven. Drei Fragen, zehn unterschiedliche Antworten und Selbstbewertungen. In: Die Tageszei-tung 17.10.1995. S. 14f. 442 BRAUN, Michael: Untergrabene Subversion. Auf dem neunten internationalen Lyrikertreffen in Münster. In: Frankfurter Rundschau 02.05.1995. S. 8. 443 BÖHME, Thomas: Böse Ahnungen zur bitteren Gewißheit geworden. Die Gedichte des Adel Karasholi, Kurde, Syrer, als Wahlleipziger inzwischen Deutscher. In: Leipziger Volkszeitung 11.05.1994. S. 10. 444 Vgl. WEISS, N.: Zwiespalt der Zweisprachigkeit. Adel Karasholi beginnt die Dresdner Chamisso-Poetikdozentur. In: Sächsische Zeitung 09.06.2004. S. 10. 445 Vgl. „Gerade die Vielfältigkeit macht die Welt so bunt und interessant“. In: Backnan-ger Kreiszeitung 08.03.2005.

Page 216: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

215

teilnimmt446 und als Teilnehmer der Literatur-Aktion ‚Poesie in der Stadt‘

auftritt.447 In diesen kritischen Artikeln wird jene Abgrenzung, - positiv oder

negativ- die in den kritischen Artikeln über Karasholi abgelehnt wird, über-

deutlich. Dies wird bei Betrachtung der Erscheinungsdaten der jeweiligen,

hier zitierten Artikel, von denen der älteste aus dem Jahr 2000 stammt, noch

deutlicher.

5.4.4 Die lyrische Sprache und der deutschen Leser

Die Untersuchung der lyrischen Sprache in den Gedichten von Karasholi

zeigt, dass er eine besondere lyrische Sprache verwendet. Er verwendet eine

abstrakte verdichtete Sprache und reichert sie mit Metaphern und rhetori-

schen Ausdrücken an. Insbesondere in seinem Gedichtband Also sprach Ab-

dulla verwendete Karasholi metaphorische und argumentative Zusammenfü-

gungen und eine künstlerische Form, die er der altislamischen sufischen

Struktur entlehnt hat. Die Besonderheiten der Gedichte führen zum Sufismus

zurück und zeigen den Wortschatz des Sufismus und die Besonderheit der

sufischen Sprache. Bei den Arabern ist die sufische Sprache bzw. die sufische

Literatur seit dem 10. Jahrhundert bekannt. Dem deutschen Leser sind nicht

nur einige sprachliche Formen aus dem arabischen Raum fremd, sondern

auch die Geheimnisse der sufischen und philosophischen Sprache. Dabei

führt Karasholis Sprache zu einer Duplizität des Verständnisses.448 Bei-

spielsweise braucht der Leser Vorwissen über den Sufismus und dessen Ge-

heimschriften beim Lesen des Gedichtes „Die Fremde ist mir nicht fremd“ in

dem Gedichtband „Also sprach Abdulla“:

446 Vgl. WOLFRAM, G.: Verlorene Schatten. Writers in Exile‘ lasen aus ihren Werken. In: Die Welt 26.07.2000. 447 Vgl. POHLE, J.: Wenn sich Schönheit und Geheimnis im Alltag paaren. Die Literatur-Aktion „Poesie in der Stadt“ startet morgen im Levantehaus. In: Die Welt 06.07.2004 –Vgl. WERNER, H.: Lyrischer Mut- und Muntermacher: Wie Literaturhäuser Berlin poeti-sieren. In: Die Welt 23.07.2004. 448 AL-SLAIMAN: Literatur in Deutschland am Beispiel arabischer Autoren. S. 94.

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216

Ich aber sprach

Die Fremde ist mir nicht fremd

In der Wurzel nistet sich Fremde ein

Und immer

Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht

Ruft mich zurück

In den einsamen Nächten

Hinter die sieben Berge

Die „sieben Berge“ in diesem Gedicht sind nicht die sieben Berge aus der

deutschen Märchenwelt, sondern sind die sieben vorbereitenden Stadien in

der Laufbahn der sophistischen Entwicklung. Im Sufismus bedeuten diese

Stadien, die „Menschen“ genannt werden, die Grade der Bewusstseinswand-

lung. Diese Stadien bedeuten ebenso „nafs“ (Ich = Atem = Ego). Die Ent-

wicklungsstadien ermöglichen weitere Bereicherungen des Seins unter der

Anleitung eines Meisters. Die Grade der Entwicklungsstadien sind sieben

eingeordneten Grade: nafs ammÁra (die Entartete), nafs lawwÁma (die An-

klägerische), nafs mulhama (die Inspirierte), nafs muÔmaÞinna (die Stille), nafs

raÃÐya (die Erfüllte), nafs marÃÐya (die Erfüllende) und schließlich nafs ÒafÐya

wa kamila (die Reine und Vollendete).449 Die Zeichen, Symbole und Meta-

phern, die sich in den Gedichten finden, sind nicht selten zweideutig.

Karasholi lädt den Leser ein, sich in den Bedeutungen seiner lyrischen Spra-

che zu vertiefen. Weite Beispiele sind in dem Gedichtband Daheim in der

Fremde zu finden; darin verwendet Karasholi das Wort „Daheim“ anstatt

„Heimat“. Karasholi erklärt die dahinterstehende Idee, dass er diese Verwen-

dung benutzt, obwohl er nicht genau weißt, was Daheim und was Heimat

ist.450 Er benutzt stilistische Spiele, um einen neuen Ton in seinen Gedichten

zu erfinden und neue ungewöhnliche Wörter zu benutzen.

449 Ebd. S. 94f. 450 KARASHOLI, Adel: Nachdenken über Leipzig – Heute der Dichter Adel Karasholi. In Bigamie leben und die Meridiane umarmen. In: Leipziger Volkszeitung Nr.18.19.02.2006. S. 19.

Page 218: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

217

Wie bereits erwähnt, führt Karasholi sein Publikum in seine eigene lyrische

Welt und zielt auf ein besseres Verständnis der arabischen Kultur und Litera-

tur. Die Kulturvermittlung bleibt allerdings auf seine Darstellung der arabi-

schen Sprachformen und der eigenen lyrischen Verwendungen bezogen. Ein

umfassendes Verständnis seiner Sprache erfordert ein gewisses Vorwissen

beim Leser. Ein Vorwissen vermittelt die ungewöhnlichen arabischen Ein-

flüsse in Karasholis Sprache und lässt den lyrischen Horizont des Dichters

deutlicher erkennen.

5.4.5 Artikel und Rezensionen über Adel Karasholi

Im Folgenden wird dargestellt, wie Karasholi in vielen Essays und Interviews

seit den 60er Jahren bis heute präsent ist. Ab den 90er Jahren stand er vor

allem als Essayist im Mittelpunkt der Berichte über ihn. Er trat häufig als

Interviewpartner zu tagespolitischen und gesellschaftlichen Themen auf. Zu-

dem erschienen seine Essays in der Tages- und Wochenpresse. Sein essayisti-

sches Schaffen und die Interviews kann man in zwei Perioden einteilen: Die

erste Periode dauerte von den 60er bis in die 80er Jahre; in dieser Zeitperiode

ging es in den geschriebenen Berichten und Interviews über Karasholi um

sein Leben, seine Dichtung und ihre Einordnung in die Literatur. In dieser

Periode wurde Karasholi stark als Dichter vorgestellt. Daneben waren seine

Gedichte und ihre Interpretation Gegenstand der Artikel.

In den 60er Jahren äußerte Karasholi seine Dankbarkeit und Sympathie zur

DDR in den deutschen Medien. In dieser Periode begann sich Karasholi in

der DDR heimisch zu fühlen und seine literarische Präsenz zu etablieren. Die

Zeitungen berichteten rund etwa zehn Jahre über sein Leben und Werk.

Wichtige Schwerpunkte seiner Essays und Interviews waren Ausländerfein-

dlichkeit, sein Leben in der DDR und politische Themen. Im Feld der politi-

schen Themen diskutierte Karasholi die politische Entwicklung der letzten

Page 219: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

218

fast 20 Jahren. Zu Beginn der 90er Jahre erschienen Artikel zum Thema Aus-

länderfeindlichkeit, nach dem 11. September 2001 zum Terrorismus und zu

politischen Themen in der arabischen Welt, wie dem Irakkrieg und dem Nah-

ostkonflikt.

Nach der Wende stieg die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Diese Fein-

dlichkeit entstand häufig mit der Begründung, dass die Ausländer als Ar-

beitskräfte in dem wiedervereinigten Deutschland nicht mehr gebraucht wür-

den. Bezüglich der Ausländerfeindlichkeit hat Karasholi einige wichtige Arti-

kel in deutschen Zeitungen veröffentlicht. Beispielsweise schrieb er 1990

einen Essay mit dem Titel „Demokratie nur für Deutsche“. Teile dieses Es-

says wurden in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, wie

in der Tageszeitung in Ost- und Westdeutschland.451 In beiden Ausgaben der

Zeitung erschienen also zwei Artikel unter dem gleichen Titel, aber mit nur

bedingt gleichem Inhalt. Es ist nicht bekannt, ob Karasholi zwei Artikel an

zwei Zeitungen schickte, oder ob die Zeitungen den gleichen Essay für ihre

Zwecke gekürzt haben.

In der Tageszeitung (West) erschien der Essay mit dem Untertitel „Der in

Leipzig lebende syrische Schriftsteller Adel Karasholi über die Ausländer-

feindlichkeit in der DDR“.452 Es geht hier um die Ereignisse in der DDR.

Karasholi beschreibt seine persönlichen Erlebnisse, zum Beispiel, als jemand

an Weihnachten aus seinem Wagen „Ausländer raus“ schrie; er beschreibt

seine Angst vor der Ausweisung in den letzten Jahren vor der Wende. Dazu

sprach Karasholi über das Kommunalwahlrecht in der DDR und betonte,

dass er erst wählen wolle, wenn alle DDR-Bürger gewählt hätten.

451 Vgl. Die Tageszeitung Ost 13.03.1990, Die Tageszeitung West 20.02.1990, außerdem erschien es in der Universitätszeitung Leipzig 12.11.1990. S. 4. Neue Deutsche Literatur 6.1990. 452 KARASHOLI, Adel: Demokratie nur für Deutsche. Der in Leipzig lebende syrische Schriftsteller Adel Karasholi über die Ausländerfeindlichkeit in der DDR. In: Die Tages-zeitung (West) 20.02.1990. S. 10.

Page 220: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

219

Im Gegensatz dazu deutet der Untertitel in der Tageszeitung (Ost) – „Rede

auf dem außerordentlichen Schriftstellerkongress in Berlin“ 453– bereits eine

andere Ausrichtung des Artikels an. Darin beschreibt Karasholi, dass die

Ausländerfeindlichkeit kein neues Gefühl ist, sondern ein Gefühl des

Ausgeschlossenseins während der Wende. Hier bietet Karasholi eine mögli-

che Lösung: den Dialog zwischen den Deutschen und Ausländern zu fördern,

um gegenseitiges Verständnis der Kulturen herzustellen. Hier hatte Karasholi

nicht nur die Kommunikation zwischen den Ausländern und den Deutschen

im Sinn, sondern zwischen Menschen, Völkern und Kulturen allgemein.454

Ein weiterer Essay zur Ausländerfeindlichkeit erschien 1992 in der Wochen-

post; darin analysierte Karasholi die Hintergründe der Ausländerfeindlichkeit.

Zum gleichen Thema erschien 2000 ein Interview mit Karasholi in der Leip-

ziger Volkszeitung, in dem der Dichter betonte, dass die Ausländerfeindlich-

keit ein europäisches und nicht ein ostdeutsches Phänomen sei.455 Nach die-

sem Artikel hat Karasholi keinen weiteren Artikel veröffentlicht, der explizit

Ausländerfeindlichkeit thematisierte. Er hat nur flüchtige Aussagen über die

Gefahr der Vorurteile und der vorgefassten Meinungen über Migranten ge-

äußert.456

Über sein Leben in der DDR äußerte sich Karasholi in vielen Interviews in

den 90er Jahren. Die DDR war kein Gegenstand eines bestimmten Essays

oder eines Interviews, sondern tauchte immer abhängig von anderen Themen

auf. Früh glaubte Karasholi an den real existierenden Sozialismus, den er in

der DDR sah; mit der Zeit jedoch und mit einem zunehmender Einsicht in das

453 Er wurde 1990 als Mitglied in den neuen Vorstand gewählt. 454 KARASHOLI, Adel: Demokratie nur für Deutsche. Rede auf dem außerordentlichen Schriftstellerkongress in Berlin. In: die Tageszeitung (Ost) 13.03.1990. S. 15-17. Beson-ders S. 10. 455 Vgl. PRÜVER, C.: Siehe den anderen lange an und langsam. Der syrisch-sächsische Dichter Adel Karasholi über ein (mögliches) friedliches Miteinander von Menschen und Kulturen. In: Leipziger Volkszeitung 12.07.2000. S. 9. (Interview). 456 Vgl. MELCHERT, Rulo: Kunstvolles Selbstgespräch. Gedichte Karasholis über die Fremde und das Zuhause. In: Sächsische Zeitung Nr. 16. 17.03.1996.

Page 221: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

220

System verlor er diese Überzeugung. Er betont ebenso, dass viele mit der

Wiedervereinigung verbundenen Hoffnungen von der real existierenden

Marktschaft nicht erfüllt wurden. Diese Stellungnahme erschien in der Säch-

sischen Zeitung 2003.457

Das letzte Thema in Karasholis Essays und Interviews ist der Anschlag auf

das World Trade Center am 11. September 2001 und die daraus entstehen-

den Missverständnisse zwischen Araber-Muslimen und den Europäern. Zu

dieser Zeit war Karasholi in den deutschen Medien sehr präsent und äußerte

seine Haltung sowohl zu den Anschlägen als auch zum Irakkrieg und dem

Nahostkonflikt. In einem Interview zum Jahrestag der Leipziger Volkszeitung

2002 kritisierte Karasholi diese Ereignisse und deren Folgen. Karasholi zeig-

te, dass die Ursachen des Anschlags in September 2001 kaum diskutiert

wurden.458

In anderen Artikeln bzw. Interviews nahm Karasholi Stellung gegen Saddam

Hussein ein und bezeichnete ihn als ein Unglück für das irakische Volk.

Ebenso äußerte sich Karasholi in den letzten Jahren zu Terrorismus und zu

dessen Folgen. Beispielsweise sprach er in einem Interview 2005 in der Säch-

sischen Zeitung über die Ursachen, die die jungen Menschen zu Terrorakten

treiben.459 Außerdem sprach er als Araber über die Gefahr der wachsenden

Vorverurteilung oder zumindest Verdächtigung von Menschen anderer Haut-

farbe oder ebenso arabischer Namen.460 In jedem Artikel bzw. Interview

spricht Karasholi die Hoffnung aus, dass eine Verbesserung der Verständi-

457 LEMKE, U.: Und manchmal umarmen sich die Schatten. Von der Poesie als Zwiespra-che, Züge voller Biografien und einer Hand voll Asche im Schnee – Auskünfte des Schriftstellers Adel Karasholi. In: Sächsische Zeitung 23.06.2003. (Interview). 458 Vgl. HOYER, G.: Ein Jahr nach dem schlimmsten Terrorangriff der Geschichte. Er trägt die Gräben in sich. Adel Karasholi, Dichter, Philosoph und Brückenbauer zwischen den Kulturen. In: Leipziger Volkszeitung 11.09.2002. S. 27. (Interview). 459 Vgl. DASSLER, H.: Weil das Leben leben soll. Adel Karasholi, der in Leipzig lebende syrische Poet pendelt zwischen den Welten, vermittelt zwischen den Kulturen. In: Sächsi-sche Zeitung. Ostern 2005. (Interview). 460 Vgl. KARASHOLI, Adel. In: Leipziger Volkszeitung 14.10.2006.

Page 222: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

221

gung zwischen den Kulturen eintreten solle. Die Lösung, wie Karasholi

glaubt, steht in einem verstärkten Dialog zwischen den beiden Kulturen.

5.4.6 Die Übertragung Karasholis Werke ins Arabische bzw. die Re-

zeption im arabischen Sprachraum

Zwar hat die amerikanische Zeitschrift Poetry Karasholi als einen von 33

modernen deutschen Lyrikern neben Brecht bis Braun ausgewählt, um die

Spannbreite deutscher Lyrik dem amerikanischen Publikum vorzustellen, es

findet sich aber kaum etwas über seine literarische Präsenz über den deut-

schen und den arabischen Sprachraum hinaus. Karasholi arbeitete in den

Sprachen arabisch und deutsch als Verfasser von Artikeln für den Rundfunk

und Zeitungen und als Herausgeber literarischer Texte. In der Tat tritt

Karasholi mehr in der deutschen als in der arabischen Literaturszene in Er-

scheinung. Bevor Karasholi nach Deutschland auswanderte, war er in Syrien

als Lyriker bekannt. Er blieb in Deutschland in Kontakt mit seiner Heimat.

Auch hat er nie aufgehört, auf Arabisch zu veröffentlichen, weil er in der

arabischen Literaturszene präsent bleiben wollte. So geriet er in Syrien nicht

in Vergessenheit. Zwar schreibt er seine Gedichte nicht auf Arabisch, aber er

übersetzte selbst seine eigenen deutschen Gedichte auf Arabisch und ist bis

heute mit der Übersetzung tätig. Er übersetzte aus dem Deutschen ins Arabi-

sche und umgekehrt.461 Eine seiner besonderen Übersetzungen ist die deut-

sche Übersetzung des palästinensischen Lyrikers Mahmud Darwisch. Ins

Arabisch übersetzte er Werke von Bertolt Brecht, Volker Braun, Georg

Maurer u. a.

461Karasholi Übersetzungen ins Deutsche sind: Der Kopf des Mameluken Gaber, Theater-stück von Saadallah Wannus (1973). Al-Tabrisi und sein Diener Kuffa, Theatersück von Alfred Farag (1976). Das Unternehmen Wahnsinn, Theaterstück von Samih Al-Kasim (1979). Der Stuhl, Theaterstück von Muin Bsiso (1979). Auf dem Bürgersteig des Wider-stands, Dramatisches Gedicht (1979). Ins Arabische sind: Das Unsere, Gedichte von Georg Maurer (1981). Aufstieg und Fall der Stadt Mahafonny/ Der Jasager und der Nein-sager/ Dansen/ Was kostet das Eisen, von Bertold Brecht (1982). Che Guevara oder der Sonnenstaat, von Volker Braun (1986).

Page 223: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

222

Karasholi galt seit den 70er Jahren als bedeutender Dichter und Übersetzer

sowohl in Syrien als auch in Deutschland. Durch Kanäle der Übersetzungen

ist Karasholi weiterhin in Syrien bekannt. Dazu berichten die arabischen Zei-

tungen über Karasholi als einen erfolgreichen und bedeutenden Dichter. Au-

ßerdem werden seine Übersetzungstätigkeit und seine Übersetzungen ins

Arabische hoch gelobt. Der Blick auf alle arabischen Artikel zeigt, dass

Karasholi für sich einen bedeutenden Platz in der arabischen Literaturszene

erarbeitet hat. Diese arabischen kritischen Bewertungen und Urteile dominie-

ren seit den 60er Jahren bis heute. Beispielsweise schrieb der Syrer ŠauqÐ

BaÈdÁdÐ462 1977 in einem offenen Brief über Karasholi:

Von weit her drangen die Nachrichten über ihn bis zu mir her; auch in der Fremde behauptete er sich als Dichter, des Deut-schen wie des Arabischen mächtig, als bedeutender Übersetzer, der sich souverän in beiden Sprachen bewegen kann, der mit außergewöhnlicher Klugheit und Heimatverbundenheit seine Brücken schlägt [...].463

Karasholi erhielt sowohl im deutschen als auch im arabischen Sprachraum

eine gute Reputation. Er bewegt sich zwischen zwei Sprachen, Kulturen und

Welten und bietet einen wichtigen literarischen Beitrag als deutschsprachiger

Dichter.

Die arabischen Zeitungen berichteten über die wichtigen Nachrichten über

Karasholi. Beispielsweise über die Auszeichnung des Dichters Karasholis im

Jahr 2006 durch den deutschen Schriftstellerverband anlässlich seines 70.

Geburtstages. 2006 wurde in der al-ÍayÁt Zeitung ein Bericht über diese

Ehrung veröffentlicht.464 Im Bericht steht ein kurzer Überblick über die Bio-

462 BAÇDÀDÏ, ŠauqÐ (geb. 1928) ist ein syrischer Dichter, Mitbegründer des arabischen Schriftstellerverbands und des syrischen Schriftstellerverbands. Er veröffentlichte mehr als 13 Gedichtbände und Prosawerke wie Kurzgeschichten und Romane. 463 BAÇDÀDÏ, ŠauqÐ: TaÎÐya ila ÝAdil QarašÙli. In: A×- Õaura Zeitung 11.06.1977. 464 Vgl. DARRÀÉ, FayÒal: ItiÎÁd al-kuttÁb al-almÁn yukarrimuhu fÐ ÝÐd mÐlÁdihi as-sabÝÐn. ÝAdil QarašÙli šÁÝir sÙrÐ Ýa×ara Ýala al-waÔan fÐ al-manfa al-almÁnÐ. In: Al-ÍayÁt Zeitung 12.12.2006.

Page 224: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

223

grafie des Dichters und seine literarische Präsenz als Dichter und Übersetzer

in Deutschland.

Karasholi wie sein syrischer Kollege Suleiman Taufiq haben eine aktive lite-

rarische Präsenz im Bereich der Übersetzungstätigkeit. Die beiden sind Dich-

ter und Übersetzer, aber Taufiq ist bekannt in Deutschland bekannter als in

Syrien. Karasholi wird immer als Dichter bezeichnet.

5.5 Die Übersetzung vom Arabischen ins Deutsche - Suleiman Taufiq

als Beispiel

5.5.1 Biographisches

Suleiman Taufiq – Schriftsteller, Dichter, Übersetzer und Herausgeber arabi-

scher Literatur – wurde am 1953 in Beirut im Libanon geboren. Bis zu sei-

nem 18. Lebensjahr lebte er in Damaskus in Syrien bis er sich entschied, nach

Deutschland umzusiedeln, um dort weiter zu studieren. 1971 kam er nach

Berlin; 1972 wechselte er nach Aachen, wo er Philosophie und Vergleichen-

de Literatur studierte. Ab 1986 lebt er in Aachen als freier Schriftsteller und

Publizist.

Als arabischer Migrant kämpfte Taufiq neben seinen arabischen Kollegen um

Erkennung und Akzeptanz in Deutschland. Insbesondere spielte Taufiq eine

bedeutende Rolle in den 80er Jahren in der Entstehung und Entwicklungs-

phase der Migrationsliteratur in Deutschland. Als Angehöriger der arabischen

Minderheit und Mitglied der ersten Generation deutscher Schriftsteller arabi-

scher Herkunft nahm Taufiq an Veranstaltungen, Diskussionen u.a. teil und

wird als arabischer Pionier bezeichnet. In den 80er Jahren ist er bekannt ge-

worden als Mitbegründer und Mitherausgeber der literarischen Reihe „Süd-

wind – Gastarbeiterdeutsch“ und Herausgeber der Reihe Unterwegs sowie

Page 225: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

224

der Zeitschrift Fremdworte.465 In der Reihe Unterwegs „setzt er sich von der

bloßen Gastarbeiterliteratur zugunsten literarischer Texte von immigrierten

Ausländern ab, die auch Themen aus ihren Herkunftsländern aufgreifen.“466

Taufiq ist der Begründer des Vereins „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“. Die

Idee zur Vereinsbegründung kam Taufiq bei seiner Arbeit an dem Gedicht-

band Wir sind fremd wir gehen fremd, als er Franco Biondi traf. 1979 veröf-

fentlichte Taufiq gemeinsam mit Biondi einen Aufruf in der Zeitschrift Links-

kurve. Darin riefen sie zur Gründung einer Interessengruppe auf, die die Po-

pularisierung von Autoren nichtdeutscher Herkunft zum Ziel haben sollte.467

Neben Gedichten, Erzählungen, Essays, Geschichten für Kinder und Über-

setzungen in die deutsche Sprache schreibt Taufiq außerdem für Zeitschrif-

ten, Rundfunk und Fernsehen. Außerdem widmet er sich beim WDR der ara-

bischen Musik und den Verbindungslinien derselben zur Musik der europäi-

schen Tradition.468 Seit den 80er Jahren lebt Taufiq als freier Schriftsteller,

Publizist und Übersetzer. Mit seinen Werken und Übersetzungen bildet

Taufiq Brücken für die Völkerverständigung und Völkerannäherung.

5.5.2 Die Aufnahme in Deutschland

5.5.2.1 Der Prosaschreiber

Als Prosaschreiber hat Taufiq lediglich drei Werke veröffentlicht: ein Kinder-

buch und zwei Erzählungen. In einem Prosawerk, das Erzählungen enthält,

reflektiert er die syrische Gesellschaft, die Mentalität der Menschen und die

465 Vgl. AL– MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhun-derts. S. 263. 466 TANTOW, Lutz: Heimat in der Fremde. Tendenzen und Perspektiven der deutschen Literatur von Ausländern. In: Die Zeit Nr. 41. 05.10.1984. S. 19. 467 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 152. 468 Vgl. TAUFIQ, Suleiman: Die andere Kultur. „Ich bin der Fremde“: Al Hawazi. Gesän-ge aus Algerien. Sendung: 24.8.1996 WDR5- Konturen: Flamenco & Co. Sendung: 16.04.1996. Zitiert von: AIFAN: Araberbilder. S. 153.

Page 226: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

225

Lebensart in den 50er und 60er Jahre. Er nutzt sein Schreiben, um das west-

liche Sicht von der arabischen Gesellschaft zu korrigieren. Dies bedeutet,

dass er die arabischen Sitten, Traditionen und Lebensweisen beschreibt für

die deutschen Leser, die wenig über die arabische Gesellschaft von damals

wissen.

Im Mittelpunkt seiner Erzählung Warten steht der Fremde. Die Protagonisten

sind Menschen, die sich zwischen zwei verschiedenen Kulturen befinden.

Beim Versuch, sich in ihrer neuen Welt zu orientieren, geraten sie in Kon-

flikt, weil die neuen Bedienungen und Wünsche sich nicht mit den in der

Kindheit erlebten Werte und Pflichtvorstellungen vereinbaren lassen. Doch

die Geschichten sind auch eine Art Liebeserklärung an die Fremde, die im

Laufe der Zeit immer vertrauter wird. Humorvoll wird erzählt, wie die Pro-

tagonisten dieser Fremde allmählich heimische Gefühle entwickeln.

1992 schreibt Taufiq eine autobiografische Erzählung mit dem Titel Im

Schatten der Gasse. Darin beschreibt er seine Erinnerungen an die Kindheit

und an seiner Heimatstadt Damaskus. Man kann diese Erzählung zur realisti-

schen Prosa zählen. In dieser Erzählung wird eine Gasse beschrieben, in der

Taufiq aufgewachsen ist. Die verbotene Liebe und ihre Schicksal, die Tren-

nung zwischen Männern und Frauen u.a. sind Themen in dieser Erzählung.

Im Gegensatz zu seinen anderen Texten kann man in dieser Erzählung das

„Exotische“ finden; denn Taufiq wählte arabische Figuren und arabische

Handlungsorte.

Bestimmte von Taufiq beschriebene arabische Szenen, die in einer alten Gas-

se in Damaskus spielen, erscheinen für einen deutschen Leser fremdartig,

beispielsweise die Begeisterung der Menschen für die ägyptische Sängerin

Umm Kulthum, die an jedem Donnerstagvormittag im Radio zu hören ist.

Dann verstummte das rege Treiben in der Gasse, weil die Leute vor den Ra-

dios saßen und zuhörten: „Die Menschen, vor allem die Jugendlichen,

Page 227: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

226

stöhnten vor Schmerz und Genuß. Das war einmal ein erotischer Genuß, der

ihnen nicht vorenthalten wurde.“469 Ebenfalls wechselte Taufiq die Erzähl-

perspektive: hier ist kein Ich-Erzähler vorhanden, sondern es wird auktorial

erzählt.470

Ein weiteres Beispiel für die Beschreibung fremder arabischer Lebenselemen-

te in Im Schatten der Gasse ist die Geschichte des Kuhhirten Amer. Er hat

einen Albtraum: Er träumt, dass er nach Damaskus geht und sich dort verirrt.

In der Beschreibung des Albtraums gibt es eine besondere Szene; darin

taucht ein Zug auf, der von Kindern, die an der Haltestelle warten, mit Stei-

nen beworfen wird. Die Kinder und ihre Eltern wurden von den Reisenden

verflucht. Dann erklärt Taufiq, warum die Kinder den Zug mit Steinen be-

warfen: „Die Kinder haben diese Angewohnheit von ihren Vätern und Groß-

vätern übernommen, ohne es zu wissen“.471

An einer anderen Stelle wird erzählt: Die Eisenbahnlinie stand in der Vergan-

genheit im Dienst der französischen Armee, der Besatzungsmacht. Die Fran-

zosen nutzten die Züge ausschließlich für den Transport ihrer Truppen. Da-

mals bewarfen die Kinder die Züge mit Steinen wegen der Franzosen; und

weil sie sich daran gewöhnten, hörten sie damit nicht auf, als keine Franzosen

mehr in den Zügen saßen. So wurde dies zur Gewohnheit und von einer Ge-

neration auf die nächste weitergegeben. Hier kann der Leser etwas über die

syrische Geschichte und die französische Besatzung erfahren.

Taufiqs Prosawerk Im Schatten der Gasse enthält in 157 Seiten einfache Er-

zählungen in einem zweisprachigen Buch arabisch-deutsch über das Alltags-

leben in einer kleinen Gasse von Damaskus. Taufiq hat wenige prosaische

Werke veröffentlicht. Er beschäftigte sich mit Übersetzungen und Lyrik mehr

als mit Prosa. So hat er bis 2005 keine prosaischen Werke veröffentlicht.

469TAUFIQ, Suleiman: Im Schatten der Gasse. Berlin: Edition Orient Verlag. 1992. S. 67. 470 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 155. 471 Ebd. S. 49.

Page 228: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

227

Warten, sein zweites Prosawerk, erschien 2005. Für Kinder schrieb er 2006

ein zweisprachiges Bilderbuch mit dem Titel Oh wie schön ist Fliegen.

5.5.2.2 Der Lyriker

Als Lyriker schreibt Taufiq über Liebe, Fremde und Heimat. Bislang veröf-

fentlichte er sechs Bände: Sein erster Gedichtband in deutscher Sprache war

Wir sind fremd wir gehen fremd (1978), Layali erschien 1984, Das Schwei-

gen der Sprache 1988. Spiegel des Anblicks (1993) vereinigt deutsche Ge-

dichte mit einigen zweisprachigen Gedichten, Mondtheater (2001) und Was

weißt du von mir (2004) versammeln arabisch-deutsche Liebesgedichte.

Taufiq, wie andere arabische Lyriker auch, hat seine ersten Gedichte mit exo-

tischen Elementen angereichert. In dem Band Layali (1984) ist die Exotik

deutlich vernehmbar. In dem Gedicht In deinen Augen472 zum Beispiel er-

kennt man deutlich die orientalischen Bilder und die arabischen Elemente wie

der arabische Tanz, Karawanen, Wüste u.a.:

Wenn du lachst, höre ich das Lachen der Kinder

Wenn du klatschst, höre ich den Rhythmus der arabischen Tänze

Wenn du dich bewegst, bewegen sich die Karawanen in einer

Wüste

Wenn ich deine Hand nehme, nehme ich die Hände des Morgens

Im Jahr 1993 erschien der Band Spiegel des Anblicks. Mit diesem Band ent-

fernte sich Taufiq von dem Exotischen und schrieb Gedichte ohne orientali-

sche Bilder oder exotische Elemente. Aifan ist der Ansicht, dass Taufiq be-

wusst die Thematisierung alles Arabischen meidet. Arabisches bedeutet für

ihn Exotismus, daran möchte er nicht teilhaben. Er will, dass seine Gedichte

472 TAUFIQ, Suleiman: Layali. Gedichte. Essen: Klartext Verlag. 1984. S. 58.

Page 229: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

228

und Geschichten nicht den klassischen Erwartungen entsprechen. Seine Tex-

te müssen ganz fern von dem exotischen bzw. falschen deutschen Vorwissen

über die arabische Literatur bleiben.473

Die lyrische Entwicklung betreffend sagt Taufiq, dass er nach der Veröffent-

lichung seines Gedichtbandes Das Schweigen der Sprache die „deutsche

Emotionalität“ kannte. Dann nimmt er eine andere Position ein. Die deutsche

Emotionalität wird für ihn näher als die „arabische Emotionalität“. Die

„Sehnsucht“ besitzt bei ihm doppelte Bedeutung; die Sehnsucht nach Syrien

in Deutschland sowie die Sehnsucht nach Deutschland in Syrien.

5.5.2.3 Der Übersetzer und Herausgeber

Als Übersetzer hat sich Taufiq einen guten Namen erarbeitet und wurde da-

für durch die deutschen Kritiker und das Publikum sehr gelobt. Neben seiner

ins Arabische übersetzten Kleine Geschichte der deutschen Literatur von

Kurt Rothmann (1989) wurde neben seinen Übersetzungen aus dem Arabi-

schen ins Deutsche auch seine Tätigkeit als Herausgeber der Sammelbände

sehr positiv aufgenommen; seine Arbeit versucht, die Informationslücke in

Bezug auf die arabische Gesellschaft und Literatur zu schließen besonders als

Übersetzer trägt seine Arbeit an einem Informationsaustausch zwischen

Deutschland und der arabischen Welt bei.

Bedeutende Werke zeitgenössischer arabischer Literatur finden durch seine

Übersetzungen einen Weg zum deutschen Publikum. Taufiq hat die zu über-

setzenden Werke sorgfältig ausgewählt; darunter sind Bücher von Adonis,

Ghada Samman, Nawal Saadawi, Laila Al-Osman, Alifa Rifaat und Nagib

Machfuz zu finden. Daneben machte er ein breites Spektrum zeitgenössischer

473 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 154.

Page 230: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

229

Frauenliteratur auf dem deutschen Buchmarkt bekannt.474 Dies wurde von

Kritikern stark gelobt. Andrea Wörle vom Deutschen Taschenbuch Verlag

hat Taufiqs Verdienst hervorgehoben. Wörle beobachtet, dass seine zwei

vom Dtv herausgegebenen Anthologien Arabische Erzählungen und Frauen

in der arabischen Welt sehr gut aufgenommen werden. Für die Leser und

Leserinnen stellt, nach Wörle, diese Anthologien eine bedeutende Hilfe dar,

um einen Einblick in die Literatur und in die Kultur der arabischen Welt zu

gewinnen.475

In Arabische Erzählungen (2004) hat Taufiq 80 Erzählungen von 40 arabi-

schen Autoren gesammelt und übersetzt. Zum ersten Mal konnte der deut-

sche Leser einen Einblick in die arabische Prosaliteratur vom 8. Jahr-hundert

bis zur Gegenwart gewinnen. Durch die Erzählungen der Anthologie Frauen

in der arabischen Welt zeigte Taufiq dem deutschen Publikum das Leben der

Frauen in der arabischen Welt. Die Frauen sind die Heldinnen der Erzählun-

gen und stammen aus vielen arabischen Ländern.

1995 hat Taufiq gemeinsam mit Jutta Szostak eine Anthologie mit dem Titel

Der wahre Schleier ist das Schweigen im Fischer Taschenbuchverlag heraus-

gegeben. Der deutsche Leser konnte durch die Anthologie etwas über die

literarische Situation der Frauen in den arabischen Ländern erfahren. Der

Mangel an Informationen über die zeitgenössische arabische Literatur wird

mit dieser Anthologie behoben.

474 Nawal El-Saadawi: Schador. Frauen im Islam (Mitübersetzer). Bremen: CON Edition Verlag. (1980). Laila Al Osman: Die Wände zerreißen. Erzählungen. Berlin: Edition Orient Verlag. (1988). Alifa Rifaat: Erste Liebe letzte Liebe. Erzählungen. Erzählungen. Berlin: Edition Orient Verlag. (1989). – Die letzte Nacht nach Tausend Nächten. Erzäh-lungen. Berlin: Edition Orient Verlag. (1991). Adonis: Der Baum des Orients. Gedichte. Berlin: Edition Orient Verlag. (1989). Ghada Samman: Mit dem Taxi nach Beirut. Ro-man. Berlin: Edition Orient Verlag. (1990). Sargon Boulus: Ein unbewohntes Zimmer. Erzählungen. Meerbusch: Edition Orient Verlag. (1996). Nagib Machfuz: Geschichten aus unserem Viertel. In: WÖRLE, Andrea: Im Schatten der Paläste. Frankfurt am Main: Athenäum. 1987. 475 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 122.

Page 231: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

230

Weitere durch Taufiq herausgegebene und erwähnenswerte Anthologien

sind: Dinge, die andere nicht sehen – eine Sammlung mit Texten von 20

Lyrikerinnen aus dem arabischen Raum - erschien 2006; „Neue Arabische

Lyrik erschien 2004; Dies ist nicht die Welt, die wir suchen erschien 1983;

Zu Gast bei den Entwickelten erschien 1985 und Mittenaus Mittenein enthält

irakische Lyrik, die gemeinsam mit Khalid AL-Maaly und Stefan Weidner im

Jahr 1993 herausgegeben wurde.

Über Mangel an Anerkennung im Sinne von Literaturpreisen konnte sich

Taufiq nicht beschweren. Im Jahre 1983 erhielt Taufiq den Walter-

Hasenclever-Preis der Stadt Aachen. Taufiq, der deutsch-arabischer Schrift-

steller, Übersetzer und Herausgeber von Anthologien hat einen wichtigen

Beitrag zur arabischen Literatur als Bestandteil von der in Deutschland le-

benden arabischen Autorengruppe geleistet. Weil es in der Öffentlichkeit eine

Informationslücke gibt, hilft Taufiqs Arbeit, den Mangel an Informationen

über arabische Literatur, über die Situation und die literarische Produktion

der Frau in den arabischen Ländern zu beheben.

Page 232: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

231

6 Ergebnis der Arbeit

Das Ziel dieser Studie ist die Untersuchung der deutschen Rezeption der in

Deutschland lebenden arabischen Autoren seit den 50er Jahren des 20. Jahr-

hunderts. Die arabischen Autoren bilden eine literarische Gruppe neben ande-

ren Autoren, die aus verschiedenen Minderheiten besteht. Sie liefern einen

wichtigen Beitrag zur Migrationsliteratur in Deutschland. Es wurde gezeigt,

dass die deutsche Rezeption arabischer Migrationsliteratur in unterschiedli-

chen Phasen verläuft und dass trotz der Rezeptionsproblematik einige arabi-

sche Autoren als die berühmtesten Migrantenautoren in Deutschland betrach-

tet werden. Es wurde dargestellt, dass die deutsche Rezeption arabischer

Literatur in der Zeit von 1950 bis 1980 von einer Lückenhaftigkeit gekenn-

zeichnet ist und die arabische Literatur innerhalb der Migrationsliteratur in

Deutschland nur marginal beachtet oder untersucht worden ist. Die arabische

Migrationsliteratur wurde als niveaulos abqualifiziert oder als Problemlitera-

tur, als authentisches Dokument ins Abseits gedrängt. In den 80er Jahren

verbesserte sich die deutsche Rezeption arabischer Literatur. Die 80er Jahre

gelten in der Geschichte der Migrationsliteratur als Gründungszeit und als ein

wichtiger Teil der deutschen modernen Literatur. Deshalb waren die Aktivi-

täten und die Zusammenarbeit von Autoren in dieser Zeit dynamischer als in

späteren Zeiten. Maßgeblich für die gute Aufnahme einiger arabischer Auto-

ren war stets der Berühmtheitsgrad. Seit den 90er Jahren bekommt die arabi-

sche Migrationsliteratur viel Lob und Kritik von der deutschen Literaturkritik

und der Literaturwissenschaft.

Die Erforschung der Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen Au-

toren erfordert die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Migrationsli-

teratur sowie mit der Geschichte der Rezeption der Migrationsliteratur als

neues Phänomen in der modernen deutschen Literatur. Die literarischen An-

fänge markierten die Texte von italienischen und türkischen Immigranten, die

später bekannter als andere Minderheitenautoren werden. Neben diesen Min-

Page 233: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

232

derheitenautoren kämpften die in Deutschland lebenden arabischen Autoren

etwa 20 Jahre, damit sie im deutschen Literaturbetrieb wahrgenommen und

als Autoren ernst genommen werden. Seit den 1990ern erregten sie mit ihren

Publikationen die deutsche Aufmerksamkeit und wurden nicht mehr als Be-

standteil der sogenannten „Migrationsliteratur“ in Deutschland rezipiert, son-

dern als individuelle Autoren.

Man kann zusammenfassend sagen, dass aufgrund der Literaturpreise, insbe-

sondere des Adelbert-von-Chamisso-Preises, die Einladungen zu literarischen

Veranstaltungen und Autorenlesungen, die Neuauflagen der Werke als Indiz

einer positiven Rezeption, allmählich die arabischen Autoren seit Ende der

80er Jahren mit ihren individuellen Unterschieden beachtet wurden. In den

80er Jahren beteiligten sich die arabischen Autoren mit Essays an der Debatte

um den Stellenwert und Definition der Literatur von ausländischen Autoren,

sowie um die Anerkennung dieser Literatur von den Immigranten im Allge-

meinen. Die 80er Jahre waren ebenso die Zeit, in der die ausländischen Im-

migranten aus verschiedenen Nationalitäten zusammenarbeiteten. Sie gründe-

ten damals die literarische Buchreihe Südwind-Gastarbeiterdeutsch und ga-

ben verschiedene Anthologien heraus. Unter der Mitwirkung von Immigran-

ten entstand auch der Polynationale Literatur und Kunstverein als erste Ver-

einigung ausländischer Autoren und Künstler in Deutschland.

Zusätzlich öffnet die Verleihung des Literaturnobelpreises an den ägypti-

schen Autor Nagib Machfuz eine weite Tür für die arabische Literatur, beim

deutschen Publikum bekannt zu werden. Hier spielten die Übersetzungen

arabischer Werke eine besondere Rolle. Insbesondere sind arabische Romane

seit dem Anfang der 90er Jahre nach und nach ins Deutsche übersetzt wor-

den. Die in Deutschland wohnhaften Autoren, die auf Arabisch schreiben,

haben ihre im Original arabischen Werke selbst übersetzt oder übersetzen

lassen. Hier ist es von Bedeutung, die Übersetzungen von Karasholi, Taufiq

und Al-Maaly hervorzuheben.

Page 234: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

233

Um die literaturkritisch-interpretatorische Rezeption der arabischen Werke in

den 70er und 80er Jahren in Deutschland ist es nicht besser bestellt als um

die Rezeption der gesamten entstehenden Migrationsliteratur in Deutschland.

Die Kritik besteht im wesentlichen aus den wenigen veröffentlichten Essays,

Artikeln und Aufsätzen. Ein beträchtlicher Teil dieses literaturkritischen Ma-

terials stammt von den Wissenschaftlern, Übersetzern und den Fachleuten,

die sich mit der Migrationsliteratur beschäftigen wie u.a. Irmgard Ackermann

und Harald Weinrich. Die vorhandenen Informationen in diesen Artikeln ver-

größern nicht das Verständnis des Lesers für die arabischen Werke, weil sie

einfachen Vorstellungen der Autoren und ihrer Werke bieten.

Es ist wichtig anzumerken, dass die wissenschaftliche Rezeption der Migrati-

onsliteratur in Deutschland an den Inhalten dieser Literatur orientiert. Litera-

turkritik und Literaturwissenschaft beleuchteten die Entstehung- und Ent-

wicklungsphasen der Migrationsliteratur. Sie wiesen immer wieder auf das

Vorhandensein dieser Literatur hin, hoben deren Themenschwerpunkte her-

vor, mit Absicht umfassend auf den neuen Literaturzweig einzugehen. Wegen

der bedeutenden Zahl der italienischen und türkischen Schriftsteller, die seit

der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland leben, erscheinen

diese zwei Gruppen häufig in den deutschen Forschungen zum Thema Migra-

tion und Migrationsliteratur. Die Studien über die arabischen Autoren sind

gering. Zudem wurden die arabische Minderheit, ihre Probleme und ihre Ge-

schichte noch nicht untersucht. Die Studien über die arabischen Autoren be-

schränken sich auf bestimmte Themen wie u.a. Araberbilder und arabische

Märchen. Unter den arabischen Autoren wurden Schami und Karasholi un-

tersucht. In den Studien über Migrationsliteratur wurden die Namen der ara-

bischen Autoren und Autorinnen kaum erwähnt und ihre Werke kaum be-

leuchtet. Lediglich Beispieltexte von den arabischen Werken sind erwähnt.

Die Untersuchung im zweiten Kapitel stellte fest, dass die Rezeption arabi-

scher Autoren in Deutschland nicht ohne Probleme verläuft. Es herrscht eine

Page 235: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

234

adäquate Rezeption sowie eine Fehlrezeption. Die Fehlrezeption entstand aus

Vorwissen und Vorurteilen. Die Untersuchung ergab, dass die Rezeption

arabischer Autoren seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht ohne Re-

zeptionsproblematik läuft. Im 19. und 20. Jahrhundert, als eine Begeisterung

für den Orient in Deutschland herrschte, wurden einige literarische Produkti-

onen der arabischen Autoren als Darstellung orientalischer Exotik oder Folk-

lore rezipiert. Tausendundeine Nacht spielt dabei eine doppelte Rolle: Ers-

tens prägt sie das Bild der Araber mit Fantasie und Märchen. So sind einige

kritischen Urteile über arabische Literatur nicht frei von den vorgefassten

Meinungen. Dies erklärt die Gründe der bedeutenden Aufnahme der erzähle-

rischen Werke. Der Autor wird am erfolgreichsten, weil er die Vorstellung

des exotisch-erotischen Orients vorantreibt. Das änderte sich allmählich als

die arabischen Autoren über ihre Werke in der Presse sprachen.

Die Berichterstattung und die Artikel in Zeitungen klärten über die literari-

schen Eigenschaften jedes Werkes auf. Die Autoren selbst jedoch, die als

Erzähler tätig sind, profitieren von der Beliebtheit der arabischen Erzählkunst

beim deutschen Publikum, um ihrer Literatur Gehör zu verschaffen. Einige

arabische Autoren genießen einen guten Ruf in Deutschland wie Rafik Scha-

mi, der als fester Bestandteil der modernen deutschen Literatur betrachtet

wird, oder der erfolgreiche Lyriker Adel Karasholi, der für sich einen guten

Namen in Deutschland seit den 70er Jahren gebildet hat und sich Gehör ver-

schaffte. Man kann die Rezeption Karasholis und Schamis in Deutschland als

überaus positiv und als produktive Rezeption bezeichnen. Bei der Darstel-

lung der Rezeptionsaspekte der arabischen Autoren erscheinen neben Lob

ihrer Werke auch Missverständnisse und Vorurteile über ihre Werke.

Was die arabischen in Deutschland lebenden Schriftstellerinnen anbetrifft,

erfahren einige trotz der geringen Anzahl eine gute Aufnahme. Al-Hilali ge-

nießt wegen ihrer realistischen Erzählungen einen guten Ruf in Deutschland.

Weil die arabische Frauenliteratur in Deutschland nicht fern von der dominie-

Page 236: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

235

renden Thematik in der modernen arabischen Frauenliteratur ist, wurden die

arabischen Schriftstellerinnen, die reale Geschichten bieten oder beeinflusst

von der Biographie schreiben, gut rezipiert. Diese Schriftstellerinnen spielen

eine kulturelle Vermittlungsrolle und bieten dem deutschen Lesepublikum in

Romanen wichtige Informationen über politische und soziale Zustände in

ihrer Heimat. Die Probleme von Frauen in einer arabisch-islamischen Gesell-

schaft sind ebenfalls Schwerpunkte der bisher nur wenig veröffentlichten

Romane. Trotz ihres wichtigen Beitrags zur arabischen Migrationsliteratur,

wurden die arabischen Schriftstellerinnen im Vergleich zu ihren türkischen

und italienischen Kolleginnen kaum untersucht.

Der folgende Teil der Untersuchung beschränkt sich auf die Rezeption der in

Deutschland lebenden syrischen Autoren und versucht zu zeigen, dass sich

Schamis Popularität in Deutschland von Anfang an und größtenteils wegen

seiner Tätigkeit als Erzähler vergrößerte. Dafür gibt es eine Erklärung: Das

mündliche Erzählen ist beim Publikum in Deutschland auf große Resonanz

gestoßen. Unter den meistgelesenen arabischen Erzähler gilt Schami als der

bekannteste. In den 80er Jahren brachte er entwickelte arabische Erzählkunst

auf die Bühne. Mit etwas Schauspielkunst wurden seine Erzählungen leben-

dig. Später vergrößerte sich sein Lesepublikum und er wurde zu einem er-

folgreichen deutschsprachigen Autor in Deutschland.

Der historische Hintergrund der Untersuchung ist die Geschichte der arabi-

schen Erzählkunst. In Arabien war die Erzählkunst seit Jahrhunderten die

beliebte orale Kunst, in der Volksgeschichten, Heldenerzählungen und mär-

chenhafte Erzählungen entstanden und entwickelt wurden. Die Untersuchung

der modernen arabischen Werke ergab, dass eine deutliche arabische Rück-

kehr zur Erzählkunst zu beobachten ist und eine Inspiration von Tausend-

undeiner Nacht deutlich auf den Gebieten Roman und Theater vorherrscht.

Diese Inspiration diente besonders zur Formulierung von politischer Kritik an

ihren Herkunftsländern.

Page 237: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

236

Die deutsche Leserschaft begegnet Schamis Werk mit Begeisterung. Hierzu

trugen vor allem seine märchenhaften Erzählungen bei. Diese freundliche

Aufnahme begleitet ihn seit seiner ersten Erscheinung in der deutschen Lite-

raturszene. Dies erklärt die große Verkaufszahl seiner Werke und die darauf-

folgenden Auflagen. Die zahlreichen Publikationen bahnten ihm den Weg zur

internationalen Bekanntheit. Die Literaturpreise spielen ebenso eine große

Rolle bei der Rezeption seiner Literatur; sie haben das akademische Interesse

innerhalb des deutschen Literaturbetriebs auf ihn gelenkt und seinen Leser-

kreis größer werden lassen. Die Untersuchung stellt auch fest, dass Schamis

Erfolg aus den Quellen seiner Geschichten und Romanen entstand, die da

sind: Die Erzählsammlung Tausendundeine Nacht, die Kaffeehausgeschich-

ten, die alten arabischen MaqamÁt von al-HamaÆÁnÐ und al-ÍarÐrÐ und die

berühmte Fabelsammlung aus der abbasidischen Zeit Kalila und Dimna. Ne-

ben diesen Quellen sind seine eigenen Erfahrungen und sein Leben in einer

alten Gasse in Damaskus und die Erzählungen der anderen zwei wichtigen

Quellen, von denen die Kerne seiner Geschichten und Romane entstanden.

Die Untersuchung ergibt auch, dass Schamis Märchen nicht reine arabische

Märchen sind, sondern arabische Märchen auf der Erde der deutschen Wirk-

lichkeit. Inhaltlich verarbeitet er in den erzählerischen Werken einen großen

Abschnitt von seinen eigenen Leben in Syrien und Deutschland. Die Tren-

nung von der Südwindgruppe war Schamis Weg, als einzelner Autor zu

wahrgenommen zu werden. In derselben Zeit wuchsen die Verkaufszahlen

seiner Bücher. Nicht nur als Schriftsteller ist Schami in der deutschen Litera-

turszene präsent, sondern auch als Essayist, der in arabischen und deutschen

Zeitschriften veröffentlicht. Als politischer und Kinder- und Jugendautor hat

er für sich einen guten Namen gebildet. Die Bilder- und illustrierten Bücher

spielen eine wichtige Rolle in seinem Erfolg als Kinderautor. Schamis Weg

zum Erfolg als Kinder- und Jugendautor war nicht sehr leicht. Zum Veröf-

fentlichen seiner Werke stieß Schami auf viele Schwierigkeiten wie Ableh-

nungen von den Verlegern. Was die Kritik an Schamis Werken betrifft, wird

deutlich, dass Schami für seine Verwendung von orientalischen Klischees

Page 238: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

237

kritisiert wurde. Manche Kritiker achten die Vorteile seines Erzählstils, ande-

re wiederum betrachten seine erzählerischen Texte als Trivialliteratur. Im

arabischen Sprachraum war Schami wenig erfolgreich im Vergleich mit sei-

nem Erfolg und Bekanntheitsgrad im deutschen Sprachraum.

Es wurde in Laufe der Untersuchung Karasholis Rezeption in Deutschland

skizziert und gezeigt, dass er sich als ein Autor seiner Wahlheimat Deutsch-

land fühlt. Sein erstes deutsches Werk wurde auf einen exotischen Aspekt hin

reduziert, aber dennoch ermöglichte es mit der Poesie, eine zu der Zeit nicht

sehr verbreitete Auseinandersetzung mit der arabischen Kultur. Später ging

er explizit auf Vorurteile gegenüber der arabischen Kultur ein und plädierte

schließlich in den Essays und Interviews, angesichts einer angespannten poli-

tischen Lage der beiden arabischen und europäischen Seiten, weiterhin für

einen Kulturaustausch. In den 70er, 80er und 90er Jahren gibt es Pressemit-

teilungen, die sich mit Adel Karasholi beschäftigen. Die Kritiker bewerteten

seine Werke mit deutlichem Lob besonders nach der Verleihung des Adel-

bert-von-Chamisso-Preises im Jahr 1992.

Es kann einige gemeinsame Eigenschaften bei den arabischen Autoren entde-

cken werden. Alle arabischen Autoren haben ihre Erfahrungen als Migranten

literarisch thematisiert. Mann kann die Migration als Thema in den meisten

frühen Texten der ersten arabischen Generation finden.476 Anfänglich

vermeideten die arabischen Autoren die Exotik, trotzdem wurden ihre frühen

Texte als exotische emotionale Texte rezipiert. Auch wenn sie sich später

stark von dem Exoten-Image distanzierten, hat ihnen dies ohne Zweifel gro-

ßen Erfolg und Bekanntheit beschert. Seit Ende der 70er Jahre und Anfang

der 80er Jahre distanzierten sich die arabischen Autoren stark in den folgen-

den Werken von dem Exotischen und kritisierten direkt das Metabild des

Arabers.

476 Die Gedichte von Adel Karasholi, Suleiman Taufiq und Jusuf Naoum sind gute Beispile.

Page 239: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

238

In den deutschen Medien schätzt man die arabischen Autoren, die zur ersten

und zweiten Generation gehören, als Kulturvermittler, die für die Annährung

zwischen Deutschland und den arabischen Ländern wirken und für einen Kul-

turaustausch plädieren. Sie schreiben für das einheimische Publikum in

Deutschland und bieten den deutschen Rezipienten ein richtiges Bild von den

arabischen Ländern und der vielfältigen zeitgenössischen Gesellschaft. Sie

erweitern das Verständnis der deutschen Rezipienten, in dem sie neue lyri-

sche und prosaische Sprache schreiben. Hier ist Karasholi ein gutes Beispiel.

Er verwendet eine besondere abstrakte, verdichtete lyrische Sprache und fügt

Metaphern und rhetorischen Ausdrücke hinzu. Insbesondere in seinem Ge-

dichtband Also sprach Abdulla, verwendet Karasholi metaphorische und

argumentative Zusammenfügungen, und ebenso eine künstliche Form, die

altislamischer Struktur entlehnt ist. Dadurch wird Völkerverständigung vor-

bereitet und es gelingt ihnen, ein richtiges Bild, frei von Klischees und fal-

schen Vorstellungen über Araber zu etablieren. Obwohl sie aus der deutschen

Tradition schöpfen, sind sie stark von der arabischen Literatur und Kultur

beeinflusst.

Das Wunderbare und die Wüste wurden von ihnen abgelehnt, weil diese Mo-

tive eine unentwickelte Vorstellung über das gegenwärtige Leben in der ara-

bischen Welt seien, wo es nicht nur Wüste gibt, sondern auch vielfältige geo-

graphische Räume wie moderne Städte u.a. In den Essays, Artikeln, Aufsät-

zen, in Diskussionen und Interviews haben sie sich mit den heutigen politi-

schen Ereignissen in der arabischen Welt und ihren Folgen beschäftigen.

Die Unterschiede zwischen den arabischen Autoren zeigen, dass nur

Karasholi in der DDR seit den 60er Jahren nicht als Ausländer- oder Migra-

tionsautor begann, sondern als aus Syrien eingereister Lyriker. Schon 1962,

nur ein Jahr nach seiner Ankunft in der DDR, erschien ein Bericht über

Karasholis Lesung in der Theaterschule in der Leipziger Volkszeitung. Dazu

erschienen regelmäßig seine in die deutsche Sprache übersetzten Gedichte in

Page 240: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

239

Zeitungen. Die breite Anerkennung verdankt er seiner sozialen Auseinander-

setzung in die Presse und Interviews. Zudem trägt die Lyrik-Welle von 1962

bis 1965 zu seiner Anerkennung bei; die Autoren der sogenannten Sächsi-

schen Dichterschule mit sozialistischer Lyrik begeisterten damals das deut-

sche Publikum.

Aufgrund seiner hoch bewerteten Gedichte, hatte sich Karasholi einen

schnellen Ruhm beim deutschen Publikum erworben. Obwohl die arabischen

Dichter nicht nur als Lyriker tätig sind, wurde jeder arabische Dichter unter-

schiedlich rezipiert; Karasholi als Essayist, Khalid Al-Maaly als Verleger des

Palmyra Verlags und Suleiman Taufiq als Übersetzer und Herausgeber von

Sammelbänden. Gemeinsam trugen sie zu der Erfüllung der Informationslü-

cke über die Araber und die arabischen Kultur und Literatur bei. Vor allem

ist ihre ihre Übersetzungen aus der zeitgenössischen arabischen Literatur hier

hervorzuheben.

Betrachtet man die Geschichte der arabischen Migrationsliteratur im 19.

Jahrhundert und die Rolle der Werke von den arabischen Migranten als Be-

reicherung und Erneuerung der arabischen Literatur,477 dann kommt man an

der Tatsache nicht vorbei, dass die arabische Migrationsliteratur in Deutsch-

land keine innovative Funktion hat, weil sie als moderne arabische Migrati-

onsliteratur geringes Interesse von den arabischen Kritikern bekommt. Heut-

zutage sind die Trennung zwischen der arabischen Migrationsliteratur und

die gesamte arabische Literatur in den arabischen Ländern deutlich. Die

477 Wegen osmanischer Besetzung sind arabische Gruppen besonders aus Libanon und Syrien im 19. und 20. Jahrhundert ausgewanderten. Sie bildeten arabischen Minderheiten in Kanada, USA und in den südamerikanischen Ländern wie Brasilien, Venezuela, Argen-tinien und Chile. In der arabischen Literatur teilt sich die Migrationsliteratur in das südli-che und nördliche Exil. Sie hatten damals wirksame kulturelle und literarische Aktivitä-ten, Vereine und Veranstaltungen, die dem europäischen Publikum einen Einblick in die arabische Kultur gaben. In diesen Städten entstand eine arabische Literatur, heißt die arabische Migrationliteratur, die eine große literarische Schule wurde und Kritik und viel Interesse von den Kritikern in den arabischen Ländern bekam. Dank der „Mahjar-dichter“ im 19. und 20. Jahrhundert entstand die Modernisierung der arabischen Lyrik, dabei ent-hält das arabische Gedicht neue lyrische Form mit neuen metrischen Verwendungen ne-ben neuen behandelten Themen.

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240

Werke von den Autoren sind nicht ins Arabische übersetzt und die Autoren

sind auch kaum in der Literaturszene in ihren Ländern bekannt.478 Der arabi-

sche Leser findet kaum übersetzte Werke von arabischen Migranten, beson-

ders in Syrien. Nur einige Ausnahmen zum Beispiel in Amerika wie Etel Ad-

nan, Naomi Schehab und Gohn Asfur sind im engeren Raum in der arabi-

schen Welt bekannt. Die literarischen Werke von diesen Autoren wurden ins

Arabisch übersetzt. Die Hauptursachen für diese Trennung ist die Krise der

literarischen Übersetzung aus dem Deutschen ins Arabische und die Rezepti-

onslage der deutschen Literatur in den arabischen Ländern.479 Deshalb wur-

den die Einflüsse der arabischen Migrationsliteratur in Deutschland auf die

gesamte arabische Literatur in den arabischen Ländern nicht untersucht.480

Schließlich kann zusammenfassend gesagt werden, dass die arabische Litera-

tur kein oberflächliches Phänomen in der deutschen Literaturszene ist. We-

gen des zunehmenden Interesses von der deutschen Seite vergrößert sich die

öffentliche Wahrnehmung der arabischen Literatur. Zudem wird deutlich,

478 Die deutschen Übersetzer wie Hartmut Fähndrich, Stefan Weidner, Regina Karasholi, Leila Chammaa, Eva Moldenhauer u.a. übernehmen eine schwere Aufgabe mit ihrer en-gen finanziellen Möglichkeiten und daraus resultierenden geringen Möglichkeiten. Neben den deutschen Spezialisten haben die arabischen Migranten, die in Deutschland leben auch einige Anthologien und Übersetzungen ins Deutsch übersetzt. 479 In den arabischen wissenschaftlichen Werken wird kein bestimmtes Jahr benannt, in dem der Beginn der Rezeption der deutschen Literatur im arabischen Orient angesetzt werden kann. Aber es ist möglich, das Jahr 1900 als den Anfangspunkt anzunehmen. In diesem Jahr wurde die erste arabische Übersetzung des Theaterstücks von Friedrich Schil-ler unter dem Titel Kabale und Liebe veröffentlicht. Das Merkmal, das die arabischen Übersetzungen deutscher Werke prägt, aus einer anderen europäischen Sprache. Das Eng-lische steht an erster, das Französische an zweiter Stelle. Ein weiteres Problem der Rezep-tion ist die geringe Zahl aktueller Zeitschriften, die übersetzte Texte fremdsprachiger Literaturen veröffentlichen. Die deutschen Schriftstellern wie Lessing, Goethe, Schiller, Thomas Mann, Brecht und Peter Weis sind u.a. schriftstellerische Größen, die ins Arabi-sche hätten übersetzt werden müssen, aber bis heute ist die arabische Rezeption dieser Persönlichkeiten eher unvollständig. 480 Die Migranten haben keine Rolle wie die Autoren in der Zeit von Gibran gespielten. Im Gegenteil zu der Modernisierung der arabischen Literatur hat sich Schami zum Bei-spiel eine Rückkehr zur alten arabischen Erzählkunst gerichtet. Die arabischen Autoren haben außer einigen Namen keine breiten Bekanntheitsgrade entweder in den verschiede-nen Exils, oder in der arabischen Welt. keiner von denen hat den Berühmtheitsgrad, die Gibran in der Vergangenheit gehabt hatte. Das Bekanntheitsgrad der Autoren, die nicht zur Exilautoren gehören wie Adonis, Mahmud Darwisch, Abd al-Rahman Munif, Nagib Machfuz u. a. ist mehr hoch als das Bekanntheitsgrad der gegenwärtigen Autoren im Exil.

Page 242: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

241

dass die arabischen Autoren eine Vermittlerrolle in den deutsch-arabischen

Kulturbeziehungen spielen. Sie, die Romanciers, Lyriker, Essayisten und

Übersetzer, bieten auch dem deutschen Lesepublikum die Entwicklungen der

arabischen Region in den 20 und 21 Jahrhundert.

Die erscheinenden Fachzeitschriften wie Lisan, Zenith, Al-Maqam, Alif,

Fikrun wa Fann, Diwan und die auf Englisch erscheinende Banipal tragen

zur Verbreitung der Rezeption arabischer Literatur bei. Insbesondere be-

schäftigen sich diese Zeitschriften in Deutschland mit der aktuellen arabi-

schen Kultur und Literatur. Außerdem spielen elektronische Plattformen in

dem islamisch-deutsch-europäischen Kulturdialog wie Qantara u.a. eine be-

deutende Rolle.

Aktuell ist die Situation etwas besser als zu Ende des 20. Jahrhunderts. Vor-

handene arabische Werke erscheinen Dank der deutschen und schweizeri-

schen Verleger, die den Bekanntheitsgrad namhafter arabischer Schriftsteller

im deutschen Sprachraum fördern. Beispielsweise gibt es heutzutage Hans

Schiler Verlag, Edition Orient Verlag, Donata Kinzelbach Verlag, Union

Verlag, Hanser Verlag, Amman Verlag u.a., die ein Interesse an die arabische

Literatur und Kultur haben. Die deutsche Rezeption arabischer Literatur

steigert sich zunehmend. Jährlich wird eine beträchtliche Menge arabischer

Werke ins Deutsche übersetzt.481

481 Was die Verlage betrifft, haben die schweiße Übersetzern die Aufgabe, die arabische Literatur zu übersetzen, und die meiste Bücher über die arabische Literatur und besonders der Roman kommt von zwei Verleger in Schweiz, Lenos und Union. Seit 1983 beschäftig-te sich Lenos Verlag mit der arabischen Literatur nach dem Betritt der Übersetzer Hartmut Fähndrich zum Lenos Verlag.

Page 243: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

242

7 Summary

In this study we expose some aspects of the receipt of the Arab emigration

literature in Germany, and we mean specifically the literature that written by

Arab writers have been living since 1950 in Germany. The subject of this

study covers a wide area of the literary works written by Arab writers and

Arab women writers belong to different Arab countries. Some of them write

in German and others write in Arabic his native Language and these works

are translated into German. These works are various including Poetry, prose,

narrative and cynical literature. The study of the Arab Emigrant literature in

Germany is done according to two aspects. The first is a part of receiving

Arabic literature in Germany since the eighteenth century till today, and the

second trend is placed within the frame of the emergent literature of minori-

ties in Germany since 1950, and here we should take into account the receipt

of Arabic literature according to chronological order including sixties and

seventies where it forms the period of the beginnings of minorities literature,

and then the eighties where it is the period of anthologies and literary clubs.

Also this study involves the impact of the literary prizes to widen the receipt

of minorities’ literature. This study also exposes the problems of receiving

Arabic literature such as the Exotic and folklore. And about the role of the

Arab women writers, this study shows that they present new images from the

Arabic modern community and Arab women today opposite of what a Ger-

man reader expects or knows of the cliché and ready models about the

Arabs.

The focus is in three main chapters on the writers who come from Syria

and publish their works in German language and they are Rafik Shami, Adel

Qara Shuli and Suleiman Tawfiq. As a model of the successful receipt of the

literary product they form literary phenomenon deserves the study. The narr-

ative literature and the stories of thousand and one nights -which known

widely in Germany- plays the main role in receiving the narrative and mytho-

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243

logical works of Rafik Shami. The foundations of receiving of his literature

successfully are the sources of his Arabic stories as well as his political books

and stories for children to wide the audience. Also Adel Qara Shuli succeded

since his arrived Germany, except his first poems which are received as a

passionate Arabic poetry, but the following poetry works has received the

interest of German critics and journalists. He presents mystical and philo-

sophical language shocking the German reader who needs to a prior back-

ground knowledge to understand. In addition to that Qara Shuli shows as an

important translator and journalist publishing continually. Also the transla-

tions, selections from Arabic modern literature that Suleiman Tawfiq

presents has been received well, as it provides the German reader a clear idea

of Arabic modern literature and the talent of its writers who had not given

them any translation of their works into German till now. Tawfiq’s receiving

shows as a cultural mediator between the two civilizations and cultures <

Arab and German > more than he is a poet and narrator.

Finally this research leads to a result that the Arabic literature in general

and not only the literature of Arab emigrants in Germany which has gained

the interest of German critics and readers since nineties, the publishing hous-

es and literary magazines in Germany work to provide the best works of

Arabic modern literature to the audience of German readers to remove the

misunderstanding of this literature and not to remain an oriental literature

inheriting stories of thousand and one nights, but a modern literature de-

serves to be read. Research has also shown the role of books by Arab writers

in Germany to clarify the image of modern Arab society and improve the

receipt of the Arabic literature in general.

Page 245: Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land

244

8 Literaturverzeichnis

8.1 Primärliteratur

ALAFENISCH, Salim: Das Kamel mit dem Nasenring. Erzählungen. Zürich:

Unionsverlag. 1990.

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SCHAMI Rafik: Hürdenlauf. Frankfurt am Main: Freundeskreis des Inset. Für Jugendbuchforschung. 1996. SCHAMI, Rafik: Die Sehnsucht fährt schwarz. Geschichten aus der Fremde. München: Deutsche Taschenbuch Verlag. 1996. SCHAMI, Rafik: Milad. Von einem der auszog, um einundzwanzig Tage satt zu werden. München/Wien: Hanser Verlag. 1997. SCHAMI, Rafik: Der Fliegenmelker. Geschichten aus Damaskus. Mün-chen/Wien: Hanser Verlag. 1997. SCHAMI, Rafik: Damals dort und heute hier. Über Fremdsein. Hrsg. von Erich Jooß. Freiburg: Herder Verlag. 1998. SCHAMI, Rafik/GUTZSCHHAHN, Uwe-Michael: Der geheime Bericht über den Dichter Goethe,der eine Prüfung auf einer arabischen Insel bestand. München/Wien: Hanser Verlag. 1999. SCHAMI, Rafik: Sieben Doppelgänger. München/Wien: Hanser Verlag. 1999. SCHAMI, Rafik: Angst im eigenen Land. Israelische und palästinensische Schriftsteller im Gespräch. Essays. Zürich: Nagel & Kimche Verlag. 2001. SCHAMI, Rafik: Mit fremden Augen. Tagebuch über den 11. September, den Palästinakonflikt und die arabische Welt. Heidelberg: Palmyra Verlag. 2002. SCHAMI, Rafik/KÖNNECKE, Ole: Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm. München: Hanser Verlag. 2003. SCHAMI, Rafik: Das große Rafik Schami Buch. München: Deutsche Ta-schenbuch Verlag. 2003. SCHAMI, Rafik: Die Sehnsucht der Schwalbe. Roman. München/Wien: Hanser Verlag. 2003. SCHAMI, Rafik: Die dunkle Seite der Liebe. München/Wien: Hanser Ver-lag. 2004. SCHAMI, Rafik: Der Kameltreiber von Heidelberg. Geschichten für Kinder jeden Alters. Bilder von Henrike Wilson. München/Wien: Hanser Verlag. 2006. SCHAMI, Rafik: Das Geheimnis des Kalligraphen. München: Deutsche Ta-schenbuch Verlag. 2008.

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lag. 1996.

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wa at-taÝarrufu ilaihi wa taÞ×Ðruhu. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 63-73.

FÄHNDRICH, Hartmut: ÍuÃÙr al-adab al-ÝarabÐ al-mutarÊam fÐ SÙq al-bÐlād al-mutakallima bi-l-almānÐya. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 39-48. ÍUSAIN, TÁha: al-QaÒr al-MasÎūr. Dār an-Našr al-Îadi×a. Kairo. O. J. ÍUSAIN, TÁha: AÎlām Schehrezād. Jerusalem: 1942. 1. Aufl. Kairo. 1943. 7. Aufl. Kairo: Dar Al-Maaref. 1986. ÑÀLÏH, SÁlima: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. Köln: Palmyra Verlag. 2006. 2. Aufl. BAÇDÀDÏ, ŠauqÐ: TaÎÐya ila ÝAdil QarašÙli. A×- Õaura Zeitung 11.06.1977. DARRÀÉ, FayÒal: ItiÎÁd al-kuttÁb al-almÁn yukarrimuhu fÐ ÝÐd mÐlÁdihi

as-sabÝÐn. ÝAdil QarašÙli šÁÝir sÙrÐ Ýa×ara Ýala al-waÔan fÐ al-manfa al-almÁnÐ.

In: al-ÍayÁt Zeitung 12.12.2006.

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8.4 Plattformen in Internet

EL-KOURAI, Ahmad: Geschichtliche Entwicklung der Migration.

http://www.marokko-dabg.de/Migration_Arabische_Migration.html. Besucht

am: 17.11.2006.

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Versicherung

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig, nur mit

den angegebenen Hilfsmitteln und ohne fremde Hilfe angefertigt habe.

Berlin, 03.08.2010 Arig Saleh

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