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34 Technik Filmtest Tatsache ist: die Digitalisierung in der Fotografie schreitet rasant voran. Alle halbe Jahre wird die eben erst erschienene Generation von Appara- ten verramscht und durch eine neue, verbesserte ersetzt. Und so wird es sich fortsetzen. Auf dem Gebrauchtmarkt stauen sich unterdessen die An- gebote analoger Kameras. Diese Entwicklung musste sich auf den Absatz von Filmmaterial und Papieren auswirken. Wo in Speicherchips für di- gitale Kameras investiert wird, geht zwangsläu- fig der Verkauf von Filmen zurück. Wo Bilder am Monitor bearbeitet und über Drucker ausgege- ben werden, schrumpft der Absatz fotografischer Papiere. Was früher ein Massenmarkt war, ent- wickelt sich heute zu einer Nische. Und darin liegt das Problem der großen Konzerne mit ihren gro- ßen Produktionsanlagen und hohen Vertriebs- und Verwaltungskosten. Zugleich ergibt sich für die kleineren, beweglichen und spezialisierten Handelshäuser und deren Produzenten eine einzigartige Chance. Eines dieser außerordentlich aktiven Handelshäuser ist die Hamburger Firma Mahn & Co. mit ihrer von Hartmut Schröder ge- leiteten Fotoabteilung Maco Photo Products. Sie liefert seit Jahren nicht nur ein großes Sortiment fotografischer Papiere (darunter das legendäre Oriental), sondern auch eine ganze Reihe inter- Wer seine Motive noch auf klassischem Silberfilm belichtet – oder schon wieder zu ihm zurückgekehrt ist – der wurde in den vergangenen Monaten durch Gerüchte sowie Mel- dungen über reduzierte Sortimente (Kodak), Firmenverkäufe (Agfa) und Insolvenzen (Ilford) aufgeschreckt und fragte sich, wie lange er wohl noch mit qualitativ hochwertigem Nach- schub an Filmmaterial würde rechnen können. Entgegen dem scheinbaren Trend prä- sentierte Rollei zur photokina 2004 einen neuen Schwarzweißfilm. Was steckt dahinter? Rollei R3 – ein neuer Schwarzweißfilm CD/Hochkruzweg1.tif Moderne Holzplastik an einem Kreuzweg (Abbildung 1). Aufnahme auf R3 Planfilm 4 x 5". Der Film wurde mit Iso 400 belichtet und in Xtol entwickelt.

Rollei R3 – ein neuer Schwarzweißfilm · 2012. 3. 9. · Tatsache ist: die Digitalisierung in der Fotografie schreitet rasant voran. Alle halbe Jahre wird die eben erst erschienene

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Page 1: Rollei R3 – ein neuer Schwarzweißfilm · 2012. 3. 9. · Tatsache ist: die Digitalisierung in der Fotografie schreitet rasant voran. Alle halbe Jahre wird die eben erst erschienene

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Technik Filmtest

Tatsache ist: die Digitalisierung in der Fotografieschreitet rasant voran. Alle halbe Jahre wird dieeben erst erschienene Generation von Appara-ten verramscht und durch eine neue, verbesserteersetzt. Und so wird es sich fortsetzen. Auf demGebrauchtmarkt stauen sich unterdessen die An-gebote analoger Kameras. Diese Entwicklungmusste sich auf den Absatz von Filmmaterial undPapieren auswirken. Wo in Speicherchips für di-gitale Kameras investiert wird, geht zwangsläu-fig der Verkauf von Filmen zurück. Wo Bilder amMonitor bearbeitet und über Drucker ausgege-ben werden, schrumpft der Absatz fotografischerPapiere. Was früher ein Massenmarkt war, ent-wickelt sich heute zu einer Nische. Und darin liegtdas Problem der großen Konzerne mit ihren gro-ßen Produktionsanlagen und hohen Vertriebs-und Verwaltungskosten. Zugleich ergibt sich fürdie kleineren, beweglichen und spezialisiertenHandelshäuser und deren Produzenten eineeinzigartige Chance. Eines dieser außerordentlichaktiven Handelshäuser ist die Hamburger FirmaMahn & Co. mit ihrer von Hartmut Schröder ge-leiteten Fotoabteilung Maco Photo Products. Sieliefert seit Jahren nicht nur ein großes Sortimentfotografischer Papiere (darunter das legendäreOriental), sondern auch eine ganze Reihe inter-

Wer seine Motive noch auf klassischem Silberfilm belichtet – oder schon wieder zu ihm

zurückgekehrt ist – der wurde in den vergangenen Monaten durch Gerüchte sowie Mel-

dungen über reduzierte Sortimente (Kodak), Firmenverkäufe (Agfa) und Insolvenzen (Ilford)

aufgeschreckt und fragte sich, wie lange er wohl noch mit qualitativ hochwertigem Nach-

schub an Filmmaterial würde rechnen können. Entgegen dem scheinbaren Trend prä-

sentierte Rollei zur photokina 2004 einen neuen Schwarzweißfilm. Was steckt dahinter?

Rollei R3 –ein neuer Schwarzweißfilm

CD/Hochkruzweg1.tif

Moderne Holzplastik an einem Kreuzweg (Abbildung 1). Aufnahme auf R3 Planfilm 4 x

5". Der Film wurde mit Iso 400 belichtet und in Xtol entwickelt.

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essanter Schwarzweißfilme, die sie nach be-stimmten Spezifikationen von Vertragsfirmen her-stellen lässt. Einer dieser Filme, der Maco Cube400c, wurde nun zum neuen Rollei R3 weiter-entwickelt, mit dem die Rollei Fototechnic einAusrufezeichen für die Silberfotografie setzt. Erwird übrigens in Deutschland unter den hier üb-lichen Qualitätskontrollen bei der Tura in Dürenhergestellt.

Die FilmeigenschaftenFührt man sich die nach fachlichen Vorgaben derRollei Fototechnic verwirklichten Eigenschaftendieses Films zu Gemüte, drängt sich der Eindruckauf, es hier mit der berühmten eierlegendenWollmilchsau zu tun zu haben – mit einem Filmfür alle Gelegenheiten. Das gilt vor allem in Hin-blick auf Empfindlichkeit und Auflösung im Zu-sammenspiel mit verschiedenen Entwicklern.

Filmträger35 mm- und Rollfilm besitzen dasselbe robuste,maßhaltige und archivfeste PET-Trägermaterialvon 100 µm Dicke. Bei den Planfilmformaten be-trägt die Stärke 175 µm – das trägt zu einer gla-splattenähnlichen Planlage bei. Der Träger istglasklar, was den Film für die Umkehrentwicklung

zum Diapositiv prädestiniert. Den Lichthofschutzbesorgt eine extra Schicht direkt unter denlichtempfindlichen Schichten. Die Tendenz vonPET, sich aufzurollen, wurde mit einer neuartigen„No-Curling-Beschichtung“ kompensiert. Das be-deutet einen deutlichen Fortschritt im Handlingdes Rollei R3 gegenüber dem Maco Cube 400c.Dieser rollte sich und war in glaslosen Filmbüh-nen wie auch im Filmhalter meines Scanners nichtso leicht zu bändigen. Der große Vorteil des PET-Trägers ist seine Maßhaltigkeit sowie seine Ro-bustheit unter extremen klimatischen Bedin-gungen. Ein Reißen des Trägers, zum Beispiel beistrenger Kälte, kommt nicht vor. Das Material istauch steifer als das übliche aus Triacetat. Damitnach Lösen des Klebebandes beim 120er Film dieRolle nicht aufspringt, sollte man sie mittig an-fassen.

EmpfindlichkeitHier wird es spannend. Eine große Variabilitätmacht es möglich, den Film unter fast allen Licht-verhältnissen zu nutzen. Angegeben ist eine ef-fektive Empfindlichkeit von ISO 25/15° bis ISO6400/39°. Diese außerordentliche Bandbreite inder Empfindlichkeitsausnutzung wird durch Auf-gießen von drei unterschiedlich empfindlichen

Emulsionen mit klassischen kubischen Silberha-logeniden erreicht. Darüber liegt eine Schutz-schicht gegen mechanische Verletzungen. Der R3kann somit als niedrig empfindlicher und sehrfeinkörniger, als mittelempfindlicher Alltagsfilmmit den kubischen Kristallen entsprechender Kör-nigkeit wie auch als hoch- bis höchstempfind-licher Film bei wenig Licht verarbeitet werden,wobei das Korn entsprechend stärker hervortritt.Gesteuert wird die Empfindlichkeitsausnutzungüber die Wahl des Entwicklers und die Entwick-lungszeiten. Tonwerte und Schärfe sollen auf-grund dieser Technologie im Vergleich zu ge-pushten traditionellen Filmen deutlich besser aus-fallen.

Das Auflösungsvermögen... wird abhängig von Belichtung und Entwick-lung angegeben: 300 Linienpaare bei ISO 25/15°pro Millimeter und 100 Linienpaare pro Milli-meter bei ISO 400/27° – bei einem Kontrast von1:1000. Ein Film, der, mit ISO 25 belichtet, Ko-daks Technical Pan ersetzt – das klingt verlock-end für Schärfe-Freaks.

SensibilisierungDer Rollei R3 ist ein super-panchromatischer Film,

CD/Abstuzneu 1.tif

Geglückte Landung am Not-

schirm (Abbildung 2). Auf-

nahme auf R3-Rollfilm, be-

lichtet mit ISO 400. Die vor-

zügliche Kantenschärfe ist

bei starker Vergrößerung an

den Leinen des Schirms er-

kennbar. Das Korn entspricht

bei dieser Empfindlichkeit

etwa jenem des HP5 Plus,

hervorgerufen in einem Fein-

kornentwickler.

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seine spektrale Empfindlichkeit reicht von etwa380 nm bis 710/730 nm. So sind mit Schwarz-filter auch Aufnahmen im Infrarotbereich mög-lich – allerdings bevorzuge ich dafür den bis 820nm sensibilisierten Maco IR 820c.

Ergebnisse aus der PraxisMeine ersten Versuche mit dem neuen Rollei R3unternahm ich, weil ich einen Film suchte, mitdem ich im „kleinen Großformat“ 4 x 5" aus derHand arbeiten kann, nachdem mein Lieblingsfilmfür dieses Format, Ilfords Delta 400, nicht mehrals Planfilm erhältlich ist. Die Problemstellung beiAufnahmen ohne Stativ ist schnell beschrieben:Welche Lichtempfindlichkeit brauchen wir, umbei in unseren Breiten häufig wechselnden Ver-hältnissen und wegen der Tiefenschärfe abge-blendet auf 16-22, mit 1/60s belichten zu kön-nen, ohne den Film beim Entwickeln pushen zumüssen? Es sind 400 bis 800 ASA.

Plan- und Rollfilm in XtolIch belichtete also eine Anzahl von Aufnahmenwie 400 ASA und entwickelte sie in einem dergängigen Fabrikaten: Kodak Xtol, verdünnt 1:2,in der Rotation bei 22 °C und zwar 16 Minuten

lang. Diese Zeit entnahm ich einer älteren Tabellefür den Maco Cube 400c mit Xtol. Die trockenenNegative sahen auf den ersten Blick nichtschlecht, wenn auch etwas dünn aus. Auf denzweiten Blick mit der Lupe jedoch erschienen mirdie Tonwerte etwas eingeschränkt. Das Kornwirkte scharf definiert, ähnlich wie ich es vom -Tri-X kenne, doch zu grob, verglichen mit mei-nem langjährigen Referenzfilm, dem Delta 400von Ilford. War dies allein auf den Unterschiedzwischen den Flachkristallen des Delta 400 undden kubischen des R3 zurückzuführen? Oder hat-te ich etwas falsch gemacht? Die Kantenschär-fe jedenfalls war vorzüglich. Ich erinnerte michan einen Hinweis in der Dokumentation zum R3,dass die Ergebnisse enttäuschend ausfallen kön-nen, wenn zu kurz entwickelt wird. Es heißt dort:„Die Resultate werden unbefriedigend sein,wenn die Entwicklungszeit in Relation zur Be-lichtungszeit zu kurz war.“ Eine zu kurze Ent-wicklung bewirkt starkes Korn und einge-schränkte Tonwerte. Also entwickelte ich diezweite Serie länger. In der Tabelle des Herstellerswerden für Xtol in der 1:2 Verdünnung 24 bis 29Minuten angegeben, bei einem Kipprhytmus von30 Sekunden und 20 °C. Ich berücksichtigte eine

Verkürzung von 15 Prozent für die Rotation so-wie die höhere Entwicklertemperatur von 22 °Cin meinem Jobo Autolab und entwickelte 22 Mi-nuten lang. Und tatsächlich sahen die Ergebnisseschon ganz anders aus! (Abbildung 1) Das immernoch schön definierte Korn war jetzt wesentlichfeiner und an den Tonwerte gab es nichts mehrzu kritisieren. Zwar fielen die Negative etwasdichter aus, doch weniger dicht als bei dieserdoch deutlich längeren Entwicklungszeit zu er-warten gewesen wäre.Als Nächstes legte ich den R3 Rollfilm in meineMamiya 6 x 7 cm und entwickelte wieder in Xtol,und zwar gleich mit den Zeiten, die beim Plan-film die guten Ergebnisse gebracht hatten.Auch konnte ich den Film jetzt unter realistischenBedingungen mit Ilfords Delta 400 vergleichen.Wieder fiel mir unter der Lupe das gut definier-te und zugleich feine Korn auf, zwar nichtganz so fein wie beim Delta 400, doch immernoch sehr fein. Es ist ähnlich wie bei Ilfords HP5,der ebenfalls auf kubischen Kristallen aufbautoder, wie schon erwähnt, beim Tri-X. Die Flach-kristalle von Filmen wie Delta oder T-Max sind hierim Vorteil.Natürlich geht es beim Korn immer auch um Fra-gen des persönlichen Geschmacks. Ich schätzebei manchen Fotos eine gewisse Körnigkeit, siekann den Schärfeneindruck steigern. Bei ande-ren Fotos will ich lieber gar kein Korn sehen, da-her fotografiere ich vorwiegend im Mittel- undGroßformat. Wenn aber Korn, dann möchte iches so definiert wie beim R3, als feine Rauhigkeitin der 40 x 50 cm-Vergrößerung, so wie es sichbei der Xtol-Entwicklung zeigt und nicht klum-pig. Dass dieser Entwickler aber keineswegs dasletzte Wort in Sachen Korn ist, davon etwas wei-ter unten.

Xtol und R3 High SpeedWarum habe ich mich bei meinen ersten Tests fürXtol entschieden? Er ist ein bei vielen Praktikernbeliebter ausgleichender Feinkornentwickler mithoher Empfindlichkeitsausnutzung. Rodinalschloss ich aus, weil ich vermutete, er würde dasKorn der höchst- und mittelempfindlichenSchicht dieses neuartigen Mehrschichtenfilms zusehr betonen. Übrigens empfiehlt auch Rollei Xtol, will man denR3 entsprechend 100 bis 400 ISO belichten undlegt Wert auf vorzügliche Ergebnisse. Xtol ist einSchicht-Tiefen-Entwickler wie Moersch Tanolund LP Cube XS. Der als Standardentwickler gel-tende D76 wird ebenso empfohlen wie der Klas-siker HC110. Schließlich liefert Rollei unter derBezeichnung „High Speed“ und „Low Speed“zwei für den R3 maßgeschneiderte Konzentra-te. Ersteres wird empfohlen, belichtet man denFilm im Bereich von 100 bis 6400 ISO.

CD/Sonnenschirm.tif

Herbst (Abbildung 3). Aufnahme auf R3-Rollfilm, diesmal im R3 High-Speed-Entwickler

hervorgerufen. Die Auflösung und Feinkörnigkeit sind noch besser als in Xtol.

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Technik Filmtest

Low Speed ist der Entwickler der Wahl, belich-tet man zum Beispiel ISO 25, um das Maximuman Auflösung (300lp/mm!) aus dem Film her-auszuholen. Hierbei handelt es sich ebenfalls umeinen Schicht-Tiefen-Entwickler. Kennern der Szene ist bekannt, dass es sich beimHigh Speed um den LP Supergrain und beim LowSpeed um den LP Cube XS handelt. Die RolleiPhototechnic hat also von Mahn & Co ein run-des Paket übernommen.Als Nächstes entwickelte ich den wieder mit 400ISO belichteten Film auch im R3 High Speed, umfestzustellen, ob diese Kombination andere,vielleicht sogar noch bessere Resultate bringt: Sietut es. Das Korn fällt noch feiner aus. Bei gleich-er Kantenschärfe wie in Xtol liefert der High-Speed-Entwickler Negative, die, auf 40 x 50 cmvergrößert, als nahezu kornlos gelten dürfen. So-mit verdient die Kombination R3 mit den HighSpeed Entwickler die wärmste Empfehlung. Von anderer Seite hörte ich ebenfalls eine inter-esante Variante: Der gute alte HC 110, AnselAdams Standardentwickler, soll in der Verdün-nung B mit dem R3 ebenfalls hervorragende Er-gebnisse liefern. Und auch Promicrol darf nichtvergessen werden, ein Entwickler, der in England

und den USA viel verwendet wird.

Der R3 bei 50 und 25 ISO und im R3 Low-Speed-EntwicklerAuf diese Ergebnisse war ich am meisten ge-spannt. 350 lp/mm Auflösung versprechen de-likate Detailauflösung und hohe Vergröße-rungsfähigkeit bei verschwindend kleinem Korn. Ich habe früher immer wieder einmal mit demTechnical Pan 120 von Kodak fotografiert und da-von kornlose Vergrößerungen im Posterformatgezogen. Allerdings brachte der TP etwas ge-wöhnungsbedürftige Tonwerte, wenn man ihnnicht filterte, zum Beispiel mit dem Farbkorrek-turfilter CC10.Die Abbildung 4 zeigt den Ausschnitt aus einerErinnerungsaufnahme aus den 50er Jahren (Ab-bildung 5), die ich im Morgenlicht mit einerVoigtländer Bessa II 6 x 9 cm machte. Das Ob-jektiv, ein vergütetes Color-Skopar 3.5/105mm,ist vom Tessar-Typ und zeichnet sehr scharf. DerR3 wurde hier mit 50 ISO belichtet und im Low-Speed-Entwickler hervorgerufen. Dieser 10 x 10cm große Ausschnitt stammt aus der 15fachenVergrößerung des Negativs – immerhin auf einBildformat von 135 x 90 cm. Ich habe ihn auf

Oriental Gradation 2 belichtet und in D 72 ent-wickelt. Das Ergebnis finde ich in vielerlei Hinsichtbemerkenswert. Einmal ist da die Schärfe des Ob-jektivs (unter Kennern sind diese Bessas und Ikon-tas aus den 50er Jahren gesucht), zum anderendas hohe Auflösungsvermögen und die Fein-körnigkeit des Films. Der R3 mit 50 ISO belich-tet löst so hoch auf, dass mein Scanner, ein Ep-son 4870, nicht mehr alle Feinheiten des Nega-tivs darstellen konnte. Dies ist der Grund, warumdas Bildbeispiel von der Vergrößerung gescanntwurde. Und ganz nebenbei: für die digitalen SLRsauch der neuesten Generation liegt solche Qua-lität außer Reichweite. Ich habe auch eine Serie von Aufnahmen imKleinbildformat mit 25 ISO belichtet. Der Unter-schied zur Belichtung mit 50 ISO ist aus meinerSicht allerdings nicht ganz so groß, dass er die umeine Stufe langsamere Belichtungszeit rechtfer-tigen würde. Mit 50 ISO jedoch kann man beivielen Gelegenheiten noch gut aus der Hand ar-beiten.

Der R3 bei 3200bis 6400 ISOUm diese höchsten Empfindlichkeiten auszu-probieren, lud ich in den R3 die Rollei SL66SE mit

CD/sushienDetail.tif

CD/sushientotale.tif

Abbildung 4: Ein 10 x 10 cm großer Ausschnitt aus

einer 15fachen linearen Vergrößerung (rechts) des

6 x 9 cm-Negativs. Der R3 wurde ISO 50 belichtet

und im R3 Low-Speed-Entwickler verarbeitet.

... und hieraus wurde der Ausschnitt genommen (Abbildung 5).

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dem Distagon 4/50mm. Wann werden solch ex-treme Filmempfindlichkeiten benötigt? ZumBeispiel im Haus in den so genannten „availablelight“-Situationen: Kinder unter dem Weih-nachtsbaum ungeblitzt, Stilleben ohne den Auf-wand einer Studiobeleuchtung, Akt bei wenigund natürlichem Licht und so weiter. Nicht zu vergessen Aufnahmen, bei denen wirabsichtlich mehr Korn sehen wollen. JeanloupeSieff zum Beispiel, der vor vier Jahren verstorbeneund für seine erotischen Aufnahmen bekanntefranzösische Fotograf, hatte eine Meisterschaftdarin entwickelt, der Haut mancher seiner Mo-delle durch etwas stärkeres Korn eine fast fühl-bare Sinnlichkeit zu verleihen.Höchstempfindliche Filme, vor allem jene mit ku-bischen Kristallen, arbeiten nicht nur körniger,sondern auch weicher – eben weil das Korn grö-ber ist. Die Vergrößerungsfähigkeit endet dort,wo Kornballungen den Bildeindruck zu stören be-ginnen.Das Stilleben meines Arbeitsplatzes nahm ich mitder Einstellung ISO 6400 auf (Abbildung 6). Die

18 x 18 cm-Vergrößerung der 6 x 6 cm-Negativeist noch sehr feinkörnig und zeigt gute Schärfe.Stärker zu rauschen beginnt es bei sechs- bisachtfacher Vergrößerung, was bei derlei Motivenaber keineswegs stört. Dass gröberes Korn dieSchärfe mindert, zeigte eine zehnfache Vergrö-ßerung der Abbildung 6. Die Schrift auf dem Bild-schirm ist zwar noch gut lesbar, aber schon sehrweich an den Kanten. Insgesamt ein beachtlichesResultat. Entwickelt habe ich diese Aufnahmenim R3 High-Speed-Entwickler: 29 Minuten bei 22Grad in der Rotation.

Hinweise für die Labor PraxisRollei R3 verlangt eine Vorwässerung, damit dieSchicht aufquellen und der Entwickler gleich-mäßig angreifen kann. Laut Hersteller erhöht Vor-wässern die effektive Empfindlichkeit um etwaeine Blende. Ich wässere alle Filme zwei bis dreiMinuten vor. Die Entwicklungszeiten bei hoherund höchster Empfindlichkeitsausnutzung sindrecht lang, was mich aber nicht stört, weil ich dieATL 2000 bei der Arbeit allein lassen kann. Nach

dem Entwickler folgt das einminütige Stoppbad,das die alkalischen Bestandteile des Entwicklersneutralisiert und somit das Fixierbad schont. Ichnehme zwei Messerspitzen Zitronensäure auf ei-nen Liter Wasser. Der Rollei R3 klärt in allen handelsüblichen Ex-press-Fixierbädern und brauchte in meinen Testsetwas länger als konventionelle Filme – etwa solang wie Delta- und T-Max-Filme. Gewässert wirdin der Dose unter fließendem Wasser, am bestenmit einer Jobo Kaskade, dann verbrauchen wirnur 5 Minuten lang Wasser. Abschließend erfolgtdas Netzmittelbad mit antistatischer Wirkung unddie Trocknung an einem staubfreien Ort.

Schlussbemerkung:Ich habe für diesen Praxistest mit einer Lotus4x5", im Mittelformat mit der Rollei SL 66SE undder Mamiya 7, mit einer Bessa II sowie imKleinbild mit der Rollei SL35E gearbeitet undkomme zu folgendem Fazit: Beim Rollei R3handelt es sich um ein ungewöhnliches Materi-al, um einen neuartigen Film, der mit Überlegungverwendet werden will und erstklassige Resultateliefern kann. Dabei kommt es entscheidendauf die Kombination mit dem Entwickler und dierichtige Entwicklungszeit an. Nach Xtol nutzte ich auch den R3 Low- und HighSpeed Entwickler, die ich für diesen Film aus-drücklich empfehle. Andere Praktiker sind mitHC110 sowie Promicrol zu vorzüglichen Resul-taten gelangt. Ich habe ebenfalls jeweils einenFilm entsprechend verarbeitet und kann das guteErgebnis bestätigen.Kein anderer Film auf dem Markt ist so anpas-sungsfähig. Angefangen bei der schnellen Re-portage unter schlechten Lichtverhältnissen,über den Alltagsgebrauch bei 200-400 ISO bishin zum niedrigempfindlichen Film, 25-50 ISO,für das großen stille Bild mit hoher Detailauf-lösung und feinstem Korn erfüllt er, die richtigeVerarbeitung vorausgesetzt, was von einemprofessionellen Produkt erwartet werden darf.Und mehr als das: Er besitzt zudem diese ein-zigartige Vielseitigkeit. Im Zusammenhang mit einem Praxistest „Ana-log und Digital in der Schwarzweißfotografie“werde ich auf seine Eignung als höchstauflö-sender Film für die Landschaftsfotografie in ei-ner der nächsten Ausgaben zurückkommen. Kritik hat bei einigen Anwendern der Preis desRollei R3 hervorgerufen. Tatsächlich liegen diePreise über dem Niveau anderer Fabrikate, dochdafür bekommt man auch ein außerordentlichvielseitiges Material, das in allen Empfindlich-keitsklassen sehr gute Resultate liefert. Eben eineeierlegende Wollmilchsau...

Burkhardt Kiegeland

CD/schreibtisch.tif

Stilleben des Arbeitsplatzes (Abbildung 6), ausgenutze Filmempfind-

lichkeit ISO 6400, entwickelt im R3 High-Speed-Entwickler.