29
RISIKO- ERTRAGS- ANALYSE Harry M. Markowitz Wirtschafts-Nobelpreisträger und Begründer der Modernen Portfoliotheorie mit Kenneth A. Blay Band 1 Theorie und Praxis des rationalen Investierens

Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

Risiko-ERtRags-analysE

Harry M. Markowitz Wirtschafts-Nobelpreisträger

und Begründer der Modernen Portfoliotheorie

mit kenneth a. Blay

Band 1

theorie und Praxis des rationalen investierens

Page 2: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

Risiko-ERtRags-analysE

Harry M. Markowitz Wirtschafts-Nobelpreisträger

und Begründer der Modernen Portfoliotheorie

mit kenneth a. Blay

Band 1

theorie und Praxis des rationalen investierens

Page 3: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

Risk-Return Analysis (Volume 1)

ISBN 978-0-07-181793-6

Copyright der Originalausgabe 2014:

Copyright © 2014 by Harry M. Markowitz and Kenneth A. Blay. All rights reserved.

Published by McGraw-Hill Education, New York

Copyright der deutschen Ausgabe 2014:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Egbert Neumüller

Covergestaltung: Jürgen Hetz, denksportler Grafikmanufaktur

Gestaltung, Satz und Herstellung: Martina Köhler

Lektorat: Claus Rosenkranz

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-179-5

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: [email protected]

www.boersenbuchverlag.de

http://www.facebook.com/boersenbuchverlag

Page 4: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

WidMung

Barbara Markowitz und ich waren beide vorher schon zweimal verheiratet. Sie brachte aus einer ihrer früheren Ehen zwei Kinder in

unsere Ehe mit und ich brachte vier aus meinen beiden früheren Ehen mit. Nachdem ich Barbara schon ein früheres Buch gewidmet habe,

möchte ich dieses Buch folgenden Personen widmen:

Unseren Kindern(in der Reihenfolge, in der sie auf die Welt kamen):

David, Sue, Jim, Fred, Laurie und StevenUnd unseren Enkeln (nach Familien gruppiert):

Becky, Michalina, Ben und Lee; Melody, Brenden und Amy; Helen; Lauren und Chris; Rashayna, (eine andere) Lauren und Mick.Außerdem unseren Urenkeln Merle; Cyrus und Elijah; Miles; Henry und Molly; (einer unterwegs); Collin, Kieran und Finn;

Malachi und Zoe; Jaden, Dasan und Ryder.

Barbara und ich waren nur Kinder.

Kenneth BlayMeinen Eltern George und Mirta sowie meiner Frau Viviana.

Page 5: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

4

Geleitwort ........................................................................................................7Vorwort ..........................................................................................................17Danksagungen ............................................................................................. 23Gliederung der geplanten Bände II, III und IV ...................................... 25

1. das ErWartuNgsNutzEN-PriNziPEinführung ...................................................................................................33Definitionen ................................................................................................. 36Eindeutigkeit .................................................................................................41Eigenschaften der Maximierung des Erwartungsnutzens .................... 43RDM versus HDM ...................................................................................... 45Das Allais-Paradoxon ................................................................................. 47Das Weber’sche Gesetz und das Allais-Paradoxon ................................ 50Die Axiome .................................................................................................. 54Axiom I ......................................................................................................... 55Axiom II ....................................................................................................... 55Die Axiome III und III’ .............................................................................. 57Beschränkter und unbeschränkter Nutzen von Renditen .................... 60Postskriptum ............................................................................................... 62

inHalt

Page 6: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

5

2. MEaN-VariaNcE-NähEruNgEN für dEN ErWartuNgsNutzENEinführung .................................................................................................. 65Könnte man nicht einfach den Erwartungsnutzen maximieren? ....... 68Renditenutzen und Vermögensnutzen – eine Gegenüberstellung ...... 72Die fehlerhafte Analyse von Loistl ............................................................74Levy und Markowitz (1979) ........................................................................75Sehr risikoscheue Anleger ......................................................................... 79Sehr risikoscheue Anleger und eine risikolose Anlage ..........................81Portfolios aus Call-Optionen .................................................................... 83Die Näherungen zweiter Ordnung und die Gauß-Näherungen für den Erwartungsnutzen nach Ederington .......................................... 87Andere Pioniere ........................................................................................... 92Fazit ............................................................................................................... 95

3. MEaN-VariaNcE-NähEruNgEN für das gEoMEtrischE MittElEinführung .................................................................................................. 97Weshalb die Eingangsgrößen einer Mean-Variance-Analyse arithmetische Mittel sein müssen........................................................... 101Sechs Mean-Variance-Näherungen für g .............................................. 103Die bei den Anlageklassen beobachteten Näherungsfehler................106Beziehungen zwischen den Näherungsmethoden ................................111Reale Aktienrenditen im 20. Jahrhundert ..............................................117

Page 7: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

6

Die Wahl der Näherung ...........................................................................130Zusammenfassung .................................................................................... 135Technische Anmerkung: Zur Wahl eines gewichteten Durchschnitts aus Näherungen ..............................................................136

4. altErNatiVE risikokENNzahlENEinführung ................................................................................................ 139Der Anlageklassen-Datenbestand .......................................................... 140Vergleiche ................................................................................................... 143Der DMS-Datenbestand .......................................................................... 153Einschränkung und Fazit ........................................................................ 155

5. diE WahrschEiNlichkEit VErschiEdENEr rENditEVErtEiluNgEN (Mit aNthoNy tEssitorE, aNsEl tEssitorE uNd NilufEr usMEN)Einführung ................................................................................................ 163Bayes-Faktoren .......................................................................................... 167Transformierte Variablen ........................................................................ 170Zusammengesetzte Hypothesen ............................................................. 173Die Pearson-Familie ..................................................................................174Der DMS-Datenbestand ...........................................................................181So gut wie normalverteilt ......................................................................... 186Histogramme zur Verdeutlichung ......................................................... 189Verteilungen, die LH für das Ensemble annähernd maximieren ...... 191Transformierte Länderverteilungen....................................................... 195Bemerkungen .............................................................................................198Empfehlung ................................................................................................ 200

Anmerkungen ............................................................................................203Bibliografie ................................................................................................. 217

Page 8: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

7

GELEITWORT

„Man kann den Prozess, ein Portfolio auszuwählen, in zwei Phasen aufteilen. Die erste Phase beginnt mit Beobachtung und Erfahrung und sie endet mit Überzeugungen über die jeweilige künftige Performance verfügbarer Wertpapiere. Die zweite Phase beginnt mit relevanten Überzeugungen über die zukünftige Performance und endet mit der Auswahl des Portfolios. Der vorliegende Artikel befasst sich mit der zwei-ten Phase.“

– Harry Markowitz (1952)

„Markowitz hat als Erster das Risiko zum Herzstück der Geldanlage gemacht, indem er sich darauf konzentriert hat, was die Geldanlage eigentlich ist: eine Wette auf eine unbe-kannte Zukunft. […] Seine berühmte Bemerkung ‚man denkt genauso über Risiken wie über Renditen nach‘ klingt heute

gElEitWoRt

Page 9: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

8

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

nach einem vertrauten Wahlspruch. Allerdings war es 1952 eine absolute Neuheit, auf der Suche nach Ertrag dem Risiko mindestens das gleiche Gewicht beizumessen. Es gibt keine tiefere Kluft zwischen der [modernen Finanzwelt] und der Welt vor 1952.“

– Peter Bernstein (2007)

„[…] von Anbeginn der modernen Finanzwissenschaft – so-zusagen von unserem Urknall an –, von dem wir uns meines Erachtens alle darauf einigen können, dass er im Jahr 1952 mit der Veröffentlichung von Harry Markowitz’ Artikel ‚Portfolio Selection‘ im Journal of Finance stattfand […].“

– Merton Miller (2000)

„Markowitz kam und es ward Licht.“– William F. Sharpe, zitiert nach Bernstein (2007)

Die Ideen, die Harry Markowitz vor über 60 Jahren veröffentlicht hat, wurden zum Fundament, auf dem Tausende folgende Wissenschaftler, Gelehrte und Praktiker ihre eigenen Weltanschauungen aufgebaut haben. Heute wirken seine Ideen als stimulierende Energie für unzählige Bemü-hungen, die Wissenschaft von der diversifizierten Portfoliokon struktion weiter zu vervollkommnen, und für noch kühnere Bemühungen, völlig neue Narrative der Portfoliowissenschaft zu schaffen.

Als ich zu Beginn meiner Laufbahn als Portfoliomanager die Studie von Brinson, Hood und Beebower aus dem Jahr 1986 über die Asset Allocation von 91 Pensionsfonds las, erwachte meine Wertschätzung für Mittel und Varianz als bester tragfähiger und nachhaltiger Rahmen für die Portfolio-kon struktion. Ich tauchte in das ein, was heute weithin und erst seit relativ kurzer Zeit als Moderne Portfoliotheorie oder MPT bekannt ist.

Ich besitze zwar eine Chartered-Financial-Analyst-Urkunde (CFA) und bin Certified Public Accountant (CPA), aber kein studierter Akade-miker, sondern Geschäftsmann. Allerdings bewege ich mich sowohl in

Page 10: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

9

GELEITWORT

der wissen schaftlichen als auch in der Geschäftswelt. Für meine gelehr-ten Freunde bin ich ein Geschäftsmann, der hervorragende wissen-schaftliche Arbeit zu schätzen weiß und der bereitwillig und häufig finanzielle Mittel in die Grundlagenforschung und die praxis orientierte Forschung steckt. Für meine Freunde aus der Geschäftswelt bin ich ein enorm fokussierter Lehrer, der sich bei der Erkundung und Erklärung von bedeutsamen Ideen im Gewirr der Nuancen verirrt. Bedauerlicher-weise sehe ich sowohl in der Welt der Wissenschaft als auch in der Ge-schäftswelt zu viel intellektuelle Faulheit, ja sogar intellektuelle Unehr-lichkeit.

Der Sinn des Geschäftslebens ist, das Leben der Menschen besser zu machen. Punkt. Ich bin ein disziplinierter Student und Praktiker der Portfoliomanagement-Wissenschaft. Die Investmentfirma, die ich leite, nimmt die Verantwortung für die Verwaltung eines Portfoliowerts von Milliarden Dollar für Hunderttausende Kunden sehr ernst. Deren künf-tiges Glück hängt zum großen Teil von uns ab. Wir sehen es als unsere Pflicht an, die Wahrheit als Leitprinzip anzustreben. Wir sind voll auf die Reise vorbereitet, auf die wir uns mit der Suche nach Wahrheit begeben, selbst wenn wir dadurch auf unbequeme Weise in die Defensive geraten. Recht zu haben und gut zu sein ist viel wichtiger, als erfolgreich und wohlhabend zu sein. Es ist besser, für Tugend bewundert als um Erfolg beneidet zu werden. Ich glaube allerdings, dass diese beiden Ideale kei-neswegs unvereinbar sein müssen. Es ist befreiend zu wissen, dass sich recht haben und erfolgreich sein nicht gegenseitig ausschließen müssen.

Wie bei den meisten Investmentpraktikern wiegt auch bei mir die Last der Verantwortung schwer. Meine Firma und ich prüfen und überwachen kontinuierlich die Entwicklung neuer Paradigmen und blasphemischer Herausforderungen unserer Weltsicht. Als Hüter des Vermögens anderer Menschen ist es unsere Pflicht, das zu tun.

In den 1980er-Jahren war ich als junger Investmentanalyst und Port-foliomanager bei einem kleinen Wertpapier-Broker-Dealer vor allem dafür zuständig, Asset-Allocation-Portfolios zu untersuchen und zu modellieren. Mich fesselte die philosophische und praktische Logik der

Page 11: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

10

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

Mean-Variance-Analyse. Dieser Prozess leuchtete einfach ein und ich er-kannte schnell, dass gutes Urteilsvermögen unverzichtbar ist, um seine Vorteile auszuschöpfen, und dass der Rückgriff auf sinnlose Heuristiken, landläufige Daumenregeln und oberflächliche Überlegungen unweiger-lich dazu führen würde, dass sich manche Praktiker von dem Prozess betrogen fühlen.

Ich entwickelte eine große Wertschätzung für viele Aspekte der MPT, vor allem dafür, dass die Effizienzlinie empfindlich auf sehr kleine Ver-änderungen der Eingangsgrößen der erwarteten Rendite, der Varianz und der Korrelationsschätzungen anspricht. Die DOS-Computer der ersten Generation ermöglichten es, schnell Tausende Iterationen für Effizienzlinien zu berechnen. Dadurch konnte man ein Verständnis der Idee entwickeln, dass kleine Änderungen der angenommenen Ein-gangsgrößen riesige Veränderungen in der Portfoliogestaltung hervor-rufen. So wie körperliches Sporttraining bei einem Weltklasse-Athleten zu einem Muskelgedächtnis führt, ergaben sich durch diesen stetig wie-derholten Prozess eine Verfeinerung des Urteilsvermögens, eine scharfe Risikosensibilität und eine Wertschätzung für Feinheiten der Portfolio-kon struktion. Anders gesagt ergab sich als offensichtlicher Nutzen dieser außerordentlich fokussierten Tätigkeit eine hochentwickelte Intuition bezüglich der Nutzen-Kompromisse beim Streben nach höheren Rendi-ten und angepeilten Endwerten.

Man kann gutes Urteilsvermögen und praktisches Wissen als unent-behrliche Erfolgsfaktoren gar nicht überbetonen und diese Tugenden entstehen zum großen Teil aus einer ernsthaften, tiefgründigen Beschäf-tigung mit der Geschichte der Kapitalmärkte. Die Moderne Portfolio-theorie basiert auf Wahrscheinlichkeitsüberzeugungen hinsichtlich der Zukunft, nicht unmittelbar auf einer Wiedergabe objektiver, aus der Ver-gangenheit abgeleiteter Wahrscheinlichkeiten – auch wenn die Vergan-genheit ein wichtiger Lehrer ist. Die Wurzeln einiger der abschätzigen und unbegründeten Äußerungen über die MPT liegen meiner Meinung nach im Fluch der intellektuellen Faulheit. Wenn man mit der praktischen Nutzung der MPT Erfolg haben will, muss man unbedingt vollständig

Page 12: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

11

GELEITWORT

begreifen, wie wir Überzeugungen über die Zukunft formulieren. Zu den notwendigen Disziplinen für jeden MPT-Praktiker, der Erfolg haben will, gehört es, dass man sich der Bayes-Regel und des Flusses der bedingten Wahrscheinlichkeiten, in denen wir uns bewegen müssen, vollumfäng-lich bewusst ist.

Der Finanzkollaps 2008 und 2009 resultierte in einem gewaltigen und plötzlichen Rückgang des weltweiten Vermögens, weil die Korrelationen zwischen den meisten Anlage-Paaren in Richtung eins konvergierten. Der Tsunami, der aus der Katastrophe der falsch verstandenen, unter-schätzten und unbekannten systemischen Risiken am US-amerika-nischen Häusermarkt, aus hypothekenbesicherten Anleihen, aus der lockeren Geldpolitik der Fed, aus der weltweiten Verbriefung von Hypo-thekendarlehen, aus einem Kontrahenten-Exposure durch Derivate in Höhe von 600 Billionen Dollar, aus überzogen gehebelten Portfolios und dem plötzlichen Liquiditätsmangel entstanden war, setzte den Di-versifizierungsnutzen der Asset Allocation vorübergehend außer Kraft. Dieses Trauma führte schnell dazu, dass die Wirksamkeit von MPT-diversifizierten Portfolios ernsthaft infrage gestellt wurde. Die Menschen fragten sich, ob wir in ein neues Zeitalter eingetreten waren, das neue Regeln für die Portfoliokonstruktion sowie ein neues Risikoverständnis verlangte, welches die konventionellen Vorstellungen von systemischem und idiosynkratischem Risiko aussticht. Wie viele andere Praktiker be-gannen auch meine Kollegen und ich uns zu fragen, ob das MPT-Para-digma ausgedient hatte. Um mich auf den Text eines populären Songs von R.E.M. zu beziehen: Möglicherweise fiel ich vom Glauben an die MPT ab („Losing My Religion“). War es an der Zeit, zum mutigen Baye-sianer zu werden? Aus Indizien zu lernen, Wahrscheinlichkeitsüber-zeugungen zu aktualisieren, das Paradigma aufzugeben, das uns so weit gebracht hatte, und zu einem neuen überzugehen?

Wir nahmen Kontakt mit Harry auf, um Antworten auf unsere neuen Fragen zur MPT zu erhalten. Das schuldeten wir unseren Kunden und den an uns angeschlossenen Finanzberatern. Harry nahm unsere Ein-ladung an, den Anlageausschuss unserer Firma zu beraten. Dieser erste

Page 13: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

12

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen Freundschaft entwickelt hat. Eine Konsequenz unserer beruflichen Partnerschaft und persönlichen Freund-schaft ist, dass wir heute lautstärkere und enthusias tischere Verfechter der MPT denn je sind. Aus gutem Grund unterstützen wir Harry Mar-kowitz bei der Produktion seines mehrbändigen Werkes finanziell und bei der Forschung.

Ein Beispiel für die zahlreichen Nutzeffekte unserer Partnerschaft war seine Reaktion auf unsere erste, dringliche Frage, ob die MPT notwendi-gerweise davon ausgeht, dass die Renditen von Assetklassen einer Gauß-Verteilung folgen. Wir hatten das Gefühl, irgendwie habe die Kapital-marktkrise extreme Long-Tail-Ereignisse sowie eine extreme Schiefe und Kurtosis mit sich gebracht – und somit eine Nichtnormalität in der Ver-teilung der Assetklassen, die den Nutzen der MPT zunichte machte. Konkret stellte ich Harry die Frage: „Funktioniert die MPT in einer nichtnormalen Welt?“ Als Antwort auf diese Frage verwies uns Harry bei unserem ersten Beratungsgespräch gelassen auf Tabelle 2 auf Seite 121 seines grundlegenden Lehrbuchs „Portfolio Selection“ aus dem Jahr 1959 und zeigte uns den Beleg, dass die MPT von Anfang an nie von einer Normalverteilung ausgegangen war oder sie erfordert hätte und somit auch in nichtnormalen Welten funktioniert. Außerdem demonstrierte er selbstbewusst, dass die Aktienperformance in den Jahren 2008 und 2009 gar kein Long-Tail-Ereignis war, sondern in einen Bereich von gut zwei Standardabweichungen zur mittleren historischen Rendite passte. Was 2008 und 2009 geschehen war, sei zwar schmerzlich gewesen, aber damals sei nichts passiert, das ungewöhnlich gewesen wäre oder sich außerhalb unseres peripheren Sehens befunden hätte. Mit gewaltiger Erleichterung konnten wir darauf nichts anderes sagen als „Wow“. Genau über dieses Thema wie so viele andere hatte Harry schon vor mindestens 50 Jahren nachgedacht! In einer Zeitschrift schrieb er 2010: „Als ich 1959 mein Buch schrieb […], kam ich zu dem Schluss, dass bei vielen Nutzen-funktionen dann, wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilungen nicht zu weit gestreut sind, eine Näherung zweiter Ordnung ziemlich gut passt.

Page 14: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

13

GELEITWORT

In diesem Fall ist die Näherung der Mean-Variance an den Erwartungs-nutzen ziemlich gut – unabhängig von der Form der Verteilung!“ (Hervor-hebung von mir.)

Mit Harrys Hilfe überprüften wir die Grundlagen unserer eigenen Überzeugungen, die in unsere Modell-Asset-Allocation-Portfolios ein-gebaut waren. Mit großer Erleichterung bestätigte sich, dass unsere bisherigen Überzeugungen und Annahmen immer noch zutrafen, und dementsprechend nahmen wir an unseren Portfolios nur kleine Verände-rungen vor.

Wir wurden neugierig, ob wir den gesamten Rahmen der MPT richtig verstanden. Da wir als langjährige Praktiker und Verfechter der Theo rie die grundlegende Annahme von der „Nichtnormalität“ der Rendite-verteilung nicht verstanden hatten, fragten wir uns, ob es noch andere Annahmen gab, die wir vielleicht missverstanden. Wenn ich und meine Firma hinsichtlich wichtiger Elemente der MPT verwirrt waren, wie viele andere Praktiker und Wissenschaftler waren dann noch verwirrt? Ich bin sicher, dass es wahrscheinlich Hunderttausende sind.

Wir dachten uns, bald würde die gesamte Welt des Portfoliomanage-ments anfangen, die gleichen Fragen bezüglich der MPT zu stellen. Und das tat sie auch. Wie vorherzusehen war, verwandelten sich die anfäng-lichen Bedenken in den Jahren 2009 bis 2012 in wissenschaftlichen und Praktiker-Zeitschriften in offene Angriffe gegen die MPT. Alle riefen im Chor: „Die MPT hat uns im Stich gelassen. Die Diversifizierung funktio-niert nicht. Was ist mit der MPT schiefgegangen?“ Seitdem bezeichnet Harry Markowitz diese Zeit offiziell und treffend als „die Große Verwir-rung“ und das vorliegende Buch ist der Beginn eines mehrbändigen Heil-mittels, das sich hoffentlich als dauerhaftes Gegengift erweisen wird.

Unsere Forschungs- und Beratungs-Partnerschaft ist sehr erfreulich und oft elektrisierend. Außer zu der Nichtnormalität von Renditen stell-ten wir noch viele andere Fragen über die MPT, unter anderem: zur Effektivität verschiedener Methoden für die Näherung geometrischer Renditen nur unter Verwendung von Mittelwert und Varianz, zur Ent-scheidungsfindung über mehrere Perioden bei bekannten und unbekannten

Page 15: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

14

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

Wahrscheinlichkeiten, zu alternativen Methoden für die Erzeugung von Effizienzlinien, zu optimalen Protokollen der Portfolio-Neugewichtung, Alternativen zur Varianz als Risikodefinition (als Alternativen zogen wir die Semivarianz, Value at Risk und den bedingten Value at Risk in Betracht), zu den Auswirkungen von Leverage und beträchtlicher Liqui-dität auf Effizienzlinien der MPT, zur Auswirkung der Aufnahme eines steueraversen rationalen Anlegers in den MPT-Rahmen und wie man steuersensitive Effizienzlinien erzeugt – und zur Gültigkeit der Voraus-setzung des rationalen Entscheiders auf dem neuen Gebiet der Behavioral Finance. In den letzten 60 Jahren wurde eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten über verschiedene Aspekte der MPT erstellt. Anscheinend war die „Große Verwirrung“ ein Katalysator für die systematische Überprü-fung eines großen Teils dieser Forschungen.

Dass Harry diese neuen und alten Fragen beantwortet, erinnert mich an die alte Handwerkskunst der Apologetik in der griechischen Antike. Eine apologia zu liefern bedeutete, dass man eine formelle Rede hielt oder eine Erklärung abgab, die auf eine Häresie beziehungsweise auf Angriffe gegen eine bestimmte philosophische oder religiöse Lehre reagierte und eine Verteidigung dagegen darstellte. Die Apologetik setzt fälschlicher-weise eine moderne Auffassung der Entschuldigung voraus, die die MPT gar nicht nötig hat. Harry sagt nämlich kurz und bündig, dass die Gedan-ken in seinem Aufsatz von 1952 und in seinem Buch von 1959 a priori gelten. Und jetzt, nach 61 Jahren Praxis, Analyse und Forschung, wer-den die systematischen und logisch aufgebauten Abhandlungen im vor-liegenden Band und den künftig erscheinenden überzeugend demons-trieren, dass die Gedanken von Harry Markowitz in „Portfolio Selection“ der Welt einen weitaus besseren Investmentprozess beschert haben, als er es sich selbst 1952 je hätte vorstellen können! Aus der „Großen Verwir-rung“ wird das „Große Verständnis“ und das ist für uns alle gut.

Stephen A. BatmanCEO und Gründer von 1st Global, Inc.

1. März 2013

Page 16: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

15

GELEITWORT

LiteraturnachweiseBernstein, P. (2007): Capital Ideas Evolving, Hoboken, NJ: John Wiley & Sons, xii-xiii.Markowitz, H. M. (1952): „Portfolio Selection“, in: Journal of Finance 7 (1): 77-91.Markowitz, H. M. (1959): Portfolio Selection: Efficient Diversification of Investments, 2nd ed. New York: John Wiley & Sons; 2nd ed. Cambridge, MA: Basil Blackwell, 1991.Miller, M. H. (2000): „The History of Finance: An Eyewitness Account“, in: Journal of Applied Corporate Finance 13: 8-14.

Page 17: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen
Page 18: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

17

VORWORT

Das vorliegende Buch ist Band I einer geplanten vierbändigen Buchreihe über Theorie und Praxis der Risiko-Ertrags-Analyse und insbesondere der Mean-Variance-Analyse. Dieses Gebiet wird von einer „Großen Ver-wirrung“ geplagt – der Verwirrung um notwendige und hinreichende Be-dingungen für den Praxiseinsatz der Mean-Variance-Analyse. Normale (gaußsche) Verteilungen von Erträgen sind zwar als Rechtfertigung für die Verwendung der Mean-Variance-Analyse hinreichend, aber sie sind dafür nicht notwendig. Wenn Sie überzeugt sind (und das sind viele, einschließ-lich des Unterzeichneten), dass rationale Entscheidungsfindung mit der Maximierung des Erwartungsnutzens im Einklang ist, besteht die notwen-dige und hinreichende Bedingung für die Verwendung der Mean-Vari-ance-Analyse in der Praxis darin, dass ein sorgfältig ausgewähltes Portfolio aus Positionen, die effizient gemäß der Mean-Variance sind, den Erwar-tungsnutzen für ein breites Spektrum von konkaven (risikoaversen) Nut-zenfunktionen annähernd maximiert. Dies war die Argumentation für die Mean-Variance-Analyse, die ich in Markowitz (1959) vorgelegt habe.

voRWoRt

Page 19: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

18

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

Der erste der beiden nun folgenden Abschnitte des Vorworts bietet eine kurze Übersicht über die Grundannahmen von Markowitz (1959), zu denen auch die Maximierung des Erwartungsnutzens für eine ein-zelne Periode gehört. Der zweite Teil setzt diese Grundannahmen zum Inhalt des vorliegenden Buches in Beziehung, das aus dem vorliegenden Band und den geplanten Bänden II, III und IV besteht.

diE gruNdaNNahMEN VoN MarkoWitzMarkowitz (1959) begründet die Mean-Variance-Analyse, indem es sie zur rationalen Entscheidungsfindung im zeitlichen Verlauf sowie unter unsicheren Bedingungen in Beziehung setzt, die von von Neumann und Morgenstern (1944), L. J. Savage (1954) und R. Bellman (1957) entwickelt wurde. Die Grundannahmen des Buches finden sich in Teil IV, Kapitel 10 bis 13. Konkret:

• Kapitel 10 befasst sich mit der Entscheidung für einzelne Perioden bei bekannten Wahrscheinlichkeiten. Darin äußert sich die Ansicht, dass man davon ausgehen kann, der rationale Entscheider (RDM = Ratio-nal Decision Maker) halte sich an gewisse Axiome, aus denen das Erwartungsnutzenprinzip resultiert.

• Kapitel 11 von Markowitz (1959) behandelt Spiele, die über viele Peri-oden laufen, ebenfalls bei bekannten Wahrscheinlichkeiten. Es zeigt, dass eine prinzipiell gleiche Zusammenstellung von Axiomen wie in Kapitel 10 zur Folge hat, dass ein RDM den Erwartungsnutzen des gesamten Spiels maximieren würde. Und dies impliziert wiederum, dass der RDM die Erwartungswerte einer Folge von Nutzenfunktio-nen einzelner Perioden maximieren würde, wobei für jede Periode eine nach Bellman „abgeleitete“ Nutzenfunktion verwendet wird.

• Kapitel 12 von Markowitz (1959) betrachtet auf einzelne oder mehrere Perioden bezogene Entscheidungen bei unbekannten Wahrscheinlich-keiten. Unter Rückgriff auf Savage ergänzt es die Axiome aus den Kapiteln 10 und 11 um ein „Sure Thing“-Prinzip und kommt zu folgen-dem Schluss: Wenn die Eintrittswahrscheinlichkeiten unbekannt sind,

Page 20: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

19

VORWORT

maximiert der RDM den Erwartungsnutzen anhand von „Wahrschein-lichkeitsüberzeugungen“, wobei die objektiven Wahrscheinlichkeiten unbekannt sind. Gemäß dem Satz von Bayes ändern sich diese Wahr-scheinlichkeitsüberzeugungen, wenn zusätzliche Indizien an fallen.

• Kapitel 13 wendet die Schlüsse aus den Kapiteln 10 bis 12 auf die Auf-gabenstellung der Portfolioauswahl an. Insbesondere erstreckt es sich auf andere Nutzenfunktionen und eine in Kapitel 6 vorkommende Bemerkung zum logarithmischen Nutzen: Wenn die Wahrscheinlich-keitsverteilung der Erträge eines Portfolios nicht „zu breit gestreut“ ist, liefert eine Funktion ihres Mittels und ihrer Varianz eine gute Nähe-rung für den Erwartungsnutzen.

Diese grundsätzlichen Annahmen erschienen deshalb im hinteren Teil des Buches anstatt im vorderen, weil ich befürchtete, wenn ich mit einer axiomatischen Behandlung der Theorie der rationalen Entscheidung an-finge, würde niemand, der etwas mit Vermögensverwaltung zu tun hat, das Buch lesen. Damals mag dies eine gute Strategie gewesen sein, aber sie hatte auch die Nebenwirkung, dass nur ein kleiner Teil unserer Bran-che die Bedingungen begreift, unter denen man die Mean-Variance-Ana-lyse anwenden kann.

diE gliEdEruNg dEs VorliEgENdEN BuchEsGeplant ist, dass das vorliegende Buch aus vier Teilen besteht. Auf An-raten von Frank Fabozzi werden die einzelnen Teile nach ihrer jeweiligen Fertigstellung einzeln veröffentlicht.

Man kann sagen, dass Markowitz (1959) drei hauptsächliche Aspekte besitzt. Der erste Aspekt ist die theoretische Begründung für die Ver-wendung der Mean-Variance-Analyse. Wie bereits bemerkt, geschieht dies vor allem in Teil IV des damaligen Buches. Ein zweiter Aspekt von Markowitz (1959) sind Berechnungsverfahren. Insbesondere wird der entscheidende Linienalgorithmus für das Abtragen von Effizienzlinien der Mean-Variance in Kapitel 7 geometrisch und in Kapitel 8 numerisch dargestellt und seine Richtigkeit wird in Anhang A bewiesen. Der dritte

Page 21: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

20

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

Aspekt von Markowitz (1959) ist ein allgemeiner und umfasst unter an-derem eine Darlegung der grundlegenden Konzepte des Mittels und der Varianz von Portfolios sowie ihrer Beziehungen zu den Mitteln, Varian-zen und Kovarianzen einzelner Wertpapiere – außerdem Sonderthemen wie etwa in Kapitel 5 das „Gesetz der durchschnittlichen Kovarianz“ und in Kapitel 9 die Semivarianz, die man heute als Abwärtsrisiko kennt.

Markowitz (1987), das später als Markowitz und Todd (2000) neu herausgegeben wurde, war eine ausführlichere Darstellung der Berech-nungsaspekte als die in Markowitz (1959). In ähnlicher Weise ist das vorliegende Buch eine gründlichere Behandlung der Grundannahmen, die hinter der Mean-Variance-Analyse stehen, welche ich in Teil IV von Markowitz (1959) dargelegt habe. Konkret gesagt:

• Teil I des vorliegenden Buches befasst sich – wie Kapitel 10 von Marko-witz (1959) – mit der Theorie der rationalen Entscheidung bezüglich einzelner Perioden mit bekannten Eintrittswahrscheinlichkeiten. Der Schwerpunkt liegt auf Mean-Variance-Näherungen für den Erwar-tungsnutzen. Ein Kapitel bietet einen Überblick über die Forschungen zu diesem Thema von 1959 bis heute und zwei Kapitel weiten die entsprechenden Forschungen aus.

• Teil II des Buches wird ebenso wie Kapitel 11 von Markowitz (1959) die rationale Entscheidung bei einem Spiel über viele Perioden sowie ihre Beziehung zur Nutzenmaximierung über Einzelperioden behandeln, und zwar immer noch unter der Annahme, dass die Wahrschein-lichkeiten bekannt sind. Dazu gehören Themen wie der kurzsichtige Nutzen nach Jan Mossin, die Heuristik für die Näherung der nach Bellman abgeleiteten Nutzenfunktion für Räume in höheren Dimen-sionszuständen laut Markowitz und van Dijk (2003) sowie die Analyse der steuersensitiven Asset Allocation nach Blay und Markowitz.

• Teil III des vorliegenden Buches befasst sich ebenso wie Kapitel 12 von Markowitz (1959) mit Spielen über einzelne oder viele Perioden bei unbekannten Eintrittswahrscheinlichkeiten. Geplant ist, dass er eine Besprechung des Resamplings nach Richard Michaud (1998) und des

Page 22: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

21

VORWORT

Verfahrens von Black-Litterman (1991) enthalten soll, insoweit sie sich auf die in Markowitz (1959) empfohlene Bayes’sche Sichtweise beziehen.

• Teil IV des vorliegenden Buches hat einen anderen Zweck als Kapitel 13 von Markowitz (1959) mit dem Titel „Anwendung auf die Portfolio-auswahl“. Letzteres befasste sich mit der praktischen Anwendung der Theorie, die in den drei vorangegangenen Kapiteln präsentiert wurde. Im vorliegenden Buch werden die Anwendungen zusammen mit der Theorie bereits in den Teilen 1, 2 und 3 vorgestellt. Teil 4 des vorliegen-den Buches befasst sich mit zusätzlichen Anwendungsfragen, die in den früheren Teilen nicht behandelt wurden, insbesondere mit der Arbeitsteilung zwischen Daten, Theorie, Berechnung und dem Men-schen. In diesem Zusammenhang tritt der Mensch sowohl als Produ-zent als auch als Konsument der Portfolioanalyse auf.

Dies ist natürlich ein ehrgeiziges Programm, vor allem wenn man be-denkt, dass der Unterzeichnete bereits Mitte 80 ist. Im Anschluss an die-ses Vorwort und die Danksagungen finden sich die geplanten Gliederun-gen der Teile II, III und IV. Das Ziel ist, ausreichend Informationen zu liefern, damit ein gewissenhafter Wissenschaftler diese Teile in der ge-planten Weise ausarbeiten kann für den Fall, dass der Unterzeichnete dazu nicht mehr in der Lage ist.

Harry MarkowitzSan Diego, CA

1. März 2013

Page 23: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen
Page 24: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

23

DANKSAGUNGEN

Dieses Buch wurde von 1st Global aus Dallas, Texas, gesponsert. Ich möch-te 1st Global im Allgemeinen und im Besonderen Steven Anthony (Tony) Batman, dem CEO von 1st Global, sowie dem Präsidenten David Knoch danken. Kenneth Blay war in dieser und anderen Angelegenheiten mein wichtigster Ansprechpartner bei 1st Global. Insbesondere haben wir an manchen Themen gemeinsam gearbeitet, beispielsweise an der Geld-anlage unter Berücksichtigung von Steuern (die in Teil II des Buches be-handelt werden soll). Angesichts unserer engen und andauernden Partner-schaft bei der Produktion dieses Buches schien es mir angemessen, Ken Blay durch die Erwähnung als Koautor zu danken.

Dieses Buch gibt die Diskussionen und Beobachtungen zur Theorie und Praxis der Risiko-Rendite-Analyse aus 60 Jahren wieder. Im Laufe dieser Jahre habe ich von wiederholten Diskussionen über verschiedene Aspekte dieses Themas profitiert, insbesondere mit Jack Francis, Roger Gibson, Marty Gruber, John Guerard, Mark Kritzman, Haim Levy, Ri-chard und Robert Michaud, Bill Sharpe (der anfangs mein Student und

dank-sagungEn

Page 25: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

24

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

danach häufig mein Lehrer war), Sam Savage, Tony Tessitore, Peter Todd, Jack Treynor, Steve Turi, Nilufer Usmen, Ming Yee Wang und Gan Lin Xu. Diskussionen mit folgenden Personen fanden in jüngerer Zeit oder weniger häufig statt, waren aber trotzdem für mich von großem Wert:

außerdem mit zahllosen Studenten, Lehrassistenten, Essensgästen, Kol-legen aus anderen Gebieten sowie, in memoriam, Peter Bernstein, Larry Fisher und Paul Samuelson. Schließlich freut es mich außerordentlich, meiner Sekretärin Mary (Midge) McDonald für ihre Geduld beim Tippen unzähliger Entwürfe des vorliegenden Buches sowie meiner Frau Barbara zu danken, die dazu beigetragen hat, dass das Ganze Spaß gemacht hat.

Tom Anachini Paul KaplanRob Arnott Krzysztof (Christoff) KontekJoseph Blasi Marty LeibowitzMarian Bloch Ken LevyMarshall Blume Andy LoMary Brunson Mark MachinaJoni Clark Ana MarjanskiKane Cotton Bob MertonSanjiv Das André PeroldErik van Dijk Alex PottsNed Elton Don ReidFrank Fabozzi Mark RubinsteinGifford Fong Sam SavageLisa Goldberg Jonathan ScheidSherrie Grabot Yusif SimaanGil Hammer Bob SullivanMark Hebner Bernie TewBruce Jacobs Bill ZiembaSharan Jagpal

Page 26: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

25

GLIEDERUNG DER GEPLANTEN BÄNDE II, III UND IV

BaNd iiBand II soll die folgenden Gedanken ungefähr in der folgenden Reihen-folge präsentieren:

• Das Konzept eines Spiels im Sinne von von Neumann und Morgen-stern, und zwar insbesondere ihr Konzept der Strategie, also einer Regel, die für alle Situationen, in die ein Spieler geraten kann, einen konkreten Spielzug angibt.

Was Fragen der Asset Allocation betrifft, werden wir uns hauptsäch-lich mit Spielen für eine Person befassen. Spiele für zwei oder n Personen können zwar für Fragen bezüglich von Handelsstrategien relevant sein, aber darüber werden wir – wenn überhaupt – nur wenig schreiben.

gliEdERungdER gEPlantEn

BändEii, iii und iv

Page 27: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

26

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

• Den Begriff des Nutzens auf das Spiel als Ganzes bezogen, wie in Kapitel 11 von Markowitz (1959) dargestellt, unter Betonung der Tat-sache, dass eine solche Nutzenfunktion nicht notwendigerweise eine separable Funktion der Nutzenwerte einzelner Perioden ist.

Diesen Punkt werden wir in Form einer Nutzenfunktion veranschaulichen:

U = U(C1, C2, ..., Ct, WT+1) (1)

Dabei bedeutet Ct die Konsumausgaben im Jahr t, WT+1 ist das Nachlass-Niveau und U gibt die nachteiligen Auswirkungen von Rückgängen des Konsums sowie den momentanen Wert des Ct-Flusses an.

• Die axiomatische Begründung der Maximierung des Erwartungs-nutzens für das Spiel im Ganzen wurde in Kapitel 11 von Markowitz (1959) vorgelegt.

• Die von Bellman (1957) vorgestellte rückwärts gerichtete rekursive Metho-de der Lösung von Spielen, die über mehrere Perioden reichen, anhand einer dynamischen Programmierung; insbesondere inwiefern die dyna-mische Programmierung das über mehrere Perioden reichende Spiel auf eine Abfolge von einzelperiodischen Nutzenmaximierungen reduziert.

Die Analyse myopischer Nutzenfunktionen von Mossin (1968) wird verwendet, um die dynamische Programmierung für ein stark verein-fachtes Investment-Spiel zu veranschaulichen. Wir werden die Nutzen-analyse von Abweichungen vom Momentanvermögen nach Markowitz (1952b), ∆Wt – im Unterschied zum Vermögensstand am Ende der Perio-de, Wt+1 – als „abgeleitete“ Nutzenfunktion nach Bellman interpretieren, wobei das U in Gleichung 1 sozusagen den negativen Nutzen von Rück-gängen des Konsums wiedergibt:

• Die Bemerkung in Kapitel 11 von Markowitz (1959) in dem Abschnitt „Zwischenzeitliche Entscheidungen, unvollständige Ergebnisse“, wo-

Page 28: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

27

GLIEDERUNG DER GEPLANTEN BÄNDE II, III UND IV

nach sich eine Nutzenanalyse zwar auf das „Spiel als Ganzes“ beziehen darf, nicht aber separat auf die Wahl eines Portfolios; dagegen steht die Bemerkung in Kapitel 13 von Markowitz (1959) – die in Markowitz (1991) in „das Spiel des Lebens“ detaillierter ausformuliert wurde –, ein realistisches Konsum-Investment-Spiel sei um mehrere Größenord-nungen zu komplex, als dass man es während eines Menschenlebens lösen könne.

Konkret gesagt hängen Entscheidungen, wie viel man in einer gege-benen Periode sparen oder entnehmen soll oder wie vorsichtig man in der Periode investieren soll, von Zuständen und Ereignissen im Zusammen-hang mit Bildung, Beschäftigung, Wohnen, Auto(s) sowie anderen lang-lebigen Gütern und von Eheschließungen, Geburten, der Gesundheit et cetera ab. Dies ist die Begründung für:

• Die in Kapitel 13 von Markowitz (1959) vorgeschlagene Arbeitsteilung zwischen Mensch und Computer, ausgehend von einer ganz simplen Arbeitsteilung, bei welcher der Computer nur die Aufgabe hat, dem Menschen ein Menü aus „guten“ Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Renditen des Gesamtportfolios in einem bevorstehenden Zeitraum vorzulegen.

Somit fällt es dem Menschen zu, komplexe Entscheidungen darüber zu treffen, wie viel er in dem betreffenden Zeitraum für Konsumausgaben reserviert und wie viel er für andere dauerhafte Konsumgüter oder für illiquide Anlagen et cetera ausgibt. Informationen über die verfügbaren Renditeverteilungen eines Portfolios können sich auf solche Entscheidun-gen auswirken:

• Andere Empfehlungen in Kapitel 13 von Markowitz (1959), eine Mean-Variance-Analyse vorzunehmen, wenn sich die Zustandsvariablen des impliziten dynamischen Programms von dem Vermögen am Ende des Zeitraums unterscheiden.

Page 29: Risiko- ERtRags- analys E - plassen-buchverlage.de · risiko-Ertrags-aNalysE Anruf war der Beginn einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung, die sich seither zu einer herzlichen, wichtigen

28

RISIKO-ERTRAGS-ANALYSE

Konkret gesagt: Da sich die Kovarianz zwischen der Portfoliorendite und anderen Zustandsvariablen (beispielsweise der Inflation) linear zu den Gewichtungen der Anlagen verhält, kann man sie als lineare Ein-schränkung in das Modell für die Portfolioauswahl einführen:

• Tracking-Error versus Gesamt-Variabilität. Außerdem die Varianz des Wertes des Anlagevermögens abzüglich des aktuellen Wertes der Ver-bindlichkeiten, nach Sharpe und Tint (1990).

Die Komplexität der Berechnung anhand einer dynamischen Pro-grammierung hängt vor allem von der Anzahl der Zustände ab, die das Spiel annehmen kann. Dies wiederum hängt normalerweise von der An-zahl der Zustandsvariablen ab, die den Zustand beschreiben, und von dem Wertebereich, den sie annehmen können. Zum Beispiel beschreiben Sun et al. (2006) eine Portfolio-Rebalancing-Problemstellung mit fünf Zustandsvariablen – nämlich den Abweichungen der fünf neu zu ge-wichtenden Aktien vom Optimum. Die Verwendung eines Gitters mit 15 Punkten in allen fünf Dimensionen des Zustandsraums für diese auf fünf Wertpapiere bezogene Aufgabenstellung sprengte die Kapazitäten der damals verfügbaren Supercomputer:

• Markowitz und van Dijk (2003) bieten eine Methode an, mit der man mithilfe eines „quadratischen Surrogats“ ein hochdimensionales dyna-misches Spiel näherungsweise optimieren kann.

Die Heuristik von Markowitz und van Dijk hat sich als sehr gut er-wiesen, und zwar sowohl bezüglich des lösbaren Stichprobenproblems in dem Artikel von Markowitz und van Dijk als auch – wie Kritzman, Myrgren und Page (2009) berichten – bezüglich der erwähnten Problem-stellung der Neugewichtung von fünf Wertpapieren. Diese Methode lässt sich auf Systeme mit sehr vielen Dimensionen skalieren und wird auch tatsächlich für die Neugewichtung großer institutioneller Portfolios eingesetzt.